Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 13. Okt. 2017 - 11 U 53/17

bei uns veröffentlicht am13.10.2017

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 17. Januar 2017, Geschäfts-Nr. 411 HKO 112/15, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

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Ergänzend hierzu wird festgestellt:

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Der Kläger ist gemäß Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 18. September 2012 (Anlage K 1) Insolvenzverwalter über das Vermögen der P-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten auf die Erstattung von Zahlungen in Anspruch, die seitens der Schuldnerin nach dem Eintritt der von ihm behaupteten Überschuldung der Schuldnerin geleistet worden sind.

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Der Beklagte ist seit Gründung der über ein Stammkapital von € 25.000,00 verfügenden Schuldnerin deren alleiniger Geschäftsführer. Geschäftsgegenstand der Schuldnerin, deren alleinige Gesellschafterin die Ehefrau des Beklagten ist, war die Erbringung von Dienstleistungen und Beratungsleistungen für Call-Center einschließlich der Schulung von Call-Center-Mitarbeitern.

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Der am 18. Januar 2012 aufgestellte Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31. Dezember 2010 (Anlage K 4) weist ein handelsbilanzielles Eigenkapital der Schuldnerin in Höhe von noch € 23.498,34 aus. Ausweislich dieser Bilanz und der zugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung erwirtschaftete die Schuldnerin im Jahr 2010 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von € 20.910,96. Ausweislich der am 4. Januar 2012 erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertung der Schuldnerin für Dezember 2011 (Anlage K 5) erwirtschaftete die Schuldnerin in diesem Geschäftsjahr einen weiteren Fehlbetrag in Höhe von € 118.043,88.

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Im Zeitraum vom 2. Januar bis zum 30. Juni 2012 leistete die Schuldnerin von dem von ihr durchgehend im Guthaben geführten Geschäftskonto bei der ...bank AG insgesamt Zahlungen in Höhe von insgesamt € 239.278,20, wobei diese Zahlungen im Umfang von € 35.091,04 auf Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung entfielen.

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Seit Februar 2012 verzichteten der Beklagte und seine bei der Schuldnerin beschäftigte Ehefrau auf die laufenden Gehaltszahlungen in monatlicher Höhe von zusammen € 5.000,00. Am 10. Juli 2012 stellte der Beklagte für die Schuldnerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Anlage K 3), den er mit der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin begründete. Diesem Insolvenzantrag war unter anderem die betriebswirtschaftliche Auswertung der Schuldnerin für Dezember 2011 (Anlagen K 5, K 14 und K 17) beigefügt. Im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung war der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bereits zum Erliegen gekommen, es gab weder laufende Beratungsaufträge noch sonstige kurzfristig beginnende Aufträge.

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In einem Rechtsstreit der Schuldnerin gegen die V. erging zu Gunsten der Schuldnerin am 13. August 2012 eine Verurteilung in Höhe eines Teilbetrags von € 20.706,00 (Anlage B 2). Die Klage der Schuldnerin wurde nach zwischenzeitlicher Aufnahme des Rechtsstreits durch den Kläger allerdings im Berufungsrechtszug mit Urteil vom 14. August 2015 (Anlage K 12) abgewiesen.

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Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 (Anlage K 6) forderte der Kläger den Beklagten im Hinblick auf die bereits zum Jahresende 2011 eingetretene Überschuldung der Schuldnerin im Umfang von € 204.187,16 zur Erstattung der in der Zeit von Januar bis Juni 2012 seitens der Schuldnerin geleisteten Zahlungen auf. Mit Schreiben vom 8. April 2015 übersandte der Beklagte dem Kläger daraufhin einen korrigierten Jahresabschluss der Schuldnerin für 2010 (Anlage K 7), der nunmehr ein handelsbilanzielles Eigenkapital in Höhe von € 58.678,34 und einen Jahresüberschuss in Höhe von € 14.269,04 auswies. Ferner übersandte der Beklagte dem Kläger einen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 8), der bei einem Jahresfehlbetrag in Höhe von € 17.410,36 ein handelsbilanzielles Eigenkapital der Schuldnerin in Höhe von noch € 41.267,98 auswies.

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Der Kläger hat daraufhin am 16. Dezember 2015 gegen den Beklagten Klage erhoben.

11

Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 31. Dezember 2011 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen. Die in dem vom Beklagten auf den 31. Dezember 2011 erstellten Jahresabschluss ausgewiesenen Aktiva der Schuldnerin seien im Rahmen eines Überschuldungsstatus nach Liquidationswerten in erheblichem Umfang zu korrigieren:

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Nicht anzusetzen seien insoweit in Höhe von € 50.983,78 ausgewiesene „Immaterielle Vermögenswerte“, denen, was als solches unstreitig gewesen ist, ein E-Learning-Programm zur Weiterbildung von Call-Center-Mitarbeitern zu Grunde liege. Dieses Programm sei in einer fremden EDV-Struktur nicht nutzbar und deshalb auch im Rahmen einer außergerichtlichen Liquidation nicht verwertbar. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens habe sich hierfür kein Interessent gefunden, auch der weiterhin in der betreffenden Branche tätige Beklagte habe, was als solches ebenfalls unstreitig gewesen ist, kein Interesse an einer Übernahme dieses Programms gehabt, in der Vermögensübersicht zu dem Insolvenzantrag vom 10. Juli 2012 (Anlage K 26) habe der Beklagte, auch dies ist unstreitig gewesen, insoweit auch zu Recht keinen Vermögenswert in Ansatz gebracht.

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Darüber hinaus sei auch der mit € 57.218,00 ausgewiesene Aktivposten 523 im Kontennachweis zur Bilanz der Schuldnerin zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 14) um € 12.218,00 zu reduzieren. Bei diesem Aktivposten habe es sich, was wiederum unstreitig gewesen ist, um einen PKW der Marke Range Rover gehandelt, der nach den gleichfalls unstreitig eigenen Angaben des Beklagten in der Vermögensübersicht zum Insolvenzantrag lediglich einen Zeitwert von € 45.000,00 gehabt habe. Der Liquidationswert per 31. Dezember 2011 habe diesen Wert nicht überstiegen, was umso mehr deshalb gelte, weil das Fahrzeug aufgrund einer unstreitig erfolgten Sicherungsübereignung gar nicht mehr frei veräußerbar gewesen sei.

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Ferner sei auch die mit € 41.126,40 im Aktivposten 1210 des Kontennachweises zur Bilanz zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 8) als „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ohne Kontokorrent“ ausgewiesene Forderung der Schuldnerin gegen die V. mit € 0,00 anzusetzen, da diese Forderung ausweislich des Berufungsurteils vom 14. August 2015 nicht bestanden habe. Auch insoweit gelte, dass der Beklagte, was erneut unstreitig gewesen ist, diese Forderung in der dem Insolvenzantrag beigefügten Summen- und Saldenliste per 31. Dezember 2011 (Anlage K 17) ebenfalls bereits bis auf einen Erinnerungswert von € 1,00 abgewertet und offenbar selbst nicht mehr mit deren Durchsetzbarkeit gerechnet habe.

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Stille Reserven seien bei der Schuldnerin im Übrigen nicht vorhanden gewesen.

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Der Kläger hat außerdem behauptet, es seien im Rahmen der Überschuldungsbilanz in Höhe von € 45.000,00 zusätzliche Passiva als Drohverlustrückstellung für die fiktiven Kosten einer außergerichtlichen Liquidation anzusetzen. Es sei insoweit der Aufwand aus der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, mithin Kündigungslöhne und Mietaufwand für die Zeit zwischen Einstellung des werbenden Geschäftsbetriebs und der rechtlichen Beendigung des Mietverhältnisses, zu berücksichtigen. Der Personalaufwand der Schuldnerin habe, dies ist unstreitig gewesen, im Jahr 2011 rund € 145.000,00 betragen, während sich die Mietzahlungen ebenfalls unstreitig auf etwa € 36.000,00 belaufen hätten. Unter Zugrundelegung von im Umfang von 25 Prozent unproduktiven Auslaufkosten, denen keine ausgleichenden Erträge mehr gegenüberstünden, erhöhe sich die rechnerische Überschuldung der Schuldnerin hiernach um weitere € 45.000,00.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 204.187,16 nebst Zinsen auf diesen Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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hilfsweise,

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festzustellen, dass er mit Zahlung und in Höhe einer Zahlung der Klageforderung Insolvenzforderung erwirkt.

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Der Beklagte hat gemeint, es sei bei der Prüfung der Überschuldung der Schuldnerin nicht von Liquidationswerten, sondern von Fortführungswerten auszugehen. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte behauptet, dass es intensive Bemühungen um die Sanierung der Schuldnerin gegeben habe, namentlich sei von Februar bis Juli 2012 aussichtsreich und ernsthaft über einen Verkauf der Schuldnerin an die H-Akademie verhandelt worden.

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Im Übrigen sei das in Rede stehende E-Learning-Programm in der Handelsbilanz zum 31. Dezember 2011 zu Recht mit € 50.983,78 aktiviert worden, tatsächlich seien die entsprechenden Lernmodule sogar erheblich mehr wert gewesen, was schon daraus folge, dass die H-Akademie Anfang 2012 bereit gewesen sei, hierfür € 250.000,00 zu zahlen.

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Auch die Bewertung des PKW Range Rover sei mit € 57.218,00 zutreffend erfolgt, per 31. Dezember 2011 habe es für eine Abschreibung noch keinen Anlass gegeben. Das Fahrzeug sei nämlich, was als solches unstreitig gewesen ist, überhaupt erst Anfang 2012 ausgeliefert worden. Soweit er im Rahmen des Insolvenzantrags im Juli 2012 einen geringeren Fahrzeugwert in Ansatz gebracht habe, gründe dies auf der Laufleistung von bis dahin 10.000 km sowie auf einem zwischenzeitlich eingetretenen Blechschaden. Eine Weiterveräußerung des Fahrzeugs zu Anschaffungskosten hätte zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten bereitet, da, was als solches gleichfalls unstreitig gewesen ist, zum Zeitpunkt der Anschaffung eine Warteliste von neun Monaten für die Bestellung eines derartigen Fahrzeugs bestanden habe.

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Der Beklagte hat ferner behauptet, dass entgegen dem Vorbringen des Klägers in einem Umfang von € 3.000,00 stille Reserven der Schuldnerin zu berücksichtigen gewesen seien, da der mit einem Wert von € 8.000,00 in der Bilanz zum 31. Dezember 2011 ausgewiesene weitere PKW VW Polo tatsächlich einen Wert von € 11.000,00 gehabt habe. Darüber hinaus sei die Bilanz der Schuldnerin auch in dem Umfang um stille Reserven aufzuhellen, in dem der Kläger bilanzierte Verbindlichkeiten der Schuldnerin im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegenüber den Insolvenzgläubigern bestritten habe.

27

Entgegen der Auffassung des Klägers habe auch die gegenüber der V. geltend gemachte Forderung in der Handelsbilanz der Schuldnerin aktiviert werden dürfen. Hierfür spreche schon, dass neben dem Landgericht auch der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin sowie auch der den Rechtsstreit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufnehmende Kläger der Auffassung gewesen seien, dass der betreffende Anspruch zumindest zum Teil bestanden habe. Dass der Rechtsstreit im Berufungsverfahren gleichwohl verloren worden sei, sei lediglich auf die unzulängliche Prozessführung des Klägers zurückzuführen. Im Übrigen sei auch im Falle der Abwertung der gegen die V. verfolgten Forderung jedenfalls ein Umsatzsteuererstattungsanspruch der Schuldnerin in Höhe von 19 Prozent des Forderungsbetrags zu aktivieren.

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Jedenfalls habe er, der Beklagte, eine etwaige Überschuldung der Schuldnerin nicht erkennen können. Es habe insoweit um die Jahreswende 2011/2012 mit der Steuerberaterin der Schuldnerin Einvernehmen bestanden, dass die Anschaffung und Entwicklung der Lernmodule zu aktivieren sei. Da die Bilanz für das Jahr 2011 erst bis zum 31. Mai 2012 habe erstellt werden müssen, habe er bis dahin auch keine etwaige Überschuldung kennen müssen.

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Ohnehin seien, so hat der Beklagte weiter geltend gemacht, die klagegegenständlichen Zahlungen auch zumindest insoweit kaufmännisch vertretbar gewesen, als die hierin jeweils enthaltene Umsatzsteuer vom Finanzamt verrechnet bzw. erstattet worden sei. Zudem hätten die Zahlungen an die für die Schuldnerin tätig gewesenen Referenten und auch die Mietzahlungen für Seminarräume schon deshalb zu keinerlei Benachteiligung der Schuldnerin geführt, weil diese Kosten jeweils deutlich niedriger gewesen seien als die aus den betreffenden Seminaren für die Schuldnerin erzielten Umsätze.

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Darüber hinaus hat der Beklagte gegenüber der Klageforderung in Höhe von € 115.852,00 die Aufrechnung mit Mietforderungen als Vermieter der Betriebsräume der Schuldnerin in monatlicher Höhe von € 2.633,00 erklärt, die ihm für die Zeit seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis Mai 2016 deshalb zustünden, weil eine vollständige Räumung der Betriebsräume auch nach der seitens des Klägers zum 31. Dezember 2012 ausgesprochenen Kündigung nicht erfolgt sei.

31

Mit Urteil vom 17. Januar 2017 hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schuldnerin zur Zeit der streitgegenständlichen Zahlungen bereits überschuldet gewesen sei. Eine positive Fortführungsprognose sei jedenfalls ab dem 1. Januar 2012 nicht mehr zu Grunde zu legen gewesen, weil weder subjektiv der Wille zur Unternehmensfortführung bestanden habe noch objektive Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass sich das Unternehmen mit auskömmlichen Umsätzen künftig positiv entwickeln werde. Ausgangspunkt der nach Liquidationswerten zu beurteilenden Überschuldungsbilanz sei die Handelsbilanz der Schuldnerin per 31. Dezember 2011, der zufolge ein positives Eigenkapital in Höhe von € 41.267,98 bestanden habe. Dieser Wert sei mit Blick auf die für die Überschuldungsbilanz maßgeblichen Liquidationswerte zu berichtigen gewesen. Es ergebe sich im Hinblick auf die folgenden Posten eine Überschuldung in Höhe von € 53.642,20: Die Lernmodule seien in der Überschuldungsbilanz mit einem Liquidationswert von € 0,00 anzusetzen. Der Beklagte habe nicht belegen können, dass die Lernmodule im Wege der Liquidation auf einem entsprechenden Markt für derartige Produkte Abnehmer gefunden hätten. Die darüber durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F. habe einen vom Beklagten für Anfang 2012 vorgetragenen Marktwert von € 50.983,78, wenn nicht gar € 250.000,00, nicht bestätigt. Hinsichtlich des PKW Range Rover sei von einem merkantilen Minderwert infolge der Erstzulassung im Dezember 2011 auszugehen, den das Gericht im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO mit mindestens € 2.800,00, entsprechend fünf Prozent des Anschaffungswerts von € 56.218,49, bemesse. Die Forderungen gegen die V. seien in der Handelsbilanz der Schuldnerin zu Unrecht aktiviert worden und hätten auch in der Überschuldungsbilanz außer Betracht zu bleiben, da die Forderung seitens der V. vollen Umfangs bestritten worden und Gegenstand eines laufenden Rechtsstreits gewesen sei, der am Ende gegen die Schuldnerin ausgegangen sei. Das mit dem Vorsichtsprinzip verbundene Realisationsprinzip erfordere, dass nur hinreichend sichere Ansprüche in der Bilanz ausgewiesen werden dürften. Hinsichtlich des PKW VW Polo seien stille Reserven nicht zu aktivieren gewesen, da tatsächliche Anhaltspunkte für einen den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Betrag übersteigenden Wert vom Beklagten nicht vorgetragen seien. Substanziierter Vortrag des Beklagten zu weiteren stillen Reserven liege nicht vor. Das für die Haftung gemäß § 64 GmbHG erforderliche Verschulden des Beklagten sei gegeben. Der Beklagte habe sich nicht entlasten können. Substanziierter Vortrag des Beklagten zu einer Ausnahme von der Erstattungspflicht nach § 64 Satz 2 GmbHG liege nicht vor. Auch die Aufrechnung des Beklagten führe nicht zum Erfolg. Aufgrund der Kündigung des Klägers kämen von vornherein allenfalls Mieten für die Zeit ab Insolvenzeröffnung am 18. September 2012 bis zum 31. Dezember 2012 in Betracht. Vor dem Hintergrund der unstreitigen Korrespondenz der Parteien sei der Vortrag des Beklagten, der Kläger müsse auch für die Zeit danach Miete zahlen, weil er die Räume nicht vom Inventar der Schuldnerin geräumt habe, unsubstanziiert. Der letzte Stand der diesbezüglichen Korrespondenz der Parteien sei vielmehr gewesen, dass alles Inventar durch den Beklagten entsorgt werde und lediglich die Geschäftsunterlagen der letzten beiden Jahre vom Kläger abgeholt würden. Die übrigen Geschäftsunterlagen unterfielen der gemäß § 74 Abs. 2 GmbHG gesetzlichen Aufbewahrungspflicht des Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin. Hinsichtlich der Mietforderungen vom 18. September bis zum 31. Dezember 2012 bestehe für den Beklagten als Massegläubiger ein Aufrechnungsverbot. Infolge der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Kläger greife gemäß § 210 InsO das Vollstreckungsverbot hinsichtlich Masseverbindlichkeiten ein. Das Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei sinngemäß anzuwenden.

