Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 22. Dez. 2021 - 13 B 1858/21.NE

ECLI:ovgnrw
erstmalig veröffentlicht: 03.01.2022, letzte Fassung: 03.01.2022

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors

Die Einzelhandelskette "Woolworth GmbH" wollte sich mithilfe eines Eileintrags gegen die geltende 2G-Regelung im nordrhein-westfällischen Einzelhandel wehren. Die geltende Covid-Verordnung des Landes schreibt vor, dass nur genesene und geimpfte Personen Zutritt zum Einzelhandel bekommen sollen. Nach Ansicht des Antragsstellers sei diese Regelung unverhältnismäßig, da keine signifikanten Infektionsgefahren bestünden, denen man nicht auch im Rahmen der vorhandenen Hygienekonzepte entgegenwirken könnte. Das Gericht teilt diese Ansicht nicht und meint, dass ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ersichtlich sei. Die Verordnung, mithin die 2G-Regelung, tragen dazu bei, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

OVG Nordrhein-Westfalen

Beschluss vom 22.12.2021

Az.: 13 B 1858/21.NE

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin betreibt landesweit Verkaufsstellen des Einzelhandels. Sie bietet in ihren Filialen ein Mischsortiment an, das aus Textilien (ca. 40%) und Haushaltsbedarf aller Art (ca. 60%) besteht.

Ihr sinngemäßer Antrag,

im Wege einer einstweiligen Anordnung § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 3. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1246b), zuletzt geändert durch Art. 1 der Änderungsverordnung vom 16. Dezember 2021 (GV. NRW. 2021 S. 1410a), - Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) - bis zur Entscheidung über einen noch zu erhebenden Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen,

hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 - 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.

Das ist hier nicht der Fall, weil ein in der Hauptsache noch zu erhebender Normenkontrollantrag der Antragstellerin nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglicher summarischer Prüfung nicht offensichtlich begründet wäre (I.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfällt (II.).

I. Die in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 CoronaSchVO geregelte Beschränkung des Zugangs zu Ladengeschäften und Märkten mit Kundenverkehr für Handelsangebote auf immunisierte Personen ist nicht offensichtlich rechtswidrig.

1. Offensichtlich durchgreifende Zweifel am Vorliegen einer hinreichenden, dem Parlamentsvorbehalt genügenden Ermächtigungsgrundlage in den §§ 32, 28 Abs. 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 Nr. 14 IfSG liegen nicht vor.

Vgl. Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 14; Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 25.

Solche hat auch die Antragstellerin nicht geltend gemacht.

2. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 5 IfSG sind voraussichtlich eingehalten.

a. Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassen werden, sind mit einer allgemeinen Begründung zu versehen. Die Begründungspflicht dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen, und damit insbesondere der Verfahrensrationalität und der Legitimationssicherung. Sie soll als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleisten. Innerhalb der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen, ohne dass insoweit eine empirische und umfassende Erläuterung geschuldet wäre. Sie ist möglichst zeitnah nach Erlass der Rechtsverordnung zu veröffentlichen.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, in: BT-Drs. 19/24334, S. 81 f.

Diesen Anforderungen hat der Verordnungsgeber voraussichtlich Genüge getan. In der Verordnungsbegründung,

vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung - CoronaSchVO) vom 3. Dezember 2021, abrufbar unter:

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211213_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_ab_9._dez_2021.pdf,

erläutert er unter Würdigung der aktuellen Infektionslage und des Vergleichs des Risikos von nicht immunisierten Personen mit demjenigen immunisierter Personen auf einer Intensivstation behandelt werden zu müssen, warum er als Konzept zur Eindämmung des Infektionsgeschehens im Wesentlichen auf Zugangsbeschränkungen von Ungeimpften zu Angeboten, Einrichtungen und Betrieben setzt. Dieses Konzept wendet er auch auf den Einzelhandel an. Dass er insoweit nicht isoliert aufschlüsselt, inwieweit diese einzelne Maßnahme Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben wird, ist unschädlich, da § 28a Abs. 5 IfSG nur eine allgemeine Begründung voraussetzt.

Vgl. dazu Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 16.

b. Die Verordnung ist auch in der erforderlichen Weise befristet. Sie tritt (nunmehr) mit Ablauf des 12. Januar 2022 außer Kraft (§ 9 Abs. 1 CoronaSchVO). Damit hat der Verordnungsgeber von der Verlängerungsmöglichkeit des § 28a Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 IfSG Gebrauch gemacht.

3. Die angegriffene Maßnahme ist von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt.

a. Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, Abs. 1 Nr. 14 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 und 2 IfSG kann - unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite - der Zugang zu Verkaufsstellen des Einzelhandels von der Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen abhängig gemacht werden.

b. Der Verweis in § 28a Abs. 7 CoronaSchVO darauf, dass die gewählte Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderlich sein muss, ist kein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Bedeutung. Denn Schutzmaßnahmen sind ohnehin nur rechtmäßig, wenn sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Dies setzt voraus, dass sie (auch) erforderlich sind. Dass der Gesetzgeber an die Erforderlichkeit einen im Vergleich dazu strengeren Maßstab anlegen wollte, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzesbegründung ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass er dem Impffortschritt und dem Umstand, dass Maßnahmen auch unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag nach dieser Vorschrift möglich sind, durch eine Reduzierung des Katalogs möglicher Infektionsschutzmaßnahmen begegnen wollte.

Vgl. BT-Drs. 20/15, S. 29.

4. Die angegriffene Zugangsbeschränkung zu Verkaufsstellen des Einzelhandels verstößt auch nicht offensichtlich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zur Erreichung des durch den Verordnungsgeber gemäß § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG verfolgten Ziels, Leben und Gesundheit der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu schützen, ist die angefochtene Maßnahme bei summarischer Bewertung geeignet (a.), erforderlich (b.) und angemessen (c.).

a. Für die Eignung genügt bereits die Möglichkeit, durch die Regelung den mit dieser verfolgten Zweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Normgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele der Norm zu erreichen. Erfolgt der Eingriff - wie hier - zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Eignungsprognose beschränkt.

Vgl. in Bezug auf den Gesetzgeber: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 185.

Diesen Einschätzungsspielraum hat der Verordnungsgeber nicht überschritten. Dass Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten grundsätzlich geeignet sind, Infektionsrisiken zu reduzieren, ist angesichts des Hauptübertragungswegs, der respiratorischen Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen oder Niesen entstehen, nicht zweifelhaft. Die streitgegenständlichen Beschränkungen für Verkaufsstellen des Einzelhandels tragen hierzu bei. Zu infektionsbegünstigenden persönlichen Kontakten kommt es unter anderem dann, wenn eine Vielzahl von Menschen Besorgungen aller Art nachgeht und es deshalb etwa zu häufig wechselnden Begegnungen in den Ladengeschäften kommt. Ferner ist davon auszugehen, dass sich Kunden je nach Art des Einzelhandelsgeschäfts auch über einen längeren Zeitraum im Verkaufsraum aufhalten, sodass sich eine Ansammlung und Verbreitung von potentiell virushaltigen Tröpfchen und Aerosolen in der Luft trotz Einhaltung von Hygienemaßnahmen nicht gänzlich verhindern lässt, und auch insoweit eine erhöhte Infektionsgefahr besteht.

Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 - 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 35 f., sowie dazu, dass die dieser Einschätzung zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nach wie vor gelten: Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Übertragungswege, Stand 26. November 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=D5C748F6BF149CFC9B554610D847023B.internet081?nn=13490888#doc13776792bodyText2.

Die Maßnahme ist auch nicht deswegen ungeeignet, weil der Zugang nur für nicht immunisierte Personen gilt, sich aber auch immunisierte Personen mit dem Coronavirus infizieren und dieses an andere Personen weitergeben können. Nach Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts verhindern die in Deutschland zur Anwendung kommenden COVID-19-Impfstoffe SARS-CoV-2-Infektionen (symptomatisch und asymptomatisch) bei der derzeit noch vorherrschenden Delta-Variante in einem erheblichen Maße. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, ist signifikant vermindert. Darüber hinaus ist die Virusausscheidung bei Personen, die trotz Impfung eine SARS-CoV-2-Infektion haben, kürzer als bei ungeimpften Personen mit SARS-CoV-2-Infektion. Aktuelle Studien belegen, dass die Impfung bei der Delta-Variante einen Schutz gegen symptomatische und asymptomatische Infektionen bietet. Für die Verhinderung von schweren Erkrankungsverläufen (Hospitalisierung) liegt ein unverändert hoher Schutz vor.

Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ), Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?, Stand: 29. November 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html;jsessionid=979978E6230FC3A6DAE43FD8A8A83B03.internet062; sowie zum Schutz vor Hospitalisierung: Wöchentlicher Lagebericht des Robert Koch-Instituts, Stand 16. Dezember 2021, S. 21 ff. abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-12-16.pdf?__blob=publicationFile.

Damit dienen Zugangsbeschränkungen für nicht immunisierte Personen - worauf der Verordnungsgeber zutreffend verweist - insbesondere auch der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems, da durch eine Impfung ein hoher Schutz für die Verhinderung von schweren Erkrankungsverläufen (Hospitalisierung) vorliegt.

Vgl. auch Bay. VGH, Entscheidung vom 7. Dezember 2021 - Vf. 60-VII-21 -, juris, Rn. 27.

Diese Bewertung des Verordnungsgebers dürfte auch im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung der Omikron-Variante nicht zu beanstanden sein. Bei der von der WHO als besorgniserregend eingestuften Omikron-Variante,

vgl. WHO, Classification of Omicron (B.1.1.529): SARS-CoV-2 Variant of Concern, abrufbar unter https://www.who.int/news/item/26-11-2021-classificationofomicron-(b.1.1.529)-sarscov-2-variantofconcern,

wird befürchtet, dass der durch eine frühere Infektion oder eine Impfung vermittelte Schutz gegen eine Infektion mit dieser Virusvariante verringert sein könnte.

Vgl. European Centre for Disease Prevention and Control, Threat Assessment Brief: Implications of the further emergence and spread oft the SARS CoV 2 B.1.1.529 variant of concern (Omicron) for the EU/EEA first update, abrufbar unter

https://www.ecdc.europa.eu/en/publicationsdata/covid-19-threatassessmentspreadomicronfirstupdate; Tagesschau, Kampf gegen Omikron-Variante - Studie deutet auf geringeren Impfschutz hin, 8. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.tagesschau.de/inland/impfungenomikronschutzstudie-101.html; ZDF heute, Studien von Ciesek und Pfizer - Schützen Impfstoffe vor Omikron-Infektionen?, 8. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronaomikronimpfschutzciesekstudie-100.html.

In anderen Ländern wurde eine rasante Ausbreitung der Omikron-Variante beobachtet, die gleichzeitig zu einem erheblichen Ansteigen der dortigen Inzidenzen geführt hat.

Vgl. zu Großbritannien: Rasante Omikron-Ausbreitung in Großbritannien, Impfstoffe ohne Booster kaum noch wirksam, 13. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/129970/Rasante-Omikron-Ausbreitungin-Grossbritannien-Impfstoffeohne-Boosterkaumnochwirksam; zu Dänemark: Omikron-Variante bald dominant - Hotspot und Impfvorbild: So reagiert Dänemark, 16. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronadaenemarkomikrondeutschland-100.html.

Die Meldedatenbank des Landeszentrums für Gesundheit NRW verzeichnet mit Stand vom 21. Dezember 2021 1.122 Fälle mit einem zweifelsfreien Nachweis durch Sequenzierung und Verdachtsfälle durch spezifische PCR-Tests mit Hinweisen auf Omikron.

Vgl. Kölner Stadt-Anzeiger, Über 1100 Omikron-Fälle in NRW, 21. Dezember 2021, 17.09 Uhr, abrufbar unter

https://www.ksta.de/region/coronainnrwgesundheitsministeriumverzeichnetueber-1100-omikronfaelle-36439428.

Am 17. Dezember 2021 waren es noch 607 Omikron-Fälle (PCR-Tests mit Hinweisen auf die Virusvariante und sequenzierte Proben). Zu Beginn der letzten Woche hatte es erst 203 und am Mittwoch der Vorwoche nur 23 erfasste Fälle gegeben.

Siehe dazu

https://rponline.de/nrw/landespolitik/coronanrwverzeichnet-607-omikronfaelleverdreifachung_aid-64687583.

Das Robert Koch-Institut befürchtet, dass es aufgrund der Omikron-Variante auch im Bundesgebiet zu einer schlagartigen Erhöhung der Infektionsfälle und einer schnellen Überlastung des Gesundheitssystems und gegebenenfalls weiterer Versorgungsbereiche kommen kann.

Vgl. Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 20. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html.

Selbst wenn unter Berücksichtigung dessen anzunehmen sein dürfte, dass sich auch immunisierte Personen (jedenfalls solche, die keine Auffrischungsimpfung erhalten haben) mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit dieser Variante infizieren werden, als dies bei der Delta-Variante der Fall war, erscheint die streitgegenständliche Regelung weiterhin zur Erreichung des vom Verordnungsgeber verfolgten Zwecks geeignet. Denn nach bisherigen Erkenntnissen spricht viel dafür, dass die Impfungen weiterhin einen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten.

Vgl. Spiegel Wissenschaft, Immunabwehr gegen Omikron - Labortests stützen Hoffnung auf verlässlichen Krankheitsschutz, 16. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/labortestsstuetzenhoffnungaufverlaesslichenkrankheitsschutzacc2f95def948-4c1fac7afd13e4d90fc0; MDR Wissen, Omikron, Drei Mal schneller als Delta - BioNTech-Impfung schützt vor schweren Verläufen, 16. Dezember 2021, abrufbar unter https://www.mdr.de/wissen/covidcoronaomikronausbreitungdreimalschnelleralsdeltabiontechimpfungschwererverlauf-100.html; Pfizer und BioNTech geben Update zur Omikron-Variante, Pressemitteilung vom 8. Dezember 2021, abrufbar unter

https://investors.biontech.de/de/newsreleases/newsreleasedetails/pfizerundbiontechgebenupdatezuromikronvariante.

Sie werden damit auch bei einer zunehmenden Verbreitung der Omikron-Variante zu einer Schonung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten beitragen.

Mit seiner Bewertung, dass Zugangsbeschränkungen für nicht immunisierte Personen zum Einzelhandel zur Erreichung des vom Verordnungsgebers verfolgten Zwecks geeignet sind, überschreitet dieser auch nicht deswegen seine Einschätzungsprärogative, weil - wie die Antragstellerin meint - er Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts ignoriert. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass das Robert Koch-Institut in seinem letzten COVID-19-Strategiepapier mit Stand vom 22. September 2021 selbst bei Stufe 2 - nach der gewählten Staffelung die Stufe mit dem intensivsten Infektionsgeschehen - für den Einzelhandel nur die Anwendung der 3G-Regelung und eines Schutzkonzepts vorsieht.

Vgl. Robert Koch-Institut, Aktualisierung der Control-COVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/2022, Stand 22. September 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/controlcovid-2021-09-22.pdf?__blob=publicationFile.

Das Robert Koch-Institut hat diese Empfehlungen mit Blick auf die beginnende pandemische Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron inzwischen aktualisiert und empfiehlt nun - wie vom Verordnungsgeber bereits eingeführt - unter anderem für den Zugang zu Ladengeschäften die sofortige Umsetzung und Kontrolle der 2G-Regel.

Vgl. Robert Koch-Institut, ControlCOVID - Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron, Stand 21. Dezember 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/controlcovid-2021-12-21.pdf?__blob=publicationFile.

Eine Würdigung der von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahme von Nagel und Müller (Teil des "MODUS-COVID Teams"), die diese im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur sog. Bundesnotbremse eingereicht haben, lässt ebenfalls nicht den Schluss zu, der Verordnungsgeber habe mit der streitgegenständlichen Maßnahme seinen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Eignung von Zugangsbeschränkungen zum Einzelhandel überschritten.

A. A. Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 52 ff.

In dieser Stellungnahme, die sich auf die zum Zeitpunkt des Erlasses der sog. Bundesnotbremse seinerzeit herrschende Alpha-Variante des Virus bezog, führen die Autoren aus, dass der Beitrag des Einzelhandels zum R-Wert 0,1 betrage, mit durchgehender eingehaltener FFP2-Maskenpflicht betrage dieser nur noch 0,01. Hieraus ist zwar zu schließen, dass im Einzelhandel nicht der Schwerpunkt der Infektionstätigkeit stattfindet. Wenn man die Annahmen der Autoren unterstellt, ist er mit einem Einfluss von 0,1 auf den Reproduktionsfaktor indes auch nicht irrelevant.

Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 279, wonach Ausgangsbeschränkungen, die den R-Wert um 0,1 reduzieren, keine offensichtlich wirkungslose Maßnahme bedeuten.

Infektionsschutzmaßnahmen in diesem Bereich können dazu beitragen, diesen auf ein erwünschtes Maß zu drücken. Ob eine FFP2-Maskenpflicht das Infektionsgeschehen in gleicher Weise eindämmen könnte, ist keine Frage der Geeignetheit, sondern der Erforderlichkeit der Maßnahme. Ferner dürfte zu berücksichtigen sein, dass das von den Autoren aufgestellte Modell offenbar allein die direkten Wirkungen einer Schließung des Einzelhandels berücksichtigt, d. h. untersucht, inwieweit Infektionen in Verkaufsstellen des Einzelhandels durch Zugangsbeschränkungen vermieden werden. Nicht erkennbar ist jedenfalls, dass auch indirekte Effekte in den Blick genommen werden. Denn an anderer Stelle, wo die Autoren diese berücksichtigt haben, verweisen sie hierauf ausdrücklich (z. B. im Anhang der Stellungnahme zu den Schulschließungen). Der Verordnungsgeber, der laut Begründung durch ein umfassendes Maßnahmenpaket darauf abzielt, insbesondere Kontakte von nicht immunisierten Personen einzuschränken, weil diese in besonderem Maße zu einer drohenden Überlastung der medizinischen Kapazitäten beitragen,

vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung - CoronaSchVO) vom 3. Dezember 2021, S. 4, abrufbar unter:

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211213_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_ab_9._dez_2021.pdf,

verfolgt aber offenbar das Ziel - wie sein Verweis auf die Maßnahmen der sog. Dritten Welle zeigt - die Kontakte und das Aktivitätsniveau von Ungeimpften umfassend einzuschränken. Damit dürfte er durch die 2G-Regelung im Einzelhandels auch indirekte Effekte erzielen wollen, wie eine Einschränkung der Mobilität durch das Fehlen entsprechender Anreize und einer dadurch bedingten Minderung von Infektionsrisiken.

Vgl. zur möglichen Berücksichtigung auch indirekter Effekte bereits z. B.: OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2020 - 13 B 1657/20.NE -, juris, Rn. 36, sowie speziell für den Einzelhandel: Beschluss vom 19. März 2021 - 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 37.

Auch nach der Modellierung von Nagel und Müller kann z. B. der Personenverkehr erheblichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Modellierung gegebenenfalls unter Verbreitung der ansteckenderen Delta-Variante nur bedingte Aussagekraft zukommt.

Vgl. auch Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 26.

Unter Berücksichtigung all dessen dürfte die Eignungsprognose des Verordnungsgebers jedenfalls als vertretbar erscheinen.

b. Die angegriffenen Zugangsbeschränkungen sind als Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit sowie zur Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems auch erforderlich. Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Normgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.

Vgl. für den Gesetzgeber: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 202 ff.

Danach wäre eine Zugangsbeschränkung nur für weder getestete noch immunisierte Personen (sog. 3G-Regelung) nicht gleich geeignet. Ein negatives Testergebnis lässt nicht sicher den Schluss darauf zu, dass eine Person nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert ist. Auf dem deutschen Markt sind Antigentests mit in unabhängigen Validierungsstudien bestimmten klinischen Sensitivitäten von 40% - 80% verfügbar.

Vgl. Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung in Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2001, S. 16, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile.

Die Aussagekraft eines negativen Befundes bei Antigentests ist insbesondere bei asymptomatisch oder präsymptomatisch Infizierten limitiert.

Vgl. Robert Koch-Institut, Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 - Antigennachweise - Leistungsfähigkeit und Aussagekraft, 9. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_C oronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html;jsessionid=43D84C0D95FA928CF163FF47B7C13B9D.internet071?nn=13490888#doc13490982bodyText24.

Auch eine FFP2-Maskenpflicht ist kein milderes, gleich geeignetes Mittel. Sie wäre insoweit schon kein milderes Mittel, weil derzeit immunisierte Personen nur zum Tragen einer medizinischen Maske, die kostengünstiger ist und die jedenfalls teilweise vom Tragekomfort als angenehmer empfunden wird, verpflichtet sind. Selbst wenn man eine FFP2-Maskenpflicht im Hinblick auf die für immunisierte Personen nur gering verschärfte Eingriffsintensität und unter Würdigung des Umstands, dass eine solche ohnehin bereits in anderen Bereichen gilt, als milderes Mittel qualifizierte,

vgl. in diesem Sinne: Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 - , juris, Rn. 41,

wäre sie jedenfalls - ebenso wie die anderen von der Antragstellerin genannten Hygienemaßnahmen - nicht gleich geeignet. Infektionsrisiken durch das Aufeinandertreffen von Menschen beim Aufsuchen und Verlassen der Verkaufsstellen sowie beim Aufenthalt darin lassen sich durch Hygienemaßnahmen nicht vergleichbar effektiv verhindern.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. März 2021 - 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 51 f, und vom 8. Februar 2021 - 13 B 89/21.NE -, juris, Rn. 50; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 29; zweifelnd: Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 41.

Dies dürfte voraussichtlich auch für eine FFP2-Maskenpflicht gelten. Soweit Nagel und Müller in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht darauf verweisen, der Beitrag des Einzelhandels zum Infektionsgeschehen sei bei Geltung einer FFP2-Maskenpflicht irrelevant, ist auch insoweit zu berücksichtigten, dass sich ihre Ausführungen nicht auf die im Vergleich zu Alpha ansteckendere Deltavariante beziehen. Ferner kommt einer Maskenpflicht nur eine entsprechende Effektivität zu, wenn die Masken durchgängig korrekt getragen werden. Dass für ihre konsequente Einhaltung und das korrekte Tragen der Masken durch sämtliche Besucher einer Einzelhandelseinrichtung gerade im von der Verordnung zeitlich erfassten stark frequentierten Vor- und Nachweihnachtsgeschäft durch die Mitarbeiter der Einzelhandelsbetriebe stets zuverlässig gesorgt werden kann, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Eine FFP-2-Maske hat eine optimale Schutzwirkung aber erst dann, wenn sie gut sitzt und an den Außenrändern keine Atemluft vorbeiströmt.

