Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 15. Nov. 2016 - 14 LB 2/16

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2016:1115.14LB2.16.0A
15.11.2016

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

2

Der im ... 1963 geborene Beklagte absolvierte nach seinem Hauptschulabschluss eine Bäckerlehre (August 1980 bis Juli 1983). In der Zeit von Februar 1985 bis März 1988 war er als Lagerist tätig. Seit Oktober 1988 ist der Beklagte im Landesdienst - Finanzverwaltung (Finanzamt ...) - beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1999 wurde der Beklagte unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Oberamtsmeister (A 6 einfacher Dienst) ernannt. Dort war er seit 1996 in der Finanzkasse als Kontenverwalter eingesetzt. In seiner letzten dienstlichen Regelbeurteilung zum Beurteilungsstichtag 1. September 2012 wurde er in der Leistungsbeurteilung mit „die Anforderungen werden hervorragend übertroffen (unterer Bereich) bewertet, in der Befähigungsbewertung erhielt er viermal besonders stark ausgeprägt und sechsmal stärker ausgeprägt, die Empfehlung für die weitere Verwendung lautete: Beförderung nach A 7.

3

Der Beklagte ist seit dem 10. Dezember 2012 vorläufig des Dienstes enthoben. Der ursprünglich gleichzeitig angeordnete Einbehalt von 15 % der monatlichen Dienstbezüge wurde am 18. Januar 2013 aufgehoben.

4

Der Beklagte ist verheiratet und hat drei 1987, 1991 und 1993 geborene Kinder. Derzeit hat die Familie des Beamten monatlich Einnahmen in Höhe von ca. 3450 Euro.

5

Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte vor den Vorwürfen, die den Gegenstand dieses Verfahren bilden, nicht in Erscheinung getreten.

6

Im sachgleichen Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht ... - AZ.: 50 Ds 779 Js 54220/12 (235/13) - den Beklagten mit rechtskräftigem Urteil vom 6. November 2013 wegen Unterschlagung in Tatmehrheit mit Vortäuschen einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten auf Bewährung. Das Amtsgericht ist dabei von folgenden Feststellungen ausgegangen:

7

Der Angeklagte war über einen Zeitraum von über acht Jahren Vorsitzender eines Sparclubs, in dem Mitarbeiter des Finanzamtes … ansparten. Aufgabe des Angeklagten war die Entgegennahme der eingezahlten Gelder und deren Einzahlung auf ein hierzu eingerichtetes Konto bei der Sparkasse Holstein. Die Einzahlungen der Sparclubmitglieder wurden von anderen Mitgliedern in Listen betragsmäßig erfasst. Die Gelder wurden an den Angeklagten weitergegeben, ebenso die Listen. Der Angeklagte fügte die Listen zusammen und zahlte die eingenommenen Beträge auf das Konto bei der Sparkasse Holstein ein. Jeweils im Spätherbst eines jeden Jahres übernahm es der Angeklagte, die gesamten auf dem Konto eingezahlten Gelder abzuheben und an die Einzahler wieder auszukehren.

8

Im Laufe des Jahres 2012 versäumte es der Angeklagte mehrfach, die laufenden Einzahlungen der Sparclubmitglieder auf das Konto bei der Sparkasse Holstein einzuzahlen. Stattdessen verbrauchte er von den eingenommenen Beträgen in den ersten 11 Monaten des Jahres 2012 einen Betrag von über 10.000,00 € für eigene private Zwecke. Statt der insgesamt von den Sparclubmitgliedern eingezahlten über 70.000,00 € befand sich so am 14.11.2012 auf dem Konto des Sparclubs bei der Sparkasse Holstein lediglich ein Betrag von 58.565,00 €. Dem Angeklagten wurde mit Näherrücken des geplanten Auszahlungstermins die Dimension der von ihm für eigene Zwecke verbrauchten Beträge deutlich. Ihm fiel jedoch kein Ausweg ein. Er brachte es auch nicht fertig, sich den Mitgliedern des Sparclubs oder seiner Familie zu offenbaren. Stattdessen begab sich der Angeklagte am 14.11.2012 gegen 10:30 Uhr in die Geschäftsräume der Sparkasse Holstein in der …, …, und hob den entsprechend vorbestellten Betrag von 58.565,00 € ab. Er nahm das Geld in einem Umschlag entgegen und begab sich damit zu seinem PKW. Statt aber das Geld wie geplant an die Sparclubmitglieder auszukehren, versteckte er den Umschlag mit dem Geld unter der Rücksitzbank seines PKW.

9

Anschließend begab sich der Angeklagte zur Polizei-Zentralstation … . Dort gab er gegenüber den Polizeibeamten an, er sei nach dem Verlassen der Sparkassenfiliale von einer unbekannten Person mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt worden. Anschließend habe man ihm den Umschlag mit dem zuvor abgehobenen Geld (knapp 60.000,00 €) geraubt. Die Polizei leitete daraufhin Ermittlungen wegen eines schweren Raubes ein. Erst nachdem umfangreiche Ermittlungen und Fahndungsmaßnahmen ohne Ergebnis blieben und die Polizeibeamten darauf hin den PKW des Angeklagten durchsuchten, wo sie den Umschlag mit dem Geld unter der Sitzbank fanden, gab der Angeklagte zu, dass der vorgebliche Überfall gar nicht stattgefunden habe.

10

Der wieder aufgefundene Geldbetrag von 58.565,00 € wurde später bestimmungsgemäß an die Mitglieder des Sparclubs ausgeschüttet. Darüber hinaus zahlte der Angeklagte innerhalb einer Woche nach der Entdeckung der Taten auch die von ihm zuvor zweckentfremdeten Beträge vollständig an die Einzahler zurück.

11

Aufgrund dieses Sachverhaltes wurden Ermittlungen durch die Innenrevision veranlasst, die feststellte, dass der Beklagte seit dem Jahr 2004 keine Steuererklärungen abgegeben hatte. Nachdem der Beklagte und seine Ehefrau auf Aufforderung durch das Finanzamt die fehlenden Erklärungen einreichten, wurden für die Jahre 2005 bis 2011 Einkommensteuern in Höhe von insgesamt 4.191,00 € (2005 in Höhe von 485,00 €, 2006 in Höhe von 447,00 €, 2007 in Höhe von 432,00 €, 2008 in Höhe von 484,00 €, 2009 in Höhe von 710,00 €, 2010 in Höhe von 815,00 €, 2011 in Höhe von 818,00 €) festgesetzt. Das gegen den Kläger und seine Ehefrau eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde nach vollständiger Begleichung der Steuerschulden am 18. April 2013 gemäß § 170 Abs. 2 StPO iVm § 371 AO eingestellt.

12

Wegen des dem Strafurteil zugrundeliegenden Sachverhaltes leitete der Kläger mit Verfügung vorn 16. November 2012 gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein, das am 28. November 2012 um den Vorwurf der Nichtabgabe von Steuererklärungen ab dem Veranlagungszeitraum 2004 erweitert wurde. Das Disziplinarverfahren wurde am 23. Januar 2013 im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ausgesetzt und mit Verfügung vom 28. November 2013 fortgesetzt. Der Beklagte äußerte sich durch Schreiben vom 23. Dezember 2013 und in seiner abschließenden Anhörung (Schreiben vorn 4. Juni 2014) - wie im Strafverfahren - geständig, auch hinsichtlich des zweiten Vorwurfs. Er habe seine finanziellen Belastungen aus Sorge um seine Ehe nicht mehr anders zu beheben gewusst. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen habe auf Nachlässigkeit beruht.

13

Nach Zustimmung des Hauptpersonalrats hat der Kläger am 27. August 2014 Disziplinarklage wegen des mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts … vom 6. November 2013 festgestellten Sachverhalts und der Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2011 (Verkürzung der Einkommensteuern in Höhe von insgesamt 4.191,00 €) erhoben.

14

Der Kläger hat beantragt,

15

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

16

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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hilfsweise, eine geringere Disziplinarmaßnahme auszusprechen.

19

Der Beklagte hat - wie bereits im Strafverfahren und im Zuge der abschließenden Anhörung im Disziplinarverfahren - vorangestellt, dass er sein Verhalten zutiefst bedauere. Seine zum Zeitpunkt der Tatbegehung angespannte finanzielle Situation und die daraus resultierenden Spannungen in seiner Ehe hätten im Sinne einer Kurzschlussreaktion zu seinem Verhalten geführt. Er habe keineswegs mit erheblicher krimineller Energie kaltblütig und vorausplanend seine Straftat geplant. Auch müsse berücksichtigt werden, dass das Strafgericht ihm mit guten Gründen eine positive Sozialprognose ausgestellt habe, so dass nicht damit gerechnet werden müsse, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen künftig noch einmal enttäuschen werde. Allein die Erfahrung des Strafverfahrens und des Disziplinarverfahrens sowie die zahllosen schlaflosen Nächte hätten einen so nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht, dass mit einem nochmaligen Fehlverhalten nicht zu rechnen sei. Insgesamt sei damit die Entfernung aus dem Dienst alles andere als zwingend, sie erscheine als Mittel der Wahl auch zu hart. Es solle ein milderes Disziplinarmittel in Erwägung gezogen werden.

20

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 17. Kammer - hat den Beklagten mit Urteil vom 2. Dezember 2015 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Habe sich der Beamte - wie hier der Beklagte - bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeiten an Vermögenswerten von Kolleginnen und Kollegen vergriffen, so handelt es sich dabei um ein Eigentumsdelikt, das in seiner Schwere im Grundsatz mit der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder gleichzusetzen sei. Ein solches Dienstvergehen sei deshalb regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören, sodass in diesen Fällen die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme sei.

21

Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung werde nicht durch gewichtige Entlastungsgründe in Frage gestellt. Die zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe lägen nicht vor. Dem „Handeln in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage" stehe schon entgegen, dass der Beklagte nach Aufdeckung der Straftaten durch Verkauf seines PKW halbwegs geordnete Verhältnisse habe schaffen können. Das wäre ihm auch vor Begehung der Straftaten zumutbar und möglich gewesen. Ein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen in einer besonderen Versuchungssituation könne nicht angenommen werden, weil der Beklagte in regelmäßigen, monatlichen Abständen, in denen das Geld des Sparclubs bei der Sparkasse hätte eingezahlt werden sollen, jeweils Beträge für sich „abgezweigt" habe. Auch bei dem vom Beklagten vorgetäuschten Raubüberfall könne nicht von einer plötzlich entstandenen besonderen Versuchungssituation ausgegangen werden, in der der Beklagte einmalig und persönlichkeitsfremd gehandelt habe. Der Beklagte habe seit langem gewusst, dass er die Gelder würde zurückzahlen müssen. Von einer Ausweglosigkeit dieser Situation könne schon deshalb nicht gesprochen werden, weil es ihm gelungen sei, innerhalb einer Woche nach der Entdeckung der Taten die von ihm zuvor zweckentfremdeten Beträge vollständig an die Kollegen auszuzahlen.

22

Die in der Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen über einen langen Zeitraum hinweg liegende außerdienstliche Pflichtverletzung sei gegenüber dem sonstigen Verhalten von zu vernachlässigendem Gewicht.

