Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Sept. 2017 - 2 M 69/17

bei uns veröffentlicht am04.09.2017

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin richtet sich gegen die Rücknahme einer ihr erteilten Baugenehmigung.

2

Bei einem Außentermin am 17.02.2015 wurde von Mitarbeitern des Antragsgegners festgestellt, dass die Antragstellerin auf ihrem Grundstück Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstück 2264, ein Restloch eines ehemaligen Steinbruchs oder einer ehemaligen Sandgrube auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik A-Stadt mit zuvor bei Bauarbeiten auf ihrem Betriebsgelände angefallen Massen verfüllte.

3

Mit Antrag vom 21.05.2015 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die Erteilung einer Baugenehmigung für diese Aufschüttung, deren Volumen sie mit 3.000 m³ angab. Eine von ihr vorgelegte Bodenuntersuchung der W. GmbH vom 13.11.2014 enthielt eine Bewertung von zwei Bohrgut-Proben und von zwei Aushub-Proben nach Maßgabe der TR Boden. Als Ort der Probenahme wurde "Saalemühle A-Stadt – Neubau Stahlsilo" angegeben. Das untersuchte Material wurde den Zuordnungsklassen Z1 bzw. Z1.2 zugeordnet. Dies begründete eine Einstufung in die Einbauklasse 1.

4

Mit Baugenehmigung vom 14.01.2016 genehmigte der Antragsgegner die Aufschüttung. Der Baugenehmigung waren bodenschutzrechtliche Auflagen beigefügt, mit denen der Antragstellerin u.a. aufgegeben wurde, Unterlagen über die Herkunft des Materials vorzulegen. Darüber hinaus wurde von ihr verlangt, das gesamte aufgebrachte Bodenmaterial repräsentativ beproben und durch ein zugelassenes Ingenieurbüro nach Maßgabe der Parameter der LAGA M 20 / TR Boden bewerten zu lassen. Mit Schreiben vom 25.01.2016 legte die Antragstellerin gegen die Auflagen Widerspruch ein.

5

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.02.2017 nahm der Antragsgegner die Baugenehmigung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte er aus, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie bescheinige, dass die Aufschüttung dem öffentlichen Recht entspreche, ohne dass Belange des Bodenschutzes abschließend geprüft worden seien. Die Rücknahme sei zur Beseitigung des derzeitigen rechtswidrigen Zustands geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Die Antragstellerin genieße aufgrund ihres Widerspruchs gegen die Auflagen keinen besonderen Vertrauensschutz. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erfolgt, da aufgrund der in der Baugenehmigung enthaltenen öffentlich-rechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung vor Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens eine Klärung, ob von der Aufschüttung Gefahren im Sinne des Abfall-, Boden- und Wasserrechts ausgingen, nicht möglich sei, da die zuständigen Behörden hierdurch gehindert seien, Untersuchungen anzuordnen oder Nachweise zu fordern. Es sei jedoch zu befürchten, dass Stoffe verbracht worden seien, von denen Umweltgefahren ausgingen. Deren Aufklärung lasse keinen Aufschub zu. Über den von der Antragstellerin hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 01.02.2017 wiederherzustellen, mit Beschluss vom 28.06.2017 – 4 B 293/17 MD – abgelehnt.

II.

7

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

8

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

9

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der angefochtene Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 01.02.2017 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig (dazu 1). Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist rechtlich nicht zu beanstanden (dazu 2).

10

1. Die Rücknahme der Baugenehmigung ist rechtmäßig.

11

a) Die Voraussetzungen der gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA anwendbaren Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor. Die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 14.01.2016 war rechtswidrig, weil mit ihr wesentliche Genehmigungsvoraussetzungen nicht geprüft, sondern "ausgeklammert" und in unzulässiger Weise in Nebenbestimmungen "abgeschoben" wurden. Dies gilt erst Recht, wenn die Genehmigungsbehörde in dem Genehmigungsbescheid keine Festlegungen dazu trifft, ob und ggf. welche Maßnahmen ergriffen werden, falls sich nachträglich herausstellt, dass die offen gebliebenen Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (vgl. BayVGH, Beschl. v. 15.09.1998 – 20 ZB 98.2402 –, juris RdNr. 5; Beschl. v. 02.06.2014 – 22 CS 14.739 –, juris RdNr. 37; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 17.06.2005 – 2 L 264/02 –, juris RdNr. 4).

12

Gemessen daran ist die Baugenehmigung vom 14.01.2016 rechtswidrig.

13

Die Aufschüttung ist genehmigungsbedürftig. Gemäß § 58 Abs. 1 BauO LSA sind Anlagen grundsätzlich genehmigungsbedürftig. Anlagen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BauO LSA sind bauliche Anlagen auch Aufschüttungen und Abgrabungen. Hierunter versteht man durch künstliche Eingriffe auf Dauer angelegte Veränderungen der Geländeoberfläche. Aufschüttungen erhöhen das Bodenniveau durch Aufbringung von Stoffen (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 11.05.2017 – 3 K 631/15 –, juris RdNr. 49). Die von der Antragstellerin vorgenommene Verfüllung des Restlochs auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik A-Stadt ist eine derartige Auffüllung. Auf Grund ihres Ausmaßes ist sie nicht gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 9 BauO LSA verfahrensfrei.

14

Die Genehmigungsvoraussetzungen wurden im Genehmigungsverfahren nicht hinreichend geprüft. Zu den Genehmigungsvoraussetzungen gehören auch die Bestimmungen des Bodenschutz- und Abfallrechts (dazu aa). Diese wurden nicht abschließend geprüft, sondern in bodenschutzrechtliche Nebenbestimmungen "ausgelagert" (dazu bb).

15

aa) Gemäß § 71 Abs. 1 BauO LSA ist Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind. Bei einer nachträglichen Baugenehmigung, die beantragt wird, nachdem das Vorhaben – wie hier – bereits vollständig verwirklicht wurde, ist Gegenstand der Prüfung das tatsächlich bereits verwirklichte Vorhaben (vgl. SaarlVG, Urt. v. 23.08.2000 – 5 K 1/00 –, juris RdNr. 71; VG Ansbach, Urt. v. 08.06.2016 – AN 9 K 15.01341 –, juris RdNr. 18), hier also die von der Antragstellerin vorgenommene Aufschüttung. Sowohl im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß § 62 Satz 1 BauO LSA als auch im Baugenehmigungsverfahren gemäß § 62 Satz 1 BauO LSA ist die Vereinbarkeit mit den Vorschriften der §§ 29 bis 38 BauGB sowie die Einhaltung der anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften bzw. Anforderungen zu prüfen. Hiernach war zu prüfen, ob die von der Antragstellerin tatsächlich vorgenommene Aufschüttung nach den maßgeblichen Vorschriften genehmigungsfähig ist. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht war zu prüfen, ob das Vorhaben öffentliche Belange, insbesondere des Bodenschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), beeinträchtigt. Insoweit stellte sich die Frage, ob die Antragstellerin ihrer bodenschutzrechtlichen Vorsorgepflicht gemäß § 7 Satz 1 BBodSchG hinreichend nachgekommen ist. Maßgeblich ist, ob infolge der vorgenommenen Aufschüttungen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung i.S.d. § 7 Satz 2 BBodSchG i.V.m. § 9 BBodSchV besteht. Maßstab hierfür sind in erster Linie die Vorsorgewerte für Böden gemäß Anhang 2 Nr. 4 der BBodSchV. Ergänzend sind die "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen – Technische Regeln –, Allgemeiner Teil, Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA M 20)" vom 06.11.2003 sowie die "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen, Teil II: Technische Regeln für die Verwertung, 1.2 Bodenmaterial (TR Boden)" vom 05.11.2004 heranzuziehen. Hiernach ist für die Verfüllung von Abgrabungen nur Bodenmaterial der Einbauklasse 0 zugelassen, welches grundsätzlich die Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff und im Eluat einhalten muss. Sofern der Verordnungsvorbehalt des § 7 Satz 4 BBodSchG keine Konkretisierung der bodenschutzrechtlichen Vorsorgeanforderungen durch die Bestimmungen der LAGA M 20 sowie der TR Boden erlauben sollte (vgl. Urt. d. Senats v. 07.12.2016 – 2 L 21/14 –, juris RdNr. 86), dienen diese Bestimmungen jedenfalls der Konkretisierung der Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallverwertung gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG (vgl. Urt. d. Senats v. 07.12.2016 – 2 L 21/14 –, a.a.O. RdNr. 87). Die abfallrechtlichen Bestimmungen gehörten als "andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" bzw. "Anforderungen" ebenfalls zum Prüfprogramm des durchgeführten Baugenehmigungsverfahrens.

16

bb) Diese bodenschutz- bzw. abfallrechtlichen Fragen wurden im Genehmigungsverfahren erkennbar nicht abschließend geprüft. Die Problematik wurde vielmehr in die bodenschutzrechtlichen Auflagen verlagert. Diese ausdrücklich als Auflagen bezeichneten Nebenbestimmungen, mit denen der Antragstellerin aufgegeben wurde, Unterlagen über die Herkunft des Materials vorzulegen, das gesamte aufgebrachte Bodenmaterial repräsentativ beproben und durch ein zugelassenes Ingenieurbüro bewerten zu lassen und die Analysen der unteren Bodenschutzbehörde über die Bauaufsichtsbehörde "zur Beurteilung" vorzulegen, dienten erkennbar der Vorbereitung einer Prüfung, ob schädliche Bodenveränderungen i.S.d. § 9 BBodSchV zu besorgen sind bzw. ob die Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallverwertung i.S.d. § 5 Abs. 3 KrWG erfüllt sind. Die Genehmigungsbehörde sah diese Fragen offenbar als noch nicht ausreichend geklärt, aber klärungsbedürftig an. Hiermit wurden zentrale Fragen des Baugenehmigungsverfahrens in unzulässiger Weise in Nebenbestimmungen verlagert, ohne genaue Festlegungen zum weiteren Vorgehen für den Fall zu treffen, dass die einschlägigen Anforderungen nicht erfüllt werden. Der Senat sieht keinen Anlass, die ausdrücklich als Auflagen bezeichneten Nebenbestimmungen entgegen ihrem Wortlaut als (aufschiebende) Bedingungen anzusehen (vgl. zu einem derartigen Fall SaarlVG, Urt. v. 23.08.2000 – 5 K 1/00 –, juris RdNr. 65 ff.), zumal in den Auflagen keine Festlegungen dazu enthalten sind, welche Grenzwerte das zu beprobende Bodenmaterial mindestens einhalten muss.

17

cc) Auf die von der Antragstellerin in den Mittelpunkt ihrer Beschwerdebegründung gestellte Frage, ob die Möglichkeit einer Abweichung von den Anforderungen des § 9 BBodSchV bzw. der LAGA M 20 / TR Boden besteht, kommt es hiernach nicht entscheidungserheblich an.

18

b) Die zu Recht auf § 48 VwVfG gestützte Rücknahme lässt auch keinen Ermessensfehler erkennen. Die Auffassung des Antragsgegners, die Rücknahme sei zur Beseitigung des derzeitigen rechtswidrigen Zustands geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin hier Vertrauensschutz zuzuerkennen ist, den der Antragsgegner bei seiner Ermessensausübung über die Rücknahme der Baugenehmigung nicht hinreichend berücksichtigt hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

19

2. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Baugenehmigung ist gerechtfertigt. Voraussetzung für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse. Dieses ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass des Verwaltungsakts identisch, sondern geht darüber hinaus (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, RdNr. 759, RdNr. 975). Das besondere öffentliche Interesse ist mit dem gegenläufigen Interesse des Betroffenen am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzuwägen (vgl. Beschl. d. Senats v. 02.09.2014 – 2 M 41/14 –, juris RdNr. 10). Hiernach ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Baugenehmigung gerechtfertigt. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung der mit der Baugenehmigung verbundenen Legalisierungswirkung überwiegt das Interesse der Antragstellerin, von den Wirkungen der Rücknahme einstweilen verschont zu bleiben. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Baugenehmigung besteht darin, möglichst unverzüglich eine Untersuchung der Aufschüttung anordnen und entsprechende Nachweise fordern zu können, um zu klären, ob hierin Stoffe enthalten sind, von denen Umweltgefahren ausgehen können. Das gegenläufige Interesse der Antragstellerin, das allein darin bestehen dürfte, vorläufig keine Untersuchung des eingebrachten Bodenmaterials vornehmen zu müssen, hat dahinter zurückzutreten.

20

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin hiergegen geltend, der Antragsgegner sei durch die Baugenehmigung in keiner Weise daran gehindert, etwa auf der Basis des § 10 BBodSchG gegen sie vorzugehen, falls eine Gefahrenlage für Boden und Grundwasser vorliege. Die für eine bauliche Anlage erteilte Baugenehmigung enthält die Feststellung, dass die Anlage den baurechtlichen sowie den anderen von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht. Die mit dieser Feststellung verbundene Legalisierungswirkung steht einem Einschreiten gegen die Anlage jedenfalls grundsätzlich entgegen (vgl. VGH BW, Urt. v. 29.09.2015 – 3 S 741/15 –, juris RdNr. 30). Zwar reicht die Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung nur so weit, wie das materielle Recht Prüfungsmaßstab bei ihrer Erteilung war (vgl. OVG SH, Urt. v. 18.01.2013 – 1 LB 2/12 –, juris RdNr. 25). Weitere Grenzen der Legalisierungswirkung – insbesondere gegenüber einem Einschreiten auf Grund bodenschutzrechtlicher Bestimmungen – ergeben sich daraus, dass sie nur solche Auswirkungen des genehmigten Vorhabens umfasst, die bei Genehmigungserteilung erkennbar waren bzw. erkannt worden sind und daher mit der Erteilung der Genehmigung „gebilligt“ bzw. „in Kauf genommen“ wurden (vgl. Urt. d. Senats v. 22.04.2015 – 2 L 52/13 –, juris RdNr. 84). Gleichwohl ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Baugenehmigung anzuerkennen, da hiermit zumindest der Rechtsschein einer mit der Baugenehmigung für die Aufschüttung verbundenen Legalisierungswirkung beseitigt und möglichen Rechtsstreitigkeiten, die zu einer Verzögerung der durch den Antragsgegner offenbar ins Auge gefassten Anordnungen führen könnten, vorgebeugt wird.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.


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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Tenor

I.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg wird in den Nummern I und II abgeändert.

II.

Der Beigeladenen wird aufgegeben, innerhalb eines Monats ab der Zustellung dieses Beschlusses an ihre Bevollmächtigten die gasförmigen Emissionen des Blockheizkraftwerks, dessen zusätzliche Aufstellung und Inbetriebnahme Gegenstand des Bescheids des Landratsamts D. a. d. Donau vom 29. November 2013 war, durch eine nach § 26 i. V. m. § 29b Bundes-Immissionsschutzgesetz für derartige Messungen bekanntgegebene Stelle auf ihre Kosten messen zu lassen und die Messergebnisse innerhalb der gleichen Frist dem Landratsamt D. a. d. Donau mitzuteilen, wobei die Messung sowohl den Erfordernissen der Nummern 5.3.2.1 bis 5.3.2.4 der TA Luft als auch denjenigen der VDI-Richtlinie 3862 zu entsprechen hat.

III.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

IV.

Die in beiden Rechtszügen entstandenen Gerichtskosten fallen dem Antragsteller zu vier Fünfteln, dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu jeweils einem Zehntel zur Last. Der Antragsteller trägt ferner vier Fünftel der in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen; diese Beteiligten tragen jeweils ein Zehntel der in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

V.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beigeladene betreibt auf dem Grundstück Fl.Nr. 42 der Gemarkung G (Stadt W.) eine Biogasanlage, die durch Bescheid des Landratsamts D. a. d. Donau vom 22. September 2009 baurechtlich genehmigt wurde.

Der Antragsteller ist u. a. Miteigentümer der in der Gemarkung W. liegenden Grundstücke Fl.Nrn. 1659/2 und 1659/22, die beide unmittelbar an das Grundstück Fl.Nr. 42 der Gemarkung G. angrenzen.

Am 8. Juli 2009 genehmigte das Landratsamt einem Herrn M. die Errichtung eines Reisemobil-Übernachtungsplatzes mit zwölf Stellplätzen auf dem Grundstück Fl.Nr. 1659/2 sowie auf den beiden in räumlichem Zusammenhang damit stehenden Grundstücken Fl.Nrn. 1659/3 und 1659/17 der Gemarkung W.

Durch Bescheid vom 29. November 2013 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung der Biogasanlage durch Erhöhung der Einsatzstoffmenge und der jährlich erzeugten Gasmenge auf 1.802.000 Nm³ Biogas, durch das Aufstellen eines weiteren Blockheizkraftwerks sowie für die bauliche Änderung des der Aufnahme des Blockheizkraftwerks dienenden Gebäudes.

Nachdem der Antragsteller am 30. Dezember 2013 vor dem Verwaltungsgericht Augsburg Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid erhoben hatte, ordnete das Landratsamt am 27. Januar 2014 dessen sofortige Vollziehung an.

Der Antragsteller beantragte daraufhin beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

In der mündlichen Verhandlung, die das Verwaltungsgericht am 5. März 2014 im Hauptsacherechtsstreit und im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO durchgeführt hat, erklärte der Umweltingenieur des Landratsamts auf Frage des Bevollmächtigten des Antragstellers, die Anlage sei sowohl nach der TA Lärm als auch nach der DIN 45680 und dem Beiblatt 1 hierzu geprüft worden. Im weiteren Fortgang des Verfahrens nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO machte der Antragsteller u. a. geltend, den Akten des Landratsamts lasse sich nicht entnehmen, dass die Behörde die bei Blockheizkraftwerken notwendigerweise vorzunehmende eingehende Auseinandersetzung mit tieffrequenten Geräuschimmissionen durchgeführt habe.

Das Landratsamt trat dem Antrag im Wesentlichen mit dem Vorbringen entgegen, zum Zweck der Geräuschreduzierung würden zwei Schalldämpfer eingebaut; ihre Dämpfungswerte seien Bestandteil der Antragsunterlagen. Aus ihnen ergebe sich, dass der Pegel des Blockheizkraftwerks in einer Entfernung von 10 m nur noch 23 dB(A) betrage. Die Pegel der einzelnen Oktaven lägen bereits in dieser Entfernung unter der Hörschwelle der jeweiligen Oktav. Durch den Einbau der Schalldämpfer würden tieffrequente Emissionen minimiert. Die Plausibilität der vorgelegten Unterlagen sei im Verfahren geprüft worden; bei jeder Anlage werde nach ihrer Inbetriebnahme zudem die antragsgemäße Errichtung kontrolliert.

Durch Beschluss vom 14. März 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ab. Sehe man davon ab, dass der Antragsteller nicht substantiiert vorgetragen habe, dass von der Biogasanlage der Beigeladenen tatsächlich relevante tieffrequente Geräusche ausgingen, stehe die Vermutung, tieffrequenter Schall sei nicht ausreichend untersucht worden, im Widerspruch zu den Aussagen des Umweltingenieurs in der mündlichen Verhandlung. Zudem genüge eine allgemeine Gesundheitsgefährdung durch tieffrequenten Schall nicht, um es als naheliegend erscheinen zu lassen, dass die Genehmigung vom 29. November 2013 aufzuheben sein werde; einschlägige Beschwerden von Bewohnern im Umkreis der Biogasanlage seien nicht aktenkundig. Überdies enthalte der Genehmigungsbescheid Auflagen, die auch die Vermeidung tieffrequenten Schalls bezweckten. Ferner könne der Antragsgegner bei diesbezüglichen tatsächlichen Anhaltspunkten jederzeit eine Überprüfung der Anlage anordnen und ggf. nachträgliche Anordnungen erlassen.

Mit der von ihm gegen den Beschluss vom 14. März 2014 eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, diese Entscheidung abzuändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den immissionsschutzrechtlichen Bescheid vom 29. November 2013 wiederherzustellen.

Zur Begründung dieses Rechtsbehelfs macht er im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, insbesondere den in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussagen des Antragsgegners ohne Nachprüfung Glauben geschenkt, obwohl sie in Widerspruch zur Behördenakte stünden, weil dort eine Überprüfung der Anlage auf tieffrequenten Schall nicht dokumentiert sei. Dass Blockheizkraftwerke tieffrequenten Schall emittieren würden, sei allgemein bekannt und zudem seitens des Umweltingenieurs bestätigt worden. Tieffrequente Geräusche stellten eine erhebliche Belastung für den Menschen dar; die Wohnwagengäste des Antragstellers müssten hiervor geschützt werden.

Durch die genehmigte Erhöhung der Stoffmenge erhöhe sich der Anfall an Schwefelwasserstoff. Da ein Einatmen dieser Verbindung u. U. zum Tod führe, könne die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Gebot der Reduzierung dieser Substanz sei nur Bestandteil des Vorsorgegrundsatzes und entfalte damit keinen Drittschutz, im Licht des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zutreffen. Gefährdet werde der Antragsteller vorliegend zudem durch Formaldehyd. Nicht im notwendigen Umfang geprüft worden seien schließlich die von der Anlage ausgehenden Explosionsgefahren.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der von ihnen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorgetragenen Gesichtspunkte wird auf die Schriftsätze der Landesanwaltschaft Bayern vom 30. April 2014 (samt Anlage) und vom 8. Mai 2014 sowie der Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 14. und 30. April 2014, wegen der Replik des Antragstellers hierauf auf das Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 15. Mai 2014 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, als der Antragsteller auf mögliche rechtliche Defizite des Bescheids vom 29. November 2013 hinsichtlich der Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen hingewiesen hat, die von dem streitgegenständlichen Änderungsvorhaben in Gestalt von Formaldehydemissionen ausgehen. Die sofortige Vollziehung kann danach derzeit nur aufrechterhalten werden, wenn die tatsächlichen Unklarheiten rasch beseitigt werden; diesem Zweck dient die der Beigeladenen erteilte Auflage.

1. Keinen Erfolg haben die Ausführungen des Antragstellers im Hinblick auf von der strittigen Anlage hervorgerufene Schallimmissionen.

a) Soweit der Antragsteller eine Rechtsverletzung durch tieffrequente Geräusche geltend macht, fehlt es jedenfalls insofern an der nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlichen substantiierten Darlegung, dass die Anlage der Beigeladenen tatsächlich derartige Immissionen hervorruft, als sich diese Geräusche innerhalb des hörbaren Spektrums bewegen. Die Beigeladene ist seit der Bekanntgabe des Bescheids vom 27. Januar 2014 befugt, die am 29. November 2013 genehmigten Änderungen vorzunehmen. Wie ihre Bevollmächtigten dem Verwaltungsgerichtshof am 14. April 2014 mitgeteilt haben, hat sie von dieser Möglichkeit auch bereits Gebrauch gemacht. Würde das geänderte Vorhaben tieffrequente Geräusche verursachen, wäre deshalb zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller vorgetragen hätte, wann einschlägige Wahrnehmungen getätigt wurden und welche konkrete Gestalt die fraglichen Immissionen aufweisen. Zu dahingehenden Ausführungen hätte umso mehr Anlass bestanden, als bereits das Verwaltungsgericht die Ablehnung des Antrags nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO u. a. auf das vollständige Fehlen substantiierten Vortrags über das tatsächliche Auftreten tieffrequenter Schallimmissionen gestützt hatte. Da der in der Nachbarschaft der Biogasanlage errichtete Wohnmobilstellplatz nach den Angaben von Herrn M. im Baugenehmigungsverfahren (vgl. Bl. 375 der Akte des Verwaltungsgerichts) ganzjährig nutzbar ist, zudem bereits der März des laufenden Jahres überdurchschnittlich warm und sonnig war, stünde zu erwarten, dass entweder der Platzbetreiber oder einige seiner Kunden tieffrequente, im hörbaren Bereich liegende Geräusche moniert hätten, wären solche seit der Verwirklichung der am 29. November 2013 genehmigten Änderungen an der Biogasanlage tatsächlich zu verzeichnen gewesen.

Der aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO resultierenden Obliegenheit, substantiiert darzulegen, dass - und bejahendenfalls in welcher Gestalt und Intensität - die Anlage der Beigeladenen tieffrequente Geräusche emittiert, war der Antragsteller nicht deswegen enthoben, weil derartige Phänomene bei Biogasanlagen des Öfteren zu verzeichnen sind (vgl. dazu z. B. das Biogashandbuch Bayern - Materialienband, Stand März 2011, Kap. 2.2.2.4, sowie den vom Bayerischen Landesamt für Umwelt im Februar 2011 herausgegebenen Leitfaden „Tieffrequente Geräusche bei Biogasanlagen und Luftwärmepumpen“, S. 14). Denn eine dem Antragsteller günstige Entscheidung im Sofortvollzugsverfahren wäre lediglich dann veranlasst, wenn zumindest die überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht nur dafür spräche, dass dadurch hervorgerufene Immissionen auch im vorliegenden Fall zu verzeichnen sind, sondern dass sie darüber hinaus auch die Grenze überschreiten, von der an sie „schädliche“ Umwelteinwirkungen im Sinn von § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. Gegen eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen die Bekundungen des Umweltingenieurs des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Wenn er seinerzeit angegeben hat, er habe das Vorhaben auch auf seine Vereinbarkeit mit der DIN 45680 und dem Beiblatt 1 hierzu überprüft, so kann das nur so verstanden werden, dass die Anlage nach seiner Überzeugung (auch) nach Durchführung der beantragten Änderungen den Anforderungen entsprechen wird, die sich aus dieser in Abschnitt A.1.5 der TA Lärm in Bezug genommenen, der Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche dienenden technischen Norm ergeben. Der Umstand, dass diese Überprüfung in den Akten keinen Niederschlag gefunden hat, steht der Richtigkeit der Bekundung des Umweltingenieurs nicht entgegen. Denn aufgrund des Studiums von Genehmigungsunterlagen kann eine zutreffende fachliche Überzeugung gewonnen werden, ohne dass aus diesem Anlass Schriftstücke oder andere (zur Aufnahme in eine Akte geeignete) Unterlagen anfallen müssen.

b) Auf sich beruhen kann, ob der Antragsteller auch gehalten gewesen wäre, substantiiert darzulegen, dass von der Anlage der Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen in der Gestalt tieffrequenten Schalls ausgehen, der unterhalb der Hörbarkeitsschwelle liegt. Sollte davon auszugehen sein, dass er sich wegen der Schwierigkeit, eine solche Gegebenheit auch nur glaubhaft zu machen, insoweit darauf beschränken durfte, die aus seiner Sicht unterbliebene Prüfung dieses Gesichtspunkts im Verwaltungsverfahren zu rügen, so erwiese sich die Beschwerde gleichwohl als zwar zulässig, aber nicht begründet. In einem eigenen subjektiven Recht - nämlich in seinem aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Anspruch auf Erhalt des Werts und der unbeeinträchtigten Nutzbarkeit der u. a. ihm gehörenden, im Einwirkungsbereich der Biogasanlage liegenden Grundstücke - könnte der Antragsteller durch derartige Immissionen nämlich nur dann verletzt sein, wenn durch diesen sog. „Infraschall“ nachteilige Wirkungen auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden von Nutzern des Wohnmobilstellplatzes hervorgerufen würden, die wegen einer hierdurch bewirkten Verminderung der Wertschätzung dieses Stellplatzes beim Publikum Umsatzeinbußen beim Betreiber des Stellplatzes nach sich zögen, und wenn dieser diese wirtschaftlichen Nachteile z. B. in Gestalt einer geminderten Pacht oder einer vorzeitigen Auflösung des zwischen ihm und dem Antragsteller bestehenden Rechtsverhältnisses an den Antragsteller weiterreichen würde. Dass es sich so verhält oder eine derartige Entwicklung künftig zu besorgen steht, wurde indes nicht behauptet.

Nur ergänzend ist deshalb anzumerken, dass Infraschallimmissionen gesundheitliche Schäden entweder bei kontinuierlicher Langzeitexposition oder bei sehr intensiven Kurzzeitexpositionen verursachen können (vgl. die unter dem Titel „Infraschall und tieffrequenter Schall - ein Thema für den umweltbezogenen Gesundheitsschutz in Deutschland?“ im Bundesgesundheitsblatt 2007, S. 1582/1585 veröffentlichte Mitteilung der beim Robert-Koch-Institut bestehenden Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“). Im Hinblick darauf, dass der Betreiber des Wohnmobilstellplatzes in dem diese Anlage betreffenden Baugenehmigungsverfahren erklärt hat, die durchschnittliche Standzeit der Fahrzeuge dort betrage zwei Tage (vgl. Blatt 378 Rückseite der Akte des Verwaltungsgerichts; auf Blatt 372 Rückseite ist sogar von einer sich nur zwischen einem und zwei Tagen bewegenden Standzeit die Rede), fehlt es an Anhaltspunkten für eine gesundheitlich relevante Langzeitexposition. Anhaltspunkte für derart intensive Infraschallimmissionen, dass bereits nach ein- bis zweitägigem Aufenthalt auf dem Wohnmobilstellplatz mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen wäre, fehlen zur Gänze. Hinzu kommt, dass auf dem Grundstück Fl.Nr. 42 in dem gleichen Gebäude, in dem das am 29. November 2013 genehmigte neue Blockheizkraftwerk untergebracht ist, nach Aktenlage bereits seit Dezember 2009 eine derartige Anlage betrieben wurde, die sich von ihren Kenndaten her (vgl. die Gegenüberüberstellung in Abschnitt 4.1 des Bescheids vom 29.11.2013) von der neu hinzugekommenen zwar in mehrfacher Hinsicht unterscheidet, ohne jedoch einer von Grund auf anderen Größenordnung anzugehören. Probleme wegen Infraschalls sind insofern nicht bekannt geworden. Warum dies künftig beim Betrieb des neuen Blockheizkraftwerks anders sein sollte, ist nicht ersichtlich.

2. Soweit der Antragsteller eine Beeinträchtigung durch Schwefelwasserstoff und Formaldehyd geltend macht, muss aus den Ausführungen im viertletzten Absatz auf Seite 6 und im dritten Absatz von oben auf Seite 7 der Beschwerdebegründungsschrift vom 14. April 2014 erschlossen werden, dass er insoweit auch sich selbst (und nicht nur die Benutzer des u. a. auf dem Grundstück Fl.Nr. 1659/2 bestehenden Wohnmobilstellplatzes) als gefährdet ansieht. Damit kann er schon deshalb nicht durchdringen, weil er nicht im Beurteilungsgebiet der Anlage der Beigeladenen wohnt und er auch nicht vorgetragen hat, dass er (z. B. weil sich sein Arbeitsplatz im Beurteilungsgebiet befindet) sich dort so oft aufhält, dass er durch die genannten Luftschadstoffe in gleicher Weise wie eine im Beurteilungsgebiet ansässige Person gefährdet sein kann. Damit scheidet die nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche tatsächliche Gefährdung von Leben und Gesundheit des Antragstellers aus. Dass ein atypischer Fall vorliegt, in dem ausnahmsweise auch außerhalb des Beurteilungsgebiets wohnende Personen unter dem Blickwinkel der von der Anlage emittierten Luftschadstoffe eine tatsächliche Rechtsverletzung im Sinn von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erleiden können, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.

3. Eine Verletzung des (Mit-)Eigentumsrechts des Antragstellers u. a. an dem Grundstück Fl.Nr. 1659/2 durch von der Anlage der Beigeladenen ausgehende Schwefelwasserstoff- oder Formaldehydemissionen bzw. durch ein dort stattfindendes Explosionsereignis ist nach dem in diesem Beschwerdeverfahren erzielbaren Kenntnisstand des Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls nur in der Weise vorstellbar, dass die Nutzbarkeit und Werthaltigkeit seines Miteigentumsanteils dann beeinträchtigt werden könnte, falls Benutzer des dort errichteten Wohnmobilstellplatzes durch eine Explosion oder die vorgenannten Luftschadstoffe zu Schaden kämen, deshalb die Wertschätzung dieses Platzes leiden würde und hieraus resultierende Umsatzeinbußen des Platzbetreibers wirtschaftlich an den Antragsteller weitergegeben würden. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter dem Blickwinkel unzulässiger Schwefelwasserstoffimmissionen sowie im Hinblick auf Explosionsgefahren ist jedoch ebenfalls nicht veranlasst, da der Bescheid vom 29. November 2013 im Licht der Beschwerdebegründung unter diesen beiden Gesichtspunkten zu keinen rechtlichen Beanstandungen Anlass gibt (dazu nachfolgend unter a). Die Ausführungen im Schriftsatz vom 14. April 2014, die sich mit den von der verfahrensgegenständlichen Anlage ausgehenden Formaldehydemissionen befassen, lassen es demgegenüber als möglich erscheinen, dass dieser Problemkreis im Genehmigungsbescheid teilweise nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise geregelt worden sein könnte, ohne dass im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes diesbezüglich allerdings abschließende Aussagen getroffen werden können (dazu unter b). Dies wirkt sich auf die hier vorzunehmende Interessenabwägung in der Weise aus, dass die sofortige Vollziehung derzeit nur aufrechterhalten werden kann, wenn die tatsächlichen Unklarheiten rasch beseitigt werden; diesem Zweck dient die der Beigeladenen erteilte Auflage.

a) Keinen Erfolg haben die Ausführungen des Antragstellers im Hinblick auf von der strittigen Anlage hervorgerufene Schwefelwasserstoffimmissionen und sonstige Gefahren durch Explosionen. Die Schutzvorkehrungen, die aus ihrer Sicht u. a. zur Vermeidung von Vergiftungen und Explosionen erforderlich sind, hat die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, die hierbei in ihrer Eigenschaft als zuständige Berufsgenossenschaft (vgl. Art. 1 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 12.4.2012, BGBl I S. 579) und damit als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII) tätig wurde, in ihrer Stellungnahme vom 26. August 2013 aufgelistet. Die darin enthaltenen Auflagenvorschläge wurden sachlich unverändert in den Bescheid vom 29. November 2013 übernommen. Diese begegnen bei im Eilverfahren nur möglicher summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.

U. a. aus der Unterlage, die die Bevollmächtigten des Antragstellers als Anlage 1 zu ihrem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 6. März 2014 in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt haben, geht hervor, dass in erster Linie die Personen, die in einer der Lagerung oder Verarbeitung von Gülle dienenden Anlage arbeiten, durch den dort auftretenden Schwefelwasserstoff gefährdet sind. Denn dieses toxische Gas sammelt sich vor allem in der Nähe des Bodens einer solchen Anlage in potenziell letal wirkenden Konzentrationen an, während durch konsequentes Lüften das Entstehen schädlicher Konzentrationen verhindert werden kann. Erachtet aber derjenige Träger öffentlicher Gewalt, dem von Gesetzes wegen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) der Schutz von Beschäftigten vor arbeitsplatzbezogenen Gefahren obliegt, zu diesem Zweck bestimmte Vorkehrungen für ausreichend, so bedürfte es substantiierten Vortrags, dass diese Schutzmaßnahmen nicht genügen, um Personen vor Lebens- oder Gesundheitsgefahren zu bewahren, die - wie das bei den Benutzern des Wohnmobilstellplatzes der Fall ist - einem toxischen Stoff nur in weitaus geringerer Konzentration als die in der Anlage Tätigen ausgesetzt sein können. Derartige Gesichtspunkte hat der Antragsteller nicht vorgebracht.

Gleiches gilt für das von ihm behauptete Explosionsrisiko. Da sich die Auswirkungen der Explosionsereignisse, die auf den Seiten 19 bis 21 des Merkblatts „Sicherheit in Biogasanlagen“ der Kommission für Anlagensicherheit geschildert werden (diese Unterlage haben die Bevollmächtigten des Antragstellers als Anlage 2 zu ihrem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 6.3.2014 in das Verfahren eingeführt), ausnahmslos auf die betroffenen Biogasanlagen beschränkten, hätte es konkreter Anhaltspunkte bedurft, dass die vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung vorgeschlagenen und in den Genehmigungsbescheid übernommenen Auflagen nicht ausreichen, um die Benutzer des angrenzenden Wohnmobilstellplatzes vor Schäden durch Explosionen zu schützen. Die Behauptung, die Stellungnahme vom 26. August 2013 erschöpfe sich in pauschal formulierten Satzbausteinen, genügt nicht, um ein Regelungsdefizit des Genehmigungsbescheids aufzuzeigen. Liegt bei der zuständigen Fachbehörde Erfahrungswissen darüber vor, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit Gefahren, die von einem bestimmter Anlagentyp ausgehen, effektiv entgegengewirkt wird (von einem solchen Erfahrungswissen ist bei Biogasanlagen angesichts ihrer beträchtlichen Zahl und angesichts der als Anlagen 1 und 2 zum Schreiben vom 6.3.2014 vorgelegten Studien auszugehen), so entspricht es pflichtgemäßem Verwaltungshandeln, den Betreibern der zu diesem Typ gehörenden Einzelanlagen die Einhaltung dieses Anforderungsbündels aufzugeben, soweit nicht Besonderheiten des Einzelfalles ein Mehr oder ein Weniger an Maßnahmen verlangen. Dass ein derartiger Sonderfall inmitten steht, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.

b) Was den Schutz vor Formaldehydimmissionen angeht, geht der angefochtene Bescheid zwar von einem richtigen Schutzkonzept aus. Er stellt aber möglicherweise nicht hinreichend sicher, dass dieses auch eingehalten werden kann.

Die im Bescheid vom 29. November 2013 verfügte Begrenzung der maximal zulässigen Formaldehydemissionen auf 60 mg/m³ entspricht der in der Nummer 5.4.1.4 der TA Luft unter der Zwischenüberschrift „Organische Stoffe“ enthaltenen Vorgabe. Einem Rückgriff auf die in der Nummer 5.2.5 der TA Luft normierten Grenzwerte von 0,10 kg/h oder 20 mg/m³, wie ihn die Beschwerdebegründung für geboten erachtet, steht die Nummer 5.1.1 Abs. 2 Satz 2 der TA Luft entgegen. Nach dieser Norm gehen in der Nummer 5.4 getroffene Regelungen, soweit sie u. a. von den in der Nummer 5.2 aufgestellten Anforderungen abweichen, den letztgenannten Bestimmungen vor. Ausgenommen von diesem Vorrang ist nach der Nummer 5.1.1 Abs. 2 Satz 5 der TA Luft das Emissionsminimierungsgebot nach der Nummer 5.2.7 der TA Luft. Da der Beigeladenen die Einhaltung dieses Postulats durch den vierten Absatz der Nebenbestimmung 4.6.4 des Bescheids vom 29. November 2013 ausdrücklich aufgegeben wurde (die Formulierung dieser Auflage lehnt sich an den Wortlaut des letzten Satzes der Nummer 5.4.1.4 der TA Luft an, erfüllt der Sache nach aber die gleiche Funktion wie das Minimierungsgebot nach der Nummer 5.2.7), bestehen insoweit keine Bedenken.

Grundsätzlich zu Recht aufgegriffen hat der Antragsteller in der Beschwerdebegründungsschrift demgegenüber den Hinweis, der sich im Bescheid vom 29. November 2013 im Anschluss an die Auflage 4.6.6 findet. Durch diese Nebenbestimmung wurde die Beigeladene verpflichtet, den Abgasweg des Motors des Blockheizkraftwerks so auszulegen, dass ein Oxidationskatalysator nachgerüstet werden kann. Im Anschluss daran hat das Landratsamt in Gestalt eines Hinweises ausgeführt: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere die Einhaltung des Emissionsgrenzwertes für Formaldehyd die Nachrüstung der Anlage mit Oxidationskatalysatoren erforderlich macht.“ Diese Aussage muss in Verbindung mit dem der Nebenbestimmung 4.6.8 beigefügten „wichtigen Hinweis“ gewürdigt werden, dem zufolge eine „Vielzahl“ von Biogasmotoren den für Formaldehyd geltenden Emissionsgrenzwert von 60 mg/m³ überschreitet.

Vor dem Hintergrund dieser beiden Erklärungen muss ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass es das Landratsamt als (ggf. sogar hochgradig) ungesichert ansieht, ob der Motor des neuen, den Gegenstand des Bescheids vom 29. November 2013 bildenden Blockheizkraftwerks der Beigeladenen in der Lage sein wird, den in der Auflage 4.6.4 zutreffend vorgegebenen Emissionsgrenzwert für Formaldehyd von 60 mg/m³ einzuhalten. Zwar hat der Umweltingenieur dieser Behörde in seiner aus Anlass des Änderungsgenehmigungsantrags der Beigeladenen abgegebenen fachlichen Stellungnahme vom 18. November 2013 (Blatt 65 - 74 der Behördenakte) angemerkt: „Nach dem vorgelegten Datenblatt des Verbrennungsmotors ist zu erwarten, dass die Vorgaben des Biogashandbuches für Motoren mit einer Feuerungswärmeleistung von > 1 MW eingehalten werden.“ Sieht man davon ab, dass das Biogashandbuch Bayern neben einer Bekräftigung des rechtlichen Gebots, dass die Verbrennungsmotoren von Biogasanlagen ab einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 1 MW höchstens 60 mg/m³ Formaldehyd emittieren dürfen, zahlreiche weitere Vorgaben enthält, denen derartige Anlagen genügen müssen (weswegen sich die vorstehend zitierte Textpassage in der Stellungnahme vom 18.11.2013 nicht notwendig speziell auf die Formaldehydemissionen beziehen muss), wird die Überzeugungskraft dieser Erklärung maßgeblich durch den Umstand relativiert, dass bereits die Stellungnahme des Umweltingenieurs diejenigen beiden Hinweise enthielt, die später wortgleich im Anschluss an die Auflagen 4.6.6 und 4.6.8 Eingang in den Bescheid vom 29. November 2013 gefunden haben. Auch der zuständige Fachbeamte des Landratsamts sah es offenbar als möglich an, dass die verfahrensgegenständliche Anlage u. U. Formaldehyd in größerem Umfang als zulässig emittiert.

Dies führt zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG darf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur ergehen, wenn „sichergestellt“ ist, dass u. a. die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Erfordernisses auch bei immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen nach § 16 BImSchG z. B. Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Februar 2008, § 6 BImSchG Rn. 9). § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verbietet es, dass genehmigungsbedürftige Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen; § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG fordert, Vorsorge gegen das Entstehen solcher Umwelteinwirkungen zu treffen. Wann die Emission von Luftschadstoffen die Grenze zur „Schädlichkeit“ im Sinn von § 3 Abs. 1 BImSchG überschreitet, bestimmen mit regelmäßig bindender Wirkung u. a. die auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften, zu denen auch die TA Luft gehört. Vermag eine Anlage in der TA Luft festgesetzte Grenzwerte nicht einzuhalten, ist sie deshalb nicht genehmigungsfähig.

Das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG enthaltene Tatbestandsmerkmal, dass u. a. die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten nach § 5 BImSchG „sichergestellt“ sein muss, bedeutet allerdings nicht, dass das Nichtüberschreiten verbindlicher Grenzwerte mit zweifelsfreier Sicherheit festzustehen hat und auch sonst keine nur denkbare Möglichkeit der Herbeiführung schädlicher Umwelteinwirkungen bestehen darf (vgl. BVerwG, U. v. 17.2.1978 - 1 C 102.76 - BVerwGE 55, 250/254). Vielmehr müssen Risiken, die als solche erkannt sind, „mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein“ (BVerwG, U. v. 17.2.1978 a. a. O. S. 254). Das hinnehmbare Maß an Prognoseunsicherheit hängt dabei von der Art der gefährdeten Rechtsgüter ab: Je höher deren Rang ist, desto unwahrscheinlicher muss das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen sein (Wasielewski in GK-BImSchG, Stand März 2010, § 6 Rn. 12; Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand August 2010, § 6 BImSchG Rn. 30). Danach verbleibende Zweifel, die sich weder im Wege der Sachverhaltsaufklärung (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) noch durch die Beifügung von Nebenbestimmungen zu einer Genehmigung ausräumen lassen, wirken sich zulasten des Genehmigungsbewerbers aus (Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 6 Rn. 15; Scheidler in Feldhaus, a. a. O. Rn. 29).

Ob der Bescheid vom 29. November 2013, soweit er sich auf die Errichtung und den Betrieb des Motors des neuen Blockheizkraftwerks bezieht, vor diesem Hintergrund im Hinblick auf Formaldehydemissionen der Nachprüfung im anhängigen Klageverfahren standhalten wird, entzieht sich im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO einer abschließenden Beantwortung. Für das Vorliegen eines noch hinnehmbaren Restrisikos könnte sprechen, dass der Umweltingenieur des Landratsamts auf Seite 3 seiner Stellungnahme vom 18. November 2013 eine (verhalten) positive, hinsichtlich ihres spezifischen Bezugs auf Formaldehydemissionen allerdings nicht eindeutige Beurteilung der konkreten Anlage abgegeben hat. Sie wird jedoch durch den Hinweis auf die hohe Zahl von Biogasmotoren, die den einschlägigen Grenzwert von 60 mg/m³ nicht einzuhalten vermögen, und durch die Forderung nach baulichen, die Nachrüstung des Abgaswegs mit einem Oxidationskatalysator ermöglichenden Vorkehrungen deutlich relativiert. Aus dem (insoweit auf dem Stand vom März 2011 befindlichen) Biogashandbuch Bayern ergibt sich insoweit ebenfalls ein ambivalenter Befund: Dort wird in Abschnitt 2.2.2.2.6 einerseits ausgeführt, Biogasmotoren könnten „bei ordnungsgemäßem Betrieb“ und unter der weiteren Voraussetzung einer guten Wartung den für Formaldehyd geltenden Emissionsgrenzwert von 60 mg/m³ einhalten. Sofern sie jedoch einen hohen elektrischen Wirkungsgrad aufweisen würden, bedürften sie, damit dieser Grenzwert nicht überschritten werde, in der Regel einer nachgeschalteten Abgasreinigung; grundsätzlich seien jedoch auch Gas-Otto-Motoren verfügbar, die die Emissionswerte ohne sekundäre Maßnahmen einhalten könnten. Zu einem Ansteigen der Formaldehydemissionen könne es ferner bei schlechter Qualität des Biogases kommen.

Diese Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung werden auch nicht durch die dem angefochtenen Bescheid beigefügten Nebenbestimmungen ausgeräumt. Der Bescheid vom 29. November 2013 enthält zwar bereits jetzt Nebenbestimmungen, die im Sinn von § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG gewährleisten sollen, dass die Voraussetzungen für die Einhaltung der 60-mg/m³-Grenze auf Dauer vorliegen. Fraglich ist, ob diese für diesen Zweck ausreichen.

Zwar verpflichtet die Auflage 4.6.9 die Beigeladene, den Motor alljährlich durch eine Fachfirma warten und einstellen zu lassen; darüber hinaus wird ihr die fortlaufende Wartung des Motors und die Kontrolle seiner Einstellung durch geeignete eigene Beschäftigte oder durch Abschluss eines Wartungsvertrages mit einer Fachfirma aufgegeben. Ob diese Regelung ausreicht, um die Einhaltung des für Formaldehyd geltenden Emissionsgrenzwerts sicherzustellen, entzieht sich gegenwärtig der Beurteilung. Ob die Nebenbestimmung 4.6.2 bereits in ihrer jetzigen Gestalt geeignet ist, jene Gasqualität sicherzustellen, die nach den Angaben im Biogashandbuch Bayern erforderlich ist, um die Rechtskonformität der Formaldehydemissionen zu gewährleisten, oder diese Auflage noch der Nachbesserung bedarf, muss der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Nach der Nebenbestimmung 4.6.8 ist frühestens drei und spätestens sechs Monate nach der Inbetriebnahme der geänderten Anlage erstmals eine Emissionsmessung vorzunehmen. Dies dürfte nicht ausreichen, um den erforderlichen Grad an Gewissheit zu erlangen, ob die maßgeblichen Grenzwerte - insbesondere derjenige für Formaldehyd - tatsächlich eingehalten werden. Denn die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 BImSchG ergebenden Genehmigungsvoraussetzungen müssen bereits bei Erlass des Genehmigungsbescheids erfüllt sein; dies schließt es aus, ein Vorhaben, dem eine Genehmigungsvoraussetzung fehlt, im Hinblick auf die etwaige künftige Erfüllung dieser Voraussetzung zu genehmigen (Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2004, § 12 BImSchG Rn. 41). Hat sich die Genehmigungsbehörde nicht das erforderliche Maß an Gewissheit über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen verschafft, darf sie die insoweit verbliebene Unsicherheit nicht zum Anlass für eine Nebenbestimmung nehmen, mit der dem Genehmigungsbewerber z. B. aufgegeben wird, nach der Inbetriebnahme der Anlage durch eine Begutachtung nachzuweisen, dass einzuhaltende Grenzwerte nicht überschritten werden (Sellner in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand Oktober 1996, § 12 BImSchG, Rn. 134). Denn das Bundes-Immissionsschutzgesetz gestattet es nicht, die Errichtung oder den Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage, bei der das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen nicht mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, gleichsam „auf Probe“ zu genehmigen, und erst dann ggf. auf die Eliminierung schädlicher Umwelteinwirkungen Bedacht zu nehmen, wenn sich ihr Auftreten im Echtbetrieb herausgestellt hat. Auf den Umstand, dass sich das Landratsamt im Bescheid noch nicht einmal festgelegt hat, ob - und bejahendenfalls welche - Maßnahmen ergriffen werden, falls sich bei der angeordneten Erstmessung die Nichteinhaltbarkeit einschlägiger, der Luftreinhaltung dienender Grenzwerte herausstellen sollte, ist vor diesem Hintergrund nur ergänzend hinzuweisen.

Das Gebot, über das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen bereits vor der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Rahmen einer zu diesem Zeitpunkt pflichtgemäß angestellten Prognose zu befinden, besteht dann nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch einzelnen Drittbetroffenen gegenüber, wenn diese ihrerseits einen Anspruch auf Einhaltung von Grenzwerten besitzen (vgl. zur Drittbezogenheit des Verbots, die Beurteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens - zunächst - offen zu lassen, Sellner in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand Oktober 1996, § 12 BImSchG, Rn. 136). Diese Voraussetzung ist bei Personen im Einwirkungsbereich einer emittierenden Anlage hinsichtlich solcher Emissionsgrenzwerte zu bejahen, die der Minimierung gesundheitlicher Risiken dienen, solange für potenziell gesundheitsgefährdende Stoffe keine Immissionsgrenzwerte bestimmt sind (BVerwG, U. v. 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329/333). Der in der Nummer 5.4.1.4 der TA Luft festgesetzte Emissionsgrenzwert für Formaldehyd ist vor diesem Hintergrund als drittschützend anzusehen; der Antragsteller kann sich auf diesen Drittschutz - unter Berücksichtigung der in Abschnitt II 1 b sowie eingangs des Abschnitts II.3 dieses Beschlusses dargestellten Voraussetzungen - berufen. Zu berücksichtigen ist dabei die potenzielle Gefährlichkeit von Formaldehyd für die menschliche Gesundheit (Krebsrisiko), wobei der Verwaltungsgerichtshof sich nicht in der Lage sieht, im vorliegenden Eilverfahren Aussagen über die Unbedenklichkeit nur kurzfristiger Aufenthalte im Einwirkungsbereich zu machen.