Vgl. Max-Planck-Gesellschaft, So gut schützen Masken, 2. Dezember 2021, abrufbar runter

https://www.mpg.de/17915640/coronarisikomaskeschutz.

c. Die Zugangsbeschränkungen dürften auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Normgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird ein Handeln des Normgebers umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Normgebers. Die gerichtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Normgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.

Vgl. in diesem Sinne zur Angemessenheit von Gesetzen: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 216 f.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber den ihm danach zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten und gegen das Übermaßverbot verstoßen haben könnte.

Die Zugangsbeschränkungen für den Einzelhandel greifen als Berufsausübungsregelung,

vgl. Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 22,

in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der davon betroffenen Betreiber ein. Ein Eingriff in das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) dürfte indes nicht vorliegen, weil die durch die Maßnahme eingeschränkten Umsatz- und Gewinnchancen von der Eigentumsgarantie nicht umfasst werden.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 -, juris, Rn. 240, und Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - , juris, Rn. 79, Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 19; zuvor noch offengelassen: OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 - 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 61.

Ferner greifen die Zugangsbeschränkungen in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) potentieller, nicht immunisierter Kunden ein.

Diese Eingriffe erweisen sich aber gemessen an dem damit bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) angesichts der gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die ein erneuter unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, voraussichtlich als gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich um Rechtsgüter von überragender Bedeutung, zu deren Schutz der Verordnungsgeber nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 -, juris, Rn. 231.

Der Verordnungsgeber vertritt in nicht zu beanstandender Weise die Auffassung, dass weiterhin Gefahren bestehen, deren Abwehr auch die angefochtene Vorschrift dienen kann. Das Infektionsgeschehen ist - trotz eines leichten Rückgangs der wöchentlichen Fallzahlen - immer noch sehr stark ausgeprägt. Die 7-Tage-Inzidenz beträgt bundesweit (Stand: 21. Dezember 2021) 306,4, in Nordrhein-Westfalen 232,1.

Vgl. Täglicher Lagebericht des Robert Koch-Instituts, Stand 21. Dezember 2021, S. 2, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2021/2021-12-21-de.pdf?__blob=publicationFile.

Der hohe Infektionsdruck in der Bevölkerung zieht unvermeidlich schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle nach sich und macht das Auftreten von Impfdurchbrüchen wahrscheinlicher. Die Situation auf den Intensivstationen bleibt weiterhin sehr angespannt. Aufgrund von regionalen Kapazitätsengpässen mussten bereits 102 Patienten über Bundeslandgrenzen hinaus verlegt werden. Das Robert Koch-Institut schätzt die Lage als sehr besorgniserregend ein. Nach seiner Einschätzung sinken die Infektionszahlen derzeit im Bundesgebiet im Hinblick auf die bereits bestehende hohe Belastung der Intensivstationen und die bevorstehende zusätzliche Belastung durch die zu erwartende Omikron-Welle nicht schnell genug.

Vgl. Wöchentlicher Lagebericht des Robert Koch-Instituts, Stand 16. Dezember 2021, S. 3 und 7, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-12-16.pdf?__blob=publicationFile.

Es lassen sich viele Infektionsketten nicht nachvollziehen, Ausbrüche treten in vielen verschiedenen Umfeldern auf. Das Robert Koch-Institut hat seine Risikoeinschätzung mit Blick auf die drohende Verbreitung der Omikron-Variante nochmals verschärft. Es schätzt nunmehr die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingestuft.

Vgl. Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 20. Dezember 2021, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html.

Demgegenüber hatten viele Betreiber von Einzelhandelsgeschäften während der Pandemie bereits in der Vergangenheit teils erhebliche wirtschaftliche Einbußen aufgrund phasenweiser Einschränkungen ihrer Umsatzmöglichkeiten zu verkraften. Zwar sind diese teilweise durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen aufgefangen worden.

Vgl. Informationen zur aktuell bestehenden Möglichkeit einer Bezuschussung zu betrieblichen Fixkosten mittels Überbrückungshilfe III Plus:

https://www.ueberbrueckungshilfeunternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/Artikel/ueberbrueckungshilfeiiiplus.html.

Viele Betriebe dürften aber nichtsdestotrotz - was auch die Antragstellerin für sich geltend macht - erhebliche Umsatzeinbußen erlitten haben. Aufgrund der aktuell besorgniserregenden Lage müssen ihre Interessen jedoch derzeit erneut hinter dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung zurücktreten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die nichtprivilegierten Einzelhändler wie die Antragstellerin ihre Waren in ihren Verkaufsstellen noch einer Vielzahl von Kunden anbieten können. Denn inzwischen sind in Nordrhein-Westfalen 73,5 % der Bevölkerung vollständig geimpft,

vgl. Impfdashboard.de, Impf-Fortschritt nach Bundesland, Stand 20. Dezember 2021,

und damit von den angegriffenen Zugangsbeschränkungen nicht erfasst. Gleiches gilt gemäß § 2 Abs. 8 CoronaSchVO für Genesene i. S. v. § 2 Nr. 4 SchAusnahmV. Neben dieser Gruppe dürfen Kinder- und Jugendliche bis zum Alter von einschließlich 15 Jahren sowie Personen, die über ein ärztliches Attest verfügen, demzufolge sie derzeit oder bis zu einem Zeitpunkt, der höchstens sechs Wochen zurückliegt, aus gesundheitlichen Gründen nicht gegen Covid-19 geimpft werden können, Verkaufsstellen des Einzelhandels betreten, wenn sie über einen negativen Testnachweis nach § 2 Abs. 8a Satz 1 verfügen oder nach § 2 Abs. 8a Satz 2 oder 3 als getestet gelten (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 2 Nr. 1 und 2 CoronaSchVO). Auch dürfte in Rechnung zu stellen sein, dass die streitgegenständliche Maßnahme nicht nur Kunden vom Betreten der Verkaufsstellen abhält, sondern gegebenenfalls zusätzliche Kunden, denen der Besuch bei unbeschränktem Zugang im Hinblick auf mögliche Infektionsrisiken zu unsicher wäre, wiedergewonnen werden. Soweit die Antragstellerin den ihr durch den Verordnungsgeber aufgebürdeten Kontrollaufwand moniert, dürfte auch dies nicht offensichtlich unzumutbar sein. Ferner war der Verordnungsgeber bemüht, durch die Eröffnung einer Möglichkeit der Vergabe eines Prüfnachweises (z. B. ein ohne Zerstörung nicht ablösbares Armband) durch die zuständigen Behörden auch unter Einbindung der örtlichen Gewerbetreibenden (vgl. § 4 Abs. 6a CoronaSchVO) eine praktikable Lösung zu finden, die den organisatorischen Kontrollaufwand für die Gewerbetreibenden soweit wie möglich reduziert.

Auch die Teilhaberechte nicht immunisierter Kunden müssen vorübergehend zurückstehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffsschwere dadurch abgemildert wird, dass der Verordnungsgeber viele Ladengeschäfte von den Zugangsbeschränkungen ausnimmt, sodass der tägliche Bedarf problemlos gedeckt werden kann. Wird ausnahmsweise ein Produkt aus einem nicht privilegierten Ladengeschäft benötigt, kann auch ein nicht immunisierter Kunde auf die Möglichkeit des Click and Collect (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, letzter Halbsatz CoronaSchVO) zurückgreifen. Ferner steht jedem Bürger die Möglichkeit offen, sich mittels eines zugelassenen Impfstoffs gegen COVID-19 immunisieren zu lassen und dadurch der angegriffenen Zugangsbeschränkung (absehbar) nicht mehr zu unterliegen. Zugelassene Impfstoffe stehen in ausreichender Menge zur Verfügung. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG liegt vor.

Vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 39/2021, STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung: Personen mit Immundefizienz, 30. September 2021, S. 3 ff., abrufbar unter:

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/39_21.pdf?__blob=publicationFile; vgl. bereits zur sog. 3G-Regelung: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 13 B 1393/21.NE -, juris, Rn. 153 ff.

Sollte eine Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein, hat der Verordnungsgeber in § 2 Abs. 8 Satz 2 Nr. 2 CoronaSchVO eine diesem Umstand Rechnung tragende Ausnahme vorgesehen.

5. Die angegriffene Zugangsbeschränkung verstößt voraussichtlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 -, juris, Rn. 40.

Er verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Diese bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 -, juris, Rn. 96 ff., m. w. N.

Soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann, spricht dies in der Regel dafür, gesetzliche Differenzierungen an einem engen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 -, juris, Rn. 96 ff., m. w. N.

Eine schwerwiegende Betroffenheit grundrechtlich geschützter Freiheiten liegt bei vielen Infektionsschutzmaßnahmen - auch bei der hier streitgegenständlichen - vor. Dennoch sprechen die besonderen Umstände bei der Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie dafür, den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers nicht zu sehr zu begrenzen. Der Verordnungsgeber befindet sich in einer komplexen Entscheidungssituation, in der eine Vielzahl von Belangen infektionsschutzrechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art zu berücksichtigen und abzuwägen ist und in der er zwangsläufig nur mit Prognosen dazu arbeiten kann, welchen Einfluss Infektionsschutzmaßnahmen oder die Lockerung solcher Maßnahmen auf die genannten Bereiche haben werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 - 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 96 f., m. w. N.

a. Nach diesem Maßstab dürfte die vom Verordnungsgeber in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 CoronaSchVO vorgenommene Privilegierung des Lebensmittelhandels einschließlich der Direktvermarktung sowie von Getränkemärkten, Reformhäusern, Babyfachmärkten, Apotheken, Sanitätshäusern, Drogerien, Optikern, Hörakustikern, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäften, Tierbedarfsmärkten, Futtermittelmärkten und Gartenmärkten sachlich noch vertretbar sein. Hiermit bezweckt er, ungeimpften Personen den Zugang zu Waren des täglichen Bedarfs und der allgemeinen Lebensführung nicht zu verwehren. Die Ausnahmen hat der Verordnungsgeber der Ausnahmeregelung in der sog. Bundesnotbremse (vgl. § 28b Abs. 1 Nr. 4 IfSG a. F.) entnommen, um allen Anbieterinnen und Anbietern den Rückgriff auf die damals gemachten Erfahrungen und Einstufungen zu ermöglichen und eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten.

Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung - CoronaSchVO) vom 3. Dezember 2021, S. 19, abrufbar unter:

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211213_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_ab_9._dez_2021.pdf

Der Bundesgesetzgeber begründete die Ausnahmen zur sog. Bundesnotbremse damit, dass eine verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Verbrauchsgütern des täglichen Bedarfs sichergestellt werden sollte.

Vgl. BT-Drs. 19/28444, S. 13.

Klarstellend verweist der Verordnungsgeber darauf, dass das entscheidende Abgrenzungskriterium nicht das konkret höhere Infektionsrisiko ist (das sich zwischen Handelsgeschäften kaum unterscheiden wird), sondern die Bedeutung der Einkaufsmöglichkeit für die betroffenen Personen und die Frage, ob eine Zugangsbeschränkung mit dem Ziel der deutlichen Kontaktreduzierung im Abgleich mit der Bedeutung der betroffenen Handelseinrichtung für die Grundversorgung der Bevölkerung vertretbar ist.

Vgl. MAGS, Begründung zur Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung - CoronaSchVO) vom 3. Dezember 2021, S. 19, abrufbar unter:

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211213_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_ab_9._dez_2021.pdf.

Dies dürfte einen sachlichen Grund für die Differenzierung darstellen. Dass der Verordnungsgeber die Abwägung offensichtlich fehlerhaft vorgenommen hat, ist nicht erkennbar. Im Hinblick auf den Umstand, dass nicht immunisierte Personen vom Zugang zum Einzelhandel mit Ausnahme der privilegierten Ladengeschäfte und der Möglichkeit des Click and Collect gänzlich ausgeschlossen sind, spricht viel dafür, den täglichen Bedarf grundsätzlich in der Weise weit zu fassen, dass hierunter auch Produkte fallen, die zwar nicht täglich, aber voraussichtlich in dem mutmaßlichen Zeitraum der Schließungen von vielen Menschen benötigt werden. Dies dürfte für die erfassten Bereiche gelten, weil diese sämtlich einen - jedenfalls für bestimmte Kundenkreise - regelmäßig wiederkehrenden Bedarf decken. Für Bücher dürfte dies schon gelten, weil sie für Bildung und Beruf auch kurzfristig benötigt werden können und überdies den Bedarf am Zugang zu kulturellen Gütern in den eigenen vier Wänden befriedigen. Bei Gartenmärkten gilt dies im Hinblick auf einen jeweils saisonal neu entstehenden Bedarf, für den - anders als z. B. bei Kleidung - nicht auf Anschaffungen aus dem Vorjahr zurückgegriffen werden kann. Blumenläden bieten mit Schnittblumen eines der traditionell meistverschenkten Produkte an, das zudem verderblich ist. Dass der Verordnungsgeber andere Bereiche nicht dem Grundbedarf zugeordnet hat, auf die die vorgenannten Umstände offensichtlich genauso zutreffen, und bei denen es nicht gerechtfertigt wäre, diesen zum Zwecke der Kontaktreduzierungen vorübergehend zurückzustellen, ist nicht ersichtlich.

Vgl. in diesem Sinne ebenfalls: Schl.-H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 41; a. A. allerdings bei einem geringfügig abweichenden Ausnahmenkatalog: Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - 13 MN 477/21 -, juris, Rn. 63.

Insbesondere dürften Verbraucher ihren Alltag ohne Neuanschaffungen von Produkten des typischen Warensortiments der Antragstellerin (Kleidung, Haushaltsbedarf) vorübergehend bestreiten können. Soweit die Zugangsbeschränkungen auch für Baumärkte gelten, dürfte es noch vertretbar sein, die Verbraucher hier als Ergebnis einer wertenden Abwägung auf die Einkaufsmöglichkeiten nach dem Click and Collect-Modell zu verweisen, insbesondere um der in der ersten Welle bereits beobachteten Sogwirkung von Baumärkten, wenn die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Übrigen erheblich eingeschränkt sind, entgegenzuwirken.

b. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich auch nicht in der in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 CoronaSchVO getroffenen Regelung, wonach privilegierte Einzelhändler ohne Zugangsbeschränkungen auch andere - nicht privilegierte - Waren verkaufen dürfen, wenn diese nicht den Schwerpunkt des Sortiments ausmachen. Der Antragsgegner konnte voraussichtlich ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass diese Differenzierung aus Praktikabilitäts- und Infektionsschutzgründen gerechtfertigt ist. So drängt sich jedenfalls nicht auf, dass die durch die Öffnung dieser Ladengeschäfte auch für nicht immunisierte Personen ohnehin geschaffenen Infektionsquellen zunehmen, wenn diese auch andere, nicht privilegierte Produkte verkaufen, sofern das Angebot aus diesem Warensortiment einen nur untergeordneten Umfang einnimmt. Eine Öffnung des gesamten Einzelhandels auch für nicht immunisierte Personen ließe hingegen das Entstehen weiterer Infektionsquellen befürchten.

Vgl. in diesem Sinne bereits OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 - 13 B 252/21.NE -, juris, Rn. 106 f., m. w. N., im Ergebnis ebenso: Schl.-.H. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2021 - 3 MR 31/21 -, juris, Rn. 42.

c. Auch, dass nicht immunisierte Personen anders als immunisierte Personen keinen Zugang zu bestimmten Einzelhandelsgeschäften haben, verstößt unter Anwendung des oben aufgezeigten Maßstabs voraussichtlich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung von immunisierten und nicht immunisierten Personen ist durch Sachgründe gerechtfertigt. Sie sind zum einen noch darin zu sehen, dass immunisierte Personen - wie dargestellt - bei der derzeit noch dominierenden Delta-Variante weniger zum Infektionsgeschehen beitragen.

Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 13 B 1393/21.NE -, juris, Rn. 168 ff., m. w. N.

Zum anderen trägt dies dem Umstand Rechnung, dass nicht immunisierte Personen, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren, deutlich gefährdeter sind, so schwer zu erkranken, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen und somit in weitgehenderem Maße dazu beitragen, dass dort eine Überlastungssituation droht. Dies gilt voraussichtlich auch - wie oben ausgeführt - mit zunehmender Verbreitung der Omikron-Variante, auch wenn sich mit ihr wahrscheinlich auch mehr doppelt geimpfte Personen infizieren werden.

II. Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach den vorstehenden Erwägungen noch nicht in Gänze beurteilt werden können und insoweit eine ergänzende Folgenabwägung vorzunehmen ist, geht diese zu Lasten der Antragstellerin aus. Ihre Interessen müssen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten.

Die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm fallen schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs für die Antragstellerin. Die angegriffene Zugangsbeschränkung für nicht immunisierte Personen ist ein wesentlicher Baustein der Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners, die im Falle einer teilweisen Außervollzugsetzung in ihrer Wirkung reduziert würde, mit der Folge der Gefahr zusätzlicher (unentdeckter) Ansteckungen mit dem Virus und der Erkrankungen oder sogar des Todes weiterer Menschen. Der vom Verordnungsgeber bezweckten Abwendung dieser Gefahren kommt höheres Gewicht zu als den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin. Zwar sind die bereits im Laufe der Pandemie erlittenen erheblichen Einnahmeverluste zu berücksichtigen. Eine absehbare Existenzgefährdung hat sie aber nicht geltend gemacht. Eine solche drängt sich schließlich im Hinblick auf den für einen weit überwiegenden Teil der Bevölkerung weiterhin möglichen unbeschränkten Zugang zu ihren Verkaufsstellen auch nicht auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Kommentar des Autors

Ähnlich wie das OVG Nordrhein-Westfallen entschied auch das VG Berlin (Az.: VG 14 L 632/21), das OVG Saarland (Az. 2 B 278/21 und 2 B 289/21) sowie das OVG Schleswig-Holstein (Az.: 3 MR 31/21).

Eine andere Ansicht vertritt das OVG Niedersachsen, das am 16.12.2021 die 2G-Regelung im niedersächsischen Einzelhandel außer Vollzug setzte (Az.: 13 MN 477/21).

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Niedersächsisches OVG

Beschluss vom 16.12.2021 

Az.: 13 MN 477/21

Tenor

§ 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen Zugangsbeschränkungen für Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels in der Niedersächsischen Corona-Verordnung (sog. 2-G-Regelung).

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 23. November 2021 die (11.) Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung, Nds. GVBl. S. 770), die nach Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 Nds. GVBl. S. 838) mit Wirkung vom 12. Dezember 2021 unter anderem folgende Vorschrift enthielt:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so müssen die Kundinnen, Kunden und dienstleistenden Personen in einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels eine medizinische Maske tragen. 2Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 3Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 4Satz 3 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 3 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen; im Übrigen bleiben die Regelungen nach § 4 anwendbar.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Nach weiteren Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S 865) mit Wirkung vom 14. Dezember 2021 lautet diese Vorschrift:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 2Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 3Satz 2 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 2 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so ist der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen gemäß § 4 eine medizinische Maske tragen.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Die Antragstellerin betreibt auch in Niedersachsen Einzelhandel im Filialbetrieb mit einem Mischsortiment. Am 13. Dezember 2021 hat sie bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie beanstandet, die handwerklich unzulängliche Regelung ordne keine notwendige Infektionsschutzmaßnahme an, sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar und verletze sie in ihren Grundrechten der Berufsausübungsfreiheit und der Eigentumsfreiheit. Das Infektionsrisiko sei auch nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts von vorneherein niedrig. Es könne durch andere mildere Infektionsschutzmaßnahmen und seit langem erfolgreich angewendete Hygienekonzepte auf den Bereich der Irrelevanz reduziert werden. Zutrittsverbote für nennenswerte Teile der Bevölkerung seien hingegen nicht notwendig. Die Ausnahmen von dem grundsätzlichen Zutrittsverbot für Ungeimpfte seien nicht von Sachgründen getragen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die in der angefochtenen Verordnungsregelung getroffene Infektionsschutzmaßnahme. Das Infektionsgeschehen im Land Niedersachsen habe sich zwar in den vergangenen Tagen stabilisiert, befinde sich aber unverändert auf einem hohen Niveau, und das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer Erkrankung an COVID-19 sei gerade für ungeimpfte Personen sehr hoch. Die neu aufgetretene Virusvariante Omikron stelle nach ersten Prognosen ein besonderes Risiko dar, etwa hinsichtlich einer leichteren Übertragbarkeit, einer Verstärkung der Krankheitsschwere und einer Abschwächung der Impfwirkung. Der von der neuen Bundesregierung eingesetzte Corona-Expertenrat werde bis Weihnachten eine Stellungnahme zu den Risiken der neu aufgetretenen Virusvariante Omikron abgeben. Schon jetzt sei aber die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender und anderer Schutzmaßnahmen erforderlich, da das öffentliche Gesundheitssystem durch das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen stark belastet sei und teilweise bereits Intensivpatienten hätten verlegt werden müssen. Das in § 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu bestimmten Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Personen sei notwendig. Der Beitrag des Infektionsgeschehens im Einzelhandel sei aufgrund der Anonymität der Kundenkontakte im Geschäft und auf dem Weg zu den Geschäften nicht genau quantifizierbar. Während der 2. Welle habe die Schließung essentieller Geschäfte aber die Reproduktionszahl um mehr als 10% senken können. Die Beschränkung des Zutrittsverbots auf ungeimpfte Personen sei angemessen, da diese gegenüber geimpften und genesenen Personen ein deutlich höheres Risiko einer Infektion und eines schweren Krankheitsverlaufs aufwiesen. Die Belastung für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels könne durch eine praktische Handhabung der Zugangskontrolle (sog. "Bändchenlösung") reduziert werden. Die Ausnahmen für Güter des täglichen Bedarfs und die Grundversorgung der Bevölkerung beruhten auf sachlichen Gründen, auch wenn sie angesichts ihrer Komplexität diskussionswürdig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige (1.) Antrag ist begründet (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

a. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

b. Der Senat legt den Antrag - unter Berücksichtigung des anhand der hierfür gegebenen Begründung ohne Weiteres erkennbaren tatsächlichen Begehrens der Antragstellerin - dahin aus, dass sie nur eine vorläufige Außervollzugsetzung der sie belastenden Regelungen in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung begehrt, sich aber nicht gegen die Regelungen in § 9a Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung wendet. Letztgenannte Regelungen enthalten nur klarstellende Wiederholungen (§ 9a Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), deren Außervollzugsetzung der Antragstellerin keinen Vorteil vermittelt, oder Ausnahmeregelungen (§ 9a Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), welche die Antragstellerin nicht belasten.