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Gegen dieses ihm am 18. Januar 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 7. Februar 2017 Berufung eingelegt, die er nach Fristverlängerung bis zum 18. April 2017 mit an diesem Tag eingegangener Berufungsbegründung begründet hat.

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Der Beklagte hält daran fest, dass sich aus der für die Überschuldungsprüfung maßgeblichen Handelsbilanz per 31. Dezember 2011 keine Überschuldung der Schuldnerin ergebe. Eine Insolvenzbilanz sei nur bei Insolvenzreife aufzustellen. Im Übrigen sei der Kläger für die Überschuldung der Schuldnerin beweis- und substanziierungspflichtig und habe insoweit nicht substanziiert vorgetragen. Es fehlten Darlegungen zu Verwertungsbemühungen des Klägers hinsichtlich der Lernmodule. Ferner seien die Ausführungen des Landgerichts zur Insolvenzbilanz falsch. Die Prüfung für die Insolvenzbilanz erfolge in einer zweistufigen Reihenfolge. Zunächst sei die Überschuldung zu ermitteln, falls diese vorliege, könne ausnahmsweise bei positiver Fortführungsprognose die Insolvenzreife fehlen. Hinsichtlich des PKW Range Rover rügt der Beklagte, bei der durch das Landgericht vorgenommenen Abwertung habe das Landgericht übersehen, dass bereits eine Monatsabschreibung in Höhe von € 970,25 vorgenommen worden sei. Hinsichtlich des PKW VW Polo habe das Gericht schätzen können, dass dieser wegen geringerer Laufleistung und jüngeren Alters sieben Monate vor Insolvenzantragstellung noch deutlich wertvoller gewesen sei. Bezüglich der Forderung in Höhe von € 41.126,40 gegen die V., die ihm seitens der Schuldnerin im Übrigen bereits vor dem Beginn des Rechtsstreits gegen die V. sicherungshalber abgetreten worden sei, habe das Landgericht das Vorliegen eines Verschuldens nicht geprüft. Verschulden entfalle insoweit, weil hier drei Volljuristen - der Prozessbevollmächtigte des Klägers, das Landgericht und der Kläger selbst - den Anspruch für begründet gehalten hätten. Bezüglich der Lernmodule beruft der Beklagte sich neben seinem erstinstanzlichen Vorbringen darauf, dass nach Insolvenzeröffnung ein Herr B. bereit gewesen sei, die Module zu erwerben und dafür einen sechsstelligen Preis zu zahlen. Es sei im Übrigen Aufgabe des Klägers gewesen, nach Interessenten zu suchen. Soweit der Kläger und das Landgericht der Auffassung seien, dass der Beklagte kein Interesse am Erwerb bekundet habe, sei dies auch nicht seine Aufgabe. In den Berichten an das Insolvenzgericht schreibe der Kläger, dass er sich an den Beklagten habe wenden und einen Verkauf an ihn versuchen wolle. Dies sei bislang nicht geschehen. Ferner komme eine Passvierung von Lohnkosten nicht infrage, da den Lohnverpflichtungen Ansprüche gegen die Arbeitnehmer auf Erfüllung der Arbeitsleistung entgegenstünden. Diese Leistungen seien gleichwertig. Die Passivierung von Lohnkosten sei zudem zirkelschlüssig, da diese nur vorzunehmen sei, wenn es aufgrund Überschuldung zu einer Betriebseinstellung komme. Die Frage der Überschuldung solle aber gerade geprüft werden.

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Weiterhin ist der Beklagte der Auffassung, dass das Landgericht die Aufrechnung mit Mietzinsforderungen zu Unrecht zurückgewiesen habe. In diesem Zusammenhang behauptet der Beklagte, der Kläger habe ungeachtet der Kündigung der Geschäftsräume der Schuldnerin darauf gedrängt, dass das dort vorhandene Inventar der Schuldnerin stehen bleibe, damit es durch den Kläger verwertet werden könne, dementsprechend habe das Mietverhältnis auch noch über den Kündigungszeitpunkt am 31. Dezember 2012 hinaus fortbestanden.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Landgerichts Hamburg, Az. 411 HKO 112/15 vom 18. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

39

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht habe die mit € 53.642,20 angenommene Überschuldung der Schuldnerin zutreffend aus den unter dem Gesichtspunkt der Liquidationsprämisse vorzunehmenden Wertberichtigungen der in der Handelsbilanz der Schuldnerin ausgewiesenen Aktiva hergeleitet.

40

Die Überschuldung der Schuldnerin sei für den Beklagten auch zumindest erkennbar gewesen, was sich schon aus der zunächst am 18. Januar 2012 erstellten Bilanz der Schuldnerin für 2010 und der einen Jahresverlust von mehr als € 118.000,00 ausweisenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen für 2011 ergebe. Die seitens des Beklagten aufgrund der außergerichtlichen Geltendmachung der Klageforderung erst im Nachhinein im März 2015 erstellte korrigierte Bilanz für 2011 könne den Beklagten in diesem Zusammenhang von vornherein nicht entlasten.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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1. Das Landgericht hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil zu Recht und aufgrund zutreffender Erwägungen in Höhe von € 204.187,16 nebst Zinsen zur Zahlung an den Kläger verurteilt.

43

Die Klageforderung steht dem Kläger gemäß § 64 Satz 1 GmbHG zu, weil die Schuldnerin bei Vornahme der streitgegenständlichen Zahlungen überschuldet gewesen ist und diese Zahlungen auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen sind. Die Klageforderung ist darüber hinaus auch nicht durch die seitens des Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen.

44

a) Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Voraussetzungen sind danach die bilanzielle Überschuldung und eine negative Fortführungsprognose, wobei § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO keine Prüfungsreihenfolge dieser Voraussetzungen vorschreibt. Für die Überschuldungsbilanz sind nach § 19 Abs. 2 InsO in der seit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz 2008 geltenden Fassung stets Liquidationswerte maßgeblich. Ergibt sich danach eine rechnerische Überschuldung, liegt eine Überschuldung im Sinne von § 19 InsO nach § 19 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 InsO gleichwohl nicht vor, wenn eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Anderenfalls steht auch insolvenzrechtlich die Überschuldung fest.

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aa) Eine positive Fortführungsprognose, für die im Anwendungsbereich des § 64 Satz 1 GmbHG der Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH, Urt. v. 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09 -, ZIP 2010, 2400 ff., juris Rn. 11), setzt grundsätzlich voraus, dass der Geschäftsführer davon ausgehen darf, dass das Unternehmen trotz der wirtschaftlichen Krise nach dem Willen der Gesellschafter fortgeführt werden soll und dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten jedenfalls in der nächsten Zeit, im Allgemeinen mindestens bis zum Ende des laufenden und des folgenden Geschäftsjahrs, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird erfüllen können. Die Fortführungsprognose ist danach im Kern eine Zahlungsfähigkeitsprognose, die einer nachvollziehbaren Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung bedarf (BGH, a.a.O., Rn. 13; Beschl. v. 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05 -, ZIP 2006, 2171, juris Rn. 3).

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Gemessen hieran liegen ausreichende Darlegungen des Beklagten nicht vor. Im Geschäftsjahr 2011 der Schuldnerin wurde auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens des Beklagten ein Fehlbetrag in Höhe von mindestens € 17.410,36 erwirtschaftet. Dem auch insoweit eigenen Vorbringen des Beklagten zufolge, wonach Anfang 2012 Verkaufsverhandlungen mit der H-Akademie hinsichtlich Software und Lernprogrammen stattgefunden hätten, ging der Beklagte tatsächlich nicht mehr von einem Fortführungswillen der Alleingesellschafterin der Schuldnerin aus und durfte er hiervon auch nicht ausgehen. Aus der Durchführung der in Rede stehenden Verkaufsverhandlungen folgte nämlich, dass der für das Unternehmen der Schuldnerin wesentliche Teil der Software und der Lernprogramme veräußert werden sollte, was der Fortführung des Unternehmens von vornherein entgegengestanden hätte. Auch im Übrigen sind objektive Anhaltspunkte für eine mögliche positive Entwicklung der Schuldnerin seit Anfang 2012 nicht vorgetragen. Damit fehlte es insbesondere an einer belastbaren Planung dazu, wie die ausweislich der vom Beklagten eingereichten Bilanz der Schuldnerin zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 8) im Jahr 2011 im Umfang von € 48.000,00 und weiteren € 35.641,00 neu aufgenommenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin absehbar hätten zurückgeführt werden können. Unstreitig ist zudem, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bereits geraume Zeit vor der Insolvenzantragstellung am 10. Juli 2012 vollständig zum Erliegen gekommen war und es weder laufende Beratungsaufträge noch sonstige kurzfristig beginnende Aufträge mehr gab.

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bb) Die Schuldnerin war seit dem Jahresende 2011 auch rechnerisch überschuldet.

48

In diesem Zusammenhang gilt, dass der Kläger die haftungsbegründend geltend gemachte Überschuldung der Schuldnerin unter Bezugnahme auf deren am 18. Januar 2012 aufgestellten Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 (Anlage K 4) sowie die betriebswirtschaftliche Auswertung der Schuldnerin für das Geschäftsjahr 2011 (Anlage K 5) ausreichend dargelegt hat. Der Handelsbilanz der Schuldnerin kommt für die Beurteilung der Überschuldung zwar nur eine indizielle Bedeutung zu (BGH, Urt. v. 19. November 2013 - II ZR 229/11 -, ZIP 2014, 168 ff., juris Rn. 17), gleichwohl genügt der klagende Insolvenzverwalter der ihm obliegenden Darlegung mit dem Verweis auf einen ausweislich der Handelsbilanz nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag und die weitere Darlegung, dass im Vermögen der Schuldnerin stille Reserven nicht vorhanden sind, wohingegen sodann der beklagte Geschäftsführer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen hat, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH, a.a.O., Rn. 18).

49

Ausgehend hiervon reicht der Verweis des Klägers auf das handelsbilanzielle Eigenkapital der Schuldnerin per 31. Dezember 2010 von € 23.498,34 und den im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von € 118.043,88 erwirtschafteten Jahresfehlbetrag für die Darlegung eines per Jahresende 2011 nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags und damit für die schlüssige Darlegung der rechnerischen Überschuldung der Schuldnerin aus. Der Kläger ist in diesem Zusammenhang auch nicht etwa gehalten, der von ihm auf die Handelsbilanz der Schuldnerin gestützten Darlegung der Überschuldung die seitens des Beklagten erst im März 2015 nachgereichten Jahresabschlüsse der Schuldnerin per 31. Dezember 2010 (Anlage K 7) und per 31. Dezember 2011 (Anlage K 8) zu Grunde zu legen. Die entsprechenden Zahlenwerke sind seitens des Beklagten unstreitig erst unter dem Eindruck seiner zunächst außergerichtlichen Inanspruchnahme durch den Kläger erstellt worden. Abgesehen davon, dass schon nicht ersichtlich ist, dass die entsprechenden Jahresabschlüsse durch Beschlussfassung gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG überhaupt noch irgendeine Verbindlichkeit erlangt hätten, kommt es insbesondere auch nicht in Betracht, die höchstrichterlich entwickelten Darlegungserleichterungen für den klagenden Insolvenzverwalter dadurch zu unterlaufen, dass dem beklagten Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnet würde, jederzeit einen nach seinen Vorstellungen korrigierten Jahresabschluss in den Rechtsstreit einzuführen und sich hierdurch seiner sekundären Darlegungslast für Wertaufhellungen gegenüber dem zunächst festgestellten Jahresabschluss zu entziehen.

50

Insofern hiernach dem Beklagten die Darlegungslast für gegenüber dem Jahresabschluss der Schuldnerin per 31. Dezember 2010 und dessen Fortschreibung aufgrund der betriebswirtschaftlichen Auswertung für das Geschäftsjahr 2011 abweichend geringere Passiva oder abweichend höhere Aktiva der Schuldnerin zum Stichtag 31. Dezember 2011 obliegt, liegen ausreichende Darlegungen des Beklagten zu den insoweit zwischen den Parteien maßgeblich streitigen Bilanzansätzen nicht vor:

51

(1) Hinsichtlich der durch die Schuldnerin entwickelten Lernmodule behauptet der Beklagte, diese hätten - entgegen den eigenen Angaben des Beklagten in der dem Insolvenzantrag vom 10. Juli 2012 beigefügten Vermögensübersicht (Anlage K 26) - tatsächlich einen Wert von mindestens € 50.900,00 gehabt, die H-Akademie sei Anfang 2012 sogar bereit gewesen, für diese Module mindestens € 250.000,00 zu zahlen. Ein Preis in dieser Höhe sei auch deshalb angemessen gewesen, weil die Herstellungskosten solcher Module in der Branche auf € 20.000,00 pro Modul geschätzt würden und in dieser Höhe auch für die H-Akademie anfielen.

52

Der Behauptung, die H-Akademie sei Anfang 2012 bereit gewesen, die Module für € 250.000,00 zu kaufen, ist das Landgericht auf Antrag des Beklagten durch Vernehmung des Zeugen F. nachgegangen, ohne dass diese Behauptung sich in der Beweisaufnahme bestätigt hätte. Der diesbezüglichen Beweiswürdigung des Landgerichts ist der Beklagte mit der Berufung nicht entgegengetreten.

53

Dem übrigen Vorbringen des Beklagten zu der angeblichen Werthaltigkeit der in Rede stehenden Lernmodule lässt sich weder nachvollziehbar entnehmen, wie der Beklagte zu dem für zutreffend gehaltenen Wertansatz von € 50.900,00 gelangt ist, noch hat der Beklagte zu anderweitig konkret bestehenden Verwertungsmöglichkeiten vorgetragen. Aus dem Vorbringen des Beklagten bereits mit der Klageerwiderung ergibt sich lediglich, dass insoweit Fremdkosten aktiviert worden sein sollen, die für die Bezahlung von Toningenieuren, Sprechern und Kameraleuten angefallen seien. Inwiefern die in dieser Höhe aktivierten Aufwendungen der Schuldnerin zugleich einen marktgerechten Liquidationswert der Lernmodule sollten abbilden können, erschließt sich allerdings nicht. Darüber hinaus beschränken sich die Darlegungen des Beklagten darauf, dass die Schuldnerin mit den fraglichen Modulen in den Jahren 2010 und 2011 Umsätze von insgesamt über € 130.000,00 erzielt habe. Auch dieses Vorbringen reicht für sich genommen aber nicht aus, um die Verwertbarkeit der Lernmodule unter der Prämisse der Liquidation der Schuldnerin substanziiert darzulegen und insofern einen Wertansatz per Jahresende 2011 in Höhe von € 50.900,00 zu rechtfertigen.

54

Soweit der Beklagte darüber hinaus erstmals mit der Berufung vorgetragen hat, ein Herr B. sei bereit gewesen, die Module für einen sechsstelligen Preis zu erwerben, hat der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hierzu persönlich angehörte Beklagte klargestellt, dass es sich hierbei um den angestrebten Verkaufserlös für seine nach der Insolvenz der Schuldnerin im gleichen Geschäftsfeld weiterbetriebene Einzelunternehmung gehandelt habe, die Veräußerung sei infolge der Insolvenz des Erwerbers allerdings nicht zur Durchführung gelangt, ohnehin seien die in die Insolvenzmasse gelangten fraglichen Lernmodule als solche "natürlich nicht" veräußert worden.