Im Rahmen der Interessenabwägung, auf die es bei einer Entscheidung nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich ankommt, ist nicht nur der derzeit bestehenden Ungewissheit über die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. November 2013 unter dem Blickwinkel der von der Anlage der Beigeladenen ausgehenden Formaldehydemissionen Rechnung zu tragen. Berücksichtigt werden muss auch, dass zweifelhaft ist, ob sich ein etwaiges diesbezügliches Regelungsdefizit überhaupt zum Nachteil des Antragstellers auswirken kann, ehe es - sollte es bestehen - im anhängigen Hauptsacheverfahren oder aufgrund eigener Initiative des Antragsgegners behoben sein wird. Unter beiden Gesichtspunkten wäre eine auch nur teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers nicht sachgerecht. Pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens, das den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Entscheidungen nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO eingeräumt ist, entspricht es vielmehr, darauf hinzuwirken, dass die derzeit bestehende Ungewissheit darüber, ob der Betrieb der verfahrensgegenständlichen Anlage tatsächlich mit zu hohen Formaldehydemissionen einhergeht, ehestmöglich beseitigt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hält es deshalb für angezeigt, die Beigeladene durch eine Auflage analog § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO zu verpflichten, nicht nur die von ihr nach der Nebenbestimmung 4.6.8 des Genehmigungsbescheids ohnedies zu veranlassenden Emissionsmessungen bereits innerhalb eines Monats ab der Zustellung dieses Beschlusses an ihre Bevollmächtigten vornehmen zu lassen, sondern die Messergebnisse innerhalb der gleichen Frist auch dem Landratsamt vorzulegen. Denn da diese Behörde für den Fall, dass sich bei der Messung Grenzwertüberschreitungen ergeben sollten, umgehend Maßnahmen zu ergreifen hätte, um für die Herstellung rechtskonformer Verhältnisse zu sorgen, wäre es nicht interessengerecht, der Beigeladenen für die Vorlage der Messprotokolle einen Zeitraum von acht Wochen nach der Durchführung der Messung zur Verfügung zu stellen, wie die Nummer 4.6.8 des Genehmigungsbescheids das vorsieht. Sollte die der Beigeladenen im Bescheid gesetzte Frist für die Durchführung der Messung früher als die vom Gericht gesetzte Einmonatsfrist enden, hätte es insoweit (nicht aber hinsichtlich der Vorlageverpflichtung) bei der behördlichen Regelung sein Bewenden.

Was die Modalitäten der Messung anbetrifft, so hält es der Verwaltungsgerichtshof im Wissen darum, dass das u. U. zwei gesonderte Messvorgänge erfordern kann, für interessengerecht, dass sie sowohl nach Maßgabe der Nummern 5.3.2.1 bis 5.3.2.4 der TA Luft als auch der VDI-Richtlinie 3862 durchgeführt wird. Die Beachtung der Vorgaben der TA Luft ist angesichts der grundsätzlichen Bindungswirkung, die dieses Regelwerk entfaltet, geboten; die zu beauftragende Messstelle wird deshalb nach den in den genannten Nummern der TA Luft erwähnten VDI-Richtlinien 4200 und 2448 Blatt 1 sowie nach der auch im Bescheid in Bezug genommenen VDI-Richtlinie 4220 vorzugehen haben. Die vom Verwaltungsgerichtshof außerdem geforderte Beachtung der VDI-Richtlinie 3862 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Heranziehung dieses technischen Regelwerks in Abschnitt 2.2.2.2.6 des Biogashandbuchs Bayern dann empfohlen wird, wenn speziell Formaldehydemissionen zu ermitteln sind. Zugleich wird damit dem auf Seite 6 der Beschwerdebegründungsschrift vorgetragenen Gesichtspunkt Rechnung getragen. Die Auswahl zwischen den verschiedenen nach der VDI-Richtlinie 3862 in Betracht kommenden Verfahren bleibt dem pflichtgemäßen Ermessen der zu beauftragenden Messstelle vorbehalten.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof keine von der Nebenbestimmung 4.6.8 des Genehmigungsbescheids abweichenden Regelungen getroffen hat, verbleibt es bei der Maßgeblichkeit der dort aufgestellten Anforderungen. Das gilt insbesondere für das Gebot, Messtermine dem Landratsamt spätestens eine Woche vor ihrem Beginn zur Kenntnis zu bringen. Sollte bereits eine Erstmessung im Sinn der Auflage 4.6.8 stattgefunden haben, bedarf sie keiner Wiederholung, soweit sie den Vorgaben dieses Beschlusses genügt.

4. Der Kostenausspruch beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Beigeladene in beiden Rechtszügen Anträge gestellt hat, konnten ihr gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einerseits im Umfang ihres Unterliegens Kosten auferlegt werden; andererseits entspricht es im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, ihr einen anteiligen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten zuzuerkennen. Um klarzustellen, dass im Verhältnis zwischen dem Antragsgegner und der mit einem gleichgerichteten Interesse am Rechtsstreit beteiligten Beigeladenen keine Erstattung außergerichtlicher Kosten stattfindet, hat das Gericht die Kostenverteilung in entsprechender Anwendung der Baumbach’schen Formel vorgenommen.

Hinsichtlich der Streitwerthöhe wird auf die Darlegungen am Ende des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage die Aufhebung der ihr erteilten Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 zur Errichtung eines Wintergartens und die Neubearbeitung ihres Bauantrages vom 30. März 2015.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ..., ...-straße ..., ..., das mit einem Einfamilienwohnhaus bebaut ist. Im Rahmen einer Baukontrolle der Bauordnungsbehörde des Beklagten vom 2. September 2013 wurde festgestellt, dass auf dem klägerischen Grundstück auf der südöstlichen Terrasse im Erdgeschoss ein Wintergarten mit einer Grundfläche von 2 m x 5 m errichtet wurde. Nach Anhörung der Klägerin wurde der Klägerin mit Bescheid vom 9. Januar 2014 auferlegt, für diese Wohnhauserweiterung einen Bauantrag einzureichen, da es sich um genehmigungspflichtiges Vorhaben handele. Gegen diesen Bescheid hatte die Klägerin Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2015 nahm die Klägerin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage, wonach nach gerichtlicher Einschätzung von einem baugenehmigungspflichtigen Vorhaben auszugehen sei, die Klage zurück und erklärte, die erforderlichen Pläne und den Bauantrag bei der Stadt ... bis Ende März 2015 einzureichen.

Mit Bauantrag vom 30. März 2015 beantragte die Klägerin für das als „Nutzungsänderung von Wintergarten als selbstständige Nebenanlage zu Wintergarten“ bezeichnete Vorhaben die bauaufsichtliche Genehmigung. Die Bauvorlage enthielt keine Unterschriften der zu beteiligenden Nachbarn. Als Baukosten wurde seitens der Bauherrin ein Betrag von 600,00 EUR in Ansatz gebracht.

Nach Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens seitens der Stadt ... ging der Bauantrag am 23. April 2015 bei der Bauordnungsbehörde des Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2015 erteilte das Landratsamt ... die bauaufsichtliche Genehmigung für das Bauvorhaben „Errichtung eines Wintergartens“. Gegenstand der Genehmigung seien die mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen des Bauantrags vom 30. März 2015. Unter „Auflagen und Bedingungen“ wird ausgeführt, der Bauherr habe den Ausführungsbeginn des genehmigten Vorhabens und die Wiederaufnahme der Bauarbeiten nach einer Unterbrechung von mehr als sechs Monaten mindestens eine Woche vorher dem Landratsamt schriftlich mitzuteilen (Baubeginnsanzeige/Bauerlaubsanzeige). Mit der Bauausführung dürfe erst begonnen werden, wenn die vollständige Baubeginnsanzeige mit den Unterschriften der Nachweisberechtigten für Standsicherheit und Brandschutz unter Nr. 5 und Nr. 6 bzw. die Bescheinigungen nach Art. 62 Abs. 3 BayBO dem Landratsamt... vorlägen. Der Bauherr habe die beabsichtigte Aufnahme der Nutzung der baulichen Anlage mindestens zwei Wochen vorher dem Landratsamt anzuzeigen. Für die Baugenehmigung wurde eine Gebühr in Höhe von 40,00 EUR festgesetzt. Die Baugenehmigung wurde auch den angrenzenden Nachbarn zugestellt.

Gegen die nach eigenen Angaben mit Einschreiben vom 15. Juli 2015 zugestellte Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 hat die Klägerin vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, die erteilte Baugenehmigung entspreche nicht dem beantragten Bauantrag. Obwohl ein Bauantrag für die „Nutzungsänderung von Wintergarten als selbstständige Nebenanlage zu Wintergarten“ gestellt worden sei, sei der Name des Bauvorhabens zu „Errichtung eines Wintergartens“ abgeändert worden. Ebenso seien die benannten Baukosten für die Nutzungsänderung von 600,00 EUR auf 11.000,00 EUR erhöht worden. Gegen die Abänderung des beantragten Bauvorhabens sowie die Abänderung der ermittelten Baukosten richte sich die Klage. Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei offen geblieben, ob es sich bei dem Wintergarten um ein funktional selbstständiges Vorhaben handele oder nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Landratsamt das Vorhaben von „Nutzungsänderung“ zu „Errichtung eines Wintergartens“ abgeändert habe. Nach Art. 28 BayVwVfG sei es auch zwingend erforderlich, einen Beteiligten anzuhören, wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag gemacht habe, zu seinen Ungunsten abgewichen werden solle. Durch die eigenmächtigen Abänderungen des Vorhabens und der Baukosten erleide die Klägerin erhebliche Nachteile. Insbesondere seien gegenüber der Berufsgenossenschaft die Baukosten anzugeben, was insofern nicht möglich sei bei einem Wintergarten, der schon errichtet sei. Auch unterlägen nur neu errichtete Gebäude einer gesetzlichen Einmessungspflicht. Dies bedeute, dass die Einmessgebühren nur bei der Errichtung eines Wintergartens anfielen, nicht jedoch bei einer Nutzungsänderung. Bei dem Wintergarten würden somit keine Vermessungsgebühren anfallen, wenn eine Nutzungsänderung Gegenstand des Bauantrags sei. Bei der als Auflage formulierten Baubeginnsmeldung ergebe sich ein Problem hinsichtlich des zu erbringenden Standsicherheitsnachweises. Ersteller des Standsicherheitsnachweises sei die Person, die den einwandfreien Zustand hinsichtlich der Standsicherheit der baulichen Anlage bestätige. Es lasse sich jedoch kein Tragwerksplaner finden, der bei einem bereits errichteten Wintergarten die ordnungsgemäße Bauüberwachung und Bauausführung bestätigten. Bei einer Nutzungsänderung eines Wintergartens könnte auf den bautechnischen Nachweis der Standsicherheit verzichtet werden. Wegen der ohnehin bestehenden Eigentümerhaftung hätte das Landratsamt problemlos auf die Prüfbescheinigung der Standsicherheit verzichten können. Unklar sei, warum dies per Auflage gefordert werde und nicht unter „Hinweise zur Genehmigung“ aufgeführt werde. Generell gelte, dass bei ungenehmigten fertiggestellten baulichen Anlagen alle Bescheinigungen (Anzeige der Nutzungsaufnahme, Baubeginnsanzeige und andere bautechnischen Nachweise) während des Baugenehmigungsverfahrens, also vor Erteilung der Baugenehmigung, vorzulegen seien, sofern von Behördenseite nicht gänzlich darauf verzichtet werde. Auflagen seien grundsätzlich unzulässig, wenn ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung bestehe oder wenn die Baugenehmigung versagt werden müsse. Soweit durch die Nebenbestimmung das beantragte Vorhaben geändert werden solle, könne dies nur im Einvernehmen mit dem Antragsteller geschehen, weil die - modifizierte - Baugenehmigung sonst nicht durch einen Antrag gedeckt sei (mit Verweis auf VGH, U. v. 13.3.1973 - BayVBl 73, 583). Welchen Sinn eine Mitteilung an den Unfallversicherungsträger bzw. die Berufsgenossenschaft haben solle bei einem Wintergarten, der bereits vor über 40 Jahren fertiggestellt worden sei, sei fraglich. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum das Landratsamt allen Nachbarn, die an das klägerische Grundstück angrenzten, einen Abdruck des Genehmigungsbescheids zugeschickt hätte. Denn Grundstücke seien nur dann benachbart, wenn die Eigentümer oder dinglich Berechtigten durch das Vorhaben in ihren öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belangen berührt werden könnten. Welche nachbarlichen Belange bei einer Nutzungsänderung eines Wintergartens als Nebenanlage zu Wintergarten zur Wohnraumnutzung beeinträchtigt werden könnten, sei fraglich. Durch die Nachbarbeteiligung seien unnötige Kosten verursacht worden.

Der verfahrensgegenständliche Wintergarten, der seinerzeit als Gewächshaus verfahrensfrei errichtet worden sei, habe ursprünglich keine Verbindung zu dem dahinterliegenden Raum gehabt. Aus finanziellen Gründen seien die Wohnzimmerfenster und -türen erst zu einem späteren Zeitpunkt eingebaut worden. Der Raum, der in den genehmigten Plänen des Einfamilienhauses mit „Wohnzimmer“ bezeichnet sei, sei fensterlos gewesen und nicht als Wohnzimmer genutzt worden. Die Fensterelemente seien erst nach Jahren eingebaut worden. Diese Verbindung der beiden Räumlichkeiten sei dann wohl genehmigungspflichtig gewesen. Aufgrund der langen zeitlichen Nutzung der Räumlichkeiten sei jedoch Bestandsschutz erwachsen. Die materielle Legalität einer Anlage über einen „namhaften“ Zeitraum sei folglich dann ausreichend, wenn die Anlage verfahrensfrei errichtet werden konnte. Dementsprechend genieße der Wintergarten als Nebenanlage Bestandsschutz (mit Verweis auf Simon/Busse, BayBO-Komm., Art. 76 Rn. 117). Trete neben eine genehmigte und bestandsgeschützte Nutzung eine weitere Nutzung hinzu, so hänge die Frage des Bestandsschutzes davon ab, ob die bisher zulässige Nutzung für sich oder nur zusammen mit der unzulässigen Nutzung als Einheit betrachtet werden könne. Ließen sich die Nutzungen trennen, dann seien sie auch einem „selbstständigen“ Bestandsschutz zugänglich. Habe der Wintergarten verfahrensfrei errichtet werden können, hätte bei der Zusammenführung der Räume ein Bauantrag gestellt werden müssen. Es sei Sache des jeweiligen Bauherrn, durch den Genehmigungsantrag den Inhalt der baulichen Maßnahmen festzulegen, soweit er sich dabei innerhalb derjenigen Grenzen halte, die einer Zusammenfassung oder Trennung von verfahrensfreien und genehmigungspflichtigen Verfahren objektiv gesetzt seien (mit Verweis auf Simon/Busse, BayBO-Komm., Art. 55 BayBO Rn. 33). Der klägerische Bauantrag sei nicht so, wie er gestellt wurde, genehmigt worden, mithin also abgelehnt worden. Die Ablehnung der Baugenehmigung sei schon aus Gründen der Bestimmtheit und Beweisbarkeit schriftlich abzufassen. Vor der Ablehnung des Bauantrags werde gemäß Art. 28 BayVwVfG rechtliches Gehör gewährt. Auflagen seien grundsätzlich unzulässig, wenn ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung bestehe oder wenn die Baugenehmigung versagt werden müsse. Alle Bauten kämen in den Genuss des Bestandsschutzes, die zu irgendeinem Zeitpunkt formell oder materiell rechtmäßig gewesen seien, was gegebenenfalls sogar auch nachträglich möglich sei (mit Verweis auf BVerwG v. 22.1.1971, NJW 1971, 1624). Aus dem Bestandsschutz folge das Recht des Bauherrn und seiner Rechtsnachfolger, eine rechtmäßig ausgeführte bauliche Anlage zu nutzen, auch wenn sie den neuen Vorschriften widerspreche. Schließlich sei die Baugenehmigungsgebühr durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22. Januar 2016 in Höhe von 71,37 EUR gepfändet worden. Durch die Vorhabensänderung und die Erhöhung der angegebenen Baukosten habe die Klägerin Nachteile erlitten. Dies sei nicht Gegenstand des Vergleichsvorschlags im gerichtlichen Verfahren AN 9 K 14.00191 gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 2015 den Beklagten zu verpflichten, den Bauantrag zu bearbeiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, das beantragte Vorhaben „Nutzungsänderung von Wintergarten als selbstständige Nebenanlage zu Wintergarten“ gehe an der Realität vorbei. Der ohne Genehmigung errichtete Wintergarten habe zu keiner Zeit einer selbstständigen Nebenanlage entsprochen. Die Baukosten seien wie immer anhand der Richtwertliste für Baukosten im Genehmigungsverfahren, herausgegeben von der Regierung von Mittelfranken, in der aktuellen Fassung mit dem Schätzpreisstand zum 1. Januar 2002 ermittelt worden. Für Wintergärten ergebe sich aus dieser Richtwertliste ein Mittelwert von 295,00 EUR/cbm umbauten Raums. Für den Wintergarten der Klägerin sei ein umbauter Raum von 37 cbm angenommen worden. Damit ergäben sich Baukosten in Höhe von 10.915,00 EUR, die auf volle 500,00 EUR auf 11.000,00 EUR gerundet worden seien. Es werde darauf hingewiesen, dass auch durch diese Wertermittlung die Klägerin nicht beschwert sei, da lediglich die Mindestgebühr von 40,00 EUR für die Baugenehmigung erhoben worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verfahrensakten sowie die Gerichtsakten im Verfahren AN 9 K 14.00191 sowie die vorliegende Gerichtsakte Bezug genommen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Gründe

In sachdienlicher Auslegung des Klageantrags verfolgt die Klägerin im Wege der Verpflichtungsklage die Aufhebung der Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 für die Errichtung eines Wintergartens und die Neubescheidung ihres Bauantrages vom 30. März 2015.

Die so verstandene Verpflichtungsklage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses und Klagebefugnis bereits unzulässig. Die Klägerin kann nach Erteilung der Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 für das von ihr zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben entsprechend der eingereichten Bauvorlagen durch die vorliegende Klage keine Verbesserung ihrer Rechtsposition erlangen.

Das von der Klägerin beantragte Bauvorhaben wurde ohne Änderung der zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 7. Mai 2015 bauaufsichtlich genehmigt. Die Bauvorlagen vom 30. März 2015 sehen in den Bauzeichnungen gemäß § 8 Abs. 3 BauVorlV das Wohnhaus als Bestand und in abweichender Markierung den zur Genehmigung gestellten Wintergarten als zu genehmigende neue Bausubstanz vor. Dementsprechend wurde seitens der Bauordnungsbehörde in sachdienlicher Auslegung des Bauantrags das Vorhaben als „Errichtung eines Wintergartens“ bezeichnet. Entsprechend der von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen des Bauantrags vom 30. März 2015, in denen das bestehende Wohnhaus als Bestand gekennzeichnet und der zu genehmigende Wintergarten in abweichender Markierung als zu genehmigende bauliche Substanz gekennzeichnet ist, wurde das Bauvorhaben mit der feststellenden Wirkung der Übereinstimmung mit öffentlichrechtlichen Vorschriften ohne maßgebliche Modifikation oder Einschränkung genehmigt.

Unter Berücksichtigung des Genehmigungserfordernisses nach Art. 55 BayBO, wonach die Errichtung einer baulichen Anlage gleichermaßen der Genehmigung bedarf wie eine Nutzungsänderung, ist die unterschiedliche Bezeichnung insoweit nicht maßgeblich. Das Genehmigungserfordernis nach Art. 55 Abs. 1 BayBO greift tatbestandlich bereits dann ein, wenn eine Anlage alternativ errichtet oder geändert wird oder wenn eine Nutzungsänderung gegeben ist. Die Baugenehmigung muss vielmehr das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen. Zur Bestimmung des Regelungsgehalts der Baugenehmigung kann auf den Tenor und die Gründe des Genehmigungsbescheids sowie auf die im Bescheid Bezug genommenen Bauvorlagen zurückgegriffen werden. In sachdienlicher Auslegung des Bauantrags hat die Klägerin vorliegend die bislang nicht bauaufsichtlich genehmigte bauliche Substanz des Wintergartens zur Genehmigung gestellt.

Mit Art. 55 Abs. 1 BayBO hat der Gesetzgeber für den in der Norm umschriebenen Bereich ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingeführt; somit kennt das Gesetz grundsätzlich keine nachträgliche Baugenehmigung (vgl. Simon/Busse/Becker, BayBO-Komm., Art. 55 Rn. 9 bis 10). Die Baugenehmigung umfasst in ihrer feststellenden Wirkung die Feststellung, dass ein Vorhaben öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht, und beinhaltet in ihrer verfügenden bzw. rechtsgestaltenden Wirkung insoweit die notwendige Baufreigabe. Wird eine bauliche Anlage, die ohne die erforderliche Baugenehmigung bereits errichtet wurde, nachträglich zur Genehmigung gestellt, so bedarf es sowohl der feststellenden als auch der rechtsgestaltenden Regelung der Baugenehmigung, um die bauliche Veränderung nachträglich zu legalisieren. Es ist daher vorliegend nicht zu beanstanden, dass die Bauordnungsbehörde entsprechend der zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen von einer „Errichtung“ des zur Genehmigung gestellten Wintergartens ausgegangen ist, anstatt die von der Klägerin verwendete Bezeichnung „Nutzungsänderung von Wintergarten als selbstständige Nebenanlage zu Wintergarten“ zu verwenden. Eine Änderung des Bauvorhabens ist mit dieser abweichenden Bezeichnung nicht verbunden. Da Unterschiede im Kontrollprogramm einer zu erteilenden Baugenehmigung nicht aus Unterschieden im Bauvorgang Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung bestehen, sondern allein aus Unterschieden im Kontrollgegenstand, der zur Genehmigung gestellten baulichen Anlage und ihrer Nutzung resultieren (vgl. Mampel, ZfBR 2000, 10), handelt es sich bei der von Klägerseite gerügten Bezeichnung als „Errichtung“ nicht um eine maßgebliche Veränderung des Regelungsgehalts der Baugenehmigung.

Nachdem das Bauvorhaben somit entsprechend der zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen mit Bescheid vom 7. Mai 2015 bauaufsichtlich genehmigt wurde, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin durch das vorliegende Klageverfahren eine Verbesserung ihrer Rechtsposition erlangen könnte (vgl. BayVGH, B. v. 8.12.2014 - 1 B 14.835 - juris Rn. 3). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nur gegeben, wenn der Rechtsschutzsuchende schutzwürdige Interessen verfolgt (vgl. Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Komm., § 40 Rn. 75). Einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Bauvorhaben, das bereits bauaufsichtlich genehmigt ist, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Es handelt sich insoweit um eine nutzlose Klage auf Neuentscheidung einer bereits ohne Einschränkung oder Modifikation erteilten Baugenehmigung.

Soweit die Klägerin eine Beschwer wegen möglicher, der Baugenehmigung nachfolgender Vermessungsgebühren oder im Verhältnis zu Berufsgenossenschaften geltend machen will, sind diese Wirkungen nicht vom Regelungsgehalt der Baugenehmigung mit umfasst. Die Bezeichnung des Bauvorhabens als „Errichtung eines Wintergartens“ in der streitgegenständlichen Baugenehmigung begründet für die Klägerin keine zusätzliche Beschwer, da die Genehmigung zur Errichtung des Wintergartens den zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen entspricht und eine Genehmigung der Nutzung insoweit mit einschließt.

Gleiches gilt für die von Klägerseite gerügte Baukostenberechnung der Bauordnungsbehörde. Unter Berücksichtigung, dass die Bauordnungsbehörde im Rahmen der streitgegenständlichen Baugenehmigung lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 40,00 EUR gemäß Art. 1, 2, 5 KG i. V. m. Tarifnummer 2. I.1.24.1.1.2 festgesetzt hat, begründet die behördlicherseits erfolgte Baukostenberechnung keine weitergehende Beschwer für die Klägerin. Im Übrigen ist die Berechnung der Baukosten durch die Behörde auch nicht zu beanstanden. Zwar hat die Bauordnungsbehörde grundsätzlich von den in der Baubeschreibung angegebenen Baukosten auszugehen. Wenn jedoch eine vergleichende Berechnung der Bauaufsichtsbehörde ergibt, dass die Angaben der Baukosten in der Baubeschreibung unrealistisch oder nicht nachvollziehbar erscheinen, kann die Behörde eine eigene Baukostenberechnung anstellen. Dabei sind fiktive Baukosten entsprechend dem abstrakttypisierenden Ansatz des Abgabenrechts und entsprechend der allgemein gültigen, ortsüblichen Erfahrungssätze zugrunde zu legen (vgl. VG München, U. v. 14.11.2006 - M 1 K 06.3321 - juris). Bei der Baukostenberechnung ist der Behörde auch ein gewisser Schätzungsspielraum zuzubilligen (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 20.12.1994 - 8 S 1134/94 - juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die von der Bauordnungsbehörde im Rahmen der Bearbeitung des Bauantrags erstellte Baukostenberechnung - unabhängig davon, dass sich die Baukostenberechnung nicht auf die Berechnung der Baugenehmigungsgebühr ausgewirkt hat und damit eine Neuberechnung nicht zu einer Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin führen könnte - nicht zu beanstanden.

Die in der Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 als Nebenbestimmung festgelegte Verpflichtung zur Vorlage von Prüfbescheinigungen über die ordnungsgemäße Bauausführung resultiert aus Art. 62 Abs. 3 BayBO i. V. m. Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG.

Da die erteilte Baugenehmigung vom 7. Mai 2015 somit vollumfänglich dem zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben entspricht, kann die Klägerin durch die erhobene Verpflichtungsklage auf erneute Verbescheidung des Bauantrages ihre Rechtsposition nicht verbessern. Vielmehr erscheint das Klagebegehren der Klägerin lediglich der Klärung prinzipieller Rechtsfragen zu dienen (vgl. Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Komm., § 40 Rn. 94).

Neben dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es der vorliegenden Klage darüber hinaus auch an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Durch die antragsgemäße Verbescheidung des Bauantrags ist unter keinem denkbaren Aspekt ersichtlich, inwieweit die Klägerin eine mögliche Rechtsverletzung geltend machen könnte.

Die Klage war daher als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift:

Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift:

Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach:

Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

...

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.100,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.2.6 der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

Der Grundstückseigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück und derjenige, der Verrichtungen auf einem Grundstück durchführt oder durchführen läßt, die zu Veränderungen der Bodenbeschaffenheit führen können, sind verpflichtet, Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen, die durch ihre Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden können. Vorsorgemaßnahmen sind geboten, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktionen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht. Zur Erfüllung der Vorsorgepflicht sind Bodeneinwirkungen zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies auch im Hinblick auf den Zweck der Nutzung des Grundstücks verhältnismäßig ist. Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen dürfen nur getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 2 festgelegt sind. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung richtet sich nach § 17 Abs. 1 und 2, für die forstwirtschaftliche Bodennutzung richtet sie sich nach dem Zweiten Kapitel des Bundeswaldgesetzes und den Forst- und Waldgesetzen der Länder. Die Vorsorge für das Grundwasser richtet sich nach wasserrechtlichen Vorschriften. Bei bestehenden Bodenbelastungen bestimmen sich die zu erfüllenden Pflichten nach § 4.

(1) Das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen nach § 7 des Bundes-Bodenschutzgesetzes ist in der Regel zu besorgen, wenn

1.
Schadstoffgehalte im Boden gemessen werden, die die Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 überschreiten, oder
2.
eine erhebliche Anreicherung von anderen Schadstoffen erfolgt, die auf Grund ihrer krebserzeugenden, erbgutverändernden, fortpflanzungsgefährdenden oder toxischen Eigenschaften in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Bodenveränderungen herbeizuführen.
§ 17 Abs. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes bleibt unberührt.

(2) Bei Böden mit naturbedingt erhöhten Schadstoffgehalten besteht die Besorgnis des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen bei einer Überschreitung der Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 nur, wenn eine erhebliche Freisetzung von Schadstoffen oder zusätzliche Einträge durch die nach § 7 Satz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes Verpflichteten nachteilige Auswirkungen auf die Bodenfunktionen erwarten lassen.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend bei Böden mit großflächig siedlungsbedingt erhöhten Schadstoffgehalten.

Der Grundstückseigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück und derjenige, der Verrichtungen auf einem Grundstück durchführt oder durchführen läßt, die zu Veränderungen der Bodenbeschaffenheit führen können, sind verpflichtet, Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen, die durch ihre Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden können. Vorsorgemaßnahmen sind geboten, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktionen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht. Zur Erfüllung der Vorsorgepflicht sind Bodeneinwirkungen zu vermeiden oder zu vermindern, soweit dies auch im Hinblick auf den Zweck der Nutzung des Grundstücks verhältnismäßig ist. Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen dürfen nur getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 2 festgelegt sind. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung richtet sich nach § 17 Abs. 1 und 2, für die forstwirtschaftliche Bodennutzung richtet sie sich nach dem Zweiten Kapitel des Bundeswaldgesetzes und den Forst- und Waldgesetzen der Länder. Die Vorsorge für das Grundwasser richtet sich nach wasserrechtlichen Vorschriften. Bei bestehenden Bodenbelastungen bestimmen sich die zu erfüllenden Pflichten nach § 4.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Änderung der Zulassung eines Sonderbetriebsplans.

2

Die Klägerin betreibt den Kieselgurtagebau (...). Mit Bescheid vom 11.12.1996 ließ das Bergamt Halle den Sonderbetriebsplan "Verkippung von unbelastetem Erdaushub im Kieselgurtagebau (...)" unter Beifügung von Auflagen zu. Bei der Verkippung von fremdem Verfüllmaterial im Rahmen der Wiedernutzbarmachung werde ausschließlich unbelasteter Erdaushub zugelassen. Als unbelasteter Erdaushub gälten natürliche, in ihrer stofflichen Zusammensetzung nicht nachteilig veränderte Böden und Gesteine, deren Herkunft bekannt sei. Die Verkippung des fremden unbelasteten Erdaushubes habe oberhalb des maximal zu erwartenden Grundwasserspiegels von + 62 m NN gemäß dem eingereichten Verkippungsplan zu erfolgen. Das Verfüllmaterial könne den Zuordnungswert Z 1 der nachfolgenden Richtwertlisten (Tabellen 1 und 2) erreichen. Unterhalb der Planungshöhe + 62 m NN dürfe nur der aus dem Kieselgurtagebau anfallende Abraum verkippt werden. Die Richtwertlisten der Tabellen 1 und 2 enthielten Zuordnungswerte der Kategorien Z 1 und Z 0 für Eluat und Feststoff. Der Erdaushub gelte als unbelastet, wenn die vorgenannten Richtwerte nicht überschritten würden. Bei Überschreitung einzelner Richtwerte obliege die Entscheidung über die Zulässigkeit der Verbringung dem Bergamt Halle. Sei darüber hinaus aufgrund der Herkunft oder sonstiger Verdachtsmomente mit Schadstoffen zu rechnen, die in den Richtwertelisten nicht aufgeführt seien, so sei der Untersuchungsumfang auf diese Schadstoffe auszudehnen. Dabei seien sowohl Eluat als auch Feststoff zu analysieren. Das Bergamt Halle entscheide nach einer Bewertung der Untersuchungsergebnisse über die Zulässigkeit der Verbringung. Bei der Annahme der Stoffe habe eine geruchliche und optische Kontrolle durch das Betriebspersonal sowohl im Eingangsbereich als auch beim Entladevorgang zu erfolgen. Seien hierbei Verunreinigungen wahrnehmbar, sei der Erdaushub zurückzuweisen.

3

Mit Bescheid vom 08.02.2002 verfügte der Landkreis A... eine "Umstellung" der für den Kieselgurtagebau (...) zugelassenen Abfallart(en) auf die Abfallart mit der AVV-Nr. 17 05 04 "Boden und Steine mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 05 03 fallen".

4

Mit Schreiben vom 03.04.2007 wies der Beklagte darauf hin, dass er bei der Überprüfung bestehender Betriebsplanzulassungen, die die Verwertung mineralischer Abfälle im Rahmen der Wiedernutzbarmachung von Tagebauen des Steine-/Erdenbaues regelten, die Anforderungen der LAGA-Mitteilung Nr. 20 "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen – Technische Regeln" in der jeweils geltenden Fassung zugrunde legen werde.

5

Mit Schreiben vom 18.03.2008 kündige der Beklagte an, die Betriebsplanzulassung vom 11.12.1996 so zu ändern, dass unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht ein Versatzkörper aus mineralischen Stoffen aufgebaut werde, der Bodenfunktionen übernehmen könne. Hierzu müssten die zur Verfüllung des Tagebaues vorgesehenen Abfälle bestimmte Zuordnungswerte einhalten. Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 04.04.2008 Stellung, indem sie u.a. ausführte, die Annahme der Verfüllstoffe sei betriebswirtschaftlich von nicht zu vernachlässigender Bedeutung. Zwar sei weiterhin die Gewinnung und Vermarktung von Kieselgur ihr wirtschaftliches Hauptbetätigungsfeld. Durch Wegfall des Bedarfs in der Feuerfestindustrie habe es in den letzten Jahren jedoch einen Einbruch in dem Absatz von Kieselgur gegeben. Der Umsatzeinbruch bei der Gewinnung habe teilweise durch die Verfüllung kompensiert werden können. Diese habe dazu beigetragen, dass die Betriebstätigkeit fortgesetzt werden könne. Die Beschränkung der Zulassung würde die wirtschaftliche Bilanz des Unternehmens verändern, so dass sich die Frage der Fortsetzung des Abbauvorhabens stelle. Dies könne nicht nur zu einer Existenzgefährdung des Unternehmens, sondern auch zur Stilllegung der derzeit noch einzigen betriebenen Gewinnung von Kieselgur im Land Sachsen-Anhalt führen.

6

Mit Schreiben vom 11.03.2009 teilte der Beklagte seine Absicht mit, die Zulassung des Betriebsplans abzuändern und anzupassen, wobei er die künftig zugelassene Abfallart und die einzuhaltenden bodenartspezifischen Zuordnungswerte angab. Die Klägerin wurde gebeten, sich bis zum 14.04.2009 zu äußern und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit einzugehen. In ihrer Stellungnahme vom 08.04.2009 wiederholte und vertiefte sie die bereits im Schreiben vom 04.04.2008 genannten Gesichtspunkte.

7

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.11.2011 ließ der Beklagte auf Antrag der Klägerin einen erweiterten räumlichen Geltungsbereich des Sonderbetriebsplans zu. Darüber hinaus enthielt der Bescheid folgende Bestimmungen:

8

"2. Die Sonderbetriebsplanzulassung des Bergamtes Halle vom 11.12.1996 wird durch folgende Regelungen geändert:

9

2.1 Für die Verfüllung des Kieselgurtagebaus (...) im Rahmen der Wiedernutzbarmachung werden neben tagebaueigenem Abraum die nachfolgend aufgeführten Materialien zugelassen:

10

AVV-Schlüssel

Bezeichnung

17 05 04

Boden und Steine mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 05 03* fallen1)

11

1) Der AVV-Abfallschlüssel 17 05 03* bezeichnet "Böden und Steine, die gefährliche Stoffe enthalten".

12

Unterhalb der Planumshöhe + 62 m NN darf nur der aus dem Kieselgurtagebau (...) anfallende Abraum verkippt werden.

13

Der räumliche Geltungsbereich der weiteren Verfülltätigkeit ist in Abhängigkeit von den künftigen Gewinnungsarbeiten darzustellen und dem LAGB innerhalb von zwei Monaten vorzulegen.

14

2.2 Das in Ziff. 2.1 des Tenors aufgeführte Material hat die bodenartspezifischen Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff (Tabelle II.1.2-2) nach den "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen, Teil II: Technische Regeln für die Verwertung, 1.2 Bodenmaterial (TR Boden)" vom 05.11.2004 (TR Boden 2004) einzuhalten.

15

2.3 Abweichend wird für den Parameter Sulfat eine maximal mögliche Schadstoffkonzentration im Eluat von 350 mg/l festgelegt. Der Parameter Leitfähigkeit wird auf einen maximal möglichen Wert von 960 µS/cm festgelegt.

16

2.4 Probenahme und Analysen müssen von einem unabhängigen sachverständigen Unternehmen/Labor (i.S.d. § 18 BBodSchG und Anhang 1 zur BBodSchV) durchgeführt werden, dessen Personal über die erforderliche Sach- und Fachkunde verfügt.

17

2.5 Probenahme und Analytik sind gemäß Teil III LAGA 20 ("Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen" in der jeweils gültigen Fassung) unter Beachtung der gültigen DIN/DEV-Vorschriften durchführen zu lassen. Die Ergebnisse sind den Zuordnungswerten für Feststoff bzw. Eluat der "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen, Teil II: Technische Regeln für die Verwertung, 1.2 Bodenmaterial (TR Boden)" vom 05.11.2004 (TR Boden 2004) zuzuordnen.

18

2.6 Der Betreiber des Tagebaus hat vom Erzeuger zu verlangen, dass der Erklärung zur Unbedenklichkeit Analysen beizufügen sind, wenn es sich bei der Herkunft um eine Fläche gemäß LAGA M 20 TR Boden (2004) Punkt 1.2.2.1 handelt."

19

Zur Begründung führte der Beklagte aus, durch den Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (MW) und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (MLU) vom 19.05.2009 sei das „Konzept zur Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes bei der Abfallverwertung in Tagebauen und Abgrabungen“ vom 29.05.2008 zur Anwendung in der Landesverwaltung in den berg-, abfall- und bodenschutzrechtlichen Vollzug eingeführt worden. Dieses Konzept sehe vor, dass die Verwertung von Abfällen im Bergbau auf der Grundlage der technischen Regeln der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Abfall und des Länderausschusses Bergbau sowie der für die durchwurzelbare Bodenschicht anzuwendenden Vollzugshilfe der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz zu § 12 BBodSchV erfolge.

20

Mit dem vorliegenden Bescheid lasse er einen erweiterten räumlichen Geltungsbereich an der Südwestböschung des Tagebaus zu. Gleichzeitig werde die Sonderbetriebsplanzulassung vom 11.12.1996 geändert. Es würden strengere Anforderungen im Hinblick auf mögliche Schadstoffpotentiale festgelegt. Die Beschränkung des zulässigen Schadstoffinventars der zugelassenen Abfälle werde auf § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 1 und § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG gestützt. Die nachträgliche Aufnahme oder Änderung von Auflagen sei nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nur zulässig, insoweit es zur Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 erforderlich sei. Dies sei vorliegend der Fall.

21

Die Regelung, dass die Abfallart zukünftig nur noch ein Schadstoffinventar im Umfang der bodenspezifischen Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff enthalten dürfe, diene der erforderlichen Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BBergG). Wiedernutzbarmachung sei die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses. Grundsätzlich sei die Wiederverfüllung mit dem öffentlichen Interesse vereinbar. Zur ordnungsgemäßen Wiedernutzbarmachung gehöre, dass die Teilverfüllung des Tagebaus so erfolge, dass keine Nachteile für das öffentliche Interesse entstehen könnten, insbesondere, dass alle einschlägigen gesetzlichen Vorschriften eingehalten würden und vom Schadstoffinventar der zur Verfüllung genutzten Abfälle keine nachteiligen Auswirkungen auf Boden und Grundwasser im Bereich der in Anspruch genommenen Flächen ausgingen. Schon deshalb sei es zwingend, dass nur zur Verfüllung geeignete Materialen verwendet würden und dass das Schadstoffinventar der Abfälle auf ein unbedenkliches Maß beschränkt werde. Neben den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 BBergG sei auch die Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu beachten. Diese Norm enthalte weitere materielle Zulassungsvoraussetzungen. Hiernach seien auch die Vorschriften des Abfall-, Bodenschutz- und Wasserrechts zu beachten. Damit werde der Katalog der Zulassungsvoraussetzungen erweitert. Die hier getroffenen Regelungen gewährleisteten, dass die Verfüllung des Tagebaues ordnungsgemäß und unter Beachtung des öffentlichen Interesses erfolge und von ihr langfristig keine Gefahren oder Nachteile für die Umweltschutzgüter, insbesondere Boden und Wasser, ausgehen könnten. Die getroffenen Regelungen könnten auch ungeachtet der bisher unauffälligen Wasserparameter ergehen, da insbesondere die umweltrechtlichen Vorsorgepflichten dynamischer und nicht statischer Natur seien.

22

Die Beschränkung des Schadstoffinventars sei erforderlich. Die Erkenntnisse über die Wirkungen von Schadstoffen entwickelten sich ständig weiter. Ausdruck dessen sei die stetige Anpassung vorhandener Regelungen an diese Erkenntnisse, unter anderem der LAGA M 20, die im Vergleich zu früheren Fassungen deutlich strengere Werte enthalte. Damit erfolge die erforderliche Harmonisierung zwischen den Anforderungen an die stoffliche Verwertung von Bodenmaterial und sonstigen mineralischen Abfällen einerseits und den mit Werten versehenen Vorsorgeregelungen vor allem des Bodenschutzrechts andererseits. Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und zuverlässigen Betriebsführung könnten die Anforderungen aus dem Wasser-, Abfall-, Bodenschutz- und Immissionsschutzrecht mit dem Ziel umgesetzt werden, ein etwaiges Schadstoffinventar so gering zu halten, dass eine Beeinträchtigung des Grundwassers und des Bodens der Tagebau- und Betriebsgrundstücke selbst sowie der benachbarten Grundstücke ausgeschlossen werden könne. Zum Erreichen dieses Zieles sei gemäß den Regelungen des Bodenschutzrechtes Vorsorge gegen die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen zu leisten. Insbesondere seien grundsätzlich die Vorsorgewerte des Anhanges 2 Nr. 4 BBodSchV einzuhalten. Es wäre ein offenkundiger Verstoß gegen geltendes Bodenschutzrecht, wenn es dem Unternehmer bergrechtlich erlaubt wäre, im Zuge der Verfüllung einen Boden herzustellen, für den er im unmittelbaren Anschluss an die Verfüllung gemäß den bodenschutzrechtlichen Vorschriften sogleich wieder vorsorgepflichtig wäre, weil die Vorsorgewerte überschritten würden. Durch die Einhaltung der Vorsorgewerte werde gleichzeitig eine schadlose und ordnungsgemäße Abfallverwertung sichergestellt und die Verwendung ungeeigneter Abfälle verhindert. Diesen bodenschutzrechtlichen Anforderungen würden die Werte der LAGA M 20 n.F. gerecht. Durch die Einhaltung der Vorsorgewerte und der davon abgeleiteten Z 0-Werte werde auch dem Besorgnisgrundsatz des § 48 Abs. 2 Satz 1 WHG entsprochen. Die Festsetzung von großzügigeren Werten für die Parameter Sulfat und Leitfähigkeit sei möglich gewesen, da es in dem Gebiet um den Tagebau (...) entsprechende Vorbelastungen gebe.

23

Die Änderung der Sonderbetriebsplanzulassung sei auch wirtschaftlich vertretbar. Maßgebend seien in erster Linie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmers, gegen den sich die nachträgliche Auflage richte. Die Auflage sei zulässig, wenn sie für ihn wirtschaftlich vertretbar sei. Sei die geforderte Maßnahme für den Unternehmer wirtschaftlich nicht vertretbar, dürfe auf den Maßstab eines gesunden Durchschnittsunternehmens abgestellt werden. Erscheine die Maßnahme nach dieser generalisierenden Prüfung wirtschaftlich vertretbar, falle ein subjektives Unvermögen des Unternehmers nicht mehr ins Gewicht. Allerdings sei es in der Literatur streitig, ob nicht doch eine kumulative Prüfung durchzuführen sei. Dies könne hier aber unentschieden bleiben, weil die in Rede stehenden Auflagen weder für die Klägerin noch generell für einen Durchschnittsunternehmer, der Kies und Sand abbaue, wirtschaftlich unvertretbar sei. Wirtschaftlich unvertretbar sei eine Auflage, wenn der Unternehmer oder das vergleichbare Durchschnittsunternehmen keinen angemessenen Gewinn mehr erzielen könne oder die Substanz seines Vermögens angreifen müsse. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass eine solche Situation als Folge der angekündigten Beschränkung der bisher zugelassenen Abfälle eintreten werde. In gleicher Weise sei nicht ersichtlich, dass bei einem Durchschnittsunternehmen des Steine- und Erdenabbaus eine derartige Situation eintreten werde. Die im Anhörungsverfahren geltend gemachten Gesichtspunkte des Kundenverlusts und dass ein Verfüllungsbetrieb nach Beendigung der Gewinnung nicht wirtschaftlich zu realisieren sei, seien für die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ohne Bedeutung. Die Regelung diene nur dem Schutz des Unternehmens und des Gewinnungs- und/oder Aufbereitungsbetriebes. Damit werde zugleich dem öffentlichen Interesse an der Rohstoffgewinnung Rechnung getragen. Der Bescheid berühre aber in keiner Weise den Gewinnungsbetrieb der Klägerin, sondern könne nur Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Umstände oder Grundlagen ihres Verfüllungsbetriebes haben. Damit sei der Bereich der Nachsorge betroffen. In diesem Bereich seien die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers allenfalls insoweit relevant, als ihm die Bodenschatz-/Rohstoffgewinnung nicht durch unverhältnismäßige Nachsorgemaßnahmen wirtschaftlich unmöglich gemacht werden dürfe. Auf die Wirtschaftlichkeit allein des Verfüllbetriebes komme es dagegen nicht an. Insbesondere sei irrelevant, ob die bislang mit der Verfüllung erwirtschafteten Gewinne künftig geschmälert oder genommen würden. Dass es auf die mit dem Verfüllbetrieb bisher erzielten Gewinne nicht ankomme, ergebe sich auch daraus, dass die Verfüllung nicht die einzige zulässige Form der Wiedernutzbarmachung sei. Auch die Betriebsplanzulassungen bzw. Genehmigungen anderer Betriebe in Sachsen-Anhalt würden entsprechend angepasst, so dass der Klägerin kein wirtschaftlicher Nachteil gegenüber anderen Betrieben entstehe.

24

Die Auflagen seien nach den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik auch erfüllbar.

25

Die Aufnahme nachträglicher Auflagen stehe im Ermessen der Behörde. Durch die relativ strengen Voraussetzungen für eine nachträgliche Aufnahme von Auflagen, bei der die Interessen des Unternehmens bereits zu beachten seien, werde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen das Ergebnis einer Interessenabwägung bereits intendiert. Den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers, die in die Abwägung einbezogen werden müssten, stehe seine Verpflichtung gegenüber, neue Standards im Umweltschutz, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über Umweltzustände, insbesondere über den Schutz von Boden und Wasser beruhten, zu akzeptieren. Die Wahrung der Schutzgüter Boden und Wasser lägen im Allgemeinwohlinteresse. Demgegenüber hätten die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin am unveränderten Fortbestand des Zulassungsbescheides vom 11.12.1996 geringeres Gewicht, weil der Verfüllbetrieb nur einen nachgeordneten Teil des Unternehmenszweckes darstelle. Der Rohstoffabbau werde durch die Einschränkung der Sonderbetriebsplanzulassung in keiner Weise berührt. Überdies sei die im Zulassungsbescheid vom 11.12.1996 gestattete Verfüllung des durch den Steine- und Erdenabbau entstandenen Restlochs nicht die einzige Möglichkeit, wie die Wiedernutzbarmachung durchgeführt werden könne. Selbst wenn man nur den Verfüllbetrieb in den Blick nehme, sei aus den oben dargelegten Gründen nicht zu erwarten, dass die im vorliegenden Bescheid verfügte Einschränkung der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung dieses Teils des Unternehmens führe. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen.

26

Zur Begründung ihrer hiergegen beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt:

27

Der Bescheid sei formell rechtswidrig, da sie vor seinem Erlass entgegen § 28 Abs. 1 VwVfG nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Schreiben des Beklagten vom 18.03.2008 und 11.03.2009 stünden weder in einem zeitlichen noch in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Verwaltungsverfahren. Für den angefochtenen Bescheid fehle eine Rechtsgrundlage. Die LAGA-Mitteilungen seien weder ein Gesetz noch hätten sie normkonkretisierenden Charakter. Bescheide, die den technischen Regelungen nicht entsprächen, seien nicht rechtswidrig im Sinne des § 48 VwVfG. Die Regelungen seien auch inhaltlich nicht unumstritten. Die Umstellung des Sonderbetriebsplanes sei unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. In der Begründung seien die besonderen Eigenschaften des Kieselgurs nicht erwähnt. Dieser zeichne sich dadurch aus, dass er eine extrem hohe Speicherkapazität habe und die überwiegenden Anteile von Nährstoffen sowie Fest- und Schadstoffen des Wassers speichere. Das Grundwasser im Anstrom weise deutlich höhere Schadstoffgehalte auf als im Abstrom. Der Kieselgur und die darunter liegende Kreideschicht stellten zudem einen sehr guten Abschluss zum Grundwasser dar. Zudem sei nicht hinnehmbar, dass die festgesetzten Vorsorgewerte für Sulfat und Leitfähigkeit unterhalb der tatsächlich gemessenen Werte sowohl im Anstrom als auch im Abstrom des Tagebaus lägen. Sie hat insoweit auf eine Wasserbeschaffenheitsanalyse des Ingenieurbüros für Geologie und Bergbau Dipl.-Ing. (R.) vom 19.10.2013 hingewiesen. Die vorgenommenen Änderungen seien für sie, die Klägerin, wirtschaftlich unvertretbar. Sie ziehe aus der bisherigen Verfüllungstätigkeit einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil. Dieser würde entfallen, wenn sie nur noch das im Änderungsbescheid genannte Material einbauen dürfe. Solches Material wäre für sie als Familienbetrieb auch nicht erreichbar. In unmittelbarer Nähe befinde sich ein anderer Betrieb, der eine Kiesgrube verfülle und der weiterhin Boden mit der Zuordnung Z 1 annehmen dürfe. Schon um die Trennung der Abfälle zu vermeiden, würden die Abfallverursacher in Zukunft ausschließlich dem Konkurrenten die anfallenden Abfälle andienen.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 25.11.2011 hinsichtlich der Nr. 2 bis 2.6 der Tenorierung aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

32

Er hat vorgetragen, die Klägerin sei mit den Schreiben vom 18.03.2008 und 11.03.2009 ordnungsgemäß angehört worden. Die vorgenommenen Änderungen seien Auflagen im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG. Diese Norm beschränke sich nicht darauf, nachträgliche Auflagen im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu erlassen, sondern ermögliche es auch, die Rechtmäßigkeit des Abbaus über modifizierende Auflagen herzustellen. Auch könne § 48 Abs. 2 BBergG in Verbindung mit § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG Grundlage der Anordnung einer nachträglichen Auflage sein. Die hiernach zu berücksichtigenden bodenschutzrechtlichen Anforderungen würden durch die LAGA M 20 konkretisiert. Er habe auch die Besonderheiten des konkreten Standortes hinreichend berücksichtigt. Für die Parameter Sulfat und Leitfähigkeit hätten wegen der bereits vorhandenen geogenen Vorbelastung höhere Werte als in der Tabelle II.1.2-3 der TR Boden vorgegeben im Eluat zugelassen werden können. Die besonderen geogenen Bedingungen schlössen die Möglichkeit der Entstehung einer schädlichen Bodenveränderung nicht aus. Das genüge, um die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung i.S.d. § 7 BBodSchG zu bejahen. Die Einschränkungen seien auch wirtschaftlich vertretbar. Der Gewinnungs- und Verfüllbereich müssten nicht deshalb zusammen in den Blick genommen werden, weil sich ein Rückgang der Einnahmen aus dem Verfüllbereich, verursacht durch die Einschränkung der Verfüllmaterialien, auf den gesamten Tagebaubetrieb auswirke. Aus der Tatsache, dass die Klägerin nur noch Geld mit der Annahme von Abfällen verdiene, könne nicht gefolgert werden, dass die angefochtene Beschränkung der verfüllbaren Abfälle als wirtschaftlich nicht vertretbar zu qualifizieren sei. Es stelle sich vielmehr die Frage, ob die Klägerin eine unzulässige Abfallbeseitigung betreibe. Der Gewinnungs- und der Verfüllbetrieb seien bei der Prüfung der Frage, ob die angeordnete Maßnahme wirtschaftlich vertretbar sei, getrennt zu betrachten. Sofern ein Tagebaubetrieb nur noch aufgrund seiner Einnahmen für die Entgegennahme und Verfüllung von Abfällen existenzfähig sei, sei dies für die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit nicht relevant. Der Vortrag der Klägerin zu der nahe gelegenen Kiesgrube sei richtig. Diese Grube unterliege aber nicht der Bergaufsicht. Es sei ihm nicht erklärlich, weshalb die Einlagerungsgenehmigung nicht geändert worden sei.