Für den so verstandenen Antrag verfügt die Antragstellerin über eine Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin als Inhaberin von Einzelhandelsbetrieben in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und in ihrem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht verletzt ist.

Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition liegt hingegen nicht vor (vgl. Senatsbeschl. v. 17.4.2020 - 13 MN 84/20 -, juris Rn. 23). Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die befristeten Betriebsschließungen und -beschränkungen fraglos betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).

c. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 23.2.2021 (Nds. MBl. S. 516)).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Erfolg. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag der Antragstellerin wäre voraussichtlich begründet (a.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (b.).

a. Ein von der Antragstellerin in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung rechtswidrig ist und für unwirksam zu erklären sein wird.

Dabei geht der Senat unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass die streitgegenständliche Infektionsschutzmaßnahme auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht (vgl. zuletzt Senatsurt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 66 ff.), durch Rechtsverordnung angeordnet werden durfte (vgl. zu Inhalt und Grenzen der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG: Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33), formell rechtmäßig ist (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 18 ff.; v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.) und in materieller Hinsicht mit Blick auf den Adressatenkreis nicht zu beanstanden ist. Das streitgegenständliche Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, dürfte auch seiner Art nach auf §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 oder Abs. 8 Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes - IfSG - in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906) geänderten Fassung gestützt werden können (vgl. die Feststellung nach § 28a Abs. 8 IfSG für das Land Niedersachsen durch Beschluss des Niedersächsischen Landtags v. 7.12.2021, LT-Drs. 18/10377).

(1) Das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, in der konkreten Ausgestaltung nach § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist derzeit aber keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020

- 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

(a) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber auch mit der mittlerweile 11. Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021 weiterhin die legitimen Ziele (vgl. zu früheren Niedersächsischen Corona-Verordnungen: Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden.

Diese Zielrichtungen wahren die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Dabei hat der Senat an anderer Stelle (Senatsbeschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 396/21 -, juris Rn. 17) bereits darauf hingewiesen, dass, nachdem ganz erheblichen Teilen der Bevölkerung mit einer Impfung und ergänzenden Basisschutzmaßnahmen effektive Möglichkeiten des Eigenschutzes auch tatsächlich zur Verfügung stehen, primäres Ziel staatlichen Handelns nicht mehr die schlichte Verhinderung jeder einzelnen Infektion, sondern die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen sein muss, auch wenn dieses Ziel denklogisch sekundär auch Maßnahmen erfordert, die einzelne Infektionen verhindern.

(b) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegeben.

Angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen im Zusammenhang von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen - vor allem in geschlossenen Räumen - geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (so bspw. Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 46; v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52; vgl. dahingehend auch Robert Koch-Institut (RKI), Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021, und Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Nr. 2 Übertragungswege, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=75E02A61EA32A48D3D2AE1AAA4E9D673.internet112?nn=13490888, Stand: 26.11.2021). Der Ausschluss Ungeimpfter bewirkt, dass diese sich jedenfalls in den Betrieben und Einrichtungen, zu denen nur noch Geimpfte und Genesene Zugang erhalten, nicht infizieren können (vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 37).

Die Antragstellerin weist aber nachvollziehbar darauf hin, dass die Eignung der Infektionsschutzmaßnahme durch die zahlreichen Ausnahmen des § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, in denen Ungeimpften der Zutritt zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels nicht verboten wird, von vorneherein deutlich reduziert wird. Dies betrifft zuvörderst den - fraglos zu Recht - unbeschränkten Zutritt zu Betrieben und Einrichtungen des Lebensmitteleinzelhandels, in dem der weit überwiegende Anteil täglicher Kundenkontakte im Einzelhandel stattfindet (vgl. Exner, Hygienisch-medizinische Stellungnahme zum Beitrag des Einzelhandels zur Prävention und Kontrolle der COVID-19-Pandemie, veröffentlicht unter https://einzelhandel.de/images/coronavirus/20210205_Exner_Gutachten_Einzelhandel.pdf, Stand: 14.12.2021, S. 2: "Im deutschen Einzelhandel finden 50 Millionen Kundenkontakte täglich statt – davon 40 Millionen im Lebensmitteleinzelhandel, …").

(c) Bei summarischer Prüfung ist indes zweifelhaft, ob das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden zur Zielerreichung erforderlich ist.

Der Senat hat bereits mehrfach beanstandet, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels fehlen. Der beispielsweise im Senatsbeschluss vom 15. März 2021 (- 13 MN 103/21 -, juris Rn. 40 ff.) beschriebene Sachstand erscheint insoweit unverändert. Jedenfalls sind dem Senat in diesem Verfahren vom Antragsgegner insoweit keine (neuen) Erkenntnisse präsentiert worden (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 15.12.2021, S. 9 ff. = Blatt 33 f. der Gerichtsakte). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erforschung von Infektionsumfeldern durch den Antragsgegner intensiviert worden wäre, um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Der vom RKI jeweils donnerstags veröffentlichten Tabelle mit gemeldeten COVID-19-Fällen, die von den Gesundheitsbehörden einem Ausbruch zugeordnet werden konnten, geordnet nach Infektionsumfeld (Setting) und Meldewoche (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Ausbruchs-daten.html; vgl. auch die Interpretation des RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile), sind keine auf das Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels zurückzuführenden Infektionsfälle zu entnehmen.

Auch die schlichte Übertragung von Erkenntnissen zum Geschehen in geschlossenen Räumen von Sport- und Freizeiteinrichtungen (vgl. hierzu die Senatsbeschl. v. 10.12.2021 - 13 MN 462/21 -, juris Rn. 28 ff. (Besucherverkehre in geschlossenen Räumen von Theatern, Kinos und ähnlichen Kultureinrichtungen sowie von Zoos, botanischen Gärten und Freizeitparks); v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 36 ff. (Sportausübung in geschlossenen Räumen); v. 8.12.2021 - 13 MN 464/21 -, juris Rn. 23 ff., v. 22.10.2021 - 13 MN 425/21 -, juris Rn. 10 ff. (Diskotheken)) drängt sich angesichts erheblicher Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels nicht auf. Letzteres erscheint jedenfalls regelmäßig durch eine kürzere Verweildauer der Kunden, eine geringere Kundendichte, eine geringere Anzahl unmittelbarer Personenkontakte (Face-to-Face), geringere körperliche Aktivitäten und eine bessere Durchsetzung von Hygienekonzepten (insbesondere die durchgehende Befolgung einer Maskenpflicht und die Trennung von Beschäftigten und Kunden durch Schutzvorrichtungen bei Bezahl- und auch Beratungsvorgängen) gekennzeichnet (vgl. dahingehend auch Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte).

Hinzu kommt, dass auch das RKI in der von ihm entworfenen ControlCOVID-Strategie für den Einzelhandel in den dort gebildeten Stufen 1 und 2 ausschließlich die Anwendung von Schutzkonzepten vorsieht und selbst in der dort höchsten Stufe 3 nicht den vollständigen Ausschluss ungeimpfter Kunden empfiehlt, sondern für diese einen negativen Testnachweis für ausreichend erachtet (sog. 3-G-Regelung; vgl. RKI, Aktualisierung der ControlCOVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22, Stand: 22.9.2021, dort insbesondere S. 9, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf?__blob=publicationFile).

Neben den danach bestehenden Zweifeln an der tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels drängen sich auch durchaus mildere Mittel auf, deren Eignung zur Pandemiebekämpfung und Erreichung der genannten legitimen Ziele nicht offensichtlich weniger effektiv als das hier zu beurteilende Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden erscheint.

Mit Blick auf die ungeimpften Kunden ist dies zum einen die vom RKI in dessen ControlCOVID-Strategie genannte Abhängigkeit des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels von einem negativen Testnachweis.

Zum anderen könnten die Kunden verpflichtet werden, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen. Eine das Infektionsrisiko drastisch reduzierende Wirkung der Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus ist bereits in den Stellungnahmen dokumentiert, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, juris Rn. 210; Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte: "…; auf der Seite der ansteckbaren Personen filtern FFP2-Masken selbst bei der Verwendung durch Laien ca. 80% des viralen Materials …; insgesamt führt dies zu einer Reduktion der Infektionen um einen Faktor 10 (50% der verbleibenden 20% = 10%) bei durchgehender FFP2-Maskenpflicht und vollständiger Befolgung."). Nach neueren Erkenntnissen dürften Atemschutzmasken dieses Schutzniveaus - eine in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels durchaus durchzusetzende richtige Verwendung der Maske vorausgesetzt - das Infektionsrisiko sogar derart absenken, dass es nahezu zu vernachlässigen ist. Nach einer umfassenden Studie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen (zusammengefasst unter www.ds.mpg.de/3822295/211202_upperbound_infections und veröffentlicht unter https://www.pnas.org/content/118/49/e2110117118, jeweils Stand: 15.12.2021) beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille, wenn sowohl die infizierte als auch die nichtinfizierte Person gutsitzende FFP2-Masken tragen. Dabei gibt diese in der Studie ermittelte Ansteckungswahrscheinlichkeit die obere Grenze des Risikos an. Die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit im Alltag wird als noch einmal geringer angegeben. Hinzu kommt, dass die in der Studie betrachtete Kontaktdauer von 20 Minuten im Einzelhandel regelmäßig nicht erreicht wird.

Für ungeimpfte Kunden wäre die Verpflichtung, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen, anstelle des hier zu beurteilenden absoluten Zutrittsverbots auch fraglos milder. Für geimpfte und genesene Kunden gilt dies nicht ohne Weiteres, denn die ihnen derzeit nach § 9a Abs. 2 Satz 4 und § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur auferlegte Pflicht, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, würde verschärft. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass mittlerweile auch für Geimpfte und Genesene in zahlreichen alltäglichen Situationen eine Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus besteht, bspw.

- im Personenverkehr ab Warnstufe 2 (§ 4 Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei Zusammenkünften von mehr als 15 geimpften oder genesenen Personen ab Warnstufe 2 (§§ 8 Abs. 6 Satz 1, 10 Abs. 5 Satz 4 und 11 Abs. 5 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei der Entgegennahme körpernaher Dienstleistungen ab Warnstufe 2 (§ 8a Abs. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

· beim Besuch von Beherbergungseinrichtungen oder Sportanlagen ab Warnstufe 2 (§ 8b Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Gastronomiebetrieben ab Warnstufe 2 (§ 9 Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Messen oder Weihnachtsmärkten ab Warnstufe 2 (§§ 11a Abs. 2 Satz 4, 11b Abs. 3 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und

- beim Besuch von Diskotheken ab Warnstufe 2 (§ 12 Abs. 4 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

so dass die Ausdehnung dieser Pflicht auf alle Kunden in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels, wie dies zunächst in § 9a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 für den Zeitraum vom 12. bis zum 13. Dezember 2021 auch vom Verordnungsgeber angeordnet worden war (vgl. hierzu einerseits die Ausführungen unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/vorschriften-der-landesregierung-185856.html, Stand: 13.12.2021: "redaktionelles Versehen", und andererseits in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung: "Satz 4 regelt eine strengere Maskenpflicht. Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen."), als allenfalls geringfügige Verschärfung angesehen werden könnte.

(d) Unter Berücksichtigung der danach reduzierten Eignung und der zwar nicht klar zu verneinenden, aber zweifelhaften Erforderlichkeit ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit unangemessen.

Nach der Warnstufensystematik der §§ 2 und 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, deren Rechtmäßigkeit als solche weiterer Klärung bedarf (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 17 ff.), gilt das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden bereits ab der Warnstufe 1. Diese ist gemäß § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gekennzeichnet durch eine lokale 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35, eine landesweite 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von mehr als 3 Hospitalisierungsfällen mit COVID-19-Erkrankung je 100.000 Einwohner (bei vorhandenen 502 vollstationären Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner in zugelassenen niedersächsischen Krankenhäusern, vgl. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Niedersächsischer Krankenhausplan 2021, S. 27 f., veröffentlicht unter: www.ms.niedersachsen.de/download/156598/Krankenhausplan_01.01.20_.pdf, Stand: 7.12.2021) und/oder einen landesweiten Anteil der Belegung von Intensivbetten mit an COVID-19 Erkrankten an der Intensivbetten-Kapazität von mehr als 5% (wobei im durchschnittlichen Regelbetrieb (Sic!) einer Intensivstation in niedersächsischen Krankenhäusern neben 50% Akutbehandlungen und 25% elektiver Nachsorge nach Operationen ein Anteil von 25% auf COVID-19-Behandlungen entfällt; vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 25), mithin ein mildes Infektionsgeschehen. Selbst das derzeit gegebene tatsächliche Infektionsgeschehen (vgl. die Angaben des Antragsgegners unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/niedersachsen-und-corona-aktuelle-leitindikatoren-203487.html, Stand: 16.12.2021) mit teilweise dem oberen Wertebereich der Warnstufe 1 (7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz: 6,0), dem unteren Wertebereich der Warnstufe 2 (Intensivbettenauslastung: 10,4%) und dem mittleren Wertebereich der Warnstufe 2 (7-Tage-Inzidenz: 179,2) erscheint "beherrschbar" (so ausdrücklich die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 11 der Online-Verkündung). Dabei ist auch der Stand der COVID-19-Schutzimpfungen in Niedersachsen zu berücksichtigen (vollständige Impfung: 71,5% der Bevölkerung; Auffrischungsimpfung: 26,7%; veröffentlicht unter https://impfdashboard.de/, Stand: 15.12.2021).

Zur Reduzierung eines solchen milden, jedenfalls aber "beherrschbaren" Infektionsgeschehens leistet das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur einen sehr geringen Beitrag. Nach einer Stellungnahme, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat, "leistet der Einzelhandel einen Beitrag von 0,1 zum R-Wert; bei durchgehend eingehaltener FFP2-Maskenpflicht reduziert sich dieser im Modell auf 0,01 und damit auf ein für das Infektionsgeschehen irrelevantes Niveau." (so ausdrücklich Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 7 f. = Blatt 21 f. der Gerichtsakte). Angesichts der dargestellten Wirksamkeit des Tragens einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus (II.2.a.(1)(c)) erscheint dies für den Senat plausibel. Nachvollziehbare widerstreitende Erkenntnisse hat der Antragsgegner dem Senat in diesem Verfahren nicht präsentiert.

Demgegenüber ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden. Es schließt auf der Nachfrageseite ungeimpfte Personen zwar nicht mehr von allen (Sic!) Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels aus, wie dies zunächst in § 9a Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 11. Dezember 2021 bestimmt gewesen ist, sondern beschränkt das Zutrittsverbot auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die nicht in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannt sind. Der hiermit verbundene Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der ungeimpften Kunden ist durchaus tiefgreifend. Ähnliches gilt auf der Angebotsseite der vom Zutrittsverbot betroffenen Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, denen nicht nur ein deutlich erhöhter Kontrollaufwand der Zutrittsberechtigung auferlegt wird, sondern vielmehr auch (erneut) nicht unerhebliche Umsatzeinbußen zugemutet werden. Auch der hiermit verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist von erheblichem Gewicht.

In dieser Relation - beherrschbares Infektionsgeschehen, geringe Wirkung der Infektionsschutzmaßnahme und erhebliche Grundrechtseingriffe - erweist sich das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit als unangemessen. Ohne die Anordnung einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels versucht oder auch nur ernsthaft in Betracht gezogen zu haben, ist nicht ersichtlich, dass das Verbot momentan zur Beherrschung des Infektionsgeschehens notwendig sein könnte.

Eine andere Bewertung gebietet - bei objektiver Betrachtung des dem Senat bekannten oder vom Antragsgegner präsentierten aktuellen Erkenntnisstands - auch die neue Variante des SARS-CoV-2-Virus mit der Bezeichnung Omikron (Pangolin Nomenklatur B.1.1.529) nicht. Das RKI fasst seine Erkenntnisse wie folgt zusammen:

-  Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Stand: 9.12.2021 (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=DF91AA96CCB374AD51060F346CB85264.internet071?nn=2444038): "Omikron (B.1.1.529): Über diese Variante wurde zuerst am 24.11.2021 vom südafrikanischen Gesundheitsministerium berichtet, sie wurde am 26.11.2021 von der WHO zur VOC erklärt. Phylogenetische Untersuchungen zeigen, dass Omikron unabhängig von der derzeit dominierenden Delta-Variante entstanden ist. Sie besitzt im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von ca. 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein, darunter solche mit bekanntem phänotypischem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion, Übertragbarkeit), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung unklar ist. Die Variante wurde bereits in verschiedenen Ländern weltweit nachgewiesen, darunter auch in Deutschland …"

- Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 8.12.2021 (veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=7315ADBC5E237102D48605B5F4932F3B.internet082?nn=2444038): "Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung schwerer Erkrankungen und Todesfälle ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen bei vollständiger Impfung sehr gut vor einer schweren Erkrankung, die Wirksamkeit gegen die Omikronvariante ist noch nicht endgültig zu beurteilen. … SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole spielt eine besondere Rolle – v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. … Die Schwere der durch die Variante Omikron verursachten Erkrankung lässt sich derzeit noch nicht abschätzen."

Hiernach bestehen fraglos ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür, dass die Omikron-Variante noch leichter übertragbar ist als die bisher im Bundesgebiet vorherrschende Delta-Variante. Offen ist, ob und wie die Omikron-Variante die Schutzwirkung der Impfung und die Krankheitsschwere, den nach § 28a Abs. 3 IfSG und auch nach § 2 Abs. 2 bis 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung maßgeblichen Indikator für die Notwendigkeit von Infektionsschutzmaßnahmen, beeinflusst. Es bestehen aber keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Wirkung der bisher angeordneten Basisschutzmaßnahmen, insbesondere einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus, signifikant herabgesetzt oder gar aufgehoben sein könnte (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021: "Übertragbarkeit. SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosolespielt eine besondere Rolle - v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. …"; und dahingehend auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte).

Auch der weitergehende Hinweis des Verordnungsgebers in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 (S. 14 f. der Online-Verkündung), in der Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8. Dezember 2021 hätten die Sachverständigen Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Prof. Dr. Michael Meyer-Hermann, Prof. Dr. Kai Nagel und Prof. Dr. Viola Priesemann einen "Notschutzschalter" gefordert, ist in diesem Zusammenhang nicht nachzuvollziehen. Diese Forderung bezieht sich zum einen auf bisher nicht belegte, rein rechnerische Annahmen zur Gefährlichkeit der Variante Omikron (so auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte). Unabhängig davon wird die Aktivierung des "Notschutzschalters" erst gefordert, wenn die Abschätzung der wöchentlichen Omikron-Inzidenz (Sic!) für die Folgewoche höher als 350 liegt (so ausdrücklich Karagiannidis/Meyer-Hermann/Nagel/Priesemann, Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8.12.2021, veröffentlicht unter www.bundestag.de/resource/blob/870924/402c53a9b5797274d925d937eeb466de/erste-Stellungnahme-von-Prof-Dr-Karagiannidis-Prof-Dr-Meyer-Hermann--data.pdf, Stand: 15.12.2021: "Die Omikron-Inzidenzen müssen separat ausgewiesen werden. Daraus kann die wöchentliche Steigerung der Omikron-Inzidenzen berechnet werden. Aus der wöchentlichen Omikron-Inzidenz sowie deren wöchentlicher Steigerung kann die Wocheninzidenz für die Folgewoche abgeschätzt werden. Spätestens wenn diese Abschätzung für die Folgewoche höher als 350 liegt, muss der Notschutzschalter (s.u.) aktiviert werden. Der genaue Grenzwert der Abschätzung könnte bei genauerer Kenntnis der Hospitalisierungsrate von Omikron angepasst werden."). Eine solche Situation, für deren Eintritt der Verordnungsgeber bereits in § 3a der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Regelung getroffen hat, besteht bisher in Niedersachsen auch nach der Darstellung des Antragsgegners nicht.

(2) Obwohl es danach für den Ausgang dieses Verfahrens nicht mehr entscheidungserheblich ist, weist der Senat darauf hin, dass das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch mit Blick auf die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl.BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020- OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

Nach diesem Maßstab dürfte zwar der abstrakte Ansatz des Verordnungsgebers, Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" von der 2-G-Regelung auszunehmen und zu diesen Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels auch Ungeimpften weiterhin den Zutritt zu gewähren (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht zu beanstanden sein. Dies gilt aber nicht für die konkrete Umsetzung dieses Ansatzes in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür, dass einerseits zwar Gartenmarktgüter (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) zu den "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" gezählt werden, andererseits aber Baumärkte, soweit sie nicht ausnahmsweise der Schwerpunktregel des § 9a Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unterfallen, uneingeschränkt der 2-G-Regelung unterworfen bleiben, ergeben sich nicht aus der Verordnungsbegründung (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners im Verfahren (vgl. den Schriftsatz des Antragsgegners v. 15.12.2021, S. 14 f. = Blatt 35R der Gerichtsakte) und sind für den Senat auch sonst nicht offensichtlich.

b. Gewichtige Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe.

Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, juris Rn. 36; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Schon hiernach wiegt das Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Außervollzugsetzung schwer. Hinzu kommt, dass Rechtsschutz in der Hauptsache ersichtlich nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und sich deshalb die Grundrechtsverletzung der Antragstellerin perpetuieren würde. Hinzu treten die offensichtlichen Auswirkungen für andere konkret betroffene Normadressaten und die Allgemeinheit. Dies sind zunächst die mit dem Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels verbundenen Nachteile für die unmittelbar betroffenen ungeimpften Kunden. Dies sind aber auch die erheblichen negativen Auswirkungen für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die sich einerseits in einem deutlich erhöhten Kontrollaufwand und andererseits in nicht unerheblichen Umsatzeinbußen zeigen (vgl. hierzu bspw. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/2G-im-Einzelhandel-Genervte-Kunden-und-Erklaerungsbedarf,einzelhandel432.html).

Den so beschriebenen und gewichteten Aussetzungsinteressen stehen keine derart schwerwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber, dass eine Außervollzugsetzung der voraussichtlich rechtswidrigen Verordnungsregelung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes unterbleiben müsste. Der Senat sieht unter Berücksichtigung der in den zurückliegenden Niedersächsischen Corona-Verordnungen getroffenen Infektionsschutzmaßnahmen und des aktuellen Infektionsgeschehens auch im Land Niedersachsen keine Anhaltspunkte dafür, dass das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden ein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pandemiebekämpfung des Antragsgegners ist. Dies ergibt sich auch nicht aus der maßgeblich politischen Festlegung in der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021. Dagegen spricht auch die dargestellte begrenzte Wirkung dieser Infektionsschutzmaßnahme. Schließlich ist der Antragsgegner durch die vorläufige vollständige (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht gehindert, eine neue, sich auf das Erforderliche und Angemessene beschränkende und aktuelle Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen berücksichtigende Maßnahme anzuordnen.

3. Die einstweilige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.

(2) Wird festgestellt, dass eine Person in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt, dessen verdächtig oder ansteckungsverdächtig ist, kann die zuständige Behörde Personen, die weder einen Impfschutz, der den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entspricht, noch eine Immunität gegen Masern durch ärztliches Zeugnis nachweisen können, die in § 34 Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Verbote erteilen, bis eine Weiterverbreitung der Krankheit in der Gemeinschaftseinrichtung nicht mehr zu befürchten ist.

(3) Für Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gilt § 16 Abs. 5 bis 8, für ihre Überwachung außerdem § 16 Abs. 2 entsprechend.

Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 28b und 29 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) und des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) können insoweit eingeschränkt werden.

(1) Der Deutsche Bundestag kann eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellen, wenn die Voraussetzungen nach Satz 6 vorliegen. Der Deutsche Bundestag hebt die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder auf, wenn die Voraussetzungen nach Satz 6 nicht mehr vorliegen. Die Feststellung nach Satz 1 gilt als nach Satz 2 aufgehoben, sofern der Deutsche Bundestag nicht spätestens drei Monate nach der Feststellung nach Satz 1 das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite feststellt; dies gilt entsprechend, sofern der Deutsche Bundestag nicht spätestens drei Monate nach der Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite das Fortbestehen erneut feststellt. Die Feststellung des Fortbestehens nach Satz 3 gilt als Feststellung im Sinne des Satzes 1. Die Feststellung und die Aufhebung sind im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen. Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil

1.
die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder
2.
eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.
Solange eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt ist, unterrichtet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag regelmäßig mündlich über die Entwicklung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit wird im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt,

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln einschließlich Impfstoffen und Betäubungsmitteln, mit Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln, Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung und Produkten zur Desinfektion sowie zur Sicherstellung der Versorgung mit Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien, die zur Herstellung und zum Transport der zuvor genannten Produkte erforderlich sind, zu treffen und
a)
Ausnahmen von den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes, des Apothekengesetzes, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des Transfusionsgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes sowie der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen, der medizinprodukterechtlichen Vorschriften und der die persönliche Schutzausrüstung betreffenden Vorschriften zum Arbeitsschutz, die die Herstellung, Kennzeichnung, Zulassung, klinische Prüfung, Anwendung, Verschreibung und Abgabe, Ein- und Ausfuhr, das Verbringen und die Haftung, sowie den Betrieb von Apotheken einschließlich Leitung und Personaleinsatz regeln, zuzulassen,
b)
die zuständigen Behörden zu ermächtigen, im Einzelfall Ausnahmen von den in Buchstabe a genannten Vorschriften zu gestatten, insbesondere Ausnahmen von den Vorschriften zur Herstellung, Kennzeichnung, Anwendung, Verschreibung und Abgabe, zur Ein- und Ausfuhr und zum Verbringen sowie zum Betrieb von Apotheken einschließlich Leitung und Personaleinsatz zuzulassen,
c)
Maßnahmen zum Bezug, zur Beschaffung, Bevorratung, Verteilung und Abgabe solcher Produkte durch den Bund zu treffen sowie Regelungen zu Melde- und Anzeigepflichten vorzusehen,
d)
Regelungen zur Sicherstellung und Verwendung der genannten Produkte sowie bei enteignender Wirkung Regelungen über eine angemessene Entschädigung hierfür vorzusehen,
e)
ein Verbot, diese Produkte zu verkaufen, sich anderweitig zur Überlassung zu verpflichten oder bereits eingegangene Verpflichtungen zur Überlassung zu erfüllen sowie Regelungen über eine angemessene Entschädigung hierfür vorzusehen,
f)
Regelungen zum Vertrieb, zur Abgabe, Preisbildung und -gestaltung, Erstattung, Vergütung sowie für den Fall beschränkter Verfügbarkeit von Arzneimitteln einschließlich Impfstoffen zur Priorisierung der Abgabe und Anwendung der Arzneimittel oder der Nutzung der Arzneimittel durch den Bund und die Länder zu Gunsten bestimmter Personengruppen vorzusehen,
g)
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung, Umstellung, Eröffnung oder Schließung von Produktionsstätten oder einzelnen Betriebsstätten von Unternehmen, die solche Produkte produzieren sowie Regelungen über eine angemessene Entschädigung hierfür vorzusehen;
5.
nach § 13 Absatz 1 des Patentgesetzes anzuordnen, dass eine Erfindung in Bezug auf eines der in Nummer 4 vor der Aufzählung genannten Produkte im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt oder im Interesse der Sicherheit des Bundes benutzt werden soll; das Bundesministerium für Gesundheit kann eine nachgeordnete Behörde beauftragen, diese Anordnung zu treffen;
6.
die notwendigen Anordnungen
a)
zur Durchführung der Maßnahmen nach Nummer 4 Buchstabe a und
b)
zur Durchführung der Maßnahmen nach Nummer 4 Buchstabe c bis g
zu treffen; das Bundesministerium für Gesundheit kann eine nachgeordnete Behörde beauftragen, diese Anordnung zu treffen;
7.
durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in ambulanten Praxen, Apotheken, Krankenhäusern, Laboren, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und in sonstigen Gesundheitseinrichtungen in Abweichung von bestehenden gesetzlichen Vorgaben vorzusehen und
a)
untergesetzliche Richtlinien, Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse der Selbstverwaltungspartner nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch und nach Gesetzen, auf die im Fünften Buch Sozialgesetzbuch Bezug genommen wird, anzupassen, zu ergänzen oder auszusetzen,
b)
abweichend von der Approbationsordnung für Ärzte die Regelstudienzeit, die Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Ärztlichen Prüfung und der Eignungs- und Kenntnisprüfung, der Famulatur und der praktischen Ausbildung festzulegen und alternative Lehrformate vorzusehen, um die Fortführung des Studiums zu gewährleisten,
c)
abweichend von der Approbationsordnung für Zahnärzte, sofern sie nach § 133 der Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen weiter anzuwenden ist, die Regelstudienzeit, die Anforderungen an die Durchführung der naturwissenschaftlichen Vorprüfung, der zahnärztlichen Vorprüfung und der zahnärztlichen Prüfung festzulegen und alternative Lehrformate vorzusehen, um die Fortführung des Studiums zu gewährleisten,
d)
abweichend von der Approbationsordnung für Apotheker die Regelstudienzeit, die Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Prüfungsabschnitte der pharmazeutischen Prüfung sowie die Anforderungen an die Durchführung der Famulatur und der praktischen Ausbildung festzulegen und alternative Lehrformate vorzusehen, um die Fortführung des Studiums zu gewährleisten,
e)
abweichend von der Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Regelstudienzeit festzulegen,
f)
abweichend von der Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen die Regelstudienzeit, die Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Zahnärztlichen Prüfung und der Eignungs- und Kenntnisprüfung, des Krankenpflegedienstes und der Famulatur festzulegen und alternative Lehrformate vorzusehen, um die Fortführung des Studiums und die Durchführung der Prüfungen zu gewährleisten;
g)
(weggefallen)
8.
durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in Abweichung von bestehenden gesetzlichen Vorgaben vorzusehen und
a)
bundesgesetzliche oder vertragliche Anforderungen an Pflegeeinrichtungen auszusetzen oder zu ändern,
b)
untergesetzliche Richtlinien, Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse der Selbstverwaltungspartner nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch und nach Gesetzen, auf die im Elften Buch Sozialgesetzbuch Bezug genommen wird, anzupassen, zu ergänzen oder auszusetzen,
c)
Aufgaben, die über die Durchführung von körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung bei Pflegebedürftigen hinaus regelmäßig von Pflegeeinrichtungen, Pflegekassen und Medizinischen Diensten zu erbringen sind, auszusetzen oder einzuschränken;
9.
Finanzhilfen gemäß Artikel 104b Absatz 1 des Grundgesetzes für Investitionen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zur technischen Modernisierung der Gesundheitsämter und zum Anschluss dieser an das elektronische Melde- und Informationssystem nach § 14 sowie zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung von Kernkapazitäten im Sinne der Anlage 1 Teil B der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (BGBl. 2007 II S. 930, 932), auf Flughäfen, in Häfen und bei Landübergängen, soweit dies in die Zuständigkeit der Länder fällt, zur Verfügung zu stellen; das Nähere wird durch Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern geregelt;
10.
durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates unbeschadet des jeweiligen Ausbildungsziels und der Patientensicherheit abweichende Regelungen von den Berufsgesetzen der Gesundheitsfachberufe und den auf deren Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen zu treffen, hinsichtlich
a)
der Dauer der Ausbildungen,
b)
des theoretischen und praktischen Unterrichts, einschließlich der Nutzung von digitalen Unterrichtsformen,
c)
der praktischen Ausbildung,
d)
der Besetzung der Prüfungsausschüsse,
e)
der staatlichen Prüfungen und
f)
der Durchführung der Eignungs- und Kenntnisprüfungen.
Die Ermächtigung nach Satz 1 Nummer 10 umfasst die folgenden Ausbildungen:
1.
zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger nach § 58 Absatz 2 des Pflegeberufegesetzes,
2.
zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger nach § 66 Absatz 2 des Pflegeberufegesetzes,
3.
zur Diätassistentin oder zum Diätassistenten nach dem Diätassistentengesetz,
4.
zur Ergotherapeutin oder zum Ergotherapeuten nach dem Ergotherapeutengesetz,
5.
zur Gesundheits- und Krankenpflegerin oder zum Gesundheits- und Krankenpfleger nach § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Pflegeberufegesetzes,
6.
zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger nach § 58 Absatz 1 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes,
7.
zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger nach § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Pflegeberufegesetzes,
8.
zur Hebamme oder zum Entbindungspfleger nach § 77 Absatz 1 und § 78 des Hebammengesetzes,
9.
zur Hebamme nach dem Hebammengesetz,
10.
zur Logopädin oder zum Logopäden nach dem Gesetz über den Beruf des Logopäden,
11.
zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin oder zum Masseur und medizinischen Bademeister nach dem Masseur- und Physiotherapeutengesetz,
12.
zur Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentin oder zum Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten nach dem MTA-Gesetz,
13.
zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin oder zum Medizinisch-technischen Radiologieassistenten nach dem MTA-Gesetz,
14.
zur Medizinisch-technischen Assistentin für Funktionsdiagnostik oder zum Medizinisch-technischen Assistenten für Funktionsdiagnostik nach dem MTA-Gesetz,
15.
zur Notfallsanitäterin oder zum Notfallsanitäter nach dem Notfallsanitätergesetz,
16.
zur Orthoptistin oder zum Orthoptisten nach dem Orthoptistengesetz,
17.
zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann nach dem Pflegeberufegesetz,
18.
zur pharmazeutisch-technischen Assistentin oder zum pharmazeutisch-technischen Assistenten nach dem Gesetz über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten,
19.
zur Physiotherapeutin oder zum Physiotherapeuten nach dem Masseur- und Physiotherapeutengesetz,
20.
zur Podologin oder zum Podologen nach dem Podologengesetz,
21.
zur Veterinärmedizinisch-technischen Assistentin oder zum Veterinärmedizinisch-technischen Assistenten nach dem MTA-Gesetz.

(3) Rechtsverordnungen nach Absatz 2, insbesondere nach Nummer 3, 4, 7 und 8, bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, soweit sie sich auf das Arbeitsrecht oder den Arbeitsschutz beziehen. Rechtsverordnungen nach Absatz 2 Nummer 4 und Anordnungen nach Absatz 2 Nummer 6 ergehen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Rechtsverordnungen nach Absatz 2 Nummer 10 werden im Benehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung erlassen und bedürfen, soweit sie sich auf die Pflegeberufe beziehen, des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bei Gefahr im Verzug kann auf das Einvernehmen nach Satz 1 verzichtet werden.

(4) Eine auf Grund des Absatzes 2 oder des § 5a Absatz 2 erlassene Rechtsverordnung tritt mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite außer Kraft. Abweichend von Satz 1

1.
bleibt eine Übergangsregelung in der Verordnung nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 Buchstabe b bis f bis zum Ablauf der Phase des Studiums in Kraft, für die sie gilt,
2.
tritt eine auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 7 Buchstabe g in der bis zum 16. September 2022 geltenden Fassung oder von Nummer 10 erlassene Rechtsverordnung spätestens ein Jahr nach Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite außer Kraft,
3.
tritt eine auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f und Nummer 7 Buchstabe a erlassene Rechtsverordnung spätestens mit Ablauf des 7. April 2023 außer Kraft und
4.
tritt eine auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe a bis e und g erlassene Rechtsverordnung spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.
Bis zu ihrem jeweiligen Außerkrafttreten kann eine auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f und Nummer 7 Buchstabe a oder eine auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 10 erlassene Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen geändert werden. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates ausschließlich zur Abwicklung einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f und Nummer 7 Buchstabe a erlassenen Rechtsverordnung zu bestimmen, dass Regelungen dieser Rechtsverordnung, die die Abrechnung und die Prüfung bereits erbrachter Leistungen, die Zahlung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds sowie die Erstattung dieser Zahlungen aus Bundesmitteln betreffen, bis zum 7. April 2024 fortgelten. Nach Absatz 2 Satz 1 getroffene Anordnungen gelten mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite als aufgehoben. Abweichend von Satz 5 gilt eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2023 als aufgehoben. Nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 getroffene Anordnungen können auch bis spätestens 31. Dezember 2023 geändert werden. Eine Anfechtungsklage gegen Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 hat keine aufschiebende Wirkung.

(5) Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird im Rahmen des Absatzes 2 insoweit eingeschränkt.

(6) Aufgrund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite kann das Bundesministerium für Gesundheit unter Heranziehung der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts Empfehlungen abgeben, um ein koordiniertes Vorgehen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen.

(7) Das Robert Koch-Institut koordiniert im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben im Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und zwischen den Ländern und dem Bund sowie weiteren beteiligten Behörden und Stellen und tauscht Informationen aus. Die Bundesregierung kann durch allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates Näheres bestimmen. Die zuständigen Landesbehörden informieren unverzüglich die Kontaktstelle nach § 4 Absatz 1 Satz 7, wenn im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Durchführung notwendiger Maßnahmen nach dem 5. Abschnitt nicht mehr gewährleistet ist.

(8) Aufgrund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite kann das Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Aufgaben des Bundes insbesondere das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe, den Malteser Hilfsdienst, den Arbeiter-Samariter-Bund und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft gegen Auslagenerstattung beauftragen, bei der Bewältigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite Hilfe zu leisten.

(9) Das Bundesministerium für Gesundheit beauftragt eine externe Evaluation zu den Auswirkungen der Regelungen in dieser Vorschrift und in den Vorschriften der §§ 5a, 20a, 20b, 28 bis 32, 36 und 56 im Rahmen der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie und zu der Frage einer Reformbedürftigkeit. Die Evaluation soll interdisziplinär erfolgen und insbesondere auf Basis epidemiologischer und medizinischer Erkenntnisse die Wirksamkeit der auf Grundlage der in Satz 1 genannten Vorschriften getroffenen Maßnahmen untersuchen. Die Evaluation soll durch unabhängige Sachverständige erfolgen, die jeweils zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Deutschen Bundestag benannt werden. Das Ergebnis der Evaluierung soll der Bundesregierung bis zum 30. Juni 2022 vorgelegt werden. Die Bundesregierung übersendet dem Deutschen Bundestag bis zum 30. September 2022 das Ergebnis der Evaluierung sowie eine Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Ergebnis.

Niedersächsisches OVG

Beschluss vom 16.12.2021 

Az.: 13 MN 477/21

Tenor

§ 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen Zugangsbeschränkungen für Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels in der Niedersächsischen Corona-Verordnung (sog. 2-G-Regelung).

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 23. November 2021 die (11.) Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung, Nds. GVBl. S. 770), die nach Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 Nds. GVBl. S. 838) mit Wirkung vom 12. Dezember 2021 unter anderem folgende Vorschrift enthielt:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so müssen die Kundinnen, Kunden und dienstleistenden Personen in einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels eine medizinische Maske tragen. 2Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 3Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 4Satz 3 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 3 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen; im Übrigen bleiben die Regelungen nach § 4 anwendbar.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Nach weiteren Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S 865) mit Wirkung vom 14. Dezember 2021 lautet diese Vorschrift:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 2Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 3Satz 2 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 2 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so ist der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen gemäß § 4 eine medizinische Maske tragen.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Die Antragstellerin betreibt auch in Niedersachsen Einzelhandel im Filialbetrieb mit einem Mischsortiment. Am 13. Dezember 2021 hat sie bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie beanstandet, die handwerklich unzulängliche Regelung ordne keine notwendige Infektionsschutzmaßnahme an, sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar und verletze sie in ihren Grundrechten der Berufsausübungsfreiheit und der Eigentumsfreiheit. Das Infektionsrisiko sei auch nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts von vorneherein niedrig. Es könne durch andere mildere Infektionsschutzmaßnahmen und seit langem erfolgreich angewendete Hygienekonzepte auf den Bereich der Irrelevanz reduziert werden. Zutrittsverbote für nennenswerte Teile der Bevölkerung seien hingegen nicht notwendig. Die Ausnahmen von dem grundsätzlichen Zutrittsverbot für Ungeimpfte seien nicht von Sachgründen getragen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die in der angefochtenen Verordnungsregelung getroffene Infektionsschutzmaßnahme. Das Infektionsgeschehen im Land Niedersachsen habe sich zwar in den vergangenen Tagen stabilisiert, befinde sich aber unverändert auf einem hohen Niveau, und das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer Erkrankung an COVID-19 sei gerade für ungeimpfte Personen sehr hoch. Die neu aufgetretene Virusvariante Omikron stelle nach ersten Prognosen ein besonderes Risiko dar, etwa hinsichtlich einer leichteren Übertragbarkeit, einer Verstärkung der Krankheitsschwere und einer Abschwächung der Impfwirkung. Der von der neuen Bundesregierung eingesetzte Corona-Expertenrat werde bis Weihnachten eine Stellungnahme zu den Risiken der neu aufgetretenen Virusvariante Omikron abgeben. Schon jetzt sei aber die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender und anderer Schutzmaßnahmen erforderlich, da das öffentliche Gesundheitssystem durch das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen stark belastet sei und teilweise bereits Intensivpatienten hätten verlegt werden müssen. Das in § 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu bestimmten Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Personen sei notwendig. Der Beitrag des Infektionsgeschehens im Einzelhandel sei aufgrund der Anonymität der Kundenkontakte im Geschäft und auf dem Weg zu den Geschäften nicht genau quantifizierbar. Während der 2. Welle habe die Schließung essentieller Geschäfte aber die Reproduktionszahl um mehr als 10% senken können. Die Beschränkung des Zutrittsverbots auf ungeimpfte Personen sei angemessen, da diese gegenüber geimpften und genesenen Personen ein deutlich höheres Risiko einer Infektion und eines schweren Krankheitsverlaufs aufwiesen. Die Belastung für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels könne durch eine praktische Handhabung der Zugangskontrolle (sog. "Bändchenlösung") reduziert werden. Die Ausnahmen für Güter des täglichen Bedarfs und die Grundversorgung der Bevölkerung beruhten auf sachlichen Gründen, auch wenn sie angesichts ihrer Komplexität diskussionswürdig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige (1.) Antrag ist begründet (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

a. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

b. Der Senat legt den Antrag - unter Berücksichtigung des anhand der hierfür gegebenen Begründung ohne Weiteres erkennbaren tatsächlichen Begehrens der Antragstellerin - dahin aus, dass sie nur eine vorläufige Außervollzugsetzung der sie belastenden Regelungen in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung begehrt, sich aber nicht gegen die Regelungen in § 9a Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung wendet. Letztgenannte Regelungen enthalten nur klarstellende Wiederholungen (§ 9a Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), deren Außervollzugsetzung der Antragstellerin keinen Vorteil vermittelt, oder Ausnahmeregelungen (§ 9a Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), welche die Antragstellerin nicht belasten.

Für den so verstandenen Antrag verfügt die Antragstellerin über eine Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin als Inhaberin von Einzelhandelsbetrieben in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und in ihrem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht verletzt ist.

Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition liegt hingegen nicht vor (vgl. Senatsbeschl. v. 17.4.2020 - 13 MN 84/20 -, juris Rn. 23). Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die befristeten Betriebsschließungen und -beschränkungen fraglos betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).

c. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 23.2.2021 (Nds. MBl. S. 516)).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Erfolg. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag der Antragstellerin wäre voraussichtlich begründet (a.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (b.).

a. Ein von der Antragstellerin in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung rechtswidrig ist und für unwirksam zu erklären sein wird.

