Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 28. Apr. 2016 - 4 LB 8/15

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2016:0428.4LB8.15.0A
28.04.2016

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer, Einzelrichter - vom 12. Februar 2015 wie folgt geändert und neu gefasst:

Soweit der Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2) aus der Klageschrift übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Soweit die Feststellungsklage hinsichtlich des Zeitraumes vor dem 29. Mai 2013 zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Soweit das Verwaltungsgericht die Feststellungsklage insoweit abgewiesen hat, wird das Urteil für unwirksam erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz trägt der Kläger.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher in Höhe des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Auskunftssperre bezüglich der Person der Beigeladenen sowie über die Rechtmäßigkeit von festgesetzten Gebühren für eine Melderegisterauskunft sowie erhobener Mahngebühren. Die ursprünglich ebenfalls verfolgten Anträge auf Akteneinsicht sind im erstinstanzlichen Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

2

Nachdem der Kläger und die Beigeladene - seine Ehefrau - sich im Februar 2013 getrennt hatten, meldete sich die Beigeladene am 3.5.2013 in A-Stadt an und beantragte mündlich die Einrichtung einer melderechtlichen Auskunftssperre, welche an diesem Tage vorläufig ohne schriftlichen Antrag im Melderegister eingetragen wurde. Schriftlich beantragte die Beigeladene mit Antrag vom 16. Mai 2013 die Einrichtung einer Auskunftssperre. Wegen der Begründung des Antrages wird auf Bl. 1 der Beiakte C Bezug genommen. Mit Bescheid vom 29.5.2013 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass eine bis zum 31.12.2015 befristete Auskunftssperre vermerkt worden sei.

3

Mit Bescheid vom 30. August 2013 löschte die Beklagte diese Auskunftssperre mit Wirkung ab dem 7. Oktober 2013. Zuvor hatte die Beigeladene mit Schreiben vom 24. August 2013 mitgeteilt, dass keine Notwendigkeit für die Auskunftssperre mehr bestehe.

4

Nach gebührenpflichtiger Ablehnung dreier seine Ehefrau betreffenden Wohnsitzanfragen (u.a. Wohnsitzanfrage vom 30.05.2013) machte der Kläger mit Schreiben vom 4. Juli 2013 gegenüber der Beklagten geltend, er benötige die aktuelle Anschrift seiner Ehefrau zur Durchsetzung insbesondere finanzieller Forderungen. Zugleich legte er „vorsorglich gegen die offensichtlich vollkommen unbegründete amtliche Auskunftssperre Beschwerde/ das zutreffende Rechtsmittel / den zutreffenden Rechtsbehelf ein“ und bat „um einen widerspruchsfähigen Bescheid, aus dem die Gründe für die verfügte Auskunftssperre ersichtlich seien“. Ferner beantragte er Akteneinsicht und machte geltend, die Voraussetzungen des § 27 Abs. 7 LMG seien nicht erfüllt. Eine irgendwie geartete Gefahr für Leben, Gesundheit oder persönliche Freiheit seiner Ehefrau habe es nicht gegeben. Diese habe sich offensichtlich nur vor finanziellen Forderungen schützen wollen. Aufgrund der unberechtigten Auskunftssperre drohe für ihn ein wirtschaftlicher Schaden, weil er seine finanziellen Ansprüche seit Monaten nicht durchsetzen könne.

5

Mit Schreiben vom 22. Juli 2013 wiederholte der Kläger seinen Antrag auf Akteneinsicht und wies darauf hin, er benötige diese zur Vorbereitung des Klageverfahrens beziehungsweise Widerspruchsverfahrens und zur Rechtsverteidigung gegenüber der Auskunftssperre, ferner zur Prüfung rechtlicher Schritte gegen seine Ehefrau. Die der Auskunftssperre zugrundeliegenden Behauptungen seiner Ehefrau seien geeignet, seinen Kredit und sein Ansehen als Rechtsanwalt zu gefährden. Auch der private Freundeskreis sowie Geschäftspartner seien mit inkriminierenden Äußerungen seiner Ehefrau konfrontiert. Die Auskunftssperre werde missbraucht, um sich vor den berechtigten zivilrechtlichen Ansprüchen zu schützen. Mit weiterem Schreiben vom 25. Juli 2013 trug er vor, die Beigeladene habe telefonisch behauptet, die Auskunftssperre sei von der Beklagten ohne jede weitere Glaubhaftmachung einer Gefährdungslage eingerichtet worden.

6

Mit Schreiben vom 27. September 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Melderegisterauskunft über die aktuelle Wohnanschrift der Beigeladenen. Für diese Auskunft wurde eine Gebühr in Höhe von 14,00 Euro und 0,58 Euro Porto festgesetzt.

7

Der Kläger machte mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 geltend, die Wohnsitzauskunft sei unzutreffend. Es handele sich um die Anschrift der Mutter seiner Ehefrau. Dort wohne die Beigeladene jedoch nicht, sei lediglich gelegentlich zu Besuch. Für eine unzutreffende Auskunft könnten keine Gebühren festgesetzt werden. Hätte die Beklagte die rechtswidrige Auskunftssperre nicht verfügt, wären seine früheren Wohnsitzanfragen, die eine beauftragte Firma für ihn gestellt hätten, positiv beschieden worden und weitere, gebührenauslösende Wohnsitzanfragen nicht erforderlich gewesen. Der Kläger erhob gegen die Gebührenfestsetzung Widerspruch.

8

Unter dem 11. November 2013 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Mahnung/Zahlungserinnerung und setzte Mahngebühren in Höhe von 4,50 Euro fest.

9

Mit Bescheid vom 13. November 2013 wies der Kreis Pinneberg den Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung der Beklagten vom 27. September 2013 als unbegründet zurück und setzte für den Widerspruchsbescheid Kosten in Höhe von 12,63 Euro fest. Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung des Bescheides vom 27. September 2013 sei § 1 Abs. 1 VwKostG des Landes Schleswig-Holstein in Verbindung mit der Tarifstelle 5.1.2.1 Buchstabe b des Allgemeinen Gebührentarifs der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren vom 15.10.2008, wonach Melderegisterauskünfte mit größerem Verwaltungsaufwand innerhalb eines Gebührenrahmens von 10,-- Euro bis 14,-- Euro gebührenpflichtig seien. Hier habe ein größerer Verwaltungsaufwand vorgelegen, da die Meldebehörde im Wege der Einzelfallprüfung habe feststellen müssen, ob für die betroffene Person durch die Erteilung der beantragten Auskunft eine Gefahr für die in § 27 Abs. 7 Satz LMG normierten Rechtsgüter erwachsen könne. Dies erfordere einen gewissen zeitlichen Vorlauf und umfangreicheren Schriftverkehr. Für die Entscheidung sei gemäß §§ 13, 15 Abs. 3 VwKostG eine Gebühr in Höhe von 10,-- Euro festzusetzen gewesen. Hinzu kämen die Auslagen für die Postzustellung in Höhe von 2,63 Euro (Zustellung mit PZU).

10

Daraufhin hat der Kläger am 16. Dezember 2013 Klage erhoben.

11

Er hat geltend gemacht, die gegen ihn gerichtete Auskunftssperre habe ihn über Monate gehindert, seine zivilrechtlichen Forderungen gegenüber seiner Ehefrau durchzusetzen. Die Auskunftssperre habe seine Reputation beschädigt. Es bestehe Wiederholungsgefahr. Er benötige Akteneinsicht, um seine Rechte verfolgen zu können. Eine nur auf Zuruf eingerichtete Auskunftssperre sei rechtswidrig. Da die Auskunftssperre selbst rechtswidrig gewesen sei und zudem die erteilte Auskunft unrichtig gewesen sei, könnten hierfür keine Gebühren verlangt werden. Nach Aufhebung der Auskunftssperre hätten die Verwaltungsvorgänge unverzüglich zwecks Gewährung von Akteneinsicht vorgelegt werden müssen.

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Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

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1) Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger binnen 2 Wochen nach Rechtskraft des Urteils vollumfänglich, das heißt in sämtlichst alle Fallakten/Verwaltungsakten im Zusammenhang mit der Auskunftssperre, den Kostenentscheidungen, Gebührenbescheiden, Sachentscheidungen, Beiakten, vorbereitenden Akten, gesamte Korrespondenz mit der Antragstellerin der Auskunftssperre, Frau … Wohnanschrift unbekannt, auch soweit Aktenzeichen dem Unterzeichneten unbekannt sind

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Akteneinsicht

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zu gewähren.

16

2) Die Beklagte wird verpflichtet, Akteneinsicht durch Übersendung sämtlicher Akten gemäß oben Ziffer 1. an den Kanzleisitz des Unterzeichneten zu gewähren,

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hilfsweise,

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durch Übersendung der Akten an den Kanzleisitz des Rechtsanwalts und Notars XX

19

weiter hilfsweise

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durch Akteneinsicht bei Gericht durch Zustimmungserklärung zur Akten-einsicht bei Gericht

21

weiter hilfsweise

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durch Akteneinsicht vor Ort bei der Beklagten durch Bereithaltung der Akten und Mitteilung eines Termins zur Akteneinsicht.

23

3) Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 27. September 2013 für die Erteilung der nach Auskunft der Beigeladenen unrichtigen Wohnsitzauskunft wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger gezahlten Gebühren und Kosten binnen 2 Wochen nach Rechtskraft des Urteils auf ein Konto des Unterzeichneten zurückzuüberweisen.

24

4) Der Kostenbescheid der Beklagten vom 11. November 2013 wird - einschließlich der Mahngebühren - aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger gezahlten Gebühren und Kosten binnen 2 Wochen nach Rechtskraft des Urteils auf ein Konto des Unterzeichneten zurückzuüberweisen.

25

5) Der Widerspruchsbescheid des Kreises Pinneberg vom 13. November 2013 wird einschließlich der Kosten- und Gebührenfestsetzungen aufgehoben.

26

Nachdem der Kläger im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens Einsicht in die Verwaltungsvorgänge der Beklagten genommen hatte, die den Antrag der Beigeladenen auf Einrichtung einer Auskunftssperre betrifft (Beiakte C), hat er die Anträge zu 1) und 2), welche die begehrte Einsicht in Akten der Beklagten betreffen, für erledigt erklärt. Dem hat sich die Beklagte angeschlossen.

27

Der Kläger hat sodann nur noch die Anträge zu 3) bis 5) gestellt sowie

28

6) Es wird festgestellt, dass die Auskunftssperre gem. § 27 Abs. 7 LMG, errichtet bis 31.12.2015, festgestellt mit geheim gehaltenem Bescheid der Beklagten gegenüber der Beizuladenden vom 29. Mai 2013, von Anfang an rechtswidrig war und die mehrfache Verweigerung der Auskunft über den Wohnsitz, u.a. am 05.06.2013 + 29.08.2013, basierend auf der vorgenannten Auskunftssperre demzufolge ebenfalls von Anfang rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzt hat.

29

Ferner hat der Kläger beantragt, die Tätigkeit des Unterzeichneten im Vorverfahren/vorgerichtlichen Verfahren für notwendig zu erklären und die Verfahrenskosten einschließlich der Vorverfahren und der vorgerichtlichen Verfahren der Beklagten aufzuerlegen.

30

Die Beklagte hat beantragt,

31

die Klage abzuweisen.

32

Sie hat geltend gemacht, der Feststellungsantrag sei unzulässig. Es bestehe kein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und ihr hinsichtlich der Auskunftssperre. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis. Ein berechtigtes Interesse sei nicht zu erkennen. Weder eine Wiederholungsgefahr noch ein Rehabilitierungsinteresse sei substantiiert geltend gemacht. Über öffentlich-rechtliche Vorfragen hätten die Zivilgerichte selbst zu entscheiden. Im Übrigen sei der Feststellungsantrag unbegründet. Sie habe davon ausgehen müssen, dass die Beigeladene große Angst vor dem Kläger gehabt habe, da dieser ihren Angaben zufolge nach der Trennung sehr emotional reagiert habe. Daraufhin sei die Auskunftssperre eingerichtet worden. Auch die Gebührenfestsetzung sei rechtmäßig.

33

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

34

Mit Urteil vom 12. Februar 2015 hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht der Klage im tenoriertem Umfange stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Einrichtung der Auskunftssperre durch Bescheid vom 29. Mai 2013 hätten die Voraussetzungen des § 27 Abs. 7 LMG nicht vorgelegen, da - über die Begründung des Antrages hinaus - keine weiteren Beweismittel zur Glaubhaftmachung einer Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen der Beigeladenen beigebracht worden oder von Amts wegen ermittelt worden seien. Das Gesetz fordere, dass die der Prognose zugrundeliegenden Tatsachen „festgestellt“ worden seien. Die Prognoseentscheidung sei verwaltungsgerichtlich überprüfbar, ein Beurteilungsspielraum bestehe nicht. Zwar dürfe sich die Behörde angesichts der typischen Schwierigkeiten, die Berechtigung der Vorwürfe, es drohten (weitere) Gewalttätigkeiten, zu überprüfen, im Einzelfall zunächst auf die Behauptungen im Antrag auf Erteilung einer Auskunftssperre beschränken. Die Meldebehörde sei dann aber verpflichtet, die Berechtigung der Meldesperre zu überprüfen und Nachweise zur Glaubhaftmachung zu fordern oder von Amts wegen zu ermitteln. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene überhaupt aufgefordert worden sei, Belege vorzulegen. Bei dieser Sachlage trage die Beklagte die Nachweislast dafür, dass die Voraussetzungen für eine Auskunftssperre vorgelegen haben. Die Beklagte hätte nach Ablauf einer angemessenen Überprüfungsfrist von 2 Wochen weitere Gründe zur Glaubhaftmachung der Berechtigung der Auskunftssperre ermitteln und dokumentieren müssen. Dies sei hier nicht geschehen. Daher hätten, nachdem zunächst vorläufig (am 03.05.2013) eine Auskunftssperre eingerichtet worden sei, jedenfalls im Zeitpunkt der „endgültigen“ Auskunftssperre am 29. Mai 2013 die Voraussetzungen nicht (mehr) vorgelegen. Ab diesem Zeitpunkt sei die Auskunftssperre sowie die darauf gestützten Maßnahmen (Verweigerung von Auskünften) rechtswidrig gewesen.

35

Der Antrag auf Aufhebung der Gebührenfestsetzung in dem Bescheid vom 27. September 2013 und der Mahngebühr im Bescheid vom 11. November 2013 sei teilweise begründet. Wie bereits ausgeführt, hätten im Zeitpunkt der Auskunft vom 27. September 2013 die Voraussetzungen für eine Auskunftssperre hinsichtlich der Daten der Beigeladenen nicht mehr vorgelegen. Deshalb sei die Erhebung einer Gebühr für eine Melderegisterauskunft mit größerem Verwaltungsaufwand (Nr. 5.1.2.1 des Gebührentarifs der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren v. 15.10.2008) nicht gerechtfertigt. Berechtigt sei nur die Gebühr für eine einfache Melderegisterauskunft in Höhe von 7,50 Euro. Die Portoauslagen (0,58 Euro) seien allerdings gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG zu Recht festgesetzt worden. Die begehrte Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des übersteigenden Betrages sei nicht erforderlich, weil keine Zweifel daran bestünden, dass die Beklagte ihren rechtskräftig festgestellten rechtlichen Verpflichtungen nachkommen werde.