23

Durch die begangenen Straftaten habe der Beklagte auch bei Würdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte, insbesondere der Wiedergutmachung des entstandenen finanziellen Schadens, eine beamtenunwürdige Haltung an den Tag gelegt, die zu einer irreparablen Beschädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt habe. Das werde bereits dadurch offenkundig, dass über die Taten in der Presse berichtet worden sei, womit der Beklagte habe rechnen müssen. Vor diesem Hintergrund könne dem Umstand, dass der Beklagte bisher weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, kein in der Weise entlastendes Moment zukommen, dass von der Höchstmaßnahme abzusehen sei.

24

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner fristgerecht eingereichten Berufung. Er ist der Auffassung, ihm komme der Milderungsgrund des „Handelns in einer unverschuldeten, aussichtslosen wirtschaftlichen Notlage" zugute. Eine solche habe zwar objektiv nicht vorgelegen, er habe sich jedoch nach seinem subjektiven Empfinden in einer ausweglosen wirtschaftlichen Lage befunden. Er habe geglaubt, den Erwartungen seiner Familie nicht gerecht werden zu können, so dass er das Zerbrechen seiner Familie, die für ihn der maßgebliche Halt und zentrale Fixpunkt seines Lebens sei, befürchtet habe. Seine große Sorge davor, von seiner Frau verlassen zu werden, wenn er seine wirtschaftlichen Nöte ihr gegenüber aufdeckte, habe ihn daran gehindert, früher sein Fahrzeug zu verkaufen, um den von ihm angerichteten Schaden wiedergutzumachen. Denn damit hätte er seiner Frau gegenüber seine bis ans Äußerste angespannten prekären wirtschaftlichen Verhältnissen offengelegt, was in seiner damaligen Vorstellung das Ende seiner Ehe hätte bedeuten können. Seinerzeit habe er nicht wissen können, dass er damit seine Frau offenbar erheblich unterschätzt habe.

25

Er sei zudem davon ausgegangen, über abrufbare Gelder seiner Rentenversicherung die Rückführung sicherstellen zu können. Vorzuwerfen sei ihm, dass er sich über die tatsächliche Abrufbarkeit und den Zeitpunkt einer solchen möglichen Abrufbarkeit nicht rechtzeitig und nicht in ausreichendem Maße informiert gehabt habe. Möglicherweise habe er es in dieser Phase auch gar nicht so genau wissen wollen. Je auswegloser die Lage aus seiner Sicht geworden sei, desto weniger sei er - der Beklagte - in der Lage gewesen, hierauf in vernünftiger Form zu reagieren.

26

Das Ergebnis der von ihm subjektiv gesehenen Lage sei dann der unkluge und darüber hinaus dilettantische Versuch der Veruntreuung auch der von ihm dann letztlich bei der Bank abgehobenen Gelder und das Vortäuschen des Raubüberfalles, und das auch noch in einer Weise, die untauglich gewesen sei. Das Fehlen jeder ernst zu nehmenden Tatspuren an ihm selbst sowie die Phantasielosigkeit des Geldverstecks offenbarten, dass seine Tat nicht von langer Hand geplant und vorbereitet gewesen sei, sondern ganz offensichtlich der fast hilflose Versuch einer im Grunde ehrlichen Seele gewesen sei, mit einer auch von ihm selbst als falsch anerkannten Verhaltensweise umzugehen. Damit solle nur deutlich werden, dass sich der Beklagte - jedenfalls in seiner subjektiven Wahrnehmung - in einer von ihm selbst als aussichtslos empfundenen Ausnahmesituation befunden habe, in der er andere Wege aus der Lage gar nicht mehr erkannt habe. Das Vortäuschen der Straftat stelle ein persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen dar, denn dass die Vortäuschung des Überfalles nicht von langer Hand geplant gewesen sei, offenbare sich bereits in der dilettantischen Vorgehensweise. Es sei ganz offenkundig der beinahe hilfslose Versuch des von seiner Persönlichkeit her im Grunde ehrlichen Beklagten, mit der von ihm als ausweglos betrachteten Lage umzugehen.

27

Der Beklagte habe keineswegs über einen längeren Zeitraum für den Spar-Club bestimmte Gelder seiner Kollegen veruntreut, sondern es habe sich um Einlagen über einen sehr begrenzten Zeitraum von etwa zwei Monaten gehandelt.

28

Auch bei der Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen über einen längeren Zeitraum hinweg habe er - der Beklagte - zwar pflichtwidrig gehandelt, insbesondere als Finanzbeamter. Dieser Tatvorwurf sei aber nicht Grundlage der beantragten und/ oder der vom Verwaltungsgericht bestätigten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Darüber hinaus sei er in der Finanzverwaltung nur ein recht kleines Licht mit sehr eingeschränkter Entscheidungskompetenz.

29

Selbst wenn das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten nach Bekanntwerden von dessen Taten zweifellos erschüttert worden sei, so habe allein das Strafverfahren, und vielleicht sogar noch mehr das anhängige Disziplinarverfahren auf ihn - den Beklagten - einen so nachhaltigen Eindruck gemacht hätten, dass weder der Dienstherr noch die Allgemeinheit Sorge haben müssten, ein derartiges Verhalten könne sich wiederholen. Das werde auch deutlich in der vom Strafgericht ausgesprochenen Sozialprognose. Unzweifelhaft habe die Presseberichterstattung über den vorgetäuschten Raubüberfall kein gutes Licht auf den Beklagten und die Beamtenschaft der Finanzverwaltung geworfen. Genauso sei aber zu berücksichtigen, dass auch über die strafrechtliche Verurteilung zu einer Haftstrafe öffentlich berichtet und daher das Sanktionsbedürfnis der öffentlichen Meinung befriedigt worden sei. Die Beschädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei daher nicht irreparabel.

30

Der Beklagte habe in der konkreten Situation seines dilettantischen Versuches des Vortäuschens einer Straftat zu allerletzt daran gedacht, dass durch seine Darstellung eines Raubüberfalles besonderes öffentliches Interesse ausgelöst würde. Tatsächlich habe er sich lediglich gedacht, dass die Polizei den Vorfall aufnehmen und die Sache dann zu den Akten legen würde, wie das offensichtlich - ausgehend von bekannten unbefriedigenden Aufklärungsquoten bei Eigentumsdelikten - mit den meisten Delikten dieser Art in Schleswig-Holstein geschehe. Dass tatsächlich die Polizei in der geschehenen Weise sofort tätig geworden sei, dürfte niemanden mehr überrascht haben als ihn selbst. Auch dies sei eine reichlich naive und ungelenke Vorstellung. Gleichwohl sei das tatsächlich seine Vorstellung gewesen, soweit er überhaupt darüber nachgedacht habe. Dieser Vorwurf sei daher auszublenden und die prognostische Gesamtwürdigung habe sich vielmehr an der ausgesprochen günstigen Sozialprognose im Strafurteil zu orientieren, nach der mit einer Begehung weiterer Straftaten durch den Beklagten nicht zu rechnen sei. Vor diesem Hintergrund sei eine mildere Sanktion als die Entfernung aus dem Dienstverhältnis vertretbar und geboten. Dem Beklagten sei durchaus bewusst, dass sein Fehlverhalten auch disziplinarrechtlich nicht folgenlos bleiben könne. Er sei bereit, sich in jede disziplinarische Maßnahme unterhalb der Ebene der Entfernung aus dem Dienst zu fügen.

31

Der Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes - 17. Kammer - vom 2. Dezember 2015 abzuändern und gegen ihn - den Beklagten - eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu bestimmen.

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Der Kläger beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Beklagten angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie des Beklagten im Jahr 2012. Wegen des Ergebnisses der Anhörung des Beklagten und der Beweisaufnahme wird auf Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36

Die Berufung des Beklagten ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Senat kommt bei seiner Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Beklagte ein inner- und - außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu ahnden ist.

37

a) Aufgrund der geständigen Einlassung des Beklagten und des im rechtskräftigen Strafurteil - AZ.: 50 Ds 779 Js 54220/12 (235/13) - des Amtsgerichts … vom 6. November 2013 gemäß § 41 Abs. 1 LDG, § 57 Abs. 1 BDG bindend festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass der Beklagte die ihm mit der Klageschrift vorgeworfenen Verfehlungen vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen hat:

38

Der Beklagte war über einen Zeitraum von über acht Jahren Vorsitzender eines Sparclubs von Mitarbeitern des Finanzamtes … . Seine Aufgabe war die Entgegennahme der eingezahlten Gelder und deren Einzahlung auf ein hierzu eingerichtetes Konto bei der Sparkasse Holstein. Die Einzahlungen der Sparclubmitglieder wurden von anderen Mitgliedern in Listen betragsmäßig erfasst. Die Gelder wurden an den Beklagten weitergegeben, ebenso die Listen. Der Beklagte fügte die Listen zusammen und zahlte die eingenommenen Beträge auf das Konto bei der Sparkasse Holstein ein. Jeweils im Spätherbst eines jeden Jahres übernahm es der Beklagte, die gesamten auf dem Konto eingezahlten Gelder abzuheben und an die Einzahler wieder auszukehren.

39

Im Laufe des Jahres 2012 versäumte es der Beklagte mehrfach, die laufenden Einzahlungen der Sparclubmitglieder auf das Konto bei der Sparkasse Holstein einzuzahlen. Stattdessen verbrauchte er von den eingenommenen Beträgen in den ersten elf Monaten des Jahres 2012 einen Betrag von über 10.000,00 € für eigene private Zwecke.

40

Statt der insgesamt von den Sparclubmitgliedern eingezahlten über 70.000,00 € befand sich so am 14. November 2012 auf dem Konto des Sparclubs bei der Sparkasse Holstein lediglich ein Betrag von 58.565,00 €. Dem Beklagten wurde mit Näherrücken des geplanten Auszahlungstermins die Dimension der von ihm für eigene Zwecke verbrauchten Beträge deutlich. Ihm fiel jedoch kein Ausweg ein. Er brachte es auch nicht fertig, sich den Mitgliedern des Sparclubs oder seiner Familie zu offenbaren. Stattdessen begab sich der Beklagte am 14. November 2012 gegen 10:30 Uhr in die Geschäftsräume der Sparkasse Holstein in der …, …, und hob den entsprechend vorbestellten Betrag von 58.565,00 € ab. Er nahm das Geld in einem Umschlag entgegen und begab sich damit zu seinem PKW. Statt aber das Geld wie geplant an die Sparclubmitglieder auszukehren, fuhr er zunächst ziellos in … umher, bis er auf dem rückwärtigen Parkplatz der Polizei-Zentralstation … ankam. Dort versteckte er den Umschlag mit dem Geld unter der Rücksitzbank seines PKW und begab sich sodann in die Polizeistation, wo er gegenüber den Polizeibeamten angab, er sei nach dem Verlassen der Sparkassenfiliale von einer unbekannten Person mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt worden. Anschließend habe man ihm den Umschlag mit dem zuvor abgehobenen Geld (knapp 60.000,00 €) geraubt. Die Polizei leitete daraufhin Ermittlungen wegen eines schweren Raubes ein. Erst nachdem umfangreiche Ermittlungen und Fahndungsmaßnahmen ohne Ergebnis blieben und die Polizeibeamten daraufhin den PKW des Beklagten durchsuchten, wo sie den Umschlag mit dem Geld unter der Sitzbank fanden, gab der Beklagte zu, dass der vorgebliche Überfall gar nicht stattgefunden habe. Der wieder aufgefundene Geldbetrag von 58.565,00 € wurde später bestimmungsgemäß an die Mitglieder des Sparclubs ausgeschüttet. Darüber hinaus zahlte der Angeklagte innerhalb einer Woche nach der Entdeckung der Taten auch die von ihm zuvor zweckentfremdeten Beträge vollständig an die Einzahler des Sparclubs zurück. Das Geld stammte aus dem Erlös des Verkaufs seines fast neuen Autos.