33

Mit Urteil vom 22. Januar 2014 – 5 A 155/13 HAL – hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 25.11.2011 hinsichtlich der Tenorierung Nr. 2 bis 2.6 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Änderung des Sonderbetriebsplans diene nicht der Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 BBergG. Dem Beklagten gehe es darum, die Belastung des Bodens durch die Auffüllung möglichst gering zu halten. Dies gehöre zwar gemäß § 48 Abs. 2 BBergG zu den Zulassungsvoraussetzungen, wonach auch die sich aus dem Abfall-, Bodenschutz- und Wasserrecht folgenden Verpflichtungen zu beachten seien. Diesen Interessen könne aber nicht mit einer nachträglichen Auflage Rechnung getragen werden, da nach dem klaren Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG über solche Auflagen nicht alle Voraussetzungen für den Betrieb eines Bergbaues nochmals aufgegriffen werden könnten, sondern nur die des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 BBergG. Auf die Regelung des § 48 Abs. 2 BBergG werde gerade nicht verwiesen. Auch über § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BBergG ließen sich Fragen der Schadstoffbelastung nicht regeln. Die Vorschrift beziehe auch nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG über eine Weiterverweisung ein. Gegen die Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG auf von § 48 Abs. 2 BBergG gesicherte Interessen spreche auch ihr weiter Umfang und die Struktur, die die Norm gefunden habe. Die maßgeblichen Interessen seien in eine Gesamtabwägung einzustellen, die eine Momentaufnahme ergebe. Diese könne sich im Zeitablauf auch ohne eine Änderung der Sachlage verändern. Über § 48 Abs. 2 BBergG würde auch der dieser Norm innewohnende Drittschutz in § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG transformiert. Dies führe zu einem Anspruch von Betroffenen, über ihre Belange erneut zu entscheiden, obwohl die Zulassung auch ihnen gegenüber bestandskräftig geworden sei. Für einen dementsprechenden Willen des Gesetzgerbers fehle es an jeglichen Anhaltspunkten. Auch die Entstehungsgeschichte des § 48 Abs. 2 BBergG führe zu nichts anderem. Es lasse sich nicht der Wille des historischen Gesetzgebers feststellen, dass auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG mittels einer nachträglichen Auflage gesichert werden sollten. Das sei schon deshalb fernliegend, weil mit der Schaffung dieser Norm im Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen enthaltene Abwägungsvorschriften gebündelt werden sollten und nicht allein eine ursprünglich für den heutigen § 55 BBergG vorgesehene Regelung ohne Anpassung des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG ausgegliedert worden sei. Nicht jedes Fortbestehen einer Genehmigungsvoraussetzung müsse durch nachträgliche Auflagen und damit durch einen Eingriff in den Genehmigungsbestand gesichert werden. Ein solcher nachträglicher Eingriff sei nicht die Regel, sondern bedürfe einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage.

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Die zu beurteilenden Änderungen des Sonderbetriebsplanes seien auch keine Auflagen im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG. Die Definition des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sei in das Bundesberggesetz zu übernehmen, da der Gesetzgeber bei der Schaffung dieses Gesetzes die Regelungen des VwVfG bereits gekannt habe. Auch im BBergG finde sich eine begriffliche Unterscheidung verschiedener Nebenbestimmungen. Befristung, Bedingung und Auflage würden erwähnt. Für die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit bestehender Genehmigungen auf Auflagen sprächen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Begrenzung auf Nebenbestimmungen verhindere, dass dem Unternehmer nachträglich die durch den Betriebsplan genehmigte Tätigkeit vollständig oder jedenfalls in erheblichem Umfang unmöglich gemacht werde. Das Erfordernis der wirtschaftlichen Vertretbarkeit genüge als solches als Schutz vor weitergehenden Änderungen nicht, denn dieses bewahre den Unternehmer allein vor der Pflicht, einen wirtschaftlich sinnlosen Bergbau fortführen zu müssen. Die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG sehe weder eine Übergangsfrist zum Schutz der getätigten Investitionen noch eine Entschädigungsregelung vor, was deutlich mache, dass mit nachträglichen Auflagen nicht in den Kernbestand der Zulassung eingegriffen werden könne. Der Bescheid enthalte keine Auflage zu dem bereits bestandskräftig genehmigten Sonderbetriebsplan. Der Klägerin werde nicht ein Tun, Dulden oder Unterlassen neben der durch Sonderbetriebsplan genehmigten Tätigkeit vorgeschrieben, sondern die Regelungen würden modifiziert, indem der Klägerin nunmehr der Einbau von ursprünglich genehmigtem Material zumindest für die Zukunft verboten werde. Dass kein zusätzliches Tun gefordert werde, sondern eine völlige Umgestaltung des Sonderbetriebsplanes erfolge, ergebe sich auch aus der Formulierung des Bescheides. Danach werde die Sonderbetriebsplanzulassung „geändert“ und nicht – wie bei einer Auflage – ergänzt.

35

Es könne nicht geprüft werden, ob die Regelungen wirtschaftlich vertretbar seien. Eine Auflage müsse sowohl für den Unternehmer als auch für einen Durchschnittsbetrieb wirtschaftlich vertretbar sein. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das konkrete Unternehmen könne nicht einfach unterstellt werden, da die Klägerin in der Anhörung das Gegenteil behauptet habe. Zwar genüge der Vortrag der Klägerin nicht, um ihre wirtschaftliche Lage zu überprüfen. Allerdings habe der Beklagte auch keine näheren Informationen dazu eingeholt oder angefordert. Dies zeige ein erhebliches Defizit bei der erforderlichen Amtsaufklärung. Auch bei der Frage, ob die Maßnahme für einen Durchschnittsbetrieb tragfähig sei, gehe der Beklagte von einem falschen Maßstab aus. Es wäre zu prüfen gewesen, ob die vorgesehenen Änderungen des Sonderbetriebsplanes für im Tagebau betriebene Kieselgurgruben allgemein wirtschaftlich vertretbar seien. Dazu fänden sich aber weder im den Verwaltungsvorgängen noch im Bescheid irgendwelche Ausführungen. Auch hier unterstelle der Beklagte die wirtschaftliche Vertretbarkeit lediglich, ohne die zur Feststellung erforderlichen Tatsachen zu ermitteln. Die Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit könne auch nicht getrennt für den Gewinnungs- und den Verfüllbetrieb erfolgen. Ändere sich die Art der zugelassenen Verfüllung, müsse der Beklagte die daraus entstehenden wirtschaftlichen Veränderungen ermitteln. In jedem Fall sinke der Deckungsbeitrag der Verfüllung für den gesamten Bergbau, was wiederum zu einer schlechteren Ertragsperspektive des Gesamtunternehmens führe. Zu prüfen sei, ob die schlechtere Ertragsperspektive dem Unternehmer zumutbar sei. Dem Gericht sei eine Prüfung nicht möglich, weil der Beklagte die notwendigen Ermittlungen nicht durchgeführt habe. Ermittlungen des Gerichts kämen nicht in Betracht, da sich der angefochtene Bescheid schon aus anderen Gründen als rechtswidrig erweise.

36

Die Ermittlung der vollständigen wirtschaftlichen Umstände sei auch nicht deshalb überflüssig, weil die Annahme der ursprünglich im Sonderbetriebsplan vorgesehenen Stoffe den Betrieb einer Abfallbeseitigungsanlage darstelle und damit bergbaufremden Zwecken diene. Die Verfüllung sei eine Maßnahme der Abfallverwertung, da die eingebauten Abfälle dazu dienten, den Masseverlust durch den Betrieb des Bergwerks auszugleichen. Ohne Belang sei, wie hoch das Entgelt für die Entgegennahme des Stoffes sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beseitigung des Schadstoffpotentials durch den Ablagernden im Vordergrund stehe. Die beabsichtigten Abfallmengen sollten nur dazu dienen, die ursprüngliche Geländekontur wieder herzustellen, also das Massendefizit aus dem Bergbau zu ersetzen.

37

Der Bescheid enthalte auch einen Ermessensfehler. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG gebe der Behörde eine Ermessensentscheidung auf. Die Grundsätze des intendierten Ermessens griffen nicht. Es gebe werde aus der Norm noch aus ihrer Entstehungsgeschichte einen Anhaltspunkt für einen Regelfall. Selbst wenn dringender Handlungsbedarf entstehe, komme meist eine ganze Reihe von denkbaren Maßnahmen zur Abhilfe in Betracht. Es könne offen bleiben, ob der Schutz hochrangiger grundrechtlich geschützter Interessen eine Ermessenslenkung hinsichtlich des Erschließungsermessens erfordere, denn ein solcher Fall liege hier nicht vor. Es gehe ausschließlich um Vorsorgewerte bei einer Aufschüttung, wobei jahrelange Messungen des abfließenden Grundwassers keine zusätzliche Belastung ergeben hätten, obwohl seit vielen Jahren Abfälle mit den Zuordnungswerten, die die Klägerin als richtig ansehe, eingebaut würden. Auch die weiteren Ermessenserwägungen seien defizitär. Der Beklagte habe die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin nicht mit dem gebührenden Gewicht in die Abwägung eingestellt, da es den Umfang und die Bedeutung der Belastung nicht ermittelt habe. Auch gehe er von der unrichtigen Trennung zwischen Gewinnungs- und Verfüllungsbetrieb aus und blende aus, dass höhere Kosten oder geringere Erträge bei der Verfüllung zuerst durch den Gewinnungsbetrieb erwirtschaftet werden müssten. Ebenfalls nicht in die Ermessenserwägung eingestellt sei, ob der Klägerin für eine Übergangszeit Vertrauensschutz zu gewähren sei. Die Frage könne nicht mit dem bloßen Hinweis auf die Möglichkeit nachträglicher Auflagen abgetan werden. Der Beklagte habe auch nicht die örtliche Situation in seine Ermessenserwägungen eingestellt. Hierzu gehörten die Filterwirkung, die geologische Barriere, bisherige Erfahrungen mit der Ablagerung und die Vorbelastung von Boden und Wasser in der Umgebung hinsichtlich sämtlicher Stoffe, für die Grenzwerte festgesetzt seien. Ebenfalls unberücksichtigt sei die Genehmigungssituation der Kiesgrube (K.) geblieben, die immer noch eine Genehmigung besitze, Abfälle bis zum Zuordnungswert Z 1 einzubauen, und die von der Klägerin deshalb befürchtete Verschiebung der Abfallmengen.

38

Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor, § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG erfasse auch § 48 Abs. 2 BBergG. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche dem Beschluss des BVerwG vom 21.04.2015 (BVerwG 7 B 9.14), in dem das Gericht festgestellt habe, dass die Bergbehörde die von § 48 Abs. 2 BBergG erfassten Anforderungen, einschließlich der Anforderungen des Bodenschutzrechts, im Wege einer nachträglichen Anordnung gemäß § 71 Abs. 1 BBergG durchsetzen könne. Damit habe das BVerwG der Bergbehörde inzident erst recht die Befugnis zuerkannt, § 48 Abs. 2 BBergG auch im Wege der nachträglichen Auflage gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zu berücksichtigen, weil § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG als milderes Mittel des Betriebsplanverfahrens stets Vorrang von Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergG habe. Dem einzigen Sachargument des Verwaltungsgerichts, die Transformierung des Drittschutzes aus § 48 Abs. 2 BBergG auf § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG sei unzulässig, sei damit die Grundlage entzogen. Auch die Bestandskraft der Betriebsplanzulassung stehe dem Anspruch eines Dritten auf Erlass einer nachträglichen Auflage nicht entgegen, da die Zulassung stets nur eingeschränkt gewährt werde. Das Verwaltungsgericht hätte zudem prüfen müssen, ob der Bescheid auf eine andere Rechtsgrundlage, etwa auf § 71 Abs. 1 Satz 2 BBergG, gestützt werden könne.

39

Bei den angefochtenen Anordnungen in dem Änderungsbescheid handele es sich auch um Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG. Die Legaldefinition des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG könne auch zur Definition des Begriffs der Auflage i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 2 BBergG und § 133 Abs. 2 BBergG verwendet werden. Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Kriterien, dass mit einer Auflage die im (Haupt-)Verwaltungsakt enthaltenen Regelungen nicht modifiziert werden dürften und dass die Auflage etwas anderes (zusätzliches) regele als die Genehmigung, ergäben sich nicht aus § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, sondern seien in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelt worden. Für die nachträgliche Auflage passten diese Kriterien nicht, da diese in die Regelung des Hauptverwaltungsakts eingreifen und diese zum Nachteil des Begünstigten verschlechtern dürfe. Bei der nachträglichen Auflage handele es sich stets um einen teilweisen Widerruf des ursprünglichen Verwaltungsakts, verbunden mit einem teilweisen Neuerlass des Verwaltungsakts mit einem partiell anderen Inhalt. Voraussetzung für die Zulässigkeit dieses Eingriffs sei erstens, dass die Behörde zum Erlass einer nachträglichen Auflage ermächtigt sei, zweitens, dass die mit der nachträglichen Auflage getroffene Neuregelung die mit dem begünstigenden Verwaltungsakt erlaubte Tätigkeit nicht unmöglich mache und drittens, dass die nachträgliche Auflage ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreibe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Eine gesetzliche Ermächtigung liege mit § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG vor. Die Beschränkung der verfüllbaren Abfälle und die Festlegung neuer Grenzwerte mache auch weder die Gewinnung von Kieselgur noch die Verfüllung des verbleibenden Restlochs mit Abfall unmöglich; die Verfüllung werde lediglich eingeschränkt. Auch schreibe die Auflage ein Tun, Dulden oder Unterlassen vor. Weitere Anforderungen seien § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht zu entnehmen. Eine nachträgliche Auflage dürfe nicht nur nebenseitige, unwesentliche oder unwichtige Teile des begünstigenden Verwaltungsakts neu regeln. Auch eine nachträgliche Korrektur zugelassener Betriebspläne sei möglich. Hierdurch komme es auch nicht zu einer Enteignung. Die durch die Betriebsplanzulassung vermittelte Eigentumsposition werde nicht schrankenlos gewährt, sondern stehe unter dem Vorbehalt der Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen gemäß §§ 48 Abs. 2, 55 BBergG und unterliege den Einschränkungsmöglichkeiten des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG.

40

Er habe die wirtschaftliche Vertretbarkeit hinreichend aufgeklärt. Diese sei gegeben, wenn dem Unternehmen in der Gewinnungsphase wenigstens zeitweilig ein rentabler Betrieb möglich sei. Allein der pauschale Verweis der Klägerin auf die wirtschaftliche Unvertretbarkeit reiche nicht aus, um weitere Nachforschungen auszulösen. Die Klägerin habe keine Fakten und Zahlen mitgeteilt, anhand derer ihre Vermögens- und Ertragslage hätte beurteilt werden können. Das Verwaltungsgericht habe nicht geklärt, wie er vorgehen müsse, wenn der Unternehmer auf zusätzliche Nachfragen nicht reagiere. Zu der Frage, ob die Auflage wirtschaftlich vertretbar sei, habe die Klägerin nur einige allgemeine Befürchtungen geäußert, jedoch keine präzisen Angaben zur Höhe ihrer Einnahmen aus der Verfüllung von Abfällen und zu dem von ihr befürchteten Rückgang der Anlieferung von Abfällen gemacht. Die Gewinnung und/oder Aufbereitung sei im vorliegenden Fall von der nachträglichen Auflage nicht betroffen. Ein Ermittlungsdefizit liege auch nicht darin begründet, dass er bei der Prüfung der Frage, ob die Maßnahme für einen Durchschnittsbetrieb tragfähig sei, die von der Klägerin betriebene Kieselgurgrube wie die umliegenden Sand- und Kiestagebaue behandelt habe, denn außer der Kieselgurgrube der Klägerin gebe es in der Bundesrepublik keine weiteren Kieselgurtagebaue. Im Übrigen hätte das Verwaltungsgericht den Sachverhalt selbst aufklären müssen. Ein Ertragsrückgang im Verfüllungsbetrieb sei für die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit nur insoweit relevant, als dem Unternehmer die Bodenschatzgewinnung nicht durch unverhältnismäßig hohe Nachsorgekosten unmöglich gemacht werden dürfe. Insoweit habe er den Zusammenhang zwischen Gewinnung und Verfüllung in den Blick genommen. Solange ein Ertrag, also ein Überschuss, aus der Abfallverfüllung/Nachsorge generiert werde, könne die Nachsorge nicht derart unverhältnismäßig hohe Kosten erzeugen, dass hierdurch eine noch betriebene Bodenschatzgewinnung wirtschaftlich unmöglich werde. Zudem sei ein Gewinnrückgang nur dann möglich, wenn vor Erlass der nachträglichen Auflage die betreffende Abfälle/Schadstoffkonzentrationen überhaupt verwendet worden seien. Die Klägerin verwende diese jedoch seit mindestens 7 Jahren nicht. Für die wirtschaftliche Vertretbarkeit i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG komme er nur darauf an, ob die Gewinnung und/oder Aufbereitung des in Rede stehenden Bodenschatzes beeinträchtigt werde. Der angefochtene Änderungsbescheid betreffe jedoch nur die Verfüllung. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass seine Auflagen die Klägerin nicht zu einem dauerhaft unrentablen Betrieb verpflichteten.

41

Es liege auch keine fehlerhafte Ausübung des Ermessens vor. Er habe sich nicht pauschal auf ein intendiertes Ermessen berufen. Er habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Tatbestandsmerkmale des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG "wirtschaftliche Vertretbarkeit", "Erforderlichkeit zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen" und "technische Erfüllbarkeit" nicht noch einmal in der Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite abweichend beurteilt werden könnten. Im Übrigen sei sein Ermessensgebrauch durch den Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (MW) und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (MLU) vom 19.05.2009, mit dem das „Konzept zur Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes bei der Abfallverwertung in Tagebauen und Abgrabungen“ vom 29.05.2008 zur Anwendung in der Landesverwaltung in den berg-, abfall- und bodenschutzrechtlichen Vollzug eingeführt worden sei, gebunden. Die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin habe er im Rahmen des Ermessens hinreichend berücksichtigt. Auch den Gedanken des Vertrauensschutzes habe er hinreichend berücksichtigt. Da die Klägerin seit dem Schreiben vom 03.04.2007, also seit 4 ½ Jahren, mit einer Änderung der Sonderbetriebsplanzulassung habe rechnen müssen, sei die Einräumung einer weiteren Übergangsfrist nicht erforderlich gewesen. Die örtlichen Verhältnisse habe er durch die Zulassung von großzügigen Werten für Sulfat und Leitfähigkeit hinreichend berücksichtigt. Er sei außerdem, trotz der Genehmigungssituation der benachbarten Kiesgrube (K.), zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschränkung des Schadstoffinventars auf die Z0/Z0*-Werte gemäß TR Boden nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Unternehmens der Klägerin führe. Unter Hinweis auf einen Vermerk des Landkreises Wittenberg vom 11.01.2008 über die Verfüllung des Kiessandtagebaus (K.) der (...) Abbruch- und Recycling GmbH (...) macht er geltend, dass dort bisher ausschließlich Bodenmaterial verfüllt worden sei, das – bis auf den Grenzwert für Sulfat – in allen in 8 Jahren untersuchten Proben hinsichtlich der Schadstoffgehalte sowohl die Zuordnungswerte Z0/Z0* (Eluat) der LAGA TR Boden als auch die Vorsorgewerte (Feststoff) der BBodSchV unterschreite. Soweit die Klägerin behaupte, aufgrund seines Bescheides gingen nun alle Abfälle in die benachbarte Kiesgrube, da niemand zwischen Z0-, Z1- (und Z2-) Material trenne, so dass sie mit einem Umsatzrückgang von 100 % rechnen müsse, sei dies schlicht falsch. Bislang habe niemand Abfälle mit einer höheren Belastung als Z0/Z0* an die benachbarte Kiesgrube (K.) geliefert. Zudem sei dort ausschließlich Bodenmaterial zur Verfüllung zugelassen.

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Der Beklagte beantragt,

43

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 22. Januar 2014 – 5 A 155/13 HAL – zu ändern und die Klage abzuweisen.

44

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

46

Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und trägt ergänzend vor, § 48 Abs. 2 BBergG werde angesichts des klaren Wortlauts von § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht erfasst. Der Beschluss des BVerwG vom 21.04.2015 (BVerwG 7 B 9.14) sei unergiebig, denn in dieser Entscheidung habe das Gericht lediglich Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergGzur Durchsetzung des Betriebsplans für möglich gehalten. Zu einer Änderung einer bestandskräftigen Betriebsplanzulassung oder zu Anordnungen, die über die in einer bestehenden Betriebsplanzulassung enthaltenen Regelungen hinauswirkten, habe sich das Gericht nicht geäußert. Eine Anordnung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 BBergG scheide im vorliegenden Fall aus. Weitere Ermächtigungsgrundlagen kämen nicht in Betracht.

47

Bei den angefochtenen Änderungen der Betriebsplanzulassung handele es sich auch nicht um Auflagen. Die Auffassung des Beklagten, durch nachträgliche Auflagen seien unter den von ihm aufgestellten 3 Voraussetzungen Eingriffe in die Regelung des Hauptverwaltungsakts möglich, verwische die Grenzen zwischen dem Erlass einer Auflage und dem teilweisen Widerruf eines Verwaltungsakts und lasse schrankenlose Eingriffe in bestandskräftige Verwaltungsakte zu. Auch im BBergG werde eine Differenzierung zwischen der Änderung eines Betriebsplanes (§ 56 Abs. 3 BBergG) und einer nachträglichen Auflage (§ 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG) vorgenommen.

48

Der Beklagte habe den Sachverhalt im Hinblick auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit nicht hinreichend aufgeklärt. Insoweit rüge sie erneut die Verletzung der Anhörungspflicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG. Eine Auflage sei nur dann wirtschaftlich vertretbar, wenn die Rentabilität des Unternehmens nicht gefährdet werde, das Unternehmen also nachhaltig einen angemessenen Gewinn erzielen könne. Hierzu hätte der Beklagte ihre wirtschaftliche Lage konkret überprüfen müssen. Sie sei bislang weder verpflichtet noch angehalten gewesen, von sich aus alle denkbaren Wirtschaftsdaten ihres Unternehmens offen zu legen. Tatsächlich habe sie in den Jahren 2011 bis 2015 mit dem Kieselgurtagebau durchschnittlich einen Bruttoumsatz in Höhe von ca. 250.000,00 € erzielt. Ein nennenswerter Gewinn sei in diesen Jahren nicht erzielt worden. Der Gewinn habe im Jahr 2011 ca. 12.000,00 € betragen, in den Jahren 2012 und 2013 nur ca. 1.000,00 €. Der Anteil der Umsätze an der Verkippung habe bei durchschnittlich ca. 90.000,00 € gelegen. Dieser Umsatz habe zum Großteil aus der Annahme von Bodenmaterial unter Berücksichtigung etwaiger Vorsorgewerte bis Z 1 resultiert. Es sei unverständlich, weshalb der Beklagte meine, die Einschränkungen der Kriterien der für die Verfüllung zugelassenen Materialien führe nicht zu einem Rückgang der Anlieferung von Abfällen und somit ihrer Umsätze. Nur ein geringer Teil der bisher verfüllten Materialien entspreche den Zuordnungswerten Z 0 der LAGA M 20 sowie den Vorsorgewerten des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV. Für Bodenmaterialien, die in keinem Parameter die Zuordnungswerte Z 0/Z 0* überschritten, bestünden andere Anwendungsgebiete, so dass deutlich geringere Abnahmemengen zur Verfügung stünden und eine deutlich geringere Abnahmevergütung erzielt werden könne. Die Entgelte für die Entgegennahme von Materialien, die die Zuordnungswerte Z 0/Z 0* überschritten, seien regelmäßig das Drei- bis Vierfache der Vergütung für die Annahme von Bodenmaterial, das die Zuordnungswerte Z 0 in keinem Parameter übersteige. Zudem würden die auf Baustellen oder anderen Vorhaben anfallenden und zur Einlagerung angelieferten Bodenmaterialien regelmäßig nicht nach Z 0/Z 0* und Z 1 separiert, so dass Anfragen für die Anlieferung von einzulagerndem Bodenmaterial ohne Differenzierung nach diesen Klassifizierungen erfolgten. Im Ergebnis bedeute dies, dass sie in Zukunft kein Material zur Verfüllung bekomme, da die anfragenden Baufirmen stets eine einheitliche Anlieferung beabsichtigten. Dies sei für sie umso belastender, als die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Kiesgrube (K.) weiterhin Material mit der Klassifikation Z 1 annehmen könne. Da sie bereits aktuell am Rande der Existenz ohne nennenswerten Gewinn wirtschafte, sei bereits eine geringfügige Umsatzeinbuße im Rahmen der Verfülltätigkeiten eine übermäßige Belastung, die die Rentabilität des Unternehmens gefährde.

49

Der Beklagte habe auch den Sachverhalt im Hinblick auf ein Durchschnittsunternehmen nicht hinreichend ermittelt. Ihr Kieselgurtagebau unterscheide sich von einem Betrieb eines Sand- und Kiestagebauunternehmens elementar.

50

Der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Das Ermessen sei nicht in Richtung einer bestimmten Entscheidung intendiert. Der Beklagte sei irrtümlich von einer Bindung an ein konkretes Entscheidungsergebnis ausgegangen. Der Beklagte sei im Rahmen seiner Ermessensausübung nicht hinreichend auf ihre konkrete wirtschaftliche Situation eingegangen. Auch die Trennung zwischen Verfüll- und Gewinnungsbetrieb sei ermessensfehlerhaft. Der Beklagte hätte zudem Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes berücksichtigen und ihr eine Übergangsfrist einräumen müssen. Eine sofortige Abänderung der Verfüllkriterien würde dazu führen, dass ihr die Erfüllung übernommener Abnahmeverpflichtungen unmöglich sei, was mit der Entstehung von nicht unerheblichen Schadensersatzansprüchen verbunden wäre. Dem könne der Beklagte nicht entgegenhalten, dass er eine Änderung der Sonderbetriebsplanzulassung bereits im Jahr 2007 angekündigt habe, denn eine Beachtung der neuen Verfüllkriterien hätte sie gegenüber Wettbewerbern in eine ungünstigere Situation geführt, die wahrscheinlich bereits im Jahr 2007 die Existenz ihres Unternehmens gefährdet hätte. Auch der Umstand, dass der Beklagte eine Umstellung der Verfüllkriterien erst 4 ½ Jahre später vorgenommen habe, zeige, dass sie im Jahr 2007 noch nicht mit einer sofortigen Änderung der Kriterien habe rechnen müssen. Aufgrund der in der Wirtschaft notwendigen langfristigen Abnahmeverpflichtungen sei es ihr nicht möglich gewesen, sich auf eine Änderung der Verfüllkriterien in einem ihr ungewissen Zeitraum einzustellen. Der Beklagte habe auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die benachbarte Kiesgrube (K.) nach wie vor Materialien mit einem Zuordnungswert bis zu Z 1.2 annehmen dürfe. Sie bestreite, dass dort in den vergangenen 8 Jahren keine Bodenmaterialien angenommen worden seien, die hinsichtlich der Schadstoffgehalte weder die Zuordnungswerte Z 0/Z 0* der TR Boden noch die Vorsorgewerte der BBodSchV überschritten hätten. Jedenfalls werde in einer Preisliste der (...) für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.03.2013 die Abnahme von Boden bis Z 1.2 beworben. Darüber hinaus bleibe sie bei ihrer Auffassung, wonach eine gesetzliche Vorgabe für die einzuhaltenden Vorsorgewerte für die Verfüllung unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht, mithin des Verfüllkörpers selbst, nicht bestehe. Jedenfalls dürfe die Einhaltung der Zuordnungswerte Z 0 der TR Boden nicht gefordert werden. Darüber hinaus habe der Beklagte bei seinen Ermessenserwägungen die besondere Filterfunktion der Kieselgur nicht beachtet. Darauf sei auch zurückzuführen, dass das Grundwasser im Abstrom des Kieselgurtagebaus zum Teil deutlich niedrigere Belastungen aufweise als im Anstrom. Diese besondere Barrierefunktion der Kieselgur hätte bei der Prüfung, inwieweit zum Schutz des Grundwassers eine Einschränkung der Vorsorgewerte erforderlich sei, berücksichtigt werden müssen. Der Beklagte habe auch nicht berücksichtigt, dass in der seit 14 Jahren bestehenden Verfülltätigkeit zu keinem Zeitpunkt eine Überschreitung der zulässigen Vorsorgewerte im Grundwasser festgestellt worden sei. Schließlich sei der besondere Wert der Kieselgurprodukte für die Gesellschaft bislang nicht hinreichend berücksichtigt worden.

51

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

52

Die zulässige Berufung ist begründet.

53

Das Verwaltungsgericht hat die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 des Bescheides des Beklagten vom 25.11.2011 zu Unrecht aufgehoben. Die Klage ist abzuweisen, weil der Bescheid vom 25.11.2011 insoweit rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

54

I. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Klägerin wurde gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG mit den Schreiben des Beklagten vom 18.03.2008 und 11.03.2009 ordnungsgemäß angehört. Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung muss sich an einen individualisierten Adressaten richten und die beabsichtigte behördliche Maßnahme konkret benennen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2013 – BVerwG 7 B 18.13 –, juris RdNr. 19). Damit ein Schreiben als Anhörung im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG gewertet werden kann, muss ihm entnommen werden können, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt sei (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 – BVerwG 3 C 16.11 –, juris RdNr. 12; Beschl. d. Senats v. 02.06.2015 – 2 M 32/15 –, juris RdNr. 10). Diesen Anforderungen werden die Schreiben des Beklagten vom 18.03.2008 und 11.03.2009 gerecht. Aus ihnen geht hinreichend deutlich hervor, dass eine Regelung gegenüber der Klägerin beabsichtigt ist und was Inhalt dieser Regelung sein soll.

55

II. Die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 des Bescheides vom 25.11.2011 sind auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG. Nach dieser Vorschrift ist die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zulässig, wenn sie

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1. für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar und

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2. nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar

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sind, soweit es zur Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Absatz 2 BBergG erforderlich ist. Diese Vorschrift kommt grundsätzlich als Rechtsgrundlage der angefochtenen Bestimmungen in Betracht.

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1. Mit dem Bescheid vom 25.11.2011 verfolgt der Beklagte einen mit § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG vereinbaren Zweck.

60

a) Zwar dienen die angefochtenen Bestimmungen des Bescheides vom 25.11.2011 nicht der Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG. Diese Vorschrift enthält keine konkreten Anforderungen an den Einbau bergbaufremder Abfälle. Außerdem betrifft sie nicht den Schutz von Boden und Grundwasser außerhalb der von dem Betrieb in Anspruch genommenen Grundflächen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, juris RdNr. 19). Das BBergG und die Bergverordnungen enthalten keine Anforderungen an die Verwendung bergbaufremder Abfälle, durch die schädliche Einwirkungen auf den Boden hervorgerufen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 25).

61

b) Die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG ist jedoch auch zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG zulässig.

62

Zu den Zulassungsvoraussetzungen eines Betriebsplans gehören ergänzend zu § 55 Abs. 1 BBergG die Anforderungen des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.1986 – BVerwG 4 C 31.84 –, juris RdNr. 23). Der Begriff der öffentlichen Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG ist weit gefasst. Die Vorschrift stellt einen Auffangtatbestand dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.06.2006 – BVerwG 7 C 11.05 –, juris RdNr. 17). Zu den öffentlichen Interessen im Sinne dieser Vorschrift gehören neben der Beachtung der abfallrechtlichen Grundpflichten der Erzeuger und Besitzer von Abfällen auch die Anforderungen des Bodenschutzrechts. Soweit die Art und Weise der auf die bergbauliche Tätigkeit beschränkten Wiedernutzbarmachung nachteilige Folgen für Boden und Grundwasser hervorrufen kann, ist die Bergbehörde verpflichtet, diese Folgen bereits bei der Zulassung des Betriebsplans zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 20).

63

§ 48 Abs. 2 BBergG ist nicht nur für die Gewinnung und Aufsuchung, sondern auch für die Verfüllung beachtlich. Die öffentlichen Interessen sind unabhängig davon, dass in § 48 Abs. 2 BBergG nur von Einschränkungen der Aufsuchung oder der Gewinnung die Rede ist, auch für den Abschlussbetriebsplan beachtlich (vgl. § 53 Abs. 1 BBergG); dies schon deshalb, weil die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG, der zufolge dafür Sorge zu tragen ist, dass Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden, im Rahmen des Abschlussbetriebsplans keine Rolle spielt und die Behörde infolgedessen bei der Zulassung von Abfällen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche zu einer eher verstärkten Berücksichtigung entgegenstehender öffentlicher Interessen befugt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 21).

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Da auch § 48 Abs. 2 BBergG selbst keine materiellen Anforderungen an den Vorgang der Verfüllung und an hierfür verwendete bergbaufremde Stoffe stellt, ist insoweit das BBodSchG anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 25).

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Zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG können auch nachträgliche Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG erlassen werden (vgl. OVG RP, Urt. v. 19.11.2007 – 1 A 10706/05 –, juris RdNr. 38; Beckmann, DÖV 2010, 512 <517>; Kühne, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, BBergG, 2. Aufl. 2016, § 48 RdNr. 37; von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 22; Kühne, DVBl. 2010, 874 <876>; Müggenborg, NVwZ 2006, 278 <280>; Vitzthum/Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, 2. Aufl. 2013, § 48 RdNr. 24; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 256 und § 56 Anhang RdNr. 88). Zwar verweist der Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht ausdrücklich auf die Zulassungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf nachträgliche Auflagen zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG folgt jedoch aus Sinn und Zweck der Regelung. Die Vorschrift ermöglicht den Bergbehörden, auch nach Zulassung eines Betriebsplans – insoweit deren Bestandskraft einschränkend –, weiterhin gesetzmäßige Zustände zu gewährleisten. Damit trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen infolge der Unwägbarkeiten des Bergbaus nicht immer sicher prognostiziert werden können und daher ein Betriebsplan ggf. der Nachbesserung bedarf. Dies gilt auch für die gemäß § 48 Abs. 2 BBergG zu den Zulassungsvoraussetzungen zählenden Belange des Abfall- und Bodenschutzrechts (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 22).

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Die Überlegungen, die für ein Verständnis des § 48 Abs. 2 BBergG als Ergänzung der Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 BBergG ausschlaggebend sind, sprechen auch für die Zulassung nachträglicher Anordnungen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG. Das BVerwG hat angenommen, es widerspräche einer sinnvollen Gesetzesanwendung, die Bergbehörde zu verpflichten, einen Betriebsplan ohne Einschränkungen zuzulassen, wenn sie gemäß § 48 Abs. 2 BBergG im Anschluss daran die Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken oder zu untersagen hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.1986 – BVerwG 4 C 31.84 –, a.a.O. RdNr. 23). Dementsprechend ist auch im vorliegenden Zusammenhang eine Gesetzesanwendung nicht sinnvoll, die der Bergbehörde das flexible Instrument der nachträglichen Auflage i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG versagt und diese stattdessen auf die stärker in den Bestand eingreifende Rücknahme oder den Widerrufs der Betriebsplanzulassung nach §§ 48, 49 VwVfG verweist. Vielmehr gebietet der in § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG – sinngemäß – zum Ausdruck kommende Gedanke der Planerhaltung, die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen auch zur Anpassung einer Betriebsplanzulassung an die von § 48 Abs. 2 BBergG geschützten Interessen zuzulassen, zu denen auch das Abfall-, Bodenschutz- und Wasserrecht gehört (vgl. OVG RP, Urt. v. 19.11.2007 – 1 A 10706/05 –, a.a.O. RdNr. 38). Auch bliebe der Unternehmer, soweit ein bergrechtliches Einschreiten nach Zulassung des Betriebsplans zur Durchsetzung der Anforderungen des Abfall-, Bodenschutz- oder Wasserrechts nicht möglich wäre, nicht ohne Weiteres aufgrund der sog. Legalisierungswirkung der Betriebsplanzulassung vor einem Einschreiten auf der Grundlage der einschlägigen abfall-, bodenschutz- oder wasserrechtlichen Vorschriften geschützt (vgl. Urt. d. Senats v. 22.04.2015 – 2 L 47/13 –, juris RdNr. 72).

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Gegen die Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG auf die von § 48 Abs. 2 BBergG gesicherten Interessen kann nicht eingewandt werden, die öffentlichen Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 BBergG seien Gegenstand einer Gesamtabwägung, die sich im Zeitablauf auch ohne eine Änderung der Sachlage verändern könne. Ein derart schwankender Inhalt kommt den Anforderungen des § 48 Abs. 2 BBergG nicht zu. Die nach § 48 Abs. 2 BBergG gebotene Abwägung unterliegt nicht den Grundsätzen der planerischen Gestaltungsfreiheit. Sie entspricht der gerichtlich voll überprüfbaren Abwägung im Rahmen eines unbestimmten Tatbestandsmerkmals (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.06.2006 – BVerwG 7 C 11.05 –, a.a.O. RdNr. 27). Allein eine erneute Abwägung der Bergbehörde nach Zulassung des Betriebsplans kann damit nicht zu einer Änderung der Anforderungen des § 48 Abs. 2 BBergG führen.

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Nicht überzeugend ist die Überlegung, es fehle an Anhaltspunkten für einen Willen des Gesetzgebers, den der Vorschrift des § 48 Abs. 2 BBergG innewohnenden Drittschutz auf § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zu übertragen. Ob und in welchem Umfang § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG einen drittschützenden Inhalt hat, ist Gegenstand der Auslegung der Vorschrift, für die der historische Wille des Gesetzgebers lediglich einen (schwachen) Anhalt bietet, sondern die sich maßgeblich an Sinn und Zweck der Vorschrift zu orientieren hat.

69

Zu keinem anderen Ergebnis führt das Argument, es lasse sich nicht der Wille des historischen Gesetzgebers feststellen, dass auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG mittels einer nachträglichen Auflage gesichert werden sollten, da mit der Bündelung der an verschiedenen Stellen enthaltenen Abwägungsvorschriften in § 48 Abs. 2 BBergG nicht allein eine ursprünglich für den heutigen § 55 BBergG vorgesehene Regelung ohne Anpassung des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG ausgegliedert worden sei. Maßgeblich ist der objektive Zweck des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG, der Bergbehörde nach Zulassung eines Betriebsplans weiterhin die Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen zu ermöglichen, ohne den Bestand der Zulassung insgesamt infrage stellen zu müssen. Dies widerspricht auch nicht der in der Begründung des Gesetzentwurfs des BBergG zum Ausdruck gebrachten Vorstellung, Nebenbestimmungen könnten sich nur auf die Voraussetzungen für die Zulassung eines Betriebsplans beziehen (vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 112). Die Anforderungen des § 48 Abs. 2 BBergG gehören zu diesen Zulassungsvoraussetzungen.

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Hiernach verfolgt der Beklagte mit dem Bescheid vom 25.11.2011 einen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zulässigen Zweck, denn die hierin getroffenen Regelungen dienen der Sicherstellung der Anforderungen des Abfall-, Bodenschutz- und Wasserrechts und damit der öffentlichen Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG.

71

2. Die angefochtenen Bestimmungen, insbesondere die Neuregelung des zulässigen Schadstoffinventars der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle durch die Bestimmung Nr. 2.2, sind gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG erforderlich.

72

Die Bestimmung Nr. 2.2 ist zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen gemäß § 7 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17.03.1998 (BGBl. I S. 502) und zur Sicherstellung der Schadlosigkeit der Abfallverwertung gemäß § 5 Abs. 3 des hier noch anwendbaren Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG) vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2705) geboten. Bei der Verfüllung des Tagebaus mit Abfällen, die die in der Bestimmung Nr. 2.2 festgelegten Zuordnungswerte überschreiten, besteht die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen. Zudem wird den Anforderungen an eine schadlose Abfallverwertung nicht entsprochen.

73

Rechtliche Grundlage der Bestimmung Nr. 2.2 ist – neben §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 2 BBergG§ 7 BBodSchG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) vom 12.07.1999 (BGBl. I S. 1554), soweit die in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden aufgeführten Zuordnungswerte Z 0 für Feststoffgehalte mit den Vorsorgewerten für Böden gemäß Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV übereinstimmen (dazu a). Soweit die in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden aufgeführten Zuordnungswerte Z 0 solche Parameter betreffen, für die in Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV keine Vorsorgewerte enthalten sind, beruht die Bestimmung auf §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 2 BBergG i.V.m. § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG (dazu b).

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a) Die Einhaltung der in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden enthaltenen bodenartspezifischen Zuordnungswerte Z 0 für Feststoffgehalte durch die zur Verfüllung zugelassenen Abfälle ist zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen i.S.d. § 7 BBodSchG geboten, soweit die Zuordnungswerte mit den Vorsorgewerten für Böden gemäß Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV übereinstimmen.

75

Gemäß § 7 BBodSchG sind der Grundstückseigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück und derjenige, der Verrichtungen auf einem Grundstück durchführt oder durchführen lässt, die zu Veränderungen der Bodenbeschaffenheit führen können, verpflichtet, Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen, die durch ihre Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden können. Vorsorgemaßnahmen sind geboten, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktionen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über Bodenwerte zu erlassen, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung von geogenen oder großflächig siedlungsbedingten Schadstoffgehalten in der Regel davon auszugehen ist, dass die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht (Vorsorgewerte). Nach der auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG beruhenden Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBodSchV ist das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen nach § 7 BBodSchG in der Regel zu besorgen, wenn Schadstoffgehalte im Boden gemessen werden, die die Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV überschreiten. Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV enthält sieben bodenartspezifische Vorsorgewerte für Metalle und drei für organische Stoffe. Die Ableitung der Vorsorgewerte berücksichtigt ökotoxikologische Wirkungsschwellen, Anhaltspunkte für unerwünschte oder schädliche Auswirkungen auf Nahrungspflanzen und Futtermittel sowie Austräge in das Grundwasser und stellt sicher, dass ein hinreichend deutlicher Abstand zu den für den Wirkungspfad Boden – Mensch festgelegten Prüfwerten besteht. Schließlich werden die Vorsorgewerte mit repräsentativen Boden-Hintergrundgehalten abgeglichen (vgl. BR-Drs. 780/98, S. 132; Schäfer, DVBl. 2002, 734 <736 f.>). Hiernach besteht regelmäßig die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen, soweit die Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV überschritten werden (vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 39; König, in: Fehlau/Hilger/König, BBodSchV, 2000, Anhang 2 RdNr. 77).

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Die Vorsorgewerte des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV gelten dabei nicht nur für "Boden" i.S.d. § 2 Abs. 1 BBodSchG bzw. für die "durchwurzelbare Bodenschicht" i.S.d. § 12 BBodSchV, sondern – insbesondere bei der Verfüllung eines Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen – auch für das Verfüllmaterial selbst, das insoweit als "Boden" anzusehen ist. Dies folgt aus dem Schutzzweck des BBodSchG, denn auch die unterhalb des durchwurzelbaren Bodens liegende Schicht erfüllt natürliche Bodenfunktionen i.S.d. § 2 Abs. 2 BBodSchG, insbesondere zum Schutz des Grundwassers (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 – BVerwG 7 B 16.10 –, juris RdNr. 10; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 Anhang RdNr. 88). Hiergegen lässt sich nicht einwenden, die auf § 6 BBodSchG beruhende Vorschrift des § 12 BBodSchV, insbesondere § 12 Abs. 2 BBodSchV, regele lediglich Anforderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materialienauf oder in eine durchwurzelbare Bodenschicht, während die BBodSchV derzeit keine Anforderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht enthalte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem 3. Arbeitsentwurf der sog. Mantelverordnung vom 23.07.2015 (http://www.bmub.bund.de/themen/wasser-abfall-boden/bodenschutz-und-altlasten/wasser-bodenschutz-und-altlasten-download/artikel/entwurf-der-mantelverordnung-mantelv/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=668), der den Entwurf eines neuen § 8 BBodSchV enthält, in dem erstmals spezifische Anforderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbare Bodenschicht geregelt werden sollen. Die entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBodSchV auf das Verfüllmaterial ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil dies von der gesetzlichen Ermächtigung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG nicht gedeckt wäre. Es ist zwar richtig, dass § 12 BBodSchV bei der Auffüllung von Geländehohlformen nicht unmittelbar anzuwenden ist, wenn die an deren Grund anstehende Schicht – wie hier – nicht durchwurzelbar ist (vgl. Neidhart, in: Fehlau/Hilger/König, a.a.O., § 12 RdNr. 16). Auch trifft es zu, dass das Aufbringen und Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbare Bodenschicht derzeit in der BBodSchV nicht speziell geregelt ist. Eine spezielle Regelung ist vielmehr erst – im Rahmen der "Mantelverordnung" – beabsichtigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Vorgang gänzlich ungeregelt ist. Ein Regelungsbedarf bedeutet nicht, dass eine Regelungslücke vorliegt (vgl. OVG RP, Urt. v. 12.11.2009 – 1 A 11222/09 –, juris RdNr. 82). Die Anwendung der Anforderungen des § 9 BBodSchV auf das Verfüllmaterial beruht vielmehr auf dem Umstand, dass auch das Verfüllmaterial nach Abschluss der Verfüllung die Bodenfunktionen des § 2 Abs. 2 BBodSchG zu erfüllen hat (vgl. Neumann, jurisPR-BVerwG 23/2010 Anm. 2).

77

Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem trotz Überschreitens der Vorsorgewerte aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls keine Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen besteht. Zwar liegt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBodSchV bei Überschreiten der Vorsorgewerte nurin der Regel eine Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen vor. Im Einzelfall kann eine nachteilige Auswirkung auf die Bodenfunktionen durch das Vorliegen von entsprechenden Bodenbeschaffenheiten ausgeschlossen werden. Durch den Vorbehalt einer Einzelfallprüfung soll eine Differenzierung der Böden aufgrund ihrer natürlichen Zusammensetzung und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Schadstoffen ermöglicht werden (vgl. BR-Drs. 780/98, S. 96). Die Ausnahmen von der Besorgnis schädlicher Bodenveränderung trotz Überschreitens der Vorsorgewerte werden in den Absätzen 2 und 3 des § 9 BBodSchV konkretisiert. Ausnahmen von den Vorsorgeanforderungen bei Überschreiten der Vorsorgewerte sind danach möglich

78

- gemäß § 9 Abs. 2 BBodSchV bei Böden mit naturbedingt (geogen) erhöhten Schadstoffgehalten und

79

- gemäß § 9 Abs. 3 BBodSchV bei Böden mit großflächig siedlungsbedingt (anthropogen) erhöhten Schadstoffgehalten (vgl. König, in: Fehlau/Hilger/König, a.a.O., § 9 – 11 RdNr. 8).

80

In diesen Fällen ist die Überschreitung der Vorsorgewerte allein noch kein Indiz für die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung, weil die Schadstoffe möglicherweise nicht mobil sind und daher die Bodenfunktionen nicht beeinträchtigen (vgl. Frenz, BBodSchG, 2000, § 8 RdNr. 45 f.; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, 1998, § 8 RdNr. 19). Geogene oder anthropogene Vorbelastungen i.S.d. § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV, die eine Ausnahme von den Vorsorgewerten des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV zulassen, liegen am Standort des Tagebaus jedoch nicht vor.

81

Eine Abweichung von den bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerten für die restliche Verfüllung des Tagebaus auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV ist auch nicht deswegen angezeigt, weil der Tagebau bereits teilweise mit Abfällen verfüllt worden ist, die lediglich den Anforderungen der Betriebsplanzulassung vom 11.12.1996 entsprechen. Die Geltung der grundsätzlich anwendbaren bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerte auch auf die restliche Verfüllung von Tagebauen ergibt sich daraus, dass Sonderregelungen für diesen Sachverhalt nicht ersichtlich sind. Die unmittelbare Anwendung des § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV scheidet aus, weil es insoweit weder um Böden mit naturbedingt erhöhten Schadstoffgehalten (§ 9 Abs. 2 BBodSchV) noch um Böden mit großflächig siedlungsbedingt erhöhten Schadstoffgehalten (§ 9 Abs. 3 BBodSchV) geht. Für eine analoge Anwendung ist weder eine unbeabsichtigte planwidrige Regelungslücke noch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte ersichtlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 – BVerwG 7 B 16.10 –, a.a.O. RdNr. 12).

82

Die von der Klägerin geltend gemachten besonderen geogenen Bedingungen des Kieselgurtagebaus, insbesondere die Filtereigenschaften des Kieselgurs, rechtfertigen ebenfalls keine Ausnahme von der Einhaltung der Vorsorgewerte. Es ist bereits fraglich, ob diese Gesichtspunkte generell geeignet sind, eine Ausnahme von der Regel des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBodSchV zu rechtfertigen. Die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen muss nicht für jedes betroffene Grundstück nachgewiesen werden. Vielmehr sollen mit der Vorsorgepflicht des § 7 BBodSchG auch solche Einwirkungen abgewehrt werden, diegenerell geeignet sind, schädliche Bodenveränderungen herbeizuführen (vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 37). Besonderheiten des Standortes dürften daher, abgesehen von der nach § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV zu berücksichtigenden Vorbelastung, für die Vorsorgepflicht des § 7 BBodSchG ohne Relevanz sein. Insbesondere dürfte die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen bei Überschreiten der Vorsorgewerte des Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV im Verfüllmaterial nicht schon dann ausgeschlossen sein, wenn die von den verfüllten Abfällen ausgehenden Schadstoffe durch vorhandene Barrieren und andere Sicherungen im Bereich der Grube fixiert werden. Vielmehr dürften diese Gesichtspunkte allein im Rahmen der (drittschützenden) Gefahrenabwehr maßgeblich sein, insbesondere für die Frage, ob ein Nachbar durch eine Betriebsplanzulassung in seinen Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 33; OVG RP, Urt. v. 19.11.2007 – 1 A 10706/05 –, a.a.O. RdNr. 46). Vorliegend geht es jedoch um Maßnahmen, die im Rahmen der Vorsorge weit vor Erreichen der Gefahrenschwelle zu treffen sind. Dies kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben.