36

Die angefochtene Mahnung und die Festsetzung einer Mahngebühr seien rechtmäßig. Für die im Bescheid vom 27. September 2013 festgesetzte Gebühr (14,58 Euro) sei eine Mahngebühr in Höhe von 4,50 Euro festgesetzt worden. Rechtsgrundlage hierfür seien die §§ 270, 262, 322, 249 LVwG i.V.m. § 13 der Verwaltungs- und Vollstreckungskostenordnung (VVKO) vom 11.09.2007 (GVOBl. 2007, 443), Anlage 1, wonach für einen Mahnbetrag bis 100,-- Euro eine Gebühr von 4,50 Euro zu erheben ist. Da der Widerspruch gegen die Festsetzung der Gebühr keine aufschiebende Wirkung habe und eine unrichtige Sachbehandlung deswegen nicht gegeben gewesen sei, weil die Beklagte berechtigt gewesen sei, zumindest die Gebühr für eine einfache Melderegisterauskunft in Höhe von 7,50 Euro zu erheben, seien die Mahnung und die Festsetzung der Mahngebühr berechtigt gewesen.

37

Soweit der Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 eine Gebühr in Höhe von 10,-- Euro und Auslagen in Höhe von 2,63 Euro (Zustellung mit PZU) festsetze, enthalte er eine erstmalige Beschwer. Insofern hätte die Klage nicht gegen die Beklagte, sondern gegen den Kreis Pinneberg gerichtet werden müssen. In der Sache hätte nur eine Gebühr für eine einfache Melderegisterauskunft erhoben werden dürfen.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Februar 2015 Bezug genommen.

39

Der Senat hat auf die Zulassungsanträge des Klägers und der Beklagten hin die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

40

Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend:

41

Es bestehe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre. Die Beklagte halte an ihrer Rechtsauffassung hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen einer Auskunftssperre fest. Deshalb sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Im Übrigen bestehe auch ein Rehabilitationsinteresse wegen der diskriminierenden Wirkung der Auskunftssperre. Dies sei umso mehr gegeben, als die Gründe für die Auskunftssperre auf Wunsch der Beigeladenen aktiv durch die Beklagte verbreitet worden seien. Hierdurch sei eine Rufschädigung und auch eine schwere geschäftliche Schädigung eingetreten. Dem könne die Beklagte nicht entgegenhalten, er sei selbst für das Bekanntwerden der Hintergründe der Auskunftssperre verantwortlich. Insbesondere habe er nie eine Mitarbeiterin des Einwohnermeldeamtes des Amtes … durch Einschüchterung dazu gebracht, ihm den Grund der Auskunftssperre mitzuteilen. Vielmehr habe die Verwaltungsmitarbeiterin Frau XY ihm freiwillig mitgeteilt, dass die Beklagte die Auskunftssperre eingerichtet habe. Die Auskunftssperre müsse für ihn justiziabel sein. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Auskunftssperre nicht in einem Verfahren der Rechtspflege eingerichtet werde, bei der sich der Betroffene - hier der Kläger - beteiligen könne. Gerade im ländlichen Bereich gehe von einer Auskunftssperre für den zu Unrecht häuslicher Gewalt Beschuldigten eine diskriminierende, kredit- und existenzgefährdende Wirkung aus. Er sei durch das behördliche Handeln in seinem unmittelbaren Arbeitsumfeld und auch in seinem privaten Lebensbereich betroffen. Ihm müsse eine Klagebefugnis gegen die Auskunftssperre zustehen, weil wichtige Bereiche des Rechtsstaats auf der Zustellungsmöglichkeit von Klaganträgen, Mahnbescheiden, Anwaltsschreiben und die spätere Vollstreckbarkeit von gerichtlichen Entscheidungen am Wohnsitz aufbauten.

42

Die Voraussetzungen für eine Auskunftssperre seien von der Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht worden. Es habe auch keine schlüssige Antragsbegründung vorgelegen. Die Beklagte habe ohne jede Nachprüfung des Sachverhalts eine Auskunftssperre „auf Zuruf“ eingerichtet. Sie hätte zumindest nach einer angemessenen Frist in eine Überprüfung des Sachverhalts eintreten müssen. Sie hätte die Antragstellerin - die Beigeladene - zum Zeitpunkt der Trennung sowie zu dem Umstand befragen müssen, warum die Einrichtung einer Auskunftssperre wegen befürchteter angeblicher Gefährdung durch den Kläger erst 3 Monate nach der Trennung beantragt werde. Es seien keinerlei Nachweise, nicht einmal die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gefordert worden. Tatsächlich habe es zu keinem Zeitpunkt Anlass für die Auskunftssperre gegeben. Häusliche Gewalt habe es nie gegeben. Dass sich die Beigeladene weder vor noch nach der Trennung vor dem Kläger gefürchtet habe, belegten die zahlreichen gewechselten SMS. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht habe er im Übrigen unter Beweisantritt dargelegt, dass es vor der Trennung am 12. Februar 2013 keinerlei Anschuldigungen der Beigeladenen gegen ihn gegeben habe. Auch danach sei es der Beigeladenen zunächst allein darum gegangen, wie sie sich und ihrer Familie die Gelder - ca. 380.000,-- Euro - sichern könnte, die in die gerade Ende 2012 fertiggestellte und von den Parteien bezogene Ehewohnung investiert worden seien. Es seien für den auf ihrem Grundstück getätigten Hausbau Investitionen in Höhe von 160.000,-- Euro erfolgt. Bis heute habe die Beigeladene hierfür keine Zahlung geleistet. Im Übrigen sei unerfindlich, welchen Sinn die Auskunftssperre haben sollte, wo doch der Kläger den tatsächlichen Aufenthalt der Beigeladenen gewusst habe. Dies und der SMS-Schriftverkehr belege, dass sie sich vor ihm nicht gefürchtet habe. In Wirklichkeit habe die Beigeladene durch die Beantragung der Auskunftssperre nur der gerichtlichen zivilrechtlichen Auseinandersetzung entgehen wollen. Ein förmliches Verfahren, in dem er sich wegen der Voraussetzungen der Auskunftssperre hätte Gehör verschaffen können, habe sie gescheut. Wegen der Weiterverbreitung des der Auskunftssperre zugrunde liegenden Sachverhalts an andere Behörden durch Mitarbeiter der Beklagten sei ein Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Itzehoe habe das Ermittlungsverfahren gegen die Mitarbeiterin der Stadt A-Stadt zu Unrecht eingestellt. Zudem lasse die Begründung der Einstellungsverfügung („Weiterleitung eines Schreibens an die zuständige Behörde ist kein Verbreiten einer Tatsache“) vermuten, dass der Verwaltungsvorgang der Beklagten unvollständig sei. Mittlerweile sei im Rahmen der zivilrechtlichen Unterlassungsverfahren sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht festgestellt worden, dass es für die Beschuldigungen der Beigeladenen keinerlei Grundlage gebe. Er sei für seinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch besonders darauf angewiesen, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in vollem Umfang zu obsiegen. Die Einrichtung der Auskunftssperre habe ihn konkret an der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gehindert zu einem Zeitpunkt, als keine Anwälte durch die Beigeladene mehr mandatiert gewesen seien. Angesichts möglicherweise entgegenstehender Gläubigerinteressen sei die Rechtsauffassung der Beklagten abwegig, dass bei einer Auskunftssperre eine Glaubhaftmachung durch den Antragsteller nur dann erfolgen müsse, wenn ein Zweifelsfall vorläge. Eine Person, die eine Auskunftssperre Monate nach der Trennung vom Partner beantragt, müsse durch Vorverhalten deutlich gemacht haben, dass eine Gefahr bestehe, etwa durch Einleitung von Gewaltschutzverfahren, staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren, Strafanzeigen usw.. Dergleichen habe es im vorliegenden Falle nicht gegeben.

43

Zwar habe das Verwaltungsgericht im Grundsatz sein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre anerkannt und die Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre festgestellt. Zu Unrecht sei jedoch der Feststellungsantrag nur als teilweise begründet angesehen worden. Dabei sei das Verwaltungsgericht fälschlicherweise davon ausgegangen, dass mit der Klage auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre vor dem 29. Mai 2013 begehrt werde, was ausweislich der gestellten Anträge nicht der Fall sei. Der Kläger habe bewusst - auch zur Vermeidung eines Kostenrisikos - die „vorläufige Auskunftssperre“ ab dem 3. Mai 2013 nicht rechtshängig gemacht. Zwar halte er die Einrichtung einer Auskunftssperre „auf Zuruf“ für rechtswidrig, gleichwohl habe er sich - auch mangels Akteneinsicht und genauerer Kenntnis der Begründung der Einrichtung der vorläufigen Auskunftssperre - auf die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit ab dem 29. Mai 2013 (Datum des Bescheides, mit dem die Auskunftssperre errichtet worden sei) beschränkt. Aufgrund der Verkennung der Reichweite des Feststellungsantrages sei auch die Kostenentscheidung falsch. Dies betreffe auch die Kostenaufhebung bezüglich des erledigten Antrages auf Akteneinsicht. Billiges Ermessen sei nicht ausgeübt worden. Vielmehr hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Beklagte die Akten im gerichtlichen Verfahren zunächst hintangehalten habe und der Kläger, nachdem dann endlich Akteneinsicht habe gewährt werden können, den Rechtsstreit unverzüglich für erledigt erklärt habe. Bei der Entscheidung über die Kosten nach billigem Ermessen hätte das Verwaltungsgericht berücksichtigen müssen, dass trotz des von Anfang an mit der Klage geltend gemachten Anspruches auf vollständige Akteneinsicht und fortwährender Hinweise auf das Angewiesensein des Klägers auf Akteneinsicht die Akten von der Beklagten erst Ende August 2014 vorgelegt worden seien.

44

Sein berechtigtes Interesse an einer einfachen Melderegisterauskunft habe er bereits im Juni 2013 gegenüber der Beklagten mit der Notwendigkeit begründet, zivilrechtliche Ansprüche gegen seine Ehefrau verfolgen zu wollen. Im Übrigen gebe der Verwaltungsvorgang für die Einrichtung einer vorläufigen Auskunftssperre nichts her; im Schreiben der Beklagten an den Kreis Pinneberg vom 24. Oktober 2013 (Bl. 130 BA A) werde dies lediglich behauptet.

45

Bei richtiger Sachbehandlung hätte die Beklagte keinerlei Gebühren für die Melderegisterauskunft vom 27. September 2013 erheben dürfen. Drei vorherige Melderegisterauskunftsanträge (v. 30.05.2013, 05.06.2013 u. 29.08.2013) seien im Hinblick auf die (rechtswidrige) Auskunftssperre gebührenpflichtig abgewiesen worden. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht - trotz der von ihm angenommenen Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre - eine Gebühr für eine (weitere, vierte) einfache Melderegisterauskunft anerkannt. Die früheren Anträge auf Auskunft aus dem Melderegister seien beim Amt …, aus dessen Zuständigkeitsbezirk die Beigeladene verzogen war, gestellt worden. Dort sei jedoch zu keinem Zeitpunkt ein eigenständiges Verfahren in Bezug auf die Prüfung der Auskunftssperre oder auf Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft geführt worden. Jedenfalls hätte für die dann erfolgte - inhaltlich unzutreffende - Wohnsitzauskunft durch die Beklagte keine Gebühr erhoben werden dürfen. Bei richtiger Sachbehandlung hätte es nämlich keine Auskunftssperre gegeben und der Kläger hätte schon aufgrund der vorherigen Anfragen die begehrte Auskunft erhalten. In diesem Falle wären weder Mahngebühren noch der Widerspruchsbescheid ergangen. Das Verwaltungsgericht hätte die angefochtenen Gebühren sowie die Mahngebühren unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen Sachbehandlung aufheben müssen.

46

Das Berufungsgericht möge auch zur Vermeidung missverständlicher Interpretation der erstinstanzlichen Entscheidung durch andere Gerichte klarstellen, dass es zu keinem Zeitpunkt Anzeichen für häusliche Gewalt gegeben habe. Eine gerichtliche Klarstellung sei nötig, um sein Grundrecht auf Schutz seiner Persönlichkeit vor Schmähkritik zu wahren. Zur Begründung der Auskunftssperre habe die Beigeladene – mutmaßlich unter dem Einfluss ihrer Mutter – wider besseren Wissens wahrheitswidrige herabsetzende Behauptungen aufgestellt, die bis heute nicht glaubhaft gemacht geschweige denn belegt worden seien. Auch in anderen Verfahren sei kein entsprechender Beweisantritt erfolgt. Auf die Meinungsfreiheit könne sich derjenige, der Schmähkritik äußere, nicht berufen. Das habe das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden.

47

Dies gelte auch für den unterschwelligen Vorwurf der Beklagten, er habe seinerzeit die Mitarbeiterin  des Amtes … genötigt, ihm die Hintergründe der Auskunftssperre zu verraten. Dies sei unzutreffend. Frau XY habe in einem Gespräch mit seiner Mutter in der Amtsverwaltung am 24.3.2016 erklärt, sie sei nicht unter Druck gesetzt worden.

48

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns der Beklagten bestehe auch deshalb, weil er die Erstattung der Kosten des Ursprungsverwaltungsverfahrens und des Widerspruchsverfahrens sowie seiner vorgerichtlichen Tätigkeit als Rechtsanwalt durchsetzen wolle. Auch könne er nur bei einer entsprechenden Feststellung die Klarstellung gegenüber dem Amt …erreichen, dass die Beklagte rechtswidrig gehandelt habe.

49

Der Kläger beantragt,

50

1. Es wird gemäß Klagantrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 03.02.2014 festgestellt, dass die von der Beklagten für die Beigeladene mit ihrem Bescheid vom 29.05.2013 aufgrund Antrags vom 16.05.2013 errichtete Auskunftssperre bis 31.12.2015 rechtswidrig war.

51

2. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 27.09.2013 für die Erteilung der nach Auskunft der Beigeladenen unrichtigen Wohnsitzauskunft wird aufgehoben.

52

3. Der Kostenbescheid der Beklagten vom 11.11.2013 wird - einschließlich der Mahngebühren - aufgehoben.

53

4. Der Widerspruchsbescheid des Kreises Pinneberg vom 13.11.2013 wird einschließlich der Gebühren- und Kostenfestsetzung aufgehoben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

56

Sie macht zur Begründung ihrer Berufung geltend:

57

Die Feststellungsklage sei unzulässig. Es fehle an der erforderlichen Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Selbst wenn man Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch erfolgte Indiskretionen unterstellen wollte, lägen diese in seinem Verantwortungsbereich, weil er selbst für die Verbreitung gesorgt habe. Mitarbeiter der Beklagten hätten keine Informationen im Zusammenhang mit der Einrichtung der Auskunftssperre an Dritte weitergegeben. Die bloße Behauptung, an seinem Wohnort, wo er als Rechtsanwalt und Kommunalpolitiker tätig sei, sei über Befürchtungen seiner Ehefrau im Hinblick auf gewalttätige Reaktionen geredet worden, reiche für die Begründung eines Feststellungsinteresses nicht aus. Im Übrigen sei ein Bekanntwerden der Hintergründe der Auskunftssperre nur behauptet, nicht substantiiert geschweige denn bewiesen worden. Die Mutmaßung des Klägers, aufkommendes Gerede beruhe auf Indiskretionen von Mitarbeitern der Beklagten sei unzutreffend und spekulativ. Weder sei ein „Weiterverbreiten“ des der Auskunftssperre zugrundeliegenden Sachverhalts an unberechtigte Dritte nachgewiesen noch eine etwaige Kausalität zwischen der Einrichtung der Auskunftssperre und der vom Kläger behaupteten eingetretenen Rufschädigung. Auch eine Beeinträchtigung der Geltendmachung seiner zivilrechtlichen Interessen gegenüber der Beigeladenen sei nicht ersichtlich, da der Kläger selbst vorgetragen habe, zu wissen, wo sich die Beigeladene aufhielt. Auch sei ihr Arbeitsort bekannt gewesen. Neben den bevollmächtigten Rechtsanwälten hätten Zustellungen auch an diese Adressen erfolgen können.