41

Aufgrund von Nachlässigkeit versäumten der Beklagte und seine Ehefrau von 2004 bis November 2012 die Abgabe ihrer Steuererklärungen. Nachdem der Beklagte und seine Ehefrau auf Aufforderung durch das Finanzamt die fehlenden Erklärungen einreichten, wurden für die Jahre 2005 bis 2011 Einkommensteuern in Höhe von insgesamt 4.191,00 € (2005 in Höhe von 485,00 €, 2006 in Höhe von 447,00 €, 2007 in Höhe von 432,00 €, 2008 in Höhe von 484,00 €, 2009 in Höhe von 710,00 €, 2010 in Höhe von 815,00 €, 2011 in Höhe von 818,00 €) festgesetzt. Die festgesetzten Steuern beglich der Beklagte ebenfalls aus dem Erlös des Verkaufs seines Autos.

42

Der Beklagte behauptet in der Berufungsbegründung, er habe keineswegs über einen längeren Zeitraum für den Spar-Club bestimmte Gelder seiner Kollegen veruntreut, sondern es habe sich um Einlagen über einen sehr begrenzten Zeitraum von etwa zwei Monaten gehandelt. Soweit sich dieses Vorbringen auf die Dauer und Häufigkeit und unbestimmt zur Gesamthöhe der Geldentnahmen bezieht, widerspricht dies den gemäß § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG bindenden tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil, das insoweit ausführt:

43

Im Laufe des Jahres 2012 versäumte es der Angeklagte mehrfach, die laufenden Einzahlungen der Sparclubmitglieder auf das Konto bei der Sparkasse Holstein einzuzahlen. Stattdessen verbrauchte er von den eingenommenen Beträgen in den ersten 11 Monaten des Jahres 2012 einen Betrag von über 10.000,00 € für eigene private Zwecke. Statt der insgesamt von den Sparclubmitgliedern eingezahlten über 70.000,00 € befand sich so am 14.11.2012 auf dem Konto des Sparclubs bei der Sparkasse Holstein lediglich ein Betrag von 58.565,00 €.

44

Für eine Lösung von diesen Feststellungen besteht kein Anlass, da pauschale Behauptungen ebenso wie bloßes Bestreiten hierfür nicht genügen. Es hätten tatsächliche Umstände dargetan werden müssen, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit der Feststellungen im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG ergeben kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Rn. 6, juris und vom 28. Dezember 2011 - 2 B 74.11 - Rn. 13 mwN, juris). Daran fehlt es hier, da lediglich pauschal ein abweichender Geschehensablauf behauptet wird.

45

Zudem hat der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung dieses Vorbringen nicht wiederholt, sondern ausgesagt:

46

Irgendwann habe ich die Gelder nicht mehr eingezahlt. Ich habe geglaubt, ich werde es vor der Auszahlung zurückzahlen können. Das Geld habe ich meinem Sohn gegeben und für mich verbraucht. Bevor die Auszahlung anstand, wollte ich es zurückzahlen. (…)

47

Ich hatte von den Geldern nicht immer alles einbehalten, hatte nur ein bisschen davon weggenommen. (…)

48

Was ich im Laufe der Zeit für eine Summe entnommen hatte, habe ich gar nicht nachgerechnet. Ich hatte den Überblick verloren. Sonst wäre mir das schon vorher aufgefallen, wie viel das ist. (…)

49

Ich habe mir im Oktober Gedanken gemacht, dass ich mit der Auflösung der Rentenversicherung den Fehlbetrag ausgleichen könnte. Ich hatte nicht geschaut, dass es schon so eine große Summe war. Ich weiß nicht, wieso es so eine große Summe war. Ich hatte nicht gerechnet und den Überblick verloren.

50

Sein weiteres Vorbringen betrifft lediglich die disziplinarrechtliche Würdigung.

51

b) Durch dieses Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gegen seine ihm obliegenden Pflichten zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.

52

c) Durch diese Pflichtverletzungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BeamtStG begangen. Der Beklagte hat über einen Zeitraum von elf Monaten ihm von seinen Kollegen anvertraute Gelder unterschlagen und anschließend durch Vortäuschen einer Straftat sein Verhalten zu vertuschen versucht. Zudem hat er durch Nichtabgabe von Steuererklärungen ab 2004 die Einkommensteuer für die Jahre 2005 bis 2011 in Höhe von insgesamt 4.191,00 € verkürzt. Auch wenn der Beklagte mehrere Pflichtverletzungen begangen hat, liegt nur ein Dienstvergehen vor (Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 Rn. 19, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Rn. 12, juris und vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 -, BVerwGE 128, 125 Rn. 21 f.; Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - Rn. 14, juris, und vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - Rn. 17, juris).

53

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte inner- und außerdienstlich begangen, wobei der Schwerpunkt in der als innerdienstlich zu wertenden veruntreuenden Unterschlagung der Spargelder der Kollegen liegt. Dabei richtet sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, das heißt nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst, vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 - Rn. 57, juris). Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) ist danach dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 54, juris; zum Ganzen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 4.14 - Rn. 11 m.w.N., juris). Das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten war in sein Amt und in seine Pflicht eingebunden, sich auch innerdienstlich, und zwar nicht nur seinem Dienstherrn gegenüber, sondern auch seinen Kollegen gegenüber, achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Der Beklagte war über acht Jahre Vorsitzender eines Sparclubs von Mitarbeitern des Finanzamtes … . Wäre er nicht Finanzbeamter gewesen, hätten ihm die Kollegen nicht ihr Geld anvertraut, damit er es für sie einzahlt. Das damit dem Beklagten gegenüber verbundene Vertrauen der Kollegen hat er durch Entnahme von Geldern für eigene private Zwecke verletzt.

54

Dass die Steuerhinterziehung außerdienstlich war, steht außer Frage. Das Vortäuschen einer Straftat diente zwar allein der Verschleierung seines innerdienstlichen Fehlverhaltens, dies allein jedoch genügt nicht für die Einordnung als innerdienstlich. Hinsichtlich der besonderen Qualifizierung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG - das außerdienstliche Verhalten muss nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sein, das Vertrauen in das Amt in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen – ist es bei der vorgetäuschten Straftat bereits ausreichend, dass es sich hierbei um eine Straftat handelt, für die der Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe (§ 145d Abs. 1 StGB) reicht und der Beklagte deswegen verurteilt worden ist. Zwar ist der Beklagte wegen der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) nicht verurteilt worden, indes reicht der Strafrahmen sogar zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und die Tat weist einen besonderen Dienstbezug auf, da der Beklagte Finanzbeamter ist.

55

d) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (stRpsr., vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 12 und 22 mwN, juris). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG). Das ist hier der Fall.

56

Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbe-sondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 253 <259>; zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 16, juris).

57

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konnte dabei auf die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen zurückgegriffen werden (vgl. dazu zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - Rn. 14 mwN, juris). Für die hier verwirklichte Fallgruppe der Zugriffsdelikte, zu der auch der sogenannte Kollegendiebstahl gehört, war die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit, die bei 50 Euro angenommen wurde, deutlich überstiegen (zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 15 f. mwN, juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 19 ff., juris).

58

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht zwar in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - (LS 1 und Rn. 19, juris) aufgegeben, indes ergibt sich danach vorliegend keine wesentlich andere Zuordnung in den Katalog der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 LDG. Nach dieser neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 2016 – 14 LB 4/15 - ), richtet sich auch bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die an seiner Schwere orientierte grundsätzliche Zuordnung zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen. Dies war zuvor nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen entschieden worden (vgl. zu den außerdienstlichen Dienstvergehen grundlegend BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Rn. 22, juris, und - 2 C 13.10 - Rn. 25, juris, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 31, juris und vom 10. Dezember 2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 17). Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen.

59

Der Schwerpunkt des Dienstvergehens liegt in der veruntreuenden Unterschlagung der Kollegengelder. Das Amtsgericht hat den Beklagten wegen Unterschlagung in Tatmehrheit mit Vortäuschen einer Straftat nach § 246 Abs. 1 und 2, § 145d Abs. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Der Strafrahmen des § 246 Abs. 1 StGB sieht eine Freiheitstrafe bis zu drei Jahren vor, der des § 246 Abs. 2 StGB sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bei der veruntreuenden Unterschlagung der von den Kollegen dem Beklagten anvertrauten Gelder sogar bis zu fünf Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - LS 2 und Rn. 20, juris).

60

Demgegenüber fällt der außerdienstliche Teil des Dienstvergehens nicht beträchtlich ins Gewicht. Das Vortäuschen einer Straftat steht in engem Zusammenhang mit den innerdienstlichen Pflichtverletzungen und diente nur der Verschleierung des vorherigen Fehlverhaltens. Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen würde für sich betrachtet nicht die Höchstmaßnahme rechtfertigen, da das Strafverfahren nach Abgabe der Steuern und Begleichung der Steuerschulden gemäß § 170 Abs. 2 StPO iVm § 371 AO eingestellt worden ist (vgl. zum „Gleichklang zum Strafrecht" bei außerdienstlichen Dienstvergehen: BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - juris Rn. 21, 26, vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 – juris Rn. 38 und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 -; Beschlüsse vom 14. Mai 2012 - 2 B 146.11 - NVwZ-RR 2012, 658Rn. 10 und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607Rn. 10).

61

Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG).

62

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung für die veruntreuende Unterschlagung eröffneten Orientierungsrahmens bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.

63

Der Umstand, dass es sich bei dem Dienstvergehen nicht um ein einmaliges Fehlverhalten handelte, sondern die veruntreuenden Unterschlagungen über einen längeren Zeitraum andauerten, das anschließende Vortäuschen einer Straftat sowie die Höhe des veruntreuten Betrages sind bereits Kriterien, die die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens geboten erscheinen lassen. Ebensolches gilt für den Umstand, dass es sich um dem Beklagten anvertraute Gelder der Kollegen handelte, da das Anvertrautsein der Gelder den Gesetzgeber zu der genannten Strafrahmenhebung von bis zu fünf Jahren im Vergleich zum „Grund“- tatbestand der Unterschlagung veranlasst hat. Die außerdienstliche Steuerhinterziehung durch Unterlassen kann daneben unberücksichtigt bleiben.