83

Im vorliegenden Fall besteht auch unter Berücksichtigung der konkreten Standortbedingungen bei Überschreiten der Vorsorgewerte die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen. Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, die abgebaute Kieselgur habe zwar gute Filtereigenschaften. Hierdurch könnten aber nur kollodiale Schadstoffe aus dem Schütt- oder Verfüllmaterial zurückgehalten werden. Dies seien solche, die sich in fein verteiltem Zustand in einer Lösung befänden (Teilchengröße zwischen 0,001 und 0,1 µm). Schadstoffe, die sich in einer Lösung vollständig auflösten, wie etwa Sulfat oder Chlorit, könnten nicht sorpiert werden, würden also nicht durch die Filterwirkung der Kieselgur in ihr zurückgehalten. Sie würden vielmehr den restlichen Kieselgurkörper durchdringen und in die darunter liegenden Bodenschichten und auch in das Grundwasser gelangen. Kieselgur bestehe im Wesentlichen aus Siliziumdioxid (SiO2) und nicht aus Tonmineralien. Eine aus Tonmineralien bestehende Schicht würde – laienhaft gesprochen – dicht sein und keine im Sickerwasser gelösten Schadstoffe nach unten dringen lassen. Die 1,5 bis 2 m mächtige Seekreideschicht, die unter dem Kieselgur liege, habe gute Barriereeigenschaften (Durchlässigkeitswert Kf von 10-9 m/s). Jedoch sei die Seekreideschicht im Abbaufeld teilweise in ihrer Mächtigkeit auf weniger als 1 m reduziert, teilweise fehle sie völlig, so dass Fenster zum darunter liegenden elsterglazialen Grundwasserleiter bestünden. Insoweit stütze er sich auf Erkundungsergebnisse aus den 1970er Jahren. Wenn für die weitere Verfüllung weniger strenge Werte als im Bescheid vom 25.11.2011 festgesetzt würden, könnte das in den Verfüllkörper eindringende Niederschlagswasser (Sickerwasser) mit Schadstoffen aus dem Verfüllkörper angereichert werden. Gelöste Schadstoffe würden in der Kieselgur nicht zurückgehalten werden. Die Schadstoffe aus dem Sickerwasser könnten in den Grundwasserhorizont, der sich mit + 61 bis + 65 m NN über der Kieselgurschicht (nicht darunter!) befinde, gelangen und sich dort später – nach Beendigung des Abbaus und des Verfüllbetriebs, wenn das Wasser nicht mehr abgepumpt werde – im Grundwasserhorizont ausbreiten. Darüber hinaus könnte es über die "Fenster", die sich in der Seekreideschicht befänden, auch in den tief liegenden Grundwasserleiter gelangen und zu Verunreinigungen des Grundwassers führen. Dieses Grundwasser könne in Oberflächenwasser in naturschutzrechtlich geschützten Gebieten austreten. Der Kieselgurtagebau (K.) liege in einem Landschaftsschutzgebiet und im Europäischen Biosphärenreservat Mittelelbe. Bei Betrachtung der konkreten geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse des von der Klägerin betriebenen Kieselgurtagebaus sei daher festzustellen, dass die Verfüllung der durch den Abbau entstehenden Grube mit fremdem Material zu schädlichen Bodenveränderungen und Verunreinigungen des Grundwassers führen könne.

84

Nach diesen Erläuterungen des Beklagten, denen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, rechtfertigt die Überschreitung der Vorsorgewerte des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV im Verfüllmaterial die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen i.S.d. § 7 Satz 2 BBodSchG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBodSchV. Die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen ist begründet, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer auf sachlich vertretbaren Feststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. Frenz, a.a.O., § 7 RdNr. 25 ff.; Nies, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, § 7 BBodSchG RdNr. 10 ff.; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, a.a.O., § 7 RdNr. 7; Versteyl, in: Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 7 RdNr. 6). bzw. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Boden beeinträchtigt wird (vgl. Sondermann/Hejma, in: Versteyl/Sondermann, a.a.O., § 2 RdNr. 45). Gemessen daran ist im vorliegenden Fall die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen bei der Verfüllung des Tagebaus mit Abfällen, deren Schadstoffgehalte die Vorsorgewerte des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV überschreiten, begründet. Es steht zwar nicht fest, dass es durch die Verfüllung derartiger Abfälle zu schädlichen Bodenveränderungen i.S.d. § 2 Abs. 3 BBodSchG kommt. Es ist jedoch – nach fachlich begründeter Einschätzung – jedenfalls möglich bzw. nicht ausgeschlossen, dass hierdurch auf lange Sicht auch unter Berücksichtigung der konkreten Standortbedingungen schädliche Bodenveränderungen verursacht werden. Das ist für die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung i.S.d. § 7 Satz 2 BBodSchG ausreichend.

85

Hiernach wird mit der Anforderung, dass die zur Verfüllung zugelassenen Abfälle die in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden enthaltenen bodenartspezifischen Zuordnungswerte Z 0 für Feststoffgehalte einhalten müssen, eine nach § 7 Satz 2 BBodSchG gebotene Maßnahme zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen getroffen, soweit die Zuordnungswerte der TR Boden mit den Vorsorgewerten für Böden gemäß Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV übereinstimmen.

86

Soweit die in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden aufgeführten Zuordnungswerte Z 0 solche Parameter betreffen, für die in Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV keine Vorsorgewerte enthalten sind, kann die Bestimmung Nr. 2.2 hingegen nicht auf § 7 BBodSchG gestützt werden. Dem steht der Verordnungsvorbehalt des § 7 Satz 4 BBodSchG entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen nur getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung nach § 8 Abs. 2 BBodSchG festgelegt sind. Dieser Verordnungsvorbehalt dient dazu, sicherzustellen, dass die Betroffenen bei der Durchsetzung der Vorsorgepflicht nicht unangemessen belastet werden (vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 37). Zudem stellt der Verordnungsvorbehalt über das hierin zum Ausdruck kommende Konzeptgebot die gleichmäßige Anwendung der Vorsorgepflicht sicher (vgl. Schäfer, DVBl. 2002, 734 <738>). Soweit die Verordnungsermächtigung des § 8 Abs. 2 BBodSchG nicht ausgeschöpft ist, besteht im Hinblick auf die Vorsorgepflicht gemäß § 7 Satz 4 BBodSchG bis zum Erlass der notwendigen Rechtsverordnung eine Rechtsanwendungssperre (vgl. Sendler, UPR 2002, 281 <282>). Zwar bestehen die Vorsorgepflichten auch unabhängig von einer Regelung, etwa in der BBodSchV. Ohne die Normierung der Anforderungen in einer Verordnung sind sie jedoch von der Behörde nicht durchsetzbar (vgl. Frenz, a.a.O., § 7 RdNr. 46; Nies, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 7 BBodSchG RdNr. 22; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, a.a.O., § 7 RdNr. 9; Versteyl, in: Versteyl/Sondermann, a.a.O., § 7 RdNr. 13). Diese Rechtsanwendungssperre erfasst nicht nur Anordnungen nach § 10 BBodSchG (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 BBodSchG). Sie steht der Durchsetzung der auf § 7 BBodSchG beruhenden Vorsorgeanforderungen – über die in der BBodSchV konkretisierten Anforderungen hinaus – vielmehr auch im Rahmen anderer gesetzlicher Ermächtigungen entgegen. Der Gesetzgeber hat mit § 7 Satz 4 BBodSchG zum Ausdruck gebracht, dass zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Anwendung des § 7 BBodSchG der Erlass einer Rechtsverordnung zur Konkretisierung der Anforderungen der Vorsorgepflicht erforderlich ist. Dies sperrt einen Rückgriff auf die materiellen Anforderungen des § 7 BBodSchG, solange diese noch nicht durch eine Rechtsverordnung konkretisiert worden sind, auch in anderen Regelungsbereichen. Auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zu einer Betriebsplanzulassung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG zur Sicherstellung bodenschutzrechtlicher Vorsorgeanforderungen, die über den Umfang der in §§ 9 ff. BBodSchV festgelegten Anforderungen hinausgehen, ist daher nicht zulässig.

87

b) Die Einhaltung der in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden aufgeführten Zuordnungswerte Z 0 hinsichtlich solcher Parameter, für die in Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV keine Vorsorgewerte enthalten sind, durch die zur Verfüllung zugelassenen Abfälle gemäß Bestimmung Nr. 2.2 ist zur Sicherstellung der Schadlosigkeit der Abfallverwertung gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG geboten. Eine Verfüllung des Tagebaus mit Abfällen, die die in der Bestimmung Nr. 2.2 festgelegten Zuordnungswerte überschreiten, wird den Anforderungen an eine schadlose Abfallverwertung nicht gerecht.

88

Gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG hat die Verwertung von Abfällen, insbesondere durch ihre Einbindung in Erzeugnisse, ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. Die Verwertung erfolgt ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften dieses Gesetzes und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Sie erfolgt schadlos, wenn nach der Beschaffenheit der Abfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind, insbesondere keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf erfolgt. Die Vorschrift ist hier anwendbar. Der angefochtene Bescheid vom 25.11.2011 wurde noch vor Inkrafttreten der entsprechenden Regelung des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24.02.2012 (BGBl. I S. 212) erlassen. § 7 KrWG trat erst am 01.06.2012 in Kraft. Zudem ist die Verfüllung eines der Bergaufsicht unterliegenden Tagebaus mit hierzu geeigneten Abfällen – wie hier – ein Vorgang der Abfallverwertung (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 15 ff.).

89

Die Schadlosigkeit der Abfallverwertung i.S.d. § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG (§ 7 Abs. 3 KrWG) ist ein originär abfallrechtlicher Maßstab (vgl. NdsOVG, Urt. v. 24.06.2011 – 7 LC 10/10 –, juris RdNr. 55; Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, § 7 KrWG RdNr. 52; Spoerr, in: Jarass/Petersen/Weidemann, KrW-/AbfG, § 5 RdNr. 88). Zweck des Schadlosigkeitsprinzips ist die Bekämpfung abfallspezifischer Gefährdungen (vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 7 KrWG RdNr. 58; Spoerr, in: Jarass/Petersen/Weidemann, a.a.O., § 5 RdNr. 102). Es sind alle Schadensrisiken durch das Verwertungsverfahren sowie durch das Produkt hinsichtlich einer Verunreinigung bzw. Schadstoffbelastung abzuwägen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 24.06.2011 – 7 LC 10/10 –, a.a.O.; Beckmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 7 KrWG RdNr. 58; Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 7 RdNr. 19). Das Verwertungsverfahren und das Verwertungsprodukt müssen geeignet sein, die nach Beschaffenheit und Verunreinigung der Abfälle bestehenden Risiken auf ein gemeinwohlverträgliches Maß zu beschränken (vgl. Reese, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 7 RdNr. 53). Die Abfallverwertung ist dabei auch dem Vorsorgegrundsatz verpflichtet (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 04.10.2007 – 1 K 1618/07 –, juris RdNr. 43; NdsOVG, Beschl. v. 27.02.2015 – 1 ME 173/14 –, BeckRS 2015, 42189). Das Schadlosigkeitsgebot des § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG erfüllt eine Reservefunktion. Es greift nur dort ein, wo das anlagen-, stoff- oder produktbezogene Umweltrecht keine effektive Risikokontrolle gewährleistet (Beckmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 7 KrWG RdNr. 52; Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, a.a.O., § 7 RdNr. 19; Reese, in: Jarass/Petersen, a.a.O., § 7 RdNr. 56). Eine konkrete Schutzlücke in den einschlägigen verordnungsrechtlichen Schadlosigkeitsstandards, die eine Anwendung des abfallrechtlichen Schadlosigkeitserfordernisses erforderlich macht, besteht insbesondere bei der Verwertung von Abfällen als Verfüllmaterial im Tage- und Landschaftsbau (vgl. Reese, in: Jarass/Petersen, a.a.O., § 7 RdNr. 63). In diesem Bereich wird der unbestimmte Rechtsbegriff der Schadlosigkeit der Abfallverwertung i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG durch die "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen – Technische Regeln –, Allgemeiner Teil, Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA M 20)" vom 06.11.2003 (http://www.laga-online.de/servlet/is/23874/M20_TR_Mineral-Abfaelle_AllgTeil-I.pdf?command=downloadContent&filename=M20_TR_Mineral-Abfaelle_AllgTeil-I.pdf) sowie die "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen, Teil II: Technische Regeln für die Verwertung, 1.2 Bodenmaterial (TR Boden)" vom 05.11.2004 (http://mule.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MLU/MLU/a-Themen/Abfall/Abfallarten/Mineralische_Abfaelle/C__M20_LAGA_M_2_1_.pdf) konkretisiert.

90

In den LAGA M 20 werden die Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallverwertung beschrieben, solange für die Verwertung von mineralischen Abfällen noch keine Verordnung nach § 7 KrW-/AbfG (§ 10 KrWG) vorliegt, mit der die Anforderungen an die Abfallverwertung konkretisiert wird (vgl. LAGA M 20, Nr. 3.2, S. 39). Bei Einhaltung der in diesem Regelwerk beschriebenen Anforderungen wird die Forderung, dass durch die Verwertung von mineralischen Abfällen Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sein dürfen (Schadlosigkeit der Verwertung), erfüllt (vgl. LAGA M 20, Nr. 3.8, S. 45). Die in der LAGA M 20 sowie der TR Boden enthaltenen Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen sind eine sachgerechte Konkretisierung der Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallverwertung. Zwar sind die in diesen Regelwerken enthaltenen Anforderungen als Empfehlungen eines sachkundigen Gremiums keine normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und können damit weder für die Behörde noch für das Gericht verbindliche Geltung beanspruchen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 23). Vorrang haben insoweit zunächst die bodenschutzrechtlichen Vorschriften des BBodSchG sowie der BBodSchV. Soweit jedoch die BBodSchV keine eigenen Werte vorgibt, können untergesetzliche Regelwerke als Erkenntnisquellen und Entscheidungshilfen ergänzend herangezogen werden. Die LAGA M 20 und die TR Boden, die von einem sachkundigen Gremium nach neuesten Erkenntnissen erstellt wurden, haben damit Bedeutung, soweit sie Zuordnungswerte für Stoffe enthalten, für die der Anhang 2 zur BBodSchV keine Werte vorgibt. Fachlich erfolgt mit der LAGA M 20 eine konzeptionelle Verzahnung der Anforderungen des Grundwasserschutzes mit den Anforderungen des Bodenschutzes und der Abfallwirtschaft, wobei Ausgangspunkt für die Vereinheitlichung der Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Abfällen die Geringfügigkeitsschwellen des Grundwasserschutzes sind (vgl. LAGA M 20, Nr. 4, S. 45 ff.). Die LAGA M 20 und die TR Boden sind daher zur Beurteilung der Schadlosigkeit der Verwertung heranzuziehen (vgl. Urt. d. Senats v. 25.08.2011 – 2 L 34/10 –, juris RdNr. 68; VG Hannover, Urt. v. 18.11.2009 – 11 A 4612/07 –, juris RdNr. 86; Urt. v. 25.10.2000 – 4 A 3001/09 –, juris RdNr. 93; NdsOVG, Beschl. v. 27.02.2015 – 1 ME 173/14 –, BeckRS 2015, 42189; VG Bayreuth, Urt. v. 08.10.2015 – B 2 K 15.166 –, juris RdNr. 25; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 196; § 56 Anhang RdNr. 96). Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung angenommen hat, es sei "zweifelhaft", ob die Einhaltung der Anforderungen der LAGA M 20 im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG erforderlich sei, da diese keine rechtsverbindliche Geltung habe, sondern lediglich eine Empfehlung ohne Rechtsverbindlichkeit sei (vgl. Beschl. v. 18.08.2008 – 2 M 103/08 –, juris RdNr. 8; zustimmend Dippel, AbfallR 2010, 132 <139 f.>), hält er hieran nicht mehr fest. Es trifft zwar zu, dass die Anforderungen der LAGA M 20 sowie der TR Boden keine rechtsverbindliche Geltung haben, sondern lediglich Empfehlungen eines sachkundigen Gremiums darstellen. Gleichwohl geht der Senat davon aus, dass diese Regelwerke die Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallbeseitigung grundsätzlich zutreffend konkretisieren.

91

Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Tongrubenurteil II betont hat, die LAGA M 20 seien als Empfehlungen eines sachkundigen Gremiums keine normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und könnten damit weder für die Behörde noch für das Gericht verbindliche Geltung beanspruchen (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, a.a.O. RdNr. 23). Hiermit hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Regelungen des BBodSchG und der BBodSchV vorrangig zu beachten sind. Die LAGA M 20 sind nicht bindend, soweit deren Anforderungen hinter denen des Bodenschutzrechts zurückbleiben. Dies ist aber kein Hindernis dafür, die Anforderungen der LAGA M 20 sowie der TR Boden ergänzend zur Beurteilung der Schadlosigkeit der Verwertung von mineralischen Abfällen heranzuziehen, soweit die BBodSchV keine Regelungen trifft.

92

Zwar entfalten die Zuordnungswerte der LAGA M 20 und der TR Boden – wie die Vorsorgewerte des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV – grundsätzlich nur eine Indizwirkung, soweit sie eingehalten werden, während bei ihrer Überschreitung eine Einzelfallprüfung erforderlich ist (vgl. NdsOVG, Urt. v. 24.06.2011 – 7 LC 10/10 –, a.a.O. RdNr. 56 zur TR Bergbau). Die Zuordnungswerte der LAGA M 20 sind Orientierungswerte. Abweichungen von den Zuordnungswerten können zugelassen werden, wenn im Einzelfall der Nachweis erbracht ist, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (vgl. LAGA M 20, Nr. 4.3.1, Seite 16). Der Einzelfallprüfung im Rahmen der LAGA M 20 und der TR Boden sind jedoch Grenzen gesetzt. Eine Konkretisierung der zulässigen Abweichungen bei der Beurteilung der Schadlosigkeit der Verfüllung von Abgrabungen enthält Nr. 4.3.2 der LAGA M 20 (S. 16 ff.):

93

"4.3.2 Uneingeschränkter Einbau - Verwertung von Bodenmaterial in bodenähnlichen Anwendungen (Einbauklasse 0)

94

Bei der Verwertung von Bodenmaterial in bodenähnlichen Anwendungen (Verfüllung von Abgrabungen und Abfallverwertung im Landschaftsbau außerhalb von Bauwerken) steht die Herstellung natürlicher Bodenfunktionen im Vordergrund. Daher darf hierfür unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht ausschließlich humusarmes Bodenmaterial verwendet werden. Im Hinblick auf die Schadstoffgehalte gilt Folgendes:

95

96

Bei der Festlegung der Anforderungen an mineralische Abfälle, die bei der Verfüllung von Abgrabungen verwertet werden, sind die folgenden Randbedingungen zu beachten:

97

- Für die Verfüllung von Abgrabungen unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht eignet sich in der Regel nur Bodenmaterial. Geeigneter Bauschutt, der die nachfolgend beschriebenen Anforderungen des Boden- und Grundwasserschutzes erfüllt, darf nur für technische Zwecke verwendet werden.

98

- Natürliches Bodenmaterial, das die bodenartspezifischen Vorsorgewerte bzw. für weitere Schadstoffparameter die Zuordnungswerte Z 0 der Nr. II.1.2 „Technische Regeln für die Verwertung von Bodenmaterial“ einhält (Einbauklasse 0), erfüllt die Anforderungen des vorsorgenden Boden- und Grundwasserschutzes (Regelfall).

99

- Bodenmaterial mit höheren Feststoffgehalten darf bei Einhaltung folgender Randbedingungen eingebaut werden (Ausnahme von der Regel):

100

- Die Abgrabungen/Verfüllungen liegen außerhalb wasserwirtschaftlicher Schutzgebiete.

101

- Die Feststoffgehalte dürfen nicht die Zuordnungswerte Z 0* der Nr. II.1.2 „Technische Regeln für die Verwertung von Bodenmaterial“ überschreiten. Diese Werte werden grundsätzlich aus den zweifachen Vorsorgewerten des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV abgeleitet. Für die Schwermetalle werden hierfür die Vorsorgewerte für die Bodenart Lehm/Schluff zugrunde gelegt (Ausnahmen für den Parameter Cd: 1 mg/kg für die Bodenarten Sand und Lehm/Schluff sowie 1,5 mg/kg für die Bodenart Ton). Für die organischen Schadstoffe werden die Vorsorgewerte für = 8 % Humusgehalt herangezogen.

102

Die Schadstoffkonzentrationen im Eluat müssen die Zuordnungswerte Z 0* (Eluat) der Nr. II.1.2 „Technische Regel für die Verwertung von Bodenmaterial“ einhalten. Diese sind so abzuleiten, dass das Sickerwasser an der Unterkante des Bodenmaterials die Geringfügigkeitsschwellenwerte des Grundwasserschutzes einhält. Dieser Nachweis ist für PCB und B(a)P nicht erforderlich. Für PAK-Gehalte zwischen 3 und 6 mg/kg ist mit Hilfe eines Säulenversuches nachzuweisen, dass der Geringfügigkeitsschwellenwert eingehalten wird.

103

- Das Bodenmaterial ist mit einer mindestens 2 m dicken Schicht aus Bodenmaterial abzudecken, das die Vorsorgewerte der BBodSchV einhält und damit alle natürlichen Bodenfunktionen übernehmen kann. Nutzungs- und standortspezifisch kann eine größere Mächtigkeit festgelegt werden.

104

- Die Verwertung von Bodenmaterial, das die Zuordnungswerte Z 0* (Feststoff/ Eluat) überschreitet, ist auch bei günstigen hydrogeologischen Bedingungen nicht zulässig.

105

Einzelheiten werden in der Nr. II.1.2 „Technische Regel für die Verwertung von Bodenmaterial“ geregelt.

106

In Gebieten mit naturbedingt oder großflächig siedlungsbedingt erhöhten Gehalten können bei bodenähnlichen Anwendungen (Verfüllung von Abgrabungen und Abfallverwertung im Landschaftsbau außerhalb von Bauwerken) unter Berücksichtigung der Sonderregelung des § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BBodSchV für einzelne Parameter spezifische Zuordnungswerte (als Ausnahmen von den Vorsorgewerten nach Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV) festgelegt werden, soweit die dort genannten weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind."

107

Eine weitere Konkretisierung der zulässigen Abweichungen bei der Beurteilung der Schadlosigkeit der Verfüllung von Abgrabungen enthält Nr. 1.2.3.2 TR Boden (S. 7 ff.):

108

1.2.3.2 Uneingeschränkter Einbau - Verwertung von Bodenmaterial in bodenähnlichen Anwendungen (Einbauklasse 0)

109

Ein uneingeschränkter Einbau von Bodenmaterial in bodenähnlichen Anwendungen ist nur dann möglich, wenn die Anforderungen des vorsorgenden Boden- und Grundwasserschutzes erfüllt werden. Dies ist gewährleistet, wenn aufgrund der Vorermittlungen eine Schadstoffbelastung ausgeschlossen werden konnte oder sich aus analytischen Untersuchungen die Einstufung in die Einbauklasse 0 ergibt.

110

Für die Bewertung von Bodenmaterial, das einer der Bodenarten Ton, Lehm/Schluff oder Sand zugeordnet werden kann, gelten die bodenartspezifischen Zuordnungswerte Z 0 der Tabelle II.1.2-2 (Feststoffgehalte). Werden diese Zuordnungswerte eingehalten, ist eine Eluatuntersuchung nicht erforderlich.

111

Für Bodenmaterial, das nicht bodenartspezifisch zugeordnet werden kann bzw. das als Gemisch verschiedener Bodenarten bei Baumaßnahmen (z. B. bei kleinräumig wechselnden Bodenarten) oder bei der Bodenbehandlung anfällt, gelten die Zuordnungswerte Z 0 der Tabelle II.1.2-2 (Feststoffgehalte) für die Bodenart Lehm/Schluff sowie die Zuordnungswerte Z 0 der Tabelle II.1.2-3 (Eluatkonzentrationen).

112

Für Bodenmaterial mit mineralischen Fremdbestandteilen und Bodenmaterial aus der Bodenbehandlung, das einer der Bodenarten Ton, Lehm/Schluff oder Sand zugeordnet werden kann, gelten die bodenartspezifischen Zuordnungswerte der Tabelle II.1.2-2 (Feststoffgehalte) sowie die Zuordnungswerte Z 0 der Tabelle II.1.2-3 (Eluatkonzentrationen).

113

Für die Verfüllung von Abgrabungen unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht darf darüber hinaus auch Bodenmaterial verwertet werden, das die Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff überschreitet, jedoch die Zuordnungswerte Z 0* im Feststoff einhält, wenn folgende Bedingungen („Ausnahmen von der Regel“) eingehalten werden:

114

- die Zuordnungswerte Z 0 im Eluat der Tabelle II.1.2-3 werden eingehalten;

115

- oberhalb des verfüllten Bodenmaterials wird eine Schicht aus Bodenmaterial, das die Vorsorgewerte der BBodSchV einhält und somit alle natürlichen Bodenfunktionen übernehmen kann, aufgebracht. Diese Bodenschicht oberhalb der Verfüllung muss eine Mindestmächtigkeit von 2 m aufweisen. Nutzungs- und standortspezifisch kann eine größere Mächtigkeit festgelegt werden;

116

- die Verfüllungen liegen außerhalb folgender (Schutz-)Gebiete:

117

- festgesetzte, vorläufig sichergestellte oder fachbehördlich geplante Trinkwasserschutzgebiete, Zone I bis III A6,

118

- festgesetzte, vorläufig sichergestellte oder fachbehördlich geplante Heilquellenschutzgebiete, Zone I bis III,

119

- Wasservorranggebiete, die im Interesse der künftigen Wasserversorgung raumordnerisch ausgewiesen worden sind,

120

- Karstgebiete und Gebiete mit stark klüftigem, besonders wasserwegsamem Untergrund.

121

Eine Verwertung von Bodenmaterial, das die Zuordnungswerte Z 0* im Feststoff oder Z 0* im Eluat überschreitet, ist aus Gründen des vorsorgenden Boden- und Grundwasserschutzes auch bei günstigen hydrogeologischen Bedingungen nicht zulässig."

122

Die Bestimmung Nr. 2.2 entspricht jedenfalls im Ansatz den Anforderungen der LAGA M 20 und der TR Boden. Sie betrifft den uneingeschränkten Einbau im Sinne der Nr. 4.3.2 LAGA M 20 bzw. Nr. 1.2.3.2 TR Boden, also die Verwertung von Bodenmaterial in bodenähnlichen Anwendungen. Hierzu gehört nach der Begriffsbestimmung in Nr. 3 der LAGA M 20 (S. 8) auch die Verfüllung von Abgrabungen und Senken mit geeignetem Bodenmaterial. Hierfür dürfen nur solche Materialien verwendet werden, die die Anforderungen der Einbauklasse 0 erfüllen (vgl. TR Boden, Nr. 1.2.4, Stichwort "Verfüllung von Abgrabungen", S. 18). Das Verfüllmaterial muss im Regelfall die Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff (Tabelle II.1.2-2) und Eluat (Tabelle II.1.2-3) einhalten. Die Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff (Tabelle II.1.2-2) wurden in der Bestimmung Nr. 2.2 für die zur Verfüllung zugelassenen Abfälle auch festgesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass ein Ausnahmefall vorliegt, nach dem gemäß Nr. 4.3.2 LAGA M 20 bzw. Nr. 1.2.3.2 TR Boden für die Verfüllung von Abgrabungen auch Materialien verwendet werden dürfen, die höhere Zuordnungswerte im Feststoff enthalten, sind weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

123

Die "abweichende" Festsetzung einer maximal mögliche Schadstoffkonzentration von 350 mg/l im Eluat für den Parameter Sulfat und eines maximal möglichen Wertes von 960 µS/cm für den Parameter Leitfähigkeit in der Bestimmung Nr. 2.3 sind die einzigen Regelungen in dem angefochtenen Bescheid, die diese Parameter betreffen. Da in Bestimmung Nr. 2.2 die Einhaltung der Zuordnungswerte der Tabelle II.1.2-3 der TR Boden im Eluat nicht gefordert wird, enthält der Bescheid für Parameter, die nur in Tabelle II.1.2-3, nicht aber in Tabelle II.1.2-2 der TR Boden enthalten sind, wie etwa Sulfat und Leitfähigkeit, keine Grenzwerte. Dies dürfte den Anforderungen der LAGA M 20 und der TR Boden nicht entsprechen. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ist hiermit jedoch nicht verbunden.

124

Soweit die in Bestimmung Nr. 2.3 festgesetzten Werte für die Parameter Sulfat und Leitfähigkeit die Zuordnungswerte Z 0/Z 0* im Eluat gemäß II.1.2-3 der TR Boden überschreiten, wurde die auch im Rahmen der LAGA M 20 bzw. der TR Boden anwendbare Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 BBodSchV hinreichend beachtet. Nach den Angaben in dem angefochtenen Bescheid resultieren diese Werte aus der Auswertung der von der Klägerin vorgenommenen Grundwasseruntersuchungen. Diese hätten ergeben, dass sich schon im Anstrom des Grundwassers derartige Konzentrationen nachweisen ließen. Der Boden und das Grundwasser seien also bereits geogen vorbelastet. Diese Erkenntnis korrespondiere mit Erkenntnissen zweier Studien, die im Auftrag des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt sowie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erstellt worden seien. Darin würden Hintergrundwerte für das Grundwasser in Sachsen-Anhalt untersucht. Für (...) lägen diese Werte bei maximal 350 mg/l (Sulfat) sowie 625 µS/cm (Leitfähigkeit). Für Sulfat deckten sich die Werte in etwa mit den durch die Klägerin ermittelten Messwerten des Grundwassermonitorings. Hinsichtlich der Leitfähigkeit seien in den durch die Klägerin ermittelten Messergebnissen der Jahre 2004 bis 2010 wesentlich höhere Werte im An- und Abstrom festgestellt worden. Hier liege der Messwert bei durchschnittlich 960 µS/cm im Anstrompegel. Vor diesem Hintergrund werden die Regelungen für Sulfat und Leitfähigkeit den Anforderungen des § 9 Abs. 2 BBodSchV gerecht. Dem steht nicht entgegen, dass nach der Wasserbeschaffenheitsanalyse des Ingenieurbüros für Geologie und Bergbau Dipl.-Ing. (R.) vom 19.10.2013 die gemessenen Werte für Sulfat und Leitfähigkeit im Anstrom und im Abstrom zum Teil höher sind als festgesetzt. Die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass eine Belastung der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle mit der maximal im Anstrom gemessenen Schadstoffkonzentration zugelassen wird. Angesichts der stark voneinander abweichenden Messwerte für die jeweiligen Parameter ist es vielmehr sachgerecht, bei der Festsetzung abweichender Werte gemäß § 9 Abs. 2 BBodSchV – wie hier – auf Durchschnittswerte abzustellen.

125

Einer weitergehenden Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten besonderen geogenen Bedingungen des Kieselgurtagebaus, insbesondere der Filtereigenschaften des Kieselgurs, bedurfte es nicht. Auch unter Berücksichtigung der konkreten Standortbedingungen wird eine Verfüllung des Tagebaus mit Materialien, deren Schadstoffgehalte die Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff (Tabelle II.1.2-2) überschreiten, den Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallverwertung gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG nicht gerecht. Insoweit wird auf die bereits oben wiedergegebenen Erläuterungen des Beklagten verwiesen. Hiernach rechtfertigt die Überschreitung der Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff (Tabelle II.1.2-2) des Verfüllmaterials die Annahme, dass die Abfallverwertung nicht schadlos i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG erfolgt. Der Ausschluss von Abfällen von der Verfüllung, deren Schadstoffgehalte die Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff nach der TR Boden überschreiten, ist daher erforderlich. Es steht zwar nicht fest, dass es durch die Verfüllung derartiger Abfälle zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG kommt. Es ist jedoch – nach fachlich begründeter Einschätzung – möglich bzw. nicht ausgeschlossen, dass hierdurch auf lange Sicht Schadstoffanreicherungen im Wertstoffkreislauf erfolgen. Daher sind gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.

126

Der Verordnungsvorbehalt des § 7 Satz 4 BBodSchG steht dem nicht entgegen. Dessen Anwendungsbereich ist beschränkt auf die Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen bei Verrichtungen auf einem Grundstück, die zu Veränderungen der Bodenbeschaffenheit führen (vgl. § 7 Satz 1 BBodSchG). Die Vorschrift enthält demgegenüber keine Rechtsanwendungssperre für die Anforderungen an die Schadlosigkeit der Abfallverwertung bei der Verfüllung von Abgrabungen gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG.

127

Es bedarf keiner Vertiefung, ob die Bestimmung Nr. 2.2 auch auf den wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz des § 48 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31.07.2009 (BGBl. I S. 2585) gestützt werden kann. Nach dieser Vorschrift dürfen Stoffe nur so gelagert oder abgelagert werden, dass eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. Diese Vorschrift enthält im Hinblick auf Materialien, die bei bodenähnliche Anwendungen, insbesondere bei der Verfüllung von Abgrabungen, verwendet werden, keine Anforderungen, die über die des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG i.V.m. der LAGA M 20 und der TR Boden hinausgehen.

128

3. Die angefochtenen Bestimmungen sind, soweit sie zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG erforderlich sind, auch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG wirtschaftlich vertretbar. Nach dem speziellen Maßstab des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG sind nachträgliche Auflagen nur dann zulässig, wenn sie für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar sind. Die Privilegierung des Unternehmers durch erhöhte Anforderungen an die Feststellung der Verhältnismäßigkeit einer Anordnung trägt dem Gedanken des Vertrauensschutzes Rechnung. Die neuen Anforderungen müssen sich auch an den wirtschaftlichen Dispositionen messen lassen, die der Unternehmer auf der Grundlage eines zugelassenen Betriebsplans getroffen hat; so soll er in der Gewinnungsphase nicht zu einem bei Beachtung der neuen Anordnung dauerhaft unrentablen Betrieb verpflichtet sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.12.2014 – BVerwG 7 C 22.12 –, juris RdNr. 42). Im vorliegenden Fall tragen die angefochtenen Bestimmungen diesen Anforderungen hinreichend Rechnung.

129

a) Die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 sind für die Klägerin wirtschaftlich vertretbar. Das Merkmal der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zieht grundsätzlich dort eine Grenze, wo nachträgliche Auflagen die Existenz des Unternehmens oder die betriebswirtschaftlich sinnvolle Fortsetzung der mit dem Betriebsplan zugelassenen bergbaulichen Tätigkeit gefährden (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 17). Eine nachträgliche Auflage ist in der Regel wirtschaftlich nicht mehr vertretbar, wenn sie bewirkt, dass ein angemessener Gewinn nachhaltig nicht mehr erzielt werden kann bzw. wenn ein solcher nachträglich abgeschöpft wird (vgl. Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 248 – 249 unter Hinweis auf OVG NW, Urt. v. 19.12.1972 – VII A 623/71 –, NJW 1973, 1626). Danach ist die wirtschaftliche Vertretbarkeit i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG bei der nachträglichen Beschränkung der zur Verfüllung eines Tagebaus zugelassenen bergbaufremden Abfälle unter zwei Blickwinkeln zu prüfen. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit einer solchen Beschränkung setzt grundsätzlich voraus, dass das Unternehmen durch die nachträgliche Auflage nicht unrentabel wird. Die nachträgliche Auflage darf grundsätzlich nicht zur Folge haben, dass die jährlichen Kosten des Unternehmens in Zukunft regelmäßig dessen jährliche Erträge übersteigen. Gegenstand dieser Prüfung ist das Unternehmen, das Adressat der Betriebsplanzulassung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BBergG ist. Eine Trennung zwischen Gewinnungs- und Verfüllungstätigkeit ist nicht vorzunehmen. Um die zukünftigen wirtschaftlichen Auswirkungen der nachträglichen Auflage sicher beurteilen zu können, müssen dabei grundsätzlich die bisherigen Kosten und Erträge des Unternehmens sowie der bisherige Anteil der Erträge, der auf die Annahme solcher Abfälle entfällt, die in Zukunft nicht mehr angenommen werden dürfen, festgestellt werden. Soweit das Unternehmen infolge der nachträglichen Auflagen, gemessen an den voraussichtlichen zukünftigen Kosten und Erträgen, unrentabel wird, kann die wirtschaftliche Vertretbarkeit gleichwohl gegeben sein, wenn der Betrieb durch die nachträgliche Auflage, bezogen auf die gesamte Phase der Gewinnung und Verfüllung, nicht insgesamt unrentabel wird. Maßstab ist insoweit nicht eine Gegenüberstellung der zukünftigen jährlichen Kosten und Erträge, sondern eine auf die gesamte Lebenszeit des Unternehmens bezogene Betrachtung. Diese ergänzende Prüfung ist dadurch gerechtfertigt, dass die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche, die auch durch eine Verfüllung der durch den Bergbau geschaffenen Hohlform erfolgen kann, gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG zu den Pflichten des Unternehmens gehört. Dies hat zur Folge, dass die hierdurch entstehenden Kosten von vornherein einzukalkulieren sind. Erhöhen sich nachträglich die Kosten der Wiedernutzbarmachung oder vermindern sich die durch eine Verfüllung zu erzielenden Erträge, ist dies nur dann wirtschaftlich nicht vertretbar i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG, wenn hierdurch die insgesamt mit dem Unternehmen erzielten Gewinne aufgezehrt werden. Die Erforderlichkeit einer solchen "ergänzenden Gesamtbetrachtung" ergibt sich auch aus der Überlegung, dass andernfalls jede nachträgliche Auflage in der "Nachsorgephase", in der die Gewinnung typischerweise im Wesentlichen abgeschlossen ist und regelmäßig keine Gewinne mehr erzielt werden, wirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Die Erforderlichkeit einer "ergänzenden Gesamtbetrachtung" bei einer nachträglichen Einschränkung der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle folgt schließlich daraus, dass § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG grundsätzlich nur vor der Verpflichtung zur Tragung weiterer, bislang nicht eingeplanter Mehrkosten schützt, die die Rentabilität des Unternehmens gefährden. Eine nachträgliche Beschränkung der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle verursacht jedoch unmittelbar keine Kosten, da dem Unternehmer kein positives Tun vorgeschrieben wird, sondern nur ein Unterlassen. Dem Unternehmer wird die weitere Annahme von Abfällen untersagt, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen. Dies kann unmittelbar nur zu einer Verminderung der zukünftigen Erträge durch die Verfüllung führen. Der Schutz der in der Nachsorgephase durch Verfüllung erzielbaren Einnahmen ist indessen nicht Zweck des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG. Die Vorschrift soll in erster Linie den Unternehmer in der Gewinnungsphase vor einer Verpflichtung zu einem dauerhaft unrentablen Betrieb schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.12.2014 – BVerwG 7 C 22.12 –, a.a.O.), nicht jedoch vor nachträglichen Anforderungen in der Nachsorgephase.

130

Gemessen daran bestehen im vorliegenden Fall keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Bestimmungen für die Klägerin wirtschaftlich nicht vertretbar sind. Zwar hat sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, aufgrund der Neuregelung der Verfüllung in dem angefochtenen Bescheid drohe ihr ein Verlust von Erlösen in Höhe von jährlich 90.000,00 €. Dies führe zu einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz, da ihr Gewinn im Jahr 2011 nur 12.000,00 € und in den Jahren 2012 und 2013 nur 1.000,00 € betragen habe. Diese Angaben der Klägerin zum Rückgang ihrer Erlöse sind indessen nicht plausibel. Die Prognose beruht auf der Annahme, dass die Einnahmen aus der Verfüllung vollständig wegfallen, da die bisherigen Kunden ihre Abfälle in Zukunft dem benachbarten Kiessandtagebau (K.) der (...) Abbruch- und Recycling GmbH (…) anliefern werden, da dieser Abfälle mit einem Zuordnungswert bis Z 1 annehmen dürfe, so dass dort eine Trennung der Abfälle nach Maßgabe der Zuordnungswerte entbehrlich sei. Diese Annahme ist unrealistisch, da in Zukunft auch eine Anpassung der der (…) erteilten Baugenehmigung des Landkreises A... vom 15.01.1999 an die Vorgaben der LAGA M 20 und der TR Boden gemäß dem Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (MW) und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (MLU) vom 19.05.2009 zu erwarten ist. Der zuständige Landkreis Wittenberg hat in seinem Vermerk vom 11.01.2008 eine Änderung der Baugenehmigung bislang nur deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil er davon ausging, dass dort ausschließlich Bodenmaterial verfüllt worden sei, das hinsichtlich der Schadstoffgehalte sowohl die Zuordnungswerte Z0/Z0* (Eluat) der TR Boden als auch die Vorsorgewerte (Feststoff) der BBodSchV unterschreite. Aus dem Vortrag der Klägerin, insbesondere aus ihrem Hinweis auf die Preisliste der (...) für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.03.2013, auf der auch die Annahme von Boden mit 10 % Fremdanteil bis Z 1.2 angeboten wird, ergeben sich indessen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme. Vor diesem Hintergrund dürfte eine Anpassung der der (...) erteilten Baugenehmigung an die Vorgaben der LAGA M 20 und der TR Boden, auch zur Herstellung der Wettbewerbsneutralität, unumgänglich sein. Hiernach kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die angefochtenen Bestimmungen zu einem Rückgang der Erlöse bei der Klägerin führen, die eine dauerhafte Unrentabilität ihres Unternehmens bewirken. Jedenfalls sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Unternehmen der Klägerin infolge der angegriffenen Bestimmungen, bezogen auf die gesamte Phase der Gewinnung und Verfüllung, insgesamt unrentabel wird, dass also der gesamte Gewinn ihres Unternehmens nachträglich "abgeschöpft" wird.

131

Die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 sind für die Klägerin auch deshalb wirtschaftlich vertretbar, weil mit Blick auf dieses Tatbestandsmerkmal des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG bei einer nachträglichen Einschränkung der zur Verfüllung eines Tagebaus zugelassenen bergbaufremden Abfällen eine Abwägung der vom Unternehmer hinzunehmenden Verminderung seiner Erträge mit der Wertigkeit der betroffenen Schutzgüter, der Wahrscheinlichkeit der Realisierung des Risikos und dem Sicherheitsgewinn vorzunehmen ist. Hiernach kann auch bei ruinösen Folgen für den Betrieb die Belastung im Einzelfall als nicht unverhältnismäßig angesehen werden (vgl. Beckmann, DÖV 2010, 512 <517>; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 251; a.A. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 17; Kühne, DVBl. 2010, 874 <876>). Gemessen daran sind die mit den Bestimmungen Nr. 2. bis 2.6 verbundenen Beschränkungen der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle von der Klägerin auch dann hinzunehmen, wenn diese zur Unrentabilität ihres Unternehmens führen sollten. Die genannten Bestimmungen sind – wie oben dargelegt – zur Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen i.S.d. § 7 BBodSchG und zur Sicherstellung der Schadlosigkeit der Abfallverwertung i.S.d. § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG geboten. Sie dienen damit wichtigen öffentlichen Belangen und sind Bestandteil der auf der Grundlage des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (MW) und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (MLU) vom 19.05.2009 durchgeführten flächendeckenden Umsetzung des Konzepts zur Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes bei der Abfallverwertung in Tagebauen und Abgrabungen vom 29.05.2008. Grundgedanke der Umsetzung dieser Konzeption ist, dass die zur Verfüllung zugelassenen Abfälle in sämtlichen Tagebauen und Abgrabungen an die Anforderungen der LAGA M 20 und der TR Boden angepasst werden sollen. Eine erfolgreiche Umsetzung dieses Konzepts erscheint nur dann möglich, wenn hiervon keine Ausnahmen zugelassen werden. Angesichts des hohen Rangs der Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen und der Sicherstellung der Schadlosigkeit der Abfallverwertung sowie der erheblichen Risiken für das Gemeinwohl und der enormen Kosten (der öffentlichen Hand), die mit einer nicht in jeder Hinsicht unbedenklichen Verfüllung von Abfällen in Tongruben und Abgrabungen verbunden sein können, müssen wirtschaftliche Unzuträglichkeiten, die im Einzelfall mit einer Beschränkung der zur Verfüllung zugelassenen bergbaufremden Abfälle für einen Bergbauunternehmer verbunden sein können, zurückstehen.

132

b) Einer ergänzenden Prüfung, ob die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 auch für Einrichtungen der von der Klägerin betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar sind, bedurfte es nicht. Zwar muss gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG die nachträgliche Auflage kumulativ sowohl für den Unternehmer im konkreten Fall als auch für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar sein (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 31.01.2001 – 1 B 478/99 –, juris RdNr. 9; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 247; von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 19). Der Zweck dieser Begrenzung auf das, was für eine vergleichbare Einrichtung vertretbar ist, besteht darin, dass von einem wirtschaftlich überdurchschnittlich gut gestellten Betrieb nicht mehr verlangt wird als von einem wirtschaftlich gesunden Durchschnittsbetrieb gefordert werden könnte (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 19). Hiernach ist eine ergänzende Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für Einrichtungen vergleichbarer Art, also für ein Durchschnittsunternehmen, nur dann veranlasst, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das konkret mit einer nachträglichen Auflage belegte Unternehmen überdurchschnittlich gut gestellt ist. Gemessen daran besteht hier keine Veranlassung zu einer ergänzenden Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der angegriffenen Bestimmungen für einen Durchschnittsbetrieb. Es ist nicht ersichtlich, dass das Unternehmen der Klägerin eine über dem Durchschnitt liegende Ertragskraft hat.

133

4. Zweifel daran, dass die Umsetzung der angegriffenen Bestimmungen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBergG nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar sind, bestehen nicht.

134

5. Die angegriffenen Bestimmungen überschreiten, soweit sie zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG erforderlich sind, auch nicht den Rahmen der nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG möglichen Rechtsfolgen.

135

a) Bei den Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 handelt es sich um nachträgliche Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG.

136

Der Begriff der Auflage i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG ist nicht identisch mit dem Auflagenbegriff des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Der Auflagenbegriff des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG geht vielmehr über den Inhalt der Begriffsbestimmung des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG hinaus. Insbesondere lässt § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG die nachträgliche Korrektur eines zugelassenen Betriebsplans zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.03.1989 – BVerwG 4 C 36.85 –, juris RdNr. 29; OVG NW, Beschl. v. 31.10.2013 – 11 A 1005/11 –, juris RdNr. 8).

137

§ 36 VwVfG betrifft nur die einem begünstigenden Hauptverwaltungsakt bei dessen Erlass beigefügten belastenden (Neben-)Bestimmungen. Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG sind demgegenüber nachträgliche eigenständige Regelungen durch Verwaltungsakt. Die im Rahmen des § 36 VwVfG vorzunehmende Abgrenzung von Inhalts- und Nebenbestimmung (vgl. hierzu ThürOVG, Beschl. v. 10.02.2015 – 1 EO 356/14 –, juris RdNr. 41) ist für nachträgliche Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht relevant. Die Frage, ob die einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügten belastenden Regelungen selbständig anfechtbar sind, die eine Unterscheidung von Inhalts- und Nebenbestimmung erforderlich macht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 – BVerwG 7 C 8.82 –, juris RdNr. 10; OVG NW, Urt. v. 10.12.1999 – 21 A 3481/96 –, juris RdNr. 13 ff.), stellt sich bei nachträglichen Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht, da diese generell selbständig anfechtbar sind.

138

Eine Begrenzung nachträglicher Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG auf Nebenbestimmungen i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird, ist auch nicht wegen der Bestandskraft der Betriebsplanzulassung geboten. Die Betriebsplanzulassung bietet nur einen eingeschränkten Bestandsschutz, da nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG mit nachträglichen Auflagen gerechnet werden muss. Derartige nachträgliche Auflagen greifen notwendig in den Bestand der Zulassung ein und stellen eine Teilaufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts, verbunden mit einem teilweisen Neuerlass dieses Verwaltungsakts, dar (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 RdNr. 38). Eine Umgehung der Anforderungen der §§ 48, 49 VwVfG bedeutet dies nicht. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG ermächtigt die Behörde, nachträgliche Auflagen bei bestandskräftigen Betriebsplanzulassungen zu treffen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nicht (mehr) eingehalten werden. Die weiteren Voraussetzungen, unter denen nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht die Rücknahme oder der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts zulässig ist, brauchen nicht vorzuliegen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 31.01.2001 – 1 B 478/99 –, a.a.O. RdNr. 6; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 239; ferner BVerwG, Beschl. v. 09.03.1988 – BVerwG 7 B 34.88 –, juris RdNr. 4 zum Verhältnis einer Anordnung nach § 24 BImSchG zu einer vorangegangenen Baugenehmigung).

139

Entscheidend für die weite Auslegung des Begriffs der Auflage i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG – unter Einschluss nachträglicher Änderungen des Inhalts des zugelassenen Betriebsplans – spricht der Zweck der Regelung. Nachträgliche Auflagen ermöglichen der Bergbehörde, auch nach Zulassung des Betriebsplans weiterhin gesetzmäßige Zustände zu gewährleisten (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 22). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hat in den Fällen, in denen die Zulassungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen, der Erlass einer nachträglichen Auflage gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG als milderes Mittel Vorrang vor einer den Bestand der Betriebsplanzulassung insgesamt aufhebenden Rücknahme oder einem Widerruf nach §§ 48, 49 VwVfG (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 25). Hierzu bedarf es eines flexiblen Handlungsinstruments der Behörde. Eine Begrenzung auf die nachträgliche Beifügung von Nebenbestimmungen i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG wird diesem Zweck der Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht gerecht.

140

Durch eine weite Auslegung des Begriffs der Auflage i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG kommt es auch nicht zu unverhältnismäßigen Eingriffen in den zugelassenen Betrieb des Unternehmens. Die nachträgliche Auflage hat gerade aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Vorrang vor einer Rücknahme oder einem Widerruf der Betriebsplanzulassung nach §§ 48, 49 VwVfG. Darüber hinaus ist das Unternehmen durch das Erfordernis der wirtschaftlichen Vertretbarkeit i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBergG, welches erhöhte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nachträglicher Auflagen stellt, besonders geschützt.