58

Die Auskunftssperre betreffe den Kläger nicht. Es bestehe auch kein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Ein solches bestehe nur zwischen der Beigeladenen und der Beklagten. Von der Auskunftssperre selbst gehe keine diskriminierende Wirkung aus, da sie nicht gegen den Kläger gerichtet sei. Dieser stelle nur den Anlass dar. Die Gründe für die Einrichtung einer Auskunftssperre seien ein Internum und nicht für Außenstehende bestimmt. Den Umstand der Einrichtung der Auskunftssperre habe der Kläger auch nur aufgrund seines dominanten und einschüchternden Auftretens erfahren.

59

In materieller Hinsicht reiche es für die Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 7 LMG aus, wenn die Gefährdung von Rechtsgütern aufgrund eines schlüssigen Vortrages im Antrag und nach allgemeiner Lebenserwartung glaubhaft sei. Belege seien nicht stets erforderlich. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks handele es sich um eine niedrigschwellige Möglichkeit des Schutzes Betroffener. Es dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Belege wie Polizeiprotokolle, ärztliche Atteste u.ä. seien nur in Zweifelsfällen erforderlich. Die im Formblatt vorgesehenen Nachweise seien auch nur in einem solchen Zweifelsfalle relevant. Mangels Vorliegen von Zweifeln an der Sachverhaltsdarstellung der Beigeladenen sei ein weiterer Nachweis seinerzeit nicht erforderlich gewesen. Die vom Verwaltungsgericht konstruierte Überprüfungsfrist von zwei Wochen lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Im Übrigen sei die Auskunftssperre beziehungsweise deren Erfordernis überwacht worden, was sich u.a. an ihrer Aufhebung zeige. Es müsse berücksichtigt werden, dass Belege für häusliche Gewalt grundsätzlich schwierig beizubringen seien. Das Verwaltungsgericht selbst habe offengelassen, wie sich der Sachbearbeiter auf andere Weise vom Erfordernis der Auskunftssperre beziehungsweise vom Vorliegen einer Gefährdung der zu schützenden Rechtsgüter überzeugen solle. Angesichts geltend gemachter Gefährdungen für die Gesundheit der Beigeladenen könne mehr als eine glaubhafte Schilderung nicht verlangt werden. Wegen der Rechtmäßigkeit der Auskunftssperre hätte das Verwaltungsgericht auch die Gebührenfestsetzung vollumfänglich bestätigen müssen.

60

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und den Verwaltungsvorgang (Beiakten A - C) der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

61

Das Urteil konnte durch die Berufsrichter, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, abgesetzt und unterschrieben werden, auch wenn über die gegen sie nach Abschluss der Instanz gestellten Befangenheitsanträge noch nicht entschieden worden ist. Allerdings sind die Befangenheitsanträge nicht schon wegen Beendigung der Instanz offensichtlich unzulässig (Kopp, VwGO Kommentar, 21. Auflage § 54 Rn 17 mwN). Es kommen nämlich noch Verfahrenshandlungen der abgelehnten Richter in Betracht. Insbesondere steht hier noch die Abhilfeentscheidung zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1997 – 6 C 9/95 –, Rn. 20, juris).

62

Das Gebot, sich vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs aufschiebbarer Handlungen zu enthalten und im Falle des Erfolgs des jeweiligen Ablehnungsgesuchs nicht weiter mitzuwirken, gilt jedoch nicht für die Unterzeichnung des Urteils. Ansonsten könnte, zumal bei Einzelrichterurteilen, aber auch - wie vorliegend - bei Kollegialentscheidungen im Falle der Ablehnung aller Berufsrichter im Ergebnis das Absetzen eines unliebsamen Urteils verhindert werden, da nur ein Richter, der die Entscheidung getroffen hat, die erforderliche Verfahrenshandlung vornehmen kann. Wird ein Richter erfolgreich abgelehnt, ist er gleichwohl nicht an der Unterzeichnung des Urteils gehindert. Entsprechendes gilt für den Fall, dass über den Ablehnungsantrag noch nicht entschieden wurde.

63

Unabhängig hiervon ist zu berücksichtigen, dass der Kläger für die abschließende Begründung seiner Befangenheitsanträge wiederholt Akteneinsicht sowie weitere Fristverlängerung (zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Juli 2016 bis zum 22. August 2016) begehrt hat. Dies rechtfertigt, selbst wenn man die oben dargelegte Auffassung nicht teilen wollte, die Annahme einer unaufschiebbaren Handlung gem. § 47 Abs. 1 ZPO. Das Absetzen des Urteils ist eine unaufschiebbare Handlung in diesem Sinne, da ansonsten gerade auch im Hinblick auf die verschiedenen prozessualen Fragen des vorliegenden Falles (vgl. beispielsweise die Begründung zur Kostenquote) die unmittelbare Erinnerung an die Einzelheiten der mündlichen Verhandlung und Beratung hier schon deutlich vor Ablauf der 5-Monatsfrist (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 - , NJW 2001, 2161) aus dem Gedächtnis zu schwinden droht und die Verhandlungs- und Beratungsergebnisse eher rekonstruiert als reproduziert würden.

64

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

65

Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage war ursprünglich darauf gerichtet, die Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre „von Anfang an“, d.h. auch schon für den Zeitraum vor dem 29.05.2013 festzustellen. Erst im Berufungsverfahren hat der Kläger durch seinen Antrag den Zeitraum auf die Zeit ab dem 29.5 2013 beschränkt. Hierin liegt nach Auffassung des Senats eine teilweise Klagrücknahme. Bei verständiger Würdigung gemäß § 88 VwGO war der Antrag angesichts der im Schriftsatz vom 03. Februar 2014 verwendeten Formulierung „von Anfang an“ dahingehend auszulegen, dass der Zeitraum vom 03.05.2013 bis zum 29.05.2013, für welchen die Beklagte eine (vorläufige) Auskunftssperre im Melderegister der Stadt A-Stadt eingetragen hatte (vgl. Bl. 130 der Beiakte A), ebenfalls Gegenstand der begehrten Feststellung sein sollte. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass im Antrag das Datum 29.05.2013 genannt wurde. Dies bezeichnet jedoch nur das Datum des Bescheides, mit dem der Beigeladenen die Eintragung der Auskunftssperre mitgeteilt wurde. Bei verständiger Würdigung konnte hieraus nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger wolle die Rechtswidrigkeit nur für einen bestimmten Zeitraum feststellen lassen. Vielmehr ist der Antrag in Verbindung mit seiner Begründung nur so zu verstehen, dass die Rechtswidrigkeit der Errichtung der Auskunftssperre ohne zeitliche Einschränkung, nämlich von Anfang an, begehrt wurde. In der Beschränkung des Feststellungsantrages im Berufungsverfahren konnte bei dieser Sachlage nicht lediglich eine Klarstellung gesehen werden. Die Beschränkung war vielmehr als Teilrücknahme zu werten. Da die Beklagte ihre Einwilligung zur Rücknahme erklärt hat, war das Verfahren insoweit gem. § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen und insoweit dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

66

Die Auskunftssperre hat vor Klagerhebung durch Löschung mit Wirkung ab dem 07.10.2013 ihre Erledigung gefunden. Die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verwaltungsakt. Es handelt sich hiernach um einen konstitutiven Rechtsakt der Meldebehörde, der die Anforderungen an eine Regelung mit Außenwirkung im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG (bzw. § 106 Abs. 1 LVwG-SH) erfüllt, da hiermit die gegenüber Dritten wirkende Anordnung verbunden ist, die Anschrift des Klägers nicht bekannt zu geben (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.06.2006 - 6 C 5/05 - NJW 2006, 3367). Unter dieser Prämisse ist vorliegend die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die richtige Klageart. Insbesondere ist die Fortsetzungsfeststellungsklage nicht nur dann anwendbar, wenn sich ein Verwaltungsakt nach Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat, sondern analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch dann, wenn - wie hier die Erledigung bereits vor Klageerhebung eingetreten ist (Kopp/Schenke VwGO 21. Aufl. § 113 Rn. 99 m.w.N.).

67

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die auch bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) zu bejahen. Zwar betraf die Auskunftssperre schlichtweg jeden Auskunftssuchenden und damit im Ansatz einen nicht abgrenzbaren Personenkreis. Allerdings ist bei Allgemeinverfügungen, die in Form einer intransitiven „Zustandsregelung“ ergehen anerkannt, dass alle Personen klagebefugt sind, denen gegenüber der Verwaltungsakt vermittels der Rechtsvorschrift, die daran Rechtsfolgen knüpft, unmittelbare Rechtswirkungen auslöst. So wird etwa die Klagebefugnis gegen die Widmung oder Einziehung eines Weges sowie gegen die Aufstellung von gebietenden oder verbietenden Verkehrszeichen allen Verkehrsteilnehmern zugestanden, sobald sie den betroffenen Straßenabschnitt benutzen wollen (Kopp/Schenke, VwGO 21. Aufl., § 42 Rn. 170 m.w.N.). Vorliegend beeinflusste die Auskunftssperre unmittelbar den Anspruch des Klägers auf Auskunft aus dem Melderegister. Dieser Anspruch war durch Wohnsitzanfragen, insbesondere auch gegenüber der Beklagten, konkretisiert worden. Dies reicht für die Bejahung der Klagebefugnis aus.

68

Gleichwohl ist die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, weil der Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Auskunftssperre hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. etwa Beschlüsse vom 04. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134, 137 und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3).

69

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich vorliegend nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu müssten die rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die für die Beurteilung einer vergleichbaren Auskunftssperre maßgeblich wären, im Wesentlichen unverändert geblieben sein. Daran fehlt es, weil nach der Erklärung der Beigeladenen, wonach aus ihrer Sicht das Fortbestehen einer Auskunftssperre nicht mehr nötig sei, es an jedweden Anhaltspunkten fehlt, die Beklagte könne erneut eine Auskunftssperre im Hinblick auf die Melderegisterdaten der Beigeladenen einrichten. Der Hinweis des Klägers, wonach die Beklagte nach wie vor von der Rechtmäßigkeit der eingerichteten Auskunftssperre ausgehe, reicht bei dieser Sachlage für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ersichtlich nicht aus. Selbst wenn die Beigeladene - was spekulativ ist - erneut die Errichtung einer Auskunftssperre beantragen würde, wären die Umstände nicht im Wesentlichen gleich. Zudem haben sich die rechtlichen Grundlagen geändert. Seit Inkrafttreten des Bundesmeldegesetzes am 1.11.2015 richtet sich die Zulässigkeit einer Auskunftssperre nicht nach dem Landesrecht, sondern nach dem Bundesrecht (§ 51 Abs. 1 BMG).

70

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses des Klägers zu bejahen. Ein solches ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme selbst eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern. Die angegriffene Maßnahme ist die Auskunftssperre. Aus ihr ergibt sich jedoch selbst keine Stigmatisierung einer konkreten Person. Der Auffassung des Klägers, dass jedenfalls im ländlichen Bereich die Gründe einer Auskunftssperre immer durchsickern können, vermag den Umstand nicht zu überspielen, dass die Auskunftssperre als solches niemanden in Misskredit bringt und etwaige ehrverletzende Wirkungen allein darauf beruhen, dass der der Einrichtung der Auskunftssperre zugrundeliegende Sachverhalt rechtswidrigerweise nach außen dringt. Der die Auskunftssperre seinerzeit regelnde § 27 Abs. 7 des Meldegesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesmeldegesetz - LMG -) in der Fassung vom 18. Juni 2004 bestimmte zwar im Gegensatz zur neuen Rechtslage nicht ausdrücklich, dass ein Auskunftsersuchen, welches sich auf Personen mit einer melderegistereingetragenen Auskunftssperre bezieht, ohne Hinweis auf das Bestehen einer Auskunftssperre zu beantworten ist. Jedenfalls der einer Auskunftssperre zugrundeliegende Sachverhalt unterfällt aber ohne Weiteres der behördlichen Schweigepflicht und darf Auskunft begehrenden Personen nicht offenbart werden. Im Übrigen fällt nach der Neuregelung der Art. 72 ff. GG durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.08.2006 (BGBl. I S. 2034) das Melde- und Ausweiswesen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 3 GG). § 51 Abs. 2 S. 3 BMG regelt nunmehr ausdrücklich, dass die ersuchende Person oder Stelle dann, wenn eine Auskunft wegen einer Auskunftssperre nicht erteilt wird, eine Mitteilung erhält, die keine Rückschlüsse darauf zulassen darf, ob zu der betroffenen Person keine Daten vorhanden sind oder eine Auskunftssperre besteht. Auch wenn im Falle der hier streitgegenständlichen Auskunftssperre eine solche neutrale Auskunft im Landesmeldegesetz des Landes Schleswig-Holstein nicht vorgeschrieben war, so durfte wegen der bestehenden Verschwiegenheitspflicht eine etwaige Auskunft über das Bestehen einer Auskunftssperre an Dritte jedenfalls nicht mit der Mitteilung des der Auskunftssperre zugrundeliegenden Sachverhalts verbunden werden. Selbst wenn die telefonische Mitteilung des Sachverhalts an das Einwohnermeldeamt …für ein Bekanntwerden des der Auskunftssperre zugrundeliegenden Sachverhalts kausal geworden sein sollte, liegt in der Einrichtung der Auskunftssperre selbst keine Stigmatisierung des Klägers. Ein Rehabilitierungsinteresse würde voraussetzen, dass sich die Stigmatisierung aus der Maßnahme selbst ergibt, was hier nicht der Fall ist.

71

Nach dem Gesagten ist das Vorliegen eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffes durch Einrichtung der Auskunftssperre ohne weiteres zu verneinen. Dies ist für die Annahme eines Feststellungsinteresses auch bei einer Maßnahme zu fordern die sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnte (vgl. dazu Senat, B. v. 18. Februar 2016 - 4 LA 70/15 -, unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse v. 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 - BVerfGE 104, 229, 232 f und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BerfGE 110, 77, 86 sowie auf BVerwG, Urteile v. 29.04.1997 - 1 C 2/95 - NJW 1997, 2534 und v. 20.06.2013 - 8 C 39/12 - NVwZ-RR 2014, 94). Hiervon abgesehen handelte es sich bei der Einrichtung der Auskunftssperre auch nicht um eine Maßnahme dieser Art. Gemäß § 27 Abs. 8 S. 3 LMG endete die Auskunftssperre mit Ablauf des zweiten auf die Antragstellung folgenden Kalenderjahres und konnte auf Antrag verlängert werden. Schon hieraus ergibt sich, dass sich eine kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung nicht aus der Eigenart der Auskunftssperre selbst ergibt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39/12 -, Juris).