64

Da es sich um ein innerdienstliches Dienstvergehen handelt, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zwar grundsätzlich keine "indizielle" oder "präjudizielle" Bedeutung zu (BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2016 – 2 B 24.16 – LS und Rn.15). Hier verhält es sich aber anders, da es sich nicht um eine Verletzung der dem Beamten gerade als Amtswalter obliegenden Pflichten – Kernpflichten – handelt, wie dies etwa der Fall wäre, wenn es sich um Gelder des Dienstherrn gehandelt hätte. Es ging vielmehr um die Unterschlagung der ihm von den Kollegen anvertrauten Gelder. Den besonderen Dienstbezug und die Einordnung als innerdienstliches Dienstvergehen gewinnt sein Verhalten lediglich dadurch, dass es Gelder der Kollegen waren. In einer solchen Fallkonstellation ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von insgesamt sieben Monaten zu berücksichtigen und rechtfertigt ebenfalls die Ausschöpfung des eröffneten Orientierungsrahmens.

65

Das Kriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG erfordert desweiteren eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris). Dahinstehen kann, ob nicht auch insoweit allein auf das Statusamt abgestellt werden müsste und nicht mehr auf das Amt im konkret funktionellen Sinn (so BVerwG zu außerdienstlichem Fehlverhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung im Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 -LS 1 und Rn. 16, BVerwGE 152, 228 ff. = juris), denn vorliegend fällt beides nicht auseinander. Die Berücksichtigung des Kriteriums der Vertrauensbeeinträchtigung würde ebenfalls die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens rechtfertigen, da schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust bewirken, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 14 f. mwN, juris unter Verweis auf die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG).

66

Dass das Verhalten des Beklagten einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, ist nicht zusätzlich zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Umgekehrt ist aber auch nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass ihm die meisten der Kollegen inzwischen verziehen haben. Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit der Beamte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG beeinträchtigt hat, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten oder der Kollegen, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - juris und vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - juris Rn. 78; Beschluss vom 2. März 2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 16). Für die danach gebotene objektive Bewertung der Beeinträchtigung des Vertrauens ist es unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 62.11 – juris Rn. 56).

67

Indes darf nicht bei dieser Betrachtung der rein objektiven Umstände stehen geblieben werden, sondern es sind auch die persönlichen Umstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Zumessungsentscheidung einzubeziehen. Insoweit erfasst das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 LDG dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - juris; zur Berücksichtigung dieser Umstände vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 -, Rn. 31 ff., juris).

68

Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (etwa Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenhöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (stRspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2007 - 1 D 2.06 - Rn. 25 mwN, juris).

69

Anerkannte Milderungsgründe vermag der Senat nicht zu erkennen. Beim anerkannten Milderungsgrund der überwundenen negativen Lebensphase können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt zeitweilig aus der Bahn geworfen haben, mildernd berücksichtigt werden, wenn der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (stRspr.; vgl. BVerwG Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 40 f., juris; Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Rn. 29, juris, und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 32, juris). Dieser Milderungsgrund ist bereits deshalb zu verneinen, weil ein – auch ein länger andauernder - finanzieller Engpass nicht außergewöhnlich ist. Da der Beklagte die finanzielle Situation anschließend unter anderem durch Verkauf seines Autos überwinden konnte, bestand schon objektiv keine ausweglose wirtschaftliche Notlage, so dass der anerkannte Milderungsgrund der unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage gleichfalls zu verneinen ist, abgesehen davon, dass dieser Milderungsgrund ein zeitlich begrenztes Verhalten voraussetzt und mit einem Versagen über einen längeren Zeitraum nicht vereinbar ist (vgl. zu diesem Milderungsgrund BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 74 mwN, juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 34 mwN, juris). Dem Milderungsgrund des Handelns in einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation steht ebenfalls schon entgegen, dass sich der Beklagte in einer länger andauernden finanziellen Belastungssituation befand, die schon aufgrund ihrer Dauer nicht geeignet ist, als „Ausnahmesituation" im Sinne des anerkannten Milderungsgrundes angesehen zu werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 1 D 77.97 - Rn. 14 f., juris). Gegen eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation spricht ebenfalls die lange Dauer seines Fehlverhaltens (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 -, juris Rn. 13 mwN).

70

Liegen - wie hier - Umstände vor, die für sich genommen nicht genügen, einen anerkannten Milderungsgrund zu erfüllen, muss ernsthaft ermittelt und geprüft werden, ob diese oder weitere Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar sind (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 23, juris; vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Rn. 22 mwN, juris, und vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - LS und Rn. 14, juris). Dies ist indes vorliegend zu verneinen.

71

Die vom Beklagten befürchtete familiäre Krisensituation kann ihn nicht entlasten, da sei-ner Familie die angespannte finanzielle Lage bekannt war. Sie war unter anderem dadurch entstanden, dass der Beklagte die seinerzeit noch in Ausbildung befindliche Tochter unterhalten musste und einer seiner Söhne nur unregelmäßig Geld von seinem Arbeitgeber erhielt. Es ist deshalb nicht nachzuvollziehen, warum der Beklagte nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt sein Auto veräußert hat, um den finanziellen Engpass zu überwinden. Seiner Frau hätte er hierdurch nichts offenbart, was nicht bereits in der Familie bekannt gewesen war. Sein Vorbringen, er habe geglaubt, durch die Auszahlung der Rentenversicherung die Gelder rechtzeitig zurückführen zu können, sich nur im Jahr und in der Höhe des Betrages geirrt, vermag der Senat schon nicht nachzuvollziehen. Das Geld aus der Auflösung der Rentenversicherung hat sich der Beklagte bereits Ende August auszahlen lassen, es war ein Betrag von 3154,49 €. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte ihm auffallen müssen, dass das Geld für eine Rückführung nicht reicht. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu ausgeführt, er habe nicht gedacht, dass es so ein hoher Betrag sei, den er unterschlagen hatte, er habe nicht gerechnet. Dabei wurden auf seinem Computer als Sparclubvorsitzenden wurden die Listen zusammengeführt, so dass er sich jederzeit einen Überblick über die Einzahlungen der Kollegen im Vergleich zum tatsächlichen Kontostand hätte verschaffen können. Irgendwelche Bemühungen um Rückführung des Geldes zu einem früheren Zeitpunkt - etwa nach Auszahlung der Rentenversicherung - oder gar ein Beenden der Entnahmen waren hingegen zu keinem Zeitpunkt zu verzeichnen. Erst als der Auszahlungstag näher rückte, kam er auf die Idee, eine Straftat vorzutäuschen, statt sich nunmehr um eine Schadenswiedergutmachung (durch den Verkauf des Autos) zu bemühen oder sich den Kollegen oder seinem Dienstherrn zu offenbaren. Die vorgetäuschte Straftat wirkt dilettantisch und sein Verhalten in diesem Zusammenhang kopflos. Allerdings hat er in der Berufungsbegründung hierzu sogar vorgetragen, er habe - ausgehend von den bekannten unbefriedigenden Aufklärungsquoten bei Eigentumsdelikten in Schleswig-Holstein - gedacht, die Polizei werde den Vorfall aufnehmen und die Sache dann zu den Akten legen, soweit er überhaupt darüber nachgedacht habe. Dass das Vortäuschen einer Straftat dilettantisch war und er insgesamt unklug gehandelt hat, vermag der Senat nicht zu seinen Gunsten bei der den Schwerpunkt des Fehlverhaltens bildenden veruntreuenden Unterschlagung zu berücksichtigen. Gerade sein zielgerichtetes Handeln über einen längeren Zeitraum bei den Geldentnahmen einschließlich des anschließenden Vortäuschens einer Straftat zum Zwecke der Vertuschung des vorangegangenen Fehlverhaltens sprechen bereits gegen einen „fast hilflosen Versuch einer im Grunde ehrlichen Seele“. Seine hervorragenden dienstlichen Beurteilungen lassen ebenfalls nicht auf „schlichte Dummheit“ oder eine „begrenzte Auffassungsgabe“ schließen.

72

Zugunsten des Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass er die veruntreuten Gelder an die Kollegen zurückgezahlt hat. Dies sowie die positive Sozialprognose des Strafgerichts können indes den durch das nahezu ein Jahr andauernde Fehlverhalten des Beklagten herbeigeführten Vertrauensschaden nicht wiedergutmachen. Dem Umstand, dass der Beklagte zuvor weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist und über lange Zeit gute dienstliche Leistungen erbracht hat, kann angesichts der Schwere der Verfehlungen keine durchgreifende Bedeutung zukommen. Denn jede Beamtin und jeder Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft zu erbringen und sich inner- und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012, - 2 A 11.10 - juris Rn. 82).

73

Dahinstehen kann, ob die bisherige Verfahrensdauer unangemessen lang war, denn dies führte zu keinem anderen Ergebnis. Ergibt die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch ein gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - juris Rn. 53, zuletzt Beschluss vom 10. Oktober 2014 - 2 B 66.14 - juris Rn. 7).

74

Die gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verstoßende unangemessen lange Dauer eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens kann nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Daher kann der Verstoß für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiell-rechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 50).

75

Dementsprechend hat der Gesetzgeber die Verfahrensbeteiligten wegen der unangemessen langen Verfahrensdauer auf Entschädigungsansprüche nach Maßgabe der §§ 198 ff. GVG in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) verwiesen. Diese Vorschriften finden auch für gerichtliche Disziplinarverfahren Anwendung (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 51). Für den vorliegenden Fall ergibt sich dies aus § 173 Satz 2 VwGO, § 4 LDG.

76

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 4 LDG, § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

77

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 69 BDG und § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 15. Nov. 2016 - 14 LB 2/16 zitiert 19 §§.

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bei uns veröffentlicht am 26.05.2016

Tenor Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer – vom 12. August 2015 wird geändert. Die Dienstbezüge des Beklagten werden für die Dauer von drei Jahren um 20 % gekürzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiese
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 15. Nov. 2016 - 14 LB 2/16.

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 25. Okt. 2017 - 14 LB 4/16

bei uns veröffentlicht am 25.10.2017

Tenor Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer – vom 15. Juni 2016 wird geändert. Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A8) versetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. D

Referenzen

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Es hat jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Wer wider besseres Wissen einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle vortäuscht,

1.
daß eine rechtswidrige Tat begangen worden sei oder
2.
daß die Verwirklichung einer der in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten bevorstehe,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 164, § 258 oder § 258a mit Strafe bedroht ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen eine der in Absatz 1 bezeichneten Stellen über den Beteiligten

1.
an einer rechtswidrigen Tat oder
2.
an einer bevorstehenden, in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat
zu täuschen sucht.

(3) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 begeht oder
2.
wider besseres Wissen einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen vortäuscht, dass die Verwirklichung einer der in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dieses Gesetzes, in § 31 Satz 1 Nummer 2 des Betäubungsmittelgesetzes oder in § 4a Satz 1 Nummer 2 des Anti-Doping-Gesetzes genannten rechtswidrigen Taten bevorstehe, oder
3.
wider besseres Wissen eine dieser Stellen über den Beteiligten an einer bevorstehenden Tat nach Nummer 2 zu täuschen sucht,
um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Tenor

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 17. Kammer – vom 12. August 2015 wird geändert.

Die Dienstbezüge des Beklagten werden für die Dauer von drei Jahren um 20 % gekürzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens zu je ½.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch die Disziplinarkammer.