55

(2) Der Beklagte wendet gegenüber der auf die Handelsbilanz der Schuldnerin gestützten Darlegung der Überschuldung ferner ein, es seien - auch insoweit entgegen der lediglich Forderungen in Höhe von insgesamt € 892,00 ausweisenden Vermögensübersicht zum Insolvenzantrag (Anlage K 26) und zudem entgegen der Summen- und Saldenliste der Schuldnerin per Dezember 2011 (Anlage K 17, dort Konto 12422) - per Jahresende 2011 Forderungen gegenüber der V. im Nennwert von € 41.126,40 zu aktivieren gewesen.

56

Auch insoweit ist der Auffassung des Beklagten allerdings nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptet hat, die entsprechende Forderung sei bereits vor ihrer gerichtlichen Geltendmachung zur Sicherung an ihn persönlich abgetreten worden, und insofern eine Aktivierung zum Nennwert in der Bilanz der Schuldnerin schon grundsätzlich als zweifelhaft erscheint, kommt die seitens des Beklagten vorgenommene Aktivierung dieser Forderung deshalb nicht in Betracht, weil dies dem Gebot der vorsichtigen Bewertung streitiger Forderungen im Rahmen der Überschuldungsprüfung entgegensteht.

57

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraus, dass die Forderung einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist (Urt. v. 18. Oktober 2010, a.a.O., Rn. 18). Das Gebot einer vorsichtigen Bewertung streitiger Forderungen im Rahmen der Überschuldungsprüfung wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten (OLG Schleswig, Urt. v. 11. Februar 2010 - 5 U 60/09 -, ZIP 2010, 516 ff., juris Rn. 51; Senat, Urt. v. 29. Mai 2009 - 11 U 40/09 -, BeckRS 2009, 25551), es deckt sich im Übrigen auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Bilanzierung auch handelsbilanziell nur dann und insoweit zulässig ist, als der Anspruch nicht „ernstlich zweifelhaft“ ist (Urt. v. 23. April 2012 - II ZR 252/10 -, BGHZ 193, 96 ff., juris Rn. 25).

58

Für die im Rahmen der Prüfung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung entsprechende Anwendung der Grundsätze vorsichtiger Bewertung spricht namentlich, dass es im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 InsO erst Recht um die realistische Beurteilung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft und insofern in erster Linie um den Gläubiger- und Verkehrsschutz geht. Mit Blick hierauf muss eine Überbewertung von Vermögensgegenständen vermieden werden, die eine unzutreffende Verneinung der Insolvenzreife zur Folge hätte. Ziel der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung ist vielmehr eine möglichst realistische Einschätzung des Unternehmenswerts, was insofern im Rahmen des § 19 InsO dazu führt, dass im Falle einer streitigen Forderung auch die reale Möglichkeit eines vollständigen Forderungsausfalls zu berücksichtigen ist. Für eine im Sinne eines prozentualen Abschlags vorzunehmende bloße Wertberichtigung einer bereits dem Grunde nach streitigen Forderung fehlt ohnehin jede praktikable Grundlage, vielmehr kann durch eine derartige Wertberichtigung allenfalls die zweifelhafte wirtschaftliche Durchsetzbarkeit einer Forderung abgebildet werden. Schließlich kann es unter der Zielsetzung des Gläubiger- und Verkehrsschutzes auch nicht allein der eigenen Einschätzung des Geschäftsführers überlassen werden, eine der Sache nach gebotene Wertberichtigung zu quantifizieren und hierdurch quasi über die Insolvenzreife der Gesellschaft zu disponieren.

59

Gemessen hieran kommt die Aktivierung der gegen die V. geltend gemachten Forderung der Schuldnerin nicht in Betracht. Die Forderung war durch die V. in vollem Umfang bestritten und Gegenstand eines laufenden Rechtsstreits, der durch rechtskräftiges Berufungsurteil zu Lasten der Schuldnerin entschieden wurde.

60

In Ansehung der Gründe des die Klage abweisenden Berufungsurteils vom 14. August 2015 (Anlage K 12) ist allerdings ohnehin davon auszugehen, dass der in Rede stehende Anspruch gegenüber der V. zu keinem Zeitpunkt bestanden hat. Das entgegenstehende Vorbringen des Beklagten, der Rechtsstreit sei lediglich aufgrund unzulänglicher Prozessführung nach Aufnahme des Rechtsstreits durch den Kläger verloren gegangen, gibt für eine im vorliegenden Rechtsstreit insoweit inzident vorzunehmende eigenständige Prüfung des Bestehens des gegen die V. geltend gemachten Anspruchs substanziell nichts her. Ohnehin übersieht der Beklagte in diesem Zusammenhang, dass auch der erstinstanzliche Prozesserfolg lediglich zur Ausurteilung eines Anspruchs in Höhe von € 20.706,00 geführt hatte, so dass jedenfalls die Aktivierung mit dem Nominalbetrag der Forderung von € 41.126,40 schlechterdings jeder Grundlage entbehrt hat.

61

(3) Hiernach ergibt sich auch unter Zugrundelegung eines handelsbilanziellen Eigenkapitals der Schuldnerin zum Jahresende 2011 von € 41.267,98, wie der Beklagte dies unter Verweis auf den von ihm erst im Jahr 2015 aufgestellten Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 8) dargelegt hat, eine Überschuldung der Schuldnerin im Umfang von mindestens € 50.842,20.

62

Auf die zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Bilanzansätze zum 31. Dezember 2011 für die beiden im Besitz der Schuldnerin befindlichen Fahrzeuge kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

63

Substanziierter Vortrag des Beklagten dazu, welche in der Handelsbilanz angesetzten Verbindlichkeiten der Schuldnerin tatsächlich nicht oder nur zu geringeren Werten und welche zusätzlichen Forderungen der Schuldnerin im Zusammenhang mit der erfolglosen Inanspruchnahme der V. gegenüber Subunternehmern der Schuldnerin bestanden haben sollen, liegt gleichfalls nicht vor.

64

In diesem Zusammenhang ist es jedenfalls ohne Bedeutung, ob und welche der Verbindlichkeiten vom Kläger im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegenüber den Forderungsanmeldern bestritten wurden. Die Konsequenz der höchstrichterlich entwickelten Darlegungserleichterungen zu Gunsten des klagenden Insolvenzverwalters, der sich für die Darlegung der Überschuldung auf die Handelsbilanz der Gesellschaft stützen kann, ist es ja gerade, dass es in Ansehung der bei Aufstellung des Jahresabschlusses noch für zutreffend gehaltenen Bewertungen dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer obliegt, darzulegen, warum im Rahmen der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung einzelne Bilanzansätze zu Gunsten der Gesellschaft nunmehr doch abweichend zu beurteilen sein sollten.

65

b) Die als solche im Gesamtbetrag von € 204.187,16 unstreitigen Zahlungen der Schuldnerin im Zeitraum vom 2. Januar bis zum 30. Juni 2012, die der Kläger zutreffend unter Abzug der auf Steuerverbindlichkeiten und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung entfallenden Beträge bestimmt hat, waren auch nicht im Sinne von § 64 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar.

66

aa) Ausgenommen von der Erstattungspflicht sind nach § 64 Satz 2 GmbHG nur solche Zahlungen, die auch nach Eintritt der Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Privilegiert sind - zusätzlich zu Zahlungen auf strafbewehrte Zahlungsverpflichtungen des Geschäftsführers - insbesondere Zahlungen im Austausch für eine vollwertige und zeitnahe Gegenleistung (BGH, Urt. v. 18. November 2014 - II ZR 231/13 -, BGHZ 203, 218 ff., juris Rn. 9) sowie Zahlungen, durch die aus ex-ante-Sicht im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (BGH, Urt. v. 4. Juli 2017 - II ZR 319/15 -, ZIP 2017, 1619 ff., juris Rn. 21; Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 -, BGHZ 146, 264 ff., juris Rn. 22). Der Ausnahmetatbestand des § 64 Satz 2 GmbHG ist eng auszulegen, um den Schutz vor Masseschmälerungen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG nicht wieder auszuhöhlen. Entscheidend ist, ob Zahlungen im wohlverstandenen Interesse der Gläubigergemeinschaft erfolgt sind (Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 64 Rn. 89).

67

bb) Substanziierter Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten liegt hierzu nicht vor. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, die Zahlungen an die freien Referenten und die Mieten für die Seminarräume in der Gesamthöhe von € 38.770,55 hätten zu keinerlei Benachteiligung der Schuldnerin geführt, weil diese Kosten deutlich niedriger gewesen seien als die aus den betreffenden Seminaren erzielten Umsätze, ist dies mangels näherer Darlegung der sich aus den jeweiligen Seminaren ergebenden Gewinne im Einzelnen weder einlassungsfähig noch nachvollziehbar. Eine Berücksichtigung von Zahlungen zu Lasten der Aktivmasse der Gesellschaft erst nach vollständiger Leistungserbringung seitens des Vertragspartners kommt allerdings ohnehin nicht in Betracht, weil hiermit kein Massezufluss mehr verbunden ist (BGH, Urt. v. 4. Juli 2017, a.a.O., Rn. 10 ff.).

68

Entsprechendes gilt für den Vortrag, die klagegegenständlichen Zahlungen seien insoweit kaufmännisch vertretbar gewesen, als die darin enthaltene Umsatzsteuer von 19 Prozent betroffen sei, die vom Finanzamt verrechnet bzw. erstattet worden sei. Es reicht nicht aus, dass die Umsatzsteuer zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erstattet oder verrechnet wird. Die bloße Aussicht auf eine mögliche Umsatzsteuererstattung ist nämlich deshalb noch keine nach § 64 Satz 2 GmbHG privilegierte Gegenleistung, weil schon nicht feststeht, dass sie überhaupt stattfindet, oder stattdessen lediglich eine demgegenüber nicht mit einem Massezufluss verbundene Verrechnung mit anderweitig bestehenden Steuerverbindlichkeiten erfolgt.

69

c) Die Verletzung der dem Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin obliegenden Verpflichtung zur Erhaltung der Masse erfolgte auch schuldhaft.

70

aa) Der Ersatzanspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG setzt Verschulden voraus, wobei Fahrlässigkeit genügt (BGH, Urt. v. 6. Juni 1994 - II ZR 292/91 -, BGHZ 126, 181 ff., juris Rn. 32, Senat, Urt. v. 8. November 2013 - 11 U 192/11 -, ZInsO 2012, 2447 ff., juris Rn. 48). Haftungsbegründend ist deshalb bereits die Erkennbarkeit der Insolvenzreife, die ihrerseits vermutet wird, wobei die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erkennbarkeit den in Anspruch genommenen Geschäftsführer trifft (BGH, Urt. v. 29. November 1999 - II ZR 273/98 -, BGHZ 143, 184 ff., juris Rn. 6; Senat, a.a.O.).

71

bb) Die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Beklagten ist bereits im Hinblick auf den am 18. Januar 2012 erstellten Jahresabschluss der Schuldnerin für 2010 (Anlage K 4) und die bereits am 4. Januar 2012 erstellte betriebswirtschaftliche Auswertung der Schuldnerin für das Geschäftsjahr 2011 (Anlage K 5) nicht zweifelhaft:

72

Aus dem betreffenden Jahresabschluss lässt sich ein verbleibendes Eigenkapital der Schuldnerin von lediglich € 23.498,34 entnehmen, aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung ein weiterer Jahresfehlbetrag in Höhe von € 118.043,88. Zum Jahresende 2011 hatte es der Beklagte auch noch für zutreffend gehalten, die Forderung gegenüber der V. auf einen Erinnerungswert von € 1,00 abzuwerten (vgl. Anlage K 17), was nicht zuletzt im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal vorübergehenden Teilerfolg vor dem Landgericht auch ohne Weiteres als sachgerecht erscheinen musste.

73

Ebenso wenig hat der Beklagte es ausweislich der Summen- und Saldenliste per 31. Dezember 2011 (Anlage K 14) für angezeigt gehalten, die von der Schuldnerin entwickelte Software als einen relevanten Aktivposten in Ansatz zu bringen. Auch insoweit ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen nicht zu erkennen, dass der Beklagte mit dieser seinerzeitigen Einschätzung falsch gelegen haben könnte. Schon hiernach spricht einiges dafür, dass der Beklagte die insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht nur erkennen konnte, sondern sogar positiv erkannt oder jedenfalls ohne weiteres für möglich gehalten hat, die Voraussetzungen für eine fehlende Erkennbarkeit der Insolvenzreife erschließen sich jedenfalls nicht.

74

Als weiteres relevantes Krisenanzeichen, das dem Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin hat Veranlassung geben müssen, deren Überschuldung und damit deren Insolvenzreife fortlaufend zu überprüfen, hatte es sich dem Beklagten darüber hinaus bereits im Jahresverlauf 2011 aufdrängen müssen, dass die Schuldnerin ausweislich der vom Beklagten eingereichten Bilanz der Schuldnerin zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 8) ihre Lebensfähigkeit bereits in diesem Jahr nur noch durch die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten im Umfang von € 48.000,00 und weiteren € 35.641,00 vorübergehend hat aufrechterhalten können.

75

cc) Der Beklagte kann sich auch nicht unter Hinweis darauf exkulpieren, dass um die Jahreswende 2011/2012 er und die Steuerberaterin der Schuldnerin sich darüber einig gewesen seien, dass für das Jahr 2011 die Anschaffung und Herstellung der Lernmodule zu aktivieren sei, und bezüglich der Forderung gegen die V. insgesamt drei Volljuristen den Anspruch für begründet gehalten hätten.

76

Das Verschulden entfällt zwar, wenn der Geschäftsführer sich aufgrund fehlerhafter Beratung in einem nicht vorwerfbaren Irrtum bezüglich der Insolvenzreife der Gesellschaft befindet. Es gilt allerdings auch insofern ein strenger Maßstab. Der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer ist hiernach nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen und für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und hiernach keine Insolvenzreife festzustellen war. Das Prüfergebnis ist zudem nach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf Plausibilität zu überprüfen (BGH, Urt. v. 27. März 2012 - II ZR 171/10 -, ZIP 2012, 1174 ff., juris Rn. 15 f.).

77

Der Beklagte hat aber weder vorgetragen, dass die Steuerberaterin der Schuldnerin oder gar die mit der Durchsetzung der Forderung gegen die V. befassten Rechtsanwälte gerade auch mit der Prüfung der Insolvenzreife der Schuldnerin beauftragt gewesen seien, noch dass er selbst ein entsprechendes Prüfergebnis auf Plausibilität überprüft hätte. Im Rahmen der Überschuldungsprüfung hat es auch von vornherein gar nicht um die Frage gehen können, ob die Forderung gegen die V. rechtlich durchsetzbar besteht, sondern vielmehr allein darum, ob diese bereits aus dem Sommer 2010 herrührende vermeintliche Forderung ungeachtet dessen, dass die V. zu keinerlei Zahlungen bereit war und insofern die Führung eines Rechtsstreits erforderlich wurde, im Rahmen der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung in voller Höhe aktiviert werden konnte. Eine fachliche Beratung in dieser Hinsicht hat der Beklagte nicht behauptet.

78

d) Ein Erfolg ist der Berufung schließlich auch nicht aufgrund der von dem Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung mit Mietforderungen aus der Zeit seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18. September 2012 bis Mai 2016 im Umfang von insgesamt € 115.852,00 zu bescheiden.

79

Ungeachtet der diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Urteil besteht die seitens des Beklagten geltend gemachte Aufrechnungsforderung nämlich schon deshalb nicht, weil der Beklagte hinsichtlich etwa bestehender Mietforderungen gegenüber der Schuldnerin in gleicher Höhe einem Schadensersatzanspruch der Schuldnerin gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG ausgesetzt wäre und insofern der Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs des Beklagten auch im Wege der Aufrechnung die sog. dolo-agit-Einrede gemäß § 242 BGB entgegenstünde.

80

Ausgehend davon, dass die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb unstreitig bereits vor Stellung des Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10. Juli 2012 eingestellt hatte, hätte es dem Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin nämlich oblegen, das zwischen der Schuldnerin und ihm persönlich bestehende Untermietverhältnis zeitnah noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beenden, anstatt das Vermögen der Schuldnerin weiterhin mit eigenen Mietforderungen dieser gegenüber zu belasten. Eine derartige Beendigung des mit der Schuldnerin bestehenden Untermietverhältnisses etwa im Wege der Vertragsaufhebung wäre dem Beklagten - ungeachtet etwa bestehender Kündigungsfristen - in Anbetracht dessen auch unschwer zuzumuten gewesen, dass der Beklagte die Mieträume nach der Einstellung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin ohnehin im Rahmen des nunmehr wieder ausgeweiteten Geschäftsbetriebs seiner Einzelunternehmung unverändert weitergenutzt hat.