72

Nach allem fehlt es dem Feststellungsantrag des Klägers an dem erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse; der Feststellungsantrag kann deshalb insgesamt keinen Erfolg haben. Dies gilt auch hinsichtlich der erstinstanzlich begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit von Mitteilungen über das Nichterfolgen von Melderegisterauskünften infolge der Auskunftssperre. Hiervon abgesehen ist der diesbezügliche Feststellungsteilantrag nicht mehr gestellt.

73

Nichts anderes folgt, wenn man die Einrichtung einer Auskunftssperre nicht als Verwaltungsakt ansehen wollte. In diesem Falle wäre die Feststellungsklage die richtige Klageart. Durch Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO). Der Begriff des berechtigten Interesses ist genauso auszulegen ist wie in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. § 43 Rn 23 mwN). Auch in diesem Falle wäre die begehrte Feststellung nach den obigen Ausführungen wegen des fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.

74

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht der (zulässige) Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 27.09.2013 hinsichtlich der Gebührenfestsetzung und der Festsetzung einer Mahngebühr stattgegeben, soweit die Gebühr für die Melderegisterauskunft 7,50 € übersteigt. Mit Bescheid vom 27.09.2013 hat die Beklagte für die erteilte Melderegisterauskunft eine Gebühr in Höhe von 14,-- € und Portoauslagen von 0,58 € festgesetzt. Rechtsgrundlage der Verwaltungsgebühr ist § 1 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) in Verbindung mit Nr. 5.1.2.1 des Gebührentarifs der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren vom 15.10.2008. Nach Nr. 5.1.2.1 a) des Gebührentarifs ist für eine einfache Melderegisterauskunft nach § 27 Abs. 1 LMG, soweit in c) nichts Abweichendes bestimmt ist, eine Verwaltungsgebühr von 7,50 € vorgesehen. Nach b) ist für eine Melderegisterauskunft mit größerem Verwaltungsaufwand eine Verwaltungsgebühr zwischen 10,-- und 14,-- € festzusetzen. Die Erteilung einer Melderegisterauskunft nach Anhörung der betroffenen Person im Falle einer eingerichteten Auskunftssperre stellt regelmäßig eine Melderegisterauskunft mit größerem Verwaltungsaufwand dar. Zwischen den Parteien ist allerdings streitig, ob am 29.5.2013 die Voraussetzungen des seinerzeit noch maßgeblichen § 27 Abs. 7 S. 1 LMG vorgelegen haben. Liegen hiernach Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass den Betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann, hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen (§ 27 Abs. 7 S. 1 LMG). Eine Tatsache im Sinne von § 27 Abs. 7 S. 1 LMG ist auch ein schlüssiger Sachvortrag des Betroffenen, der die Einrichtung einer Auskunftssperre beantragt. Ob diese Tatsache die Annahme rechtfertigt, dass den Betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für die in § 27 Abs. 7 S. 1 LMG benannten Rechtsgüter erwachsen kann, kann nicht generell, sondern nur im jeweiligen Einzelfall beantwortet werden. Zu strenge Anforderungen dürfen dabei unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Auskunftssperre nicht gestellt werden. Das Gesetz verlangt nicht ausnahmslos einen über die Antragsbegründung hinausgehenden weiteren Nachweis. Für die Glaubhaftmachung kann vielmehr die plausible Darlegung konkreter Umstände dann ausreichen, wenn nach den Gesamtumständen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen spricht (Ahlers/von der Ohe, Melderecht Schleswig-Holstein 2. Aufl., § 27 LMG Anm. 27.9). Die Beklagte hat im Zuge des Widerspruchsverfahrens bezüglich der Gebührenfestsetzung vom 27.09.2013 gegenüber die Widerspruchsbehörde mit Schriftsatz vom 24.10.2013 (Bl. 130 der Beiakte A) vorgetragen, die Beigeladene habe sich am 03.05.2013 in A-Stadt angemeldet und es sei eine vorläufige Auskunftssperre im Melderegister der Stadt A-Stadt eingetragen worden. Ihren schriftlichen Antrag vom 16.05.2013 begründete die Beigeladene mit ihrer Angst vor ihrem „Noch-Ehemann“.

75

Bei dieser Sachlage spricht viel dafür, dass die Einrichtung einer Auskunftssperre zunächst ohne weiteres gerechtfertigt gewesen ist. Dies ist jedoch vorliegend ebenso wenig entscheidungserheblich wie die Frage, ob die Beklagte unter Berücksichtigung des Umstandes, dass konkrete Gefährdungshandlungen von der Beigeladenen in ihrer Antragsbegründung vom 16.05.2013 nicht geschildert worden sind und insbesondere keine aktuellen Vorkommnisse aus den letzten drei Monaten benannt wurden, von der Beigeladenen eine Konkretisierung ihrer Befürchtungen sowie die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der von ihr vorgetragenen Tatsachen hätte verlangen müssen. Denn selbst wenn man insoweit mit dem Verwaltungsgericht davon ausgehen wollte, dass zum Zeitpunkt des 29.05.2013 die Voraussetzungen des § 27 Abs. 7 S. 1 LMG nicht (mehr) vorgelegen haben, so ändert dies nichts daran, dass eine Melderegisterauskunft mit größerem Verwaltungsaufwand vorlag. Dies ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Auskunftssperre rechtmäßig eingetragen ist, sondern auch bereits dann, wenn ein Antrag auf Einrichtung einer Auskunftssperre vorliegt. Die Behörde muss in einem solchen Falle vor der Erteilung Verwaltungsaufwand betreiben, den Sachverhalt weiter ermitteln und der antragstellenden Person Gelegenheit zu weiterer Substantiierung und Glaubhaftmachung geben. Allein dies hebt den Vorgang aus der Fallgruppe der einfachen Melderegisterauskunft heraus, welche nur vorliegt, wenn über die Auskunft ohne weitere Ermittlung sofort entschieden werden kann. Die Erhebung der angefochtenen Gebühr war deshalb rechtmäßig. Hiergegen kann der Kläger nicht einwenden, der Gebührentatbestand sei nicht erfüllt, weil die Beigeladene sich tatsächlich nicht schwerpunktmäßig im …… in A-Stadt aufgehalten habe. Die Beklagte hat zu Recht bei der Melderegisterauskunft darauf hingewiesen, die Richtigkeit sei abhängig von der Erfüllung der Meldepflicht. Es werde daher keine Gewähr dafür übernommen, dass die gesuchte Person unter der angegebenen Adresse auch tatsächlich wohnhaft sei. Die Gebühr für eine Melderegisterauskunft wird deshalb auch dann geschuldet, wenn die im Register verzeichnete Adresse aufgrund eines Melderechtsverstoßes oder aus anderen Gründen tatsächlich unzutreffend sein sollte.

76

Die in der Zahlungserinnerung vom 11.11.2013 festgesetzte Mahngebühr in Höhe von 4,50 € bezüglich der im Gebührenbescheid vom 27.09.2013 festgesetzten Gebühr (14,58 €) ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage sind die §§ 270, 262, 322, 249 LVwG iVm § 13 der Verwaltungs- und Vollstreckungskostenordnung (VVKO), nach deren Anlage 1) für einen Mahnbetrag bis 100,-- € eine Gebühr von 4,50 € zu erheben ist. Da der Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung vom 27.09.2013 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltete, lagen die Voraussetzungen für eine Mahnung vor.

77

Hinsichtlich der Anfechtung der im Widerspruchsbescheid vom 13.11.2013 festgesetzten Gebühr in Höhe von 10,-- € sowie der Festsetzung von Auslagen in Höhe von 2,63 € (Zustellung mit Postzustellungsurkunde) hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Allerdings ist die Beklagte passivlegitimiert. Zwar enthält der Widerspruchsbescheid eine erstmalige Beschwer im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, welche (auch) isoliert angefochten werden kann. Werden aber - wie hier - Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid gemeinsam angefochten, bleibt die Ausgangsbehörde auch dann richtiger Beklagter, wenn der Widerspruchsbescheid (auch) eine selbständige Beschwer enthält und dies ebenfalls angefochten ist (Sodan/Ziekow VwGO 3. Aufl. § 78 Rn 3; Kopp/Schenke VwGO 22. Aufl. § 79 Rn 11). Die Klage bleibt jedoch erfolglos, weil keine Bedenken gegen die festgesetzten Gebühren bestehen. § 15 der Verwaltungs- und Vollstreckungskostenordnung (VVKO) sieht für den Erlass des Widerspruchsbescheides eine Widerspruchgebühr zwischen 5 Euro (Mindestgebühr) und 14 Euro (Höchstgebühr für die Erteilung einer Registerauskunft) vor. Dieser Rahmen ist eingehalten. Auch gegenüber den festgesetzten Auslagen in Höhe von 2,63 Euro sind Bedenken nicht ersichtlich.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

79

Dabei war zu berücksichtigen, dass die Feststellungsklage und die Anfechtungsklage erfolglos geblieben sind.

80

Hinsichtlich der erledigten Klage auf Akteneinsicht verbleibt es bei der vom Verwaltungsgericht getroffenen Kostenentscheidung gem. § 161 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Das gilt grundsätzlich auch im Falle einer Teilerledigungserklärung, bei der die einheitliche Kostenentscheidung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruht (BVerwG, Urteil vom 03. November 2011 – 7 C 3/11 –, juris Rn. 32).

81

Wird im Falle teilweiser Erledigung die Kostenentscheidung hinsichtlich des erledigten Teils in die Endentscheidung einbezogen, unterliegt sie nach Sinn und Zweck des § 158 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nicht der Überprüfung im Rechtsmittelverfahren (Clausing: in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 158 Rn 26).

82

Bei der gebotenen einheitlichen Kostenentscheidung war der rechtskräftig gewordene Teil der Kostenentscheidung erster Instanz einzubeziehen und die Kostenentscheidung insgesamt neu zu fassen, wobei der rechtskräftig gewordene Teil der Kostenentscheidung aber nur die Bedeutung eines Berechnungsfaktors hat und einer inhaltlichen Änderung entzogen ist (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 158 Rn. 33 ff.).

83

Insgesamt erschien unter Berücksichtigung der erfolgten Teilrücknahme eine Kostenquote von ¾ zu ¼ angemessen.

84

Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Prozesskostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

85

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

86

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann, hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen unentgeltlich eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen. Ein ähnliches schutzwürdiges Interesse ist insbesondere der Schutz der betroffenen oder einer anderen Person vor Bedrohungen, Beleidigungen sowie unbefugten Nachstellungen. Bei der Feststellung, ob Tatsachen im Sinne des Satzes 1 vorliegen, ist auch zu berücksichtigen, ob die betroffene oder eine andere Person einem Personenkreis angehört, der sich auf Grund seiner beruflichen oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit allgemein in verstärktem Maße Anfeindungen oder sonstigen Angriffen ausgesetzt sieht.

(2) Sofern nach Anhörung der betroffenen Person eine Gefahr nach Absatz 1 nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Melderegisterauskunft nicht zulässig. Ist die betroffene Person nicht erreichbar, ist in den Fällen, in denen eine Auskunftssperre auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde von Amts wegen eingetragen wurde, die veranlassende Stelle anzuhören. Sofern eine Auskunft nicht erteilt wird, erhält die ersuchende Person oder Stelle eine Mitteilung, die keine Rückschlüsse darauf zulassen darf, ob zu der betroffenen Person keine Daten vorhanden sind oder eine Auskunftssperre besteht.

(3) Wurde eine Auskunftssperre eingetragen, sind die betroffene Person und, sofern die Eintragung auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde von Amts wegen erfolgte, zusätzlich die veranlassende Stelle über jedes Ersuchen um eine Melderegisterauskunft unverzüglich zu unterrichten.

(4) Die Auskunftssperre wird auf zwei Jahre befristet. Sie kann auf Antrag oder von Amts wegen verlängert werden. Die betroffene Person ist vor Aufhebung der Sperre zu unterrichten, soweit sie erreichbar ist. Wurde die Sperre von einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde veranlasst, ist diese zu unterrichten, wenn die betroffene Person nicht erreichbar ist.

(5) Die Melderegisterauskunft ist ferner nicht zulässig,

1.
soweit die Einsicht in ein Personenstandsregister nach § 63 des Personenstandsgesetzes nicht gestattet werden darf und
2.
in den Fällen des § 1758 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann, hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen unentgeltlich eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen. Ein ähnliches schutzwürdiges Interesse ist insbesondere der Schutz der betroffenen oder einer anderen Person vor Bedrohungen, Beleidigungen sowie unbefugten Nachstellungen. Bei der Feststellung, ob Tatsachen im Sinne des Satzes 1 vorliegen, ist auch zu berücksichtigen, ob die betroffene oder eine andere Person einem Personenkreis angehört, der sich auf Grund seiner beruflichen oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit allgemein in verstärktem Maße Anfeindungen oder sonstigen Angriffen ausgesetzt sieht.

(2) Sofern nach Anhörung der betroffenen Person eine Gefahr nach Absatz 1 nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Melderegisterauskunft nicht zulässig. Ist die betroffene Person nicht erreichbar, ist in den Fällen, in denen eine Auskunftssperre auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde von Amts wegen eingetragen wurde, die veranlassende Stelle anzuhören. Sofern eine Auskunft nicht erteilt wird, erhält die ersuchende Person oder Stelle eine Mitteilung, die keine Rückschlüsse darauf zulassen darf, ob zu der betroffenen Person keine Daten vorhanden sind oder eine Auskunftssperre besteht.

(3) Wurde eine Auskunftssperre eingetragen, sind die betroffene Person und, sofern die Eintragung auf Veranlassung einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde von Amts wegen erfolgte, zusätzlich die veranlassende Stelle über jedes Ersuchen um eine Melderegisterauskunft unverzüglich zu unterrichten.

(4) Die Auskunftssperre wird auf zwei Jahre befristet. Sie kann auf Antrag oder von Amts wegen verlängert werden. Die betroffene Person ist vor Aufhebung der Sperre zu unterrichten, soweit sie erreichbar ist. Wurde die Sperre von einer in § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 genannten Behörde veranlasst, ist diese zu unterrichten, wenn die betroffene Person nicht erreichbar ist.

(5) Die Melderegisterauskunft ist ferner nicht zulässig,

1.
soweit die Einsicht in ein Personenstandsregister nach § 63 des Personenstandsgesetzes nicht gestattet werden darf und
2.
in den Fällen des § 1758 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Tenor

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit - in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2007 für die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 sind insoweit wirkungslos.

Im Übrigen wird das genannte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geändert, soweit es den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2007 betrifft. Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 zurückgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beteiligten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin und der Freistaat Bayern je zur Hälfte. Der Freistaat Bayern trägt die Hälfte der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin, die Klägerin trägt die Hälfte der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Freistaats Bayern. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung, im Gebiet der Beklagten Sportwetten ohne eine im Inland erteilte Erlaubnis zu vermitteln.