Dabei geht der Senat unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass die streitgegenständliche Infektionsschutzmaßnahme auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht (vgl. zuletzt Senatsurt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 66 ff.), durch Rechtsverordnung angeordnet werden durfte (vgl. zu Inhalt und Grenzen der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG: Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33), formell rechtmäßig ist (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 18 ff.; v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.) und in materieller Hinsicht mit Blick auf den Adressatenkreis nicht zu beanstanden ist. Das streitgegenständliche Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, dürfte auch seiner Art nach auf §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 oder Abs. 8 Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes - IfSG - in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906) geänderten Fassung gestützt werden können (vgl. die Feststellung nach § 28a Abs. 8 IfSG für das Land Niedersachsen durch Beschluss des Niedersächsischen Landtags v. 7.12.2021, LT-Drs. 18/10377).

(1) Das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, in der konkreten Ausgestaltung nach § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist derzeit aber keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020

- 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

(a) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber auch mit der mittlerweile 11. Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021 weiterhin die legitimen Ziele (vgl. zu früheren Niedersächsischen Corona-Verordnungen: Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden.

Diese Zielrichtungen wahren die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Dabei hat der Senat an anderer Stelle (Senatsbeschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 396/21 -, juris Rn. 17) bereits darauf hingewiesen, dass, nachdem ganz erheblichen Teilen der Bevölkerung mit einer Impfung und ergänzenden Basisschutzmaßnahmen effektive Möglichkeiten des Eigenschutzes auch tatsächlich zur Verfügung stehen, primäres Ziel staatlichen Handelns nicht mehr die schlichte Verhinderung jeder einzelnen Infektion, sondern die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen sein muss, auch wenn dieses Ziel denklogisch sekundär auch Maßnahmen erfordert, die einzelne Infektionen verhindern.

(b) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegeben.

Angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen im Zusammenhang von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen - vor allem in geschlossenen Räumen - geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (so bspw. Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 46; v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52; vgl. dahingehend auch Robert Koch-Institut (RKI), Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021, und Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Nr. 2 Übertragungswege, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=75E02A61EA32A48D3D2AE1AAA4E9D673.internet112?nn=13490888, Stand: 26.11.2021). Der Ausschluss Ungeimpfter bewirkt, dass diese sich jedenfalls in den Betrieben und Einrichtungen, zu denen nur noch Geimpfte und Genesene Zugang erhalten, nicht infizieren können (vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 37).

Die Antragstellerin weist aber nachvollziehbar darauf hin, dass die Eignung der Infektionsschutzmaßnahme durch die zahlreichen Ausnahmen des § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, in denen Ungeimpften der Zutritt zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels nicht verboten wird, von vorneherein deutlich reduziert wird. Dies betrifft zuvörderst den - fraglos zu Recht - unbeschränkten Zutritt zu Betrieben und Einrichtungen des Lebensmitteleinzelhandels, in dem der weit überwiegende Anteil täglicher Kundenkontakte im Einzelhandel stattfindet (vgl. Exner, Hygienisch-medizinische Stellungnahme zum Beitrag des Einzelhandels zur Prävention und Kontrolle der COVID-19-Pandemie, veröffentlicht unter https://einzelhandel.de/images/coronavirus/20210205_Exner_Gutachten_Einzelhandel.pdf, Stand: 14.12.2021, S. 2: "Im deutschen Einzelhandel finden 50 Millionen Kundenkontakte täglich statt – davon 40 Millionen im Lebensmitteleinzelhandel, …").

(c) Bei summarischer Prüfung ist indes zweifelhaft, ob das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden zur Zielerreichung erforderlich ist.

Der Senat hat bereits mehrfach beanstandet, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels fehlen. Der beispielsweise im Senatsbeschluss vom 15. März 2021 (- 13 MN 103/21 -, juris Rn. 40 ff.) beschriebene Sachstand erscheint insoweit unverändert. Jedenfalls sind dem Senat in diesem Verfahren vom Antragsgegner insoweit keine (neuen) Erkenntnisse präsentiert worden (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 15.12.2021, S. 9 ff. = Blatt 33 f. der Gerichtsakte). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erforschung von Infektionsumfeldern durch den Antragsgegner intensiviert worden wäre, um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Der vom RKI jeweils donnerstags veröffentlichten Tabelle mit gemeldeten COVID-19-Fällen, die von den Gesundheitsbehörden einem Ausbruch zugeordnet werden konnten, geordnet nach Infektionsumfeld (Setting) und Meldewoche (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Ausbruchs-daten.html; vgl. auch die Interpretation des RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile), sind keine auf das Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels zurückzuführenden Infektionsfälle zu entnehmen.

Auch die schlichte Übertragung von Erkenntnissen zum Geschehen in geschlossenen Räumen von Sport- und Freizeiteinrichtungen (vgl. hierzu die Senatsbeschl. v. 10.12.2021 - 13 MN 462/21 -, juris Rn. 28 ff. (Besucherverkehre in geschlossenen Räumen von Theatern, Kinos und ähnlichen Kultureinrichtungen sowie von Zoos, botanischen Gärten und Freizeitparks); v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 36 ff. (Sportausübung in geschlossenen Räumen); v. 8.12.2021 - 13 MN 464/21 -, juris Rn. 23 ff., v. 22.10.2021 - 13 MN 425/21 -, juris Rn. 10 ff. (Diskotheken)) drängt sich angesichts erheblicher Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels nicht auf. Letzteres erscheint jedenfalls regelmäßig durch eine kürzere Verweildauer der Kunden, eine geringere Kundendichte, eine geringere Anzahl unmittelbarer Personenkontakte (Face-to-Face), geringere körperliche Aktivitäten und eine bessere Durchsetzung von Hygienekonzepten (insbesondere die durchgehende Befolgung einer Maskenpflicht und die Trennung von Beschäftigten und Kunden durch Schutzvorrichtungen bei Bezahl- und auch Beratungsvorgängen) gekennzeichnet (vgl. dahingehend auch Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte).

Hinzu kommt, dass auch das RKI in der von ihm entworfenen ControlCOVID-Strategie für den Einzelhandel in den dort gebildeten Stufen 1 und 2 ausschließlich die Anwendung von Schutzkonzepten vorsieht und selbst in der dort höchsten Stufe 3 nicht den vollständigen Ausschluss ungeimpfter Kunden empfiehlt, sondern für diese einen negativen Testnachweis für ausreichend erachtet (sog. 3-G-Regelung; vgl. RKI, Aktualisierung der ControlCOVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22, Stand: 22.9.2021, dort insbesondere S. 9, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf?__blob=publicationFile).

Neben den danach bestehenden Zweifeln an der tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels drängen sich auch durchaus mildere Mittel auf, deren Eignung zur Pandemiebekämpfung und Erreichung der genannten legitimen Ziele nicht offensichtlich weniger effektiv als das hier zu beurteilende Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden erscheint.

Mit Blick auf die ungeimpften Kunden ist dies zum einen die vom RKI in dessen ControlCOVID-Strategie genannte Abhängigkeit des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels von einem negativen Testnachweis.

Zum anderen könnten die Kunden verpflichtet werden, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen. Eine das Infektionsrisiko drastisch reduzierende Wirkung der Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus ist bereits in den Stellungnahmen dokumentiert, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, juris Rn. 210; Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte: "…; auf der Seite der ansteckbaren Personen filtern FFP2-Masken selbst bei der Verwendung durch Laien ca. 80% des viralen Materials …; insgesamt führt dies zu einer Reduktion der Infektionen um einen Faktor 10 (50% der verbleibenden 20% = 10%) bei durchgehender FFP2-Maskenpflicht und vollständiger Befolgung."). Nach neueren Erkenntnissen dürften Atemschutzmasken dieses Schutzniveaus - eine in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels durchaus durchzusetzende richtige Verwendung der Maske vorausgesetzt - das Infektionsrisiko sogar derart absenken, dass es nahezu zu vernachlässigen ist. Nach einer umfassenden Studie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen (zusammengefasst unter www.ds.mpg.de/3822295/211202_upperbound_infections und veröffentlicht unter https://www.pnas.org/content/118/49/e2110117118, jeweils Stand: 15.12.2021) beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille, wenn sowohl die infizierte als auch die nichtinfizierte Person gutsitzende FFP2-Masken tragen. Dabei gibt diese in der Studie ermittelte Ansteckungswahrscheinlichkeit die obere Grenze des Risikos an. Die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit im Alltag wird als noch einmal geringer angegeben. Hinzu kommt, dass die in der Studie betrachtete Kontaktdauer von 20 Minuten im Einzelhandel regelmäßig nicht erreicht wird.

Für ungeimpfte Kunden wäre die Verpflichtung, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen, anstelle des hier zu beurteilenden absoluten Zutrittsverbots auch fraglos milder. Für geimpfte und genesene Kunden gilt dies nicht ohne Weiteres, denn die ihnen derzeit nach § 9a Abs. 2 Satz 4 und § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur auferlegte Pflicht, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, würde verschärft. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass mittlerweile auch für Geimpfte und Genesene in zahlreichen alltäglichen Situationen eine Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus besteht, bspw.

- im Personenverkehr ab Warnstufe 2 (§ 4 Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei Zusammenkünften von mehr als 15 geimpften oder genesenen Personen ab Warnstufe 2 (§§ 8 Abs. 6 Satz 1, 10 Abs. 5 Satz 4 und 11 Abs. 5 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei der Entgegennahme körpernaher Dienstleistungen ab Warnstufe 2 (§ 8a Abs. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

· beim Besuch von Beherbergungseinrichtungen oder Sportanlagen ab Warnstufe 2 (§ 8b Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Gastronomiebetrieben ab Warnstufe 2 (§ 9 Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Messen oder Weihnachtsmärkten ab Warnstufe 2 (§§ 11a Abs. 2 Satz 4, 11b Abs. 3 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und

- beim Besuch von Diskotheken ab Warnstufe 2 (§ 12 Abs. 4 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

so dass die Ausdehnung dieser Pflicht auf alle Kunden in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels, wie dies zunächst in § 9a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 für den Zeitraum vom 12. bis zum 13. Dezember 2021 auch vom Verordnungsgeber angeordnet worden war (vgl. hierzu einerseits die Ausführungen unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/vorschriften-der-landesregierung-185856.html, Stand: 13.12.2021: "redaktionelles Versehen", und andererseits in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung: "Satz 4 regelt eine strengere Maskenpflicht. Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen."), als allenfalls geringfügige Verschärfung angesehen werden könnte.

(d) Unter Berücksichtigung der danach reduzierten Eignung und der zwar nicht klar zu verneinenden, aber zweifelhaften Erforderlichkeit ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit unangemessen.

Nach der Warnstufensystematik der §§ 2 und 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, deren Rechtmäßigkeit als solche weiterer Klärung bedarf (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 17 ff.), gilt das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden bereits ab der Warnstufe 1. Diese ist gemäß § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gekennzeichnet durch eine lokale 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35, eine landesweite 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von mehr als 3 Hospitalisierungsfällen mit COVID-19-Erkrankung je 100.000 Einwohner (bei vorhandenen 502 vollstationären Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner in zugelassenen niedersächsischen Krankenhäusern, vgl. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Niedersächsischer Krankenhausplan 2021, S. 27 f., veröffentlicht unter: www.ms.niedersachsen.de/download/156598/Krankenhausplan_01.01.20_.pdf, Stand: 7.12.2021) und/oder einen landesweiten Anteil der Belegung von Intensivbetten mit an COVID-19 Erkrankten an der Intensivbetten-Kapazität von mehr als 5% (wobei im durchschnittlichen Regelbetrieb (Sic!) einer Intensivstation in niedersächsischen Krankenhäusern neben 50% Akutbehandlungen und 25% elektiver Nachsorge nach Operationen ein Anteil von 25% auf COVID-19-Behandlungen entfällt; vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 25), mithin ein mildes Infektionsgeschehen. Selbst das derzeit gegebene tatsächliche Infektionsgeschehen (vgl. die Angaben des Antragsgegners unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/niedersachsen-und-corona-aktuelle-leitindikatoren-203487.html, Stand: 16.12.2021) mit teilweise dem oberen Wertebereich der Warnstufe 1 (7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz: 6,0), dem unteren Wertebereich der Warnstufe 2 (Intensivbettenauslastung: 10,4%) und dem mittleren Wertebereich der Warnstufe 2 (7-Tage-Inzidenz: 179,2) erscheint "beherrschbar" (so ausdrücklich die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 11 der Online-Verkündung). Dabei ist auch der Stand der COVID-19-Schutzimpfungen in Niedersachsen zu berücksichtigen (vollständige Impfung: 71,5% der Bevölkerung; Auffrischungsimpfung: 26,7%; veröffentlicht unter https://impfdashboard.de/, Stand: 15.12.2021).

Zur Reduzierung eines solchen milden, jedenfalls aber "beherrschbaren" Infektionsgeschehens leistet das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur einen sehr geringen Beitrag. Nach einer Stellungnahme, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat, "leistet der Einzelhandel einen Beitrag von 0,1 zum R-Wert; bei durchgehend eingehaltener FFP2-Maskenpflicht reduziert sich dieser im Modell auf 0,01 und damit auf ein für das Infektionsgeschehen irrelevantes Niveau." (so ausdrücklich Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 7 f. = Blatt 21 f. der Gerichtsakte). Angesichts der dargestellten Wirksamkeit des Tragens einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus (II.2.a.(1)(c)) erscheint dies für den Senat plausibel. Nachvollziehbare widerstreitende Erkenntnisse hat der Antragsgegner dem Senat in diesem Verfahren nicht präsentiert.

Demgegenüber ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden. Es schließt auf der Nachfrageseite ungeimpfte Personen zwar nicht mehr von allen (Sic!) Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels aus, wie dies zunächst in § 9a Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 11. Dezember 2021 bestimmt gewesen ist, sondern beschränkt das Zutrittsverbot auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die nicht in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannt sind. Der hiermit verbundene Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der ungeimpften Kunden ist durchaus tiefgreifend. Ähnliches gilt auf der Angebotsseite der vom Zutrittsverbot betroffenen Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, denen nicht nur ein deutlich erhöhter Kontrollaufwand der Zutrittsberechtigung auferlegt wird, sondern vielmehr auch (erneut) nicht unerhebliche Umsatzeinbußen zugemutet werden. Auch der hiermit verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist von erheblichem Gewicht.

In dieser Relation - beherrschbares Infektionsgeschehen, geringe Wirkung der Infektionsschutzmaßnahme und erhebliche Grundrechtseingriffe - erweist sich das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit als unangemessen. Ohne die Anordnung einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels versucht oder auch nur ernsthaft in Betracht gezogen zu haben, ist nicht ersichtlich, dass das Verbot momentan zur Beherrschung des Infektionsgeschehens notwendig sein könnte.

Eine andere Bewertung gebietet - bei objektiver Betrachtung des dem Senat bekannten oder vom Antragsgegner präsentierten aktuellen Erkenntnisstands - auch die neue Variante des SARS-CoV-2-Virus mit der Bezeichnung Omikron (Pangolin Nomenklatur B.1.1.529) nicht. Das RKI fasst seine Erkenntnisse wie folgt zusammen:

-  Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Stand: 9.12.2021 (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=DF91AA96CCB374AD51060F346CB85264.internet071?nn=2444038): "Omikron (B.1.1.529): Über diese Variante wurde zuerst am 24.11.2021 vom südafrikanischen Gesundheitsministerium berichtet, sie wurde am 26.11.2021 von der WHO zur VOC erklärt. Phylogenetische Untersuchungen zeigen, dass Omikron unabhängig von der derzeit dominierenden Delta-Variante entstanden ist. Sie besitzt im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von ca. 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein, darunter solche mit bekanntem phänotypischem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion, Übertragbarkeit), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung unklar ist. Die Variante wurde bereits in verschiedenen Ländern weltweit nachgewiesen, darunter auch in Deutschland …"

- Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 8.12.2021 (veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=7315ADBC5E237102D48605B5F4932F3B.internet082?nn=2444038): "Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung schwerer Erkrankungen und Todesfälle ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen bei vollständiger Impfung sehr gut vor einer schweren Erkrankung, die Wirksamkeit gegen die Omikronvariante ist noch nicht endgültig zu beurteilen. … SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole spielt eine besondere Rolle – v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. … Die Schwere der durch die Variante Omikron verursachten Erkrankung lässt sich derzeit noch nicht abschätzen."

Hiernach bestehen fraglos ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür, dass die Omikron-Variante noch leichter übertragbar ist als die bisher im Bundesgebiet vorherrschende Delta-Variante. Offen ist, ob und wie die Omikron-Variante die Schutzwirkung der Impfung und die Krankheitsschwere, den nach § 28a Abs. 3 IfSG und auch nach § 2 Abs. 2 bis 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung maßgeblichen Indikator für die Notwendigkeit von Infektionsschutzmaßnahmen, beeinflusst. Es bestehen aber keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Wirkung der bisher angeordneten Basisschutzmaßnahmen, insbesondere einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus, signifikant herabgesetzt oder gar aufgehoben sein könnte (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021: "Übertragbarkeit. SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosolespielt eine besondere Rolle - v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. …"; und dahingehend auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte).

Auch der weitergehende Hinweis des Verordnungsgebers in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 (S. 14 f. der Online-Verkündung), in der Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8. Dezember 2021 hätten die Sachverständigen Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Prof. Dr. Michael Meyer-Hermann, Prof. Dr. Kai Nagel und Prof. Dr. Viola Priesemann einen "Notschutzschalter" gefordert, ist in diesem Zusammenhang nicht nachzuvollziehen. Diese Forderung bezieht sich zum einen auf bisher nicht belegte, rein rechnerische Annahmen zur Gefährlichkeit der Variante Omikron (so auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte). Unabhängig davon wird die Aktivierung des "Notschutzschalters" erst gefordert, wenn die Abschätzung der wöchentlichen Omikron-Inzidenz (Sic!) für die Folgewoche höher als 350 liegt (so ausdrücklich Karagiannidis/Meyer-Hermann/Nagel/Priesemann, Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8.12.2021, veröffentlicht unter www.bundestag.de/resource/blob/870924/402c53a9b5797274d925d937eeb466de/erste-Stellungnahme-von-Prof-Dr-Karagiannidis-Prof-Dr-Meyer-Hermann--data.pdf, Stand: 15.12.2021: "Die Omikron-Inzidenzen müssen separat ausgewiesen werden. Daraus kann die wöchentliche Steigerung der Omikron-Inzidenzen berechnet werden. Aus der wöchentlichen Omikron-Inzidenz sowie deren wöchentlicher Steigerung kann die Wocheninzidenz für die Folgewoche abgeschätzt werden. Spätestens wenn diese Abschätzung für die Folgewoche höher als 350 liegt, muss der Notschutzschalter (s.u.) aktiviert werden. Der genaue Grenzwert der Abschätzung könnte bei genauerer Kenntnis der Hospitalisierungsrate von Omikron angepasst werden."). Eine solche Situation, für deren Eintritt der Verordnungsgeber bereits in § 3a der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Regelung getroffen hat, besteht bisher in Niedersachsen auch nach der Darstellung des Antragsgegners nicht.

(2) Obwohl es danach für den Ausgang dieses Verfahrens nicht mehr entscheidungserheblich ist, weist der Senat darauf hin, dass das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch mit Blick auf die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl.BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020- OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

Nach diesem Maßstab dürfte zwar der abstrakte Ansatz des Verordnungsgebers, Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" von der 2-G-Regelung auszunehmen und zu diesen Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels auch Ungeimpften weiterhin den Zutritt zu gewähren (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht zu beanstanden sein. Dies gilt aber nicht für die konkrete Umsetzung dieses Ansatzes in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür, dass einerseits zwar Gartenmarktgüter (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) zu den "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" gezählt werden, andererseits aber Baumärkte, soweit sie nicht ausnahmsweise der Schwerpunktregel des § 9a Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unterfallen, uneingeschränkt der 2-G-Regelung unterworfen bleiben, ergeben sich nicht aus der Verordnungsbegründung (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners im Verfahren (vgl. den Schriftsatz des Antragsgegners v. 15.12.2021, S. 14 f. = Blatt 35R der Gerichtsakte) und sind für den Senat auch sonst nicht offensichtlich.

b. Gewichtige Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe.

Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, juris Rn. 36; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Schon hiernach wiegt das Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Außervollzugsetzung schwer. Hinzu kommt, dass Rechtsschutz in der Hauptsache ersichtlich nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und sich deshalb die Grundrechtsverletzung der Antragstellerin perpetuieren würde. Hinzu treten die offensichtlichen Auswirkungen für andere konkret betroffene Normadressaten und die Allgemeinheit. Dies sind zunächst die mit dem Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels verbundenen Nachteile für die unmittelbar betroffenen ungeimpften Kunden. Dies sind aber auch die erheblichen negativen Auswirkungen für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die sich einerseits in einem deutlich erhöhten Kontrollaufwand und andererseits in nicht unerheblichen Umsatzeinbußen zeigen (vgl. hierzu bspw. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/2G-im-Einzelhandel-Genervte-Kunden-und-Erklaerungsbedarf,einzelhandel432.html).

Den so beschriebenen und gewichteten Aussetzungsinteressen stehen keine derart schwerwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber, dass eine Außervollzugsetzung der voraussichtlich rechtswidrigen Verordnungsregelung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes unterbleiben müsste. Der Senat sieht unter Berücksichtigung der in den zurückliegenden Niedersächsischen Corona-Verordnungen getroffenen Infektionsschutzmaßnahmen und des aktuellen Infektionsgeschehens auch im Land Niedersachsen keine Anhaltspunkte dafür, dass das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden ein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pandemiebekämpfung des Antragsgegners ist. Dies ergibt sich auch nicht aus der maßgeblich politischen Festlegung in der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021. Dagegen spricht auch die dargestellte begrenzte Wirkung dieser Infektionsschutzmaßnahme. Schließlich ist der Antragsgegner durch die vorläufige vollständige (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht gehindert, eine neue, sich auf das Erforderliche und Angemessene beschränkende und aktuelle Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen berücksichtigende Maßnahme anzuordnen.