2

Der 1984 geborene Beklagte trat am 2. August 2004 als Polizeimeisteranwärter in den Dienst des Landes. Zum 1. Februar 2010 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Polizeimeister (A 7) ernannt. Er versah zuletzt seinen Dienst bei der Polizeidirektion ... – 1. Polizeirevier –. Die jüngste dienstliche Beurteilung datiert vom 1. Oktober 2011. Darin wurde er mit dem Prädikat „entspricht den Anforderungen voll“ beurteilt.

3

Der Beklagte ist seit dem ... 2012 verheiratet und hat drei am ... 2008, am ... 2012 und am ... 2014 geborene Söhne.

4

Der vorläufig des Dienstes enthobene Beklagte erhält um die Polizeizulage gekürzte Bezüge der Besoldungsgruppe A7 und wohnt zurzeit mietfrei. Wegen der weiteren Einzelheiten zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen wird auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung eingereichte Übersicht (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 26. Mai 2016) verwiesen.

5

Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte vor den Vorwürfen, die den Gegenstand dieses Verfahren bilden, nicht in Erscheinung getreten.

6

Mit Verfügung vom 25. September 2012 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls eingeleitet und gleichzeitig bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Mit Verfügung vom 16. November 2012 wurde das Disziplinarverfahren um den Vorwurf der Unterschlagung eines Geldbetrages von 970 bis 1.230 Euro aus der Kaffeekasse der Dienstschicht des Beklagten erweitert. Wegen des sachgleichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ... (Az. 719 Js 53114/12) wurde die Aussetzung des Disziplinarverfahrens weiter aufrechterhalten. Am 28. März 2014 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zum Vorwurf der Unterschlagung eines Geldbetrages aus der Kaffeekasse im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts ... (Az. 719 Js 39714/12) gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein.

7

Im hinsichtlich des Diebstahlsvorwurfs sachgleichen Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht ... (Az: -719 Js 39714/12- / -62 Ds (98/13)-) den Beklagten mit Urteil vom 19. September 2013, rechtskräftig seit dem 19. März 2014, wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 21 Fällen sowie gewerbsmäßigen Betruges in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gleichzeitig belegte es ihn mit einer Bewährungsauflage in Form der Erbringung von 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zu Grunde:

8

Der Beklagte lebt seit 2002 mit seiner jetzigen Ehefrau, der Zeugin ..., zusammen. Die Zeugin arbeitet als Krankenschwester. Trotz zweier Einkommen häuften sie bis zum Jahr 2005 Konsumschulden von 20.000 bis 25.000 Euro an. Am ... 2008 wurde der Sohn ... geboren. Das Familieneinkommen schmälerte sich wegen des Elterngeldbezuges der Zeugin. Gleichzeitig gingen die Partner Darlehensverbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Umzug in ein Eigenheim ein, das sie 2009 von den Eltern des Beklagten mieteten. Die wirtschaftliche Lage der Familie war zum äußersten angespannt.

9

Als die Zeugin dem Beklagten im September 2011 mitteilte, dass sie wieder schwanger sei, sah dieser wegen erwarteter Mehrausgaben und Einkommenseinbußen die wirtschaftlichen Verhältnisse vollends aussichtslos. Er steigerte sich binnen kurzem in extreme Existenzängste hinein und verlor unter der Anspannung der als ausweglos erlebten Verhältnisse so viel Körpergewicht, dass er nacheinander drei Kleidergrößen schmaler wurde. Anspannung und Angst erreichten ein Ausmaß, dass er nachts wach blieb und sich übergeben musste. Um kleinere Geldbeträge für seine Familie zu erlösen, verkaufte er aus dem gemeinsamen Hausstand überflüssigen Hausrat und eigene Bekleidung. Als er aus dem Dienst einen blauen Müllsack mit weitgehend abgetragener eigener Dienstkleidung nach Hause nahm, um ihn zu entsorgen, kam ihm der Gedanke, ein noch hinlänglich erhaltenes Bekleidungsstück bei eBay zu veräußern. Überrascht über die große Nachfrage und den zu erlösenden Preis veräußerte er anschließend die wegen seines erheblichen Gewichtsverlustes überflüssige Dienstbekleidung aus eigenem Bestand. In der Zeit von Februar bis September 2012 entwendete der Beklagte aus den Räumlichkeiten seiner Dienststelle im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein oder im Eigentum seiner Kollegen stehende Dienstbekleidung sowie Pistolenholster und veräußerte sie dann bei eBay. Nach Überweisung des Kaufpreises übersandte er den Käufern die Sachen. Die Bekleidungsstücke waren von den Kollegen während der Arbeit in den Diensträumen, aber auch in der Damenumkleide und der Herrenumkleide vorübergehend abgelegt worden. Einen Teil der Bekleidungsstücke entnahm er auch einem Kleiderhaufen in der Dienststelle. Dort wurden alte, von den Beamten nicht mehr benötigte Bekleidungsstücke durch den Dienstherrn gesammelt, um sie einer Entsorgung zuzuführen. Der Beklagte nahm die Bekleidung und die Holster an sich und nahm dabei in allen Fällen – auch hinsichtlich der vom Kleiderhaufen genommenen Bekleidungsstücke – zumindest billigend in Kauf, dass die Sachen in fremdem Eigentum stehen und er die tatsächliche Herrschaft seiner Kollegen oder des Landes Schleswig-Holstein vermittelnd über die Dienststellenleitung gegen deren Willen brach und eigene begründete. Er nahm bei der Veräußerung auf eBay zumindest billigend in Kauf, dass die Käufer an den entwendeten Sachen kein Eigentum erwerben konnten, er sie hierüber täuschte, diese täuschungsbedingt einem inhaltsgleichen Irrtum erlagen, irrtumsbedingt den Kaufpreis überwiesen und überweisungsbedingt einen Schaden erlitten, da sie eigentumslos in den Besitz der Sachen gelangen und Rückgabeverlangen der Eigentümer ausgesetzt werden können. Der Beklagte handelte in allen Fällen, um sich eine fortlaufende, nicht unbeträchtliche Einnahmequelle zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Wegen der einzelnen Taten und der Tatumstände wird auf die Darstellung in den Gründen des Strafurteils des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 Bezug genommen.

10

Nach Aufdeckung der Taten offenbarte sich der Beklagte wegen seiner desaströsen wirtschaftlichen Verhältnisse seinen Eltern, die seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet haben. Wegen der aus den Existenzängsten rührenden Belastungssituation hat er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.

11

Dem Urteil lag eine Verständigung zugrunde. Wegen des Inhaltes wird auf die Sitzungsprotokolle vom 29. August 2013 und vom 19. September 2013 Bezug genommen. Die psychotherapeutische Behandlung ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen worden.

12

Der Kläger setzte das Disziplinarverfahren nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils am 19. März 2014 fort. Nach der abschließenden Anhörung unter dem 13. Juni 2014 und der Beteiligung des Hauptpersonalrates – Polizei – hat der Kläger am 10. September 2014 Disziplinarklage erhoben wegen der Vorfälle, die den Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung bilden, sowie wegen der Unterschlagung eines Geldbetrages von mindestens 950 Euro aus der vom Beklagten geführten Kaffeekasse seiner Dienstschicht.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen,

17

hilfsweise,

18

eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

19

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 12. August 2015 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Es hat den für die disziplinarrechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt entsprechend den bindenden Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 zugrunde gelegt und einen Anlass zur Lösung von diesen Feststellungen nicht gesehen. Danach habe der Beklagte innerdienstliche Zugriffsdelikte verwirklicht. Die Taten seien als schweres Dienstvergehen zu qualifizieren. Der Beklagte habe rechtswidrig und schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten im Kernbereich verletzt. Ein Polizeibeamter habe die Dienstpflicht, Straftaten zu verfolgen und zu verhindern. Das Begehen eigener Straftaten sei mit diesem Anspruch unvereinbar. Ein Polizeibeamter, der Straftaten begehe, verliere deshalb das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit. Weder lägen anerkannte Milderungsgründe vor noch bestünden Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Durch die begangenen Straftaten habe der Beklagte bei Würdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte, insbesondere auch einer nach Aufdeckung der Straftaten begonnenen Therapie, eine beamtenunwürdige Haltung an den Tag gelegt, die zu einer irreparablen Beschädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt habe. Vor diesem Hintergrund könne auch dem Umstand, dass der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, kein in der Weise entlastendes Moment zukommen, dass von der Höchstmaßnahme abzusehen sei.

20

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.

21

Wegen der vorgeworfenen Unterschlagung eines Geldbetrages aus der Kaffeekasse hat der Senat den Kläger mit Beschluss vom 22. April 2016 zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels der Klageschrift aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2016 hat der Kläger ausgeführt, der Fehlbetrag ergebe sich aus einer Tabelle, in der die ermittelten Kaffeelieferungen den mutmaßlich erzielten Verbräuchen gegenübergestellt seien. Eine exaktere Berechnung der Einnahmen sei nicht möglich.

22

Der Beklagte trägt vor, er habe sich im Strafverfahren seiner Verantwortung gestellt und ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Er wolle sich auch seiner Verantwortung im Disziplinarverfahren stellen. Er habe die Taten in einer besonders stark ausgeprägten psychischen Drucksituation begangen. Ausweislich der Stellungnahme des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. ... vom 7. September 2013 habe er unter einer akuten Belastungsreaktion und Anpassungsstörungen mit vorherrschender Störung des Sozialverhaltens gelitten. Diese Erkrankungen hätten für das Strafgericht nur im Rahmen der Strafzumessung eine Rolle gespielt, da aus seiner Sicht weder die Schuldfähigkeit ausgeschlossen noch erheblich eingeschränkt gewesen sei. Insoweit bestehe im Disziplinarverfahren jedoch keine Bindungswirkung. Er - der Beklagte - habe sich freiwillig in psychotherapeutische Behandlung begeben. Ferner habe er seine finanziellen Verhältnisse mit Hilfe seiner Familie geordnet. Dies sei erst durch die psychotherapeutischen Maßnahmen möglich gewesen, da er bis dahin nicht im Stande gewesen sei, sich zu öffnen und offen über seine objektive Notlage und über seine Existenzängste zu sprechen. Er habe mithin eine negative Lebensphase überwunden. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse aufzuklären. Die Sachaufklärung zu den Milderungsgründen sei vollständig oder fast vollständig unterblieben. Ferner lasse das Urteil des Verwaltungsgerichts eine umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes vermissen.

23

Der Beklagte beantragt,

24

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 12. August 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

25

Der Kläger beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Er ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe den Beklagten mit zutreffender Begründung aus dem Dienst entfernt. Es habe eine umfassende eigene Maßnahmebemessung vorgenommen und sich selbständig mit möglichen durchgreifenden Entlastungsgründen auseinandergesetzt, wobei es sich nicht auf von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgründe beschränkt habe. Aufklärungsmängel lägen nicht vor, da ein Tatsachengericht keine Ermittlungen anstelle müsse, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankomme. Die psychische Verfassung des Beklagten zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen sei nicht weiter aufzuklären gewesen, da ein Handeln in einer psychischen Ausnahmesituation nicht vorgelegen habe. Ferner habe die psychische Verfassung des Beklagten auch nicht zur Begründung des „Handelns in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“ herangezogen werden können. Insofern habe es auch keiner weiteren Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse bedurft. Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten aufgehoben oder vermindert gewesen sei, hätten nicht vorgelegen.