2

Die Klägerin ist seit 2007 im Besitz einer Buchmachererlaubnis zur Vermittlung von Pferdewetten. In ihrer Betriebsstätte in der B.straße … in M. vermittelte sie darüber hinaus (sonstige) Sportwetten an die I. Ltd. (I. Ltd.) in G., ohne dafür über eine im Inland erteilte Erlaubnis zu verfügen. Nach Anhörung der Klägerin untersagte die Beklagte ihr mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 28. November 2007 die Annahme, Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten bzw. die Bereitstellung einer diesbezüglichen Einrichtung (Internetanschluss) in der B.straße … in M. sowie in allen anderen bisher nicht bekannten und zukünftigen Betriebsstätten im Bereich der Beklagten ohne die erforderliche Erlaubnis. Außerdem forderte sie die Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 25 000 € auf, diese Tätigkeiten mit Ablauf des 30. November 2007 einzustellen. Die Beklagte stützte die Untersagung auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) i.V.m. § 284 Abs. 1, § 27 StGB und führte aus, das Verbot sei verhältnismäßig, da eine Erlaubnis wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nicht erteilt werden könne.

3

Bei einer Überprüfung am 1. Dezember 2007 wurde festgestellt, dass die Klägerin in der B.straße … weiterhin einen Terminal betrieb, mit dem die Internetseite der Firma "b." aufgerufen werden konnte. Daraufhin stellte die Beklagte unter dem 3. Dezember 2007 das Zwangsgeld fällig und erließ mit Bescheid vom 5. Dezember 2007 eine neue, weitgehend wortgleiche Untersagungsverfügung mit einer Zwangsgeldandrohung in Höhe von 50 000 €.

4

Am 19. Dezember 2007 hat die Klägerin gegen die Bescheide vom 28. November und 5. Dezember 2007 Anfechtungsklage erhoben. Außerdem beantragte sie vergeblich vorläufigen Rechtsschutz. Mit einer weiteren Klage begehrte sie die Feststellung, das im ersten Bescheid angedrohte Zwangsgeld sei nicht fällig geworden. Diese Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. März 2009 - M 22 K 08.4647 - abgewiesen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Klägerin habe die untersagten Tätigkeiten trotz sofortiger Vollziehbarkeit des Verbots nicht fristgerecht eingestellt. Auf die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung und der Untersagung komme es für die Fälligkeit des Zwangsgeldes nach Art. 38 Abs. 3 i.V.m. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 des bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) nicht an. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das genannte Urteil wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. April 2010 zurück. Daraufhin wurde das Zwangsgeld eingezogen.

5

Die Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 28. November und 5. Dezember 2007 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 31. Juli 2008 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte geltend gemacht, die Untersagungsverfügungen seien schon wegen der formellen Illegalität der Vermittlung rechtmäßig. Gegen deren Erlaubnisfähigkeit bestünden ebenfalls Bedenken, da der Veranstalter Internet- und Live-Wetten anbiete. Einer abschließenden Prüfung der Erlaubnisvoraussetzungen durch die Ordnungsbehörde stehe die Zuständigkeit verschiedener Behörden für die Erlaubnis und die Untersagung entgegen. In ihrer Berufungserwiderung hat die Beklagte unter Berufung auf § 114 Satz 2 VwGO erklärt, sie ergänze die Ermessenserwägungen im streitgegenständlichen Bescheid wie folgt: Die Klägerin und die I. Ltd. in G. hätten keine Erlaubnis beantragt. Für eine materielle Erlaubnisfähigkeit fehlten ausreichende Anhaltspunkte. Insbesondere sei nicht ersichtlich, wie die Klägerin die Vorschriften zum Jugendschutz nach § 4 Abs. 3 des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) und zur Spielersperre nach § 21 Abs. 3 GlüStV einhalten wolle. Auch ein Sozialkonzept nach § 6 GlüStV sei nicht bekannt. Bedenken gegen die Erlaubnisfähigkeit bestünden auch für den Fall, dass die Klägerin nunmehr an die I. E. Ltd. mit Sitz in M. vermitteln wolle, da deren Erlaubnisantrag mit Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 27. Juli 2011 unter anderem wegen Verstößen gegen das Internet- und das Live-Wetten-Verbot abgelehnt worden sei. Trotz des erheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Klägerin müssten deren wirtschaftliche Interessen hinter die Interessen der Allgemeinheit, insbesondere den Jugend- und Spielerschutz und die Betrugsprävention, zurücktreten. Die Untersagung sei verhältnismäßig, weil mildere Maßnahmen nicht ersichtlich seien und bei Abwägung aller Interessen der Schutz der Allgemeinheit vor Suchtgefahren überwiege.

6

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klage gegen die zweite Untersagungsverfügung auf gerichtlichen Hinweis für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umgestellt und an der Anfechtung dieses Bescheides nur für die Zukunft festgehalten.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 26. Juni 2012 die Bescheide der Beklagten vom 28. November 2007 und vom 5. Dezember 2007 - letzteren nur mit Wirkung für die Zukunft - aufgehoben und festgestellt, der Bescheid vom 5. Dezember 2007 sei vom Zeitpunkt seines Erlasses bis zum Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung rechtswidrig gewesen. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. November 2007 sei statthaft. Dieser habe sich weder mit der Beitreibung des Zwangsgeldes noch mit dem Einstellen der Vermittlungstätigkeit oder dem Erlass des Bescheides vom 5. Dezember 2007 erledigt. Letzterer könne ebenfalls angefochten werden, allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft, da die zweite, nicht vollzogene Untersagung und die zugehörige Zwangsgeldandrohung sich in der Vergangenheit fortlaufend erledigt hätten. Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung sei die Untersagung ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV ausgegangen sei. Diese Regelung verletze Unionsrecht. Sie schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein. Wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels sei sie nicht geeignet, kohärent und systematisch zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes beizutragen. Die im Berufungsverfahren nachgeschobene Begründung habe den Ermessensfehler nicht geheilt. Sie ersetze die bisherige, auf das Monopol gestützte Begründung durch völlig neue Erwägungen, die allein auf die formelle und materielle Illegalität der Vermittlung abstellten. Einen solchen Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen lasse § 114 Satz 2 VwGO nicht zu. Unabhängig davon sei die nachgeschobene Begründung auch materiell-rechtlich fehlerhaft. Verhältnismäßig sei eine Untersagung nur, wenn feststehe, dass die Tätigkeit materiell nicht erlaubnisfähig sei. Zweifel reichten insoweit nicht aus. Das Ermessen habe sich auch nicht zulasten der Klägerin auf Null reduziert. Ein Verstoß gegen das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV liege nicht vor. Die Untersagung im Bescheid vom 28. November 2007 leide am selben Ermessensfehler, da auch sie sich maßgeblich auf das Sportwettenmonopol stütze. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagungen könnten die damit verbundenen Zwangsgeldandrohungen ebenfalls keinen Bestand haben. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag bezüglich des Zeitraums vom 5. Dezember 2007 bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts sei zulässig und begründet. Die Klägerin könne sich wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit der Vermittlung auf ein Rehabilitierungsinteresse berufen. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung sei außerdem wegen des tiefgreifenden Eingriffs in ihre Berufsfreiheit und in unionsrechtliche Grundfreiheiten gegeben. Wegen der Verletzung der Dienstleistungsfreiheit durch das Sportwettenmonopol sei die Untersagung im gesamten Zeitraum rechtswidrig gewesen.

8

Die Beteiligte macht mit ihrer Revision geltend, das Berufungsurteil wende das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unrichtig an. Außerdem gehe es unzutreffend davon aus, dass ein Verbot erst in Betracht komme, wenn das Fehlen der materiellen Erlaubnisvoraussetzungen abschließend geklärt sei. Darüber hinaus verletze es § 114 Satz 2 VwGO. Bezüglich der zweiten Untersagung bejahe es zu Unrecht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin.

9

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

10

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Anfechtung des Bescheides vom 5. Dezember 2007 für die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

11

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

12

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung des Bescheides vom 5. Dezember 2007 dessen Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

13

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, die Liberalisierung des Glücksspielrechts in Schleswig-Holstein zum 1. Januar 2012 habe die Inkohärenz des Sportwettenmonopols noch verstärkt. Die Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse dürften schon wegen ihrer Kostenbelastung durch das mehrjährige Verfahren nicht überspannt werden.

Entscheidungsgründe

14

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit - für die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es hierfür nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 wirkungslos geworden.

15

Im Übrigen ist die zulässige Revision nur teilweise begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, soweit es davon ausgeht, die Klage gegen die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 sei bezüglich des bereits abgelaufenen Zeitraums zulässig, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Verfügung habe. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig (1.). Die weitergehende Revision ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil in Bezug auf die Anfechtung des Bescheides vom 28. November 2007 im Ergebnis zu Recht stattgegeben (2.). Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung - teilweise - zurückweisen (3.).

16

1. Soweit das Verfahren die Klage gegen die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 bezüglich des Zeitraums bis zum 30. Juni 2012 betrifft, ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den es für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen ankommt, nicht mehr die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, sondern allein die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse geltend machen kann.

17

a) Im noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 hat die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 sich von Tag zu Tag fortlaufend erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Die Untersagung für den abgelaufenen Zeitraum entfaltet hier gegenwärtig auch keine sonstigen nachteiligen Rechtswirkungen mehr, die eine Erledigung ausschließen könnten (vgl. zu diesem Kriterium die Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 15 und vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Rn. 18; Beschluss vom 5. Januar 2012 - BVerwG 8 B 62.11 - NVwZ 2012, 510 = Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 39 Rn. 13). Insbesondere hat die Beklagte die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt, die noch rückgängig zu machen wären. Die Zwangsgeldeinziehung im Jahr 2009 schloss lediglich die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 28. November 2007 und der damit verbundenen Zwangsgeldandrohung ab (zur Aufhebbarkeit dieser Vollstreckungsmaßnahmen vgl. unten 2. ).

18

Auch für den - viertägigen - Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum 30. Juni 2012 konnte die Klägerin ihr Klagebegehren betreffend den Bescheid vom 5. Dezember 2007 auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umstellen. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, bei Erledigung eines angefochtenen Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dies gilt auch für eine zeitabschnittsweise, fortlaufende Erledigung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung wie der glücksspielrechtlichen Untersagung.

19

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unzulässig, weil die Klägerin entgegen dem angegriffenen Urteil kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Das ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz nicht der Fall.

20

aa) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu müssten die rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die für die Beurteilung einer vergleichbaren Untersagungsverfügung maßgeblich wären, im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Diese Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Zwar gelten der allgemeine Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Untersagungsermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fort. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es aber auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 51 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

21

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

22

bb) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

23

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

24

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>). Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben.

25

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. April 2013 in das Verfahren eingeführten Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

26

cc) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses hinaus (1) verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (2). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (3).

27

(1) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 19 ff.). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

28

(2) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

29

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

30

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

31

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung der Klägerin mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

33

(3) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

34

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991, I-2925 Rn. 42), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

35

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter (1) und (2) (Rn. 27 und 28 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

36

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991, I-3783 Rn. 24 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009, I-6653 Rn. 49; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. Rn. 39 f.).

37

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005, I-2301 Rn. 43). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

38

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 60 und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. Rn. 39 f.). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 61; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. Rn. 41). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

39

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. Rn. 43). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für die Klägerin allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992, I-4897 Rn. 5). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

40

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. - Slg. 1982, I-3415 Rn. 16 ff.). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

41

dd) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

42

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991, I-5357 Rn. 35) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

43

(1) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8099; - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010, I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft-fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

44

(a) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 Rn. 22 ff.), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof der Europäischen Union stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

45

(b) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 51 und 55). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

46

(2) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

47

(a) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

48

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. Rn. 51). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

49

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich.

50

(b) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 Rn. 54 f., vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

51

(c) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

52

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

53

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 Tenorziffer 4 und Rn. 68 ff. sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012, 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. Rn. 39, 44, 46 ff.). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

54

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols konnte durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung getragen werden. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

55

(d) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

56

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

57

(3) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

58

ee) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

59

2. In Bezug auf den Bescheid vom 28. November 2007 hat die Revision der Beklagten dagegen keinen Erfolg.

60

Insoweit ist die Klage als Anfechtungsklage unverändert zulässig. Dieser Bescheid erledigte sich nicht endgültig mit Erlass des weiteren Bescheides vom 5. Dezember 2007, weil dieser ihn nicht rückwirkend aufgehoben, sondern nur für die nachfolgende Zeit ersetzt hat. Der erste Bescheid lag nach den Feststellungen der Vorinstanz auch weiterhin der Vollstreckung durch die Einziehung des bereits fällig gestellten Zwangsgeldes zugrunde. Da die Klägerin das Zwangsgeld gezahlt hat, gehen von diesem Bescheid als Rechtsgrund der Vermögensverschiebung unverändert nachteilige Rechtswirkungen für sie aus. Die Anfechtungsklage bleibt daher statthaft; bei einer Aufhebung der Untersagung und Zwangsgeldandrohung vom 28. November 2007 kann die Klägerin die Rückabwicklung der Vollstreckung verlangen.

61

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anfechtungsklage auch - im Ergebnis - zu Recht für begründet gehalten. Seine Annahme, die Untersagungsverfügung vom 28. November 2007 sei während ihrer Wirksamkeit bis zum 5. Dezember 2007 rechtswidrig gewesen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

62

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Untersagung der Sportwettenvermittlung nach dem - irrevisiblen - Landesrecht erfüllt waren, weil weder die Klägerin noch das Wettunternehmen, an das sie Sportwetten vermittelte, über eine inländische Erlaubnis verfügte (vgl. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz i.V.m. §§ 284, 27 StGB). Mangels europarechtlicher Harmonisierung musste die Beklagte die dem Wettunternehmen im EU-Ausland erteilte Konzession nicht als solche Erlaubnis anerkennen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 112). Die Entscheidung, die hiernach unerlaubte Tätigkeit zu untersagen, stellte das Landesrecht in das Ermessen der Beklagten. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass diese ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg (a). Eine Ermessensausübung war nicht etwa entbehrlich, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert und diese zu einer Untersagung verpflichtet gewesen wäre (b). Die Beklagte hat die Defizite ihrer Ermessenserwägungen auch nicht nachträglich geheilt (c).

63

a) Die Beklagte hat ihre Ermessensentscheidung, die unerlaubte Tätigkeit der Klägerin zu verbieten, im angegriffenen Bescheid maßgeblich damit begründet, dass die erforderliche Erlaubnis wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nicht erteilt werden könne. Diese Erwägung war rechtsfehlerhaft, da sie zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Monopolregelung (vgl. § 5 Abs. 4 Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland - LottStV) ausging. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausführt, war die Monopolregelung unanwendbar, weil sie den unionsrechtlichen Kohärenzanforderungen nicht genügte und deshalb die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig beschränkte (aa). Zwar hat das Berufungsgericht insofern allein auf Umstände abgestellt, die diesen Schluss nicht rechtfertigen (bb). Seine Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (cc). Das kann der Senat beurteilen, ohne dass es einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedürfte (dd).

64

aa) Der persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungs- wie der Dienstleistungsfreiheit ist eröffnet, da die Klägerin nach deutschem Recht gegründet wurde und ihren Sitz im Inland hat. Ob der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 AEUV einschlägig ist oder - sofern das Wettbüro der Klägerin nicht als inländische Präsenz des Wettunternehmers anzusehen war - subsidiär die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 und 3 AEUV eingreift, kann offenbleiben. Die Monopolregelung beschränkt beide Freiheiten. In ihrem räumlichen, inländischen Geltungsbereich schließt sie das Veranstalten von Wetten durch andere als den Monopolträger aus. Darüber hinaus lässt sie eine Wettvermittlung an andere Wettunternehmen als den Monopolanbieter nicht zu. Die unionsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung der Beschränkung sind ebenfalls für beide Grundfreiheiten deckungsgleich. Die Beschränkung muss das Diskriminierungsverbot beachten sowie nach Art. 51 f. i.V.m. Art. 62 AEUV oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten. Außerdem darf sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 ).