141

Das hier vertretene weite Verständnis des Begriffs der Auflage i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG steht in Übereinstimmung mit dem Verständnis des Auflagenbegriffs in anderen Rechtsgebieten, in denen die zuständigen Behörden ermächtigt sind, Erlaubnissen, Genehmigungen, Zulassungen oder ähnlichen Regelungen nachträglich Auflagen hinzuzufügen. So werden etwa nachträgliche Änderungen des Inhalts einer Gaststättenerlaubnis als Auflagen i.S.d. § 5 GastG angesehen. Eine nachträgliche Auflage i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG ist etwa die Neuregelung einer "Lärmschutzauflage", nach der bei dem Betrieb einer Gaststätte bestimmte Immissionsrichtwerte einzuhalten sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1992 – BVerwG 1 C 7.90 –, juris RdNr. 10). Auch nachträgliche Betriebszeitbeschränkungen werden als Auflagen i.S.d. § 5 GastG angesehen (vgl. BayVGH, Urt. v. 20.04.1995 – 22 B 93.1948 –, juris RdNr. 35). Im Atomrecht werden nachträgliche Modifizierungen der ursprünglichen Genehmigung ebenfalls als nachträgliche Auflagen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG eingestuft (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.07.2008 – BVerwG 7 C 38.07 –, juris RdNr. 12).

142

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6, auch soweit mit ihnen das zulässige Schadstoffinventar der für die Verfüllung zugelassenen Abfälle nachträglich neu bestimmt wird, um nachträgliche Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG. Ohne Belang ist, ob diese Regelungen unter den Auflagenbegriff des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG fallen oder ob es sich bei ihnen um nachträgliche Modifikationen des zugelassenen Betriebsplans handelt.

143

b) Der angefochtene Bescheid ist, soweit dessen Bestimmungen zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BBergG erforderlich sind, auch frei von Ermessensfehlern. Der Beklagte hat sein Ermessen insoweit entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (vgl. § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 40 VwVfG).

144

Die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG liegt im Ermessen der Bergbehörde (vgl. Beschl. d. Senats v. 18.08.2008 – 2 M 103/08 –, a.a.O. RdNr. 9; von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 23; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 257). Das Ermessen der Bergbehörde umfasst die Frage, ob sie tätig wird (Entschließungsermessen) und welche Auflage sie erlassen will (Auswahlermessen). Der Beklagte hat die hiernach gebotene Ermessensentscheidung getroffen. Etwas anderes lässt sich nicht daraus herleiten, dass er in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG sei das Ergebnis der Interessenabwägung bereits "intendiert". Hiermit hat er – zu Recht – lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Tatbestandsmerkmale "Erforderlichkeit zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen", "wirtschaftliche Vertretbarkeit" und "technische Erfüllbarkeit" bei der Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite nicht noch einmal abweichend beurteilt werden können.

145

Die Entscheidung des Beklagten, gegen die Klägerin einzuschreiten, ist ermessensfehlerfrei. Im Rahmen des Ermessens ist eine Selbstbindung durch Verwaltungsvorschriften zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall besteht eine Bindung der Ermessensausübung an den Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (MW) und des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (MLU) vom 19.05.2009, mit dem das „Konzept zur Berücksichtigung der Belange des Bodenschutzes bei der Abfallverwertung in Tagebauen und Abgrabungen“ vom 29.05.2008 zur Anwendung in der Landesverwaltung in den berg-, abfall- und bodenschutzrechtlichen Vollzug eingeführt wurde. Das genannte Konzept vom 29.05.2008 schreibt – sinngemäß – vor, dass bei der Verfüllung von Abfällen in Tagebauen und Abgrabungen zum Ausgleich des Massendefizits die Zuordnungswerte der TR Boden für die Verwendung in bodenähnlichen Anwendungen (Tabelle 1 und 2 der Anlage) im Verfüllmaterial einzuhalten sind. Auf dieser Grundlage ist der Beklagte gegen die Klägerin durch Erlass des angefochtenen Bescheides eingeschritten. Dieses Vorgehen lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das behördliche Ermessen durch Ländererlasse und Verwaltungsvorschriften gelenkt wird. Die hierdurch bewirkte verwaltungsinterne Ermessensbindung geht zwar nicht so weit, dass wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalles von der zuständigen Behörde nicht mehr Rechnung getragen werden könnte und müsste (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.01.2013 – BVerwG 1 C 7.12 –, juris RdNr. 12). Im Regelfall ist jedoch ein Vorgehen gemäß der einschlägigen Verwaltungsvorschrift nicht zu beanstanden. So liegt es hier. Die Klägerin betreibt eine Verfüllung von Abfällen in einem Tagebau zum Ausgleich des Massendefizits, für die der Gemeinsame Runderlass die Einhaltung die Zuordnungswerte der TR Boden bzw. der LAGA M 20 für die Verwendung in bodenähnlichen Anwendungen vorschreibt. Besonderheiten des vorliegenden Falles, die ein Abweichen von dem Gemeinsamen Runderlass erforderlich machen, sind nicht erkennbar, so dass nähere Ausführungen hierzu im Bescheid entbehrlich waren. Insbesondere führen die von der Klägerin geltend gemachten besonderen Standortbedingungen, die bereits im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit zu prüfen waren, nicht dazu, dass der Beklagte von einem Einschreiten absehen musste.

146

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der nachträglichen Auflagen auf das Unternehmen der Klägerin sind im Rahmen des Ermessens nicht erneut zu prüfen, da die insoweit relevanten Gesichtspunkte bereits bei dem Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Vertretbarkeit geprüft worden sind.

147

Es bedurfte auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes von einem Einschreiten gegen die Klägerin abzusehen war. Soweit die nachträgliche Beifügung von Auflagen, wie bei § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG, fachgesetzlich vorgesehen ist, wird das Ermessen der Behörde nicht durch Vertrauensschutz eingeschränkt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 31.01.2001 – 1 B 478/99 –, a.a.O. RdNr. 7; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 239; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 36 RdNr. 40).

148

Die Neuregelung des zulässigen Schadstoffinventars der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle durch die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 ist auch nicht unverhältnismäßig. Im Rahmen des Auswahlermessens nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. auch § 7 Satz 3 BBodSchG). Insbesondere ist bei gleicher Eignung das Mittel zu wählen, das den Unternehmer am wenigsten in seinen Rechten beeinträchtigt (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, a.a.O., § 56 RdNr. 23). Im vorliegenden Fall sind weniger belastende, aber gleich wirksame Maßnahmen, die der Beklagte hätte in Betracht ziehen müssen, nicht ersichtlich. Eine konkrete Maßnahme, die ebenso wirksam wie die Anordnung der Einhaltung der Zuordnungswerte Z 0 der LAGA M 20 / TR Boden sicherstellt, dass es nicht zu schädlichen Bodenveränderungen i.S.d. § 7 BBodSchG und zu einer Verletzung des Gebots der Schadlosigkeit der Abfallverwertung i.S.d. § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG kommt, benennt die Klägerin nicht.

149

Die wirtschaftlichen Folgen der nachträglichen Einschränkung der zur Verfüllung zugelassenen Abfälle führen auch nicht dazu, dass eine Ausgleichsregelung verfassungsrechtlich erforderlich wäre. Die angegriffenen Bestimmungen stellen keinen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum dar. Unterliegt das Eigentum bereits zum Zeitpunkt seiner Begründung einem öffentlich-rechtlichen Nutzungsregime, ist der verfassungsrechtliche Schutz der Eigentumsnutzung gegenüber späteren Eingriffen und Ausgestaltungen im Grundsatz auf das danach Erlaubte begrenzt (vgl. BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. –, juris RdNr. 229). Zudem ist eine erteilte Genehmigung selbst kein nach Art. 14 GG geschütztes Eigentumsrecht (vgl. BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. –, a.a.O. RdNr. 231). Vorliegend war gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG der Erlass einer Auflage, mit der ein bestandskräftig zugelassener Betriebsplan nachträglich korrigiert werden kann, von Anfang an zulässig. Der durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz der Nutzbarkeit der Anlagen der Klägerin war damit von vornherein durch die Möglichkeit des Erlasses nachträglicher Auflagen begrenzt. Der Erlass einer nachträglichen Auflage kann damit grundsätzlich nicht als Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG gewertet werden. Selbst wenn ein Eingriff in Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG anzunehmen sein sollte, handelt es sich bei dem Entzug der Möglichkeit, bergbaufremde Abfälle im Tagebau zu verfüllen, die über die Anforderungen der TR Boden hinaus mit Schadstoffen belastet sind, um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch ohne eine Übergangs-, Entschädigungs- oder Ausgleichsregelung entspricht. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verlangen, dass die betreffende Maßnahme ein legitimes Ziel verfolgt, zur Errichtung dieses Ziels geeignet und erforderlich sowie unter Beachtung der unter Vertrauensschutz- und Gleichheitsgesichtspunkten zu stellenden Anforderungen verhältnismäßig im engeren Sinne ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. –, juris RdNr. 281 ff., RdNr. 371 ff.). Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen gemäß § 7 BBodSchG i.V.m. §§ 9 ff. BBodSchV sowie die Sicherstellung der Schadlosigkeit der Abfallverwertung i.S.d. § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG sind ein legitimes Regelungsziel. Die Bestimmungen Nr. 2 bis 2.6 sind zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet und erforderlich. Sie sind auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Einschränkung der Verfülltätigkeit ist in quantitativer Hinsicht relativ geringfügig, da insbesondere die Verfüllung der zugelassenen Abfallarten unter den in Bestimmung Nr. 2.2 definierten Voraussetzungen weiterhin zugelassen ist. Auf der anderen Seite ist die betroffene Eigentumsposition der Klägerin nur eingeschränkt schutzwürdig, da deren wirtschaftliche Interessen, wie der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt hat, gegenüber ihrer Verpflichtung, neue Standards im Umweltschutz, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über Umweltzustände beruhen, zu akzeptieren, geringeres Gewicht haben.

150

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Belastung der Klägerin durch eine Übergangsregelung abzufedern. Die zuständigen Behörden sind nicht verpflichtet, bei jeder Umstellung von Rechtslagen den damit verbundenen Belastungen der Betroffenen mit einer Übergangsregelung zu begegnen (vgl. BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. –, a.a.O. RdNr. 372). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Klägerin bereits mit den Schreiben des Beklagten vom 03.04.2007, 18.03.2008 und 03.03.2009 zu der beabsichtigten Begrenzung der zugelassenen Abfälle nach Maßgabe der LAGA M 20 / TR Boden angehört wurde und damit genügend Zeit hatte, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.

151

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

152

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 709 ZPO.

153

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Der vorliegende Rechtsstreit wirft Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Entscheidungserheblich ist, ob § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen auch zur Sicherstellung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zulässt und eine nachträgliche Änderung des Inhalts einer Betriebsplanzulassung erlaubt. Auch kommt es darauf an, ob der Verordnungsvorbehalt des § 7 Satz 4 BBodSchG der Festsetzung von Vorsorgeanforderungen bei der Verfüllung eines Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen in einer nachträglichen Änderung einer Betriebsplanzulassung entgegensteht, die über die in §§ 9 ff. BBodSchV i.V.m. Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV geregelten Anforderungen hinausgehen. Schließlich kann ein Revisionsverfahren zur Klärung der Frage beitragen, nach welchem Maßstab sich die wirtschaftliche Vertretbarkeit nachträglicher Auflagen i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG richtet, mit denen das zulässige Schadstoffinventar der zur Verfüllung eines Tagebaus zugelassenen bergbaufremden Abfälle nachträglich beschränkt wird.


(1) Das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen nach § 7 des Bundes-Bodenschutzgesetzes ist in der Regel zu besorgen, wenn

1.
Schadstoffgehalte im Boden gemessen werden, die die Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 überschreiten, oder
2.
eine erhebliche Anreicherung von anderen Schadstoffen erfolgt, die auf Grund ihrer krebserzeugenden, erbgutverändernden, fortpflanzungsgefährdenden oder toxischen Eigenschaften in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Bodenveränderungen herbeizuführen.
§ 17 Abs. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes bleibt unberührt.

(2) Bei Böden mit naturbedingt erhöhten Schadstoffgehalten besteht die Besorgnis des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen bei einer Überschreitung der Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 nur, wenn eine erhebliche Freisetzung von Schadstoffen oder zusätzliche Einträge durch die nach § 7 Satz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes Verpflichteten nachteilige Auswirkungen auf die Bodenfunktionen erwarten lassen.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend bei Böden mit großflächig siedlungsbedingt erhöhten Schadstoffgehalten.

(1) Die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes endet, wenn dieser ein Recycling oder ein anderes Verwertungsverfahren durchlaufen hat und so beschaffen ist, dass

1.
er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird,
2.
ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht,
3.
er alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfüllt sowie
4.
seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 68) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nach Maßgabe der in Absatz 1 genannten Anforderungen die Bedingungen näher zu bestimmen, unter denen für bestimmte Stoffe und Gegenstände die Abfalleigenschaft endet. Diese Bedingungen müssen ein hohes Maß an Schutz für Mensch und Umwelt sicherstellen und die umsichtige, sparsame und effiziente Verwendung der natürlichen Ressourcen ermöglichen. In der Rechtsverordnung ist insbesondere zu bestimmen:

1.
welche Abfälle der Verwertung zugeführt werden dürfen,
2.
welche Behandlungsverfahren und -methoden zulässig sind,
3.
die Qualitätskriterien, soweit erforderlich auch Schadstoffgrenzwerte, für Stoffe und Gegenstände im Sinne des Absatzes 1; die Qualitätskriterien müssen im Einklang mit den geltenden technischen Anforderungen, Rechtsvorschriften oder Normen für Erzeugnisse stehen,
4.
die Anforderungen an Managementsysteme, mit denen die Einhaltung der Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft nachgewiesen wird, einschließlich der Anforderungen
a)
an die Qualitätskontrolle und die Eigenüberwachung und
b)
an eine Akkreditierung oder sonstige Form der Fremdüberwachung der Managementsysteme, soweit dies erforderlich ist, sowie
5.
das Erfordernis und die Inhalte einer Konformitätserklärung.

(1) Das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen nach § 7 des Bundes-Bodenschutzgesetzes ist in der Regel zu besorgen, wenn

1.
Schadstoffgehalte im Boden gemessen werden, die die Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 überschreiten, oder
2.
eine erhebliche Anreicherung von anderen Schadstoffen erfolgt, die auf Grund ihrer krebserzeugenden, erbgutverändernden, fortpflanzungsgefährdenden oder toxischen Eigenschaften in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Bodenveränderungen herbeizuführen.
§ 17 Abs. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes bleibt unberührt.

(2) Bei Böden mit naturbedingt erhöhten Schadstoffgehalten besteht die Besorgnis des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen bei einer Überschreitung der Vorsorgewerte nach Anhang 2 Nr. 4 nur, wenn eine erhebliche Freisetzung von Schadstoffen oder zusätzliche Einträge durch die nach § 7 Satz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes Verpflichteten nachteilige Auswirkungen auf die Bodenfunktionen erwarten lassen.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend bei Böden mit großflächig siedlungsbedingt erhöhten Schadstoffgehalten.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem dieser eine der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung teilweise zurückgenommen hat.

2

Mit Bescheid vom 19.04.2011 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung eines Autohauses zu vier Spielstätten. Grundlage der Genehmigung war ein am 28.01.2011 beim Antragsgegner eingegangener Bauantrag, in dem die Betriebszeiten der Spielstätten mit täglich von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen, angegeben worden waren. Die entsprechende Betriebsbeschreibung war vom Antragsgegner mit dem Vermerk „bauaufsichtlich geprüft“ abgestempelt worden (BA A Bl. 15). Nachfolgend kam es zum Streit über die Frage, ob die Betriebszeiten Gegenstand der Baugenehmigung seien. Letztlich wurde der Antragsgegner durch fachaufsichtliche Weisung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 14.11.2012 zur Teilrücknahme der Baugenehmigung angewiesen. Das Landesverwaltungsamt führte aus, die Betriebszeiten seien Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Diese Regelung sei wegen Verstoßes gegen die SperrzeitVO, das Feiertagsgesetz sowie das Spielhallengesetz LSA rechtswidrig. Mit Schreiben vom 28.11.2012 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der beabsichtigten Teilrücknahme der Baugenehmigung im Hinblick auf die Betriebszeiten an. Diese nahm mit E-Mail vom 15.01.2013 Stellung. Einen (ersten) Teilrücknahmebescheid vom 18.01.2013 nahm der Antragsgegner mit Abhilfebescheid vom 29.11.2013 zurück, nachdem das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 12.07.2013 - 4 B 59/13 MD - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen diesen Bescheid wiederhergestellt hatte. Mit dem streitgegenständlichen (zweiten) Teilrücknahmebescheid vom 29.11.2013 nahm der Antragsgegner die Baugenehmigung vom 19.04.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung teilweise zurück, indem die Betriebszeit der genehmigten Spielstätten auf 7 Uhr bis 22 Uhr begrenzt wurde, sofern nicht durch eine Ausnahmegenehmigung der Stadt B. eine darüber hinausgehende Betriebszeit gestattet werde. Zudem dürften die Spielstätten entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 1 SpielhG LSA zu den sogenannten Spielverbotstagen nicht geöffnet werden.

3

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Teilrücknahmebescheid des Antragsgegners vom 29.11.2013 wiederherzustellen, mit Beschluss vom 10.04.2014 - 4 B 356/13 MD - abgelehnt.

II.

4

Die Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe beschränkt ist, führt zu keiner Abänderung.

5

Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet. Die Erwägung, es sei nicht hinzunehmen, eine rechtskräftige Entscheidung über den Widerspruch abzuwarten, während andere Unternehmen der Spielhallenbranche animiert würden, ebenfalls die gesetzlichen Vorschriften nicht einzuhalten, sei ausreichend. Hiermit habe der Antragsgegner in zulässiger Weise auf die negative Vorbildwirkung der Antragstellerin abgestellt. Die Begründung des Sofortvollzugs sei auch nicht deshalb unzureichend, weil die unterbundene Nutzung zuvor genehmigt worden sei. Die vom Antragsgegner befürchtete Gefahr einer negativen Vorbildwirkung hänge nicht davon ab, ob eine Baugenehmigung gar nicht erteilt oder nachträglich aufgehoben werde. Aus der Sicht konkurrierender Unternehmen würde ohne den Sofortvollzug in erster Linie auffallen, dass der Betrieb von der SperrzeitVO LSA abweichende Betriebszeiten praktiziere und Behörden dagegen nicht einschritten. Dieser Umstand sei jedenfalls geeignet, eine Nachahmungsgefahr zu begründen. Die Gefahr, dass andere Spielhallenbetreiber die von der SperrzeitVO LSA abweichenden - längeren - Betriebszeiten der Antragstellerin auch für sich in Anspruch nehmen wollten, leuchte ohne weiteres ein. Einer Dokumentation der widerstreitenden Interessen bedürfe es nicht. Bei der gebotenen Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Verfügung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, vom Sofortvollzug verschont zu bleiben. Der Bescheid vom 29.11.2013 erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen der teilweisen Rücknahme der Baugenehmigung hinsichtlich der Regelung über die täglichen Betriebszeiten seien erfüllt. Die Baugenehmigung sei insoweit rechtswidrig gewesen. Die ursprüngliche Baugenehmigung habe der Spielhalle eine Betriebszeit von Montag bis Sonntag von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr gestattet. Zwar seien die Betriebszeiten in dem Bescheid vom 19.04.2011 nicht ausdrücklich geregelt. Die mit Zugehörigkeitsvermerk der Bauaufsichtsbehörde versehenen Bauvorlagen seien jedoch Bestandteil der Baugenehmigung und für die Ermittlung des Regelungsgehalts verbindlich. Die Regelung über die Betriebszeit von 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr weiche von der allgemeinen Regelung über die Sperrzeiten für Spielhallen gemäß § 2 Abs. 1 SperrzeitVO LSA ab. Für die Entscheidung über eine Ausnahme gemäß § 4 SperrzeitVO LSA sei gemäß § 5 Abs. 2 die Stadt B. zuständig gewesen, die eine solche Ausnahmeregelung jedoch nicht getroffen habe. Der Antragsgegner habe die Frist für die teilweise Rücknahme der Baugenehmigung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG eingehalten. Diese habe erst nach Abschluss der Anhörung der Antragstellerin, also am 16.01.2013, begonnen. Der Antragsgegner habe das ihm zustehende Ermessen hinsichtlich der Beschränkung der Betriebszeiten den gesetzlichen Anforderungen entsprechend ausgeübt. Die für die Entscheidung des Antragsgegners maßgebliche Erwägung, dass die Spielhalle nur nach einer Teilrücknahme der Baugenehmigung den gesetzlichen Vorschriften der Sperrzeitverordnung und des Spielhallengesetzes entsprechend betrieben werden könne, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zu der Verfügung vom 18.01.2013 habe der Antragsgegner der Antragstellerin nunmehr die Möglichkeit eröffnet, Abweichungen von den grundsätzlichen Betriebszeiten nach der Sperrzeitverordnung durch eine Ausnahmegenehmigung der Stadt B. gemäß § 4 SperrzeitVO LSA zuzulassen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Zwar greife die nachträgliche Beschränkung der Betriebszeit in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein milderes, ebenso wirksames Mittel, um eine gesetzeskonforme Gestaltung der Betriebszeiten herbeizuführen, sei jedoch nicht ersichtlich. Eine unverhältnismäßige Belastung sei mit der Teilrücknahme der Baugenehmigung nicht verbunden. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, bei der Stadt B. eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 SperrzeitVO LSA zu beantragen. Die wirtschaftliche Belastung der Antragstellerin werde dadurch abgemildert, dass ihr gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG der Vermögensnachtteil auszugleichen sei, den sie dadurch erleide, dass sie auf den Bestand der Baugenehmigung mit deren Regelung über die Betriebszeiten vertraut habe. Es bestehe auch ein besonderes Interesse an der Vollziehung des Bescheides. Ohne die sofortige Vollziehung bestehe die Gefahr, dass sich andere Unternehmer auf die langen Betriebszeiten der Antragstellerin beriefen und diese auch für sich in Anspruch nähmen. Es könne der Eindruck entstehen, dass die Behörden Abweichungen von der Sperrzeitverordnung duldeten, selbst wenn eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 SperrzeitVO LSA nicht vorliege.

6

Die Einwände der Antragstellerin vermögen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen.

7

Zu Unrecht geht die Antragstellerin davon aus, der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gemäß den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Diesen Anforderungen genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind (OVG NW, Beschl. v. 30.03.2009 - 13 B 1910/08 -, juris RdNr. 2). Hieran gemessen ist die in dem angefochtenen Bescheid vom 29.11.2013 angegebene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend. Der Antragsgegner bringt hierin nachvollziehbar zum Ausdruck, dass die sofortige Vollziehung angeordnet wird, um zu verhindern, dass bei Mitbewerbern der Antragstellerin der Eindruck entsteht, behördlicherseits werde gegen Rechtsverstöße nicht vorgegangen, damit diese nicht animiert werden, die gesetzlich vorgeschriebenen Öffnungszeiten ebenfalls nicht einzuhalten. Damit nimmt er - mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall - Bezug auf die Gefahr, dass durch das Beispiel der Antragstellerin eine negative Vorbildwirkung entsteht, der er mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme entgegenwirken will. Diese Überlegungen sind für das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend.

8

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin weiterhin - der Sache nach - geltend, es liege kein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme wegen der vom Antragsgegner angeführten Nachahmungsgefahr vor, weil es an der hierfür notwendigen formellen Illegalität der durch die Baugenehmigung gestatteten Betriebszeiten fehle und diese jedenfalls grundsätzlich auch materiell genehmigungsfähig seien. Auch gebe es keine Vermutung für die Rechtsuntreue von Spielhallenbetreibern; im Gegenteil sei deren Bestreben, keine Bußgeldeinträge im Gewerbezentralregister zu erhalten, außergewöhnlich hoch.

9

Diese Rügen greifen nicht durch. Vielmehr war die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme zur Verhinderung einer negativen Vorbildwirkung gerechtfertigt.

10

Voraussetzung für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse. Dieses ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass des Verwaltungsakt identisch, sondern geht darüber hinaus (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, RdNr. 759). Das besondere öffentliche Interesse ist mit dem gegenläufigen Interesse des Betroffenen am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzuwägen, wobei dessen Rechtsschutzanspruch umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je schwerer die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 761). Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann insbesondere bei Verwaltungsakten gegeben sein, die der Wahrung der Rechtsordnung dienen, wenn deren zeitnaher Vollzug Dritte von einem bestimmten Verhalten abhalten kann (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 781). Insbesondere im Baurecht ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungsverfügung anerkannt, wenn ein bereits ausgeführtes baurechtswidriges Vorhaben als negatives Vorbild dient oder zu dienen droht, eine Nachahmung befürchten lässt und die Anordnung dazu dient, Fehlschlüsse anderer Bauinteressenten über die Rechtslage zu vermeiden (OVG MV, Beschl. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, juris RdNr. 12; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O. RdNr. 782). Hierbei kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass bereits der äußere Anschein des Nichteinschreitens, der durch das Vorhandensein der Anlage vermittelt wird, die Vorbildfunktion auslöst (OVG MV, Beschl. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, a.a.O. RdNr. 14). Ein überwiegendes öffentliches Interesse setzt dabei nicht zwingend die formelle Illegalität des ausgeführten Vorhabens voraus, gegen das sich das behördliche Einschreiten richtet. Eine negative Vorbildwirkung, die eine Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt, kann vielmehr auch von Zuständen oder Vorgängen ausgelöst werden, die zwar genehmigt, aber offensichtlich materiell rechtswidrig sind. Auch hierdurch können Fehlvorstellungen über die Rechtslage oder über die Bereitschaft der zuständigen Behörde, gegen Rechtsverstöße einzuschreiten, und damit eine Nachahmungsgefahr ausgelöst werden.

11

Nach diesen Grundsätzen geht von den mit der Baugenehmigung des Antragsgegners vom 19.04.2011 genehmigten Betriebszeiten der Spielhalle der Antragstellerin eine negative Vorbildwirkung aus, die eine Anordnung der sofortigen Vollziehung der entsprechenden Teilrücknahme der Baugenehmigung rechtfertigt.

12

Die Genehmigung der Betriebszeiten ist offensichtlich materiell rechtswidrig. Sie verstößt gegen § 2 Abs. 1 SperrzeitVO LSA, wonach die Sperrzeit für Spielhallen um 22 Uhr beginnt und um 7 Uhr endet. Eine Ausnahmegenehmigung für die Spielhalle der Antragstellerin gemäß § 4 SperrzeitVO LSA durch die gemäß § 5 Abs. 2 SperrzeitVO LSA zuständige Stadt B. liegt nicht vor. Auch sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine derartige Ausnahme nicht gegeben. Gemäß § 4 Satz 1 SperrzeitVO LSA kann die zuständige Behörde bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe die Sperrzeit befristet und widerruflich verkürzen oder aufheben. Ein öffentliches Bedürfnis im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor. Dieses erfordert die Feststellung von Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Leistungen des in Rede stehenden Betriebes während der allgemeinen Sperrzeit in erheblichem Maße in Anspruch genommen werden. Aus der Sicht der Allgemeinheit - nicht aus der des an der Verkürzung interessierten Gewerbetreibenden - muss eine Bedarfslücke bestehen. An der erstrebten individuellen Verkürzung der allgemeinen Sperrzeit muss ein öffentliches Interesse bestehen. Hinreichende Gründe müssen ein Abweichen von der Regel im Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob im lokalen Einzugsbereich eine erhebliche Zahl von Interessenten ihr Bedürfnis nach dem Besuch von Spielhallen ohne die Verkürzung der Sperrzeit nicht befriedigen könnte, wobei die Wünsche einzelner Bürger, etwa der Stammgäste, ein öffentliches Bedürfnis an der Verkürzung der Sperrzeit nicht begründen könnten. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass Spielhallen nicht zu den Vergnügungsstätten gehören, deren Angebote typischerweise erst nach Beginn der allgemeinen Sperrzeit angenommen werden und für die Betriebszeiten innerhalb der allgemeinen Sperrzeit prägend sind. § 2 SperrzeitVO LSA geht davon aus, dass im Regelfall dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach dem Besuch einer Spielhalle durch Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr hinreichend Rechnung getragen ist (OVG LSA, Urt. v. 20.02.2003 - 1 L 431/02 -, juris RdNr. 27). Hiernach ist ein öffentliches Bedürfnis für eine Verkürzung der Sperrzeit für die Spielhalle der Antragstellerin im Sinne des § 4 SperrzeitVO LSA nicht gegeben. Ihr Hinweis darauf, dass ihr Umsatz hauptsächlich in den späten Abend- und frühen Nachtstunden erzielt werde, lässt nicht erkennen, dass das Bedürfnis nach dem Besuch von Spielhallen nicht auch in der Zeit von 7:00 Uhr bis 22:00 Uhr befriedigt werden könnte. Gleiches gilt für die von ihr behauptete Änderung der Spiel- und Freizeitverhaltens des deutschen Durchschnittsbürgers dahin, dass sich die Hauptaktivität in die späten Abend- und frühen Nachtstunden verlagert habe. Auch der von der Antragstellerin angesprochene Umstand, dass zu diesen Tageszeiten keine alternativen lokalen Vergnügungsmöglichkeiten bestünden, begründet kein öffentliches Bedürfnis für eine Sperrzeitverkürzung für die Spielhalle der Antragstellerin. Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 4 SperrzeitVO LSA sind ebenfalls nicht gegeben. Solche liegen vor, wenn die Verhältnisse im örtlichen Bereich sich so von den Verhältnissen anderer örtlicher Bereiche unterscheiden, dass eine Abweichung von der allgemeinen Sperrzeit gerechtfertigt erscheint. Das kann in einer Gegend der Fall sein, in der ein durch das Nachtleben bestimmter Lebensrhythmus herrscht oder die durch auf das Nachtleben bezogene Vergnügungsangebote geprägt ist. Hierfür sind die Eigenart der näheren Umgebung, die anzutreffenden Lebensgewohnheiten und der prägende Lebensrhythmus maßgebend. Es kommt darauf an, wie der Betrieb in die Umgebung hineinpasst (OVG LSA, Urt. v. 20.02.2003 - 1 L 431/02 -, a.a.O. RdNr. 28). Derartige besondere örtliche Verhältnisse liegen hier nicht vor. Nach einer Stellungnahme der Stadt B. (BA E Bl. 89-90) ist die Spielhalle der Antragstellerin von Gewerbe- und Handelseinrichtungen umgeben. Die nächstliegende Wohnbebauung befinde sich in 160 m Entfernung. Abgesehen von einem Fastfood-Restaurant (McDonald’s) seien im Gewerbegebiet keine anderen Betriebe vorhanden, die nachts geöffnet hätten. In der näheren Umgebung gebe es keine weiteren Einrichtungen zur Freizeitgestaltung. Eine Prägung der Umgebung durch auf das Nachtleben bezogene Vergnügungsangebote oder ein durch das Nachtleben bestimmter Lebensrhythmus besteht vor diesem Hintergrund ersichtlich nicht.

13

Mit dem Verwaltungsgericht ist auch davon auszugehen, dass die genehmigten Betriebszeiten der Spielhalle der Antragstellerin jedenfalls geeignet sind, eine Nachahmungsgefahr zu begründen, wenn der Antragsgegner hiergegen nicht mit Sofortvollzug einschreitet. Das Verwaltungsgericht hebt zutreffend hervor, die Gefahr, dass andere Spielhallenbetreiber die von der Sperrzeitverordnung abweichenden - längeren - Betriebszeiten der Antragstellerin auch für sich in Anspruch nehmen wollten, leuchte ohne weiteres ein.

14

Zu Unrecht wendet die Antragstellerin ein, sie habe sich bislang stets rechtstreu verhalten und nur von der ihr erteilten Genehmigung Gebrauch gemacht. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitbewerber von einem - behördlicherseits geduldeten - Rechtsverstoß ihrerseits ausgingen. Es trifft zwar zu, dass die Antragstellerin die Spielhalle bislang formell rechtmäßig betrieben hat. Gleichwohl besteht hier eine negative Vorbildwirkung, denn der Betrieb war wegen Verstoßes gegen die SperrzeitVO LSA materiell rechtswidrig. Es ist auch ohne Belang, ob die Nachahmungsgefahr, die ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme begründet, daraus resultiert, dass Dritte den Eindruck erhalten, die zuständige Behörde schreite gegen Rechtsverstöße nicht ein, oder daraus, dass Dritte glauben, ein in Wahrheit rechtswidriger Zustand sei rechtmäßig. Die negative Vorbildwirkung setzt nicht voraus, dass der Antragstellerin „Rechtsuntreue“ unterstellt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der genehmigte Zustand materiell rechtswidrig ist und Dritte - wie hier - zur Nachahmung verleiten kann. Ohne Belang ist, ob die Nachahmungsgefahr dadurch hervorgerufen wird, dass die Dritten glauben, der Zustand sei rechtmäßig, oder den Eindruck haben, die zuständigen Behörden gingen gegen einen rechtswidrigen Zustand nicht vor.

15

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme der Baugenehmigung wegen der negativen Vorbildwirkung der genehmigten Betriebszeiten überwiegt auch das Interesse der Antragstellerin am Fortbestand der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Die der Antragstellerin auferlegte Belastung wiegt nicht sonderlich schwer, da der Betrieb ihrer Spielhalle außerhalb der Sperrzeiten des § 2 Abs. 1 SperrzeitVO unverändert fortgesetzt werden kann. Auch bewirkt die Maßnahme des Antragsgegners nichts Unabänderliches, da die Begrenzung der Betriebszeit jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin bei einer Begrenzung der Betriebzeit der Ruin droht, sind nicht ersichtlich. Demgegenüber ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilrücknahme wegen der von der bisherigen Betriebszeit ausgehenden negativen Vorbildwirkung als besonders dringlich anzusehen.

16

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilrücknahme offensichtlich rechtmäßig ist. Insbesondere hat es zutreffend angenommen, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG habe frühestens nach Abschluss der Anhörung der Antragstellerin am 16.01.2013 zu laufen begonnen, so dass sie mit dem Bescheid vom 29.11.2013 gewahrt worden sei. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Frist beginnt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - BVerwG GrSen 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356; OVG LSA, Beschl. v. 27.04.2011 - 2 M 7/11 - n.v.). Sie beginnt damit regelmäßig erst nach Abschluss eines Anhörungsverfahrens (BVerwG, Urt. v. 20.09.2001 - BVerwG 7 C 6.01 -, juris). Überzeugende Gründe, weshalb hieran nicht mehr festzuhalten sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Auch wenn die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG - mit dem Bundesverwaltungsgericht - als Entscheidungsfrist verstanden wird, ist das Vertrauen des Bürgers in den Bestand von Verwaltungsakten hinreichend geschützt.

17

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist auch kein Ermessensdefizit festzustellen. Inwieweit bei der Abwägung ein Ausgleich der „immateriellen Schäden“ der Antragstellerin hätte berücksichtigt werden müssen, ist nicht nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht hat auch hinreichend berücksichtigt, dass die Teilrücknahme der Baugenehmigung einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, reichen zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs vernünftige Gründe des Allgemeinwohls aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -, juris RdNr. 84). Derartige Gründe liegen mit der hier bezweckten Herbeiführung einer gesetzeskonformen Gestaltung der Betriebszeiten vor.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.


(1) Zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und den auf Grund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen. Werden zur Erfüllung der Verpflichtung aus § 4 Abs. 3 und 6 Sicherungsmaßnahmen angeordnet, kann die zuständige Behörde verlangen, daß der Verpflichtete für die Aufrechterhaltung der Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen in der Zukunft Sicherheit leistet. Anordnungen zur Erfüllung der Pflichten nach § 7 dürfen getroffen werden, soweit Anforderungen in einer Rechtsverordnung festgelegt sind. Die zuständige Behörde darf eine Anordnung nicht treffen, wenn sie auch im Hinblick auf die berechtigten Nutzungsinteressen einzelner unverhältnismäßig wäre.

(2) Trifft die zuständige Behörde gegenüber dem Grundstückseigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Erfüllung der Pflichten nach § 4 Anordnungen zur Beschränkung der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung sowie zur Bewirtschaftung von Böden, so hat sie, wenn diese nicht Verursacher der schädlichen Bodenveränderungen sind, für die nach zumutbaren innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen verbliebenen wirtschaftlichen Nachteile nach Maßgabe des Landesrechts einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, wenn die Nutzungsbeschränkung andernfalls zu einer über die damit verbundene allgemeine Belastung erheblich hinausgehenden besonderen Härte führen würde.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 5.11.2014 - 4 K 675/13 - geändert. Nr. 5 des Bescheids der Beklagten vom 11.11.2011 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.2.2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verkleinerungsverfügung.
Die Klägerin ist Inhaber eines Erbbaurechts an den zusammen 3.745 m2 großen Grundstücken Flst.Nr. ..., ... und ... in Heidelberg. Die Grundstücke wurden in den sechziger Jahren mit drei ursprünglich zweigeschossigen Mehrfamilienwohnhäusern (..., ... und ...) bebaut. Das Gebäude ... befindet sich ungefähr 3 m von dem nach Norden angrenzenden, ebenfalls mit einem Wohnhaus (...) bebauten Grundstück Flst.Nr. ... entfernt.
Die Klägerin beantragte am 4.12.2009 die Erteilung einer Baugenehmigung für den „Umbau und Sanierung mit Ausbau der Dachgeschosse“ der drei Gebäude. Die dem Bauantrag zugrunde liegenden Bauvorlagen sehen auf der Nordseite den Anbau eines 1,50 m vor die nördliche Außenwand des bestehenden Gebäudes ... tretenden Balkons im Dachgeschoss vor. Der bei den Bauvorlagen befindliche Abstandsflächenplan stellt die erforderlichen Abstandsflächen auch auf der Nordseite des Gebäudes als eingehalten dar. Die Beklagte erteilte am 20.4.2010 die beantragte Baugenehmigung.
Auf die Beschwerde eines Bewohners des Wohngebäudes ... stellte die Beklagte im November 2011 fest, dass der genannte Balkon den erforderlichen Mindestabstand von 2 m zur nördlichen Grundstücksgrenze nicht einhält. Nach vorheriger Anhörung verpflichtete die Beklagte die Klägerin mit Verfügung vom 11.11.2011, den bereits ausgeführten nördlichen Balkon so zurückzubauen, „dass er zur Grenze einen Mindestabstand von 2 m einhält.“ Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 15.2.2013 zurück.
Die Klägerin hat am 18.3.2013 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, der beanstandete Balkon sei zwar materiell baurechtswidrig, er werde jedoch von der ihr erteilten Baugenehmigung gedeckt. In den Plänen werde der nördliche Balkon des Gebäudes ... genau so dargestellt, wie er ausgeführt worden sei. Die Tatsache, dass der Balkon in dem Abstandsflächenplan unberücksichtigt geblieben sei, mache das Vorhaben zwar rechtswidrig, lasse jedoch den Regelungsumfang der Baugenehmigung unberührt.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert, die Baugenehmigung sei wegen der Unrichtigkeit des Abstandsflächenplans widersprüchlich, da dieser die Aussage enthalte, die Abstandsflächen seien eingehalten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5.11.2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtene Verfügung sei rechtmäßig. Der beanstandete Balkon verstoße gegen materielles Baurecht, da er nicht mindestens 2 m von der Nachbargrenze entfernt sei und daher bei der Bemessung der Abstandsfläche zu berücksichtigen sei. Ein Anspruch der Klägerin auf Zulassung einer geringeren Abstandsflächentiefe bestehe nicht. Das Vorhaben sei auch formell rechtswidrig. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe die Baugenehmigung nicht den Inhalt, dass die Errichtung des Balkons auch insoweit genehmigt sei, als dieser einen geringeren Grenzabstand als 2 m einhalte. Der Textteil der Baugenehmigung treffe hierzu keine Aussage, sondern verweise vielmehr darauf, dass die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen Bestandteile der Genehmigung seien. Den genehmigten Bauvorlagen lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass ein Balkon im realisierten Ausmaß genehmigt worden sei. Maßgebend für die Auslegung einer Baugenehmigung sei der objektive Erklärungswert aus der Sicht des Empfängerhorizonts. Nach Maßgabe dessen lasse sich nicht mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln, das ein Balkon genehmigt worden sei, der weniger als 2 m Grenzabstand einhalte. Der Abstandsflächenplan sei nach § 4 Abs. 4 Satz 2 LBOVVO Teil des Lageplans. Ihm komme mit der Genehmigung der Erklärungswert zu, dass das Vorhaben nach seiner Lage und Höhe die Abstandsflächen einhalte oder - anders ausgedrückt -, dass es keine Bauteile in den Abstandsflächen gebe, die bei der Ausweisung der Abstandsfläche hätten berücksichtigt werden müssen. Die Bauvorlagen widersprächen sich daher in der Darstellung des Balkons. Ob die mangelnde Bestimmtheit der Baugenehmigung die Teilnichtigkeit der Genehmigung nach sich ziehe, könne offen bleiben. Denn selbst wenn dies nicht der Fall sei, führe die mangelnde Bestimmtheit dazu, dass die Klägerin sich nicht darauf berufen könne, dass mit der Baugenehmigung der Balkon in einem Abstand von weniger als 2 m zur Grundstücksgrenze zugelassen worden sei, da die Unklarheiten und Widersprüche im Verantwortungsbereich der Klägerin lägen.
Gegen das Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 25.3.2015 zugelassene Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor, der von ihr errichtete Balkon sei von der Baugenehmigung vom 20.4.2010 gedeckt. Denn nur wenn es Zweifel über die Auslegung des Inhalts einer Baugenehmigung gebe, gingen diese zu Lasten des Bauherrn. Solche Zweifel bestünden hier aber nicht, da der Balkon genauso errichtet worden sei, wie in den Plänen dargestellt. Ihr könne deshalb nicht vorgehalten werden, von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen zu sein. Der mit der Erstellung des Abstandsflächenplans beauftragte Vermesser habe den Balkon übersehen oder jedenfalls nicht miteinberechnet. Deswegen sei die Baugenehmigung auf Grund der Zulassung des Balkons mit seinen Ausmaßen zwar rechtswidrig und hätte insoweit zurückgenommen werden können. Das sei jedoch nicht geschehen. Die Rückbauverfügung sei daher rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 5.11.2014 - 4 K 675/13 - zu ändern und Nr. 5 des Bescheids vom 11.11.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.2.2013 aufzuheben.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Sie erwidert, die LBOVVO verlange die Einreichung eines gesonderten Abstandsflächenplans. Seien Abstandsflächen nicht eingehalten, sei dies im Abstandsflächenplan zu vermerken. Damit komme einem Abstandsflächenplan, der die Einhaltung der Abstandsflächen auf allen Seiten des Vorhabens darstelle, der objektive Erklärungswert zu, dass die für das Vorhaben erforderlichen Abstandsflächen insgesamt eingehalten seien. Die Baurechtsbehörde habe dann nicht die Pflicht, die Übereinstimmung der Darstellungen des Abstandsflächenplans mit den Bauzeichnungen nachzumessen. Denn nach § 43 Abs. 1 LBO sei der Entwurfsverfasser dafür verantwortlich, dass sein Entwurf den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche. Damit komme es zu nicht durch eine Auslegung ausräumbaren Widersprüchen hinsichtlich des Inhalts der der Klägerin erteilten Baugenehmigung. Die Klägerin könne sich deshalb im Hinblick auf die Ausmaße des Balkons an der Nordwand im Dachgeschoss jedenfalls nicht auf die Baugenehmigung vom 20.4.2010 berufen.
14 
Sei der Balkon somit nicht nur materiell, sondern auch formell rechtswidrig, habe sie mit einer Verkleinerungsverfügung den geringstmöglichen Eingriff gewählt. Denn durch die Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächentiefe würden nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt. Die der Klägerin entstehenden Umbaukosten seien kein Gesichtspunkt, der einem Einschreiten entgegenstehe.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die unter Nr. 5 des Bescheids der Beklagten vom 11.11.2011 getroffene Anordnung, den bereits ausgeführten nördlichen Balkon zurückzubauen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin somit in ihren Rechten.
17 
Die angefochtene Verfügung stützt sich auf § 65 Satz 1 LBO. Danach kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ein Einschreiten auf der Grundlage dieser Vorschrift setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und sie seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.4.2014 - 3 S 1962/13 -juris; Urt. v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; s. auch BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 -BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz). An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall. Der von der Beklagten beanstandete Balkon verstößt zwar gegen § 5 LBO und ist damit materiell baurechtswidrig (1.). Die Errichtung des Balkons wird jedoch durch die der Klägerin am 20.4.2010 erteilte Baugenehmigung gedeckt (2.). Die der Baugenehmigung zukommende Legalisierungswirkung schließt ein Einschreiten der Beklagten wegen des Verstoßes gegen § 5 LBO aus (3.).
18 
1.Die Beteiligten sind sich darin einig, dass der Balkon gegen § 5 LBO verstößt und damit materiell baurechtswidrig ist. Das ist zutreffend.
19 
a) Bei der Bemessung der Abstandsfläche bleiben nach § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 LBO Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten außer Betracht, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Diese Maße sind im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Zwar ist der von der Klägerin errichtete Balkon 5 m breit und tritt nur 1,5 m vor die nördliche Außenwand. Der Balkon hält jedoch zu der nördlichen Nachbargrenze nur einen Grenzabstand von deutlich weniger als 2 m ein, wobei dahin stehen kann, ob der tatsächlich eingehaltene Abstand 1,43 m - so die Klägerin - oder 1,39 m - so die Beklagte - beträgt. Der Balkon ist danach in die Bemessung der Abstandsfläche miteinzubeziehen, d.h. mit ihm ist eine eigene Abstandsfläche einzuhalten, so als ob auf dieser Höhe die Außenwand vorspringen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2002 - 5 S 1655/01 - BauR 2003, 1201). Wie sich daraus zugleich ergibt, hält der umstrittene Balkon zur nördlichen Grundstücksgrenze nicht die erforderliche Abstandsfläche ein und verstößt damit gegen § 5 LBO.
20 
b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von § 5 LBO. Die Zulassung eine geringere Tiefe der Abstandsfläche gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO scheidet aus, weil sich weder aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück noch aus Rechtsgründen Besonderheiten erkennen lassen, die ausnahmsweise eine geringere Abstandsflächentiefe rechtfertigten. Die Voraussetzungen für eine Zulassung eine Abweichung von § 5 LBO gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO sind ebenfalls nicht gegeben.
21 
Nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO sind Abweichungen von den Vorschriften in den §§ 4 bis 37 LBO - und somit auch in § 5 LBO - zuzulassen „zur Modernisierung von Wohnungen und Wohngebäuden, Teilung von Wohnungen oder Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung, Aufstockung oder Änderung des Daches“, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt und die Abweichung mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. Zu der Feststellung, ob eine Abweichung von § 5 LBO mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und deshalb bei Vorliegen der übrigen in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO genannten Voraussetzungen auf der Grundlage dieser Vorschrift zuzulassen ist, bedarf es einer Abwägung des mit § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfolgten öffentlichen Interesses an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums gegen die von § 5 LBO geschützten öffentlichen und privaten Interessen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 3.3.2015 - 3 S 1913/14 - juris). Den von § 5 LBO geschützten öffentlichen und privaten Interessen kommt bei dieser Abwägung im vorliegenden Fall der Vorrang zu, da es über den durch die Aufstockung des Gebäudes geschaffenen zusätzlichen Wohnraum hinaus nicht der Schaffung weiteren Wohnraums durch einen näher als 2 m an die nördliche Grundstücksgrenze heranrückenden Balkon bedarf.
22 
2. Der Balkon ist jedoch, so wie er errichtet worden ist, von der Genehmigung vom 24.10.2010 gedeckt.
23 
a) Die Baugenehmigung ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Inhalt und Umfang einer Baugenehmigung werden deshalb durch den Bauantrag und die mit ihm einzureichenden Bauvorlagenbestimmt, sofern die Baugenehmigung selbst keine entsprechenden Vorbehalte oder Maßgaben enthält (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 9.2.1993 - 5 S 1650/92 - BRS 55 Nr. 193; Sauter, LBO für Baden-Württemberg, § 58 Rn. 32). Andere Unterlagen oder sonstige Umstände sind angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 3 LBO) für deren Inhalt regelmäßig nicht relevant (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.5.2005 - 10 A 2017/03 - BauR 2005, 1459).
24 
b) Wie die Klägerin zu Recht einwendet, wird der beanstandete Balkon des Gebäudes ... in dem bei den Bauvorlagen vom 14.8.2009 befindlichen „Grundriss Dachgeschoss“ genau so dargestellt, wie er ausgeführt worden ist, nämlich mit einer Breite von 5 m und einer Tiefe von - bezogen auf die Außenwand des bestehenden Gebäudes - 1,5 m. Die geplante Tiefe des Balkons von 1,5 m geht auch aus den bei den Bauvorlagen befindlichen Ansichten von Osten und Westen zweifelsfrei hervor, wenngleich sich die Ansichten nicht auf das Gebäude ..., sondern auf das - baugleiche - Gebäude ... beziehen. Weder im „Grundriss Dachgeschoss“ noch in den Ansichten von Osten und Westen ist allerdings der Abstand vermerkt, den das bestehende Gebäude von der nördlichen Grundstücksgrenze einhält. Das Gleiche gilt für den Lageplan. Der Abstand kann deshalb nur durch „Herausmessen“ bestimmt werden und beträgt danach unter Zugrundelegung des „Grundrisses Dachgeschoss“ 3 m.
25 
c) Einen die Wirksamkeit der Baugenehmigung in Frage stellenden Widerspruch zwischen den genannten Plänen und dem Abstandsflächenplan vermag der Senat anders als das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen.
26 
In dem Abstandsflächenplan ist die vor der nördlichen Außenwand gelegene Abstandsfläche mit A gekennzeichnet. Ihre Tiefe wird ausgehend von einer Wandhöhe von 7,10 m mit (7,10 m x 0,4 =) 2,84 m beziffert. Das „Planmaß zur Grenze“ wird mit 2,86 m angegeben, wobei unklar ist, ob sich dieses Maß auf die ursprüngliche Außenwand oder auf die neue, um 0,18 m verbreiterte Außenwand des Gebäudes bezieht. Eine „Überschreitung“ (gemeint wohl: Unterschreitung) des Abstands wird dementsprechend verneint.
27 
Der Abstandsflächenplan ist demnach ohne Zweifel unrichtig, was auch die Klägerin nicht bestreitet. Einen Widerspruch zu der Darstellung des Balkons in den übrigen Bauvorlagen vermag der Senat darin jedoch nicht zu sehen. In dem Abstandsflächenplan ist der Balkon nicht eingezeichnet. Über die Abmessungen des Balkons kann diesem Plan somit jedenfalls unmittelbar nichts entnommen werden. Die Höhe der Außenwand selbst, die vor ihr liegende Abstandsfläche sowie der Abstand zur Grundstücksgrenze sind in dem Plan korrekt dargestellt.
28 
Der von der Beklagten zitierte Beschluss des OVG Sachsen vom 24.6.1996 - 1 S 248/96 - (LKV 1997, 103) ist deshalb nicht einschlägig. Für den Fall, dass sich Lageplan und Abstandflächenplan hinsichtlich des Grenzabstands zum Nachbarn widersprechen, meint das OVG Sachsen, dass in aller Regel allein der Abstandflächenplan für die Lage des Baukörpers zum Nachbargrundstück hin ausschlaggebend sei. Das folge aus Sinn und Zweck dieses Plans. Das mag zutreffen. Die Lage des Baukörpers wird jedoch in dem Abstandsflächenplan nicht anders dargestellt als in den übrigen Bauvorlagen. Der Balkon wird vielmehr, wie gesagt, überhaupt nicht dargestellt, was zwar mit Blick auf die Notwendigkeit, mit dem Balkon eine eigene Abstandsfläche einzuhalten, einen Fehler des Plans bedeutet, aber keinen Widerspruch zu den übrigen Bauvorlagen in dem Sinn begründet, dass Unklarheiten über die Abmessungen des geplanten Balkons auf der Nordseite des Gebäudes bestünden.
29 
Das Argument des Verwaltungsgerichts, der Abstandsflächenplan enthalte die Erklärung, dass das Vorhaben nach seiner Lage und Höhe die Abstandsflächen einhalte oder - anders ausgedrückt-, dass es keine Bauteile in den Abstandsflächen gebe, die bei der Darstellung der Abstandsfläche hätten berücksichtigt werden müssen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ob dem Abstandsflächenplan eine solche Erklärung zu entnehmen ist, kann dabei dahin stehen. Denn selbst wenn man dies bejaht, handelt es sich dabei nur um die Äußerung einer bestimmten, tatsächlich unzutreffenden Rechtsmeinung des Bauherrn bzw. des von ihm beauftragten Planverfassers und unterstreicht damit nur die Unrichtigkeit des Abstandsflächenplans. Der Schluss, der Balkon solle möglicherweise doch nicht so, wie in den übrigen Bauvorlagen dargestellt, errichtet werden, sondern mit einer geringeren Tiefe als 1,50 m, um den in § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 LBO genannten Mindestabstand von 2 m zu der nördlichen Nachbargrenze zu wahren, kann aus dieser Äußerung nicht gezogen werden.
30 
3. Die für eine bauliche Anlage erteilte Baugenehmigung gestattet zum einen die Errichtung der betreffenden Anlage und enthält zum anderen die Feststellung, dass die Anlage den baurechtlichen sowie den anderen von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichenVorschriften nicht widerspricht (Sauter, Komm. zur LBO für Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 58 Rn. 4 m.w.N.). Die mit dieser Feststellung verbundene Legalisierungswirkung schließt es aus, die Errichtung der genehmigten Anlage als baurechtswidrigen Zustand zu werten. Ein Einschreiten gegen die Klägerin scheidet danach aus, solange die ihr am 20.4.2010 erteilte Baugenehmigung hinsichtlich des Balkons nicht zurückgenommen worden ist. Darüber, ob eine solche Rücknahme der Baugenehmigung noch möglich wäre, hat der Senat nicht zu befinden.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
33 
Beschluss
34 
Der Streitwert wird unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 2 und 52 Abs. 1 GKG).
35 
Die für die Festsetzung des Streitwert maßgebliche Bedeutung der Sache für die Klägerin ergibt sich aus den mutmaßlichen Kosten für den geforderten Rückbau des Balkons. Der Senat schätzt diese Kosten auf ungefähr 10.000 EUR. Die Befugnis des Senats, die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen zu ändern, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die unter Nr. 5 des Bescheids der Beklagten vom 11.11.2011 getroffene Anordnung, den bereits ausgeführten nördlichen Balkon zurückzubauen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin somit in ihren Rechten.
17 
Die angefochtene Verfügung stützt sich auf § 65 Satz 1 LBO. Danach kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ein Einschreiten auf der Grundlage dieser Vorschrift setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und sie seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.4.2014 - 3 S 1962/13 -juris; Urt. v. 13.6.2007 - 3 S 39/07 - BauR 2007, 1861; Urt. v. 16.6.2003 - 3 S 2436/02 - VBlBW 2004, 263; s. auch BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 -BauR 1988, 576 zum vergleichbaren Landesrecht in Rheinland-Pfalz). An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall. Der von der Beklagten beanstandete Balkon verstößt zwar gegen § 5 LBO und ist damit materiell baurechtswidrig (1.). Die Errichtung des Balkons wird jedoch durch die der Klägerin am 20.4.2010 erteilte Baugenehmigung gedeckt (2.). Die der Baugenehmigung zukommende Legalisierungswirkung schließt ein Einschreiten der Beklagten wegen des Verstoßes gegen § 5 LBO aus (3.).
18 
1.Die Beteiligten sind sich darin einig, dass der Balkon gegen § 5 LBO verstößt und damit materiell baurechtswidrig ist. Das ist zutreffend.
19 
a) Bei der Bemessung der Abstandsfläche bleiben nach § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 LBO Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten außer Betracht, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Diese Maße sind im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Zwar ist der von der Klägerin errichtete Balkon 5 m breit und tritt nur 1,5 m vor die nördliche Außenwand. Der Balkon hält jedoch zu der nördlichen Nachbargrenze nur einen Grenzabstand von deutlich weniger als 2 m ein, wobei dahin stehen kann, ob der tatsächlich eingehaltene Abstand 1,43 m - so die Klägerin - oder 1,39 m - so die Beklagte - beträgt. Der Balkon ist danach in die Bemessung der Abstandsfläche miteinzubeziehen, d.h. mit ihm ist eine eigene Abstandsfläche einzuhalten, so als ob auf dieser Höhe die Außenwand vorspringen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2002 - 5 S 1655/01 - BauR 2003, 1201). Wie sich daraus zugleich ergibt, hält der umstrittene Balkon zur nördlichen Grundstücksgrenze nicht die erforderliche Abstandsfläche ein und verstößt damit gegen § 5 LBO.
20 
b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von § 5 LBO. Die Zulassung eine geringere Tiefe der Abstandsfläche gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO scheidet aus, weil sich weder aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück noch aus Rechtsgründen Besonderheiten erkennen lassen, die ausnahmsweise eine geringere Abstandsflächentiefe rechtfertigten. Die Voraussetzungen für eine Zulassung eine Abweichung von § 5 LBO gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO sind ebenfalls nicht gegeben.
21 
Nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO sind Abweichungen von den Vorschriften in den §§ 4 bis 37 LBO - und somit auch in § 5 LBO - zuzulassen „zur Modernisierung von Wohnungen und Wohngebäuden, Teilung von Wohnungen oder Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung, Aufstockung oder Änderung des Daches“, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt und die Abweichung mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. Zu der Feststellung, ob eine Abweichung von § 5 LBO mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und deshalb bei Vorliegen der übrigen in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO genannten Voraussetzungen auf der Grundlage dieser Vorschrift zuzulassen ist, bedarf es einer Abwägung des mit § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfolgten öffentlichen Interesses an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums gegen die von § 5 LBO geschützten öffentlichen und privaten Interessen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 3.3.2015 - 3 S 1913/14 - juris). Den von § 5 LBO geschützten öffentlichen und privaten Interessen kommt bei dieser Abwägung im vorliegenden Fall der Vorrang zu, da es über den durch die Aufstockung des Gebäudes geschaffenen zusätzlichen Wohnraum hinaus nicht der Schaffung weiteren Wohnraums durch einen näher als 2 m an die nördliche Grundstücksgrenze heranrückenden Balkon bedarf.
22 
2. Der Balkon ist jedoch, so wie er errichtet worden ist, von der Genehmigung vom 24.10.2010 gedeckt.
23 
a) Die Baugenehmigung ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Inhalt und Umfang einer Baugenehmigung werden deshalb durch den Bauantrag und die mit ihm einzureichenden Bauvorlagenbestimmt, sofern die Baugenehmigung selbst keine entsprechenden Vorbehalte oder Maßgaben enthält (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 9.2.1993 - 5 S 1650/92 - BRS 55 Nr. 193; Sauter, LBO für Baden-Württemberg, § 58 Rn. 32). Andere Unterlagen oder sonstige Umstände sind angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform der Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 3 LBO) für deren Inhalt regelmäßig nicht relevant (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.5.2005 - 10 A 2017/03 - BauR 2005, 1459).
24 
b) Wie die Klägerin zu Recht einwendet, wird der beanstandete Balkon des Gebäudes ... in dem bei den Bauvorlagen vom 14.8.2009 befindlichen „Grundriss Dachgeschoss“ genau so dargestellt, wie er ausgeführt worden ist, nämlich mit einer Breite von 5 m und einer Tiefe von - bezogen auf die Außenwand des bestehenden Gebäudes - 1,5 m. Die geplante Tiefe des Balkons von 1,5 m geht auch aus den bei den Bauvorlagen befindlichen Ansichten von Osten und Westen zweifelsfrei hervor, wenngleich sich die Ansichten nicht auf das Gebäude ..., sondern auf das - baugleiche - Gebäude ... beziehen. Weder im „Grundriss Dachgeschoss“ noch in den Ansichten von Osten und Westen ist allerdings der Abstand vermerkt, den das bestehende Gebäude von der nördlichen Grundstücksgrenze einhält. Das Gleiche gilt für den Lageplan. Der Abstand kann deshalb nur durch „Herausmessen“ bestimmt werden und beträgt danach unter Zugrundelegung des „Grundrisses Dachgeschoss“ 3 m.
25 
c) Einen die Wirksamkeit der Baugenehmigung in Frage stellenden Widerspruch zwischen den genannten Plänen und dem Abstandsflächenplan vermag der Senat anders als das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen.
26 
In dem Abstandsflächenplan ist die vor der nördlichen Außenwand gelegene Abstandsfläche mit A gekennzeichnet. Ihre Tiefe wird ausgehend von einer Wandhöhe von 7,10 m mit (7,10 m x 0,4 =) 2,84 m beziffert. Das „Planmaß zur Grenze“ wird mit 2,86 m angegeben, wobei unklar ist, ob sich dieses Maß auf die ursprüngliche Außenwand oder auf die neue, um 0,18 m verbreiterte Außenwand des Gebäudes bezieht. Eine „Überschreitung“ (gemeint wohl: Unterschreitung) des Abstands wird dementsprechend verneint.
27 
Der Abstandsflächenplan ist demnach ohne Zweifel unrichtig, was auch die Klägerin nicht bestreitet. Einen Widerspruch zu der Darstellung des Balkons in den übrigen Bauvorlagen vermag der Senat darin jedoch nicht zu sehen. In dem Abstandsflächenplan ist der Balkon nicht eingezeichnet. Über die Abmessungen des Balkons kann diesem Plan somit jedenfalls unmittelbar nichts entnommen werden. Die Höhe der Außenwand selbst, die vor ihr liegende Abstandsfläche sowie der Abstand zur Grundstücksgrenze sind in dem Plan korrekt dargestellt.
28 
Der von der Beklagten zitierte Beschluss des OVG Sachsen vom 24.6.1996 - 1 S 248/96 - (LKV 1997, 103) ist deshalb nicht einschlägig. Für den Fall, dass sich Lageplan und Abstandflächenplan hinsichtlich des Grenzabstands zum Nachbarn widersprechen, meint das OVG Sachsen, dass in aller Regel allein der Abstandflächenplan für die Lage des Baukörpers zum Nachbargrundstück hin ausschlaggebend sei. Das folge aus Sinn und Zweck dieses Plans. Das mag zutreffen. Die Lage des Baukörpers wird jedoch in dem Abstandsflächenplan nicht anders dargestellt als in den übrigen Bauvorlagen. Der Balkon wird vielmehr, wie gesagt, überhaupt nicht dargestellt, was zwar mit Blick auf die Notwendigkeit, mit dem Balkon eine eigene Abstandsfläche einzuhalten, einen Fehler des Plans bedeutet, aber keinen Widerspruch zu den übrigen Bauvorlagen in dem Sinn begründet, dass Unklarheiten über die Abmessungen des geplanten Balkons auf der Nordseite des Gebäudes bestünden.
29 
Das Argument des Verwaltungsgerichts, der Abstandsflächenplan enthalte die Erklärung, dass das Vorhaben nach seiner Lage und Höhe die Abstandsflächen einhalte oder - anders ausgedrückt-, dass es keine Bauteile in den Abstandsflächen gebe, die bei der Darstellung der Abstandsfläche hätten berücksichtigt werden müssen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ob dem Abstandsflächenplan eine solche Erklärung zu entnehmen ist, kann dabei dahin stehen. Denn selbst wenn man dies bejaht, handelt es sich dabei nur um die Äußerung einer bestimmten, tatsächlich unzutreffenden Rechtsmeinung des Bauherrn bzw. des von ihm beauftragten Planverfassers und unterstreicht damit nur die Unrichtigkeit des Abstandsflächenplans. Der Schluss, der Balkon solle möglicherweise doch nicht so, wie in den übrigen Bauvorlagen dargestellt, errichtet werden, sondern mit einer geringeren Tiefe als 1,50 m, um den in § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 LBO genannten Mindestabstand von 2 m zu der nördlichen Nachbargrenze zu wahren, kann aus dieser Äußerung nicht gezogen werden.
30 
3. Die für eine bauliche Anlage erteilte Baugenehmigung gestattet zum einen die Errichtung der betreffenden Anlage und enthält zum anderen die Feststellung, dass die Anlage den baurechtlichen sowie den anderen von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichenVorschriften nicht widerspricht (Sauter, Komm. zur LBO für Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 58 Rn. 4 m.w.N.). Die mit dieser Feststellung verbundene Legalisierungswirkung schließt es aus, die Errichtung der genehmigten Anlage als baurechtswidrigen Zustand zu werten. Ein Einschreiten gegen die Klägerin scheidet danach aus, solange die ihr am 20.4.2010 erteilte Baugenehmigung hinsichtlich des Balkons nicht zurückgenommen worden ist. Darüber, ob eine solche Rücknahme der Baugenehmigung noch möglich wäre, hat der Senat nicht zu befinden.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
33 
Beschluss
34 
Der Streitwert wird unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 2 und 52 Abs. 1 GKG).
35 
Die für die Festsetzung des Streitwert maßgebliche Bedeutung der Sache für die Klägerin ergibt sich aus den mutmaßlichen Kosten für den geforderten Rückbau des Balkons. Der Senat schätzt diese Kosten auf ungefähr 10.000 EUR. Die Befugnis des Senats, die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen zu ändern, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. November 2011 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, mit der ihm aufgegeben wurde, binnen zwei Wochen nach Bestandskraft die Garage auf dem Grundstück … zu beseitigen.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt in dem angefochtenen Urteil vom 30. November 2011 zutreffend dargestellt. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 130 b S. 1 VwGO auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang Bezug.