3. Die einstweilige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Niedersächsisches OVG

Beschluss vom 16.12.2021 

Az.: 13 MN 477/21

Tenor

§ 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen Zugangsbeschränkungen für Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels in der Niedersächsischen Corona-Verordnung (sog. 2-G-Regelung).

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 23. November 2021 die (11.) Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung, Nds. GVBl. S. 770), die nach Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 Nds. GVBl. S. 838) mit Wirkung vom 12. Dezember 2021 unter anderem folgende Vorschrift enthielt:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so müssen die Kundinnen, Kunden und dienstleistenden Personen in einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels eine medizinische Maske tragen. 2Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 3Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 4Satz 3 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 3 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen; im Übrigen bleiben die Regelungen nach § 4 anwendbar.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Nach weiteren Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S 865) mit Wirkung vom 14. Dezember 2021 lautet diese Vorschrift:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 2Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 3Satz 2 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 2 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so ist der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen gemäß § 4 eine medizinische Maske tragen.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Die Antragstellerin betreibt auch in Niedersachsen Einzelhandel im Filialbetrieb mit einem Mischsortiment. Am 13. Dezember 2021 hat sie bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie beanstandet, die handwerklich unzulängliche Regelung ordne keine notwendige Infektionsschutzmaßnahme an, sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar und verletze sie in ihren Grundrechten der Berufsausübungsfreiheit und der Eigentumsfreiheit. Das Infektionsrisiko sei auch nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts von vorneherein niedrig. Es könne durch andere mildere Infektionsschutzmaßnahmen und seit langem erfolgreich angewendete Hygienekonzepte auf den Bereich der Irrelevanz reduziert werden. Zutrittsverbote für nennenswerte Teile der Bevölkerung seien hingegen nicht notwendig. Die Ausnahmen von dem grundsätzlichen Zutrittsverbot für Ungeimpfte seien nicht von Sachgründen getragen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die in der angefochtenen Verordnungsregelung getroffene Infektionsschutzmaßnahme. Das Infektionsgeschehen im Land Niedersachsen habe sich zwar in den vergangenen Tagen stabilisiert, befinde sich aber unverändert auf einem hohen Niveau, und das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer Erkrankung an COVID-19 sei gerade für ungeimpfte Personen sehr hoch. Die neu aufgetretene Virusvariante Omikron stelle nach ersten Prognosen ein besonderes Risiko dar, etwa hinsichtlich einer leichteren Übertragbarkeit, einer Verstärkung der Krankheitsschwere und einer Abschwächung der Impfwirkung. Der von der neuen Bundesregierung eingesetzte Corona-Expertenrat werde bis Weihnachten eine Stellungnahme zu den Risiken der neu aufgetretenen Virusvariante Omikron abgeben. Schon jetzt sei aber die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender und anderer Schutzmaßnahmen erforderlich, da das öffentliche Gesundheitssystem durch das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen stark belastet sei und teilweise bereits Intensivpatienten hätten verlegt werden müssen. Das in § 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu bestimmten Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Personen sei notwendig. Der Beitrag des Infektionsgeschehens im Einzelhandel sei aufgrund der Anonymität der Kundenkontakte im Geschäft und auf dem Weg zu den Geschäften nicht genau quantifizierbar. Während der 2. Welle habe die Schließung essentieller Geschäfte aber die Reproduktionszahl um mehr als 10% senken können. Die Beschränkung des Zutrittsverbots auf ungeimpfte Personen sei angemessen, da diese gegenüber geimpften und genesenen Personen ein deutlich höheres Risiko einer Infektion und eines schweren Krankheitsverlaufs aufwiesen. Die Belastung für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels könne durch eine praktische Handhabung der Zugangskontrolle (sog. "Bändchenlösung") reduziert werden. Die Ausnahmen für Güter des täglichen Bedarfs und die Grundversorgung der Bevölkerung beruhten auf sachlichen Gründen, auch wenn sie angesichts ihrer Komplexität diskussionswürdig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige (1.) Antrag ist begründet (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

a. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

b. Der Senat legt den Antrag - unter Berücksichtigung des anhand der hierfür gegebenen Begründung ohne Weiteres erkennbaren tatsächlichen Begehrens der Antragstellerin - dahin aus, dass sie nur eine vorläufige Außervollzugsetzung der sie belastenden Regelungen in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung begehrt, sich aber nicht gegen die Regelungen in § 9a Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung wendet. Letztgenannte Regelungen enthalten nur klarstellende Wiederholungen (§ 9a Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), deren Außervollzugsetzung der Antragstellerin keinen Vorteil vermittelt, oder Ausnahmeregelungen (§ 9a Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), welche die Antragstellerin nicht belasten.

Für den so verstandenen Antrag verfügt die Antragstellerin über eine Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin als Inhaberin von Einzelhandelsbetrieben in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und in ihrem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht verletzt ist.

Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition liegt hingegen nicht vor (vgl. Senatsbeschl. v. 17.4.2020 - 13 MN 84/20 -, juris Rn. 23). Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die befristeten Betriebsschließungen und -beschränkungen fraglos betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).

c. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 23.2.2021 (Nds. MBl. S. 516)).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Erfolg. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag der Antragstellerin wäre voraussichtlich begründet (a.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (b.).

a. Ein von der Antragstellerin in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung rechtswidrig ist und für unwirksam zu erklären sein wird.

Dabei geht der Senat unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass die streitgegenständliche Infektionsschutzmaßnahme auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht (vgl. zuletzt Senatsurt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 66 ff.), durch Rechtsverordnung angeordnet werden durfte (vgl. zu Inhalt und Grenzen der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG: Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33), formell rechtmäßig ist (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 18 ff.; v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.) und in materieller Hinsicht mit Blick auf den Adressatenkreis nicht zu beanstanden ist. Das streitgegenständliche Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, dürfte auch seiner Art nach auf §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 oder Abs. 8 Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes - IfSG - in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906) geänderten Fassung gestützt werden können (vgl. die Feststellung nach § 28a Abs. 8 IfSG für das Land Niedersachsen durch Beschluss des Niedersächsischen Landtags v. 7.12.2021, LT-Drs. 18/10377).

(1) Das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, in der konkreten Ausgestaltung nach § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist derzeit aber keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020

- 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

(a) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber auch mit der mittlerweile 11. Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021 weiterhin die legitimen Ziele (vgl. zu früheren Niedersächsischen Corona-Verordnungen: Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden.

Diese Zielrichtungen wahren die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Dabei hat der Senat an anderer Stelle (Senatsbeschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 396/21 -, juris Rn. 17) bereits darauf hingewiesen, dass, nachdem ganz erheblichen Teilen der Bevölkerung mit einer Impfung und ergänzenden Basisschutzmaßnahmen effektive Möglichkeiten des Eigenschutzes auch tatsächlich zur Verfügung stehen, primäres Ziel staatlichen Handelns nicht mehr die schlichte Verhinderung jeder einzelnen Infektion, sondern die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen sein muss, auch wenn dieses Ziel denklogisch sekundär auch Maßnahmen erfordert, die einzelne Infektionen verhindern.

(b) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegeben.

Angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen im Zusammenhang von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen - vor allem in geschlossenen Räumen - geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (so bspw. Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 46; v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52; vgl. dahingehend auch Robert Koch-Institut (RKI), Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021, und Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Nr. 2 Übertragungswege, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=75E02A61EA32A48D3D2AE1AAA4E9D673.internet112?nn=13490888, Stand: 26.11.2021). Der Ausschluss Ungeimpfter bewirkt, dass diese sich jedenfalls in den Betrieben und Einrichtungen, zu denen nur noch Geimpfte und Genesene Zugang erhalten, nicht infizieren können (vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 37).

Die Antragstellerin weist aber nachvollziehbar darauf hin, dass die Eignung der Infektionsschutzmaßnahme durch die zahlreichen Ausnahmen des § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, in denen Ungeimpften der Zutritt zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels nicht verboten wird, von vorneherein deutlich reduziert wird. Dies betrifft zuvörderst den - fraglos zu Recht - unbeschränkten Zutritt zu Betrieben und Einrichtungen des Lebensmitteleinzelhandels, in dem der weit überwiegende Anteil täglicher Kundenkontakte im Einzelhandel stattfindet (vgl. Exner, Hygienisch-medizinische Stellungnahme zum Beitrag des Einzelhandels zur Prävention und Kontrolle der COVID-19-Pandemie, veröffentlicht unter https://einzelhandel.de/images/coronavirus/20210205_Exner_Gutachten_Einzelhandel.pdf, Stand: 14.12.2021, S. 2: "Im deutschen Einzelhandel finden 50 Millionen Kundenkontakte täglich statt – davon 40 Millionen im Lebensmitteleinzelhandel, …").

(c) Bei summarischer Prüfung ist indes zweifelhaft, ob das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden zur Zielerreichung erforderlich ist.

Der Senat hat bereits mehrfach beanstandet, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels fehlen. Der beispielsweise im Senatsbeschluss vom 15. März 2021 (- 13 MN 103/21 -, juris Rn. 40 ff.) beschriebene Sachstand erscheint insoweit unverändert. Jedenfalls sind dem Senat in diesem Verfahren vom Antragsgegner insoweit keine (neuen) Erkenntnisse präsentiert worden (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 15.12.2021, S. 9 ff. = Blatt 33 f. der Gerichtsakte). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erforschung von Infektionsumfeldern durch den Antragsgegner intensiviert worden wäre, um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Der vom RKI jeweils donnerstags veröffentlichten Tabelle mit gemeldeten COVID-19-Fällen, die von den Gesundheitsbehörden einem Ausbruch zugeordnet werden konnten, geordnet nach Infektionsumfeld (Setting) und Meldewoche (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Ausbruchs-daten.html; vgl. auch die Interpretation des RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile), sind keine auf das Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels zurückzuführenden Infektionsfälle zu entnehmen.

Auch die schlichte Übertragung von Erkenntnissen zum Geschehen in geschlossenen Räumen von Sport- und Freizeiteinrichtungen (vgl. hierzu die Senatsbeschl. v. 10.12.2021 - 13 MN 462/21 -, juris Rn. 28 ff. (Besucherverkehre in geschlossenen Räumen von Theatern, Kinos und ähnlichen Kultureinrichtungen sowie von Zoos, botanischen Gärten und Freizeitparks); v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 36 ff. (Sportausübung in geschlossenen Räumen); v. 8.12.2021 - 13 MN 464/21 -, juris Rn. 23 ff., v. 22.10.2021 - 13 MN 425/21 -, juris Rn. 10 ff. (Diskotheken)) drängt sich angesichts erheblicher Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels nicht auf. Letzteres erscheint jedenfalls regelmäßig durch eine kürzere Verweildauer der Kunden, eine geringere Kundendichte, eine geringere Anzahl unmittelbarer Personenkontakte (Face-to-Face), geringere körperliche Aktivitäten und eine bessere Durchsetzung von Hygienekonzepten (insbesondere die durchgehende Befolgung einer Maskenpflicht und die Trennung von Beschäftigten und Kunden durch Schutzvorrichtungen bei Bezahl- und auch Beratungsvorgängen) gekennzeichnet (vgl. dahingehend auch Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte).

Hinzu kommt, dass auch das RKI in der von ihm entworfenen ControlCOVID-Strategie für den Einzelhandel in den dort gebildeten Stufen 1 und 2 ausschließlich die Anwendung von Schutzkonzepten vorsieht und selbst in der dort höchsten Stufe 3 nicht den vollständigen Ausschluss ungeimpfter Kunden empfiehlt, sondern für diese einen negativen Testnachweis für ausreichend erachtet (sog. 3-G-Regelung; vgl. RKI, Aktualisierung der ControlCOVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22, Stand: 22.9.2021, dort insbesondere S. 9, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf?__blob=publicationFile).

Neben den danach bestehenden Zweifeln an der tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels drängen sich auch durchaus mildere Mittel auf, deren Eignung zur Pandemiebekämpfung und Erreichung der genannten legitimen Ziele nicht offensichtlich weniger effektiv als das hier zu beurteilende Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden erscheint.

Mit Blick auf die ungeimpften Kunden ist dies zum einen die vom RKI in dessen ControlCOVID-Strategie genannte Abhängigkeit des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels von einem negativen Testnachweis.

Zum anderen könnten die Kunden verpflichtet werden, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen. Eine das Infektionsrisiko drastisch reduzierende Wirkung der Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus ist bereits in den Stellungnahmen dokumentiert, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, juris Rn. 210; Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte: "…; auf der Seite der ansteckbaren Personen filtern FFP2-Masken selbst bei der Verwendung durch Laien ca. 80% des viralen Materials …; insgesamt führt dies zu einer Reduktion der Infektionen um einen Faktor 10 (50% der verbleibenden 20% = 10%) bei durchgehender FFP2-Maskenpflicht und vollständiger Befolgung."). Nach neueren Erkenntnissen dürften Atemschutzmasken dieses Schutzniveaus - eine in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels durchaus durchzusetzende richtige Verwendung der Maske vorausgesetzt - das Infektionsrisiko sogar derart absenken, dass es nahezu zu vernachlässigen ist. Nach einer umfassenden Studie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen (zusammengefasst unter www.ds.mpg.de/3822295/211202_upperbound_infections und veröffentlicht unter https://www.pnas.org/content/118/49/e2110117118, jeweils Stand: 15.12.2021) beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille, wenn sowohl die infizierte als auch die nichtinfizierte Person gutsitzende FFP2-Masken tragen. Dabei gibt diese in der Studie ermittelte Ansteckungswahrscheinlichkeit die obere Grenze des Risikos an. Die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit im Alltag wird als noch einmal geringer angegeben. Hinzu kommt, dass die in der Studie betrachtete Kontaktdauer von 20 Minuten im Einzelhandel regelmäßig nicht erreicht wird.

Für ungeimpfte Kunden wäre die Verpflichtung, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen, anstelle des hier zu beurteilenden absoluten Zutrittsverbots auch fraglos milder. Für geimpfte und genesene Kunden gilt dies nicht ohne Weiteres, denn die ihnen derzeit nach § 9a Abs. 2 Satz 4 und § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur auferlegte Pflicht, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, würde verschärft. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass mittlerweile auch für Geimpfte und Genesene in zahlreichen alltäglichen Situationen eine Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus besteht, bspw.

- im Personenverkehr ab Warnstufe 2 (§ 4 Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei Zusammenkünften von mehr als 15 geimpften oder genesenen Personen ab Warnstufe 2 (§§ 8 Abs. 6 Satz 1, 10 Abs. 5 Satz 4 und 11 Abs. 5 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei der Entgegennahme körpernaher Dienstleistungen ab Warnstufe 2 (§ 8a Abs. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

· beim Besuch von Beherbergungseinrichtungen oder Sportanlagen ab Warnstufe 2 (§ 8b Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Gastronomiebetrieben ab Warnstufe 2 (§ 9 Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Messen oder Weihnachtsmärkten ab Warnstufe 2 (§§ 11a Abs. 2 Satz 4, 11b Abs. 3 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und

- beim Besuch von Diskotheken ab Warnstufe 2 (§ 12 Abs. 4 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

so dass die Ausdehnung dieser Pflicht auf alle Kunden in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels, wie dies zunächst in § 9a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 für den Zeitraum vom 12. bis zum 13. Dezember 2021 auch vom Verordnungsgeber angeordnet worden war (vgl. hierzu einerseits die Ausführungen unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/vorschriften-der-landesregierung-185856.html, Stand: 13.12.2021: "redaktionelles Versehen", und andererseits in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung: "Satz 4 regelt eine strengere Maskenpflicht. Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen."), als allenfalls geringfügige Verschärfung angesehen werden könnte.

(d) Unter Berücksichtigung der danach reduzierten Eignung und der zwar nicht klar zu verneinenden, aber zweifelhaften Erforderlichkeit ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit unangemessen.

Nach der Warnstufensystematik der §§ 2 und 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, deren Rechtmäßigkeit als solche weiterer Klärung bedarf (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 17 ff.), gilt das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden bereits ab der Warnstufe 1. Diese ist gemäß § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gekennzeichnet durch eine lokale 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35, eine landesweite 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von mehr als 3 Hospitalisierungsfällen mit COVID-19-Erkrankung je 100.000 Einwohner (bei vorhandenen 502 vollstationären Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner in zugelassenen niedersächsischen Krankenhäusern, vgl. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Niedersächsischer Krankenhausplan 2021, S. 27 f., veröffentlicht unter: www.ms.niedersachsen.de/download/156598/Krankenhausplan_01.01.20_.pdf, Stand: 7.12.2021) und/oder einen landesweiten Anteil der Belegung von Intensivbetten mit an COVID-19 Erkrankten an der Intensivbetten-Kapazität von mehr als 5% (wobei im durchschnittlichen Regelbetrieb (Sic!) einer Intensivstation in niedersächsischen Krankenhäusern neben 50% Akutbehandlungen und 25% elektiver Nachsorge nach Operationen ein Anteil von 25% auf COVID-19-Behandlungen entfällt; vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 25), mithin ein mildes Infektionsgeschehen. Selbst das derzeit gegebene tatsächliche Infektionsgeschehen (vgl. die Angaben des Antragsgegners unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/niedersachsen-und-corona-aktuelle-leitindikatoren-203487.html, Stand: 16.12.2021) mit teilweise dem oberen Wertebereich der Warnstufe 1 (7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz: 6,0), dem unteren Wertebereich der Warnstufe 2 (Intensivbettenauslastung: 10,4%) und dem mittleren Wertebereich der Warnstufe 2 (7-Tage-Inzidenz: 179,2) erscheint "beherrschbar" (so ausdrücklich die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 11 der Online-Verkündung). Dabei ist auch der Stand der COVID-19-Schutzimpfungen in Niedersachsen zu berücksichtigen (vollständige Impfung: 71,5% der Bevölkerung; Auffrischungsimpfung: 26,7%; veröffentlicht unter https://impfdashboard.de/, Stand: 15.12.2021).

Zur Reduzierung eines solchen milden, jedenfalls aber "beherrschbaren" Infektionsgeschehens leistet das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur einen sehr geringen Beitrag. Nach einer Stellungnahme, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat, "leistet der Einzelhandel einen Beitrag von 0,1 zum R-Wert; bei durchgehend eingehaltener FFP2-Maskenpflicht reduziert sich dieser im Modell auf 0,01 und damit auf ein für das Infektionsgeschehen irrelevantes Niveau." (so ausdrücklich Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 7 f. = Blatt 21 f. der Gerichtsakte). Angesichts der dargestellten Wirksamkeit des Tragens einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus (II.2.a.(1)(c)) erscheint dies für den Senat plausibel. Nachvollziehbare widerstreitende Erkenntnisse hat der Antragsgegner dem Senat in diesem Verfahren nicht präsentiert.

Demgegenüber ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden. Es schließt auf der Nachfrageseite ungeimpfte Personen zwar nicht mehr von allen (Sic!) Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels aus, wie dies zunächst in § 9a Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 11. Dezember 2021 bestimmt gewesen ist, sondern beschränkt das Zutrittsverbot auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die nicht in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannt sind. Der hiermit verbundene Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der ungeimpften Kunden ist durchaus tiefgreifend. Ähnliches gilt auf der Angebotsseite der vom Zutrittsverbot betroffenen Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, denen nicht nur ein deutlich erhöhter Kontrollaufwand der Zutrittsberechtigung auferlegt wird, sondern vielmehr auch (erneut) nicht unerhebliche Umsatzeinbußen zugemutet werden. Auch der hiermit verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist von erheblichem Gewicht.

In dieser Relation - beherrschbares Infektionsgeschehen, geringe Wirkung der Infektionsschutzmaßnahme und erhebliche Grundrechtseingriffe - erweist sich das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit als unangemessen. Ohne die Anordnung einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels versucht oder auch nur ernsthaft in Betracht gezogen zu haben, ist nicht ersichtlich, dass das Verbot momentan zur Beherrschung des Infektionsgeschehens notwendig sein könnte.

Eine andere Bewertung gebietet - bei objektiver Betrachtung des dem Senat bekannten oder vom Antragsgegner präsentierten aktuellen Erkenntnisstands - auch die neue Variante des SARS-CoV-2-Virus mit der Bezeichnung Omikron (Pangolin Nomenklatur B.1.1.529) nicht. Das RKI fasst seine Erkenntnisse wie folgt zusammen:

-  Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Stand: 9.12.2021 (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=DF91AA96CCB374AD51060F346CB85264.internet071?nn=2444038): "Omikron (B.1.1.529): Über diese Variante wurde zuerst am 24.11.2021 vom südafrikanischen Gesundheitsministerium berichtet, sie wurde am 26.11.2021 von der WHO zur VOC erklärt. Phylogenetische Untersuchungen zeigen, dass Omikron unabhängig von der derzeit dominierenden Delta-Variante entstanden ist. Sie besitzt im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von ca. 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein, darunter solche mit bekanntem phänotypischem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion, Übertragbarkeit), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung unklar ist. Die Variante wurde bereits in verschiedenen Ländern weltweit nachgewiesen, darunter auch in Deutschland …"

- Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 8.12.2021 (veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=7315ADBC5E237102D48605B5F4932F3B.internet082?nn=2444038): "Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung schwerer Erkrankungen und Todesfälle ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen bei vollständiger Impfung sehr gut vor einer schweren Erkrankung, die Wirksamkeit gegen die Omikronvariante ist noch nicht endgültig zu beurteilen. … SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole spielt eine besondere Rolle – v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. … Die Schwere der durch die Variante Omikron verursachten Erkrankung lässt sich derzeit noch nicht abschätzen."

Hiernach bestehen fraglos ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür, dass die Omikron-Variante noch leichter übertragbar ist als die bisher im Bundesgebiet vorherrschende Delta-Variante. Offen ist, ob und wie die Omikron-Variante die Schutzwirkung der Impfung und die Krankheitsschwere, den nach § 28a Abs. 3 IfSG und auch nach § 2 Abs. 2 bis 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung maßgeblichen Indikator für die Notwendigkeit von Infektionsschutzmaßnahmen, beeinflusst. Es bestehen aber keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Wirkung der bisher angeordneten Basisschutzmaßnahmen, insbesondere einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus, signifikant herabgesetzt oder gar aufgehoben sein könnte (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021: "Übertragbarkeit. SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosolespielt eine besondere Rolle - v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. …"; und dahingehend auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte).