81

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

82

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

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1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 204.187,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die geleisteten Zahlungen begünstigten Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Insolvenzmasse gegen den Kläger zu verfolgen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist gemäß Beschluss des Amtsgerichts Hamburg (Az ...) (Anlage K1) Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. p. c. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).

2

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Rückerstattung von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen.

3

Die Schuldnerin wurde am 03.08.2004 in H. gegründet. Das Stammkapital in Höhe von EUR 25.000,00 wird von der Ehefrau des Beklagten gehalten. Der Beklagte ist seit Gründung der Schuldnerin deren alleiniger Geschäftsführer.

4

Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war die Erbringung von Dienstleistungen und Beratungsleistungen für Call-Center einschließlich Schulung von Call-Center-Mitarbeitern.

5

Vor dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin war es bereits zweimal (2000 und 2004) zur Insolvenz der von dem Beklagten geführten Unternehmen gekommen.

6

Am 09.07.2012 stellte der Beklagte für die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit (Anlage K3). Zu diesem Zeitpunkt war der Geschäftsbetrieb bereits zum Erliegen gekommen.

7

Der Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2011 (Anlage K8) wies einen Jahresfehlbetrag in Höhe von € 17.410,36 und ein (positives) Eigenkapital von € 41.267,98 aus.

8

Im Zeitraum vom 02.01.2012 bis zum 30.06.2012 leistete der Beklagte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin die auf Seiten 8 bis 19 der Klageschrift aufgeführten Zahlungen vom Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der C. Bank, Konto-Nr. ..., in der Gesamthöhe von € 204.187,16 (ohne Steuerzahlungen und Arbeitgeber-Beiträge zur Sozialversicherung) an diverse Empfänger.

9

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung der vorgenannten Beträge.

10

Der Kläger trägt vor, die Insolvenzschuldnerin sei - ausgehend von der Bilanz zum 31.12.2011 (Anlage K8) - spätestens ab dem 31.12.2011 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen.

11

Eine positive Fortführungsprognose der Schuldnerin habe am 31.12.2011 nicht bestanden, so dass nach Liquidationswerten zu bewerten sei.

12

Die dortigen Bilanzansätze der Aktiva seien im Rahmen eines Überschuldungsstatus demgemäß wie folgt nach unten zu korrigieren („stille Lasten“):

13

a) Zu Unrecht seien in der Bilanz „Immaterielle Vermögenswerte“ mit € 50.983,78 angesetzt. Dabei solle es sich ausweislich der Kontennachweise (Nr. 135 „EDV-Software“) um ein E-Learningprogramm zur Weiterbildung von Call-Center-Mitarbeitern handeln. Da dieses Programm in einer fremden EDV-Struktur nicht nutzbar und im Rahmen einer außergerichtlichen Liquidation der Schuldnerin unverwertbar und wertlos sei, könne es im Überschuldungsstatus per 31.12.2011 nicht angesetzt werden. Auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens habe sich kein Interessent dafür gefunden. Der Beklagte, der im Rahmen einer einzelkaufmännischen Unternehmung weiterhin Beratungsleistungen wie die Schuldnerin anbiete, habe ebenfalls kein Interesse daran gezeigt.

14

b) Weiterhin sei der Aktivposten Kto. 523 Pkw € 57.218,00 um € 12.218,00 zu reduzieren. Der betreffende Pkw Range Rover habe nach den eigenen Angaben des Beklagten im Insolvenzantrag lediglich einen Zeitwert und damit Liquidationswert von € 45.000,00.

15

c) Die mit € 41.126,40 in der Bilanzposition 1210 (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ohne Kontokorrent € 46.222,27) enthaltene angebliche Forderung gegen die V.- B. H. (nachfolgend: V.) sei mit € 0,00 anzusetzen, weil sie ausweislich des Berufungsurteils des HansOLG Hamburg vom 14.08.2015 (1 U 165/12; Anlage K12) nicht bestanden habe. Der Beklagte selbst habe diese Forderung ausweislich der seinem Insolvenzantrag beigefügten Summen- und Saldenliste per 31.12.2011 (Ausdruck vom 04.01.2012) bis auf den Erinnerungswert von € 1,00 abgeschrieben und offenbar selbst nicht mehr mit der Durchsetzbarkeit gerechnet.

16

d) Im Übrigen seien stille Reserven, die zu berücksichtigen wären, nicht vorhanden. Dass der Liquidationswert des Pkw VW Polo (Kto. 521) den Buchwert von € 8.002,00 übersteige, werde bestritten.

17

Danach ergebe sich eine rechnerische Überschuldung per 31.12.2011 wie folgt:

18

Eigenkapital laut Handelsbilanz

 € 41.267,98

abzüglich E-Learn-Module

./. € 50.983,78

abzüglich Pkw Range Rover

./. € 12.218,00

abzüglich Forderung gegen V.

 ./. € 41.126,40

Überschuldung

 ./. € 63.060,20

19

Vorsorglich mache der Kläger geltend, dass im Rahmen der Überschuldungsbilanz zusätzliche Passiva als Drohverlustrückstellung in Höhe von € 45.000,00 für die (fiktiven) Kosten einer außergerichtlichen Liquidation anzusetzen seien.

20

Der Kläger beantragt,

21

wie erkannt

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen,

24

hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte mit Zahlung und in Höhe einer Zahlung der Klagforderung Insolvenzforderung erwirbt.

25

Der Beklagte trägt vor, die Insolvenzschuldnerin sei am 31.12.2007 nicht überschuldet gewesen. Da der Kläger keine der Fortführung entgegenstehende Umstände dargelegt habe, sei nicht von Liquidationswerten, sondern von Fortführungswerten auszugehen. Es habe intensive Sanierungsbemühungen gegeben. Von Februar 2012 bis Juli 2012 sei mit dem Vertreter H.- J. F. der H. Akademie (Verlagsgruppe H. AG) aussichtsreich und ernsthaft über einen Verkauf des Unternehmens verhandelt worden.

26

a) Die E-Learn-Module (40 Module) seien zu Recht mit € 50.983,78 angesetzt worden. Sie seien sogar erheblich mehr wert gewesen. Anfang 2012 sei die H. Akademie bereit gewesen, sogar mindestens € 250.000,00 allein für die Module zu zahlen.

27

b) der Range Rover sei ebenfalls mit € 57.218,00 richtig bewertet. Das Fahrzeug sei erst Anfang 2012 geliefert und habe bis Juli 2012 lediglich 10.000 km gelaufen und einen Blechschaden erlitten. Per 31.12.2011 habe es aber noch keinen Anlass für eine Abschreibung gegeben.

28

c) Zur Forderung gegen die V.: Nachdem die 1. Instanz (Landgericht) zugunsten der Schuldnerin entschieden habe, habe gemäß § 252 Abs.2 HGB der Anspruch aktiviert werden dürfen. Spätere Erkenntnisse und späteres besseres Wissen seien nicht zu berücksichtigen. Der von dem Kläger in der Berufungsinstanz weitergeführte Prozess gegen die V. sei außerdem aufgrund Anwaltsverschuldens verloren gegangen.

29

d) Der in der Bilanz mit einem Buchwert von € 8.000,00 angesetzte Pkw VW Polo habe tatsächlich einen Wert von € 11.000,00 gehabt, so dass € 3.000,00 stille Reserven zu berücksichtigen seien.

30

e) Außerdem seien bei den Verbindlichkeiten aus 2011 noch erhebliche stille Reserven abzuziehen, soweit der Kläger nämlich deren Bestehen im Insolvenzverfahren bestritten habe.

31

Nach allem sei eine Überschuldung per 31.12.2011 nicht festzustellen.

32

Eine solche sei für den Beklagten auch nicht erkennbar gewesen. Noch um die Jahreswende 2011/2012 seien sich der Beklagte und die Steuerberaterin einig gewesen, dass für das Jahr 2011 die Anschaffung und Herstellung der Lern-Module zu aktivieren sei. Da die Bilanz für 2011 nach den gesetzlichen Vorschriften erst am 31.05.2012 erstellt werden musste, habe der Beklagte bis dahin keine Überschuldung kennen müssen.

33

Die klagegegenständlichen Zahlungen seien zudem insoweit kaufmännisch vertretbar gewesen, als es die darin enthaltene Umsatzsteuer von 19% betreffe, die vom Finanzamt verrechnet bzw. erstattet wurde. Insoweit liege überhaupt kein Nachteil für die Gemeinschuldnerin vor.

34

Weiterhin hätten die Zahlungen an die freien Referenten und die Mieten für die Seminarräume in der Gesamthöhe von € 38.770,55 zu keinerlei Benachteiligung der Schuldnerin geführt, da diese Kosten deutlich niedriger seien als die Umsätze aus den Seminaren (kalkulatorisch max. 50%).

35

In Höhe von € 115.852,00 erkläre der Beklagte die Aufrechnung mit Mietzinsforderungen als Vermieter der Betriebsräume der Schuldnerin in Höhe von € 2.633,00 monatlich für die Zeit ab Insolvenzeröffnung bis 31.12.2012 (Kündigung des Klägers, Anlage K21) und für die Zeit danach gemäß §§ 545 und 546a BGB, weil der Kläger nicht geräumt habe. Diese seien Masseschulden, mit denen aufgerechnet werden könne.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

37

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 18.10.2016 (Bl. 88 d.A.) durch Vernehmung des Zeugen H. j. F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2016 (Bl. 94ff. d.A.) inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

38

Der Klage war aus den folgenden, gemäß § 330 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefassten Erwägungen stattzugeben:

39

1. Der Beklagte haftet als Geschäftsführer der Schuldnerin für Zahlungen, die er während einer Zeit leistete, in welcher die Insolvenzschuldnerin insolvenzrechtlich überschuldet war, es sei denn, es handelte sich um Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar waren.

40

Gemäß § 64 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft geleistet werden. Die Voraussetzungen für die Ersatzpflicht gemäß § 64 GmbHG liegen hier vor.

41

Die streitgegenständlichen Zahlungen ab dem 02.01.2012 erfolgten in einem Zeitraum, in dem die Schuldnerin überschuldet war. Gemäß § 19 Abs. 2 InsO ist Überschuldung anzunehmen, wenn das Vermögen des Schuldners / der Schuldnerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wobei bei der Bewertung des Vermögens die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.

42

2. Eine positive Fortführungsprognose war jedenfalls ab 01.01.2012 nicht mehr gerechtfertigt:

43

Der Beklagte hat dazu substantiiert nichts vorgetragen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose – mit der Folge einer Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten – obliegt dem Geschäftsführer. Dazu gehört subjektiv der Wille zur Fortführung des Unternehmens und objektiv die Aufstellung eines Ertrags- und Finanzplans mit einem schlüssigen Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum (vgl. BGH vom 18.10.2010, II ZR 151/09 m.w.N.). An entsprechenden Darlegungen des Beklagten fehlt es vorliegend. In 2011 wurde unstreitig ein Fehlbetrag von € 17.410,36 erwirtschaftet. Der Vortrag des Beklagten über seine Verkaufsabsichten ab Anfang 2012 belegt, dass ein Fortführungswille bei ihm nicht vorhanden war. Allein die Absicht und die Verhandlungen über einen Verkauf mit der H. Akademie stellen noch keine tragfähigen Sanierungsbemühungen dar. Letztlich hat sich die H. Akademie auch nicht von einer Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin überzeugen lassen, was jedenfalls nicht für die wirtschaftliche Zukunft der Schuldnerin spricht. Objektive Ansatzpunkte dafür, dass sich das Unternehmen mit auskömmlichen Umsätzen künftig positiv entwickeln werde, waren daher seit Anfang 2012 nicht zu sehen. So hat der Kläger auch unwidersprochen vorgetragen, dass bei dem Insolvenzantrag des Beklagten am 09.07.2012 bereits der Geschäftsbetrieb zum Erliegen gekommen war und es weder laufende Beratungsaufträge noch sonstige kurzfristig beginnende Aufträge gab. Dem hat der Beklagte nichts Substantielles entgegengesetzt.

44

3. Die Überschuldungssituation war danach zu Liquidationswerten zu beurteilen und ergibt sich wie folgt:

45

Ausgangspunkt der Überschuldungsbilanz ist zunächst die Handelsbilanz per 31.12.2011 (Anlage K8). Danach bestand ein positives Eigenkapital in Höhe von € 41.267,98.

46

Dieser Wert war um die sich nach Liquidationsgesichtspunkten zu berichtigenden Bilanzansätze zu modifizieren. Dabei handelt es sich nach dem Vortrag der Parteien um die folgenden Streitpunkte:

47

a) E-Learn-Module:

48

Diese waren im Rahmen der Überschuldungsbilanz mit einem Liquidationswert von € 0,00 anzusetzen. Soweit der Beklagte behauptet hat, die Module hätten noch Anfang 2012 einen Marktwert in Höhe von mindestens € 50.983,78 (Bilanzansatz), wenn nicht gar € 250.000,00 gehabt, hat die hierüber durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F. dies nicht bestätigt. Zwar hat der Zeuge seinerzeit als Geschäftsführer der H. Akademie mit dem Beklagten über eine Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin insgesamt verhandelt, wobei nach der Erinnerung des Zeugen ein Kaufpreis von insgesamt € 1 Mio. in Rede stand. Zutreffend ist auch, dass im Rahmen dieser Übernahmeverhandlungen ein Betrag von € 250.000,00 für die betreffenden E-Learn-Module ins Auge gefasst wurde. Letztlich hat sich die H. Akademie aber gegen den Ankauf der Schuldnerin insgesamt, wie auch gegen den gesonderten Ankauf der E-Learn-Module entschieden. Letzteres nach der glaubhaften Aussage des Zeugen insbesondere deshalb, weil die Abteilungen Produktmanagement und Technik der H. Gruppe nach genauerer Prüfung der Module zu dem Ergebnis gekommen waren, dass – trotz der Qualität der Module – diese so stark auf die Zielgruppe (Call-Center) der Schuldnerin zugeschnitten waren, dass sie nicht ohne zusätzliche Produktionskosten in die E-Learning-Bibliothek der H. Akademie integriert werden konnten. Zur Abgabe konkreter Kaufangebote ist es daher zu keiner Zeit mehr gekommen. Dass es neben der H. Akademie noch andere Interessenten für die Module gegeben hätte, war weder dem Zeugen bekannt, noch hat der Beklagte dies vorgetragen. Unstreitig hat er selbst für seine jetzige einzelkaufmännische Tätigkeit auf demselben Sektor wie die Schuldnerin kein Interesse an einem Ankauf der Module gehabt. Im Ergebnis hat der Beklagte damit nicht zu belegen vermocht, dass die streitgegenständlichen E-Learn-Module für Call-Center im Wege der Liquidation – unabhängig von der Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin - auf einem entsprechenden Markt für derartige Produkte zu irgendeinem Kaufpreis Abnehmer gefunden hätten. Dem Beklagten als Branchenkenner ist es im Ergebnis nicht gelungen, die Module zu verkaufen. Da ein Marktpreis für die Module offensichtlich nicht existent und nicht zu erzielen war, kommt es nicht darauf an, ob der bei den damaligen Verhandlungen mit dem Zeugen F. genannte mögliche Kaufpreis angesichts der Herstellungskosten der Module ein „Schnäppchen“ (so F.) gewesen wäre.

49

b) Pkw Range Rover:

50

Der Beklagte hat das Fz. in der Bilanz per 31.12.2011 mit dem Anschaffungswert von netto € 56.218,49 (Rechnung J.-K. vom 20.12.2011, Anlage B7) angesetzt. Das Fahrzeug wurde unstreitig noch im Dezember 2011 für die Schuldnerin zum Straßenverkehr zugelassen, auch wenn es erst im Januar 2012 an die Schuldnerin ausgeliefert wurde. Damit war das Fahrzeug kein Neufahrzeug mehr, das im Liquidationsfall noch zum Werksneupreis verkauft werden konnte. Bereits durch die Erstzulassung in 12/2011 hat das Fahrzeug - ohne dass es bewegt wurde – einen merkantilen Minderwert erlitten, der abzuschreiben war. Diesen Minderwert bemisst das Gericht im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO auf mindestens € 2.800,00 (ca. 5 % des Anschaffungswertes). Auf den von dem Beklagten per 30.07.2012 im Insolvenzantrag nach angeblichem Blechschaden und gelaufenen 10.000 km angegebenen Wert von lediglich € 45.000,00 kommt es insoweit nicht an.