28

Der Senat hat auf Grund des Beschlusses vom 25. Januar 2016 und der prozessleitenden Verfügungen vom 3. März 2016 und 18. März 2016 Beweis erhoben durch ein schriftliches und mündliches Gutachten des Sachverständigen Dr. ... und durch Vernehmung der Zeugin ... und des Zeugen ... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29. Februar 2016 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2016 Bezug genommen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakte sowie auf die Beiakten A bis H verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Da nicht auszuschließen ist, dass der Beklagte das Dienstvergehen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hat, wiegt das von ihm begangene Dienstvergehen nicht ist so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt wäre. Vielmehr ist auf eine Kürzung der Dienstbezüge für die Dauer von drei Jahren um 20 % zu erkennen mit der Folge, dass insoweit zugleich die Disziplinarklage abzuweisen und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen war.

31

1. Die Disziplinarklage weist keine wesentlichen Mängel im Sinne des § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 55 BDG auf.

32

a) Insbesondere ist sie von der gemäß § 34 Abs. 2 LDG zuständigen obersten Landesbehörde - dem Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten - erhoben worden. Auch sind die Klageschrift und die Nachbesserungsschrift von hierfür nach der hier maßgeblichen internen Geschäftsverteilung des Ministeriums zuständigen Mitarbeitern des Referats IV 15 gezeichnet worden.

33

Das Disziplinarverfahren ist zwar ein Verfahren eigener Art, richtet sich aber, soweit im Landesdisziplinargesetz keine eigenen Regelungen enthalten sind, nach dem Landesverwaltungsgesetz und der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Disziplinarrechts vom 28. März 2002, Drucksache 15/1767 S. 49 zu § 4). Dies hat in § 4 LDG seinen Niederschlag gefunden. Danach sind zur Ergänzung des Landesdisziplinargesetzes die Bestimmungen des Landesverwaltungsgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. Gelten aber die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen, muss auch die Frage der funktionellen Zuständigkeit durch oder aufgrund spezieller Rechtsvorschriften angeordnet sein. Eine gesetzliche oder untergesetzliche Regelung, wonach die Erhebung der Disziplinarklage allein bestimmten Organwaltern vorbehalten ist, sieht das Landesdisziplinargesetz nicht vor. Soweit § 34 Abs. 2 LDG regelt, dass bei Beamten die Disziplinarklage durch die oberste Landesbehörde erhoben wird, wird hiermit allein eine Behördenzuständigkeit begründet, jedoch keine interne Zuständigkeitsregelung vorgenommen (so auch OVG Münster, Beschluss vom 22. August 2007 - 21d A 1624/06.BDG - Rn. 21, juris, bezogen auf die Regelung in § 84 Satz 1 BDG).

34

Die oberste Dienstbehörde wird, wie Behörden allgemein, nicht allein durch ihren Leiter persönlich tätig, sondern auch durch dessen Vertreter und weitere hierzu berechtigte und zeichnungsbefugte Mitarbeiter, d.h. solche, die nach den internen Regelungen über die behördliche Organisation und Geschäftsverteilung mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe betraut sind. Daher kann jeder Mitarbeiter der Behörde gegenüber Dritten für die Behörde tätig werden, wenn dies von seinem Aufgabenbereich umfasst ist. Einer fallbezogenen zusätzlichen Bevollmächtigung durch den Leiter der Behörde bedarf es dann nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 - 2 B 3.10 - Rn. 9 f. m.w.N., juris; Weiß, GKÖD Band 2, 2015, Rn. 41 zu § 34 BDG).

35

b) Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klageschrift hinsichtlich des Vorwurfs der Unterschlagung eines Geldbetrages von mindestens 950 Euro aus der vom Beklagten geführten Kaffeekasse seiner Dienstschicht nunmehr den Anforderungen des § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG genügt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ist der Beklagte von diesem Vorwurf freizustellen. Auch aufgrund der nachgebesserten Darlegungen kann der Senat nicht sicher feststellen, dass überhaupt ein Fehlbetrag in der Kaffeekasse vorlag. Die behaupteten Fehlbeträge des Kassenbestandes sind auf unsicherer Tatsachengrundlage ermittelt worden, da die Beträge, die der Beklagte für den konsumierten Kaffee kassiert hat, sich nicht mehr konkret bestimmen lassen. Dementsprechend lässt sich nicht ausschließen, dass keine Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen bestand.

36

2. Durch den im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts festgestellten Sachverhalt (a) hat der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen (b). Für das innerdienstliche Dienstvergehen (c) wäre unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände eine Zurückstufung die angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme (d). Da eine Zurückstufung jedoch gemäß § 9 Abs. 1 LDG nicht ausgesprochen werden kann, war auf die ausgesprochene Gehaltskürzung zu erkennen (e).

37

a) Hinsichtlich des Sachverhaltes ist der Senat gemäß § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG an die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts... vom 19. September 2013 -719 Js 39714/12- / -62 Ds (98/13)- gebunden. Zu den „tatsächlichen Feststellungen" gehören nicht nur die äußeren Aspekte eines Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestandes wie etwa die Zueignungsabsicht oder die Bereicherungsabsicht. Feststellungen zur Schuldfähigkeit binden das Gericht indes nur, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist; hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB hat der Senat eigene Feststellungen und im Rahmen der Maßnahmebemessung eine eigene Entscheidung zu treffen (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07- Rn. 29, juris).

38

Das Disziplinargericht hat die erneute Prüfung nur solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BDG). Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen im Widerspruch zu Denkgesätzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, etwa einer den rechtlichen Anforderungen nicht genügenden Urteilsabsprache, zustande gekommen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 2 B 84.13 -, Rn. 9 m.w.N., juris). Wird im gerichtlichen Disziplinarverfahren das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale Behauptungen (etwa, es habe einen Deal gegeben) oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG ergeben kann (BVerwG, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Rn. 6, juris; zum Ganzen vgl. auch: BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 2 B 74.11 - Rn. 13 m.w.N., juris).

39

Danach besteht kein Anlass für eine Lösung. Der Beklagte bestreitet die nach § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG bindenden tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil nicht. Im Gegenteil entsprechen sie seiner geständigen Einlassung auch im Disziplinarverfahren. Einzig wiederholt er den bereits vom Strafgericht berücksichtigten Umstand, dass ihm die Dienstbekleidungsvorschriften und die aus ihnen resultierenden Eigentumsverhältnisse seinerzeit nicht bekannt gewesen seien.

40

Das Amtsgericht ... hat es in seinem Urteil als erwiesen erachtet, dass der Beklagte sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) begangen hat. Einen Tatumstandsirrtum i.S.d. § 16 StGB im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „fremde bewegliche Sache“ hat es nicht festgestellt. Dazu hat das Amtsgericht ... in seinen Feststellungen (II., UA Seite 4) ausgeführt:

41

Der Angeklagte nahm die Bekleidung und die Holster an sich und nahm dabei in allen Fällen - auch hinsichtlich der vom Kleiderhaufen genommenen Bekleidungsstücke - zumindest billigend in Kauf, dass die Sachen in fremdem Eigentum stehen und er die tatsächliche Herrschaft seiner Kollegen oder des Landes Schleswig-Holstein vermittelt über die Dienststellenleitung gegen deren Willen brach und eigene begründete.

42

Das gleiche gilt auch für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales „Erregung eines Irrtums“ in § 263 Abs. 1 StGB. Hierzu führt das Amtsgericht ... in seinen Feststellungen (II., UA Seite 4) aus:

43

Er nahm bei der Veräußerung auf eBay zumindest billigend in Kauf, dass die Käufer an den entwendeten Sachen kein Eigentum erwerben konnten, er sie hierüber täuschte, diese täuschungsbedingt einem inhaltsgleichen Irrtum erlagen, irrtumsbedingt den Kaufpreis überwiesen und überweisungsbedingt einen Schaden erlitten, da sie eigentumslos in den Besitz der Sachen gelangen und Rückgabeverlangen der Eigentümer ausgesetzt werden könnten.

44

Unabhängig von der Bindungswirkung merkt der Senat an, dass auch er dem Beklagten nicht abnimmt, dass er ernsthaft von einer Berechtigung ausgegangen sein könnte, die „scheinbar herrenlos herumliegenden“ Sachen an sich zunehmen, um sie anschließend gewinnbringend zu veräußern. Es bedarf nicht der Kenntnis der einschlägigen Kleidervorschriften, um zu wissen, dass Polizeibekleidung - allein bereits wegen der Gefahr der missbräuchlichen Verwendung im Rechtsverkehr - nicht dazu bestimmt ist, Dritten zugänglich gemacht zu werden. Dies war auch dem Beklagten klar, so dass eine etwaige Entsorgung dem Eigentümer - hier dem Land Schleswig-Holstein - vorbehalten ist und nicht dem Beklagten in Form eines Verkaufs über die Internetplattform „eBay“. Dies leuchtet bereits jedem Durchschnittsbürger ein. Im Übrigen hätte eine Nachfrage bei seinem Dienstherrn Aufklärung gebracht.

45

Da auch hierzu keine Rügen vorgebracht worden sind, so dass es der Senat ebenfalls nicht prüfen dürfte, sei nur noch abschließend angemerkt, dass die in der Hauptverhandlung am 19. September 2013 vor dem Amtsgericht ... erfolgte Verständigung den rechtlichen Anforderungen des § 257c StPO genügt; insbesondere liegt ihr kein Formalgeständnis (vgl. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO) zugrunde (vgl. die Beweiswürdigung im Strafurteil, UA S. 9-10 unter III.).

46

b) Nach den im Strafurteil des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 festgestellten Handlungen hat der Beklagte im Zeitraum von Februar 2012 bis September 2012 vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft in 42 Fällen seine ihm obliegenden Pflichten zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und zu vollem persönlichen Einsatz (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verletzt sowie gegen die Folgepflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.

47

c) Durch diese Pflichtverletzungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Der Beklagte hat in einem Zeitraum von acht Monaten Uniform- und Ausrüstungsgegenstände seines Dienstherrn gestohlen und anschließend über eBay veräußert. Auch wenn der Beklagte mehrere Pflichtverletzungen begangen hat, liegt nur ein Dienstvergehen vor (Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 Rn. 19, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Rn. 12, juris und vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 -, BVerwGE 128, 125 Rn. 21 f.; Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - Rn. 14, juris, und vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - Rn. 17, juris).

48

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war. Dabei richtet sich die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, dass heißt nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst, vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 - Rn. 57, juris). Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist danach dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 54, juris; zum Ganzen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 4.14 - Rn. 11 m.w.N., juris).

49

d) Das innerdienstliche Dienstvergehen wiegt zwar so schwer, dass es grundsätzlich die disziplinarische Höchstmaßnahme - hier die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis - rechtfertigen würde. Auch liegen keine anerkannten Milderungsgründe vor, jedoch ist zugunsten des Beklagten nach dem auch im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz des in dubio pro reo eine verminderte Schuldfähigkeit im Tatzeitraum zu berücksichtigen, so dass der Senat nach Abwägung aller be- und entlastenden Umstände eine Zurückstufung für angemessen erachten würde.