3

Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die verfügte Gesamtbeseitigung des streitbefangenen Gebäudes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da die Garage ihren wesentlichen Grund in der Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung durch den Beklagten habe und diesem daher als milderes Mittel der Erlass einer Rückbauverfügung zur Verfügung gestanden habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

4

Auf den Berufungszulassungsantrag des Beklagten, am 15. Dezember 2011 eingegangen, hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zugelassen (1 LA 73/11). Zur Begründung wurden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der oben genannten Annahme des Verwaltungsgerichts angeführt. Die Genehmigung sei im vereinfachten Verfahren nach § 75 LBO (a.F.) erteilt worden, bei dem die Vereinbarkeit des Gebäudes mit den Vorschriften der LBO und aufgrund LBO erlassenen Vorschriften nicht habe geprüft werden müssen (vgl. § 75 Abs. 2 LBO a.F.). Darunter falle auch Ziff. 7 b der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 5, 5. Änderung, nach der Massivgaragen in oder an den Hauptgebäuden zu errichten seien. Es spreche Überwiegendes dafür, dass es sich bei dieser Festsetzung um eine örtliche Bauvorschrift iSv nach § 92 LBO (a.F.) handele, die auch materiell-rechtlich eine baugestalterische und keine bauplanerische Regelung sei. Gehöre somit Ziff. 7 b der textlichen Festsetzungen nicht zum „Prüfungsprogramm“ bei der Erteilung der Genehmigung, sei die Genehmigung nicht rechtswidrig und erstrecke sich die formelle Legalisierungswirkung der Genehmigung nicht auf den Standort - mit der Folge, dass auch der Rückbau als milderes Mittel zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ausschiede.

5

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die nach dem seinerzeit gestellten Bauantrag vorgesehene Garage gegen die textliche Festsetzung Ziff. 7 b der 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 der Gemeinde St. Peter-Ording verstoße. Im Zusammenhang mit der textlichen Festsetzung Ziff. 7 c werde deutlich, dass es der Gemeinde mit den beiden Festsetzungen zu Massivgaragen und offenen Garagen allein um den optischen-gestalterischen-Eindruck und nicht um städtebauliche Regelungen gegangen sei. Gestalterische Festsetzungen gehörten aber gerade nicht zu den bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die nach § 75 Abs. 2 Nr. 1 LBO 2000 (ausnahmsweise) zu prüfen gewesen wären.

6

Nach eigenen Angaben des Klägers sei die Garage spätestens am 18. Februar 2009 fertig gestellt worden. Die Baugenehmigung sei zum Zeitpunkt der Anhörung (15. März 2010) aufgrund der Dauer der Unterbrechung bereits abgelaufen gewesen.

7

Bei der Garage handele es sich zu der beantragten Garage um ein aliud. Rechtserhebliche Abweichungen ergäben sich bereits aus den geänderten Abmessungen des vorhandenen Gebäudes Das Gebäude sei aufgrund der Bauausführung und der fehlenden Zufahrt nicht als Garage nutzbar. Eine Neuberechnung der Abstandsflächen gem. § 6 LBO sei erforderlich.

8

Hinzu komme, dass der Kläger von Anfang an ein anderes Gebäude, nämlich ein Abstellgebäude errichtet und benutzt habe, so dass die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu zu stelle sei. Die Aufgabe der bisherigen und die Aufnahme der beschriebenen neuen Nutzung beseitige den Bestandsschutz der früheren Nutzung.

9

Ein Rückbau bzw. eine Herstellung gemäß dem seinerzeitigen genehmigten Stand komme nicht in Betracht, da die Garage im Widerspruch zu den Festsetzungen Ziff. 7 b stehen würde. Auch als Nebenanlage in Form eines Abstellraumes wäre das Gebäude unzulässig (Ziff. 9 der textlichen Festsetzungen).

10

Der Beklagte beantragt,

11

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. November 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Zur Begründung führt er aus, dass eine Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach  § 75 LBO (a.F.) nicht minder wert sei. Die Baugenehmigungsbehörde habe den Bauantrag einschließlich der geplanten Garage überprüft und damit festgestellt, dass das Bauvorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans im Einklang stehe. Andernfalls hätte die Baugenehmigungsbehörde die Genehmigung nicht erteilen dürfen. Das gesamte Vorhaben sei mehrfach mit der Baubehörde abgestimmt gewesen; die Rechtmäßigkeit sei dabei nie in Frage gestellt worden. Er genieße Vertrauensschutz.

15

Er sei nicht der Auffassung, dass die Festsetzungen in Ziff. 7 b, auch in Verbindung mit der Festsetzung nach Ziff. 7 c, lediglich gestalterische Festsetzungen seien. Dem stehe die Begründung zum Bebauungsplan Nr. 5, 5. Änderung, entgegen. Danach handele es sich um eine städtebauliche Regelung, die angesichts des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht verletzt sei. Die zusammenhängende Freifläche auf dem klägerischen Grundstück sei dieselbe, ob die Garage nun an der genehmigten Stelle gebaut oder leicht versetzt oder am Hauptgebäude angebaut worden wäre. Zudem sei die Garage an den Massivbaukörper der Nachbargarage angeschlossen, welche darüber hinaus auch eine bis dahin freistehenden Massivgarage gewesen sei, so dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes auch hinsichtlich der Konzentration der Baukörper erfüllt seien.

16

Schließlich sei bemerkenswert, dass dieser Bebauungsplan bereits 10 Jahre Gültigkeit gehabt habe, als der Kläger seine Bauanfrage gestellt habe, so dass die Behörde auch im vereinfachten Verfahren sofort hätte erkennen können und müssen, dass das Vorhaben mit der vom Hauptgebäude getrennten Garage nicht genehmigungsfähig sei.

17

Die Beseitigungsverfügung sei letztlich mindestens unverhältnismäßig. Wenn die Beklagte der Auffassung sei, dass die Baugenehmigung rechtswidrig sei, hätte sie sie mit den sich daraus ergebenden verwaltungsrechtlichen Folgen zurücknehmen müssen.

18

Bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben handele es sich nicht um ein aliud. Dies gelte jedenfalls ohne Weiteres für den wesentlichen Baukörper, der allenfalls als „minus“ zum ursprünglich genehmigten Baukörper anzusehen sei. Dass in dem Zeitraum vom 18. Februar 2009 bis zum Erlass der Anhörung keine rechtlich relevanten Bauarbeiten stattgefunden hätten, sei einerseits auf Bautätigkeiten nur außerhalb der Touristensaison zurückzuführen andererseits der zwischenzeitlich angekündigten Beseitigungsverfügung geschuldet.

19

Im Übrigen gehe er von einer Legalisierungswirkung einer unanfechtbaren Baugenehmigung trotz ihres nachträglichen Erlöschens aus.

20

Bestritten werde, dass die Garage bereits genutzt worden sei; insbesondere nicht als Abstellraum. Gelagert würden dort nur Baumaterialien, die zur Errichtung der Garage verwendet worden bzw. noch zu verwenden seien. Gleiches gelte für entsprechendes Werkzeug.

21

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt ist - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die angefochtene Beseitigungsverfügung vom 24. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

23

Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Beseitigungsverfügung ist § 59 Abs. 2 Nr. 3 LBO 2009. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

24

Das Vorhaben war bei seiner Errichtung sowohl formell (dazu 1) als auch materiell (dazu 2) rechtswidrig. Es waren zudem nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände herstellbar (dazu 3) und das Ermessen wurde vom Beklagten fehlerfrei ausgeübt (dazu 4).

25

1) Die Garage ist ohne Genehmigung errichtet worden und damit formell illegal. In ihren Ausmaßen (insbesondere 9,10 m Länge) bedurfte es zu ihrer Errichtung einer Baugenehmigung, vgl. §§ 68 Abs. 1, 69 Abs. 1 Nr. 1 a i.V.m. § 6 Abs. 10 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 LBO 2000. Der Standort und die Ausführung der Garage waren nicht von der Baugenehmigung vom 05. Oktober 2005 umfasst. Denn es handelt sich bei der Festsetzung Ziff. 7 b der 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 der Gemeinde Sankt Peter-Ording um eine örtliche Bauvorschrift i.S.v. § 92 LBO (idF vom 11.07.1994 als die zur Zeit des Satzungsbeschlusses über die 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 [= 16. November 1995] maßgeblichen Fassung). Somit gehörte sie nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 75 LBO 2000 (als maßgebliche Fassung für die Baugenehmigung vom 05. Oktober 2005) und war damit nicht Gegenstand dieser Baugenehmigung. Die Legalisierungswirkung reicht nur so weit, wie das materielle Baurecht Prüfungsmaßstab bei der Erteilung der Baugenehmigung war (vgl. Domning/Möller/Suttkus, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Band 2, Stand: Juni 2004, § 66 Rn. 45).

26

Nach § 75 Abs. 2 Nr. 1 LBO 2000 wurde im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Vereinbarkeit mit den Vorschriften dieses Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes nicht geprüft; das galt nicht für die Vereinbarkeit von Vorhaben mit den §§ 6, 7 (Abstandsflächen), § 37 Abs. 2 (Dächer) und § 55 (notwendige Stellplätze und Garagen), bei Gebäuden mittlerer Höhe zusätzlich § 19. Der Ausnahmefall des § 55 LBO 2000, der sich gerade mit Garagen befasste, ist vorliegend nicht einschlägig, da in diese Prüfung nur die „notwendigen Garagen“, d. h. nur die für das Hauptvorhaben notwendige Anzahl der Garagen und Stellplätze eingestellt wurden. Diese Vorschrift umfasste aber gerade keine Vorgaben - und damit auch kein Prüfprogramm - zum Standort oder zur Gestaltung der (notwendigen) Garage.

27

Bei der textlichen Festsetzung Ziff. 7 b - auch in Verbindung mit Ziff. 7 c - in der 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 handelt es sich um eine örtliche Bauvorschrift i.S.v. § 92 LBO. Zunächst zitiert die Satzungsbegründung § 92 LBO als Erlassvorschrift; formell wurden die Festsetzungen also hierauf gestützt. Das ist in einem Bebauungsplan verfahrensrechtlich möglich (§ 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 92 Abs. 4 S. 1 LBO). Die Festsetzung ist auch materiell von § 92 Abs. 1 Nr. 1 LBO gedeckt: Danach können die Gemeinden örtliche Bauvorschriften durch Satzungen erlassen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten, genau abgegrenzten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets.

28

Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass die Begründung zu den Festsetzungen betreffend Garagen, die auf die Konzentration von Massivbaukörpern und die Vergrößerung zusammenhängender Flächen abstellt, auf eine bauplanerische Festsetzung hindeuten könnte. In der Tat spricht dieser Wortlaut der Begründung zur 5. Änderung des B-Plans Nr. 5 zunächst für eine Regelung betreffend den Standort der Garage auf den Grundstücken im Plangebiet, so dass dies für eine bauplanerische/städtebauliche Regelung sprechen könnte, die von der Prüfung im vereinfachten Verfahren nach § 75 LBO 2000 nicht ausgenommen wäre. Auch die Ziff. 7 b selbst enthält eine Vorgabe zur Lage der Massivgarage auf dem Grundstück, nämlich nur „in oder an den Hauptgebäuden“. Dies ist eine Abweichung von der grundsätzlichen Möglichkeit, auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche und in Abstandsflächen Garagen als bauliche Anlagen zu errichten (vgl. § 6 Abs. 10 Nr. 1 LBO 2000/§ 6 Abs. 7 Nr. 1 LBO 2009; § 23 Abs. 5 BauNVO). Weiterhin könnte für eine bauplanungsrechtliche Regelung § 9 Abs. 1 Nr. 4 2. Var. BauGB sprechen, wonach in Bebauungsplänen aus städtebaulichen Gründen Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten festgesetzt werden können. Allerdings umfasst diese Ermächtigungsgrundlage wiederum nur die Möglichkeit, inhaltlich zu bestimmen, auf welchen Flächen Stellplätze oder Garagen zulässig sein sollen. In dieselbe Richtung weist § 12 Abs. 6 BauNVO, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass in Baugebieten oder in bestimmten Teilen von Baugebieten Stellplätze und Garagen unzulässig oder nur in beschränktem Umfang zulässig sind, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Die Regelung umfasst die Ermächtigung zu Festlegungen im Hinblick auf z. B. sachliche Begrenzungen (d. h. nur Stellplätze oder nur Garagen auszuschließen), die Unterart der Kraftfahrzeuge, deren Abstellen die Anlage dient (z.B. nur Lkw) oder die Begrenzung der Anzahl (vgl. Ziegler, in: Brügelmann, Komm. zum BauGB, Stand: Febr. 1997, § 12 BauNVO, Rn. 93 ff.). Sie enthält hingegen keine darüber hinausgehenden (auch) gestalterischen Festsetzungsmöglichkeiten. Es ist aber auch aus der Begründung zur 5. Änderung des B-Planes Nr. 5 heraus nicht ersichtlich, dass die Gemeinde materiell im Sinne der vorgenannten Vorschriften im Plangebiet bzw. in Teilen davon Garagen nur in beschränktem Umfang zulassen oder sie in den nicht überbaubaren Grundstücksflächen ausschließen wollte. Auch wenn - wie dargelegt - der Wortlaut der Begründung als Planungsziel „die Konzentration von Massivbaukörpern auf den einzelnen Grundstücken und somit die Vergrößerung zusammenhängender Flächen“ anführt, (auch) die Lage auf den Grundstücken betrifft, liegt der Schwerpunkt der Festsetzung jedoch (auch unter Berücksichtigung des Wortlautes) auf dem gestalterischen Element in Bezug auf den Baukörper und die damit einhergehende Positionierung der Garagen auf dem Grundstück. Maßgeblicher Hintergrund für die Verwirklichung des Planungszieles ist die äußere Gestalt des Baukörpers: Denn erst der Baukörper „Massivgarage“ kann einen Eindruck der Konzentration nach sich ziehen und Freiflächen beeinträchtigen; übrige Garagenbaukörper, namentlich die benannten offenen Garagen (sog. Carports) in Ziffer 7 c, vermitteln diesen Eindruck gerade nicht, weshalb sie dem Planungsziel auch nicht entgegenstehen (vgl. Planbegründung). Dafür spricht auch, dass für diese gerade keine Lagebestimmung auf dem Grundstück in die Festsetzung Ziff. 7 c mit aufgenommen wurde; vielmehr sind sie freistehend überall auf dem Grundstück zulässig. Dies schließt aber gerade die Annahme einer Festsetzung nach den oben genannten Vorschriften (§ 9 Abs. 1 BauGB, §§ 12 Abs. 6, 23 Abs. 5 BauNVO) aus. Die Normen beinhalten zudem gerade keine Ermächtigung zum Erlass auch solcher Festsetzungen, die die Gestalt der Baukörper betreffen. Das zu verwendende Material wurde in Ziff. 7 b und 7 c bestimmt, nämlich „massiv“ bzw. „Holzbauweise“; dies ist unzweifelhaft ein gestalterisches Element. Gleiches gilt für die Begründung betreffend Carports als „leichte, lichte, meist eingegrünte Baukörper in Holzbauweise“. Freiflächen gehören auch zum äußeren Erscheinungsbild und damit der Gestaltung der Grundstücke in dem Plangebiet.

29

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 10.07.1997 - 4 NB 15/97 -, zitiert nach juris, m. w. N.) leistet zwar auch das Städtebaurecht einen Beitrag zur Gestaltung des Ortsbildes über die Vorschriften, die die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2, § 34 Abs. 1 Satz 2 und § 35 Abs. 3 BauGB). Das städtebauliche Instrumentarium reiche unter diesem Blickwinkel indes nur soweit, wie das Baugesetzbuch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten eröffne. Zur bodenrechtlichen Ortsbildgestaltung stehe der Gemeinde der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Gestaltungsvorschriften, die hierüber hinausgingen, ohne den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung zu haben, stünden dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht offen. Die hier getroffenen Festsetzungen zu Massiv- und offenen Garagen sind aber zum einen schon keine Regelungen über Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche. Zum anderen enthält § 9 Abs. 1 BauGB, wie bereits dargelegt, keine Gestaltungsermächtigung, wie sie hier in Rede steht.

30

Die bauliche Verdichtung - die auch vorliegend i.S.d. Konzentration von Massivbaukörpern Teil des Planungszieles ist - kann nach der bisherigen Senatsrechtsprechung ein Gestaltungskonzept sein. In einem vergleichbaren Fall über eine Beseitigungsverfügung betreffend eine Doppelgarage mit Anbau hat der Senat ausgeführt (Beschl. v. 12.04.2006 - 1 LA 107/04 -):

31

 „Die örtlichen Gestaltungsvorschriften des Bauordnungsrechts stehen dabei selbständig neben städtebaulichen Nutzungsbeschränkungen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Band V, Stand September 2005, § 12 BauNVO Rdnr. 8). Sie regeln die äußere Gestaltung baulicher Anlagen und umfassen damit auch Bauvorschriften über die maximale Grundfläche von Garagen.

(...)

32

Wie aus Ziffer 1. der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 11 hervorgeht, verfolgte die Gemeinde … bei der Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplans das Ziel, eine bauliche Verdichtung im Geltungsbereich des B-Plans zu verhindern. Die Verfolgung dieses Gestaltungskonzepts ist nicht zu beanstanden und rechtfertigt deshalb die im B-Plan vorgesehene Grundflächenbeschränkung für Garagen.“

33

Da die Baugenehmigung vom 05. Oktober 2005 damit nicht den Standort und die Ausführung der Garage umfasste, bedarf es daher keiner weiteren Ausführungen zu den Argumenten der Beteiligten betreffend das Erlöschen der Genehmigung bzw. des Bestandsschutzes wegen Unterbrechung der Bautätigkeit über ein Jahr (§ 75 LBO 2009) bzw. wegen der nicht mehr von der Genehmigung gedeckten Errichtung eines aliuds oder Umnutzung zu einem Abstellraum.

34

Die Argumente des Klägers zum Verfahren und zur geführten Korrespondenz stehen der formellen Rechtswidrigkeit nicht entgegen. Zum einen ist bereits dem Verwaltungsvorgang zum Bauantrag zu entnehmen, dass der Kläger einen solchen im vereinfachten Verfahren gem. § 75 LBO 2000 gestellt hat. Seinem Entwurfsverfasser wurde darüber hinaus telefonisch laut aktenkundigem Vermerk des Beklagten (Bl. 1 Beiakte C) mitgeteilt, dass die Garagengröße nicht geprüft werde (§ 75), maßgebend für die Ausführung sei die Festsetzung gemäß B-Plan. Auf eine Unkenntnis über den Genehmigungsumfang kann der Kläger sich schon deshalb nicht berufen. Zum anderen erreicht die von ihm angeführte Korrespondenz mit dem Beklagten in Gestalt von Hinweisen, informellen Gesprächen keinen Grad (auch bereits nicht der Form nach), der im Sinne einer Zusicherung ihm zu einem Anspruch auf die Beibehaltung der Garage in der vorgenommenen Ausführung verhelfen könnte, auch nicht im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null auf der Rechtsfolgenseite.

35

Dem Kläger ist letztlich nicht darin zuzustimmen, dass der Beklagte bei Feststellen eines Verstoßes gegen die Festsetzungen des B-Planes die Baugenehmigung nicht hätte erteilen dürfen. Dem ist unter Verweis auf die obigen Voraussetzungen nur insoweit beizupflichten, als es sich dabei um zum Prüfprogramm des vereinfachten Verfahrens gehörende Vorschriften handelt. Nicht darunter fallende Vorgaben (wie hier die Festsetzungen über die Garagen als örtliche Bauvorschriften) können jedoch keinen Versagungsgrund für die Baugenehmigung darstellen, auf die ja gerade ein Anspruch bei Vorliegen aller Prüfvoraussetzungen besteht (vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 LBO 2000/§ 73 Abs. 1 S. 1 LBO 2009)

36

2) Das Vorhaben war bei seiner Errichtung auch materiell rechtswidrig. Die Errichtung der Massivgarage verstößt gegen die Festsetzung Ziff. 7 b der 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 der Gemeinde Sankt Peter-Ording. Denn es handelt sich nach dem dem Gericht vorliegenden Aktenmaterial einschließlich Lichtbildaufnahmen unstreitig um einen vierseitig geschlossenen Massivbaukörper in weißer Verklinkerung (vgl. Bl. 5-7 Beiakte A), welcher nicht an das Haupthaus auf dem klägerischen Grundstück angebaut wurde, sondern an die (zuvor ebenfalls freistehende) nachbarliche Massivgarage auf der Grundstücksgrenze (Flurstücke …, …). Die Festsetzungen sind auch nicht dadurch erfüllt – wie der Kläger meint –, dass er die Garage an eine andere Massivgarage angebaut hat, demnach eine Konzentration im Sinne des B-Planes gegeben sei und dies auch für die Freifläche keinen Unterschied mache. Zum einen handelt es sich bei dem anderen Massivbaukörper um einen auf einem anderen Grundstück belegenen und nicht um einen auf dem (für die Festsetzungen maßgeblichen) eigenen Grundstück. Zum anderen verkennt der Kläger damit die Bedeutung einer zusammenhängenden Freifläche (ohne Massivbaukörper), wie sie in der Begründung zum Bebauungsplan angeführt wird. Diese wird gerade durch die Teilung der Massivbaukörper (Haupthaus/Garage) verkleinert.

37

Zu Gunsten des Klägers spricht auch nicht der Gesichtspunkt, dass bei der Prüfung der materiellen Legalität stets die günstigere Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen ist. Dies gilt sowohl für das Widerspruchs- als auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.1957 - IC 168.56 -, zitiert nach juris). Es wäre sinnwidrig, eine Anlage abreißen zu lassen, deren Errichtung nach der Beseitigung sofort wieder zugelassen werden müsste, weil die Anlage in der Zeit nach der letzten Behördenentscheidung etwa durch Inkrafttreten eines Bebauungsplanes rechtmäßig geworden ist. Die Bauaufsichtsbehörde hat die Beseitigungsverfügung unter Kontrolle zu halten und auch nach deren Erlass zu Gunsten des Betroffenen Änderungen der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 17.08.1984 - 1 A 127/81 -, zitiert nach OVG Schleswig, Beschl. v. 15.08.1995 - 1 M 77/94 -, wiederum zitiert nach juris).

38

Diese Gesichtspunkte sind allesamt im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil weder eine geänderte Sach- noch Rechtslage vorliegt, die die Massivgarage als Grenzgarage getrennt vom Hauptgebäude rechtlich zulässig machen würde.

39

3) Es waren auch nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände herstellbar. Namentlich eine Rückbauverfügung auf das materiell zulässige Maß entsprechend den Festsetzungen des B-Plans Nr. 5, 5. Änderung, war vom Beklagten zutreffend nicht in Betracht zu ziehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein entsprechender Rückbau vom Kläger im Rahmen des Beseitigungsverfahrens einschließlich Widerspruchsverfahrens selbst nicht näher konkretisiert und beim Beklagten beantragt wurde. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, eingehend zu prüfen, ob andere, ebenso geeignete Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, z. B. ob dem rechtswidrigen Zustand durch bauliche Änderungen anstelle eines Abbruchs abgeholfen werden kann. Eine Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde, unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Eingriffs ihrerseits nach anderen, ebenso geeigneten Maßnahmen zu suchen, kommt nur in Frage, wenn sich solche Maßnahmen aufdrängen (vgl. Domning/Möller/Suttkus, a.a.O., § 86 Rn. 69, m.w.N.). Im Übrigen ist es Sache des Pflichtigen, ein Austauschmittel vorzuschlagen, so die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 12.06.1973 - IV B 58.72 -, zitiert nach juris, Rn. 5). Dort heißt es:

40

 „Unzutreffend ist schließlich auch die Ansicht des Klägers, daß das zuständige Landratsamt mit der Beseitigungsverfügung deshalb gegen das Übermaßverbot verstoßen habe, weil es allenfalls eine den Kläger minder belastende (Änderungsmaßnahme) Maßnahme hätte anordnen dürfen. Der beschließende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des I. Senats (vgl. Beschluß vom 8.Dezember 1964 - BVerwG I B 208.64 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 17a S. 53)) mehrfach ausgesprochen, daß es bei Beseitigungsverfügungen grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Behörde ist, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand nicht vielleicht auch durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen werden könnte (vgl. die Beschlüsse vom 29. September 1965 - BVerwG IV B 214.65 - in Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 18 S. 54 (55), vom 16. Dezember 1965 - BVerwG IV B 104.65 - (S. 3) und vom 3. März 1966 - BVerwG IV B 30.66 - (S. 3)). Derartige Überlegungen anzustellen, ist Sache des jeweils Betroffenen, und zwar nicht nur, weil ihm die zu beantwortenden Fragen in der Regel leichter zugänglich sind, sondern ferner und vor allem deshalb, weil bei der Abwägung zwischen mehreren Möglichkeiten abzustellen ist nicht auf "objektive" Maßstäbe, sondern ausschlaggebend "auf die Interessenlage des Betroffenen, wie er selbst sie versteht und bewertet" (Urteile vom 19. Oktober 1966 - BVerwG IV C 57.64 - in MDR 1967, 241 (242) und vom 15. März 1968 - BVerwG IV C 126.65 - in Buchholz 406.33 § 12 LBG Nr. 5 S. 20 (21)). Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen reicht aus, daß die Behörde an ihrer Beseitigungsverfügung nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (vgl. dazu auch § 41 Abs. 2 PrPVG). Dafür, daß dies im vorliegenden Falle geschehen wäre, läßt sich weder dem angefochtenen Urteil noch dem Beschwerdevorbringen des Klägers etwas entnehmen.

41

Zudem reicht der Vergleichsvorschlag des Klägers vom 09.08.2012 in diesem gerichtlichen Verfahren, der sich allein mit der zweiseitigen Öffnung der Garage durch Entfernen der Flügeltüren nebst Rahmen befasst, für eine den Festsetzungen Ziff. 7 b oder 7 c der 5. Änderung des B-Planes Nr. 5 entsprechende Garage nicht aus. Es ist auch zumindest nicht offensichtlich, dass die in Streit stehende - derzeitige - Massivgarage, mit ihrer tatsächlichen Belegenheit und Ausführung auf ein materiell-rechtlich zulässiges Maß, den Festsetzungen Ziffer 7 b oder 7 c entsprechend, rückbaufähig ist. Bilden rechtswidrige und rechtmäßige Bauteile einer Anlage eine untrennbare Einheit, kommt grundsätzlich nur die vollständige Beseitigung der Anlage in Betracht, es sei denn, der Betroffene bietet von sich aus einen - genehmigungsfähigen - Umbau der Anlage an (vgl. Domning/Möller/Suttkus, a.a.O., § 86 Rn. 66, m.w.N.).

42

Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, wie der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 angeführt hat, kommt rechtlich aus den dort zutreffend dargestellten Gründen – auf die Bezug genommen wird – nicht in Betracht. Der Kläger hat die gegen die eigenständige Ablehnung des Befreiungsantrages (Bescheid vom 21. Juli 2010, Widerspruchsbescheid vom 08. November 2010) erhobene Klage (8 A 199/10) zurückgenommen.

43

4) Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Erlass einer Beseitigungsverfügung entspricht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 59 Abs. 2 Nr. 3 LBO 2009 grundsätzlich dem Zweck der Vorschrift und damit einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Die Bauaufsichtsbehörde handelt daher rechtmäßig, wenn sie - wie hier - in Übereinstimmung mit dem Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage die Beseitigung einer materiell rechtswidrig errichteten Anlage anordnet. Sie muss in ihrer Entscheidung lediglich zum Ausdruck bringen, dass ihr bewusst war, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. Domning/Möller/Suttkus, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Band 2, Stand: Oktober 2005, § 86 Rdnr. 50 und 53). Vorliegend hat der Beklagte zwar nicht in der Ordnungsverfügung vom 24. August 2010 solche Erwägungen angestellt, jedoch in dem Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011 die Gründe für die von ihm getroffene Ermessensentscheidung angegeben. Hierbei hat er insbesondere darauf verwiesen, dass die Beseitigungsanordnung erforderlich sei, um einen rechts- und ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen. Auch solle eine negative Vorbildwirkung vermieden werden. Mangels eines Angebots des Klägers über ein konkretes materiell-rechtlich zulässiges Austauschmittel bis zu diesem Zeitpunkt (siehe oben unter 3)), als dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermessensentscheidung bei unveränderter Sach- und Rechtslage, brauchte der Beklagte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Rückbauverfügung als milderes Mittel gegenüber der Beseitigungsverfügung in Erwägung ziehen.

44

5) Ist die Beseitigungsanordnung nach alledem rechtlich nicht zu beanstanden, ist auch die auf der Grundlage der §§ 236, 237 Abs. 1 Nr. 1 LVwG erfolgte Androhung, für den Fall der nicht fristgerechten Beseitigung der streitigen Garage ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € festzusetzen, rechtmäßig.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

47

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Bereich der Südböschung und des sog. "Ostsees" im Tontagebau E..

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Die Gemeinschuldnerin betrieb in den 1990er Jahren auf der Grundlage bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen u.a. den Tontagebau E.. Seit September 2005 führte sie auf der Grundlage des mit Bescheid des Beklagten vom 05.03.2004 zugelassenen Sonderbetriebsplans "Verfüllung/Rekultivierung – Teilfeld II – für den Tontagebau E." Arbeiten zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche durch. Hierbei verfüllte sie die Tongrube u.a. mit Abfällen mit einem hohen Anteil an klein geschreddertem Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen.

3

Im Süden des Teilfelds II war nach einem Bericht der Gesellschaft für Umweltsanierungstechnologie mbH (G.U.T.) vom 12.06.2012 (Planung Südböschung und Ostsee TTB E., Teil 3: Ausführungsplanung – technische Leistungsbeschreibung) bei Beendigung der Verfüllung im Jahr 2008 eine freie ("übersteile") Böschung von ? 30 m Höhe oberhalb des Abfallkörpers verblieben, die sog. "Südböschung". Dort war es zu einem Anschnitt einer grundwasserführenden Kiesrinne gekommen. Bereits während des Tagebaubetriebs, aber auch im Zuge der Verfüllung der Tagebauhohlform kam es zu Böschungsabbrüchen bzw. Rutschungen und Wasserzutritten. Im Bereich der Südböschung waren murenartige Böschungsbewegungen, Böschungsdeformationen, Rissbildungen und Erosion im freiliegenden oberen Teil festzustellen. Ein Grund hierfür waren anhaltende, nicht unerhebliche Wasserzutritte im Böschungssystem aus der im Zuge der Abbautätigkeit partiell angeschnittenen Kiesrinne und aus oberflächennahem Schichtenwasser. Eine Vermessung im Februar 2012 zeigte erhebliche Veränderungen des Böschungsreliefs um mehrere Meter gegenüber einer vorangegangenen Vermessung von September 2010. Die Böschungsoberkante hatte sich in relativ kurzer Zeit um 2 bis 5 m in Richtung Hinterland verschoben. Auch die Abdeckung der Abfälle im Teilfeld II Süd wurde insbesondere durch murenartige Böschungsbewegungen am Böschungsfuß bis zu 20 m überlagert, wodurch die Zugänglichkeit der Fläche z.B. für die Installation von Gasfassungssystemen zunehmend eingeschränkt wurde. Zudem war durch die nicht stabilen Böschungsverhältnisse im oberen Teil der Südböschung die Freilegung von Gasmigrationswegen im durch Setzungen bzw. Sackungen gekennzeichneten, zugbeanspruchten Randbereich von Abfallkörper und Böschung zu besorgen. Die Böschung enthielt Zwischenlagen von abgerutschten Kies- bzw. Sandlagen und gering verdichteten gemischtkörnigen Böden, die in Verbindung mit Rissbildungen jederzeit zu Gaswegsamkeiten führen konnten.

4

Im Bereich des Böschungskopfes der Südböschung wurde bei Erkundungsarbeiten sog. "Müllbeton" angetroffen. In einer Stellungnahme zur Bewertung des Müllbetons in der Südböschung des Tontagebaus E. vom 11.06.2012 führt die G.U.T. hierzu aus:

5

"Der Abbau im Tontagebau wurde auf einer Länge von ca.110 m und einige Meter tief bis fast an den Feldweg getrieben mit anschließender Rückverfüllung mit Bodenmaterial. Hinter der Abbaukante als Fahrweg, aber scheinbar auch zur Überdeckung der Abbaukante, wurde sog. "Müllbeton" eingebaut. Südlich der Abbaukante ist heute eine Müllbetonstraße sichtbar. Nördlich angrenzend ist der Müllbeton durch Setzungen der Auffüllung abgerutscht und mit Boden überdeckt. Die Abfallablagerung "Müllbeton" ist ca. 130 m lang und inkl. des überdeckten Teils ca. 10 m breit. Der Einbau erfolgte in einer Stärke von ca. 1 m, wobei der überdeckte Teil in Abhängigkeit der Böschungsdeformation aktuell bis ca. 2,5 m Tiefe reicht und teilweise mit Boden vermischt ist. An der Unterkante der Müllbetonablagerung ist der Boden schwarz verfärbt. Die Menge des dort lagernden Müllbetons inkl. Müllbeton-Boden-Gemische beläuft sich auf ca. 1.700 m³ bzw. 3.500 bis 4.000 t. Der Müllbeton ist in Festigkeit und Zusammensetzung als stark inhomogen anzusprechen. Der Müllbeton besteht überwiegend aus tonigem Bodenmaterial im Gemisch mit zerkleinerten, augenscheinlich hausmüllähnlichen Abfällen und einem Bindemittel (unter Berücksichtigung des basischen pH-Wertes und der Festigkeit ist von Zement auszugehen). Bei Erkundungsarbeiten wurden im Müllbeton an einer Stelle auch Plastik-Einwegspritzen, Kanülen, Teststreifen und Röhrchen gesichtet. Es könnte sich hier um Labor- oder Krankenhausabfälle handeln. Bei den späteren Probenahmen an anderen Stellen waren diese Bestandteile nicht zu beobachten."

6

In den Proben der Müllbetonstraße Südböschung wurde in auffälligen Konzentrationen TOC, DOC, Phenole und Kupfer im Eluat und Barium, Blei, Zink und Kupfer im Feststoff ermittelt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass von der Müllbetonstraße über den Wirkungspfand Boden-Grundwasser Gefahren für die Umwelt ausgingen. Da der Müllbeton frei an der Oberfläche lag, wurde zudem grundsätzlich eine Gefährdung des Schutzgutes Mensch über den Direktpfad festgestellt.

7

Die Gefährdungen im Bereich der Südböschung wurden in dem Bericht der G.U.T. vom 12.06.2012 wie folgt zusammengefasst:

8
"Die obere Schicht der Böschung aus aufgeweichter, toniger Auffüllung ist langlebig instabil, führt zu murenartigen Böschungsbewegungen und ist nicht begehbar (Lebensgefahr bei Verschüttung/Versackung).
9
Die weitere Verlagerung der Böschungskante Richtung Süden führt zur fortschreitenden Flächeninanspruchnahme und zur fortschreitenden Beeinträchtigung benachbarter fremder Grundstücke. Die gefahrlose Nutzung des angrenzenden Wirtschaftsweges ist nicht gegeben (dauerhafte Sperrung zu Lasten Dritter).
10
Die fortschreitenden Böschungsdeformationen und der gegenwärtige Böschungszustand behindern die Sicherungsmaßnahmen an den Abfällen im Teilfeld II Süd, wie z.B. Gas- und Sickerwasserfassungen. Für eine sachgerechte Sicherung des hinterlassenen Tagebaurestloches einschließlich der eingebrachten Abfallmassen sind dauerhaft standsichere geometrische Randbedingungen im Bereich der Böschungssysteme unverzichtbar.
11
Im durch Setzungen/Sackungen gekennzeichneten, zugbeanspruchten Randbereich Abfallkörper/Böschung ist die Freilegung von Gasmigrationswegen mit Deponiegasaustritten zu besorgen.
12
Die nicht unerheblichen Wasserzutritte im Böschungssystem führen zur weiteren Deformation der Böschung, darüber hinaus erhöhen die Wasserzutritte den Aufwand der Tagwasserhaltungen im Tagebau.
13
Die Müllbetonablagerung am Top der Böschung ist eine Gefahr für Boden und Grundwasser, die beseitigt werden muss. Dazu sind standsichere, den Anforderungen der Arbeitssicherheit entsprechende Bedingungen zu schaffen."
14

Östlich des Teilfelds II Süd liegt der sog. "Ostsee". Hierbei handelt es sich um ein nicht mehr benötigtes, mit Tagwasser gefülltes Becken außerhalb des zentralen Abfall- bzw. Müllablagerungsbereiches. Die ca. 6 bis 7 m hohen Böschungen im Norden und Osten liegen unmittelbar an der Grenze des Tagebaus und sind durch Ausbrüche und kleinere Rutschungen geprägt. In der Vergangenheit kam es bei Schneeschmelze bereits zu einem Wassereinbruch aus dem angrenzenden Randgraben mit der Folge von Überflutungen bis in das Teilfeld II Süd. Der untere Böschungsteil befindet sich unter Wasser, wobei der die Böschungsstabilität maßgeblich beeinflussende Wasserstand im Ostsee nicht reguliert ist.