51

c) Forderung gegen die V.:
Diese Forderung wurde in der Handelsbilanz zu Unrecht aktiviert und hat auch im Rahmen der Überschuldungsbilanz außer Betracht zu bleiben. Die Forderung war von der V. vollen Umfangs bestritten und Gegenstand eines laufenden Rechtsstreits, der am Ende gegen die Schuldnerin ausging. Die Aktivierung einer Forderung setzt jedoch voraus, dass diese einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist (BGH vom 18.10.2010, II ZR 151/09 m.w.N.). Das mit dem Vorsichtsprinzip verbundene Realisationsprinzip erfordert, dass nur hinreichend sichere Ansprüche in der Bilanz ausgewiesen werden dürfen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Nach dem (auch steuerrechtlich zu beachtenden) Vorsichtigkeitsprinzip des Handelsbilanzrechts (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG 2002 und § 8 Abs. 1 KStG 2002) dürfen Forderungen, die in vollem Umfang bestritten werden, erst dann aktiviert und als realisierte Erträge erfasst werden, wenn (und soweit) sie entweder rechtskräftig festgestellt oder vom Schuldner anerkannt worden. Vorher ist nur der Ansatz eines Erinnerungspostens zulässig. (vgl. BFH Urteil vom 26.02.2014 IR 12/14 BFHNV 2014 S. 1544)

52

d) Pkw VW Polo:

53

Stille Reserven waren insoweit nicht zu aktivieren, weil tatsächliche Anknüpfungspunkte für einen höheren Fahrzeugwert als in der Handelsbilanz angesetzt, von dem Beklagten nicht vorgetragen sind.

54

e) Sonstige stille Reserven bei den Passiva:

55

Substantiierter Vortrag des Beklagten dazu, welche in der Handelsbilanz angesetzten Verbindlichkeiten tatsächlich nicht oder nur zu geringeren Werten bestehen sollen, liegt nicht vor. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob und welche der Verbindlichkeiten von dem Kläger im Insolvenzverfahren gegenüber den Forderungsanmeldern bestritten wurden. Dies kann unterschiedliche Motive haben und u.a. auf fehlender Information über die Anspruchsgründe beruhen. Eine Modifizierung der handelsbilanziellen Ansätze in der Überschuldungsbilanz ergibt sich daher nicht.

56

Ergebnis Überschuldungsbilanz per 31.12.2011:

57

Eigenkapital laut Handelsbilanz

 € 41.267,98

abzüglich E-Learn-Module

./. € 50.983,78

abzüglich Pkw Range Rover

./. € 2.800,00

abzüglich Forderung gegen V.

 ./. € 41.126,40

Überschuldung

 ./. € 53.642,20

58

4. Damit war die Schuldnerin im Ergebnis per 31.12.2012 insolvenzrechtlich deutlich überschuldet. Dies war dem Beklagten zuzurechnen.

59

Das für die Haftung gemäß § 64 GmbHG erforderliche Verschulden des Beklagten ist nach den Umständen gegeben. Nach herrschender Rechtsauffassung, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründender Tatsachen Fahrlässigkeit als Verschuldensgrad ausreichend. Maßstab ist dafür die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ohne Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers. Das Verschulden ist bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale der Haftung indiziert. Die Beweislast für fehlendes Verschulden trägt der Geschäftsführer (vgl. Baumbach / Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 84 und Rn. 93 n. w. N.). Für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs.1 GmbHG genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH vom 20.11.1999, II ZR 273/98; vom 14.05.2007, II ZR 48/06 und vom 18.10.2010, II ZR 151/09). Der Beklagte hat sich insoweit nicht entlastet. Allein, dass seine Steuerberaterin mit ihm der Meinung gewesen sei, dass es richtig sei, die E-Learn-Module per 31.12.2011 in der Handelsbilanz zu aktivieren, ändert nichts an der Erkennbarkeit der Überschuldung im Rahmen der Prüfungspflicht des Beklagten.

60

5. Ausgenommen von der Erstattungspflicht nach § 64 S. 2 GmbHG sind lediglich diejenigen Zahlungen, die auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Dazu gehören insbesondere solche Zahlungen, die nicht zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen bzw. Zahlungen bei vollwertiger Gegenleistung und Zahlungen, die erforderlich sind, um den sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern. Da es sich nach der Gesetzessystematik insoweit um eine Ausnahme von der Geschäftsführerhaftung handelt, war es Sache des Beklagten, substantiiert darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, aus welchen Umständen sich das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes hinsichtlich jeder einzelnen Zahlung ergeben soll. Substantiierter Vortrag liegt insoweit nicht vor.

61

Soweit der Beklagte darauf verweist, die bezahlten Kosten für Seminarreferenten und Seminarräume seien mit Gewinnen aus diesen Seminaren überkompensiert, ist dies unsubstantiiert und mangels näherer Darlegung der sich aus den jeweiligen Seminaren ergebenden Überschüsse im Einzelnen weder einlassungsfähig noch nachvollziehbar

62

Dies gilt auch hinsichtlich des Einwandes, die Schuldnerin habe durch die Bezahlung des Umsatzsteueranteils an den streitgegenständlichen Zahlungen keinen Nachteil gehabt. Die o.g. Voraussetzungen für gerechtfertigte Zahlungen liegen auch insoweit nicht vor. Es genügt nicht, dass die Umsatzsteuer zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erstattet bzw. verrechnet wird. Die Aussicht auf eine mögliche Umsatzsteuererstattung ist keine Gegenleistung für die Zahlung im obigen Sinne, zumal nicht feststeht, wann und ob sie überhaupt erfolgt oder vom Finanzamt mit fälligen anderen Steuerschulden o.ä. verrechnet wird.

63

6. Die Aufrechnung des Beklagten führt nicht zum Erfolg. Aufgrund der Kündigung des Klägers handelt es sich allenfalls um Mieten für die Zeit ab Insolvenzeröffnung am 18.09.2012 bis 31.12.2012. Der Vortrag des Beklagten, der Kläger müsse auch danach weiter zahlen, weil er die Räume nicht vom Inventar geräumt habe, ist vor dem Hintergrund der unstreitigen Korrespondenz der Parteien (Anlagen K21, K22, K23) unsubstantiiert. Deren letzter Stand war, dass alles Inventar durch den Beklagten entsorgt wird und lediglich noch die Geschäftsunterlagen der letzten beiden Jahre von dem Kläger durch einen Beauftragten abgeholt werden. Die übrigen Geschäftsunterlagen unterfielen der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht des Beklagten als Geschäftsführer gemäß § 74 Abs.2 GmbHG. Wo der Beklagte diese Pflicht erfüllte, war seine Sache.

64

Auch hinsichtlich der Mietforderungen vom 18.09.2012 bis 31.12.2012 kann der Beklagte als Altmassegläubiger nicht gegenüber der Klagforderung aufrechnen. Der Kläger hat am 20.01.2015 (Anlage K24) gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Damit greift gemäß § 210 InsO das Vollstreckungsverbot wegen einer Masseverbindlichkeit ein. Zwar ist dem Massegläubiger gemäß § 53 InsO eine Vorwegbefriedigung garantiert. Diese Privilegierung wird jedoch mit der Folge eines Aufrechnungsverbots bei sinngemäßer Anwendung des § 96 Abs.1 Nr.1 InsO dann wieder aufgehoben, wenn die Masse nicht zur Befriedigung aller Massegläubiger reicht (vgl. FG Köln, Urteil vom 18.01.2006 – 11 K 2199/05 Rn. 22, zitiert nach juris, m.w.N. ).

65

7. Dem Hilfsantrag des Beklagten war in der tenorierten Weise zu entsprechen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 11. Juli 2005 (ZIP 2005, 550 f.) bleibt dem Beklagten vorbehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die durch die Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.

66

8. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

67

9. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Ist die Liquidation beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Liquidatoren den Schluß der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen.

(2) Nach Beendigung der Liquidation sind die Bücher und Schriften der Gesellschaft für die Dauer von zehn Jahren einem der Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Der Gesellschafter oder der Dritte wird in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags oder eines Beschlusses der Gesellschafter durch das Gericht bestimmt.

(3) Die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger sind zur Einsicht der Bücher und Schriften berechtigt. Gläubiger der Gesellschaft können von dem Gericht zur Einsicht ermächtigt werden.

Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 204.187,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die geleisteten Zahlungen begünstigten Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Insolvenzmasse gegen den Kläger zu verfolgen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist gemäß Beschluss des Amtsgerichts Hamburg (Az ...) (Anlage K1) Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. p. c. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).

2

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Rückerstattung von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen.

3

Die Schuldnerin wurde am 03.08.2004 in H. gegründet. Das Stammkapital in Höhe von EUR 25.000,00 wird von der Ehefrau des Beklagten gehalten. Der Beklagte ist seit Gründung der Schuldnerin deren alleiniger Geschäftsführer.

4

Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war die Erbringung von Dienstleistungen und Beratungsleistungen für Call-Center einschließlich Schulung von Call-Center-Mitarbeitern.

5

Vor dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin war es bereits zweimal (2000 und 2004) zur Insolvenz der von dem Beklagten geführten Unternehmen gekommen.

6

Am 09.07.2012 stellte der Beklagte für die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit (Anlage K3). Zu diesem Zeitpunkt war der Geschäftsbetrieb bereits zum Erliegen gekommen.

7

Der Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2011 (Anlage K8) wies einen Jahresfehlbetrag in Höhe von € 17.410,36 und ein (positives) Eigenkapital von € 41.267,98 aus.

8

Im Zeitraum vom 02.01.2012 bis zum 30.06.2012 leistete der Beklagte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin die auf Seiten 8 bis 19 der Klageschrift aufgeführten Zahlungen vom Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der C. Bank, Konto-Nr. ..., in der Gesamthöhe von € 204.187,16 (ohne Steuerzahlungen und Arbeitgeber-Beiträge zur Sozialversicherung) an diverse Empfänger.

9

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung der vorgenannten Beträge.

10

Der Kläger trägt vor, die Insolvenzschuldnerin sei - ausgehend von der Bilanz zum 31.12.2011 (Anlage K8) - spätestens ab dem 31.12.2011 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen.

11

Eine positive Fortführungsprognose der Schuldnerin habe am 31.12.2011 nicht bestanden, so dass nach Liquidationswerten zu bewerten sei.

12

Die dortigen Bilanzansätze der Aktiva seien im Rahmen eines Überschuldungsstatus demgemäß wie folgt nach unten zu korrigieren („stille Lasten“):

13

a) Zu Unrecht seien in der Bilanz „Immaterielle Vermögenswerte“ mit € 50.983,78 angesetzt. Dabei solle es sich ausweislich der Kontennachweise (Nr. 135 „EDV-Software“) um ein E-Learningprogramm zur Weiterbildung von Call-Center-Mitarbeitern handeln. Da dieses Programm in einer fremden EDV-Struktur nicht nutzbar und im Rahmen einer außergerichtlichen Liquidation der Schuldnerin unverwertbar und wertlos sei, könne es im Überschuldungsstatus per 31.12.2011 nicht angesetzt werden. Auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens habe sich kein Interessent dafür gefunden. Der Beklagte, der im Rahmen einer einzelkaufmännischen Unternehmung weiterhin Beratungsleistungen wie die Schuldnerin anbiete, habe ebenfalls kein Interesse daran gezeigt.

14

b) Weiterhin sei der Aktivposten Kto. 523 Pkw € 57.218,00 um € 12.218,00 zu reduzieren. Der betreffende Pkw Range Rover habe nach den eigenen Angaben des Beklagten im Insolvenzantrag lediglich einen Zeitwert und damit Liquidationswert von € 45.000,00.

15

c) Die mit € 41.126,40 in der Bilanzposition 1210 (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ohne Kontokorrent € 46.222,27) enthaltene angebliche Forderung gegen die V.- B. H. (nachfolgend: V.) sei mit € 0,00 anzusetzen, weil sie ausweislich des Berufungsurteils des HansOLG Hamburg vom 14.08.2015 (1 U 165/12; Anlage K12) nicht bestanden habe. Der Beklagte selbst habe diese Forderung ausweislich der seinem Insolvenzantrag beigefügten Summen- und Saldenliste per 31.12.2011 (Ausdruck vom 04.01.2012) bis auf den Erinnerungswert von € 1,00 abgeschrieben und offenbar selbst nicht mehr mit der Durchsetzbarkeit gerechnet.

16

d) Im Übrigen seien stille Reserven, die zu berücksichtigen wären, nicht vorhanden. Dass der Liquidationswert des Pkw VW Polo (Kto. 521) den Buchwert von € 8.002,00 übersteige, werde bestritten.

17

Danach ergebe sich eine rechnerische Überschuldung per 31.12.2011 wie folgt:

18

Eigenkapital laut Handelsbilanz

 € 41.267,98

abzüglich E-Learn-Module

./. € 50.983,78

abzüglich Pkw Range Rover

./. € 12.218,00

abzüglich Forderung gegen V.

 ./. € 41.126,40

Überschuldung

 ./. € 63.060,20

19

Vorsorglich mache der Kläger geltend, dass im Rahmen der Überschuldungsbilanz zusätzliche Passiva als Drohverlustrückstellung in Höhe von € 45.000,00 für die (fiktiven) Kosten einer außergerichtlichen Liquidation anzusetzen seien.

20

Der Kläger beantragt,

21

wie erkannt

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen,

24

hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte mit Zahlung und in Höhe einer Zahlung der Klagforderung Insolvenzforderung erwirbt.

25

Der Beklagte trägt vor, die Insolvenzschuldnerin sei am 31.12.2007 nicht überschuldet gewesen. Da der Kläger keine der Fortführung entgegenstehende Umstände dargelegt habe, sei nicht von Liquidationswerten, sondern von Fortführungswerten auszugehen. Es habe intensive Sanierungsbemühungen gegeben. Von Februar 2012 bis Juli 2012 sei mit dem Vertreter H.- J. F. der H. Akademie (Verlagsgruppe H. AG) aussichtsreich und ernsthaft über einen Verkauf des Unternehmens verhandelt worden.

26

a) Die E-Learn-Module (40 Module) seien zu Recht mit € 50.983,78 angesetzt worden. Sie seien sogar erheblich mehr wert gewesen. Anfang 2012 sei die H. Akademie bereit gewesen, sogar mindestens € 250.000,00 allein für die Module zu zahlen.

27

b) der Range Rover sei ebenfalls mit € 57.218,00 richtig bewertet. Das Fahrzeug sei erst Anfang 2012 geliefert und habe bis Juli 2012 lediglich 10.000 km gelaufen und einen Blechschaden erlitten. Per 31.12.2011 habe es aber noch keinen Anlass für eine Abschreibung gegeben.

28

c) Zur Forderung gegen die V.: Nachdem die 1. Instanz (Landgericht) zugunsten der Schuldnerin entschieden habe, habe gemäß § 252 Abs.2 HGB der Anspruch aktiviert werden dürfen. Spätere Erkenntnisse und späteres besseres Wissen seien nicht zu berücksichtigen. Der von dem Kläger in der Berufungsinstanz weitergeführte Prozess gegen die V. sei außerdem aufgrund Anwaltsverschuldens verloren gegangen.

29

d) Der in der Bilanz mit einem Buchwert von € 8.000,00 angesetzte Pkw VW Polo habe tatsächlich einen Wert von € 11.000,00 gehabt, so dass € 3.000,00 stille Reserven zu berücksichtigen seien.

30

e) Außerdem seien bei den Verbindlichkeiten aus 2011 noch erhebliche stille Reserven abzuziehen, soweit der Kläger nämlich deren Bestehen im Insolvenzverfahren bestritten habe.

31

Nach allem sei eine Überschuldung per 31.12.2011 nicht festzustellen.

32

Eine solche sei für den Beklagten auch nicht erkennbar gewesen. Noch um die Jahreswende 2011/2012 seien sich der Beklagte und die Steuerberaterin einig gewesen, dass für das Jahr 2011 die Anschaffung und Herstellung der Lern-Module zu aktivieren sei. Da die Bilanz für 2011 nach den gesetzlichen Vorschriften erst am 31.05.2012 erstellt werden musste, habe der Beklagte bis dahin keine Überschuldung kennen müssen.