65

Das staatliche Sportwettenmonopol, das im Freistaat Bayern im hier maßgeblichen Zeitraum vom 28. November bis zum 4. Dezember 2007 nach Maßgabe des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13. Februar 2004 (Lotteriestaatsvertrag) - LottStV - (BayGVBl S. 230) und des Gesetzes über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten vom 29. April 1999 - Staatslotteriegesetz - (BayGVBl S. 226) ausgestaltet war, beschränkte die Dienstleistungsfreiheit. Da es die Veranstaltung von Sportwetten dem staatlichen Monopolträger vorbehielt, ließ es eine Vermittlung von Sportwetten an Wettanbieter im EU-Ausland nicht zu.

66

Zu Recht ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass diese Beschränkung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden konnte, weil sie unverhältnismäßig war. Er hat auch zutreffend angenommen, dass das unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot eine kohärente Ausgestaltung des Monopols verlangt, und dass sich innerhalb des Kohärenzgebots zwei Anforderungen unterscheiden lassen. Der Mitgliedstaat muss zum einen unionsrechtlich legitime Ziele - wie etwa den Schutz der Verbraucher, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen - im Anwendungsbereich der Regelung tatsächlich verfolgen. Er darf nicht "scheinheilig" legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können (EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1999 - Rs. C-67/98, Zenatti - Slg. 1999, I-7289 Rn. 35 ff., vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01, Gambelli u.a. - Slg. 2003, I-13031 Rn. 67 ff. und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 88 ff. sowie Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8175 Rn. 55, 64 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 45). Zum anderen darf die in Rede stehende Regelung nicht durch die mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert werden. Damit verlangt das Kohärenzgebot weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 95 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 62 f.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45 m.w.N.). Bedeutung gewinnt das namentlich in Mitgliedstaaten wie Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Bund und mehrere Länder mit je eigener Gesetzgebungsautonomie gehört (vgl. Abs. 1, Abs. 3, ). Jedoch führt es zur Inkohärenz der Monopolregelung, wenn in anderen Glücksspielsektoren - auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedstaates zuständig sind - Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die - sektorenübergreifend - zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 106 und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 68 f.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O.; vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 82 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272).

67

bb) Das Berufungsgericht hat allein auf die zweite Anforderung des Kohärenzgebots abgestellt, dabei aber unzutreffend angenommen, dass sie eine systematisch am Monopolziel der Suchtbekämpfung orientierte, aufeinander abgestimmte Regelung sämtlicher Glücksspielbereiche verlangt. Diese Annahme findet in Art. 56 AEUV und dessen Auslegung durch die einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Grundlage. Zwar reicht zur Prüfung der Geeignetheit des Monopols eine sektorale, auf den Monopolbereich beschränkte Kohärenzprüfung nicht aus. Vielmehr sind auch die Auswirkungen einer etwa gegenläufigen Regelung anderer Glücksspielsektoren mit mindestens gleich hohem Suchtpotenzial zu berücksichtigen. Damit wird der Prüfungsgegenstand jedoch weder von der Verhältnismäßigkeit der Monopolregelungen auf die Verhältnismäßigkeit der anderen Regelungen erweitert, noch setzt die Kohärenz des Monopols eine kohärente Regelung der anderen Bereiche voraus. Erst recht bedarf es keines gebiets- und zuständigkeitsübergreifend konzipierten Systems aufeinander abgestimmter Regelungen im Sinne einer sämtliche Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz. Eine solche Konkretisierung ließe unberücksichtigt, dass die Verhältnismäßigkeit für jede Beschränkung gesondert zu prüfen ist (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2004, I-1932 Rn. 49 und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 93), und verlöre den Gegenstand der Prüfung - die Geeignetheit der Monopolregelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele - aus dem Blick. Außerdem stieße sie auf verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken. Wegen des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung der Europäischen Union ist der demokratisch legitimierte, mitgliedstaatliche Gesetzgeber im nicht harmonisierten Glücksspielrecht grundsätzlich frei, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen, die mit der Glücksspielpolitik verfolgten Ziele festzulegen und einzelne Glücksspielbereiche aufgrund seiner parlamentarischen Einschätzungsprärogative entsprechend auszugestalten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 76 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 45 f., 58). Dies gilt bei bundesstaatlich verfassten Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer föderalen Kompetenzordnung für jeden im Mitgliedstaat tätigen Gesetzgeber. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten begrenzen diese Befugnis und verbieten unverhältnismäßige Beschränkungen. Sie verpflichten den Mitgliedstaat jedoch nicht dazu, ein sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifendes, in seiner Gesamtheit stimmiges Schutzkonzept aufzustellen und umzusetzen.

68

Nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Inkohärenz wegen konterkarierender Regelungen nicht schon vor, wenn in einem anderen Glücksspielbereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Politik verfolgt wird, sondern ausdrücklich nur, wenn dies zur Folge hat, dass das der Errichtung des Monopols zugrunde liegende Ziel mit diesem nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 106 und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 68). Entgegen der Annahme des Berufungsurteils und der Auffassung der Klägerin ist eine Folgenbetrachtung also nicht entbehrlich. Da die Monopolregelung allein in ihrem Anwendungsbereich wirksam werden kann, können Beeinträchtigungen ihrer Wirksamkeit nur dort ermittelt werden. Danach kommt es auf die Rückwirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik im anderen Glücksspielsektor auf den Monopolbereich an. Festgestellt werden muss, inwieweit diese Glücksspielpolitik die Wirksamkeit der Monopolregelung und deren Beitrag zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele beeinträchtigt. Darin liegt keine Rückkehr zu einer unzureichenden sektoralen Kohärenzprüfung. Diese blendete mögliche Folgen einer Expansionspolitik in anderen Glücksspielbereichen für den Bereich der Sportwetten aus; die intersektorale Kohärenzprüfung bezieht sie dagegen mit ein. Sie lehnt nur die weitergehende Forderung nach einer alle Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz ab, da für die Geeignetheit der Monopolregelung nur ihr eigener Beitrag zur Zielverwirklichung maßgeblich ist.

69

Zur Widerlegung dieser speziell zum Glücksspielrecht entwickelten Konkretisierung des Kohärenzgebots ist die im angegriffenen Urteil zitierte ältere Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit nicht geeignet. Auch auf den Vortrag der Klägerin, der Pressemitteilung des Gerichtshofs sei Gegenteiliges zu entnehmen, kommt es mangels rechtlicher Verbindlichkeit solcher Mitteilungen nicht an. Maßgebend sind die einschlägigen Entscheidungen selbst. Ihre Tenorierung lässt keinen Zweifel daran, dass aus der Feststellung einer gegenläufigen Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial noch keine Inkohärenz der Monopolregelung folgt. Den Entscheidungsformeln zufolge kann das vorlegende Gericht, wenn es eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Expansionspolitik im Bereich anderer, nicht monopolisierter Glücksspiele mit höherem Suchtpotenzial feststellt, berechtigten Anlass zur Schlussfolgerung haben, das Monopol sei nicht mehr geeignet, das Erreichen des mit ihm verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (jeweils a.a.O. Leitsatz 1 d) bzw. Leitsatz 2). Danach ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend, sondern nur möglicherweise gerechtfertigt. Ob sie zu ziehen ist, ergibt sich nach den Entscheidungsgründen erst aus der Prüfung, ob das Monopol trotz der gegenläufigen Regelung des anderen Glücksspielbereichs noch wirksam zur Verwirklichung der mit ihm verfolgten Ziele beitragen kann. Dies festzustellen, hat der Gerichtshof den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 98, 106 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 65, 68, 71).

70

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Monopolregelung sei inkohärent gewesen, trifft für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 28. November bis zum 4. Dezember 2007 jedoch aus anderen Gründen zu. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- BVerfG 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276) ist davon auszugehen, dass das bayerische Sportwettenmonopol unter dem Lotteriestaatsvertrag schon die erste der beiden Kohärenzanforderungen nicht erfüllte, weil es nach seiner normativen Ausgestaltung und der damaligen Praxis nicht die vorgeblichen, unionsrechtlich legitimen Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes verfolgte. Zwar nahmen § 1 Nr. 1 und 2, § 4 LottStV diese Ziele auf. Es fehlten jedoch Regelungen, die gewährleisteten, dass das Monopol auch in der Praxis konsequent an den mit ihm verfolgten legitimen Zielen ausgerichtet wurde (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O.). Solcher Regelungen hätte es auch zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit bedurft. Unionsrechtlich muss die Schaffung eines Monopols mit der Errichtung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 83). Daran fehlte es im verfahrensgegenständlichen Zeitraum.

71

Wie das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen ausführt, gewährleistete die rechtliche Ausgestaltung des Wettmonopols unter dem Lotteriestaatsvertrag nicht ausreichend, dass das staatliche Wettangebot konsequent in den Dienst einer aktiven Suchtbekämpfung gestellt wurde und ein Konflikt mit fiskalischen Interessen des Staates nicht zu deren Gunsten ausging. Art. 4 des bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 (BayGVBl S. 226) enthielt nur rudimentäre Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Monopolangebots, wobei die Verpflichtung zur Ausschüttung von mindestens der Hälfte des Spielkapitals für Oddset-Wetten nicht galt (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 12). Den Vorschriften des Lotteriestaatsvertrags, der in Bayern mit Ausführungsgesetz vom 23. November 2004 (BayGVBl S. 442) umgesetzt wurde, waren ebenfalls keine ausreichenden Regelungen zur konsequenten Ausrichtung des Monopols an den Zielen der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes zu entnehmen. Insbesondere fehlten Vorschriften, die eine Beachtung der Grenzen zulässiger Werbung gewährleisteten. Verfassungs- wie unionsrechtlich war Werbung für das Monopolangebot mit den legitimen Zielen des Monopols nur zu vereinbaren, wenn sie sich auf sachliche Hinweise und Informationen über legale Gelegenheiten zum Wetten beschränkte und die vorhandene Nachfrage kanalisierte. Dagegen durfte sie nicht expansiv auf eine Vergrößerung der Nachfrage gerichtet sein und zur Teilnahme am Glücksspiel ermuntern oder anreizen. Unzulässig war deshalb insbesondere, dem Wetten durch Hinweise auf eine gemeinnützige Verwendung der Einnahmen ein positives Image zu verleihen oder die Anziehungskraft des Wettens durch zugkräftige Werbebotschaften zu erhöhen, die bedeutende Gewinne in Aussicht stellten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 103, 106 und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 68 f. sowie vom 15. September 2011 - Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer - juris Rn. 68 f.; BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 313 f., 318; vgl. zum Gleichlauf der verfassungs- und unionsrechtlichen Anforderungen a.a.O. S. 316). Die Erfüllung dieser Anforderungen war seinerzeit rechtlich nicht gesichert. Die einschlägigen Regelungen in § 4 LottStV verboten zwar irreführende und unangemessene Werbung, schlossen eine ausschließlich am Ziel expansiver Vermarktung orientierte Werbung jedoch nicht aus (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 313).

72

Die erheblichen normativen Defizite der Monopolregelung wurden bis zum 30. Dezember 2007 nicht beseitigt. Zwar änderte § 5 des bayerischen Nachtragshaushaltsgesetzes - NHG - vom 9. Mai 2006 (BayGVBl S. 193) Art. 2 Abs. 5 des bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 (BayGVBl S. 226) insoweit, als der staatlichen Lotterieverwaltung die Übertragung der Durchführung von Glücksspielen auf eine juristische Person des Privatrechts nicht mehr nur unter der Bedingung erlaubt wurde, dass der Freistaat Bayern deren alleiniger Gesellschafter war. Die Regelungen zum staatlichen Veranstaltungsmonopol in Art. 2 Abs. 1 und 4 des Staatslotteriegesetzes blieben jedoch unverändert. Das Monopol wurde - unstreitig - auch faktisch aufrechterhalten. Die unzureichenden Regelungen zur Ausgestaltung des Lotterie- und Wettangebots, zum Vertrieb und zur zulässigen Werbung blieben unverändert. Sie konnten damit nach wie vor nicht sicherstellen, dass die Monopolpraxis den legitimen Monopolzielen entsprach. Schließlich war mangels Einschaltens einer neutralen Kontrollinstanz (dazu BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 312) weiterhin nicht gewährleistet, dass fiskalische Interessen hinter das Ziel der Suchtbekämpfung zurücktraten.

73

Dass das Bundesverfassungsgericht die Monopolregelung nicht für nichtig, sondern nur für verfassungswidrig erklärt und ihre übergangsweise Anwendung bis längstens zum 30. Dezember 2007 unter bestimmten Maßgaben zugelassen hat (BVerfG a.a.O. S. 319), kann die Anwendung der Regelung vor dem Unionsrecht nicht rechtfertigen. Auf den Vortrag der Revisionsführerin und der Beklagten, der Freistaat Bayern habe die bundesverfassungsgerichtlichen Maßgaben rechtzeitig und vollständig umgesetzt, kommt es deshalb nicht an. Die Erfüllung dieser Maßgaben konnte die Defizite der normativen Ausgestaltung des Monopols weder beheben noch vollständig kompensieren. Die Maßgaben zielten allein darauf, ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen legitimen gesetzlichen Zielen und tatsächlicher Ausübung des Monopols herzustellen. Im Übrigen beschränkten sie sich auf die Forderung, in der Übergangszeit bereits mit einer konsequenten Ausrichtung des Monopols an der Suchtbekämpfung zu beginnen (BVerfG a.a.O.). Das lässt erkennen, dass ihre Erfüllung auch nach der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts noch keinen verfassungsmäßigen Zustand herstellte. Sie ließ nur eine befristete weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm als verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen (BVerfG a.a.O. S. 317, 319; vgl. Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - NVwZ 2009, 1221 ).

74

Unionsrechtlich war die übergangsweise Anwendung der unverhältnismäßigen Monopolregelung ohnedies nicht gerechtfertigt. Die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts reichte dazu nicht aus. Die übergangsweise Anwendung unionsrechtswidriger Vorschriften kann nur nach Maßgabe des Unionsrechts legitimiert werden. Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8015 Rn. 60 ff., 67 ff.). Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin und der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Januar 2013 (- Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 46 ff.) keine solche unionsrechtliche Rechtfertigung. Diese Entscheidung bestätigt vielmehr unter Hinweis auf das eben zitierte Urteil vom 8. September 2010 ausdrücklich, dass ein unionsrechtswidriges Glücksspielmonopol auch nicht übergangsweise weiter angewendet werden darf (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 38 f., 42). Der Mitgliedstaat ist allerdings nicht zu einer Liberalisierung verpflichtet. Er kann sich auch dafür entscheiden, das Monopol unionsrechtskonform zu reformieren (a.a.O. Rn. 46). Jedenfalls ist er aber bei Unionsrechtswidrigkeit des Monopols verpflichtet, Erlaubnisanträge anderer Glücksspielanbieter auch während der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung zu prüfen und gegebenenfalls nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu bescheiden (a.a.O. Rn. 39, 48).