Auch der weitergehende Hinweis des Verordnungsgebers in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 (S. 14 f. der Online-Verkündung), in der Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8. Dezember 2021 hätten die Sachverständigen Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Prof. Dr. Michael Meyer-Hermann, Prof. Dr. Kai Nagel und Prof. Dr. Viola Priesemann einen "Notschutzschalter" gefordert, ist in diesem Zusammenhang nicht nachzuvollziehen. Diese Forderung bezieht sich zum einen auf bisher nicht belegte, rein rechnerische Annahmen zur Gefährlichkeit der Variante Omikron (so auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte). Unabhängig davon wird die Aktivierung des "Notschutzschalters" erst gefordert, wenn die Abschätzung der wöchentlichen Omikron-Inzidenz (Sic!) für die Folgewoche höher als 350 liegt (so ausdrücklich Karagiannidis/Meyer-Hermann/Nagel/Priesemann, Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8.12.2021, veröffentlicht unter www.bundestag.de/resource/blob/870924/402c53a9b5797274d925d937eeb466de/erste-Stellungnahme-von-Prof-Dr-Karagiannidis-Prof-Dr-Meyer-Hermann--data.pdf, Stand: 15.12.2021: "Die Omikron-Inzidenzen müssen separat ausgewiesen werden. Daraus kann die wöchentliche Steigerung der Omikron-Inzidenzen berechnet werden. Aus der wöchentlichen Omikron-Inzidenz sowie deren wöchentlicher Steigerung kann die Wocheninzidenz für die Folgewoche abgeschätzt werden. Spätestens wenn diese Abschätzung für die Folgewoche höher als 350 liegt, muss der Notschutzschalter (s.u.) aktiviert werden. Der genaue Grenzwert der Abschätzung könnte bei genauerer Kenntnis der Hospitalisierungsrate von Omikron angepasst werden."). Eine solche Situation, für deren Eintritt der Verordnungsgeber bereits in § 3a der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Regelung getroffen hat, besteht bisher in Niedersachsen auch nach der Darstellung des Antragsgegners nicht.

(2) Obwohl es danach für den Ausgang dieses Verfahrens nicht mehr entscheidungserheblich ist, weist der Senat darauf hin, dass das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch mit Blick auf die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl.BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020- OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

Nach diesem Maßstab dürfte zwar der abstrakte Ansatz des Verordnungsgebers, Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" von der 2-G-Regelung auszunehmen und zu diesen Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels auch Ungeimpften weiterhin den Zutritt zu gewähren (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht zu beanstanden sein. Dies gilt aber nicht für die konkrete Umsetzung dieses Ansatzes in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür, dass einerseits zwar Gartenmarktgüter (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) zu den "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" gezählt werden, andererseits aber Baumärkte, soweit sie nicht ausnahmsweise der Schwerpunktregel des § 9a Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unterfallen, uneingeschränkt der 2-G-Regelung unterworfen bleiben, ergeben sich nicht aus der Verordnungsbegründung (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners im Verfahren (vgl. den Schriftsatz des Antragsgegners v. 15.12.2021, S. 14 f. = Blatt 35R der Gerichtsakte) und sind für den Senat auch sonst nicht offensichtlich.

b. Gewichtige Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe.

Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, juris Rn. 36; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Schon hiernach wiegt das Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Außervollzugsetzung schwer. Hinzu kommt, dass Rechtsschutz in der Hauptsache ersichtlich nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und sich deshalb die Grundrechtsverletzung der Antragstellerin perpetuieren würde. Hinzu treten die offensichtlichen Auswirkungen für andere konkret betroffene Normadressaten und die Allgemeinheit. Dies sind zunächst die mit dem Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels verbundenen Nachteile für die unmittelbar betroffenen ungeimpften Kunden. Dies sind aber auch die erheblichen negativen Auswirkungen für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die sich einerseits in einem deutlich erhöhten Kontrollaufwand und andererseits in nicht unerheblichen Umsatzeinbußen zeigen (vgl. hierzu bspw. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/2G-im-Einzelhandel-Genervte-Kunden-und-Erklaerungsbedarf,einzelhandel432.html).

Den so beschriebenen und gewichteten Aussetzungsinteressen stehen keine derart schwerwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber, dass eine Außervollzugsetzung der voraussichtlich rechtswidrigen Verordnungsregelung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes unterbleiben müsste. Der Senat sieht unter Berücksichtigung der in den zurückliegenden Niedersächsischen Corona-Verordnungen getroffenen Infektionsschutzmaßnahmen und des aktuellen Infektionsgeschehens auch im Land Niedersachsen keine Anhaltspunkte dafür, dass das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden ein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pandemiebekämpfung des Antragsgegners ist. Dies ergibt sich auch nicht aus der maßgeblich politischen Festlegung in der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021. Dagegen spricht auch die dargestellte begrenzte Wirkung dieser Infektionsschutzmaßnahme. Schließlich ist der Antragsgegner durch die vorläufige vollständige (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht gehindert, eine neue, sich auf das Erforderliche und Angemessene beschränkende und aktuelle Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen berücksichtigende Maßnahme anzuordnen.

3. Die einstweilige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Im Sinne dieser Verordnung ist

1.
eine asymptomatische Person, eine Person, bei der aktuell kein typisches Symptom oder sonstiger Anhaltspunkt für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegt; typische Symptome einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 sind Atemnot, neu auftretender Husten, Fieber und Geruchs- oder Geschmacksverlust,
2.
eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises im Sinne von § 22a Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes ist,
3.
(weggefallen)
4.
eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises im Sinne von § 22a Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes ist,
5.
(weggefallen)
6.
eine getestete Person eine asymptomatische Person, die
a)
das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder
b)
im Besitz eines auf sie ausgestellten Testnachweises im Sinne von § 22a Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes ist,
7.
(weggefallen)
8.
auf Grund der Vorschriften des fünften Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes erlassenes Landesrecht eine Rechtsverordnung oder eine Allgemeinverfügung, die ein Land oder eine nach Landesrecht zuständige Stelle auf Grund der Vorschriften des fünften Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erlassen hat.

(1) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die obersten Landesgesundheitsbehörden und die von ihnen beauftragten Stellen sowie die Gesundheitsämter informieren die Bevölkerung zielgruppenspezifisch über die Bedeutung von Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten. Bei der Information der Bevölkerung soll die vorhandene Evidenz zu bestehenden Impflücken berücksichtigt werden.

(2) Beim Robert Koch-Institut wird eine Ständige Impfkommission eingerichtet. Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf. Die Kommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten und entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung. Die Mitglieder der Kommission werden vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden berufen. Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes und des Paul-Ehrlich-Institutes nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Weitere Vertreter von Bundesbehörden können daran teilnehmen. Die Empfehlungen der Kommission werden von dem Robert Koch-Institut den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und anschließend veröffentlicht.

(2a) Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben sich insbesondere an folgenden Impfzielen auszurichten:

1.
Reduktion schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe,
2.
Unterbindung einer Transmission des Coronavirus SARS-CoV-2,
3.
Schutz von Personen mit besonders hohem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf,
4.
Schutz von Personen mit besonders hohem behinderungs-, tätigkeits- oder aufenthaltsbedingtem Infektionsrisiko,
5.
Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen, von Kritischen Infrastrukturen, von zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Lebens.
Die auf Grund des § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f sowie des § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erlassenen Rechtsverordnungen haben sich an den in Satz 1 genannten Impfzielen im Fall beschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen bei notwendigen Priorisierungen auszurichten.

(3) Die obersten Landesgesundheitsbehörden sollen öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen.

(4) Zur Durchführung von Schutzimpfungen ist jeder Arzt berechtigt. Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen der Ausübung ihrer fachärztlichen Tätigkeit durchführen. Die Berechtigung zur Durchführung von Schutzimpfungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt.

(5) Die obersten Landesgesundheitsbehörden können bestimmen, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen. Die zuständigen Behörden können mit den Maßnahmen nach Satz 1 Dritte beauftragen. Soweit die von der Maßnahme betroffene Person gegen einen anderen Kostenträger einen Anspruch auf entsprechende Leistungen hat oder einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für entsprechende Leistungen hätte, ist dieser zur Tragung der Sachkosten verpflichtet. Wenn Dritte nach Satz 2 beauftragt wurden, ist der andere Kostenträger auch zur Tragung dieser Kosten verpflichtet, soweit diese angemessen sind.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilnehmen können, können durch Rechtsverordnung nach Satz 1 nicht zu einer Teilnahme an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe verpflichtet werden. § 15 Abs. 2 gilt entsprechend.

(7) Solange das Bundesministerium für Gesundheit von der Ermächtigung nach Absatz 6 keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die obersten Landesgesundheitsbehörden übertragen.

(8) Folgende Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, müssen entweder einen nach den Maßgaben von Satz 2 ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen:

1.
Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits vier Wochen
a)
in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Satz 1 gilt auch, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

(9) Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor Beginn ihrer Betreuung oder ihrer Tätigkeit folgenden Nachweis vorzulegen:

1.
eine Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 und 2 oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, darüber, dass bei ihnen ein nach den Maßgaben von Absatz 8 Satz 2 ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder
3.
eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder Nummer 2 bereits vorgelegen hat.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 von einer Person, die auf Grund einer nach Satz 8 zugelassenen Ausnahme oder nach Satz 9 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt oder tätig werden darf, nicht vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
1.
der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
2.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
3.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
Die Behörde, die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 43 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständig ist, kann bestimmen, dass vor dem Beginn der Tätigkeit im Rahmen der Kindertagespflege der Nachweis nach Satz 1 ihr gegenüber zu erbringen ist; in diesen Fällen hat die Benachrichtigung nach Satz 2 durch sie zu erfolgen. Eine Benachrichtigungspflicht nach Satz 2 besteht nicht, wenn der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder der anderen nach Satz 3 Nummer 2 oder Satz 4 bestimmten Stelle bekannt ist, dass das Gesundheitsamt oder die andere nach Satz 3 Nummer 3 bestimmte Stelle über den Fall bereits informiert ist. Eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach Satz 1 vorlegt, darf nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt werden. Eine Person, die über keinen Nachweis nach Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 nicht tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 6 und 7 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Masernkomponente, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Masernkomponente bleiben unberücksichtigt. Eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, darf in Abweichung von Satz 6 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 3 betreut werden.

(9a) Sofern sich ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann oder ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 innerhalb eines Monats, nachdem es ihnen möglich war, einen Impfschutz gegen Masern zu erlangen oder zu vervollständigen, oder innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 gilt entsprechend.

(10) Personen, die am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut wurden und noch werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig waren und noch sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 und 4 findet entsprechende Anwendung.

(11) Personen, die bereits vier Wochen in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 wie folgt vorzulegen:

1.
innerhalb von vier weiteren Wochen oder,
2.
wenn sie am 1. März 2020 bereits betreut wurden und noch werden oder untergebracht waren und noch sind, bis zum Ablauf des 31. Juli 2022.
Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 nicht innerhalb von vier weiteren Wochen oder in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 findet entsprechende Anwendung.

(12) Folgende Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorzulegen:

1.
Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits acht Wochen
a)
in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann; Personen, die über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen des Gesundheitsamtes die erforderlichen Auskünfte insbesondere über die dem Nachweis zugrundeliegenden Tatsachen zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und Einsicht zu gewähren; § 15a Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, kann das Gesundheitsamt die zur Vorlage des Nachweises verpflichtete Person zu einer Beratung laden und hat diese zu einer Vervollständigung des Impfschutzes gegen Masern aufzufordern. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird. Einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Einrichtung nach § 33 Nummer 3 dienenden Räume zu betreten. Einer Person, die einer Unterbringungspflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 oder einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 dienenden Räume zu betreten. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 1 oder Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 4 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung. Sobald ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorgelegt wird, ist die Maßnahme nach Satz 4 aufzuheben und das Verwaltungszwangsverfahren mit sofortiger Wirkung einzustellen.

(13) Wenn eine nach den Absätzen 9 bis 12 verpflichtete Person minderjährig ist, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Verpflichtungen nach den Absätzen 9 bis 12 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(14) Durch die Absätze 6 bis 12 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.

I.

2

Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.

3

Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:

4

(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer

5

1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,

6

2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

7

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,

8

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und

9

5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

10

2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.

II.

11

In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).

12

Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).

III.

13

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).

14

2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.

15

Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.

16

Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.

17

Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.

18

Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.

19

Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.

IV.

20

Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.

21

1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.

22

Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.

23

Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.

24

Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.

25

2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.

26

Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.

27

3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

28

4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

29

Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.

30

Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.

31

Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.

32

5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

33

Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.

B.

34

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.

I.

35

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

36

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.

37

Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.

38

Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.

II.

39

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

40

1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).

41

Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I , Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.

42

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).

43

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.

44

aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).

45

bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).

46

cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.

47

2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.

48

a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.

49

Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.

50

Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.

51

b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.

52

c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

53

d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.

54

e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.

55

f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.

56

Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).

57

g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.

C.

I.

58

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.

II.

59

Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).

III.

60

Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).

IV.

61

Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

V.

62

Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

Niedersächsisches OVG

Beschluss vom 16.12.2021 

Az.: 13 MN 477/21

Tenor

§ 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit einem Normenkontrolleilantrag gegen Zugangsbeschränkungen für Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels in der Niedersächsischen Corona-Verordnung (sog. 2-G-Regelung).

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 23. November 2021 die (11.) Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung, Nds. GVBl. S. 770), die nach Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 Nds. GVBl. S. 838) mit Wirkung vom 12. Dezember 2021 unter anderem folgende Vorschrift enthielt:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so müssen die Kundinnen, Kunden und dienstleistenden Personen in einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels eine medizinische Maske tragen. 2Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 3Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 4Satz 3 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 3 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen; im Übrigen bleiben die Regelungen nach § 4 anwendbar.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Nach weiteren Änderungen durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S 865) mit Wirkung vom 14. Dezember 2021 lautet diese Vorschrift:

"§ 9 a

Einzelhandel           

(1) 1Der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung des Einzelhandels ist nach Absatz 2 beschränkt. 2Ausgenommen von Satz 1 sind Wochenmärkte und Weihnachtsbaumverkauf unter freiem Himmel sowie Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit folgenden Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung:

1. Lebensmitteln einschließlich des Getränkehandels,

2. medizinischen Produkten und Arzneimitteln einschließlich der Produkte von Optiker- und Hörgeräteakustikerbetrieben sowie des Orthopädieschuhmacher-Handwerks und des Handwerks der Orthopädietechnik,

3. Drogerie-, Sanitätshaus- und Reformhausgütern,

4. Babybedarfsgütern,

5. Gartenmarktgütern,

6. Gütern des Brennstoff- und Heizstoffhandels einschließlich der Tankstellen,

7. Gütern des Tierbedarfs- und Futtermittelhandels, des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels,

8. Zeitungen, Zeitschriften und Büchern,

9. Gütern des Brief- und Versandhandels,

10. Fahrkarten für den Personenverkehr,

11. Gütern zur Reparatur und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Elektronikgeräten.

 3Satz 2 gilt auch in Bezug auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit gemischtem Sortiment, das regelmäßig Waren und Güter umfasst, die dem Sortiment einer der in Satz 2 genannten Betriebe und Einrichtungen entsprechen, wenn die Waren und Güter den Schwerpunkt des Sortiments bilden.

(2) 1Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so ist der Zutritt zu einem Betrieb oder einer Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 auf Kundinnen und Kunden beschränkt, die entweder einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorlegen. 2Die Zutrittsberechtigung der Kundinnen und Kunden nach Satz 1 ist zu kontrollieren. 3Die zuständige Stelle kann festlegen, dass die Kontrolle der Zutrittsberechtigung auch dadurch sichergestellt werden kann, dass die Kundinnen und Kunden nach einer Kontrolle durch eine dafür bestimmte Stelle eine unverwechselbare und nicht übertragbare Kennzeichnung erhalten, die zum Zutritt zu durch die zuständige Stelle festzulegenden Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels im Sinne des Absatz 1 Satz 1 berechtigen. 4Die Kundinnen und Kunden müssen gemäß § 4 eine medizinische Maske tragen.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Auslieferung jeglicher Waren und Güter auf Bestellung sowie deren Verkauf im Fernabsatz zur Abholung bei kontaktloser Übergabe außerhalb der Geschäftsräume unter Wahrung des Abstandsgebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1.

(4) Für das im Einzelhandel tätige Personal gilt § 28 b IfSG."

Die Antragstellerin betreibt auch in Niedersachsen Einzelhandel im Filialbetrieb mit einem Mischsortiment. Am 13. Dezember 2021 hat sie bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie beanstandet, die handwerklich unzulängliche Regelung ordne keine notwendige Infektionsschutzmaßnahme an, sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar und verletze sie in ihren Grundrechten der Berufsausübungsfreiheit und der Eigentumsfreiheit. Das Infektionsrisiko sei auch nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts von vorneherein niedrig. Es könne durch andere mildere Infektionsschutzmaßnahmen und seit langem erfolgreich angewendete Hygienekonzepte auf den Bereich der Irrelevanz reduziert werden. Zutrittsverbote für nennenswerte Teile der Bevölkerung seien hingegen nicht notwendig. Die Ausnahmen von dem grundsätzlichen Zutrittsverbot für Ungeimpfte seien nicht von Sachgründen getragen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die in der angefochtenen Verordnungsregelung getroffene Infektionsschutzmaßnahme. Das Infektionsgeschehen im Land Niedersachsen habe sich zwar in den vergangenen Tagen stabilisiert, befinde sich aber unverändert auf einem hohen Niveau, und das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer Erkrankung an COVID-19 sei gerade für ungeimpfte Personen sehr hoch. Die neu aufgetretene Virusvariante Omikron stelle nach ersten Prognosen ein besonderes Risiko dar, etwa hinsichtlich einer leichteren Übertragbarkeit, einer Verstärkung der Krankheitsschwere und einer Abschwächung der Impfwirkung. Der von der neuen Bundesregierung eingesetzte Corona-Expertenrat werde bis Weihnachten eine Stellungnahme zu den Risiken der neu aufgetretenen Virusvariante Omikron abgeben. Schon jetzt sei aber die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender und anderer Schutzmaßnahmen erforderlich, da das öffentliche Gesundheitssystem durch das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen stark belastet sei und teilweise bereits Intensivpatienten hätten verlegt werden müssen. Das in § 9a der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu bestimmten Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Personen sei notwendig. Der Beitrag des Infektionsgeschehens im Einzelhandel sei aufgrund der Anonymität der Kundenkontakte im Geschäft und auf dem Weg zu den Geschäften nicht genau quantifizierbar. Während der 2. Welle habe die Schließung essentieller Geschäfte aber die Reproduktionszahl um mehr als 10% senken können. Die Beschränkung des Zutrittsverbots auf ungeimpfte Personen sei angemessen, da diese gegenüber geimpften und genesenen Personen ein deutlich höheres Risiko einer Infektion und eines schweren Krankheitsverlaufs aufwiesen. Die Belastung für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels könne durch eine praktische Handhabung der Zugangskontrolle (sog. "Bändchenlösung") reduziert werden. Die Ausnahmen für Güter des täglichen Bedarfs und die Grundversorgung der Bevölkerung beruhten auf sachlichen Gründen, auch wenn sie angesichts ihrer Komplexität diskussionswürdig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige (1.) Antrag ist begründet (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 13. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 865), mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

a. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

b. Der Senat legt den Antrag - unter Berücksichtigung des anhand der hierfür gegebenen Begründung ohne Weiteres erkennbaren tatsächlichen Begehrens der Antragstellerin - dahin aus, dass sie nur eine vorläufige Außervollzugsetzung der sie belastenden Regelungen in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung begehrt, sich aber nicht gegen die Regelungen in § 9a Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung wendet. Letztgenannte Regelungen enthalten nur klarstellende Wiederholungen (§ 9a Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), deren Außervollzugsetzung der Antragstellerin keinen Vorteil vermittelt, oder Ausnahmeregelungen (§ 9a Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), welche die Antragstellerin nicht belasten.

Für den so verstandenen Antrag verfügt die Antragstellerin über eine Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin als Inhaberin von Einzelhandelsbetrieben in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und in ihrem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht verletzt ist.

Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition liegt hingegen nicht vor (vgl. Senatsbeschl. v. 17.4.2020 - 13 MN 84/20 -, juris Rn. 23). Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die befristeten Betriebsschließungen und -beschränkungen fraglos betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).

c. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 23.2.2021 (Nds. MBl. S. 516)).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Erfolg. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag der Antragstellerin wäre voraussichtlich begründet (a.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (b.).

a. Ein von der Antragstellerin in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung rechtswidrig ist und für unwirksam zu erklären sein wird.

Dabei geht der Senat unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass die streitgegenständliche Infektionsschutzmaßnahme auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht (vgl. zuletzt Senatsurt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 66 ff.), durch Rechtsverordnung angeordnet werden durfte (vgl. zu Inhalt und Grenzen der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG: Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33), formell rechtmäßig ist (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 18 ff.; v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.) und in materieller Hinsicht mit Blick auf den Adressatenkreis nicht zu beanstanden ist. Das streitgegenständliche Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, dürfte auch seiner Art nach auf §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 14, Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 oder Abs. 8 Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes - IfSG - in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906) geänderten Fassung gestützt werden können (vgl. die Feststellung nach § 28a Abs. 8 IfSG für das Land Niedersachsen durch Beschluss des Niedersächsischen Landtags v. 7.12.2021, LT-Drs. 18/10377).

(1) Das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für Kunden, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen, in der konkreten Ausgestaltung nach § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist derzeit aber keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020

- 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

(a) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber auch mit der mittlerweile 11. Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021 weiterhin die legitimen Ziele (vgl. zu früheren Niedersächsischen Corona-Verordnungen: Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden.

Diese Zielrichtungen wahren die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Dabei hat der Senat an anderer Stelle (Senatsbeschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 396/21 -, juris Rn. 17) bereits darauf hingewiesen, dass, nachdem ganz erheblichen Teilen der Bevölkerung mit einer Impfung und ergänzenden Basisschutzmaßnahmen effektive Möglichkeiten des Eigenschutzes auch tatsächlich zur Verfügung stehen, primäres Ziel staatlichen Handelns nicht mehr die schlichte Verhinderung jeder einzelnen Infektion, sondern die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen sein muss, auch wenn dieses Ziel denklogisch sekundär auch Maßnahmen erfordert, die einzelne Infektionen verhindern.