33

Die klagegegenständlichen Zahlungen seien zudem insoweit kaufmännisch vertretbar gewesen, als es die darin enthaltene Umsatzsteuer von 19% betreffe, die vom Finanzamt verrechnet bzw. erstattet wurde. Insoweit liege überhaupt kein Nachteil für die Gemeinschuldnerin vor.

34

Weiterhin hätten die Zahlungen an die freien Referenten und die Mieten für die Seminarräume in der Gesamthöhe von € 38.770,55 zu keinerlei Benachteiligung der Schuldnerin geführt, da diese Kosten deutlich niedriger seien als die Umsätze aus den Seminaren (kalkulatorisch max. 50%).

35

In Höhe von € 115.852,00 erkläre der Beklagte die Aufrechnung mit Mietzinsforderungen als Vermieter der Betriebsräume der Schuldnerin in Höhe von € 2.633,00 monatlich für die Zeit ab Insolvenzeröffnung bis 31.12.2012 (Kündigung des Klägers, Anlage K21) und für die Zeit danach gemäß §§ 545 und 546a BGB, weil der Kläger nicht geräumt habe. Diese seien Masseschulden, mit denen aufgerechnet werden könne.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

37

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 18.10.2016 (Bl. 88 d.A.) durch Vernehmung des Zeugen H. j. F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2016 (Bl. 94ff. d.A.) inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

38

Der Klage war aus den folgenden, gemäß § 330 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefassten Erwägungen stattzugeben:

39

1. Der Beklagte haftet als Geschäftsführer der Schuldnerin für Zahlungen, die er während einer Zeit leistete, in welcher die Insolvenzschuldnerin insolvenzrechtlich überschuldet war, es sei denn, es handelte sich um Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar waren.

40

Gemäß § 64 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft geleistet werden. Die Voraussetzungen für die Ersatzpflicht gemäß § 64 GmbHG liegen hier vor.

41

Die streitgegenständlichen Zahlungen ab dem 02.01.2012 erfolgten in einem Zeitraum, in dem die Schuldnerin überschuldet war. Gemäß § 19 Abs. 2 InsO ist Überschuldung anzunehmen, wenn das Vermögen des Schuldners / der Schuldnerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wobei bei der Bewertung des Vermögens die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.

42

2. Eine positive Fortführungsprognose war jedenfalls ab 01.01.2012 nicht mehr gerechtfertigt:

43

Der Beklagte hat dazu substantiiert nichts vorgetragen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose – mit der Folge einer Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten – obliegt dem Geschäftsführer. Dazu gehört subjektiv der Wille zur Fortführung des Unternehmens und objektiv die Aufstellung eines Ertrags- und Finanzplans mit einem schlüssigen Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum (vgl. BGH vom 18.10.2010, II ZR 151/09 m.w.N.). An entsprechenden Darlegungen des Beklagten fehlt es vorliegend. In 2011 wurde unstreitig ein Fehlbetrag von € 17.410,36 erwirtschaftet. Der Vortrag des Beklagten über seine Verkaufsabsichten ab Anfang 2012 belegt, dass ein Fortführungswille bei ihm nicht vorhanden war. Allein die Absicht und die Verhandlungen über einen Verkauf mit der H. Akademie stellen noch keine tragfähigen Sanierungsbemühungen dar. Letztlich hat sich die H. Akademie auch nicht von einer Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin überzeugen lassen, was jedenfalls nicht für die wirtschaftliche Zukunft der Schuldnerin spricht. Objektive Ansatzpunkte dafür, dass sich das Unternehmen mit auskömmlichen Umsätzen künftig positiv entwickeln werde, waren daher seit Anfang 2012 nicht zu sehen. So hat der Kläger auch unwidersprochen vorgetragen, dass bei dem Insolvenzantrag des Beklagten am 09.07.2012 bereits der Geschäftsbetrieb zum Erliegen gekommen war und es weder laufende Beratungsaufträge noch sonstige kurzfristig beginnende Aufträge gab. Dem hat der Beklagte nichts Substantielles entgegengesetzt.

44

3. Die Überschuldungssituation war danach zu Liquidationswerten zu beurteilen und ergibt sich wie folgt:

45

Ausgangspunkt der Überschuldungsbilanz ist zunächst die Handelsbilanz per 31.12.2011 (Anlage K8). Danach bestand ein positives Eigenkapital in Höhe von € 41.267,98.

46

Dieser Wert war um die sich nach Liquidationsgesichtspunkten zu berichtigenden Bilanzansätze zu modifizieren. Dabei handelt es sich nach dem Vortrag der Parteien um die folgenden Streitpunkte:

47

a) E-Learn-Module:

48

Diese waren im Rahmen der Überschuldungsbilanz mit einem Liquidationswert von € 0,00 anzusetzen. Soweit der Beklagte behauptet hat, die Module hätten noch Anfang 2012 einen Marktwert in Höhe von mindestens € 50.983,78 (Bilanzansatz), wenn nicht gar € 250.000,00 gehabt, hat die hierüber durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F. dies nicht bestätigt. Zwar hat der Zeuge seinerzeit als Geschäftsführer der H. Akademie mit dem Beklagten über eine Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin insgesamt verhandelt, wobei nach der Erinnerung des Zeugen ein Kaufpreis von insgesamt € 1 Mio. in Rede stand. Zutreffend ist auch, dass im Rahmen dieser Übernahmeverhandlungen ein Betrag von € 250.000,00 für die betreffenden E-Learn-Module ins Auge gefasst wurde. Letztlich hat sich die H. Akademie aber gegen den Ankauf der Schuldnerin insgesamt, wie auch gegen den gesonderten Ankauf der E-Learn-Module entschieden. Letzteres nach der glaubhaften Aussage des Zeugen insbesondere deshalb, weil die Abteilungen Produktmanagement und Technik der H. Gruppe nach genauerer Prüfung der Module zu dem Ergebnis gekommen waren, dass – trotz der Qualität der Module – diese so stark auf die Zielgruppe (Call-Center) der Schuldnerin zugeschnitten waren, dass sie nicht ohne zusätzliche Produktionskosten in die E-Learning-Bibliothek der H. Akademie integriert werden konnten. Zur Abgabe konkreter Kaufangebote ist es daher zu keiner Zeit mehr gekommen. Dass es neben der H. Akademie noch andere Interessenten für die Module gegeben hätte, war weder dem Zeugen bekannt, noch hat der Beklagte dies vorgetragen. Unstreitig hat er selbst für seine jetzige einzelkaufmännische Tätigkeit auf demselben Sektor wie die Schuldnerin kein Interesse an einem Ankauf der Module gehabt. Im Ergebnis hat der Beklagte damit nicht zu belegen vermocht, dass die streitgegenständlichen E-Learn-Module für Call-Center im Wege der Liquidation – unabhängig von der Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin - auf einem entsprechenden Markt für derartige Produkte zu irgendeinem Kaufpreis Abnehmer gefunden hätten. Dem Beklagten als Branchenkenner ist es im Ergebnis nicht gelungen, die Module zu verkaufen. Da ein Marktpreis für die Module offensichtlich nicht existent und nicht zu erzielen war, kommt es nicht darauf an, ob der bei den damaligen Verhandlungen mit dem Zeugen F. genannte mögliche Kaufpreis angesichts der Herstellungskosten der Module ein „Schnäppchen“ (so F.) gewesen wäre.

49

b) Pkw Range Rover:

50

Der Beklagte hat das Fz. in der Bilanz per 31.12.2011 mit dem Anschaffungswert von netto € 56.218,49 (Rechnung J.-K. vom 20.12.2011, Anlage B7) angesetzt. Das Fahrzeug wurde unstreitig noch im Dezember 2011 für die Schuldnerin zum Straßenverkehr zugelassen, auch wenn es erst im Januar 2012 an die Schuldnerin ausgeliefert wurde. Damit war das Fahrzeug kein Neufahrzeug mehr, das im Liquidationsfall noch zum Werksneupreis verkauft werden konnte. Bereits durch die Erstzulassung in 12/2011 hat das Fahrzeug - ohne dass es bewegt wurde – einen merkantilen Minderwert erlitten, der abzuschreiben war. Diesen Minderwert bemisst das Gericht im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO auf mindestens € 2.800,00 (ca. 5 % des Anschaffungswertes). Auf den von dem Beklagten per 30.07.2012 im Insolvenzantrag nach angeblichem Blechschaden und gelaufenen 10.000 km angegebenen Wert von lediglich € 45.000,00 kommt es insoweit nicht an.

51

c) Forderung gegen die V.:
Diese Forderung wurde in der Handelsbilanz zu Unrecht aktiviert und hat auch im Rahmen der Überschuldungsbilanz außer Betracht zu bleiben. Die Forderung war von der V. vollen Umfangs bestritten und Gegenstand eines laufenden Rechtsstreits, der am Ende gegen die Schuldnerin ausging. Die Aktivierung einer Forderung setzt jedoch voraus, dass diese einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist (BGH vom 18.10.2010, II ZR 151/09 m.w.N.). Das mit dem Vorsichtsprinzip verbundene Realisationsprinzip erfordert, dass nur hinreichend sichere Ansprüche in der Bilanz ausgewiesen werden dürfen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Nach dem (auch steuerrechtlich zu beachtenden) Vorsichtigkeitsprinzip des Handelsbilanzrechts (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG 2002 und § 8 Abs. 1 KStG 2002) dürfen Forderungen, die in vollem Umfang bestritten werden, erst dann aktiviert und als realisierte Erträge erfasst werden, wenn (und soweit) sie entweder rechtskräftig festgestellt oder vom Schuldner anerkannt worden. Vorher ist nur der Ansatz eines Erinnerungspostens zulässig. (vgl. BFH Urteil vom 26.02.2014 IR 12/14 BFHNV 2014 S. 1544)

52

d) Pkw VW Polo:

53

Stille Reserven waren insoweit nicht zu aktivieren, weil tatsächliche Anknüpfungspunkte für einen höheren Fahrzeugwert als in der Handelsbilanz angesetzt, von dem Beklagten nicht vorgetragen sind.

54

e) Sonstige stille Reserven bei den Passiva:

55

Substantiierter Vortrag des Beklagten dazu, welche in der Handelsbilanz angesetzten Verbindlichkeiten tatsächlich nicht oder nur zu geringeren Werten bestehen sollen, liegt nicht vor. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob und welche der Verbindlichkeiten von dem Kläger im Insolvenzverfahren gegenüber den Forderungsanmeldern bestritten wurden. Dies kann unterschiedliche Motive haben und u.a. auf fehlender Information über die Anspruchsgründe beruhen. Eine Modifizierung der handelsbilanziellen Ansätze in der Überschuldungsbilanz ergibt sich daher nicht.

56

Ergebnis Überschuldungsbilanz per 31.12.2011:

57

Eigenkapital laut Handelsbilanz

 € 41.267,98

abzüglich E-Learn-Module

./. € 50.983,78

abzüglich Pkw Range Rover

./. € 2.800,00

abzüglich Forderung gegen V.

 ./. € 41.126,40

Überschuldung

 ./. € 53.642,20

58

4. Damit war die Schuldnerin im Ergebnis per 31.12.2012 insolvenzrechtlich deutlich überschuldet. Dies war dem Beklagten zuzurechnen.

59

Das für die Haftung gemäß § 64 GmbHG erforderliche Verschulden des Beklagten ist nach den Umständen gegeben. Nach herrschender Rechtsauffassung, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründender Tatsachen Fahrlässigkeit als Verschuldensgrad ausreichend. Maßstab ist dafür die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ohne Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers. Das Verschulden ist bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale der Haftung indiziert. Die Beweislast für fehlendes Verschulden trägt der Geschäftsführer (vgl. Baumbach / Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 84 und Rn. 93 n. w. N.). Für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs.1 GmbHG genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH vom 20.11.1999, II ZR 273/98; vom 14.05.2007, II ZR 48/06 und vom 18.10.2010, II ZR 151/09). Der Beklagte hat sich insoweit nicht entlastet. Allein, dass seine Steuerberaterin mit ihm der Meinung gewesen sei, dass es richtig sei, die E-Learn-Module per 31.12.2011 in der Handelsbilanz zu aktivieren, ändert nichts an der Erkennbarkeit der Überschuldung im Rahmen der Prüfungspflicht des Beklagten.

60

5. Ausgenommen von der Erstattungspflicht nach § 64 S. 2 GmbHG sind lediglich diejenigen Zahlungen, die auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Dazu gehören insbesondere solche Zahlungen, die nicht zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen bzw. Zahlungen bei vollwertiger Gegenleistung und Zahlungen, die erforderlich sind, um den sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern. Da es sich nach der Gesetzessystematik insoweit um eine Ausnahme von der Geschäftsführerhaftung handelt, war es Sache des Beklagten, substantiiert darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, aus welchen Umständen sich das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes hinsichtlich jeder einzelnen Zahlung ergeben soll. Substantiierter Vortrag liegt insoweit nicht vor.

61

Soweit der Beklagte darauf verweist, die bezahlten Kosten für Seminarreferenten und Seminarräume seien mit Gewinnen aus diesen Seminaren überkompensiert, ist dies unsubstantiiert und mangels näherer Darlegung der sich aus den jeweiligen Seminaren ergebenden Überschüsse im Einzelnen weder einlassungsfähig noch nachvollziehbar

62

Dies gilt auch hinsichtlich des Einwandes, die Schuldnerin habe durch die Bezahlung des Umsatzsteueranteils an den streitgegenständlichen Zahlungen keinen Nachteil gehabt. Die o.g. Voraussetzungen für gerechtfertigte Zahlungen liegen auch insoweit nicht vor. Es genügt nicht, dass die Umsatzsteuer zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erstattet bzw. verrechnet wird. Die Aussicht auf eine mögliche Umsatzsteuererstattung ist keine Gegenleistung für die Zahlung im obigen Sinne, zumal nicht feststeht, wann und ob sie überhaupt erfolgt oder vom Finanzamt mit fälligen anderen Steuerschulden o.ä. verrechnet wird.

63

6. Die Aufrechnung des Beklagten führt nicht zum Erfolg. Aufgrund der Kündigung des Klägers handelt es sich allenfalls um Mieten für die Zeit ab Insolvenzeröffnung am 18.09.2012 bis 31.12.2012. Der Vortrag des Beklagten, der Kläger müsse auch danach weiter zahlen, weil er die Räume nicht vom Inventar geräumt habe, ist vor dem Hintergrund der unstreitigen Korrespondenz der Parteien (Anlagen K21, K22, K23) unsubstantiiert. Deren letzter Stand war, dass alles Inventar durch den Beklagten entsorgt wird und lediglich noch die Geschäftsunterlagen der letzten beiden Jahre von dem Kläger durch einen Beauftragten abgeholt werden. Die übrigen Geschäftsunterlagen unterfielen der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht des Beklagten als Geschäftsführer gemäß § 74 Abs.2 GmbHG. Wo der Beklagte diese Pflicht erfüllte, war seine Sache.

64

Auch hinsichtlich der Mietforderungen vom 18.09.2012 bis 31.12.2012 kann der Beklagte als Altmassegläubiger nicht gegenüber der Klagforderung aufrechnen. Der Kläger hat am 20.01.2015 (Anlage K24) gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Damit greift gemäß § 210 InsO das Vollstreckungsverbot wegen einer Masseverbindlichkeit ein. Zwar ist dem Massegläubiger gemäß § 53 InsO eine Vorwegbefriedigung garantiert. Diese Privilegierung wird jedoch mit der Folge eines Aufrechnungsverbots bei sinngemäßer Anwendung des § 96 Abs.1 Nr.1 InsO dann wieder aufgehoben, wenn die Masse nicht zur Befriedigung aller Massegläubiger reicht (vgl. FG Köln, Urteil vom 18.01.2006 – 11 K 2199/05 Rn. 22, zitiert nach juris, m.w.N. ).

65

7. Dem Hilfsantrag des Beklagten war in der tenorierten Weise zu entsprechen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 11. Juli 2005 (ZIP 2005, 550 f.) bleibt dem Beklagten vorbehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die durch die Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.