75

Da die unionsrechtliche Unverhältnismäßigkeit der Monopolregelung im Übergangszeitraum sich schon aus ihren normativen Defiziten ergibt, kann die Reichweite der Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 im Übrigen dahinstehen. Insbesondere muss nicht geklärt werden, ob sie sich nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) auf dessen Einschätzung erstreckt, die breit angelegte Werbung im Rahmen der über den Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von ODDSET habe die Grenzen zulässiger Werbung auch faktisch nicht gewahrt, da sie das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung darstellte und eine fiskalische Ausrichtung des Monopols erkennen ließ (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 314).

76

Auf die Verfahrensrügen gegen die Annahme einer intersektoralen Inkohärenz kommt es nicht an, weil die Rechtswidrigkeit des Monopols sich bereits unabhängig von der Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielsektoren aus der rechtswidrigen Ausgestaltung des Monopols selbst ergibt.

77

dd) Zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV auch bezüglich der Auslegung des Art. 56 AEUV kein Anlass. Die Anforderungen, die danach an die normative Ausgestaltung des Sportwettenmonopols zu stellen sind, und die Grenzen zulässiger Werbung sind in der oben dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs so weit geklärt, dass in den hier entscheidungserheblichen Fragen kein Raum für vernünftige Zweifel bleibt. Auch das Erfordernis intersektoraler Kohärenz einer Monopolregelung ist in der unionsgerichtlichen Rechtsprechung klar und eindeutig konkretisiert. Im Übrigen kommt es auf dieses Erfordernis für die Entscheidung nicht an, da das Urteil des Berufungsgerichts sich bezüglich der Anfechtung des Bescheides vom 28. November 2007 aus anderen, davon unabhängigen Gründen als richtig erwiesen hat. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Niederlassungsfreiheit eine Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 verboten habe, ist mangels Entscheidungserheblichkeit ebenfalls nicht dem Gerichtshof vorzulegen. Die angegriffene Untersagungsverfügung wurde im hier maßgeblichen Zeitraum Ende 2007 nicht mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts, also der formellen und materiellen Illegalität der konkreten Tätigkeit begründet, sondern mit dem verfassungs- und unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopol. Sofern die Beklagte die Ermessenserwägungen mit Schriftsatz vom 21. September 2011 rückwirkend auswechseln wollte, wäre dies verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig (dazu sogleich unter c). Auf Bedenken, ob die Untersagung bei Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des Monopols trotz Fehlens eines unionsrechtskonformen Erlaubnisverfahrens für Private im Übergangszeitraum mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts hätte begründet werden dürfen, kommt es nicht an. Selbst wenn eine solche Untersagung rechtmäßig möglich gewesen wäre, würde dies die tatsächlich getroffene, fehlerhafte Ermessensentscheidung noch nicht rechtmäßig machen.

78

b) Die Beklagte meint, auf etwaige Fehler ihrer Ermessensausübung komme es nicht an, weil ihr Ermessensspielraum ohnehin dahin eingeschränkt gewesen sei, dass nur eine Untersagung rechtmäßig gewesen wäre. Dieser Vortrag kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

79

Eine Rechtfertigung der Untersagung vom 28. November 2007 wegen intendierten Ermessens hat der Verwaltungsgerichtshof revisionsrechtlich fehlerfrei verneint. Er musste auch nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null zulasten der Klägerin ausgehen. Zwar war die Beklagte befugt, die unerlaubte Wettvermittlung zur Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts zu verbieten, wenn die materielle Erlaubnisfähigkeit - monopolunabhängig - nicht offensichtlich war (vgl. oben Rn. 51 f.). Zu einer Untersagung verpflichtet war sie aber nur, wenn der Zweck der Ermächtigung und die gesetzlichen Ermessensgrenzen keine andere Entscheidung zuließen (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273 Rn. 72 ff., 88). Das setzte jedenfalls voraus, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerin gegen monopolunabhängige, rechtmäßige Beschränkungen der Vermittlungstätigkeit verstieß und dass Nebenbestimmungen oder - bei Fehlen eines Erlaubnisantrags - ein Teilverbot nicht ausreichten, die Erfüllung der rechtmäßigen materiell-rechtlichen Anforderungen zu gewährleisten. Die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs tragen einen solchen Schluss nicht. Wirksame Verfahrensrügen wurden insoweit nicht erhoben. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsaufklärung gemäß § 86 VwGO nicht substantiiert geltend gemacht.

80

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde der Ermessensfehler schließlich nicht durch die mit Schriftsatz der Beklagten vom 21. September 2011 nachgeschobenen Erwägungen geheilt. Dabei kann offenbleiben, ob ein Nachschieben von Ermessenserwägungen hinreichend deutlich auch in Bezug auf diesen Bescheid - und nicht nur bezüglich des ihn ersetzenden Bescheides vom 5. Dezember 2007 - erklärt wurde. Dahinstehen kann auch, ob im ersten Fall das Nachschieben von Gründen schon wegen der Aufhebung der ersten Untersagungsverfügung durch die zweite im Dezember 2007 ausgeschlossen war. Jedenfalls lag ein Auswechseln wesentlicher Ermessenserwägungen vor, das die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung erheblich beeinträchtigte, soweit es sich auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum bezog.

81

Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (stRspr, Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <218> = Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 14, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Diese Grundsätze gelten auch bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung wie der glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung, wenn deren Begründung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum geändert werden soll.

82

Hier liegt ein Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen vor. Die Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols, auf das die Untersagung ursprünglich gestützt wurde, ist für die nachgeschobene Begründung der Untersagung mit der formellen und materiellen Illegalität der Wettvermittlung unerheblich. Gegen einen Austausch der wesentlichen Erwägungen spricht auch nicht, dass beide Begründungen an das Fehlen einer Erlaubnis anknüpfen. Die formelle Illegalität erfüllt den Tatbestand der Untersagungsermächtigung und eröffnet damit nur das Ermessen. Dessen Ausübung muss sich daher nach anderen Kriterien richten. Ob im Austausch der wesentlichen Ermessenserwägungen schon eine Wesensänderung der Untersagung selbst liegt, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Rechtsverteidigung des Betroffenen erheblich beeinträchtigt, wenn die maßgeblichen Erwägungen rückwirkend ausgewechselt werden. Die neue Begründung der Untersagung stellt erstmals auf die monopolunabhängigen Anforderungen an die Vermittlung und das Wettangebot ab. Dem Betroffenen bleibt nur, diese Anforderungen zu prüfen und für den bereits abgelaufenen Zeitraum entweder darzulegen, dass sie rechtswidrig waren, oder darzutun, dass seine Tätigkeit mit ihnen übereinstimmte. Soweit die rückwirkende Änderung der Begründung die Erfolgsaussichten der Klage entfallen lässt, kann er darauf nur nachträglich reagieren.

83

3. Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden. Wegen der Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage war das Berufungsurteil insoweit - teilweise - zu ändern und die Berufung insoweit zurückzuweisen. Damit wird das erstinstanzliche, klageabweisende Urteil wieder hergestellt, soweit es die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 bezüglich des Zeitraums bis zum 30. Juni 2012 betrifft. Die Umstellung des Klageantrags wegen der endgültigen Erledigung dieser Verfügung mit Ablauf des genannten Zeitraums steht dem nicht entgegen, weil der klageabweisende Tenor auch auf den umgestellten Klageantrag zu beziehen ist.

84

Der nicht nachgelassene, nach Schluss der mündlichen Verhandlung übermittelte Schriftsatz der Beklagten vom 22. April 2013 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

85

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 161 Abs. 2 VwGO. Die Kosten bezüglich des erledigten Teils des Rechtsstreits waren mangels übereinstimmenden Vorschlags der Hauptbeteiligten wegen der insoweit offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache beiden Hauptbeteiligten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Die auf die streitige Revisionsentscheidung entfallenden Kosten sind nach § 154 Abs. 2 VwGO von der Beteiligten zu tragen, soweit ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist. Im Übrigen fallen sie nach § 154 Abs. 1 VwGO der Klägerin zur Last.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Einsicht in Akten des Bundesministeriums der Justiz, die im Zusammenhang mit einem Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts entstanden sind.

2

Mit Urteil vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01 - (BVerfGE 107, 150) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelung des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB über die nur unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Ausübung der gemeinsamen Sorge für nichteheliche Kinder mit dem Elternrecht des Vaters vereinbar sei. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die der gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde liegende prognostische Annahme auch vor der Wirklichkeit Bestand habe.

3

Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 bat der Kläger um Auskunft zu Stand und Ergebnis der hierzu vom Bundesministerium der Justiz bei Jugendämtern und Rechtsanwälten durchgeführten Befragung und beantragte zugleich Einsicht in die diesbezüglichen Akten des Ministeriums. Mit Bescheid vom 5. Juni 2008 teilte das Bundesministerium der Justiz dem Kläger mit, dass nach der Auswertung der Befragung - deren Zusammenfassung war beigefügt - eine wissenschaftliche Untersuchung erforderlich sei. Den Antrag auf Akteneinsicht lehnte das Ministerium ab.

4

Im Laufe des Klageverfahrens gewährte das Bundesministerium der Justiz dem Kläger Einsicht in die Aktenbestandteile, die Grundlage der bereits erteilten Auskunft waren. Bezüglich der übrigen Akten gab das Verwaltungsgericht der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Akteneinsicht. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dem Kläger erneut bzw. erstmalig Akteneinsicht in sämtliche zum Prüfungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts beim Bundesministerium der Justiz vorhandenen Originalakten zugesagt mit Ausnahme personenbezogener Daten sowie von zwei in den Akten enthaltenen hausinternen Vorlagen für die Ministerin. Hinsichtlich der freigegebenen Akten haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Als Teil der Exekutive sei das Bundesministerium der Justiz grundsätzlich informationspflichtige Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Eine Differenzierung zwischen Regierungshandeln und Behördentätigkeit finde in dieser Bestimmung keine Stütze. Weder der Wortlaut und der systematische Zusammenhang noch ein Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen rechtfertigten eine restriktive Auslegung des Behördenbegriffs. Diese sei des Weiteren nicht mit Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes vereinbar, das nach dem Willen des Gesetzgebers in weitem Umfang Partizipation und Kontrolle ermöglichen solle. Ablehnungsgründe stünden dem Informationsanspruch nicht entgegen. Eine nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG erforderliche konkrete Gefährdung des innerbehördlichen Beratungsvorgangs sei vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung im Bereich des Sorgerechts für nichteheliche Kinder weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Dezember 2009 - Nr. 22028/04, Zaunegger (NJW 2010, 501) und der daran anschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE 127, 132) seien die ursprünglich im Anschluss an den Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts im Bundesministerium der Justiz angestellten Erwägungen und Untersuchungen zur Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns überholt. Der pauschale Hinweis, dass der politisch verantwortlichen Ministerin ein von Einsichtsansprüchen unbelasteter "Schutzraum" zugebilligt werden müsse, könne die gebotene einzelfallbezogene Darlegung einer konkreten Gefährdung nicht ersetzen. Der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG greife hiernach ebenso wenig ein. Schließlich sei jedenfalls substantiiert auch nichts dafür dargetan, dass der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bei dem hier abgeschlossenen Vorgang der Herausgabe der Informationen entgegenstehe. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Oberverwaltungsgericht die Billigkeitsentscheidung zu Lasten der Beklagten auf die Erwägung gestützt, dass diese den Kläger ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt habe.

5

Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Beklagte im Wesentlichen vor:

Die Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB unterfielen als Regierungshandeln nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG rezipierte funktionelle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG umfasse den Bereich des Regierungshandelns von vornherein nicht. Die ausführende Verwaltung sei von den Maßnahmen der Regierung, die mit ihrem staatsleitenden Charakter unmittelbar auf verfassungsrechtlichen Befugnissen fußten, zu unterscheiden. Die Doppelrolle der Ministerien als Verfassungsorgan und Behörde dürfe nicht überspielt werden; vielmehr komme es für die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes auf den jeweiligen Funktionsbereich an. Soweit in der Gesetzesbegründung die Gesetzesvorbereitung als Verwaltungshandeln angesehen worden sei, handele es sich nur um die Mitteilung einer - unzutreffenden - Rechtsansicht; nicht aber um den Ausdruck eines Regelungswillens. Eine enge Auslegung des Behördenbegriffs sei auch von Verfassung wegen geboten. Das Grundgesetz differenziere bei der vollziehenden Gewalt zwischen Verwaltung und Regierung. Davon ausgehend habe es eine Wertentscheidung zu Gunsten einer repräsentativen Demokratie mit einzelnen plebiszitären Elementen getroffen. Dabei werde die vollziehende Gewalt durch den Bundestag als das unmittelbar demokratisch legitimierte Organ kontrolliert, nicht aber direkt durch das Volk. Eine zusätzliche Kontrolle der Regierung durch den Einzelnen würde das System der Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortungsbereichen im Verhältnis zwischen Regierung und Bundestag verändern. Bei der Gesetzesvorbereitung handele die Regierung als Verfassungsorgan, das auf den dauerhaften Schutz seiner Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung vertrauen dürfe. Die Frage, ob und wie Gesetzesvorhaben verfolgt würden, sei eine typische Leitungsaufgabe. Hierzu zähle bereits die Vorbereitung und Ausarbeitung im Hinblick auf ein eventuelles Gesetzesvorhaben; auch die Sammlung von Tatsachen und die Aufbereitung und Bewertung zur Vorbereitung einer ministeriellen Entscheidung gehörten hierzu. Insbesondere die Anfangsphase sei von besonderer Bedeutung und Sensibilität, sodass insofern eine Sphäre der Vertraulichkeit zu gewährleisten sei.

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Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht jedenfalls die Versagungsgründe nach § 3 Nr. 4 IFG und § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG verkannt. Des Weiteren stehe der Schutz der exekutiven Eigenverantwortung als ungeschriebener Versagungstatbestand dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Abschließend rügt die Beklagte, dass das Ermessen im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO hinsichtlich des erledigten Teils der Klage nicht sachgerecht ausgeübt worden sei.

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Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet und demnach zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht den Informationszugangsanspruch bejaht und die Berufung zurückgewiesen hat (1.). Soweit die Beklagte ausdrücklich eine Korrektur der Kostenentscheidung bezüglich des in der Berufungsinstanz für erledigt erklärten Teils des Verfahrens begehrt, ist die Revision bereits unzulässig und gemäß § 144 Abs. 1 VwGO zu verwerfen (2.).

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1. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Zugang zu den noch im Streit stehenden Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist eröffnet (a). Versagungsgründe stehen dem Anspruch nicht entgegen (b).

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a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Das Bundesministerium der Justiz zählt zu den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich zur Auskunft verpflichteten Behörden; die gesetzesvorbereitende Tätigkeit als Teil des Regierungshandelns ist hiervon nicht ausgenommen.

11

aa) Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Definition des Begriffs der Behörde, der in einem organisatorisch-institutionellen oder in einem funktionellen Sinn verwendet werden kann. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG legt indessen ein funktionelles Verständnis nahe, indem sie bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig macht. Dieses auf die Aufgabe bezogene Merkmal kennzeichnet dann sowohl die in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG als auch die im folgenden Satz genannten Anspruchsverpflichteten. Die Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt dies durch den Verweis auf § 1 Abs. 4 VwVfG (BTDrucks 15/4493 S. 7). Danach sind Behörden alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.