15

Die Gefährdungen im Bereich des Ostsees wurden in dem Bericht der G.U.T. vom 12.06.2012 wie folgt zusammengefasst:

16
"Der so genannte "Ostsee" stellt eine unzureichend ausgeführte Wasserhaltung bzw. eingeschränkte Beherrschung von Zutritten von Oberflächen- und Niederschlagswasser dar.
17
Der Wasserstand im Ostsee beeinträchtigt die Böschungsstabilität, umso mehr, als der Wasserstand nicht reguliert ist.
18
Der rückschreitende Böschungsrand führt zu einer fortschreitenden, unkontrollierten Flächeninanspruchnahme. Eine Beeinträchtigung Dritter ist dadurch gegeben.
19
Durch die unmittelbare Nähe der Randgräben zur Wasserfassung und -ableitung besteht die Gefahr unkontrollierter Wasserzutritte in den Ostsee und das weitere Teilfeld II Süd. Dadurch können auch die Sicherungsmaßnahmen an den Abfällen im Teilfeld II Süd, wie z.B. Gas- und Sickerwasserfassungen, beschädigt oder behindert werden.
20
Die Wasserzutritte erhöhen darüber hinaus den Aufwand der Tagwasserhaltungen im Tagebau."
21

Die Gemeinschuldnerin ist inzwischen insolvent. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 11.02.2009 wurde der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Den Tontagebaubetrieb führte er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht weiter.

22

Mit Bescheid vom 07.08.2012 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung folgender Sicherungsmaßnahmen im Tontagebau E. an:

23

"1.1. Bereich Südböschung

24

a. Die auf der Böschungsschulter der Südböschung errichtete Müllbetonstraße ist zu beseitigen. Hierfür ist die Müllbetonstraße auszubauen und das ausgehobene schadstoffhaltige Material vom Tagebaugrundstück zu entfernen.

25

b. Die Böschung ist zur Verhinderung von Rutschungen und Setzungen dauerhaft standsicher zu gestalten. Dabei ist insbesondere die in der Böschung vorhandene Kiesrinne durch Einbau einer Tonsperre als geologische Barriere abzudichten. Darüber hinaus sind die Böschungsoberflächen gegen Abspülungen/Erosion zu sichern.

26

1.2. Bereich Ostsee

Das im Ostsee vorhandene Wasserreservoir ist abzupumpen. Anschließend ist die Nord- und Ostböschung dauerhaft standsicher zu gestalten, indem der Hohlraum verfüllt und die Böschung abgeflacht und angestützt wird. Die Oberfläche des verfüllten Hohlraumes ist zur Vermeidung von Wasserzutritten in den Tagebau mit einer Abdeckung zu sichern."

27

Mit der Durchführung der Maßnahmen sollte der Kläger spätestens am 24.08.2012 durch Beauftragung eines geeigneten Unternehmens beginnen. Die Beauftragten sollten verpflichtet werden, mit der Umsetzung der Maßnahmen sofort nach ihrer Beauftragung zu beginnen. Die Auftragsvergabe sollte dem Beklagten bis zum 31.08.2012 angezeigt werden. Die Durchführung der Maßnahmen sollte bis spätestens 31.03.2013 abgeschlossen und dem Beklagten nachgewiesen sein. Für den Fall, dass der Kläger bis zu dem genannten Termin mit den aufgegebenen Maßnahmen nicht begonnen haben sollte, wurde die Ersatzvornahme angedroht. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden auf ca. 1,1 Mio. € geschätzt.

28

Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Gewinnung sei insbesondere im Bereich der Südböschung nicht in standsicherer Art und Weise erfolgt. Darüber hinaus sei an der Süd-West-Flanke der Südböschung eine Kies-/Sandrinne angeschnitten worden, über die Wasserwegsamkeiten möglich seien. Zur Überdeckung der Abbaukante und als Fahrweg sei eine Straße aus Müllbeton errichtet worden. Aufgrund der sog. Müllbetonstraße lägen Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen vor, die über die Wirkpfade Boden-Mensch und Boden-Grundwasser geeignet seien, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Die Südböschung sei nicht ausreichend dauerstandsicher. Konkret bestehe z.B. die Gefahr, dass sich die murenartigen Rutschungen weiter fortsetzten und damit Gefahrenabwehrmaßnahmen etwa im Hinblick auf Gasfassungsmaßnahmen verhindert würden. Darüber hinaus sei zu erwarten, dass sich die Böschungsoberkante weiter in Richtung Süden verlagere und damit benachbarte Grundstücke beeinträchtige. Auch sei durch Setzungen bzw. Sackungen die Freilegung von Gasmigrationswegen mit Deponieaustrittsgasen zu erwarten. Im Hinblick auf den Ostsee seien die Nord- und Ostböschung nicht hinreichend standsicher. Die Böschungsstabilität werde insbesondere durch den Wasserstand beeinträchtigt. Durch Zutritte von Oberflächen- und Niederschlagswasser steige der Wasserstand im Ostsee kontinuierlich an. Um ein Überlaufen in den Tagebau zu verhindern, müsse der Ostsee in regelmäßigen Abständen leergepumpt werden. Langfristig sei die Beseitigung der Wasserfläche Ostsee und dessen Teilverfüllung in Verbindung mit der Abflachung und Anstützung der Nord- und Ostböschung erforderlich. Dadurch sollen zum einen die Böschungen dauerhaft stabilisiert werden. Andernfalls könne bei einem Wegbrechen der Böschungen Wasser aus den unmittelbar angrenzenden Randgräben in den Ostsee und den Tagebau eintreten. Zum anderen sei generell dauerhaft der Zutritt von Oberflächen- und Niederschlagswasser über den Ostsee in den Tagebau zu verhindern, um insbesondere einen Anstieg des Sickerwasserspiegels im Abfallkörper zu vermeiden und andere Sicherungsmaßnahmen wie z.B. Gas- und Sickerwasserfassungen sowie Wasserhaltungen nicht zu beeinträchtigen. Über die während der Abbautätigkeit innerhalb der Südböschung partiell angeschnittene Kiesrinne könne Wasser in den Tagebau eindringen. Des weiteren bestehe die konkrete Gefahr, dass die möglichen Wasserwegsamkeiten negativ auf die Standsicherheit der Böschung einwirkten. Wenn Wasser in die Böschung eindringe, würden Feststoffbestandteile freigesetzt und damit Hohlräume bzw. Auflockerungen im Böschungseinfluss erzeugt, was zu Tragfähigkeitsverlusten führen könne.

29

Die Anordnung ergehe auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG. Er sei gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA für den Erlass dieser Entscheidung zuständig. Das BBodSchG sei auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Vorschriften des BBodSchG würden nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG durch abschließende bergrechtliche Spezialregelungen verdrängt, da das Bergrecht Einwirkungen auf den Boden durch nachträgliche Verfüllung eines Tontagebaus mit Problemboden nicht regle. Die Anwendung des BBodSchG sei auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG ausgeschlossen, da diese Vorschrift auf die vorliegende Konstellation, in der es um die Bewältigung einer fehlgeschlagenen Verwertungsmaßnahme gehe, nicht anwendbar sei. Im Tagebau E. liege wegen der Veränderung des Bodenphysik (fehlende Standsicherheit der Böschungen) sowie des Eintrags von Stoffen, die in den Wasserkreislauf gelangen könnten (Müllbetonstraße; Wasserwegsamkeiten durch Kiesrinne; Wasserzutritte über den Ostsee) eine schädliche Bodenveränderung vor. Es bestünden Gefahren für die Schutzgüter Mensch (durch Direktkontakt mit dem Müllbeton sowie durch Böschungsabrutschungen), für den Boden selbst (durch weitere Setzungen/Abrutschungen der Böschungen) und für das Grundwasser/Oberflächengewässer (durch Wasserwegsamkeiten durch die Kiesrinne). Die dem Bescheid als Anlagen beigefügten Dokumentationen, insbesondere der Bericht der G.U.T. vom 12.06.2012, belegten, dass im Bereich der Müllbetonstraße schädliche Bodenveränderungen vorlägen. In den durchgeführten Untersuchungen seien insbesondere Überschreitungen der Prüfwerte der BBodSchV für den Wirkpfad Boden – Grundwasser für Antimon, Kupfer (22-fach), Nickel und Phenole (90-fach) sowie eine Überschreitung der oberen Maßnahmeschwellenwerte der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) für Kupfer und Phenole im Eluat nachgewiesen worden. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Müllbetonstraße direkt auf einer grundwasserführenden Kiesrinne befinde, bestehe die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass durch die schadstoffbedingten Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen in absehbarer Zeit insbesondere das Grundwasser geschädigt werde. Zudem bestünden aufgrund der unzureichenden Abdeckung der Müllbetonstraße Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Direktkontakt. Auch das instabile Böschungssystem der Südböschung stelle eine schädliche Bodenveränderung dar. Die Veränderungen am Böschungskörper gefährdeten die wegen der eingebrachten Abfälle notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen. Die Gefahren, die aus der fehlenden Standsicherheit der Böschung resultierten, stünden im engen Zusammenhang mit den Gefahren infolge des Einbringens der Abfälle in den Verfüllkörper. Die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen stünden miteinander in einem engen Zusammenhang, weil sie sich wechselseitig beeinflussten. Sie könnten und müssten auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage angeordnet werden. Gleiches gelte für die Situation im Ostsee. Auch hier lägen aufgrund der nicht hinreichenden Standsicherheit der Nord- und Ostböschung schädliche Bodenveränderungen vor. Bei einem Wegbrechen der Böschungen könne Wasser aus den unmittelbar angrenzenden Randgräben in den Ostsee und den Tagebau eintreten. Das müsse zwingend verhindert werden, um einen Anstieg des Sickerwasserspiegels im Abfallkörper zu vermeiden und andere Sicherungsmaßnahmen wie z.B. Gas- und Sickerwasserfassungen sowie Wasserhaltungen nicht zu beeinträchtigen.

30

Die Entscheidung, dem Kläger die Durchführung der Maßnahmen aufzugeben, sei nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zulässig. Die angeordneten Maßnahmen seien geeignet und erforderlich, die Gefahr der Entstehung weiterer schädlicher Bodenveränderungen zumindest zu verringern. Hierzu gehörten insbesondere

31
die Gefahr einer Verunreinigung des Grundwassers durch den Eintrag von Schadstoffen aus der Müllbetonstraße über die wasserführende Kiesrinne,
32
Gefahren für das Schutzgut Mensch durch Direktkontakt mit dem Müllbeton sowie durch Böschungsrutschungen,
33
Gefahren für den Boden selbst durch weitere Setzungen/Abrutschungen der Böschung sowie
34
Gefahren für die Allgemeinheit durch mögliche Beeinträchtigungen der notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen wie Gas- und Sickerwasserfassungen sowie Wasserhaltungen.
35

Die angeordneten Maßnahmen seien auch angemessen, denn sie stünden zu dem angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis. Der Kläger sei als Inhaber der tatsächlichen Gewalt gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG zur Sanierung verpflichtet. Der Kläger sei herangezogen worden, da ihm gegenwärtig allein die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse zustehe. Die Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin scheide aus, da sie aufgrund der bestehenden Insolvenz nicht über die zur Durchführung der Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen erforderlichen Mittel verfüge. Eine Heranziehung der Grundstückseigentümer, Herrn (...), der Ferkelproduktion E. GmbH & Co. KG sowie der Stadt G., sei unverhältnismäßig, da ihnen die Tragung der Kosten der Gefahrenabwehr nicht zuzumuten seien. Die Abfallerzeuger und –besitzer könnten nicht herangezogen werden, da sie das Verfüllmaterial nicht selbst in die Betriebsstraße eingebaut und somit die schädliche Bodenveränderung nicht unmittelbar verursacht hätten. Auf eine abfallrechtliche Verantwortlichkeit komme es nicht an. Die Heranziehung des Klägers sei auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Opfergrenze von Zustandsverantwortlichen ausgeschlossen. Die Haftung des Insolvenzverwalters sei auf die Insolvenzmasse begrenzt. Zudem bestehe die Möglichkeit der Freigabe der Grundstücke. Die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme eines Störers hänge auch grundsätzlich nicht davon ab, ob dieser im Zeitpunkt der Inanspruchnahme finanziell leistungsfähig sei.

36

Hiergegen hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Bescheid vom 07.08.2012 sei formell rechtswidrig, weil der Beklagte für bodenschutzrechtliche Anordnungen gegenüber ihm nicht zuständig sei. Er sei kein der Bergaufsicht unterliegender Betrieb i.S.d. § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA, sondern ein Insolvenzverwalter, der das Vermögen eines Betriebes verwalte, der vor Eintritt der Insolvenz bergbaulich tätig gewesen sei. Der Bescheid sei selbst dann aufzuheben, wenn die Regelungen des BBodSchG anwendbar wären. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 BBodSchG treffe ihn keine Sanierungsverpflichtung, da die Gemeinschuldnerin die Verfüllung des Tontagebaus auf der Grundlage eines vom Beklagten zugelassenen Sonderbetriebsplanes beanstandungsfrei durchgeführt habe. Auch seine Auswahl als Adressat des angefochtenen Bescheides sei gerade unter Berücksichtigung der Effektivität der Gefahrenabwehr fehlerhaft, denn er sei nicht leistungsfähig. Mit Schreiben vom 15.02.2013 habe er gegenüber dem Amtsgericht Stendal temporäre Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt. Es hätte nahe gelegen, die Abfalllieferanten als Verhaltensstörer in Anspruch zu nehmen, da diese leistungsfähig seien. Auch seien die Pflichten der Grundstückseigentümer als Verpächter sowie deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht ausreichend berücksichtigt worden. Seine Inanspruchnahme scheitere auch an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Opfergrenze des Zustandsverantwortlichen. Jedenfalls seien die ihm gesetzten Fristen nicht angemessen.

37

Der Kläger hat beantragt,

38

den Bescheid des Beklagten vom 07.08.2012 über die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen im Tontagebau E. aufzuheben.

39

Der Beklagte hat beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Er hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.

42

Mit Urteil vom 04.03.2013 – 1 A 278/12 MD – hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 07.08.2012 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig, da er nicht auf das BBodSchG gestützt werden könne. Die in dem Tontagebau abgelagerten Abfälle unterlägen mangels Verlusts ihrer Abfalleigenschaft weiterhin dem Abfallrecht. Zudem könne der Kläger nicht nach dem BBodSchG als Zustandsstörer herangezogen werden. Die Verwendung von hausmüllähnlichen Abfällen bei der Verfüllung des Tontagebaus E. sei keine Verwertung, sondern eine Maßnahme der Abfallbeseitigung gewesen. Eine Anwendung des BBodSchG komme erst dann in Betracht, wenn die in den Tagebau eingebrachten Stoffe, etwa durch "Verwachsung", ihre Abfalleigenschaft verloren hätten. Eine untrennbare Verbindung ("Verwachsung") zwischen dem eingebrachten Abfall und der vorhandenen Bodenschicht aufgrund biologischer Zersetzungsprozesse sei jedoch weder substantiiert behauptet noch nachgewiesen worden. Dies gelte erst Recht für die aufgebrachte "Müllbetonstraße". Der Beklagte könne sich daher hinsichtlich seiner Verfügung vom 07.08.2012 nicht auf das BBodSchG mit der Zuständigkeit nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA stützen. Zwar bewirke jede "wilde Mülldeponie" durch Sickerwasser pp. schädliche Bodenveränderungen. Gleichwohl unterfalle die Beseitigung zur Gefahrenabwehr wegen der Beweglichkeit des Abfalls dem Abfallregime und nicht dem Bodenschutzrecht. Eine "frisch" betriebene "wilde Mülldeponie" sei gerade keine Altlast und begründe wegen der technisch noch möglichen Beseitigung des Abfalls rechtlich keine schädliche Bodenveränderung, die nach Bodenschutzrecht zu behandeln wäre. Der Kläger könne auch nicht nach § 4 Abs. 3 BBodSchG als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden. Das BBodSchG sei auf den Tontagebau E. nicht unmittelbar anwendbar. Zwar seien die einschlägigen bodenschutzrechtlichen Vorschriften über § 48 Abs. 2 BBergG in bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahren zu berücksichtigen. Eine unmittelbare Anwendung des BBodSchG auf dem Bergrecht unterliegende Tagebaue sei jedoch ausgeschlossen. Darüber hinaus lasse die Legalisierungswirkung des genehmigten Sonderbetriebsplans die Störereigenschaft des Klägers entfallen. Nach der Sonderbetriebsplanzulassung vom 05.03.2004 sei die Verwendung von Abfällen mit der ASNAVV 19 12 12 als Verfüllmaterial legal gewesen. Die Sonderbetriebsplanzulassung habe weder einschränkenden Festlegungen zum TOC und Glühverlust noch Vorgaben hinsichtlich bodenschutzrechtlicher Vorsorgewerte enthalten. Sie habe sich vielmehr auf die Z 2-Werte der LAGA-Mitteilung 20 vom November 1997 gestützt. Hiernach seien Verstöße gegen die bodenschutzrechtlichen Vorsorgeanforderungen von Anfang an in der Sonderbetriebsplanzulassung angelegt gewesen. Dies habe vom Adressaten dieser Zulassung auch ausgenutzt werden können. Der Kläger könne daher für die Vergangenheit nicht als Zustandsstörer bezogen auf die bereits eingelagerten Abfälle herangezogen werden. Ein Verstoß der Gemeinschuldnerin gegen den Sonderbetriebsplan bei der Einbringung der Abfälle in den Tontagebau sei nicht ersichtlich. Zwar möge die Gemeinschuldnerin einen von Anfang an rechtswidrigen Sonderbetriebsplan ausgenutzt haben. Ihr könnten jedoch keine diesbezüglichen Störereigenschaften angelastet werden, da der Sonderbetriebsplan nicht rechtswidrig durch sie bewirkt, sondern wegen objektiv fehlender Berücksichtigung aktueller Rechtsvorschriften seitens des Beklagten genehmigt worden sei. Die damit verbundene Legalisierungswirkung erfasse auch die Widrigkeiten, die mit der Ausnutzung des Sonderbetriebsplans zwangsläufig, weil objektiv durch die Genehmigungsbehörde vorgegeben, mit einer unzulässigen Verunreinigung von Grund und Boden verbunden gewesen seien. Da es an einer Störereigenschaft der Gemeinschuldnerin fehle, könne auch der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter nicht zur Gefahrenbeseitigung herangezogen werden. Die in der Rechtsprechung zur fehlenden Legalisierungswirkung bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen entwickelten Grundsätze erfassten den hier zu entscheidenden Fall nicht. Diese Rechtsprechung erfasse nur rechtmäßige Betriebsplanzulassungen, wenn durch die zugelassenen Betriebshandlungen nicht vorhersehbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit herbeigeführt würden. Dies setze einen rechtmäßigen Betriebsplan voraus. Ein solcher liege hier nicht vor. Der Gemeinschuldnerin sei eine Abfallverwertung genehmigt worden, die wegen des bereits in Kraft getretenen BBodSchG und der BBodSchV nicht mehr zulässig gewesen sei. Die Fachbehörde hätte erkennen müssen, dass die zugelassenen Abfälle mit der ASNAVV 19 12 12 zur Abfallverwertung in dem Tontagebau E. nicht mehr hätten eingesetzt werden dürfen. Der Regelungsinhalt des Sonderbetriebsplans habe somit eine Gefahrenlage geschaffen, die sich nicht erst im Nachhinein offenbart habe. Wenn mit dem Betrieb durch die Genehmigung in der konkreten Art und Weise zwangsläufig und damit bereits durch die Genehmigungserteilung absehbar eine Verunreinigung von Grund und Boden verbunden sei, könne dem Bergwerksbetreiber, der die Genehmigung des Sonderbetriebsplans nicht durch Täuschung oder Drohung erhalten habe, die fehlende Legalisierungswirkung nicht vorgehalten werden. Selbst wenn das BBodSchG und die BBodSchV unmittelbar Anwendung finden würden, wäre der Kläger nicht Zustandsstörer nach § 4 Abs. 3 BBodSchG, da sich die Ordnungspflicht nach dieser Vorschrift nicht aus der Verantwortlichkeit für den aktuellen Zustand von Massegegenständen ergebe, sondern an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten anknüpfe.

43

Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vor, er sei für den Erlass des Bescheides vom 07.08.2012 sachlich zuständig gewesen. Im vorliegenden Fall sei das Bodenschutzrecht neben dem Abfallrecht anwendbar. Die Voraussetzungen des Vorrangs des Abfallrechts nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BBodSchG lägen nicht vor. Auch dem Abfallrecht lasse sich keine Sperrwirkung entnehmen. Warum die Beweglichkeit des Abfalls die Anwendung des BBodschG ausschließen solle, sei nicht ersichtlich. Es lägen schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG vor. Insoweit wiederholt und vertieft der Beklagte die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid. Es liege auch eine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 BBodschG vor, da bei der Verfüllung des Tagebaus und der Herstellung der Betriebsstraßen Abfälle abgelagert worden seien. Weshalb eine "frisch" betriebene "wilde Mülldeponie" keine Altlast sein solle, sei nicht ersichtlich. Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es handele sich um Abfälle zur Beseitigung, sei unzutreffend. Allein die Nutzung des Volumens der Abfälle sei für eine stoffliche Verwertung ausreichend. Ein Abfallgemisch sei zum Zweck der Stabilisierung des Verfüllkörpers, zur Oberflächenabdichtung und zur seitlichen Abdichtung grundsätzlich geeignet. Das gelte nicht nur für die Verfüllung des Tagebaus, sondern erst recht für die Herstellung der Betriebsstraße. Es hätte grundsätzlich geeignete Stoffe/Abfälle gegeben, die für die Herstellung der Betriebsstraßen hätten verwendet werden können. Allerdings seien die tatsächlich eingebrachten Materialien mit Abfällen durchsetzt und weder für die Herstellung der Betriebsstraßen geeignet noch durch Betriebsplan zugelassen gewesen. Eine "fehlgeschlagene Verwertung" führe jedoch nicht dazu, dass die eingebrachten bzw. verwendeten Abfälle als Abfälle zur Beseitigung zu qualifizieren seien. Selbst wenn es sich um Abfälle zur Beseitigung handeln sollte, müssten diese nicht zwingend auf einer Deponie entsorgt werden. Vielmehr seien Sicherungsmaßnahmen auch nach Abfallrecht zulässig. Die in die Betriebsstraße eingebauten Abfälle hätten ihre Abfalleigenschaft verloren. Die Errichtung von Straßen sei die Herstellung eines technischen Bauwerks. Diese seien dadurch gekennzeichnet, dass sie dauerhaft mit dem Boden verbunden seien. Das gelte auch für die hier errichteten Betriebsstraßen. Sie seien auch ohne Verwachsung ein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Es bestehe auch kein Vorrang des Bergrechts gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG, da das BBergG keine Anforderungen an die Verwendung bergbaufremder Abfälle enthalte, durch die schädliche Einwirkungen auf den Boden hervorgerufen würden. Etwas anderes ergebe sich weder aus der Entstehungsgeschichte des BBodSchG noch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Kläger sei als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Zustandsstörer im Sinne des § 4 Abs. 3 BBodschG. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dieser Frage seien schlicht falsch. Die Heranziehbarkeit des Klägers sei auch nicht wegen einer Legalisierungswirkung der Betriebsplanzulassung vom 05.03.2004 ausgeschlossen. Die Gemeinschuldnerin habe selbst gegen die – wegen der fehlenden Orientierung an den bereits 1999 in Kraft getretenen Vorsorgewerten des Anhangs 2 Nr. 4 BBodSchV rechtswidrige – Sonderbetriebsplanzulassung verstoßen, indem sie Abfälle eingebracht habe, die teilweise sogar die Z 2-Werte der LAGA M 20 1997 deutlich überschritten hätten. Darüber hinaus habe die Sonderbetriebsplanzulassung nicht dazu berechtigt, Abfälle mit relevantem bzw. ins Gewicht fallendem Organik-Anteil einzubringen. Auch die Abfälle mit den ASNAVV 19 02 03 und 19 12 12 hätten ausschließlich aus mineralischen Stoffen bestehen dürfen. Hiervon abweichend habe die Antragstellerin Abfälle mit hohen organischen Anteilen in den Tontagebau E. eingebracht. Hinzu komme, dass die Gemeinschuldnerin zerkleinerten Hausmüll und hausmüllartige Gewerbeabfälle in die Grube eingebracht habe. Deren Vermischung mit anderen Abfällen führe nicht dazu, dass sie als Abfallvormischungen im Sinne der ASNAVV 19 02 03 oder als Sortierreste im Sinne der ASNAVV 19 12 12 qualifiziert werden könnten. Hausmüllartige Abfälle blieben auch nach Zerkleinerung und Vermischung hausmüllartige Abfälle und unterfielen nicht der ASNAVV 19 12 12. Sie hätten nach der Sonderbetriebsplanzulassung nicht in den Tontagebau E. eingebracht werden dürfen. Schon diese Verstöße gegen die Sonderbetriebsplanzulassung vom 05.03.2004 hätten schädliche Bodenveränderungen hervorgerufen und begründeten die Störereigenschaft der Gemeinschuldnerin und des Klägers in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter. Die Rechtswidrigkeit der Betriebsplanzulassung sowie deren Rücknahme nur mit Wirkung "ex nunc" sei daher ohne Belang. Auch setze der Ausschluss der Legalisierungswirkung einer bergrechtlichen Betriebsplanzulassung – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – keine rechtmäßige Betriebsplanzulassung voraus. Im Gegenteil könne eine rechtswidrige Betriebsplanzulassung erst recht keine Legalisierungswirkung entfalten, weil sie potentiell geeignet sei, Gefahren für die öffentliche Sicherheit herbeizuführen, die beseitigt werden müssten. Auch resultiere die Gefahrenlage hier nicht aus der Sonderbetriebsplanzulassung, sondern erst aus dem Verstoß hiergegen. Dies sei der Gemeinschuldnerin auch bewusst gewesen. Schließlich könne sich jemand, der – wie der Kläger als Zustandsstörer – nicht Genehmigungsinhaber sei, nicht auf die Legalisierungswirkung berufen.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 4. März 2013 – 1 A 278/12 MD – zu ändern und die Klage abzuweisen.

46

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

48

Zur Begründung trägt er vor, das Verwaltungsgericht habe den Bescheid vom 07.08.2012 zu Recht aufgehoben. Keine der getroffenen Anordnungen habe auf bodenschutzrechtlicher Grundlage erlassen werden dürfen. Im Hinblick auf die Müllbetonstraße wäre ein Vorgehen nach Abfallrecht zwingend gewesen, wenn es sich bei dem Müllbeton, der für den Bau der Betriebsstraße im Tontagebau E. verwendet worden sei, um Abfall zur Beseitigung gehandelt haben sollte. Ob dies der Fall sei, könne er mangels Kenntnis der hierfür entscheidenden Umstände nicht selbst beurteilen. Die Frage müsse durch den Senat im Berufungsverfahren geklärt werden. Wenn es sich bei dem Müllbeton um Abfall zur Beseitigung handeln sollte, unterfalle dessen Beseitigung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG dem Abfallrecht und nicht dem Bodenschutzrecht. Es liege dann auch keine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vor. Das in die Betriebsstraßen eingebrachte Material sei keine schädliche Bodenveränderung, da es sich hierbei nicht um Boden im Sinne des § 2 Abs. 1 BBodSchG handele. Auch eine Altlast liege nicht vor, da die Anlage noch nicht stillgelegt sei. Sollte es sich bei dem in den Tagebau und die Betriebsstraße eingebrachten Material um Abfälle zur Beseitigung handeln, so sei die Tongrube E. als illegale Deponie einzustufen. Die Anwendbarkeit der bodenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen würde dann nach § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG gesperrt, da die – illegale – Deponie noch nicht endgültig stillgelegt sei. Die instabilen Böschungen im Tontagebau E. stellten ebenfalls keine schädliche Bodenveränderung dar. Die Böschungssicherung in einem Tagebau unterliege vielmehr den Vorschriften des BBergG. Der Beklagte habe stets vorgetragen, das in den Tontagebau E. eingebrachte Material sei zur Rekultivierung bzw. Wiederherrichtung des Geländes und den Bau der Betriebsstraßen nicht geeignet und verursache durch den viel zu hohen organischen Anteil bergtechnische Gefahren wie Böschungsrutschungen und sonstige erhebliche Umweltgefahren. Wenn dies zutreffe, handele es sich bei dem Abfalleinsatz auf dem Gelände des Tontagebaus E. um Abfallbeseitigung. Die Abfälle hätten auch durch den Einbau in die Müllbetonstraße nicht ihre Abfalleigenschaft verloren. § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG erfasse nur solche Fälle, in denen der Verwendungszweck von Böden oder Bauwerken von dem Eigentümer oder Besitzer im Sinne von § 3 Abs. 2 KrWG aufgegeben werde. Die Regelung erfasse nur Fälle, in denen kontaminierte Böden und Bauwerke, die zunächst keinen Abfall dargestellt hätten, nachträglich zu Abfall würden. Hier sei das Material jedoch von vornherein als Abfall in den Boden eingebracht worden. In derartigen Fällen richte sich der Wegfall der Abfalleigenschaft nach § 5 KrWG. Der angefochtene Bescheid sei auch wegen einer fehlerhaften Störerauswahl rechtswidrig. Seine Heranziehung sei grob ermessensfehlerhaft, da mit der (...) GmbH ein leistungsfähiger Handlungsstörer, der die maßgeblichen Abfälle auf dem Gelände des Tontagebaus E. geliefert habe, existiere. Das BBodSchG sei auch wegen des Vorrangs des Bergrechts gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG nicht anwendbar. Maßnahmen zur Sanierung der Böschung hätten auf § 71 BBergG gestützt werden können, zumal die fehlende Stabilität der Böschungen nicht mit den verfüllten oder eingebauten Abfällen zusammenhänge, sondern durch den Tontagebau selbst verursacht worden sei. Seiner Störereigenschaft stehe auch die Legalisierungswirkung des am 05.03.2004 zugelassenen Sonderbetriebsplans entgegen. Soweit die eingebrachten Abfälle in Einzelfällen die Z 2-Werte nach LAGA M 20 1997 deutlich überschritten hätten, sei dies nicht zu vermeiden gewesen und könne dies nicht zum nachträglichen Verlust der Legalisierungswirkung führen. Die Legalisierungswirkung entfalle auch nicht deshalb, weil das eingebrachte Material einen relativ hohen Organikanteil aufweise, da in der Sonderbetriebsplanzulassung keine Begrenzung des organischen Anteils der einzubringenden Materialien geregelt worden sei. Auch könne dem vorliegenden Rechtsstreit angesichts des fehlenden konkreten Vortrags des Beklagten zu Herkunft und Menge dieser Abfälle nicht die Annahme zu Grunde gelegt werden, die Gemeinschuldnerin habe tatsächlich zerkleinerten Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle in die Betriebsstraßen eingebracht. Eine Legalisierungswirkung ergebe sich zudem aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Landkreises (...) vom 28.11.2006.

49

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

50

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

51

Die Berufung ist begründet, soweit dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 07.08.2012 aufgegeben wird, die auf der Böschungsschulter der Südböschung errichtete Müllbetonstraße zu beseitigen (Nr. 1.1 a.). Insoweit ist die Klage abzuweisen, da der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (dazu A.).

52

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit ihm aufgegeben wird, die Böschung zur Verhinderung von Rutschungen und Setzungen dauerhaft standsicher zu gestalten (Nr. 1.1 b.) und das im Ostsee vorhandene Wasserreservoir abzupumpen (Nr. 1.2). Insoweit hat das Verwaltungsgericht den Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben (dazu B.).

53

A. Der Bescheid vom 07.08.2012 ist rechtmäßig, soweit dem Kläger aufgegeben wird, die auf der Böschungsschulter der Südböschung errichtete Müllbetonstraße zu beseitigen.

54

I. Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und den auf Grund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten die notwendigen Maßnahmen treffen.

55

II. Der Bescheid vom 07.08.2012 ist formell rechtmäßig. Es handelt sich um eine bodenschutzrechtliche Anordnung. Für deren Erlass war der Beklagte sachlich zuständig. Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA erstreckt sich die Zuständigkeit der Bergbehörde bei den der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben auch auf die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem BBodSchG. Der hier in Rede stehende Tagebau E. ist ein solcher Betrieb, der nach wie vor der Bergaufsicht unterliegt. Gemäß § 69 Abs. 2 BBergG endet die Bergaufsicht nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplans (§ 53 BBergG) oder entsprechender Anordnungen der zuständigen Behörde (§ 71 Abs. 3 BBergG) zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Dieses Stadium ist bei dem Tagebau E. noch nicht erreicht. Weder ist ein Abschlussbetriebsplan noch sind Anordnungen nach § 71 Abs. 3 BBergG durchgeführt worden. Auch muss gerade hier damit gerechnet werden, dass die genannten Gefahren eintreten (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.05.2012 – 2 M 13/12 – und Urt. d. Senats v. 12.12.2013 – 2 L 20/12 –). Der Zuständigkeit des Beklagten nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA steht auch nicht entgegen, dass die Anordnung nicht an die Gemeinschuldnerin als ehemalige Betreiberin des Tagebaus E. gerichtet ist, sondern an den Kläger als Insolvenzverwalter. Maßgeblich für die Zuständigkeit des Beklagten ist allein, dass die erlassene bodenschutzrechtliche Anordnung sachlich einen der Bergaufsicht unterliegenden Betrieb betrifft. Das ist hier der Fall.

56

III. Der Bescheid vom 07.08.2012 ist im Hinblick auf die Anordnung zur Beseitigung der Müllbetonstraße auch materiell rechtmäßig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides (dazu 1). Der Beklagte hat den Bescheid zu Recht auf das BBodSchG gestützt. Das BBodSchG ist anwendbar (dazu 2). Die Voraussetzungen für eine Anordnung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG liegen vor (dazu 3). Der Kläger ist als Sanierungspflichtiger rechtmäßiger Adressat der Anordnung (dazu 4). Die Zustandsverantwortlichkeit des Klägers ist verfassungsgemäß (dazu 5). Die Zulassung des Sonderbetriebsplans "Verfüllung/Rekultivierung – Teilfeld II – für den Tontagebau E." bewirkt keine der Heranziehung des Klägers als Zustandsstörer entgegenstehende Legalisierungswirkung (dazu 6). Der Beklagte hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt (dazu 7). Auch die dem Kläger gesetzte Frist ist rechtlich nicht zu beanstanden (dazu 8).

57

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (07.08.2012). Der für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsakts maßgebliche Zeitpunkt beurteilt sich nach dem materiellen Recht (BVerwG, Urt. v. 31.03.2004 – BVerwG 8 C 5.03 –, juris RdNr. 35), wobei dies bei der Anfechtungsklage im Allgemeinen und vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist (BVerwG, Beschl. v. 04.07.2006 – BVerwG 5 B 90.05 –, juris RdNr. 6; Beschl. d. Senats v. 24.11.2014 – 2 L 39/13 –, juris RdNr. 11). In Anwendung dieser Grundsätze ist bei der gerichtlichen Überprüfung einer bodenschutzrechtlichen Anordnung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides maßgeblich, sofern – wie hier – ein Widerspruchsverfahren nicht stattfindet. Das war hier der 07.08.2012. Zu diesem Zeitpunkt war neben dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17.03.1998 (BGBl. I S. 502) bereits das am 01.06.2012 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24.02.2012 (BGBl. I S. 212) in Kraft, das daher mit Blick auf die abfallrechtlichen Fragestellungen hier einschlägig ist.

58

2. Das BBodSchG ist im vorliegenden Fall anwendbar. Bei der Tongrube E. – einschließlich der Müllbetonstraße – handelt es sich um eine Altlast (dazu a). Weder der Vorrang des Abfallrechts (dazu b) noch der Vorrang des Bergrechts (dazu c) stehen der Anwendung des BBodSchG entgegen.

59

a) Gemäß § 3 Abs. 1 BBodSchG findet dieses Gesetz auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung, soweit die in den Nummern 1 bis 11 genannten Vorschriften Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Hiernach setzt die Anwendung des BBodSchG zunächst voraus, dass entweder eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast vorliegt. Das ist hier der Fall.

60

Bei der Tongrube E. – einschließlich der Müllbetonstraße – handelt es sich um eine Altlast. Gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG sind Altlasten im Sinne dieses Gesetzes u.a. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei der Tongrube E. um eine stillgelegte Abfallbeseitigungsanlage im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1 BBodSchG handelt, denn jedenfalls greift die zweite Alternative des § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG, da auf den dortigen Grundstücken Abfälle abgelagert worden sind (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.09.2013 – 2 M 114/13 – BA S. 7). Ablagern ist das Endlagern von Stoffen mit dem Ziel, sich ihrer dauerhaft zu entledigen (Kunig, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 2003, § 10 RdNr. 15; Sondermann/Hejma, in: Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 2 RdNr. 63). Eine Ablagerung in diesem Sinne hat in der Tongrube E. stattgefunden, denn die als Verfüllmaterial eingebrachten Abfälle sowie der in die Betriebsstraße eingebaute Müllbeton sollten dauerhaft dort verbleiben. Auf die Frage, ob die Abfälle zur Beseitigung abgelagert wurden, kommt es nicht an. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 5 BBodSchG. Nach der im ursprünglichen Gesetzentwurf enthaltene Fassung des § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG sollten unter den Begriff der Altlast nur solche Grundstücke fallen, auf denen Abfällezur Beseitigung behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 8). Der Zusatz "zur Beseitigung" ist dann im weiteren Gesetzgebungsverfahren entfallen (vgl. BT-Drs. 13/7891, S. 7). Hiermit wurde klargestellt, dass es für die Einstufung einer Altablagerung als Altlast nicht darauf ankommt, ob die Abfälle zur Beseitigung abgelagert worden sind (vgl. BT-Drs. 13/7891, S. 37).

61

Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei Altablagerungen im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 BBodSchG nicht nur um stillgelegte Anlagen. Die zweite Alternative der Vorschrift erfasst vielmehr "sonstige Grundstücke", die nicht notwendig einer Anlage zuzuordnen sein müssen. Es kann hier offen bleiben, ob eine Altablagerung im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG in den Fällen, in denen es sich – wie hier – um ein zu einer Anlage (im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG) gehörendes Grundstück handelt, nur dann vorliegt, wenn die betreffende Anlage stillgelegt ist (vgl. Nies, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, § 2 BBodSchG RdNr. 32). Die hier in Rede stehende Anlage – die Tongrube E. – ist stillgelegt. Unter dem Begriff der Stilllegung ist die endgültige, dauerhafte Beendigung des Betriebs der Anlage zu verstehen (vgl. ThürOVG, Urt. v. 11.06.2001 – 4 KO 52/97 –, juris RdNr. 42; Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 2012, § 40 RdNr. 7). Eine derartige Stillegung erfolgte hier spätestens mit Insolvenzeröffnung (vgl. Franßen/Blatt, NVwZ 2011, 1291 <1296>). Der Betrieb der Tongrube wurde zu diesem Zeitpunkt eingestellt. Der Kläger hat den Betrieb nicht weitergeführt. Dies ist auch in Zukunft nicht zu erwarten. Angesichte der erheblichen Gefahren, die von den dort abgelagerten Abfällen ausgehen und die durch eine aufwändige Sanierung beseitigt werden müssen, erscheint eine Fortsetzung der Abfalleinlagerung in der Tongrube E. ausgeschlossen. Nicht maßgeblich ist, dass der Kläger subjektiv etwas anderes im Sinn haben mag.

62

Von den in der Tongrube E. vorhandenen Altablagerungen, insbesondere den bei der Herstellung der Müllbetonstraße verwendeten Abfällen, werden auch schädliche Bodenveränderungen hervorgerufen (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.09.2013 – 2 M 114/13 – BA S. 7 f.). Schädliche Bodenveränderungen sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbei zu führen (§ 2 Abs. 3 BBodSchG). Die natürlichen Funktionen des Bodens umfassen u. a. die Funktion als Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BBodSchG). Bezogen auf den Wasserkreislauf besitzt der Boden u. a. die Fähigkeit, Niederschlagswasser aufzunehmen und es als Sickerwasser nach der Bodenpassage an das Grundwasser und/oder die Oberflächengewässer abzugeben; er schützt zugleich das Grundwasser und die Oberflächengewässer vor Schadstoffeinträgen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c BBodSchG). Diese Funktion ist beeinträchtigt, wenn in den Boden Stoffe eingetragen worden sind, die in den Wasserkreislauf gelangen und geeignet sind, dort Gefahren oder erhebliche Nachteile zu bewirken. Die Eignung besteht, wenn im Hinblick auf den Wasserhaushalt nachteilige Auswirkungen einer gewissen Mindestintensität hinreichend wahrscheinlich sind. Der erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit bestimmt sich nach Art und Ausmaß des drohenden Schadens einerseits und des hohen Schutzes, den die Gewässer genießen, andererseits. Ein hinreichender Grad an Wahrscheinlichkeit ist insbesondere bei Substanzen im Boden gegeben, die mit durchsickerndem Niederschlagswasser in das Grundwasser oder die Oberflächengewässer transportiert werden und nach Art sowie Konzentration das Wasser verunreinigen oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften hervorrufen (OVG NW, Beschl. v. 03.11.2006 – 20 B 2273/06 –, juris RdNr. 6). Nach diesen Grundsätzen werden von den bei der Herstellung der Müllbetonstraße verwendeten Abfällen schädliche Bodenveränderungen hervorgerufen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die dem angefochtenen Bescheid des Beklagten als Anlage beigefügte Dokumentationen der (F.) GmbH vom 19.11.2009, den Bericht der G.U.T. vom 26.03.2012 zur Müllbetonstraße und den Bericht der G.U.T. vom 12.06.2012. Diese Unterlagen belegen, dass im Bereich der Müllbetonstraße schädliche Bodenveränderungen vorliegen. In den durchgeführten Untersuchungen wurden Überschreitungen der Prüfwerte der BBodSchV für den Wirkpfad Boden – Grundwasser für Antimon, Kupfer (22-fach), Nickel und Phenole (90-fach) sowie eine Überschreitung der oberen Maßnahmeschwellenwerte der LAWA für Kupfer und Phenole im Eluat nachgewiesen. Zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass aufgrund der Tatsache, dass sich die Müllbetonstraße direkt auf einer grundwasserführenden Kiesrinne befindet, die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch die schadstoffbedingten Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen in absehbarer Zeit insbesondere das Grundwasser geschädigt wird. Zudem bestehen aufgrund der unzureichenden Abdeckung der Müllbetonstraße Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Direktkontakt.

63

Ohne Belang ist vor diesem Hintergrund, ob die Müllbetonstraße selbst "Boden" im Sinne des § 2 Abs. 1 BBodSchG ist – was der Kläger bezweifelt – und ob sie selbst eine "schädliche Bodenveränderung" im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG aufweist.

64

b) Der Vorrang des Abfallrechts steht der Anwendung des BBodSchG insoweit nicht entgegen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG (in der ab dem 01.06.2012 geltenden Fassung) findet das BBodSchG auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung, soweit Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes über die Zulassung und den Betrieb von Abfallbeseitigungsanlagen zur Beseitigung von Abfällen sowie über die Stillegung von Deponien Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Das BBodSchG ist danach gegenüber den genannten Spezialregelungen des KrWG subsidiär, soweit hierin Einwirkungen auf den Boden geregelt sind. Das ist hier nicht der Fall.

65

aa) Die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BBodSchG genannten Vorschriften des KrWG über die Zulassung und den Betrieb von Abfallbeseitigungsanlagen zur Beseitigung von Abfällen sind im vorliegenden Fall nicht vorrangig anzuwenden. Hierbei handelt es sich um die Vorschriften des 3. Abschnitts des Vierten Teils des KrWG, also um die §§ 34 ff. KrWG. Diese Vorschriften regeln hauptsächlich die Planfeststellung von Abfallbeseitigungsanlagen und sind hier nicht einschlägig. Die vom Kläger genannten Vorschriften der §§ 28, 62 KrWG haben demgegenüber keinen Anwendungsvorrang vor den Vorschriften des BBodSchG, da § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BBodSchG auf diese Vorschrift nicht Bezug nimmt.

66

bb) Das BBodSchG tritt insoweit auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BBodSchG hinter die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes über die Stilllegung von Deponien zurück. Es bedarf hier keiner Vertiefung, ob es sich bei dem für den Bau der Betriebsstraße verwendeten "Müllbeton" um Abfall zur Beseitigung und bei dem Tontagebau E. um eine (illegale) Deponie im Sinne des § 40 KrWG handelt. Das KrWG findet jedenfalls deshalb auf die in Rede stehenden, bei der Herstellung der Müllbetonstraße verwendeten Abfälle keine Anwendung, weil die Vorschriften dieses Gesetzes gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG nicht für Böden am Ursprungsort (Böden in situ), einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind, gelten. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG erfasse nur solche Fälle, in denen der Verwendungszweck von Böden oder Bauwerken von dem Eigentümer oder Besitzer im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 2 KrWG aufgegeben wird, in denen also kontaminierte Böden und Bauwerke, die zunächst keinen Abfall darstellten, nachträglich zu Abfall werden.

67

Die Ausnahmevorschrift dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie – AbfRRL) und wurde notwendig, weil der Abfallbegriff nicht mehr nur bewegliche Sachen, sondern gemäß § 3 Abs. 1 KrWG (Umsetzung von Art. 3 Nr. 1 AbfRRL) nunmehr insgesamt alle "Stoffe und Gegenstände" umfasst, auf deren Entsorgung die Regelungen des Abfallrechts allerdings nicht zugeschnitten sind. Mit dem Anwendungsausschluss werden die Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wie nach der alten Rechtslage auf bewegliche Sachen beschränkt (vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 70). Das KrWG findet damit gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG auf Böden und wesentliche Bestandteile des Bodens keine Anwendung (vgl. Schink, UPR 2012, 201 <202 f.>). Die zivilrechtliche Frage, ob ein Stoff oder Gegenstand wesentlicher Bestandteil des Bodens ist, ist deshalb für die Anwendung des Abfallrechts von maßgebender Bedeutung; entscheidend ist, ob der Stoff oder Gegenstand entsprechend § 94 BGB dauerhaft mit dem Boden verbunden ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.09.2013 – 2 M 114/13 –, juris RdNr. 19; Schink, a.a.O. S. 203). Dem entsprechend kommt es bei der Verfüllung von Gruben und Senken darauf an, ob und inwieweit eine Trennung der abgelagerten Abfälle noch möglich ist oder nicht (Schink, a.a.O.). Wurden etwa Stoffe nicht nur lose in einen Steinbruch verfüllt, sondern die Oberfläche nach Abschluss der Verfüllung dem Geländeprofil angepasst, planiert und durch Aussaat bepflanzt, wobei auch der Wille des Grundstückseigentümers auf die Herstellung einer dauerhaften festen Verbindung mit dem Grundstück gerichtet ist, so haben die Stoffe mit dem Abschluss der Verfüllungsmaßnahme ihre Abfalleigenschaft verloren mit der Folge, dass nicht mehr Abfallrecht, sondern Bodenschutzrecht anzuwenden ist (vgl. OVG RP, Urt. v. 26.01.2012 – 8 A 11081/11 –, juris RdNr. 50 f.; a.A. BayVGH, Beschl. v. 21.11.1988 – 20 CS 88.2324 –, juris RdNr. 22). Nach diesen Grundsätzen unterliegen die bei der Herstellung der Müllbetonstraße verarbeiteten Abfälle nicht dem KrWG, da es sich hierbei nicht (mehr) um bewegliche Sachen handelt. Das zum Zweck der Befestigung einer Straße eingebaute Material ist in der Regel ein wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks im Sinne von § 94 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Entscheidend für die Beurteilung ist die Verkehrsanschauung (Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, Stand: 2012, § 94 RdNr. 7). Eine feste Verbindung liegt dann vor, wenn die Trennung Schwierigkeiten bereitet. Die Schwierigkeit der Ablösung und damit eine feste Verbindung sind anzunehmen, wenn eine physische Zerstörung oder starke Beschädigung des abzulösenden Teils oder des verbleibenden Grundstücks unvermeidlich ist. Zudem ist auf die Kosten der Trennung abzustellen und eine feste Verbindung auch dann zu bejahen, wenn die Abtrennung des Bestandteils nur unter Aufwendung unverhältnismäßiger Mühe und Kosten möglich wäre. Maßgeblich für die Unverhältnismäßigkeit der Trennungskosten ist der wirtschaftliche Wert des abgetrennten Bestandteils (Jickeli/Stieper, in: Staudinger, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind bei einer befestigten Straße in aller Regel – so auch hier – erfüllt mit der Folge, dass die eingebauten Abfälle ihre Abfalleigenschaft verloren haben (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.09.2013 – 2 M 114/13 – a.a.O. RdNr. 20). Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 95 Abs. 1 Satz 1 zwar solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Müllbetonstraße nur zu einem vorübergehenden Zweck angelegt wurde. Es liegt auch keine Fallgestaltung vor, in der sich ein wesentlicher Bestandteil in einen – sonderrechtsfähigen – Scheinbestandteil im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB verändern kann, wofür es eines nach außen in Erscheinung tretenden Willens des Eigentümers bedarf, dass die bislang feste und auf Dauer angelegte Verbindung der Sache mit dem Grundstück nunmehr nur noch vorübergehender Natur sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.2005 – V ZR 35.05 –, juris RdNr. 15). Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob § 95 BGB im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG überhaupt Anwendung findet.

68

c) Auch der Vorrang des Bergrechts steht der Anwendung des BBodSchG nicht entgegen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG tritt das BBodSchG hinter speziellere Regelungen des Bundesberggesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung, Führung oder Einstellung eines Betriebes zurück, soweit hierin Einwirkungen auf den Boden geregelt werden. Derartige vorrangige Vorschriften des Bergrechts liegen hier nicht vor. Das BBodSchG ist auf die Verfüllung von bergbaufremden Abfällen in einem ehemaligen Tontagebau anwendbar, weil das BBergG und die Bergverordnungen keine Anforderungen an die Verwendung bergbaufremder Abfälle enthalten, durch die schädliche Einwirkungen auf den Boden hervorgerufen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 – a.a.O. RdNr. 25; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 89). Auch enthält das Bergrecht keine Regelungen für den Fall, dass es im Laufe des betriebsplanzugelassenen Bergbaubetriebs zu schädlichen Bodenveränderungen kommt (Müggenborg, NVwZ 2006, 278 <281>). Da es keine bergrechtlichen Vorschriften gibt, die die hier in Rede stehenden Einwirkungen auf den Boden regeln, ist das BBodSchG anwendbar.