50

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (stRpsr., vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 12 und 22 m.w.N., juris). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG).

51

Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 253 <259>; zuletzt vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 16, juris).

52

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konnte dabei auf die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen zurückgegriffen werden (vgl. dazu zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - Rn. 14 m.w.N., juris). Für die hier verwirklichte Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter oder dienstlich zugänglicher Gelder und Güter, war die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit, die bei 50 Euro angenommen wurde, deutlich überstiegen (zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 15 f. m.w.N., juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 19 ff., juris).

53

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht zwar in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - aufgegeben (LS 1 und Rn. 19, juris), indes ergibt sich danach vorliegend keine wesentlich andere Zuordnung in den Katalog der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 LDG. Nach dieser neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich auch bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die an seiner Schwere orientierte grundsätzliche Zuordnung zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen. Dies war zuvor nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen entschieden worden (vgl. zu den außerdienstlichen Dienstvergehen grundlegend BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Rn. 22, juris, und - 2 C 13.10 - Rn. 25, juris, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 31, juris). Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen.

54

Das Amtsgericht hat den Beklagten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 21 Fällen nach § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB sowie gewerbsmäßigen Betruges in 21 Fällen nach § 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Der Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB sieht eine Freiheitstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren vor und der des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB eine solche von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - LS 2 und Rn. 20, juris).

55

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - Rn. 38 f. m.w.N., juris, und vom 10. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 24, juris). Anzahl und Häufigkeit sind ebenfalls Kriterien, die die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens auf einer ersten Stufe als geboten erscheinen lassen. Auch bei diesen Kriterien handelt es sich um solche, die der Gesetzgeber als „besonders schwere Fälle“ wertet und die ihn zu der genannten Strafrahmenhebung von bis zu zehn Jahren im Vergleich zu den „Grund“-tatbeständen des Betruges und des Diebstahls mit bis zu fünf Jahren veranlasst haben.

56

Das Kriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris). Dahinstehen kann, ob nicht auch insoweit allein auf das Statusamt abgestellt werden müsste und nicht mehr auf das Amt im konkret funktionellen Sinn (so BVerwG zu außerdienstlichem Fehlverhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung im Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 -LS 1 und Rn. 16, BVerwGE 152, 228 ff. = juris), denn vorliegend fällt beides nicht auseinander. Die Berücksichtigung des Kriteriums der Vertrauensbeeinträchtigung würde ebenfalls die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens rechtfertigen, allerdings nur unter Außerachtlassung des Persönlichkeitsbildes.

57

Insofern kommt hier zweierlei zusammen: Zum Einen bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 14 f. m.w.N., juris unter Verweis auf die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Zum Anderen haben Polizeibeamte Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen; sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - LS 2 und Rn. 22, BVerwGE 152, 228 ff. = juris).

58

Indes darf nicht bei dieser Betrachtung der rein objektiven Umstände stehen geblieben werden, sondern es sind auch die persönlichen Umstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Zumessungsentscheidung einzubeziehen. Insoweit erfasst das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 LDG dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (stRspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 ff. = juris; zur Berücksichtigung dieser Umstände vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 -, Rn. 31 ff., juris).

59

Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelten sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (etwa Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenhöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (stRspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2007 - 1 D 2.06 - Rn. 25 m.w.N., juris).

60

Anerkannte Milderungsgründe vermag der Senat nicht zu erkennen. Beim anerkannten Milderungsgrund der überwundenen negativen Lebensphase können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt zeitweilig aus der Bahn geworfen haben, mildernd berücksichtigt werden, wenn der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (stRspr.; vgl. BVerwG Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 40 f., juris; Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Rn. 29, juris, und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 32, juris). Dieser Milderungsgrund ist bereits deshalb zu verneinen, weil der auslösende Umstand - seine jetzige Frau teilte dem Beklagten mit, sie sei schwanger - nicht außergewöhnlich ist, sondern in vielen, wenn nicht den meisten Beziehungen mindestens einmal vorkommt. Der Beklagte steigerte sich zwar anschließend in Existenzängste, diese waren aber objektiv nicht begründet und konnten zudem mit Hilfe der Eltern und einer Umstellung des Lebensstils überwunden werden. Schon aus diesen Gründen (weder objektiv vorhanden noch unverschuldet) ist zugleich der anerkannte Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage zu verneinen, abgesehen davon, dass dieser Milderungsgrund ein zeitlich begrenztes Verhalten voraussetzt und mit einem Versagen über einen längeren Zeitraum nicht vereinbar ist (vgl. zu diesem Milderungsgrund BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 74 m.w.N., juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - Rn. 34 m.w.N., juris). Dem Milderungsgrund des Handelns in einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation steht ebenfalls schon entgegen. dass sich der Beklagte in einer länger andauernden psychischen Belastungssituation befand, die schon aufgrund ihrer Dauer nicht geeignet ist als „Ausnahmesituation" im Sinne des anerkannten Milderungsgrundes angesehen zu werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - BVerwG 1 D 77.97 - Rn. 14 f., juris).

61

Liegen - wie hier - Umstände vor, die für sich genommen nicht genügen, einen anerkannten Milderungsgrund zu erfüllen, muss ernsthaft ermittelt und geprüft werden, ob diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar sind (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 23, juris; vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Rn. 22 m.w.N., juris, und vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - LS und Rn. 14, juris). Dabei ist auch eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB einzubeziehen (stRspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - LS 1 und Rn. 30, juris). Insoweit gilt, dass ein mildernder Umstand nach dem grundgesetzlich verankerten Rechtsgrundsatz des „in dubio pro reo“ schon dann berücksichtigt werden muss, wenn hierfür nach der Tatsachenlage hinreichende Anhaltspunkte bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 30. September 1992 - 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>; vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - Rn. 30, juris, und vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 22, juris, sowie Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 25, juris).

62

Danach ist beim Beklagten sowohl nach dem Grundsatz des in dubio pro reo von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen auszugehen als auch in der Zusammenschau von mildernden Umstände von erheblichem Gewicht.

63

Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Rn. 31 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 33, juris). Die danach entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen sind durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten zu klären (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - Rn. 11 und zuletzt etwa Beschlüsse vom 26. Mai 2014 - 2 B 69.12 -Rn. 10, juris, und vom 26. September 2014 - 2 B 14.14 - Rn. 18, juris).

64

Kann eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden, so stellt sich die Frage nach der Erheblichkeit einer dadurch bewirkten Verminderung der Schuldfähigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 33, juris). Dies ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Sie kann allerdings ohne Kenntnis der Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten nicht beurteilt werden. Zu ihrer Beantwortung bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Rn. 33 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BGH, juris, sowie Beschlüsse vom 11. Januar 2012 - 2 B 78.11 - Rn. 6, juris, und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Rn. 20, juris).

65

Da - wie bereits ausgeführt - Feststellungen zur Schuldfähigkeit das Gericht nur binden, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist, war es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzung des § 20 StGB ein Fall verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht, insbesondere war die Rechtsentscheidung treffen, ob die Minderung der Schuldfähigkeit eine erhebliche ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 29, juris).

66

Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme litt der Beklagte zum Tatzeitpunkt an einer Anpassungsstörung (F43.2). Aufgrund der durch eine depressive Reaktion in Verbindung mit Angstsymptomen gekennzeichneten Störung und der daraus ableitbaren Suizidgefahr mit Einschränkung der Handlungsmöglichkeit der Persönlichkeit handelt es sich hierbei um eine die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllende „krankhafte seelischen Störung“. Es kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass der Beklagte bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt war.

67

Bei dieser Beurteilung ist der Senat den überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. ... gefolgt. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten aufgrund der ihm vorliegenden Befunde, der bei ihm durchgeführten Tests und zweier länger dauernder Explorationsgespräche sowie unter Berücksichtigung von Fachliteratur und aufgrund der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Befragung des Beklagten sowie der beiden Zeugen näher erläutert und bestätigt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass beim Beklagten bezogen auf den Tatzeitraum vom Vorliegen einer Anpassungsstörung auszugehen ist. Zu dieser im Vordergrund stehenden Erkrankung kam jedoch eine die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllende depressive Störung hinzu, die im Anschluss mit Antidepressiva behandelt worden ist. Bereits der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. med. ..., dessen Befund der Sachverständige ausgewertet hat und bei dem sich der Beklagte nach der Aufdeckung der Taten in medizinische Behandlung und Therapie begeben hat, hat bei dem Beklagten in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 7. September 2013 eine akute Belastungsreaktion (ICD: F43.G) sowie Anpassungsstörungen mit vorherrschender Störung des Sozialverhaltens (ICD: F43.24G) diagnostiziert.

68

Tatzeitbezogen wäre zwar - so der Sachverständige - von einer stärkergradigen Ausprägung einer depressiven Symptomatik nach ICD-10 nicht auszugehen, da der Beklagte in der Lage war, regulär seinen Dienst zu verrichten und seine sozialen Aktivitäten fortzusetzen. Allerdings war ausweislich des Ergebnisses der Zeugenbefragungen auch insoweit ein verändertes Verhalten zu bemerken: Im Dienst hat sich der Beklagte immer mehr zurückgezogen, ebenso gegenüber seiner jetzigen Ehefrau; die vorherigen Kontakte zu Freunden hat er abgebrochen. Insgesamt bestehen nach Aussage des Sachverständigen Schwierigkeiten in der Bewertung des Grades der affektiven Symptomatik bezogen auf den Tatzeitpunkt. Der Sachverständige kann daher nicht sicher ausschließen, dass der Beklagte in dieser Phase der Störung aufgrund der Ausprägung der depressiven Symptomatik mit anamnetischen Hinweisen auf eine erhöhte Suizidalität in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Dr. ... spricht insoweit von einer temporären Einschränkung der moralischen Selbstkontrolle. Hierzu bezieht sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten auf Venzlaff (in Psychiatrische Begutachtung - Praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen), nach welchem Anpassungsstörungen nicht selten mit depressiven Symptomen einhergehen. Nach seinen mündlichen Erläuterungen führen nicht nur die Stellungnahme von Dr. ..., sondern auch der Inhalt der Exploration des Beklagten und die Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung dazu, dass eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Denn hinzu kamen eine erhebliche vegetative Symptomatik (frühmorgendliches Erwachen, Magen-Darm-Störungen und ein erheblicher Gewichtsverlust) und suizidale Tendenzen, die typisch für eine stärker ausgeprägte Symptomatik sind, die der Beklagte jedoch durch seine Persönlichkeit in der Außendarstellung hat kompensieren können. Für die Diagnose einer depressiven Störung spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die vom Beklagten für den Tatzeitpunkt beschriebene finanzielle Angst im Sinne eines depressiven Verarmungswahns, ohne dass eine wirtschaftliche Notlage tatsächlich vorlag.