12

aaa) Der Begriff der Stelle hat einen organisationsrechtlichen Bezug. Er bezeichnet eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit und meint jede Person des öffentlichen Rechts und ihre Organe, d.h. jede Organisationseinheit, die durch Organisationsrecht gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach den einschlägigen Zuständigkeitsregelungen berufen ist, unter eigenem Namen eigenständige Aufgaben wahrzunehmen (Urteil vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 C 28.83 - BVerwGE 70, 5 <13> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 198; vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1 Rn. 241, 248 f.). Beim Bundesministerium der Justiz als einer Behörde im organisationsrechtlichen Sinne sind diese Voraussetzungen ohne Weiteres gegeben.

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bbb) Nach materiellen Kriterien entscheidet sich, ob die Aufgaben der Stelle dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind. Der Versuch einer positiven Umschreibung der Verwaltung führt allerdings nicht weiter. Denn damit werden nur einzelne typische Merkmale der Verwaltung hervorgehoben, ohne allerdings ihre Vielfalt abschließend zu erfassen. Das kann nur eine negative Begriffsbestimmung leisten, die den Bereich der Verwaltung im Wege der Subtraktionsmethode allein in Abgrenzung von den anderen Staatsfunktionen ermittelt (vgl. nur Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5 ff. m.w.N.). Dieser Ansatz führt zu einem weiten Verständnis der Verwaltung, wenn in Anlehnung an den in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltenteilung bzw. der Funktionentrennung die Verwaltung mit der vollziehenden Gewalt gleichgesetzt und lediglich der Gesetzgebung und der Rechtsprechung gegenübergestellt wird. Der Bereich der Verwaltung fällt demgegenüber enger aus, wenn - wie nach Ansicht der Beklagten geboten - innerhalb der Exekutive die typischerweise gesetzesgebundene Verwaltung von der Aufgabe der Regierung unterschieden wird, die Anteil an der Staatsleitung hat und in den allein von der Verfassung gesetzten rechtlichen Grenzen Ziele und Zwecke des staatlichen Handelns vorgibt (vgl. etwa Schröder, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 106 Rn. 4, 10 f., 29 f.).

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Wenn auch im Staatsrecht die Eigenständigkeit der Regierungsfunktion betont wird, so weist der Rechtsbegriff der Verwaltung gleichwohl einen gesetzesübergreifend allgemein gültigen Inhalt nicht auf; er ist vielmehr je eigenständig zu bestimmen (vgl. Ehlers a.a.O. Rn. 12). Der Normtext kann insoweit aus sich heraus aussagekräftig sein. So spricht etwa § 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG von der "Regierung und anderen Stellen der Verwaltung" und gibt damit für einen unionsrechtlich determinierten Ausschnitt des Informationsfreiheitsrechts (siehe Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen) zu erkennen, dass die Verwaltung umfassend verstanden wird (siehe hierzu auch Urteil vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1 Rn. 21). Fehlt es wie hier im Gesetzestext an ausdrücklichen Hinweisen auf das maßgebliche Normverständnis, ist auf den jeweiligen Regelungszusammenhang und das Regelungsziel des Gesetzes abzustellen. Das führt hier zu einem weiten Verständnis der Verwaltung und hieran anknüpfend zu einem umfassenden Begriff der Behörde.

15

(1) Für den Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes wird die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts geprägt.

16

Zum einen verweist das Informationsfreiheitsgesetz insoweit nicht auf das Verwaltungsverfahrensgesetz. Vielmehr übernimmt das Informationsfreiheitsgesetz nur den dort normierten Behördenbegriff (vgl. Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 79). Die zum Verwaltungsverfahrensgesetz ergangene Rechtsprechung, die u.a. mit dem Begriff des Regierungsakts einen gesonderten Bereich der Regierungstätigkeit anerkennt, bezieht sich demgegenüber auf den Begriff der Verwaltungstätigkeit nach § 1 Abs. 1 VwVfG, die den Anwendungsbereich des Gesetzes umschreibt und somit dem Individualrechtsschutz beim Verwaltungshandeln verpflichtet ist (siehe Schmitz a.a.O. § 1 Rn. 83, 165 ff., 186 ff.; vgl. auch Pieper, Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2008, S. 59 <75 f.>). Darum geht es beim Informationsfreiheitsgesetz aber nicht. Zwar wird mit dem Antrag auf Informationszugang ein eigenes Verwaltungsverfahren eröffnet. Dessen Anknüpfungspunkt, die begehrte amtliche Information, muss aber nicht aus einem behördlichen Handeln stammen, das als solches dem Verwaltungsverfahrensgesetz unterliegt.

17

Zum anderen kann ein enger Bezug zum Verwaltungsverfahrensgesetz auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, dass das Informationsfreiheitsgesetz der Sache nach verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen enthalte. Denn das Informationsfreiheitsgesetz gewährt einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch auf Informationszugang, der sich vom Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren grundlegend unterscheidet (Beschluss vom 15. Oktober 2007 - BVerwG 7 B 9.07 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 20; vgl. etwa Gusy, GVwR, Bd. II, § 23 Rn. 81 ff. m.w.N.).

18

(2) Gibt demnach der gesetzesübergreifende Regelungszusammenhang für ein enges Verständnis von Verwaltung nichts her, ergeben sich aus einer Zusammenschau der Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG demgegenüber Anhaltspunkte für ein umfassendes Verständnis. Ausgehend von einem funktionellen Behördenbegriff hat die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG für die sonstigen Bundesorgane und -einrichtungen keine konstitutive Bedeutung (Schoch a.a.O. § 1 Rn. 90). Vielmehr soll lediglich klargestellt werden, dass auch Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichte sowie Bundesbank vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (BTDrucks 15/4493 S. 7 f.). Ein entsprechender und bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Beklagten gleichfalls klarstellender Hinweis, dass bei einem wichtigen Teil der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erfassten Behörden im organisationsrechtlichen Sinne, nämlich den obersten Bundesbehörden, ein ganz bedeutender Ausschnitt ihrer Tätigkeit ausgenommen sein soll, fehlt indessen. Das legt den Schluss nahe, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG im Wesentlichen den Bereich der Staatstätigkeit bezeichnen soll, auf die sich die Informationspflicht nicht erstreckt. Davon geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs aus, nach der "nach § 1 Abs. 1 (...) nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten, (...) der Rechtsprechung und sonstiger unabhängiger Tätigkeiten vom Informationszugang ausgenommen bleiben" soll (BTDrucks 15/4493 S. 8).

19

(3) Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung ist letztlich das Regelungsziel des Gesetzes. Sinn und Zweck des Gesetzes erschließen sich insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien. Hiernach spricht, wie bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, alles für ein weites Verständnis (so auch Schoch a.a.O. § 1 Rn. 84, 88; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 111 ff.; Gurlit, Verw 2011, S. 75 <84 ff.>; Schaar, Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2010, S. 1 <4 ff.>; Sokol, in: FS Jaeger, 2011, S. 573 <587>; a.A. etwa Pieper a.a.O. <68 ff.>).

20

Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen (BTDrucks 15/4493 S. 6). Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. In Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ohne Weiteres davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen sollte und sich Ausnahmen - jedenfalls grundsätzlich - nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so lässt sich erklären, dass die Begründung des Gesetzentwurfs, der im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht widersprochen worden ist, ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt (BTDrucks 15/4493 S. 12). Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Entsprechendes hat insbesondere für den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. a IFG zu gelten. Auch die ausdrückliche Einordnung der Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit (BTDrucks 15/4493 S. 7) kann nicht als rechtsirrig und deshalb unbeachtlich abgetan werden.

21

bb) Dieser Auslegung des Begriffs der Verwaltung, der sich grundsätzlich auch auf das Regierungshandeln erstreckt, stehen verfassungsrechtliche Vorgaben nicht entgegen. Die Einwände der Beklagten greifen nicht durch.

22

aaa) Die im Grundgesetz verwirklichte Staatsform der repräsentativen Demokratie mit der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber der Ermöglichung einer informellen öffentlichen Kontrolle auch des Regierungshandelns durch einen grundsätzlich umfassenden Informationszugang.

23

In der parlamentarischen Demokratie wird die Herrschaft des Volkes durch die Wahl der Volksvertretung mediatisiert, also nicht dauernd unmittelbar ausgeübt. Die Wahl ist dabei das wesentliche Element des Prozesses der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen (BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 - 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 - BVerfGE 123, 39 ). Im Wahlakt erschöpft sich dieser Prozess allerdings nicht. Denn das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich nicht nur darin, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung, der Bildung der "öffentlichen Meinung" (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, 56 <98>). Die demokratische Ordnung ist deswegen durch einen parlamentsübergreifenden Prozesscharakter gekennzeichnet (vgl. Dreier, in ders. , GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2008, Art. 20 Rn. 83). Die parlamentarische Kontrolle der Regierung, die den demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhang gegenüber dem Repräsentationsorgan herstellt, schließt deswegen eine Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, nicht aus. Vielmehr können sich diese verschiedenen Kontrollen auch ergänzen (vgl. Böckenförde, HStR, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 19; sowie Scherzberg, GVwR, Bd. III, § 49 Rn. 126; Kahl, GVwR, Bd. III, § 47 Rn. 210). Dieser staatsrechtlichen Verortung des vom Informationsfreiheitsgesetz ermöglichten Informationszugangs steht nicht entgegen, dass er als Jedermannsrecht nicht dem Staatsbürger als dem Zurechnungsendsubjekt der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt vorbehalten ist. Denn der auf die demokratische Willensbildung bezogene Wirkungszusammenhang wird durch eine in personeller Hinsicht überschießende Regelung nicht beeinträchtigt.

24

bbb) Soweit die Beklagte auf die besondere Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung verweist, so ist dem zunächst unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen (siehe unten, 1. b) cc)).

25

b) Versagungsgründe stehen dem Anspruch auf Zugang zu den streitigen Unterlagen nicht entgegen. Für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von der Beklagten für die hausinternen Vorlagen für die Ministerin in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ist nichts dargetan.

26

aa) Die Berufung auf § 3 Nr. 4 IFG geht fehl. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Die Unterlagen der Ministerin werden vom damit gewährleisteten besonderen Geheimnisschutz nicht erfasst. Denn die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 6 BMinG zählt ebenso wenig wie die im Beamtenrecht geregelten Verschwiegenheitspflichten (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 37 BeamtStG) zu den besonderen Amtsgeheimnissen (vgl. hierzu Urteil vom 24. Mai 2011 - BVerwG 7 C 6.10 - NVwZ 2011, 1012 Rn. 15).

27

bb) § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG steht dem Informationsanspruch ebenso wenig entgegen. Nach dieser Bestimmung soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt wird. Ob die hausinternen Vorlagen für die Ministerien in diesem Sinne zu den Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung zählen, kann dahinstehen. Denn der Versagungsgrund greift jedenfalls wegen der zeitlichen Abläufe nicht ein.

28

Der mit § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG bezweckte Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses ist zeitlich begrenzt und endet spätestens mit dem Abschluss des Verfahrens (Beschluss vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 - NVwZ 2011, 1072 Rn. 5). Dabei kann ein Verfahren nicht nur durch eine Sachentscheidung beendet werden; es kann sich auch auf andere Weise erledigen, etwa wenn das beabsichtigte Vorhaben nicht mehr weiterverfolgt werden soll oder wenn veränderte Umstände eine Entscheidung entbehrlich machen. Nach den von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die im Anschluss an den Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts im Bundesministerium der Justiz angestellten Erwägungen und Untersuchungen zur Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns durch den zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE 127, 132) überholt. Das Verfahren hat sich insoweit erledigt und ein Schutz durch § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG ist entfallen. Aber selbst wenn man im Anschluss an die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung annehmen wollte, dass auch diese Unterlagen im Hinblick auf die weiterhin anstehende - nun durch das Bundesverfassungsgericht zwingend vorgegebene - gesetzliche Neuregelung von Bedeutung sein können und sich folglich auf einen noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozess beziehen, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Sache nach die Verweigerung des Informationszugangs gerechtfertigt wäre. Inwieweit durch eine Veröffentlichung dieser Unterlagen der Erfolg der Entscheidung - hier gegebenenfalls die Formulierung und Einbringung eines Gesetzentwurfs - vereitelt werden könnte, erschließt sich nämlich nicht.

29

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich darauf, dass dem begehrten Informationszugang der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegenstehe.

30

Diese ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein (siehe zuletzt BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 ). Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Denn ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbstständigen Funktion beeinträchtigen. Schließlich gilt, dass Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen umso schutzwürdiger sind, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber der parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen.

31

Der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit muss sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt (BTDrucks 15/4493 S. 12). Dessen Anliegen überschneidet sich indessen jedenfalls teilweise mit geschriebenen Versagungsgründen, insbesondere dem nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann dabei über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 - NVwZ 2011, 1072 Rn. 5). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind auch offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung. Hiernach spricht viel dafür, dass den verfassungsrechtlichen Vorgaben bereits im Rahmen der vorrangig zu prüfenden gesetzlich normierten Versagungsgründe Rechnung getragen werden kann. Falls sich gleichwohl Schutzlücken auftun sollten, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen. Ob eine solche Sondersituation hier gegeben ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn es ist nichts dafür dargetan, dass die streitigen Ministervorlagen am Schutz des Kernbereichs teilhaben. Die Beklagte trägt hierzu lediglich vor, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, auch künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könne. Es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Mit diesem Vorbringen, das im Übrigen das Bild einer Ministerialverwaltung mit einem eher geringen Selbstbewusstsein zeichnet, wird die Beklagte dem Erfordernis nicht gerecht, die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar zu belegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 110, 199 ). Die Beklagte macht letztlich geltend, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssten und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürften. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit des Ministeriums entgegen den abweichenden und in Kenntnis der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Kernbereichsschutz getätigten Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Das überzeugt nicht.

32

2. Soweit die Beklagte sich auch gegen die Kostenentscheidung bezüglich des für erledigt erklärten Teils des Berufungsverfahrens wendet und meint, dass die Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO von Rechts wegen zu beanstanden sei, ist die Revision unzulässig und deshalb zu verwerfen. Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Das gilt grundsätzlich auch im Falle einer Teilerledigungserklärung, bei der die einheitliche Kostenentscheidung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruht (Beschluss vom 7. August 1998 - BVerwG 4 B 75.98 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 158 Rn. 33 ff.). Ob Abweichendes ausnahmsweise dann anzunehmen ist, wenn die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen für die Kostenentscheidung bezüglich des streitigen Teils mit den nach § 161 Abs. 2 VwGO identisch sind (so Urteil vom 8. September 2005 - BVerwG 3 C 50.04 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 5), kann dahinstehen. Ein solcher Fall liegt hier nämlich nicht vor. Denn bezüglich der Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Oberverwaltungsgericht nicht etwa auf die Erfolgsaussichten der Klage abgestellt und insoweit auf die Ausführungen zum nicht erledigten Teil Bezug genommen; es hat die Kostenentscheidung vielmehr auf die Erwägung gestützt, dass die Beklagte den Kläger ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt habe. Da die Revision sich nur teilweise als unzulässig erweist, kann sie abweichend von § 144 Abs. 1 VwGO insoweit durch Urteil verworfen werden (Urteile vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 Rn. 14 sowie vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <340> = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 50; Neumann a.a.O. § 144 Rn. 12 f.).

(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.