69

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts geben die Gesetzgebungsmaterialien für einen Vorrang des BBergG bzw. für einen Ausschluss der unmittelbaren Anwendbarkeit des BBodSchG auf die Verfüllung eines der Bergaufsicht unterliegenden Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen nichts her. Nach dem ursprünglicher Entwurf des BBodSchG (BT-Drs. 13/6701, S. 9) sollte in das Gesetz ein § 3 Abs. 4 eingefügt werden, wonach das BBodSchG auf die Zulassung von Tätigkeiten und Einrichtungen im Sinne des § 2 BBergG keine Anwendung finden sollte. Die Belange des BBodSchG sollten im Rahmen des § 55 BBergG i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG Berücksichtigung finden, insbesondere im Rahmen der Abschlussbetriebspläne nach § 53 BBergG (BT-Drs. 13/6701, S. 33). Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Vorrang des Bergrechts in die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG aufgenommen (BT-Drs. 13/7891, S. 8). Inhaltliche Änderungen zu der in § 3 Abs. 4 BBodSchG-E vorgesehenen Regelung sollten sich hieraus nicht ergeben (BT-Drs. 13/7891, S. 38). Hiernach war es Absicht des Gesetzgebers, einen Ausschluss der (unmittelbaren) Anwendung des BBodSchG nur im Betriebsplanzulassungsverfahren vorzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das BBodSchG jedoch insbesondere bei der bergrechtlichen Zulassung eines Abschlussbetriebsplans, der die Verfüllung von Abfällen gestattet, über § 48 Abs. 2 BBergG heranzuziehen (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 – a.a.O. RdNr. 24; Sondermann/Hejma, in: Versteyl/Sondermann, a.a.O., § 3 RdNr. 70). Demgegenüber spricht außerhalb des Betriebsplanzulassungsverfahrens, insbesondere während des zugelassenen Anlagenbetriebs oder nach dessen Beendigung, nichts gegen eine unmittelbare Anwendung des BBodSchG als Grundlage von Maßnahmen zur Abwehr schädlicher Bodenveränderungen und Altlasten. Selbst wenn § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG grundsätzlich auch behördliche Maßnahmen außerhalb des Zulassungsverfahrens erfassen sollte (vgl. Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 Anhang Rn. 80), ergäbe sich kein Anwendungsvorrang der hier in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 71 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BBergG, denn diese enthalten keine konkreten Anforderungen zum Schutz des Bodens bei der Verfüllung von bergbaufremden Abfällen in einem ehemaligen Tagebau.

70

Der Senat hat hierzu im Beschluss vom 19.09.2013 – 2 M 114/13 – (juris RdNr. 21 ff.) folgendes ausgeführt:

71

"Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 09.05.2012 – 2 M 13/12 –, juris RdNr. 37) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2005 (BVerwG 7 C 26/03 –, BVerwGE 123, 247 [254]) darauf abgestellt, dass sich schädliche Bodenveränderungen infolge einer Verfüllung von Abfällen mit den bergrechtlichen Vorschriften nicht sachgerecht erfassen ließen und weder das BBergG noch die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen Anforderungen an die Verwendung bergbaufremder Abfälle enthielten, durch die schädliche Einwirkungen auf den Boden hervorgerufen werden. Wenngleich Gegenstand dieser Rechtsprechung die bergrechtliche Zulassung eines Abschlussbetriebsplans gewesen sei, der das Verfüllen mit bergbaufremden Abfällen zum Gegenstand gehabt habe, so seien diese Grundsätze auch auf eine Sicherungsanordnung anwendbar, die unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere nicht auf § 71 Abs. 1 BBergG gestützt werden könne. Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergG ergänzten (lediglich) den Betriebsplan. Wenn daher das BBergG bereits in Bezug auf einen Betriebsplan keine Anforderungen bereitstelle, die schädliche Einwirkungen auf den Boden betreffen, so könne in Bezug auf Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergG nichts anderes gelten. Zwar enthalte diese Vorschrift in Form einer Generalklausel die Ermächtigung, im Einzelfall die zum Schutz der in § 55 BBergG bezeichneten Rechtgüter und Belange erforderlichen Anordnungen zu treffen. Anhand der Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 und Abs. 2 BBergG lasse sich indes eine sachgerechte Beurteilung der Frage von nachteiligen Einwirkungen verfüllter Abfälle auf Boden und Grundwasser gerade nicht vornehmen.

72

Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Vorschriften des BBodSchG bei der Genehmigung von Betriebsplänen nach § 55 BBergG keine unmittelbare Anwendung finden, sondern nur über die Regelung des § 48 Abs. 2 BBergG „herangezogen“ werden. Die Zulassungsentscheidung bleibt eine Entscheidung nach dem BBergG, die sich lediglich materiell – in Bezug auf die Einwirkung auf den Boden – an den Vorschriften des BBodSchG messen lassen muss. Dies vermag aber an der für die Abgrenzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG allein maßgeblichen Feststellung, dass Vorschriften des BBergG Einwirkungen auf den Boden nicht regeln (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 – a.a.O. RdNr. 25), nichts zu ändern.

73

Über die hier maßgebliche Frage, ob für Anordnungen zur Beseitigung von rechtswidrig – entgegen einem Sonderbetriebsplan – eingelagertem Verfüllmaterial die Vorschriften des BBodSchG durch die Regelungen des BBergG verdrängt werden, hatte das Bundesverwaltungsgericht im oben genannten Urteil nicht zu entscheiden. Die Vorschriften des BBodSchG, die dem in § 1 Satz 2 BBodSchG genannten Zweck dienen, den Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren, werden durch die Vorschriften des BBergG nicht verdrängt. Insoweit kann offen bleiben, ob daran festzuhalten ist, dass Anordnungen zur Beseitigung von rechtswidrig ab- oder eingelagerten Abfällen auf der Grundlage von § 71 Abs. 1 BBergG nicht getroffen werden können. Solche Maßnahmen können jedenfalls auch auf der Grundlage von Vorschriften des BBodSchG getroffen werden. Wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, trat im Gesetzgebungsverfahren § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG an die Stelle des im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.01.1997 (BT-Drs. 13/ 6701) formulierten § 3 Abs. 4 (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 10.06.1997, BT-Drs. 13/7891, S. 9). Damit sollte die Systematik des Gesetzentwurfs verbessert und die Abgrenzung der Anforderungen des BBodSchG von denen des BBergG nunmehr in § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG geregelt werden; inhaltliche Änderungen zu der ursprünglich in § 3 Abs. 4 vorgesehenen Regelung ergäben sich nicht (BT-Drs. 13/7891, S. 38). § 3 Abs. 4 des ursprünglichen Gesetzentwurfs bestimmte indes, dass auf die Zulassung von Tätigkeiten und Einrichtungen im Sinne des § 2 BBergG dieses Gesetz (das BBodSchG) keine Anwendung finde; die Berücksichtigung der Belange dieses Gesetzes im Rahmen des § 55 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 BBergG bleibe unberührt. Die Schnittstellen zwischen dem BBodSchG und dem BBergG ergeben sich damit aus den Betriebsplänen nach § 55 i.V.m. § 48 Abs. 2 BBergG sowie aus den Abschlussbetriebsplänen nach § 53 BBergG (Frenz, BBodSchG, § 3 RdNr. 46). Im Rahmen der Vorsorge und Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit den Betriebsplänen werden die Regelungen des BBodSchG verdrängt (Sondermann/Hejma, a.a.O., § 3 RdNr. 70). Daraus folgt nach der Auffassung des Senats, dass die Anwendung des BBodSchG nicht ausgeschlossen sein soll, soweit ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Sanierung einer bereits eingetretenen schädlichen Bodenveränderung oder einer vorhandenen Altlast im Raum stehen."

74

Hieran hält der Senat – nach erneuter Überprüfung – auch weiterhin fest.

75

3. Die Voraussetzungen der Anordnung zur Beseitigung der Müllbetonstraße gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG liegen vor. Wie oben bereits dargestellt, handelt es sich bei der Tongrube E. – einschließlich der Betriebsstraßen – um eine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG. Hieraus ergibt sich gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG eine Sanierungspflicht, zu deren Erfüllung die zuständige Behörde gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG die notwendigen Maßnahmen treffen kann.

76

4. Der Kläger ist als Sanierungspflichtiger rechtmäßiger Adressat der Anordnung. Der Insolvenzverwalter kann nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG als Inhaber der tatsächlichen Gewalt für die Sanierung von massezugehörigen Grundstücken herangezogen werden, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kontaminiert waren. Allein das Ordnungsrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Störung der öffentlichen Sicherheit (Gefahr) vorliegt, wie dieser Störung zu begegnen ist und wer dafür in Anspruch genommen werden kann. Deshalb ist auch die Frage, ob allein die dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis folgende Inbesitznahme der Masse durch den Insolvenzverwalter nach § 148 Abs. 1 InsO eine Ordnungspflicht für von der Masse ausgehende Störungen begründet, ausschließlich nach den Tatbestandsmerkmalen des jeweils einschlägigen Ordnungsrechts zu beurteilen. Reicht danach – wie in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG – die tatsächliche Gewalt über ein Grundstück aus, wird der Insolvenzverwalter bereits mit der Besitzergreifung ordnungspflichtig (BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 – BVerwG 7 C 22.03 –, juris RdNr. 12). Im vorliegenden Fall ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Bergwerkseigentum auf den Kläger als Insolvenzverwalter übergegangen. Damit wurde er Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die zum Tontagebau E. gehörenden Grundstücke und damit sanierungspflichtig (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.05.2012 – 2 M 13/12 – BA S. 14; Beschl. v. 19.09.2013 – 2 M 114/13 – BA S. 13 f.).

77

Das Verwaltungsgericht verkennt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, soweit es die Auffassung vertritt (UA S. 35 ff.), eine Inanspruchnahme des Klägers als Insolvenzverwalter sei rechtswidrig, weil die Verantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten anknüpfe. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters nicht in Betracht kommt, soweit die Ordnungspflicht an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten anknüpft, wie etwa die Verursachung einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG durch den Gemeinschuldner (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 – BVerwG 7 C 22.03 – a.a.O. RdNr. 12 und Beschluss vom 05.06.2007 – BVerwG 7 B 25.07 –, juris RdNr. 3). Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodschG nicht nur der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sanierungspflichtig ist – insoweit knüpft das BBodSchG tatsächlich an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten an –, sondern auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück. Insoweit ergibt sich die Sanierungspflicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG aus der Verantwortlichkeit für den aktuellen Zustand von Massegegenständen mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter bereits mit der Besitzergreifung sanierungspflichtig wird.

78

Die Rechtsprechung des BVerwG zur bergrechtlichen Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters nach § 58 Abs. 1 BBergG steht der Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG nicht entgegen. Hiernach kommt der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft als verantwortliche Person im Sinne des § 58 Abs. 1 BBergG nur in Betracht, wenn die Insolvenzschuldnerin unter seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin im Sinne des § 4 Abs. 5 BBergG bergbaulich tätig geworden ist (BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 – BVerwG 7 C 40.07 –, juris RdNr. 16). Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 58 Abs. 1 BBergG ist mit der Verhaltenshaftung des allgemeinen Ordnungsrechts vergleichbar. Demgegenüber knüpft die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG an die tatsächliche Sachherrschaft an, die der Insolvenzverwalter regelmäßig mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt (Neumann, jurisPR-BVerwG 4/2008 Anm. 2). Eine Sperrwirkung des § 58 Abs. 1 BBergG für die Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG besteht nicht. Beide Vorschriften sind vielmehr nebeneinander anwendbar.

79

5. Die Zustandsverantwortlichkeit des Klägers ist verfassungsgemäß. Insoweit kann auf die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Zustandsstörerhaftung des Eigentümers Bezug genommen werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 31 BvR 315/99 –, juris RdNr. 46). Diese Erwägungen gelten sinngemäß auch für die Zustandsverantwortlichkeit des Insolvenzverwalters als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (vgl. VGH München, Urt. v. 04.05.2005 – 22 B 99.2208, 22 B 9922 B 99.2209 –, juris RdNr. 55). Wie beim Eigentümer findet die Zustandsverantwortlichkeit des Insolvenzverwalters ihren Grund in der mit dem Besitz verbundenen Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist. Für den Insolvenzverwalter als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft kann nichts anderes gelten. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, Gefahren, die von Massegegenständen ausgehen, mit finanziellen Mitteln der Allgemeinheit zu beseitigen und hierdurch Gläubiger des Gemeinschuldners durch höhere Insolvenzquoten zu begünstigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1999 – BVerwG 11 C 9.97 –, juris RdNr. 18). Eine angemessene Begrenzung der Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters ist dadurch gegeben, dass sie wie eine Masseverbindlichkeit zu behandeln und die Haftung des Insolvenzverwalters damit auf die Insolvenzmasse beschränkt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1999 – BVerwG 11 C 9.97 – a.a.O. RdNr. 19; VGH München, Urt. v. 04.05.2005 – 22 B 99.2208, 22 B 9922 B 99.2209 – a.a.O. RdNr. 55). Darüber hinaus kann sich der Insolvenzverwalter durch die Freigabe der kontaminierten Grundstücke aus der Masse seiner ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit entziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 – BVerwG 7 C 22.03 – a.a.O. RdNr. 15 ff.).

80

6. Die Zulassung des Sonderbetriebsplans "Verfüllung/Rekultivierung – Teilfeld II – für den Tontagebau E." durch den Bescheid des Beklagten vom 05.03.2004 hat keine der Heranziehung des Klägers als Zustandsstörer entgegenstehende Legalisierungswirkung.

81

Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass einer behördlichen Genehmigung eine sog. Legalisierungswirkung zukommen kann mit der Folge, dass der Anlagenbetreiber, solange er den Rahmen der Genehmigung einhält, lediglich das Risiko spezialgesetzlicher Eingriffe – etwa nach § 17 BImSchG – trägt und im Übrigen vor einer ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit geschützt ist (BVerwG, Urt. v. 02.12.1977 – BVerwG 4 C 75.75 – BVerwGE 55, 118 <120 ff.>; VGH BW, Beschl. v. 14.12.1989 – 1 S 2719/89 –, juris RdNr. 29; Beschl. v. 04.03.1996 – 10 S 2687/95 –, juris RdNr. 10; Urt. v. 29.03.2000 – 1 S 1245/99 –, juris RdNr. 25 ff.; Urt. v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 –, juris RdNr. 59; Breuer, JuS 1986, 359 <362 f.>; Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 ff.; Seibert, DVBl. 1992, 664 <670 f.>). Maßgeblich für die Reichweite der Legalisierungswirkung im Einzelfall sind dabei Gegenstand, Inhalt und Umfang der konkreten Regelung des Genehmigungsbescheides (VGH BW, Beschl. v. 14.12.1989 – 1 S 2719/89 – a.a.O. RdNr. 29; Beschl. v. 04.03.1996 – 10 S 2687/95 – a.a.O. RdNr. 10; Urt. v. 29.03.2000 – 1 S 1245/99 – a.a.O. RdNr. 25; Urt. v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 – a.a.O. RdNr. 59; Breuer, a.a.O., S. 363; Dombert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, § 4 BBodSchG RdNr. 50; Fluck, a.a.O., S. 420 ff.; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 101).

82

Es bedarf keiner Vertiefung, ob einer bergrechtlichen Betriebsplanzulassung auf Grund der von den Betriebshandlungen des Bergbaus im Verhältnis zum Normalmaß ausgehenden erhöhten Gefahrentendenz generell keine Legalisierungswirkung gegenüber späteren Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren zukommt, die durch die zugelassenen Betriebshandlungen hervorgerufenen wurden (vgl. OVG NW, Urt. v. 29.03.1984 – 12 A 2194/82 – OVGE 37, 115 <117 f.>; Beschl. v. 10.01.1985 – 4 B 1434/84 – NVwZ 1985, 355 <356>; VGH BW, Urt. v. 29.03.2000 – 1 S 1245/99 – a.a.O. RdNr. 26; Urt. v. 22.02.2005 – 10 S 1478/03 –, juris RdNr. 39; Urt. v. 01.04.2008 – 10 S 1388/06 –, juris RdNr. 33; VG Freiburg, Urt. v. 16.10.2002 – 1 K 836/00 –, juris RdNr. 29; Breuer, a.a.O., S. 362 f.; Müggenborg, NVwZ 2006, 278 <281>; a.A. Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 106). Es kann auch dahinstehen, ob sich der Zustandsstörer, anders als der Handlungsstörer, von vornherein nicht auf die Legalisierungswirkung einer behördlichen Betriebsgenehmigung berufen kann, weil diese nicht einen polizeiwidrigen Grundstückszustand, sondern nur ein bestimmtes Verhalten erlaubt (vgl. VGH BW, Urt. v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 – a.a.O. RdNr. 59; VG Hamburg, Urt. v. 22.05.2003 – 7 VG 5443/2002 –, juris RdNr. 97; hiergegen Fluck, a.a.O., S. 427 ff.; differenzierend Breuer, a.a.O., S. 363).

83

Im vorliegenden Fall kommt eine Legalisierungswirkung der Betriebsplanzulassung des Beklagten vom 05.03.2004 bereits deshalb nicht in Betracht, weil die im Rahmen der Herstellung der hier in Rede stehenden Betriebsstraßen im Tontagebau E. verwendeten Abfälle nicht den in der Betriebsplanzulassung festgelegten Parametern entsprachen. Nach der Nebenbestimmung Nr. 3.3 des Bescheides vom 05.03.2004 durfte das zu verfüllende Material die Zuordnungswerte Z 2 im Eluat gemäß der Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) – Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln – nicht überschreiten. Diesen Anforderungen wird das tatsächlich verarbeitete Material nicht gerecht. Nach dem Ergebnis der am 16.08.2007 erfolgten Abfallprobeentnahme im Tontagebau E. durch das Landesamt für Umweltschutz ergaben sich in den Proben erhebliche Überschreitungen der LAGA M 20 Z 2-Werte im Hinblick auf Nickel, Zink und Chlorid. Auch die Untersuchungen der (W.) Ingenieure GmbH ergaben ausweislich des Berichts über die Untersuchung von Verfüllmaterial in der Tongrube E. vom 18.03.2008 Überschreitungen der LAGA M 20 Z 2-Werte im Hinblick auf die Parameter elektrische Leitfähigkeit, Chlorid, Cadmium, Kupfer, Nickel und Phenol-Index (vgl. GA Bl. 276).

84

Selbst wenn sich die Gemeinschuldnerin bei der Herstellung der Betriebsstraßen im Tontagebau E. an die Vorgaben der Betriebsplanzulassung vom 05.03.2004 hinsichtlich der zugelassenen Verfüllmaterialien gehalten haben sollte, kann hieraus keine Legalisierungswirkung hergeleitet werden, die einer Inanspruchnahme des Klägers als Zustandsstörer entgegensteht. Maßgeblich für den Umfang der Legalisierungswirkung einer Betriebsplanzulassung sind der Inhalt der Zulassung sowie der behördliche Prüfungsumfang (Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 56 RdNr. 101). Entscheidend ist, ob die Auswirkungen des Betriebes bei Genehmigungserteilung erkennbar waren bzw. erkannt worden sind und daher mit der Erteilung der Genehmigung "gebilligt" bzw. "in Kauf genommen" wurden (Seibert, a.a.O., S. 671). Zu prüfen ist, ob die Gefahr durch "zwangsläufige" Folgen der Ausnutzung einer Genehmigung entstanden ist (VG Sigmaringen, Urt. v. 28.07.2010 – 3 K 174/07 –, juris RdNr. 137; Seibert, a.a.O., S. 671). Nach diesen Grundsätzen ist der Eintritt von Gefahren für den Boden und das Grundwasser infolge der Verwendung von Abfällen bei der Herstellung der Müllbetonstraße auf der Böschungsschulter der Südböschung im Tontagebau E. von der Betriebsplanzulassung vom 05.03.2004 nicht gedeckt. Die Gefährdung des Grundwassers infolge des Schadstoffgehalts der verwendeten Abfälle waren weder Gegenstand der Betriebsplanzulassung noch dessen zwangsläufige Folge.

85

Die Zulassung des Sonderbetriebsplanes erfolgte auf der Grundlage des § 48 Abs. 2 BBergG und des § 55 BBergG. Eine hinreichende Prüfung der Belange des Bodenschutzes war hiermit nicht verbunden. Eine sachgerechte Prüfung der Frage, ob nachteilige Einwirkungen auf den Boden oder das Grundwasser durch den Einbau bergbaufremder Abfälle ausgeschlossen sind, lässt sich allein anhand dieser Vorschriften nicht durchführen (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 – a.a.O. RdNr. 19 ff.). Auch die im Bescheid vom 05.03.2004 herangezogenen Zuordnungswerte Z 2 der Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) – Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln – (Stand: 06.11.1997) ermöglichten keine hinreichende Prüfung, ob der Boden und das Grundwasser vor den Gefahren, die mit der Verfüllung der Tongrube mit bergbaufremden Materialien ausgehen, hinreichend geschützt sind (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 – a.a.O. RdNr. 23). Vielmehr ist eine sachgerechte Abschätzung der mit der Verfüllung eines Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen verbundenen Risiken nur auf der Grundlage des BBodSchG sowie die BBodSchV unter Heranziehung der Vorsorgewerte für Böden in Anhang 2 Nr. 4 der BBodSchV möglich (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 – a.a.O. RdNr. 24 ff.; Beschl. v. 28.07.2010 – BVerwG 7 B 16.10 – a.a.O. RdNr. 10). Ergänzend waren die Prüfwerte zur Beurteilung des Wirkpfades Boden – Grundwasser nach Anlage 2 Nr. 3.1 BBodSchV heranzuziehen. Eine derartige Prüfung fand hier nicht statt. Vielmehr wird weder das BBodSchG noch die BBodSchV in der Betriebsplanzulassung vom 05.03.2004 erwähnt. Eine hinreichende Prüfung nachteiliger Auswirkungen der zugelassenen Verfüllmaterialien auf Boden und Grundwasser ist hiermit nicht verbunden. Eine Legalisierungswirkung mit der Folge, dass die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für die Entstehung von Gefahren für das Grundwasser infolge der Schadstoffhaltigkeit der bei der Herstellung der Müllbetonstraße verwendeten Abfälle ausgeschlossen ist, kann daher aus der Betriebsplanzulassung nicht hergeleitet werden.

86

Darüber hinaus waren die in der Südböschung der Tongrube E. aufgetretenen Gefahren für das Grundwasser infolge der Schadstoffhaltigkeit der bei der Herstellung der Müllbetonstraße verwendeten Abfälle auch nicht zwangsläufige Folge der Betriebsplanzulassung. Die zugelassenen Verfüllmaterialien umfassten insbesondere durch die Zulassung von Abfällen mit der ASNAVV 19 12 12 (sonstige Abfälle aus der mechanischen Behandlung von Abfällen ) und der ASNAVV 19 02 03 (vorgemischte Abfälle, die ausschließlich aus nicht gefährlichen Abfällen bestehen) eine Vielzahl von möglichen Stoffen. Die bei Abfällen mit der ASNAVV 19 12 12 zulässigen Stoffe wurden zwar durch die in dem Antrag auf Zulassung des Sonderbetriebsplans "Verfüllung/Rekultivierung – Teilfeld II – für den Tontagebau E." vom 26.03.2003 enthaltene Einschränkung, hierunter sei ausschließlich Material aus der Vorabsiebung von Baustellenabfällen bei einem Trennschnitt von = 40 mm zu verstehen, eingegrenzt. Diese Eingrenzung ist auch durch die Bezugnahme auf den Sonderbetriebsplan in der Betriebsplanzulassung vom 05.03.2004 verbindlich geworden. Gleichwohl erfasst die Zulassung von Abfällen mit der ASNAVV 19 12 12 eine sehr große Bandbreite von zulässigen Verfüllmaterialien. Das gleiche gilt für die Zulassung von Abfällen mit der ASNAVV 19 02 03. Zwar wurden die insoweit zulässigen Stoffe in der dem Antrag auf Zulassung des Sonderbetriebsplans vom 26.03.2003 als Anlage 8 beigefügten "Stoffliste der vorgemischten Abfälle" im Einzelnen aufgelistet. Diese Stoffliste ist auch durch die Bezugnahme auf den Sonderbetriebsplan in der Betriebsplanzulassung vom 05.03.2004 verbindlich geworden. Gleichwohl kam noch immer eine Vielzahl von unterschiedlichen Stoffen als zulässiges Verfüllmaterial in Betracht. Dabei zählen zu den hiernach zulässigen Stoffen zahlreiche mineralische Abfälle, wie etwa Abfälle aus Kies- und Gesteinsbruch, Abfälle von Sand und Ton, Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik, deren Einbringung in die Tongrube bzw. Müllbetonstraße unproblematisch möglich gewesen wäre und zu keiner Gefährdung von Boden und Grundwasser geführt hätte. Der Beklagte ist bei seiner Zulassungsentscheidung auch ersichtlich davon ausgegangen, dass von der Gemeinschuldnerin ausschließlich zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche bzw. Herstellung von Betriebsstraßen geeignete, für die Umwelt unschädliche mineralische Abfälle verwendet werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Gemeinschuldnerin hierfür ungeeignete schadstoffhaltige Abfälle mit einem hohen Organikanteil und dadurch einem hohen Gefährdungspotential für Boden und Grundwasser einsetzen würde, bestanden nicht. Auch vor diesem Hintergrund liegt es fern, anzunehmen, der Beklagte habe diese Gefährdungen "in Kauf genommen". Der Sonderbetriebsplanzulassung kommt demzufolge keine Legalisierungswirkung zu, die einer Inanspruchnahme des Klägers als Zustandsstörer entgegenstehen könnte.

87

Eine Legalisierungswirkung durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landkreises (...) vom 28.11.2006 kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese weder die Verfüllung des Tagebaus E. noch die Herstellung von Betriebsstraßen in diesem Tagebau betrifft.

88

7. Der Beklagte hat das ihm gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das gilt zunächst für die Entscheidung, gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG vom Kläger die Entfernung der Müllbetonstraße zu verlangen. Die Maßnahme ist zur Sanierung der Tongrube gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG geeignet, erforderlich und angemessen.

89

Die Entscheidung des Beklagten ist auch frei von Ermessensfehlern, soweit er den Kläger als Zustandsstörer herangezogen hat. Im Rahmen der behördlichen Störerauswahl ist grundsätzlich von der Gleichrangigkeit der Verantwortlichen auszugehen. Eine Handlungsmaxime dahingehend, dass der Handlungsstörer (Verursacher) regelmäßig vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen ist, existiert nicht (BayVGH, Beschl. v. 17.02.2005 – 22 ZB 04.3472 –, juris RdNr. 14). Bei der bodenschutzrechtlichen Störerauswahl hat sich die Behörde vielmehr in erster Linie von dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr leiten zu lassen (vgl. VGH BW, Urt. v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 – a.a.O. RdNr. 36; Dombert, a.a.O., § 4 BBodSchG RdNr. 16; Erbguth/Stollmann, DVBl. 2001, 601 <608>). Nach diesen Grundsätzen ist die Heranziehung des Klägers rechtmäßig. Er ist als Insolvenzverwalter Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die zum Tontagebau E. gehörenden Grundstücke und steht damit gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG als Sanierungspflichtiger fest.

90

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte davon abgesehen hat, die (möglichen) Verursacher der Altlast in Anspruch zu nehmen. Dies gilt insbesondere für die Gemeinschuldnerin als frühere Betreiberin der Tongrube, der nach Lage der Dinge die Verursachung der hier in Rede stehenden Altlast zuzurechnen sein dürfte. Ihre Inanspruchnahme hat der Beklagte in der angefochtenen Verfügung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Begründung verworfen, dass sie sich in der Insolvenz befindet und deshalb nicht über die zur Durchführung der Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen erforderlichen Mittel verfügt.

91

Dem Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, er hätte die Abfallerzeuger oder die früheren Abfallbesitzer in Anspruch nahmen müssen. Aus Effizienzgründen kann es geboten sein, allein den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu den erforderlichen Sanierungsmaßnahmen heranzuziehen, wenn die Heranziehung von möglichen Verhaltensverantwortlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zweifelhaft ist, insbesondere die einzelnen Verursachungsbeiträge ungeklärt sind. Die Regelung des § 4 Abs. 3 BBodSchG verfolgt insbesondere zwei Ziele, nämlich die schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen, die auf schädlichen Bodenveränderungen beruhen oder von Altlasten ausgehen, und die Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Eine langwierige prozessuale Auseinandersetzung mit einem Verhaltensstörer, dessen (Mit-)Verursachungsbeitrag zweifelhaft ist, könnte jedoch der Effektivität der Gefahrenabwehr zuwiderlaufen (Beschl. d. Senats v. 19.09.2013 – 2 M 114/13 – a.a.O. RdNr. 33; VG Düsseldorf, Beschl. v. 09.06.2009 – 17 L 513/09 –, Juris, RdNr. 10). Unverzichtbares Kriterium bei der Heranziehung als Handlungsstörer ist, dass die Verantwortlichkeit der in die Pflicht genommenen Personen dem Grunde nach feststeht; eine bloß mögliche Verantwortlichkeit reicht insoweit nicht aus (vgl. Dombert, a.a.O., § 4 BBodSchG RdNr. 22) Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 24 Abs. 2 BBodSchG, in welchem Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Verpflichteten vorgesehen sind, die Schärfe einer Inanspruchnahme des Inhabers der tatsächlichen Gewalt durch die Möglichkeit des Rückgriffs bei anderen Verantwortlichen, insbesondere den Verursachern, erheblich relativiert hat (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O. RdNr. 10).

92

Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte weder die Abfallerzeuger noch die früheren Abfallbesitzer in Anspruch genommen hat. Die Heranziehung derjenigen Personen, die die Abfälle angeliefert haben, erscheint nicht unproblematisch. Die Überlegung des Beklagten, dass sie nur als mittelbare Verursacher dieser Altlast anzusehen seien, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Fraglich ist, ob das Einbringen der Abfälle in die Tongrube eine Handlung darstellt, die dem Abfallerzeuger oder dem (früheren) Abfallbesitzer noch zugerechnet werden kann. Fraglich ist insbesondere, ob die Herstellung von Betriebsstraßen eine Handlung darstellt, die dem Abfallerzeuger oder dem (früheren) Abfallbesitzer noch zugerechnet werden kann. Eine Verhaltensverantwortlichkeit setzt nämlich voraus, dass die handelnde Person die Gefahr „unmittelbar" herbeigeführt hat, also bei einer wertenden Zurechnung die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat. Personen, die entferntere, nur mittelbare Ursachen für den eingetretenen Erfolg gesetzt, also nur den Anlass für die unmittelbare Verursachung durch andere gegeben haben, sind in diesem Sinn keine Verursacher (BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008 – BVerwG 7 B 12.08 –, juris RdNr. 3). Mit dem Bau der Müllbetonstraße aus einem Gemisch von Abfällen und Beton bzw. Zement wurde eine über das bloße Ablagern von Abfällen hinausgehende, den rechtswidrigen Zustand verfestigende Gefahr begründet. Nach der gebotenen wertenden Betrachtungsweise kann zwar auch ein als „Veranlasser" auftretender Hintermann (mit)verantwortlich sein, wenn dessen Handlung zwar nicht die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat, aber mit der durch den Verursacher unmittelbar herbeigeführten Gefahr oder Störung eine natürliche Einheit bildet, die die Einbeziehung des Hintermanns in die Polizeipflicht rechtfertigt. Eine derartige natürliche Einheit besteht typischerweise beim „Zweckveranlasser“ als demjenigen, der die durch den Verursacher bewirkte Polizeiwidrigkeit gezielt ausgelöst hat (BVerwG, Beschl. v. 12.04.2006 – 7 B 30.06 –, Juris, RdNr. 4). Eine solche Feststellung lässt sich hier aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit treffen.

93

Die Erwägung des Beklagten, von einer – grundsätzlich möglichen – Inanspruchnahme der Grundstückseigentümer, des Herrn (...), der Ferkelproduktion E. GmbH & Co. KG sowie der Stadt G., wegen der mit der Inanspruchnahme verbundenen Kostenbelastung anzusehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch, soweit er wegen der von ihm angestrebten Einheitlichkeit der Sanierungsmaßnahme den Kläger als den Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Anspruch genommen hat.

94

8. Schließlich ist auch die dem Kläger gesetzte Frist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 3 SOG LSA ist der betroffenen Person in der Androhung der Zwangsmittel eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung zu bestimmen. Die Fristsetzung dient dazu, dem Adressaten die Folgen einer Nichtbeachtung der für ihn bestehenden Verpflichtung vor Augen zu führen und ihm die Möglichkeit einzuräumen, die Anwendung von Verwaltungszwang durch die Erfüllung der ihm auferlegten Handlungspflicht abzuwenden und die hierfür erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Zeit umsetzen und organisieren zu dürfen (VG Gießen, Beschl. v. 14.03.2013 – 8 L 286/13.GI –, juris RdNr. 18). Die Frist ist angemessen, wenn sie das behördliche Interesse an der Schnelligkeit der Ausführung berücksichtigt und zugleich dem Betroffenen die nach der Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (Urt. d. Senats v. 12.12.2013 – 2 L 21/12 – UA S. 9; SächsOVG, Urt. v. 27.01.2008 – 4 B 809/06 –, juris RdNr. 53; Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 VwVG RdNr. 37). Hierbei kann die Behörde die Frist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit umso kürzer bemessen, je größer die Gefahrenlage ist (Sadler, a.a.O., § 13 VwVG RdNr. 38). Maßgeblich ist, dass ein kooperationsbereiter Störer in der Situation des Betroffenen innerhalb der bestimmten Frist die ihm aufgegebene Maßnahme abschließen oder jedenfalls ins Werk setzen kann (vgl. SächsOVG, Urt. v. 27.01.2008 – 4 B 809/06 – a.a.O. RdNr. 57), zumal mit der Anwendung des Zwangsmittels zuzuwarten ist, wenn sich abzeichnet, dass der Pflichtige sich entschließt, die durchzusetzende Anordnung selbst zu erfüllen (vgl. SaarlOVG, Beschl. v. 26.01.2009 – 3 D 359/08 –, juris RdNr. 21). Hiernach ist die dem Kläger gesetzte Frist bis zum 24.08.2012 zur Beauftragung eines geeigneten Unternehmens rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vornahme von Sanierungsmaßnahmen war wegen des Umfangs der von der Tongrube E. ausgehenden Gefahren dringlich. Andererseits mag es zwar, wie der Kläger vorträgt, nur schwer möglich gewesen sein, innerhalb der gesetzten Frist einen entsprechenden Auftrag zu erteilen. Jedoch wäre es nicht unmöglich gewesen, sich innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit ernsthaft zu bemühen, die aufgegebenen Maßnahmen – etwa durch Einholung von Angeboten geeigneter Unternehmen – ins Werk zu setzen, um die Durchführung der Ersatzvornahme abzuwenden.

95

B. Der angefochtene Bescheid vom 07.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit ihm aufgegeben wird, die Böschung zur Verhinderung von Rutschungen und Setzungen dauerhaft standsicher zu gestalten (Nr. 1.1 b.) und das im Ostsee vorhandene Wasserreservoir abzupumpen (Nr. 1.2). Das BBodSchG ist insoweit nicht anwendbar. Es könnte fraglich sein, ob im Hinblick auf die Südböschung sowie den Ostsee überhaupt eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG vorliegt (dazu I.). Der Anwendung des BBodschG steht insoweit jedenfalls der Vorrang des Abfallrechts entgegen (dazu II.). Ob der Anwendung des BBodschG insoweit auch der Vorrang des Bergrechts entgegensteht, bedarf keiner Vertiefung (dazu III.).

96

I. Es könnte fraglich sein, ob im Hinblick auf die Südböschung sowie den Ostsee überhaupt eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG vorliegt. Schädliche Bodenveränderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Zwar schließt der weite Begriff der Bodenveränderung auch Veränderungen der Bodenphysik mit ein (vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 29). Ob zu den schädlichen Bodenveränderungen im Sinne des BBodSchG jedoch auch Veränderungen der Bodenphysik durch Abgrabungen im Rahmen eines Tagebaubetriebes gehören, die zur Folge haben, dass die entstandenen Böschungen nicht (mehr) standsicher sind, könnte deshalb fraglich sein, weil die Standsicherheit von Tagebauböschungen in erster Linie eine bergrechtliche Problematik ist (vgl. Beckmann, BauR 2010, 2047 ff.) und eine Erstreckung des Bodenschutzrechts hierauf nicht nahe liegen dürfte.

97

Die Frage bedarf keiner Vertiefung, denn die grundsätzliche Anwendbarkeit des BBodSchG auf die Südböschung und den Ostsee dürfte jedenfalls deshalb gegeben sein, weil es sich bei dem Tontagebau E. insgesamt um eine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG handeln dürfte. Nach dieser Vorschrift sind Altlasten stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Der Tontagebau E. dürfte insgesamt eine Altlast in Form einer Altablagerung in diesem Sinne sein. Nach dem Ergebnis der Abfallprobeentnahme im Tontagebau E. durch das Landesamt für Umweltschutz vom 16.08.2007 ergaben sich in den Proben eine Anzahl von Überschreitungen der LAGA M 20 Z 2-Werte sowie ein TOC-Gehalt (TOC = total organic carbon = gesamter organisch gebundener Kohlenstoff) von durchschnittlich 6,36 Masse-%. Auch die Untersuchungen der (W.) Ingenieure GmbH ergaben ausweislich des Berichts über die Untersuchung von Verfüllmaterial in der Tongrube E. vom 18.03.2008 mehrere Überschreitungen der LAGA M 20 Z 2-Werte. Zudem wurde ein TOC-Gehalt von durchschnittlich 27,92 Masse-% festgestellt. Nach der im Auftrag des Beklagten erstellten Gefahrenbeurteilung der (F.) GmbH vom 19.10.2010 wurden in den Teilfeldern II Nord und Süd der Tongrube E. nahezu ausschließlich zerkleinerte hausmüllähnliche Abfälle verfüllt (GA Bl. 277). Hiernach dürfte davon auszugehen sein, dass von den in dem Tontagebau E. abgelagerten Abfällen schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.

98

II. Die Anordnung, die Böschung zur Verhinderung von Rutschungen und Setzungen dauerhaft standsicher zu gestalten und das im Ostsee vorhandene Wasserreservoir abzupumpen, kann gleichwohl nicht auf das BBodSchG gestützt werden. Dem steht der Vorrang der Vorschriften des KrWG über die Stillegung von Deponien gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG entgegen.

99

Die Regelung des § 40 KrWG ist im vorliegenden Fall anwendbar, da es sich bei dem Tontagebau E. um eine – illegale – Deponie handelt (dazu 1.). Die Anwendbarkeit des § 40 KrWG sperrt die Anwendung des BBodSchG. Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG liegen nicht vor (dazu 2.).

100

1. Die Tongrube E. wird vom Anwendungsbereich des § 40 KrWG erfasst. Es handelt sich um eine Deponie im Sinne dieser Vorschrift. Unter einer Deponie ist gemäß § 3 Abs. 27 Satz 1 KrWG eine Beseitigungsanlage zur Ablagerung von Abfällen oberhalb der Erdoberfläche (oberirdische Deponie) oder unterhalb der Erdoberfläche (Untertagedeponie) zu verstehen. Die Tongrube E. ist eine solche Anlage. Eine Ablagerung von Abfällen hat in der Tongrube E. – wie bereits ausgeführt – stattgefunden, denn die als Verfüllmaterial eingebrachten Abfälle sollten dauerhaft dort verbleiben. Die Abfälle wurden dort auch zu Beseitigung abgelagert. Anders als der Begriff der Altlast setzt der Begriff der Deponie voraus, dass die Abfälle zur Beseitigung abgelagert wurden. Das ist hier der Fall. Die Verfüllung der Tongrube E. mit Abfällen mit einem hohen Anteil an klein geschreddertem Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen war eine Maßnahme der Abfallbeseitigung, nicht der Abfallverwertung.

101

Verwertung im Sinne des KrWG ist gemäß § 3 Abs. 23 Satz 1 KrWG jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder indem die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Verfüllung eines der Bergaufsicht unterliegenden Tagebaus mit hierzu geeigneten Abfällen im Regelfall ein Verwertungsvorgang. Die stoffliche Verwertung der Abfälle liegt in diesen Fällen in der Nutzung des Volumens der Abfälle, wenn diese aufgrund ihrer Eigenschaften für den Verwendungszweck geeignet sind. Auf die Schadstoffhaltigkeit der Abfälle kommt es für die Einstufung der Verfüllung als Vorgang der Verwertung nicht an (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 – BVerwG 7 C 26.03 –, juris RdNr. 15 ff.). Maßgeblich ist, ob der Abfall für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet ist. Die Verfüllung eines der Bergaufsicht unterliegenden Betriebs mit für den konkreten Verwendungszweck nicht geeigneten Abfällen ist keine Verwertung, sondern ein Verfahren der Abfallbeseitigung. Das kann dann der Fall sein, wenn es für den Zweck der Verfüllung nicht allein auf das Volumen des Abfalls ankommt, sondern diese eine stabilisierende Funktion haben soll, die bestimmte mechanischen Eigenschaften des Verfüllmaterials voraussetzt, die von dem zum Einsatz kommenden Abfall nicht erfüllt werden (BVerwG, Urt. v. 14.04.2000 – BVerwG 4 C 13.98 –, juris RdNr. 20).

102

Nach diesen Grundsätzen war die Verfüllung der Tongrube E. mit Abfällen mit einem hohen Anteil an klein geschreddertem Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen keine Maßnahme der Abfallverwertung, sondern Abfallbeseitigung. Diese Abfälle waren aufgrund ihrer stofflichen Eigenschaften nicht geeignet, den Zweck der Verfüllung, die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche der ausgebeuteten Bereiche im Tagebau E. im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 7 BBergG, zu erreichen. Aufgrund ihres hohen Anteils an organischen Inhaltsstoffen fehlten ihnen insbesondere die für die Wiedernutzbarmachung erforderlichen mechanischen Eigenschaften.

103

Anhaltspunkte für die Eignung von Abfällen als Verfüllmaterial im Bergbau über Tage lassen sich der Veröffentlichung des Länderausschusses Bergbau (LAB) "Anforderungen an die Verwertung von bergbaufremden Abfällen im Bergbau über Tage – Technische Regeln – Stand: 30.03.2004 (TR Bergbau)" (http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/themen/a/abfall_bergbau/tech_reg_bergbaufremd.pdf) entnehmen (Attendorn, AbfallR 2005, 215 <220>; Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, 2. Aufl. 2013, § 55 RdNr. 185 ff.). Nach Kapitel I Nr. 4.5 TR Bergbau müssen die zur Wiedernutzbarmachung eingesetzten Abfälle bestimmte mechanische Eigenschaften wie Druckfestigkeit, Scherfestigkeit sowie ein bestimmtes Druck- und Setzungsverhalten erfüllen. Weitere Anhaltspunkte können der Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) – Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen – Technische Regeln – Teil I: Allgemeiner Teil (Stand: 06.11.2003) und Teil II: Technische Regeln für die Verwertung, Nr. 1.2 Bodenmaterial (Stand: 05.11.2004) (TR Boden), entnommen werden. Die TR Boden enthält in Tabelle II.1.2-2 Zuordnungswerte für die Verwendung von mineralischen Abfällen in bodenähnlichen Anwendungen. Als maximaler Feststoffgehalt für die Verfüllung von Abgrabungen ist hier ein TOC-Gehalt von 0,5 bzw. 1,0 Masse-% vorgesehen.

104

In den Teilfeldern II Nord und Süd der Tongrube E. wurden nach der im Auftrag des Beklagten erstellten Gefahrenbeurteilung der (F.) GmbH vom 19.10.2010 nahezu ausschließlich zerkleinerte hausmüllähnliche Abfälle verfüllt. Die verwendeten Abfälle waren aufgrund ihres hohen Organikgehalts für den Zweck der Verfüllung, die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche der ausgebeuteten Bereiche des Tagebaus E., ungeeignet. In einem Schreiben an die Gemeinschuldnerin vom 27.03.2008 hat der Beklagte hierzu ausgeführt:

105

"Durch die mikrobielle Zersetzung wird der organische Kohlenstoff im Feststoff in die Gasphase überführt, der aus dem Versatzkörper entweicht. Dadurch tritt ein Volumendefizit ein, welches zu Setzungserscheinungen führt. Diese Setzungserscheinungen werden nach der vollständigen Verfüllung der Tongrube und der Abdeckung durch eine 1 m dicke Tonschicht und eine 2 m starke durchwurzelbare Bodenschicht, die dann landwirtschaftlich genutzt wird, dazu führen, dass die Tonschicht oberhalb des sich setzenden Versatzkörpers den Bodenbewegungen folgt, gedehnt wird und mit hoher Wahrscheinlichkeit undicht wird. Dann wird Niederschlagswasser in den Versatzkörper eindringen und die mikrobielle Zersetzung weiter anregen, wodurch sich die Setzung und die Schädigung der Tonschicht beschleunigen. Der Versatzkörper wird dann mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum mit Niederschlagswasser volllaufen und die nach unten hin dichte Tongrube fluten. Der nun wassergesättigte Versatzkörper wird die im Versatz nachweislich vorhandenen Schadstoffe eluieren und zu einem hochbelasteten Wasserkörper (Z2) werden. Da der Wasserzutritt sich fortsetzt, wird die Oberfläche oberhalb der Tonkuhle, nachdem die Tonkuhle selbst geflutet wurde, vernässen und mit kontaminiertem Wasser aus dem Versatzkörper durch Diffusionstransport und konvektiven Transport i. R. d. Veränderung des Grundwasserstandes im Jahresgang verunreinigt werden. Das führt mit hoher Sicherheit dazu, dass der Boden nicht mehr für die geplante landwirtschaftliche Nutzung geeignet ist. Ferner ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die überlaufende Tonkuhle in die benachbarten Vorfluten bzw. in die umgebenden Grundwasserkörper überläuft und diese ebenfalls verunreinigt."

106

Vor diesem Hintergrund liegt auf der Hand, dass bei der Verfüllung der Tongrube E. nicht die Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Materials im Vordergrund stand, sondern die Beseitigung des in den Abfällen enthaltenen Schadstoffpotentials (vgl. Dippel, AbfallR 2010, 132 <134>). Die in der Tongrube E. vorhandene illegale Deponie besteht dabei nicht nur aus dem eigentlichen Verfüllkörper – also dem hierin abgelagerte Abfall –, sondern aus dem gesamten Tontagebau E. einschließlich der dazugehörigen Böschungen und der Wasserreservoire. Der Tontagebau ist insoweit als Einheit anzusehen.

107

Für die Anwendbarkeit des § 40 KrWG ist ohne Belang, dass es an der für den Betrieb der Tongrube E. als Deponie gemäß § 35 KrWG (31 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG) erforderliche Planfeststellung fehlt. Die Planfeststellung ist kein Begriffsmerkmal der Deponie. Vielmehr unterfallen auch illegale Deponien dem Anwendungsbereich des § 40 KrWG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.05.1995 – BVerwG 7 B 270.94 –, juris RdNr. 10 und Urt. v. 31.08.2006 – BVerwG 7 C 3.06 –, juris RdNr. 9; Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, a.a.O., § 40 RdNr. 3). Die Tongrube E. ist eine solche illegale Deponie. Eine Planfeststellung für die Deponie hat nicht stattgefunden. Der Bescheid des Beklagten vom 05.04.2004 über die Zulassung des Sonderbetriebsplans "Verfüllung/Rekultivierung – Teilfeld II – für den Tontagebau E." reicht als rechtliche Grundlage für die Verfüllung der Tongrube mit Abfällen nicht aus, denn die – hier vorliegende – Beseitigung von Abfällen in einem Bergbaubetrieb unter dem Regime des BBergG ist nicht zulässig (BVerwG, Urt. v. 14.04.2000 – BVerwG 4 C 13.98 –, juris RdNr. 14).

108

Die im Tontagebau E. betriebene Deponie ist – wie oben bereits ausgeführt – stillgelegt worden. Eine Stillegung erfolgte hier spätestens mit Insolvenzeröffnung. Der Kläger hat den Betrieb der Tongrube bislang nicht weitergeführt. Dies ist auch in Zukunft nicht zu erwarten.

109

2. Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des BBodSchG anzuwenden, wenn der Verdacht besteht, dass von einer endgültig stillgelegten Deponie nach Absatz 3 schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen. Nach dieser Vorschrift ist das BBodSchG auf eine dem § 40 KrWG unterfallende Deponie – wie hier – erst nach deren endgültiger Stillegung im Sinne des § 40 Abs. 3 KrWG anzuwenden. Eine endgültige Stilllegung liegt vor, wenn die zuständige Behörde den Abschluss der Stilllegung festgestellt hat. Hiermit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Vorschriften des BBodschG erst nach Abschluss der Stilllegungsphase Anwendung finden (vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 95). Eine endgültige Stilllegung der im Tontagebau E. betriebenen illegalen Deponie in diesem Sinne hat noch nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob der Bescheid des Beklagten vom 07.08.2012 selbst dann im Hinblick auf die Anordnung, die Böschung zur Verhinderung von Rutschungen und Setzungen dauerhaft standsicher zu gestalten und das im Ostsee vorhandene Wasserreservoir abzupumpen, rechtswidrig wäre, wenn die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG vorlägen. Es bedarf insbesondere keiner Vertiefung, ob diese Vorschrift einen Rückgriff auf § 4 Abs. 3 BBodSchG zulässt (vgl. BT-Drs. 17/6645, S. 6 f.).

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III. Es kann offen bleiben, ob auch der Vorrang des Bergrechts der Anwendung des BBodSchG entgegensteht, soweit dem Kläger aufgegeben wird, die Böschung zur Verhinderung von Rutschungen und Setzungen dauerhaft standsicher zu gestalten und das im Ostsee vorhandene Wasserreservoir abzupumpen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG tritt das BBodSchG hinter speziellere Regelungen des Bundesberggesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung, Führung oder Einstellung eines Betriebes zurück, soweit hierin Einwirkungen auf den Boden geregelt werden. Derartige vorrangige Vorschriften des Bergrechts könnten hier vorliegen. Die §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 71 Abs. 1 BBergG lassen Anordnungen der zuständigen Behörden bei nachträglich erkennbar werdenden Standsicherheitsproblemen bei einem zugelassenen Bergwerksbetrieb zu (Beckmann, BauR 2010, 2047<2054>). Sieht man die hier relevanten "Einwirkungen auf den Boden" im Sinne des § 3 Abs. 1 BBodschG in der eigentlichen Abbautätigkeit, die zu der fehlenden Standsicherheit der Südböschung sowie der Nord- und Ostböschung des Ostsees geführt hat und die nach Auffassung des Beklagten eine schädliche Bodenveränderung darstellt, könnten diese Regelungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBergG vorrangig anzuwenden sein mit der Folge, dass der Kläger mangels Verantwortlichkeit nach § 58 Abs. 1 BBergG nicht in Anspruch genommen werden kann. Dies bedarf indessen vorliegend keiner Vertiefung.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 709 ZPO.

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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.