69

Wie der als Sachverständiger herangezogene forensische Psychiater Dr. med. ... vermag auch der Senat nicht sicher auszuschließen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Taten (Februar 2012 bis September 2012) unter einer durch eine depressive Reaktion in Verbindung mit Angstsymptomen gekennzeichneten Störung mit einer störungsbedingter Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Persönlichkeit litt. Insoweit kann eine krankhafte psychische Ausnahmesituation mit einer als ausweglos wahrgenommenen finanziellen Notlage - nahe dem Verarmungswahn - nicht sicher ausgeschlossen werden, aufgrund derer der Beklagte keine andere Möglichkeit sah, als mit dem Erlös aus dem Verkauf der zuvor entwendeten Gegenstände den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine Familie zeitweilig zu sichern. Vor diesem Hintergrund stellten sich die vom Beklagten begangenen Dienstpflichtverletzungen als zwangsläufige Folge seiner Erkrankung dar, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen wäre und die als auch im Rechtssinne erheblich angesehen werden müsste.

70

Lässt sich danach eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten im Sinne des § 21 StGB nicht sicher ausschließen, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Rn. 32, juris, und vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - Rn. 34, juris). In einem solchen Fall kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 a.a.O.).

71

Soweit das Bundesverwaltungsgericht darauf hinweist, dass im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt, so dass sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht sein wird (vgl. Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 34 und vom 29. Mai 2008 a.a.O. Rn. 30, beide juris), ist auf die Einsehbarkeit nur dann maßgeblich abzustellen, wenn die erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit betroffen ist und nicht - wie hier - die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Im Gegenteil kann der mildernde Umstand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 LDG nicht durch das Vorhandensein der Einsichtsfähigkeit „kompensiert" werden (so auch BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Rn. 39, juris). Daher kann selbst bei einem Mehrfachversagen eines Beamten im Kernbereich seiner Amtspflichten im Rahmen von Zugriffsdelikten die Steuerungsfähigkeit (als eine der beiden in § 21 StGB genannten Alternativen) als Folge einer Störung im Sinne des § 20 StGB in erheblichem Maße eingeschränkt sein (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010 - 2 B 82.09 - Rn. 9, juris).

72

Hinzu kommt Folgendes: Zwar liegt ein anerkannter Milderungsgrund nicht vor (s.o.), jedoch sind die hier festgestellten Umstände in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar. Aus der subjektiven (krankheitsbedingten) Sicht des Beklagten befand er sich zum Tatzeitpunkt in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage. Er hat das zweite Kind zu dem Zeitpunkt nicht gewollt und glaubte, nun in große wirtschaftliche Not zu geraten, aus der er keinen anderen Ausweg sah. Sein Handeln resultierte aus einer hierdurch ausgelösten - allerdings länger dauernden - psychischen Ausnahmesituation. Es ist zugleich ähnlich wie eine persönlichkeitsfremde, allerdings länger dauernde Augenblickstat; nach den Zeugenaussagen hatte sich der Beklagte während des Zeitraums der Dienstpflichtverletzungen verändert, er war, so die Ehefrau, anders, „nicht mehr der Alte“. Der Sachverständige kann in diesem Zusammenhang nicht ausschließen, dass im Rahmen der depressiven Reaktion eine Aktualisierung finanzieller Ängste bis zum Bild eines depressiven Verarmungswahns vorgelegen hat.

73

Die im Vordergrund der medizinischen Symptomatik stehende Anpassungsstörung ist nach den gutachterlichen Feststellungen des medizinischen Sachverständigen mittlerweile überwunden; er hat keine Hinweise für die Annahme eines überdauernden Musters von Auffälligkeiten in den Bereichen der Affektivität, der Kognition und der zwischenmenschlichen Beziehungen bei dem Beklagten feststellen können. Zudem - so der Sachverständige - sei definitionsgemäß bei Annahme einer Anpassungsstörung von einer Remission des Störungsbildes auszugehen. Hierzu führt der Sachverständige weiter aus, dass bereits Dr. ... im September 2013 fachärztlich befunden habe, dass der Beklagte gefestigt aus der Krise hervorgegangen und seine Prognose als eindeutig gut anzusehen sei. Der Sachverständige sieht daher keine Hinweise auf ein Fortbestehen der Anpassungsstörung im Sinne einer depressiven Reaktion in Verbindung mit einer Angstsymptomatik. Auch diese erfolgreiche - nachträgliche - Therapie kann bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn - wie hier - eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. November 2001 - 1 D 64.00 - Rn. 35, juris, und vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Rn. 29 f., juris, Beschluss vom 5. Mai 2015 - 2 B 32.14 -– LS 1 und Rn. 29 m.w.N., juris).

74

Vor diesem Hintergrund wiegt das Dienstvergehen nicht so schwer, dass auf die Höchstmaßnahme zu erkennen wäre. Die nicht sicher ausschließbare erhebliche verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt und der Umstand, dass der Beklagte die sein damaliges Verhalten auslösende krankhafte seelische Störung inzwischen überwunden hat, rechtfertigen die Wertung, dass noch ein Rest an Vertrauen in ihn gesetzt werden kann. Die Fortführung des Beamtenverhältnisses erscheint noch möglich, weil die vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nicht Ausdruck einer in ihnen offenbarten inneren Einstellung sind.

75

Darauf, dass, wie dies der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung bekundete, weder er als zuständiger Dienstgruppenleiter noch seine Kollegen Vertrauen mehr zu dem Beklagten hätten, kann ebenso wenig abgestellt werden wie auf eine entsprechende Äußerung eines Vertreters des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit der Beamte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 4 LDG beeinträchtigt hat, ist allein nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260>, vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Rn. 78, juris, und vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Rn. 56, juris, sowie Beschluss vom 2. März 2012 - 2 B 8.11 - Rn. 16, juris).

76

Für die danach gebotene objektive Bewertung der Beeinträchtigung des Vertrauens ist es ebenfalls unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist(vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O.). Schutzgut der Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes und des Landesdisziplinargesetzes über die Sanktionierung von Verstößen gegen die Dienstpflichten von Beamten ist auch nicht das Ansehen einer ganz konkreten Behörde in der Öffentlichkeit. Vielmehr geht es generell um die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 58).

77

Wäre danach auf die nächst niedrigere Maßnahme, hier also die Zurückstufung zu erkennen, hält der Senat eine noch weitere Herabsetzung wegen unangemessen langer Verfahrensdauer nicht für angezeigt. Aufgrund Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann zwar in den Fällen, in denen - wie vorliegend - nach einer Gesamtwürdigung nicht auf die disziplinare Höchstmaßnahme zu erkennen ist, sondern eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme für ausreichend erachtet wird, eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden, wenn das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis wegen der mit dem Verfahren verbundenen Belastungen gemindert ist (stRpr., vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - Rn. 54, juris und zuletzt Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Rn. 44 m.w.N., juris, sowie Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 2 B 66.14 – Rn. 8, juris, sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12, juris). Indes ist eine Dauer von drei Jahren und acht Monaten angesichts der Umstände in diesem Verfahren, insbesondere der von den Behörden und den Gerichten trotz eines umfassenden Geständnisses getätigten Ermittlungen nicht unangemessen lang. Zum anderen würde eine unangemessen lange Verfahrensdauer, selbst wenn sie vorläge, allenfalls zur nächstmilderen Maßnahme führen können. Auf diese kann aber vorliegend schon aus Rechtsgründen (dazu sogleich unter e) nur erkannt werden.

78

e) Die an sich bei der auch unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Schuldfähigkeit noch verbleibenden Schwere des Dienstvergehens gebotene Zurückstufung kann nicht ausgesprochen werden, weil sich der Beklagte bereits im Eingangsamt seiner Laufbahn befindet, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 LDG. Deshalb ist auf die nächstmildere Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge zu erkennen. In diesem Fall ist § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG zu berücksichtigen, weil gegen den Beklagten wegen desselben Sachverhalts im Strafverfahren unanfechtbar eine Strafe verhängt worden ist. Bleibt der Beamte aus laufbahnrechtlichen Gründen von der an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 LDG verschont und wird allein deshalb eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 LDG) ausgesprochen, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG stets erfüllt. Der Ausschluss der Zurückstufung lässt die mildere Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge neben der im Strafverfahren verhängten Strafe als erforderlich erscheinen, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. Auf das Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr kommt es nicht an (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Rn. 34, juris, und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Rn. 45, juris).

79

Aus den gleichen Erwägungen hält der Senat die Ausschöpfung des in § 8 Abs. 1 Satz 1 LDG vom Gesetzgeber nur nach oben hin beschränkten Rahmens für erforderlich und angemessen und sieht auch keinen Grund, die während der Kürzung der Dienstbezüge gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG bestehende Beförderungssperre wegen der Dauer des Disziplinarverfahrens abzukürzen (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG).

80

§ 15 Abs. 4 und 5 BDG steht einer Ahndung des Dienstvergehens des Beklagten mit einer Kürzung der Dienstbezüge nicht entgegen. Zwar sind seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen. Aber der Lauf der Dreijahresfrist des § 15 Abs. 2 LDG war bereits durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens am 25. September 2012 unterbrochen worden (§ 15 Abs. 4 LDG) und ist danach aus verschiedenen Gründen, zuletzt für die Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, gehemmt (§ 15 Abs. 5 LDG).

81

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 77 Abs. 1 BDG, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte ist teilweise unterlegen, weil er sein mit der Berufung ausdrücklich verfolgtes Ziel der Klageabweisung nicht erreicht hat. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 4 LDG, § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

82

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LDG, § 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO), sind nicht ersichtlich.


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer wider besseres Wissen einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle vortäuscht,

1.
daß eine rechtswidrige Tat begangen worden sei oder
2.
daß die Verwirklichung einer der in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten bevorstehe,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 164, § 258 oder § 258a mit Strafe bedroht ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen eine der in Absatz 1 bezeichneten Stellen über den Beteiligten

1.
an einer rechtswidrigen Tat oder
2.
an einer bevorstehenden, in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat
zu täuschen sucht.

(3) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 begeht oder
2.
wider besseres Wissen einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen vortäuscht, dass die Verwirklichung einer der in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dieses Gesetzes, in § 31 Satz 1 Nummer 2 des Betäubungsmittelgesetzes oder in § 4a Satz 1 Nummer 2 des Anti-Doping-Gesetzes genannten rechtswidrigen Taten bevorstehe, oder
3.
wider besseres Wissen eine dieser Stellen über den Beteiligten an einer bevorstehenden Tat nach Nummer 2 zu täuschen sucht,
um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

1.
wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder
2.
wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.

(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Für die Kostentragungspflicht der Beteiligten und die Erstattungsfähigkeit von Kosten gelten die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, sofern sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt.

(2) Wird eine Disziplinarverfügung trotz Vorliegens eines Dienstvergehens aufgehoben, können die Kosten ganz oder teilweise dem Beamten auferlegt werden.

(3) In Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Fristsetzung (§ 62) hat das Gericht zugleich mit der Entscheidung über den Fristsetzungsantrag über die Kosten des Verfahrens zu befinden.

(4) Kosten im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Kosten des behördlichen Disziplinarverfahrens.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

Für die Zulassung der Revision, für die Form und Frist der Einlegung der Revision und der Einlegung der Beschwerde gegen ihre Nichtzulassung sowie für die Revisionsgründe gelten die §§ 132, 133, 137 bis 139 der Verwaltungsgerichtsordnung.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.