(b) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegeben.

Angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen im Zusammenhang von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen - vor allem in geschlossenen Räumen - geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (so bspw. Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 46; v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52; vgl. dahingehend auch Robert Koch-Institut (RKI), Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021, und Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Nr. 2 Übertragungswege, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=75E02A61EA32A48D3D2AE1AAA4E9D673.internet112?nn=13490888, Stand: 26.11.2021). Der Ausschluss Ungeimpfter bewirkt, dass diese sich jedenfalls in den Betrieben und Einrichtungen, zu denen nur noch Geimpfte und Genesene Zugang erhalten, nicht infizieren können (vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 37).

Die Antragstellerin weist aber nachvollziehbar darauf hin, dass die Eignung der Infektionsschutzmaßnahme durch die zahlreichen Ausnahmen des § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, in denen Ungeimpften der Zutritt zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels nicht verboten wird, von vorneherein deutlich reduziert wird. Dies betrifft zuvörderst den - fraglos zu Recht - unbeschränkten Zutritt zu Betrieben und Einrichtungen des Lebensmitteleinzelhandels, in dem der weit überwiegende Anteil täglicher Kundenkontakte im Einzelhandel stattfindet (vgl. Exner, Hygienisch-medizinische Stellungnahme zum Beitrag des Einzelhandels zur Prävention und Kontrolle der COVID-19-Pandemie, veröffentlicht unter https://einzelhandel.de/images/coronavirus/20210205_Exner_Gutachten_Einzelhandel.pdf, Stand: 14.12.2021, S. 2: "Im deutschen Einzelhandel finden 50 Millionen Kundenkontakte täglich statt – davon 40 Millionen im Lebensmitteleinzelhandel, …").

(c) Bei summarischer Prüfung ist indes zweifelhaft, ob das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden zur Zielerreichung erforderlich ist.

Der Senat hat bereits mehrfach beanstandet, dass verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels fehlen. Der beispielsweise im Senatsbeschluss vom 15. März 2021 (- 13 MN 103/21 -, juris Rn. 40 ff.) beschriebene Sachstand erscheint insoweit unverändert. Jedenfalls sind dem Senat in diesem Verfahren vom Antragsgegner insoweit keine (neuen) Erkenntnisse präsentiert worden (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 15.12.2021, S. 9 ff. = Blatt 33 f. der Gerichtsakte). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erforschung von Infektionsumfeldern durch den Antragsgegner intensiviert worden wäre, um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Der vom RKI jeweils donnerstags veröffentlichten Tabelle mit gemeldeten COVID-19-Fällen, die von den Gesundheitsbehörden einem Ausbruch zugeordnet werden konnten, geordnet nach Infektionsumfeld (Setting) und Meldewoche (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Ausbruchs-daten.html; vgl. auch die Interpretation des RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile), sind keine auf das Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels zurückzuführenden Infektionsfälle zu entnehmen.

Auch die schlichte Übertragung von Erkenntnissen zum Geschehen in geschlossenen Räumen von Sport- und Freizeiteinrichtungen (vgl. hierzu die Senatsbeschl. v. 10.12.2021 - 13 MN 462/21 -, juris Rn. 28 ff. (Besucherverkehre in geschlossenen Räumen von Theatern, Kinos und ähnlichen Kultureinrichtungen sowie von Zoos, botanischen Gärten und Freizeitparks); v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 36 ff. (Sportausübung in geschlossenen Räumen); v. 8.12.2021 - 13 MN 464/21 -, juris Rn. 23 ff., v. 22.10.2021 - 13 MN 425/21 -, juris Rn. 10 ff. (Diskotheken)) drängt sich angesichts erheblicher Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Geschehen in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels nicht auf. Letzteres erscheint jedenfalls regelmäßig durch eine kürzere Verweildauer der Kunden, eine geringere Kundendichte, eine geringere Anzahl unmittelbarer Personenkontakte (Face-to-Face), geringere körperliche Aktivitäten und eine bessere Durchsetzung von Hygienekonzepten (insbesondere die durchgehende Befolgung einer Maskenpflicht und die Trennung von Beschäftigten und Kunden durch Schutzvorrichtungen bei Bezahl- und auch Beratungsvorgängen) gekennzeichnet (vgl. dahingehend auch Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte).

Hinzu kommt, dass auch das RKI in der von ihm entworfenen ControlCOVID-Strategie für den Einzelhandel in den dort gebildeten Stufen 1 und 2 ausschließlich die Anwendung von Schutzkonzepten vorsieht und selbst in der dort höchsten Stufe 3 nicht den vollständigen Ausschluss ungeimpfter Kunden empfiehlt, sondern für diese einen negativen Testnachweis für ausreichend erachtet (sog. 3-G-Regelung; vgl. RKI, Aktualisierung der ControlCOVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22, Stand: 22.9.2021, dort insbesondere S. 9, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf?__blob=publicationFile).

Neben den danach bestehenden Zweifeln an der tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels drängen sich auch durchaus mildere Mittel auf, deren Eignung zur Pandemiebekämpfung und Erreichung der genannten legitimen Ziele nicht offensichtlich weniger effektiv als das hier zu beurteilende Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden erscheint.

Mit Blick auf die ungeimpften Kunden ist dies zum einen die vom RKI in dessen ControlCOVID-Strategie genannte Abhängigkeit des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels von einem negativen Testnachweis.

Zum anderen könnten die Kunden verpflichtet werden, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen. Eine das Infektionsrisiko drastisch reduzierende Wirkung der Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus ist bereits in den Stellungnahmen dokumentiert, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 -, juris Rn. 210; Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 1 ff. = Blatt 18 ff. der Gerichtsakte: "…; auf der Seite der ansteckbaren Personen filtern FFP2-Masken selbst bei der Verwendung durch Laien ca. 80% des viralen Materials …; insgesamt führt dies zu einer Reduktion der Infektionen um einen Faktor 10 (50% der verbleibenden 20% = 10%) bei durchgehender FFP2-Maskenpflicht und vollständiger Befolgung."). Nach neueren Erkenntnissen dürften Atemschutzmasken dieses Schutzniveaus - eine in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels durchaus durchzusetzende richtige Verwendung der Maske vorausgesetzt - das Infektionsrisiko sogar derart absenken, dass es nahezu zu vernachlässigen ist. Nach einer umfassenden Studie des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen (zusammengefasst unter www.ds.mpg.de/3822295/211202_upperbound_infections und veröffentlicht unter https://www.pnas.org/content/118/49/e2110117118, jeweils Stand: 15.12.2021) beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille, wenn sowohl die infizierte als auch die nichtinfizierte Person gutsitzende FFP2-Masken tragen. Dabei gibt diese in der Studie ermittelte Ansteckungswahrscheinlichkeit die obere Grenze des Risikos an. Die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit im Alltag wird als noch einmal geringer angegeben. Hinzu kommt, dass die in der Studie betrachtete Kontaktdauer von 20 Minuten im Einzelhandel regelmäßig nicht erreicht wird.

Für ungeimpfte Kunden wäre die Verpflichtung, in Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen, anstelle des hier zu beurteilenden absoluten Zutrittsverbots auch fraglos milder. Für geimpfte und genesene Kunden gilt dies nicht ohne Weiteres, denn die ihnen derzeit nach § 9a Abs. 2 Satz 4 und § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur auferlegte Pflicht, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, würde verschärft. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass mittlerweile auch für Geimpfte und Genesene in zahlreichen alltäglichen Situationen eine Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus besteht, bspw.

- im Personenverkehr ab Warnstufe 2 (§ 4 Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei Zusammenkünften von mehr als 15 geimpften oder genesenen Personen ab Warnstufe 2 (§§ 8 Abs. 6 Satz 1, 10 Abs. 5 Satz 4 und 11 Abs. 5 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

- bei der Entgegennahme körpernaher Dienstleistungen ab Warnstufe 2 (§ 8a Abs. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

· beim Besuch von Beherbergungseinrichtungen oder Sportanlagen ab Warnstufe 2 (§ 8b Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Gastronomiebetrieben ab Warnstufe 2 (§ 9 Abs. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

-beim Besuch von Messen oder Weihnachtsmärkten ab Warnstufe 2 (§§ 11a Abs. 2 Satz 4, 11b Abs. 3 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und

- beim Besuch von Diskotheken ab Warnstufe 2 (§ 12 Abs. 4 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

so dass die Ausdehnung dieser Pflicht auf alle Kunden in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels, wie dies zunächst in § 9a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 für den Zeitraum vom 12. bis zum 13. Dezember 2021 auch vom Verordnungsgeber angeordnet worden war (vgl. hierzu einerseits die Ausführungen unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/vorschriften-der-landesregierung-185856.html, Stand: 13.12.2021: "redaktionelles Versehen", und andererseits in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung: "Satz 4 regelt eine strengere Maskenpflicht. Kundinnen und Kunden müssen abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus tragen."), als allenfalls geringfügige Verschärfung angesehen werden könnte.

(d) Unter Berücksichtigung der danach reduzierten Eignung und der zwar nicht klar zu verneinenden, aber zweifelhaften Erforderlichkeit ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit unangemessen.

Nach der Warnstufensystematik der §§ 2 und 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, deren Rechtmäßigkeit als solche weiterer Klärung bedarf (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 17 ff.), gilt das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden bereits ab der Warnstufe 1. Diese ist gemäß § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gekennzeichnet durch eine lokale 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35, eine landesweite 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von mehr als 3 Hospitalisierungsfällen mit COVID-19-Erkrankung je 100.000 Einwohner (bei vorhandenen 502 vollstationären Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner in zugelassenen niedersächsischen Krankenhäusern, vgl. Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Niedersächsischer Krankenhausplan 2021, S. 27 f., veröffentlicht unter: www.ms.niedersachsen.de/download/156598/Krankenhausplan_01.01.20_.pdf, Stand: 7.12.2021) und/oder einen landesweiten Anteil der Belegung von Intensivbetten mit an COVID-19 Erkrankten an der Intensivbetten-Kapazität von mehr als 5% (wobei im durchschnittlichen Regelbetrieb (Sic!) einer Intensivstation in niedersächsischen Krankenhäusern neben 50% Akutbehandlungen und 25% elektiver Nachsorge nach Operationen ein Anteil von 25% auf COVID-19-Behandlungen entfällt; vgl. Senatsbeschl. v. 8.12.2021 - 13 MN 463/21 -, juris Rn. 25), mithin ein mildes Infektionsgeschehen. Selbst das derzeit gegebene tatsächliche Infektionsgeschehen (vgl. die Angaben des Antragsgegners unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/niedersachsen-und-corona-aktuelle-leitindikatoren-203487.html, Stand: 16.12.2021) mit teilweise dem oberen Wertebereich der Warnstufe 1 (7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz: 6,0), dem unteren Wertebereich der Warnstufe 2 (Intensivbettenauslastung: 10,4%) und dem mittleren Wertebereich der Warnstufe 2 (7-Tage-Inzidenz: 179,2) erscheint "beherrschbar" (so ausdrücklich die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 11 der Online-Verkündung). Dabei ist auch der Stand der COVID-19-Schutzimpfungen in Niedersachsen zu berücksichtigen (vollständige Impfung: 71,5% der Bevölkerung; Auffrischungsimpfung: 26,7%; veröffentlicht unter https://impfdashboard.de/, Stand: 15.12.2021).

Zur Reduzierung eines solchen milden, jedenfalls aber "beherrschbaren" Infektionsgeschehens leistet das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nur einen sehr geringen Beitrag. Nach einer Stellungnahme, die das Bundesverfassungsgericht in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die sog. "Bundesnotbremse" eingeholt hat, "leistet der Einzelhandel einen Beitrag von 0,1 zum R-Wert; bei durchgehend eingehaltener FFP2-Maskenpflicht reduziert sich dieser im Modell auf 0,01 und damit auf ein für das Infektionsgeschehen irrelevantes Niveau." (so ausdrücklich Nagel/Müller als Teil des MODUS-COVID Teams, Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 781/21 u.a. v. 14.7.2021, S. 7 f. = Blatt 21 f. der Gerichtsakte). Angesichts der dargestellten Wirksamkeit des Tragens einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus (II.2.a.(1)(c)) erscheint dies für den Senat plausibel. Nachvollziehbare widerstreitende Erkenntnisse hat der Antragsgegner dem Senat in diesem Verfahren nicht präsentiert.

Demgegenüber ist das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden. Es schließt auf der Nachfrageseite ungeimpfte Personen zwar nicht mehr von allen (Sic!) Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels aus, wie dies zunächst in § 9a Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 11. Dezember 2021 bestimmt gewesen ist, sondern beschränkt das Zutrittsverbot auf Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die nicht in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannt sind. Der hiermit verbundene Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der ungeimpften Kunden ist durchaus tiefgreifend. Ähnliches gilt auf der Angebotsseite der vom Zutrittsverbot betroffenen Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, denen nicht nur ein deutlich erhöhter Kontrollaufwand der Zutrittsberechtigung auferlegt wird, sondern vielmehr auch (erneut) nicht unerhebliche Umsatzeinbußen zugemutet werden. Auch der hiermit verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist von erheblichem Gewicht.

In dieser Relation - beherrschbares Infektionsgeschehen, geringe Wirkung der Infektionsschutzmaßnahme und erhebliche Grundrechtseingriffe - erweist sich das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit als unangemessen. Ohne die Anordnung einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels versucht oder auch nur ernsthaft in Betracht gezogen zu haben, ist nicht ersichtlich, dass das Verbot momentan zur Beherrschung des Infektionsgeschehens notwendig sein könnte.

Eine andere Bewertung gebietet - bei objektiver Betrachtung des dem Senat bekannten oder vom Antragsgegner präsentierten aktuellen Erkenntnisstands - auch die neue Variante des SARS-CoV-2-Virus mit der Bezeichnung Omikron (Pangolin Nomenklatur B.1.1.529) nicht. Das RKI fasst seine Erkenntnisse wie folgt zusammen:

-  Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Stand: 9.12.2021 (veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=DF91AA96CCB374AD51060F346CB85264.internet071?nn=2444038): "Omikron (B.1.1.529): Über diese Variante wurde zuerst am 24.11.2021 vom südafrikanischen Gesundheitsministerium berichtet, sie wurde am 26.11.2021 von der WHO zur VOC erklärt. Phylogenetische Untersuchungen zeigen, dass Omikron unabhängig von der derzeit dominierenden Delta-Variante entstanden ist. Sie besitzt im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von ca. 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein, darunter solche mit bekanntem phänotypischem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion, Übertragbarkeit), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung unklar ist. Die Variante wurde bereits in verschiedenen Ländern weltweit nachgewiesen, darunter auch in Deutschland …"

- Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 8.12.2021 (veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=7315ADBC5E237102D48605B5F4932F3B.internet082?nn=2444038): "Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung schwerer Erkrankungen und Todesfälle ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen bei vollständiger Impfung sehr gut vor einer schweren Erkrankung, die Wirksamkeit gegen die Omikronvariante ist noch nicht endgültig zu beurteilen. … SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole spielt eine besondere Rolle – v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. … Die Schwere der durch die Variante Omikron verursachten Erkrankung lässt sich derzeit noch nicht abschätzen."

Hiernach bestehen fraglos ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür, dass die Omikron-Variante noch leichter übertragbar ist als die bisher im Bundesgebiet vorherrschende Delta-Variante. Offen ist, ob und wie die Omikron-Variante die Schutzwirkung der Impfung und die Krankheitsschwere, den nach § 28a Abs. 3 IfSG und auch nach § 2 Abs. 2 bis 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung maßgeblichen Indikator für die Notwendigkeit von Infektionsschutzmaßnahmen, beeinflusst. Es bestehen aber keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Wirkung der bisher angeordneten Basisschutzmaßnahmen, insbesondere einer Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus, signifikant herabgesetzt oder gar aufgehoben sein könnte (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 8.12.2021: "Übertragbarkeit. SARS-CoV-2 ist grundsätzlich sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragbar, dies gilt insbesondere für die derzeit zirkulierende Deltavariante und möglicherweise noch mehr für die Omikronvariante. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosolespielt eine besondere Rolle - v.a. in Innenräumen. Das Infektionsrisiko kann selbstwirksam durch das individuelle Verhalten (AHA+L-Regeln s.o.) reduziert werden. …"; und dahingehend auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte).

Auch der weitergehende Hinweis des Verordnungsgebers in der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. Dezember 2021 (S. 14 f. der Online-Verkündung), in der Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8. Dezember 2021 hätten die Sachverständigen Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Prof. Dr. Michael Meyer-Hermann, Prof. Dr. Kai Nagel und Prof. Dr. Viola Priesemann einen "Notschutzschalter" gefordert, ist in diesem Zusammenhang nicht nachzuvollziehen. Diese Forderung bezieht sich zum einen auf bisher nicht belegte, rein rechnerische Annahmen zur Gefährlichkeit der Variante Omikron (so auch der Antragsgegner im Schriftsatz v. 15.12.2021, S. 6 = Blatt 31R der Gerichtsakte). Unabhängig davon wird die Aktivierung des "Notschutzschalters" erst gefordert, wenn die Abschätzung der wöchentlichen Omikron-Inzidenz (Sic!) für die Folgewoche höher als 350 liegt (so ausdrücklich Karagiannidis/Meyer-Hermann/Nagel/Priesemann, Stellungnahme zur Bundestagsanhörung am 8.12.2021, veröffentlicht unter www.bundestag.de/resource/blob/870924/402c53a9b5797274d925d937eeb466de/erste-Stellungnahme-von-Prof-Dr-Karagiannidis-Prof-Dr-Meyer-Hermann--data.pdf, Stand: 15.12.2021: "Die Omikron-Inzidenzen müssen separat ausgewiesen werden. Daraus kann die wöchentliche Steigerung der Omikron-Inzidenzen berechnet werden. Aus der wöchentlichen Omikron-Inzidenz sowie deren wöchentlicher Steigerung kann die Wocheninzidenz für die Folgewoche abgeschätzt werden. Spätestens wenn diese Abschätzung für die Folgewoche höher als 350 liegt, muss der Notschutzschalter (s.u.) aktiviert werden. Der genaue Grenzwert der Abschätzung könnte bei genauerer Kenntnis der Hospitalisierungsrate von Omikron angepasst werden."). Eine solche Situation, für deren Eintritt der Verordnungsgeber bereits in § 3a der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Regelung getroffen hat, besteht bisher in Niedersachsen auch nach der Darstellung des Antragsgegners nicht.

(2) Obwohl es danach für den Ausgang dieses Verfahrens nicht mehr entscheidungserheblich ist, weist der Senat darauf hin, dass das Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden in seiner konkreten Ausgestaltung durch § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch mit Blick auf die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl.BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020- OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

Nach diesem Maßstab dürfte zwar der abstrakte Ansatz des Verordnungsgebers, Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels mit "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" von der 2-G-Regelung auszunehmen und zu diesen Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels auch Ungeimpften weiterhin den Zutritt zu gewähren (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht zu beanstanden sein. Dies gilt aber nicht für die konkrete Umsetzung dieses Ansatzes in § 9a Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür, dass einerseits zwar Gartenmarktgüter (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten (§ 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) zu den "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" gezählt werden, andererseits aber Baumärkte, soweit sie nicht ausnahmsweise der Schwerpunktregel des § 9a Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unterfallen, uneingeschränkt der 2-G-Regelung unterworfen bleiben, ergeben sich nicht aus der Verordnungsbegründung (vgl. die Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung v. 11.12.2021, S. 23 der Online-Verkündung), nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners im Verfahren (vgl. den Schriftsatz des Antragsgegners v. 15.12.2021, S. 14 f. = Blatt 35R der Gerichtsakte) und sind für den Senat auch sonst nicht offensichtlich.

b. Gewichtige Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe.

Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, juris Rn. 36; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Schon hiernach wiegt das Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Außervollzugsetzung schwer. Hinzu kommt, dass Rechtsschutz in der Hauptsache ersichtlich nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und sich deshalb die Grundrechtsverletzung der Antragstellerin perpetuieren würde. Hinzu treten die offensichtlichen Auswirkungen für andere konkret betroffene Normadressaten und die Allgemeinheit. Dies sind zunächst die mit dem Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels verbundenen Nachteile für die unmittelbar betroffenen ungeimpften Kunden. Dies sind aber auch die erheblichen negativen Auswirkungen für die Betriebe und Einrichtungen des Einzelhandels, die sich einerseits in einem deutlich erhöhten Kontrollaufwand und andererseits in nicht unerheblichen Umsatzeinbußen zeigen (vgl. hierzu bspw. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/2G-im-Einzelhandel-Genervte-Kunden-und-Erklaerungsbedarf,einzelhandel432.html).

Den so beschriebenen und gewichteten Aussetzungsinteressen stehen keine derart schwerwiegenden öffentlichen Interessen gegenüber, dass eine Außervollzugsetzung der voraussichtlich rechtswidrigen Verordnungsregelung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes unterbleiben müsste. Der Senat sieht unter Berücksichtigung der in den zurückliegenden Niedersächsischen Corona-Verordnungen getroffenen Infektionsschutzmaßnahmen und des aktuellen Infektionsgeschehens auch im Land Niedersachsen keine Anhaltspunkte dafür, dass das in § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Verbot des Zutritts zu Betrieben oder Einrichtungen des Einzelhandels für ungeimpfte Kunden ein wesentlicher Baustein in der Strategie der Pandemiebekämpfung des Antragsgegners ist. Dies ergibt sich auch nicht aus der maßgeblich politischen Festlegung in der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021. Dagegen spricht auch die dargestellte begrenzte Wirkung dieser Infektionsschutzmaßnahme. Schließlich ist der Antragsgegner durch die vorläufige vollständige (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) Außervollzugsetzung des § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht gehindert, eine neue, sich auf das Erforderliche und Angemessene beschränkende und aktuelle Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen berücksichtigende Maßnahme anzuordnen.

3. Die einstweilige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.