66

8. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

67

9. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

11
a) Gemäß § 19 Abs. 2 InsO aF liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Aus dem Aufbau des § 19 Abs. 2 InsO aF folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortführungsprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen verbotener Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).
3
Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde, die sich hierfür auf keine Belege in Rechtsprechung und Wissenschaft berufen kann, ist die Auslegung der neuen Vorschrift des § 19 Abs. 2 InsO nicht zweifelhaft. Aus dem Aufbau der Norm des § 19 Abs. 2 InsO folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortbestehensprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen Insolvenzverschleppung nach § 64 Abs. 2 GmbHG hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO folgt außerdem zweifelsfrei, dass eine günstige Fortführungsprognose sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe als auch die objektive - grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan) herzuleitende - Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraussetzt.
17
a) Im Ausgangspunkt richtig hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass bei der Prüfung, ob eine Überschuldung nach § 19 InsO gegeben ist, einer vom Insolvenzverwalter vorgelegten Handelsbilanz lediglich indizielle Bedeutung zukommt. Legt der Anspruchsteller für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Dabei muss er nicht jede denkbare Möglichkeit ausschließen, sondern nur naheliegende Anhaltspunkte - beispielsweise stille Reserven bei Grundvermögen - und die von dem Geschäftsführer insoweit aufgestellten Behauptungen widerlegen (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 9; Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 Rn. 11; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn.33; Beschluss vom 31. Mai 2011 - II ZR 106/10, ZIP 2011, 1410 Rn. 4). Nach der Feststellung des Berufungsgerichts weist die vom Kläger vorgelegte Handelsbilanz der Schuldnerin zum 31. Dezember 2007 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 47.806,99 € auf. Das Berufungsgericht geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass der Kläger seiner Darlegungslast durch den Vortrag genügt habe, es seien keine stillen Reserven und auch keine sonstigen aus der Handelsbilanz nicht ersichtlichen Vermögenswerte bei der Schuldnerin vorhanden gewesen.

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:

1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses;
1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses;
2.
die Einforderung der Einlagen;
3.
die Rückzahlung von Nachschüssen;
4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;
5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;
7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;
8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

25
a) Unzutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, nach der Rechtsprechung des Senats seien Darlehensrückzahlungsansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter in der Handelsbilanz nicht zu aktivieren, soweit es darum gehe festzustellen, ob eine weitere Ausschüttung an die Gesellschafter zu Lasten der Stammkapitalziffer gehe und damit gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verstoße. Rückzahlungsansprüche aus Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter sind in der Handels- wie in der Überschuldungsbilanz mit ihren wahren Werten zu aktivieren. Ob aus der Entscheidung des Senats vom 24. November 2003 (II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 - "Novemberurteil") etwas anderes folgt, wie das Berufungsgericht gemeint hat, kann offen bleiben. Denn der Senat hat die in diesem Urteil zur Zulässigkeit von Darlehensvergaben an Gesellschafter aufgestellten Grundsätze - auch für Altfälle - aufgegeben (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 12 - MPS). Ein Darlehen der Gesellschaft an einen Gesellschafter kann danach - wie es der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG nF klargestellt hat - nur dann als verbotene Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens gewertet werden, wenn das Darlehen nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. In diesem Fall kann der Darlehensrückzahlungsanspruch aber schon deshalb nicht mit seinem vollen Nennwert in die Handelsbilanz eingestellt werden, weil er in dem Umfang, in dem eine Rückzahlung ernstlich zweifelhaft ist, nach allgemeinen bilanzrechtlichen Regeln in seinem Wert berichtigt werden muss. Danach kommt es für die Anwendung der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG darauf an, ob bei bilanziell zutreffender Bewertung der Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Gesellschafter durch die weitere Ausschüttung eine Unterbilanz entstand oder vertieft wurde.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

9
1. Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife nach § 130a Abs. 1 HGB i.V.m. § 177a Satz 1 HGB entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. § 130a Abs. 1 HGB soll im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7; Beschluss vom 5. Februar 2007 - II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4; vgl. zur Parallelvorschrift § 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 275; Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186; Urteil vom 18. Dezember 1995 - II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 328). Der Erstattungsanspruch gegen das Organ muss folgerichtig nicht nur bei Erfüllung durch das Organ entfallen, sondern auch, wenn die Massekürzung anderweitig ausgeglichen und der Zweck der Ersatzpflicht erreicht ist. Aus diesem Grund besteht kein Erstattungsanspruch gegen das Organ mehr, soweit es dem Insolvenzverwalter gelingt, durch die Insolvenzanfechtung eine Rückerstattung der Zahlung zu erreichen und so die Masseschmälerung wettzumachen (BGH, Ur- teil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom 18. Dezember 1995 - II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 327), oder wenn die Massekürzung dadurch ausgeglichen wird, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, und der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 21 - Fleischgroßhandel; Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; vgl. auch Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rn. 5).
21
Dass die Bezahlung der Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen durch die Schuldnerin erforderlich war, um einen sofortigen Zusammenbruch eines auch in der Insolvenz sanierungsfähigen Unternehmens zu verhindern, und die Zahlung daher nach § 64 Satz 2 GmbHG zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger entschuldigt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 24; Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rn. 6; Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 274 f.), ist nicht festgestellt und nicht ersichtlich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 88/99 Verkündet am:
8. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b, 64 Abs. 2

a) Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender
Leistungen sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abgegeben
worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren.

b) Maßstab für die Prüfung, ob eine Zahlung des Geschäftsführers i.S.v. § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
vereinbar ist, sind nicht allein die allgemeinen Verhaltenspflichten des Geschäftsführers
, sondern insbesondere auch der Zweck des § 64 Abs. 2
GmbHG, Masseverkürzungen der insolvenzreifen Gesellschaft und eine bevorzugte
Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger zu verhindern.

c) Zahlungen, die der Geschäftsführer dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG
zuwider geleistet hat, sind von ihm ungekürzt zu erstatten (Abweichung von
BGHZ 143, 184). Ihm ist in dem Urteil vorzubehalten, seinen Gegenanspruch
, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte
Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung
an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende
Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an
den Geschäftsführer abzutreten.
BGH, Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Gegenstand des Geschäftsbetriebs der im Jahr 1980 gegründeten und zuletzt mit einem Stammkapital von 750.000,-- DM ausgestatteten S. und B. GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, war die Herstellung und der Vertrieb von elektrischen Anlagen. Gesellschafter und Geschäftsführer waren
ursprünglich die Beklagten zu 1 und zu 2. Unter dem 25. Oktober 1993 hat der Beklagte zu 1 sein Geschäftsführeramt niedergelegt und zugleich seinen Geschäftsanteil auf seinen Sohn, den Beklagten zu 2, übertragen. Die Produktionsanlagen standen im wesentlichen im Eigentum der S. und B. Handels GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 3, die die Maschinen und Betriebsvorrichtungen an die Gemeinschuldnerin im Wege einer Betriebsaufspaltung zusammen mit dem durch sie selbst von einer BGB-Gesellschaft, bestehend aus dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau, gemieteten Betriebsgrundstück aufgrund eines Miet- und Pachtvertrages überlassen hatte.
Erstmals im Geschäftsjahr 1991/1992 erwirtschaftete die bis dahin sehr erfolgreiche Gesellschaft ein negatives Betriebsergebnis von annähernd 1,5 Mio. DM, das nach Auflösung von Gewinnrückstellungen zum Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 85.702,-- DM in der Jahresbilanz zum 31. Januar 1992 führte. Beim nächsten Bilanzstichtag war der nicht gedeckte Fehlbetrag auf 1,272 Mio. DM angewachsen. Im November 1992 und im Mai 1993 gewährten die Gesellschafter der GmbH ein Darlehen i.H.v. jeweils 1 Mio. DM, wobei das Novemberdarlehen mit einer Rangrücktrittserklärung versehen war. Außerdem leitete die Geschäftsführung im Laufe des Jahres 1993 Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die langfristig die Personalkosten reduzieren sollten, zunächst die Gesellschaft aber mit Abfindungszahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer in Millionenhöhe belasteten. In der zweiten Jahreshälfte desselben Jahres mit Interessenten wegen der Übernahme des gesamten Unternehmens geführte Verhandlungen sind spätestens Mitte Dezember 1993 gescheitert. Auf den am 20. Dezember 1993 gestellten Antrag des Beklagten zu 2 hin ist am 21. Januar 1994 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt worden.
Dieser hat von den Beklagten mit einer einheitlichen, aber auf unterschiedliche Sachverhalte gestützten Klage Zahlung verschiedener Beträge gefordert. Nachdem das Landgericht nach § 145 ZPO verfahren ist, geht es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch auf Zahlung von 119.254,-- DM, den der Kläger auf folgenden Sachverhalt stützt:
Nach dem ursprünglich übereinstimmenden, erstmals gegen Ende des Berufungsverfahrens von den Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers bestand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 eine seit 1981 praktizierte umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die an die Beklagte zu 3 als Organträgerin geleisteten Miet- und Pachtzahlungen, die ihr wesentliches Einkommen ausmachten, blieben danach wegen des Organschaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei; zu den von der Gemeinschuldnerin erzielten Umsätzen gab die Beklagte zu 3 als Organträgerin die vorgeschriebenen Umsatzsteuererklärungen ab, während die fälligen Zahlungen absprachegemäß unmittelbar von der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt geleistet wurden. Am 10. Dezember 1993 stellte der Beklagte zu 2 für die Gemeinschuldnerin einen Scheck über 119.254,-- DM aus und reichte ihn bei dem Finanzamt ein, um damit die fällige Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 zu begleichen. Der Scheck wurde am 17. Dezember 1993 eingelöst. Nach Meinung des Klägers hat die Verfahrensweise des Beklagten zu 2 nicht nur auf § 64 Abs. 2 GmbHG gestützte Erstattungsansprüche gegen ihn selbst, sondern außerdem auch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 ausgelöst, weil diese als Organträgerin und Steuerschuldnerin durch das Vorgehen der Gemeinschuldnerin von ihrer Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die zuletzt nur noch gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 gerichtete Berufung des Klägers hatte gegenüber
der Beklagten zu 3 lediglich i.H.v. 3.500,-- DM nebst Zinsen, gegenüber dem Beklagten zu 2 aber in vollem Umfang Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagter), der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, daß der Beklagte am 20. Dezember 1993 den zur Verfahrenseröffnung führenden Konkursantrag gestellt und bereits in der Klageerwiderung die Umstände näher dargelegt hat, die hierfür Veranlassung gegeben haben, hergeleitet, daß die Gemeinschuldnerin Anfang Dezember 1993 überschuldet war. In der Richtigkeit dieser Beurteilung hat es sich durch die im Rechtsstreit vorgelegten Jahresbilanzen der Gesellschaft zum 31. Januar 1992 und zum 31. Januar 1993 bestätigt gesehen und hat es deswegen abgelehnt, auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
2. Mit Recht macht die Revision geltend, daß diese Beurteilung nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei ist, ohne daß sich allerdings deswegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Anfang Dezember 1993 überschuldet gewesen, aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen im Ergebnis als unzutreffend erweist.

a) Schon im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht beachtet,
daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 141, 146; Urt. v. 12. Juli 1999 - II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; zuletzt Urt. v. 18. Dezember 2000 - II ZR 191/99 z.V.b.) das Vorhandensein einer Überschuldung nicht auf der Grundlage einer fortgeschriebenen Jahresbilanz, mag deren negativem Ergebnis auch indizielle Bedeutung beikommen können, festgestellt werden kann, sondern daß es hierzu grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz bedarf, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.

b) Auf die Erstellung einer derartigen Überschuldungsbilanz kann auch bei einer GmbH, die lediglich als Betriebsgesellschaft fungiert, ohne eigenen Grundbesitz ist und ihre Produkte im wesentlichen mit Hilfe gemieteter oder gepachteter Maschinen herstellt, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Denn auch eine solche Gesellschaft kann im Einzelfall über eigenes Vermögen verfügen , das in der Jahresbilanz nicht mit den aktuellen Werten erfaßt worden ist, also stille Reserven enthält. Das hat auch das Berufungsgericht, wenn auch von anderem Ausgangspunkt aus, nicht verkannt und zugunsten des insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Sen.Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648) als richtig unterstellt, daß der Verkehrswert der mit einem Buchwert von gut 490.000,-- DM erfaßten Gegenstände des Anlagevermögens um mindestens 650.000,-- DM höher anzusetzen ist.

c) Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten des Beklagten das Vorhandensein stiller Reserven in dieser Höhe für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Von den zum 31. Januar 1993 ermittelten Zahlen ausgehend beträgt nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen das Maß der Überschuldung an dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt von Anfang Dezember mindestens 622.053,18 DM, wie ihn das Berufungsgericht - allerdings nicht rechtsfehlerfrei - schon für den 31. Januar 1993 als beste-
hend angenommen hat.
aa) Schon der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, daß sich bei der grundsätzlich gebotenen Erstellung einer die aktuellen Verkehrswerte ausweisenden Überschuldungsbilanz Vermögenswerte finden ließen, die das Maß des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Fehlbetrages über die oben behandelten stillen Reserven hinaus mindern würden.
bb) Das Maß der Überschuldung ist - anders als die Revision meint - auch nicht deswegen unrichtig ermittelt worden, weil das Berufungsgericht bei seiner Prüfung der Überschuldung bezogen auf den Monat Dezember 1993 von einem zu hohen Betrag der Passiva ausgegangen ist, indem es auch die Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen als Passiva angesetzt hat. Zwar durfte das mit einer Rangrücktrittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen von November 1992 entgegen der Verfahrensweise des Berufungsgerichts nicht als Passivum erfaßt werden, so daß die Annahme , es habe bereits zum Ende des Geschäftsjahres 1992/93 eine Überschuldung bestanden, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Zu seinen Gunsten kann der Beklagte hieraus jedoch deswegen nichts herleiten, weil an Stelle des aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmenden Gesellschafterdarlehens vom November 1992 für den hier zu prüfenden Zeitpunkt das im Mai 1993 gewährte, zweifelsfrei eigenkapitalersetzend wirkende, nicht mit einem Rangrücktritt versehene Gesellschafterdarlehen von 1 Mio. DM getreten ist und weil diese Verbindlichkeit ebenso wie die seitens der Beklagten zu 3 durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Mietschulden von knapp 691.000,-- DM in der Überschuldungsbilanz zu erfassen waren. Auf die zwischen den Parteien umstrittene und von dem Berufungsgericht nicht geklärte Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1993 weitere Verluste von mehr als 900.000,-- DM erwirtschaftet hat, kommt es danach
ebenso wenig an, wie auf die bilanziellen Auswirkungen der mit Abfindungen in Millionenhöhe verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen des Jahres 1993.
(1) Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen sind, ist nicht nur unter der Herrschaft der InsO umstritten, sie ist schon unter der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beantwortet worden (vgl. nur Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 253 ff.; Fleck, FS Döllerer S. 109, 122 ff.; Kleindiek in v.Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts 2000, S. 202 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rdnr. 18 je mit eingehender Dokumentation; speziell zur Rechtslage unter der Geltung der InsO Altmeppen, ZHR 164 [2000], 349 ff.; Rowedder, GmbHG 3. Aufl. § 63 Rdnr. 14; GK-AktG/Habersack, 4. Aufl. § 92 Rdnr. 57; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 92 Rdnr. 11; Lutter, ZIP 1999, 641 ff.; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 19 Rdnr. 14; HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rdnr. 26; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl. § 19 Rdnr. 18; Hess, InsO § 19 Rdnr. 36). Im Schrifttum im Vordringen war dabei die Auffassung , die sich gegen eine Passivierung aussprach. Begründet wurde dies mit dem Sinn der Überschuldungbilanz festzustellen, ob das Gesellschaftsvermögen ausreiche, alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen; da in dieser Lage die Gesellschafter Leistungen auf ihre in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Hilfen ohnehin nicht fordern dürften, seien deren Forderungen auch in der Überschuldungsbilanz nicht zu erfassen (vgl. etwa Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 63 Rdnr. 46 a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 c; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18, der allerdings für Zweifelsfälle die Bildung einer Rückstellung fordert; ähnlich Fleischer, ZIP 1996, 773, 778 f. und Noack, FS Claussen S. 307, 314 f.; ferner OLG München, NJW 1994, 3112 m. abl. Anm. von Wolf,
DB 1995, 2277). Diese Gleichsetzung von funktionalem und statutarischem Eigenkapital führt zu einer vorrangigen Berücksichtigung des Erhaltungsinteresses der Mitgesellschafter des betroffenen Gesellschafters, es belastet in Grenzfällen jedoch den Geschäftsführer mit den schadenersatzrechtlichen (§ 64 GmbHG) und strafrechtlichen (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) Risiken der ihm abverlangten Entscheidung, ob jene Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend einzustufen und ob demgemäß von der Stellung des Insolvenzantrags Abstand zu nehmen ist. Nicht zuletzt das Anliegen, den Geschäftsführer hiermit nicht zu belasten, sondern für zweifelsfreie und rechtssichere Verhältnisse zu sorgen, bewegt neben anderen Gründen die Vertreter der Gegenansicht dazu, grundsätzlich die Einstellung eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz zu verlangen (vgl. etwa Scholz/K.Schmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a/32 b Rdnr. 63; ders. GmbHR 1999, 9, 15 f.; Priester, ZIP 1994, 413, 416; Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz 2. Aufl. Rdnr. 610; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Fn. 77; Fastrich, FS Zöllner S. 143, 159 ff.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 615, 617).
(2) In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Vorbelastungs - und Jahresbilanz (BGHZ 124, 282) wird allerdings allgemein angenommen , daß sich die Frage der Passivierung von Gesellschafterforderungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter auch beim Überschuldungsstatus dann nicht stellt, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Rangrücktritt, also sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (mißverständlich Uhlenbruck aaO Rdnr. 613). Stellt sich der Gesellschafter in dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital
umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stehen, besteht keine Notwendigkeit , diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen. Einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Verzichts auf die Forderung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443 S. 115 reSp) bedarf es nicht. Denn durch ihn würden - den allerdings nicht naheliegenden Fall der Überwindung der Krise oder des Vorhandenseins eines Liquidationsüberschusses unterstellt - ausschließlich die Mitgesellschafter begünstigt , während die Interessen der außenstehenden Gläubiger durch die beschriebene Rangrücktrittserklärung ebenso gewahrt worden sind, wie dem Wunsch der Gesellschafter, die GmbH erhalten zu können, Rechnung getragen worden ist (vgl. in diesem Sinn z.B. Kleindiek aaO S. 209 f. m.w.N.; Uhlenbruck aaO Rdnr. 612 f. m.w.N.; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Rdnr. 58 f.; Hüffer aaO § 92 Rdnr. 11).
(3) Von dieser Ausnahme einer seitens des Gesellschafters abgegebenen Rangrücktrittserklärung abgesehen hält der Senat auch für den Überschuldungsstatus die Passivierung solcher Gesellschafterforderungen für erforderlich , die wegen ihres eigenkapitalersetzenden Charakters in der durch die Notwendigkeit der Prüfung der Überschuldungssituation gekennzeichneten Krise nicht bedient werden dürfen.
Derartige Gesellschafterforderungen verlieren nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 140, 147, 153 m.w.N.) ihren Charakter als Verbindlichkeiten nicht; ebenso wenig wie sie mit dem Eintritt der Krise erlöschen , werden sie automatisch in dieser Situation zu statutarischem Eigenkapital. Die Umqualifizierung der von dem Gesellschafter als Drittem gewährten Leistung in funktionales Eigenkapital und das Eingreifen der von der Rechtsprechung entwickelten Eigenkapitalersatz- und der sog. Novellenregeln
(§§ 32 a und b GmbHG) hat lediglich zur Folge, daß der Gesellschafter während der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH nicht durchsetzen darf. Nach Überwindung der Krise ist er jedoch nicht gehindert, die aus seiner Drittgläubigerstellung folgenden Rechte gegen die Gesellschaft - und zwar auch hinsichtlich der Rückstände (BGHZ 140, 147, 153) - zu verfolgen. Im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verliert er auch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft diese Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht und kann deswegen - sofern nach Befriedigung aller anderen Gläubiger der Gesellschaft ein zu verteilender Betrag verbleibt - die bis dahin in der Durchsetzung gehemmten Ansprüche mit Vorrang vor den Forderungen der Mitgesellschafter bei der Verteilung des Liquidationserlöses geltend machen. Diese schon nach dem hier maßgeblichen früheren Recht geltenden Regeln sind in dem neuen Insolvenzrecht nunmehr in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausdrücklich niedergelegt worden.
Bereits dieser Umstand, daß auch die zeitweise nicht durchsetzbaren, weil den Eigenkapitalersatzregeln unterworfenen Gesellschafterforderungen ihren Charakter als Verbindlichkeiten der Gesellschaft beibehalten, spricht für ihren Ausweis in der Überschuldungsbilanz. Es kommt hinzu, daß das von den sich gegen eine Passivierung dieser Ansprüche aussprechenden Stimmen besonders betonte Erhaltungsinteresse der Gesellschafter (vgl. etwa Lutter/Hommelhoff aaO § 64 Rdnr. 17 a und 17 b) gegenüber dem Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit an einer auf rechtssicherer Grundlage getroffenen Entscheidung über die Insolvenzreife keinen Vorzug verdient. Wenn nicht die Gesellschaft ohnehin in einer so desolaten Lage ist, daß es für die Frage ihrer Überschuldung auf die Passivierung der Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Leistungen nicht mehr ankommt, haben es die Gesellschafter, denen an der Erhaltung der GmbH gelegen ist, in der Hand, durch Abgabe der oben näher beschriebenen Rangrücktrittserklärung deutlich
zu machen, daß sie jedenfalls für die Dauer der Krise auf ihre Position als Drittgläubiger verzichten. In den Grenzfällen erhält der Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung , ob die Gesellschaft überschuldet ist und er den Insolvenzantrag stellen muß. Diese Entscheidung dem Gesellschafter abzuverlangen und mit ihr und ihren schadenersatz- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht den Geschäftsführer zu belasten, ist auch deswegen angezeigt, weil mit ihr der Gesellschafter klarstellt, daß er die Forderung nicht in Konkurrenz zu den außenstehenden Gläubigern geltend machen, sondern seine Hilfeleistung fortsetzen und verstärken und dadurch erreichen will, daß die Gesellschaft die Chance der Krisenüberwindung bewahrt. Trifft er diese Entscheidung nicht, so gibt er der Hoffnung, als nachrangiger Gesellschaftsgläubiger wenigstens einen Teilbetrag seiner Gesellschafterhilfe zurückzuerhalten, den Vorrang und läßt es damit zu, daß die GmbH in die Insolvenz geführt wird.
Für den Geschäftsführer bedeutet dies die Befreiung von den - trotz einer ausgedehnten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach wie vor bestehenden (K.Schmidt, GmbHR 1999, 9, 15; a.A. Hachenburg/Ulmer aaO § 63 Rdnr. 46 a; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18; Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 262 f.; Fleischer, ZIP 1996, 773, 776) - Unwägbarkeiten , ob eine Gesellschafterdrittleistung den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt oder nicht; er kann den betreffenden Gesellschafter zur Abgabe einer Rangrücktrittserklärung auffordern und hat die Forderungen des Gesellschafters als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern er eine solche Ä ußerung nicht erhält.
(4) Da danach zwar das Darlehen über 1 Mio. DM vom November 1992 mit Rücksicht auf den erklärten Rangrücktritt nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen war, wohl aber das gleich hohe, nicht mit einer Rangrück-
trittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen vom Mai 1993 und auch die "stehen gelassenen" Mietschulden in Höhe von rund 691.000,-- DM passiviert werden mußten, hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die allerdings im wieder eröffneten Berufungsverfahren ggfs. ergänzt werden können - im Ergebnis zutreffend das Vorhandensein einer Überschuldung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt bejaht.
II. Die Ausstellung und Begebung des Schecks über 119.254,-- DM durch den Beklagten in dieser Überschuldungssituation der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht als eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht in Einklang stehende Verhaltensweise (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) angesehen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht, weil das Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten, aus dem er herleiten will, daß er sich ordnungsgemäß verhalten hat, nicht vollständig geprüft hat.
1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird allerdings vermutet, daß er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184 f. [unter II 1. b]; Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 81/94 [früher: 61/92], ZIP 1994, 841; Urt. v. 11. September 2000 - II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 f.). Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der
Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143 aaO; Urt. v. 11. September 2000 aaO). Soweit Leistungen des Geschäftsführers in der Insolvenzsituation eine Masseverkürzung nicht zur Folge haben oder soweit durch sie im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdnr. 42; Baumbach /Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 73), kann deswegen das Verschulden nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausnahmsweise zu verneinen sein. Dagegen ist das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die genannte Leistung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. Mai 2000 - VI ZR 90/99, ZIP 2000, 1339), zu entziehen, kein im Rahmen des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müßte in einem solchen - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Pflichtenkollision das deliktische Verschulden verneint werden, wenn sich der Geschäftsführer - gemessen am Maßstab der dem Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialvorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält.
2. Daß die von dem Beklagten veranlaßte Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 nach diesen Grundsätzen als schuldhafter Verstoß gegen die Masseerhaltungspflicht des § 64 Abs. 2 GmbHG einzustufen ist, hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.

a) Sollte nämlich, wie der Beklagte geltend gemacht hat, zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 trotz der jahrelangen gegenteiligen Verfahrensweise keine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestanden haben, hätte der Beklagte auf eine eigene Steuerverbindlichkeit der Gemeinschuldnerin geleistet. Jedenfalls dann, wenn diese Zahlung in derselben Höhe auch im Konkursverfahren hätte geleistet werden müssen,
würde es an der Masseverkürzung fehlen, welche die tatbestandliche Voraussetzung für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist. Das hängt u.a. von der nach der Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse und der Höhe der ggfs. vor der Steuerschuld zu berichtigenden vorrangigen Forderungen anderer Gesellschaftsgläubiger ab. Tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen.
Sollte sich erweisen, daß es durch die Leistung des Beklagten zu einer Masseverkürzung gekommen ist, weil das Finanzamt dem Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern Befriedigung erlangt hat, kann der Beklagte seiner Haftung nicht mit der Erwägung begegnen, er habe durch sein Vorgehen seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 69 AO begegnen wollen. Einer derartigen Haftung war er schon nach den einschlägigen steuerrechtlichen Regeln nicht ausgesetzt. Denn danach war er, unabhängig von der Frage, ob die von ihm bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung zu den vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten zu erfüllenden Gesellschaftsschulden gehört hat (vgl. Klein/Rüsken, AO 7. Aufl. § 69 Rdnr. 38 m.w.N.), jedenfalls überhaupt nicht verpflichtet, in der Insolvenzsituation Zahlungen an das Finanzamt zu erbringen. Der Gefahr, nach § 69 AO belangt zu werden, setzte er sich allein dann aus, wenn er den das Abgabenrecht prägenden Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzte, also andere Gesellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus bevorzugt bediente (BFH, Urt. v. 2. März 1993 - VII R 90/90, BFH-NV 1994, 526, 527; Beermann, DStR 1994, 805, 808 f.; Klein/Rüsken aaO § 69 Rdnr. 39 m.w.N.; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 69 Rdnr. 14, 45).

b) Falls dagegen - wie die Parteien bis kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen haben - zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden hat, könnte der Beklagte keinesfalls mit seiner Ansicht
durchdringen, er habe den in § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG niedergelegten Sorgfaltsmaßstab gewahrt. Denn dann wäre nicht die Gemeinschuldnerin, sondern allein die Beklagte zu 3 als Organträgerin Steuerschuldnerin gewesen. Durch die - den seinerzeit angeblich getroffenen Abreden folgende - Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt wäre dann einerseits die Steuerschuld der Beklagten zu 3 beglichen, zugleich aber auch deren gegenüber der GmbH bestehender Aufwendungsersatzanspruch erfüllt worden. Mit der von dem Beklagten veranlaßten Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober wäre danach dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider die Organträgerin wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs vor allen anderen Gesellschaftsgläubigern - das endgültige Bestehen einer Umsatzsteuerschuld unterstellt - masseverkürzend befriedigt worden. Dafür, daß der Beklagte in der geschehenen Weise handeln mußte, um einer Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin nach § 73 AO zu entgehen, weil die Beklagte zu 3 als Organträgerin außerstande war, die Steuerschuld zu erfüllen, gibt der Parteivortrag nichts her, abgesehen davon, daß die Inanspruchnahme der Organgesellschaft als Haftungsschuldnerin von einer entsprechenden Ermessensausübung (§ 191 AO, vgl. dazu Boeker aaO § 73 Rdnr. 22 ff.) seitens des Finanzamts abhängig ist. Auch in diesem Zusammenhang könnte sich der Beklagte jedenfalls nicht darauf berufen, er habe zur Abwendung seiner eigenen Haftung nach § 69 AO gehandelt, weil auch insofern der oben erörterte Grundsatz der anteiligen Tilgung anwendbar wäre und er nur für eine Bevorzugung einzelner Gläubiger gegenüber dem Steuerfiskus einstehen müßte.

c) Demgemäß kommt es ggfs. darauf an, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen hat.
Bei einer Betriebsaufspaltung, wie sie hier zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin vorhanden war, fordert die finanzgerichtliche
Rechtsprechung (BFHE 172, 541; Boeker aaO § 73 Rdnr. 12; Klein/Rüsken aaO § 73 Rdnr. 5), daß das überlassene Betriebsgrundstück für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft "besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf angepaßt und dafür nach Lage, Größe und Bauart und Gliederung besonders zugeschnitten ist". Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, nachdem der seit 1981 von der Gemeinschuldnerin geführte Betrieb schon vorher jahrzehntelang auf demselben mit Produktionshallen, Maschinen usw. ausgestatteten Gelände betrieben worden war, läßt sich mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 28. Januar 1999 - V R 32/98, DStR 1999, 497 f.) kann entgegen der von dem Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht auch nicht ohne nähere tatrichterliche Prüfung ausgeschlossen werden, daß es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung, nämlich einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin fehlt. Denn eine solche organisatorische Eingliederung wird bereits dann angenommen , wenn durch die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in beiden Gesellschaften sichergestellt ist, daß "eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet".
III. Die danach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht - ggfs. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die Gelegenheit , die fehlenden Feststellungen zu treffen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. § 64 Abs. 2 GmbHG ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, keine Schadenersatznorm, sondern enthält einen Ersatzanspruch eigener Art (Sen.Urt. v. 18. März 1974 - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; vgl. auch BGHZ
143, 184 ff. = ZIP 2000, 184). Er ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Diesem Zweck widerspräche es, könnte der Geschäftsführer , der dem Verbot des § 64 GmbHG zuwider masseverkürzende Leistungen erbracht hat, auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Beträge (BGHZ 131, 325 ff.) verweisen oder den Erstattungsanspruch im voraus um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte (a.A. Roth/Altmeppen aaO § 64 Rdnr. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 76) oder - wie der Beklagte meint - sich gar mit einer bloßen Sicherstellung bis zum Abschluß des Insolvenzverfahrens begnügen. Vielmehr kann der Zweck der Vorschrift nur dadurch erreicht werden, daß der Geschäftsführer den ausgezahlten Betrag ungekürzt erstattet. Damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt, ist ihm in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen; dabei deckt sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 29. November 1999 (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184, 186) etwas anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten.
2. Sollte sich auf Grund der erneuten Verhandlung ergeben, daß hinsichtlich der von der Gemeinschuldnerin bewirkten Umsatzsteuervorauszahlung ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt besteht, kann der Beklagte von dem Kläger in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ggfs. Abtretung dieser Forderung Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatzanspruchs verlangen.
Falls die Beklagte zu 3 dagegen bereits jene 119.254,-- DM vom Finanzamt erstattet bekommen haben sollte, hätte der Kläger gegen sie - gleichgültig ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen hat oder nicht - einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch, den er in gleicher Weise an den Beklagten abzutreten hätte.
3. Die hilfsweise - auf Grund der Unterstellung, es liege eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 vor - erklärte Aufrechnung mit den der Beklagten zu 3 zustehenden Erstattungsforderungen wegen der von dem Kläger vereinnahmten Umsatzsteuerrückzahlungen von zusammen 101.372,30 DM für die Monate November und Dezember 1993 greift nicht durch. Es fehlt schon an dem Vortrag, daß die Beklagte zu 3 überhaupt jene Vorauszahlungen aus ihrem Vermögen geleistet hat. Außerdem ist nicht behauptet worden, die Beklagte zu 3 habe ihren etwaigen Erstattungsanspruch gegen den Kläger an den Beklagten abgetreten und dieser
habe sich ihrer Aufrechnungserklärung angeschlossen. Jedenfalls scheitert die Aufrechnung bereits an § 55 Nr. 2 KO. Denn der Beklagte ist vor Eröffnung des Verfahrens nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig geworden, während der Steuererstattungsanspruch, dessen sich die Beklagte zu 3 berühmt, erst nach der Konkurseröffnung, nämlich Ende des Jahres 1994 entstanden ist.
Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke
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aa) Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Wenn der Geschäftsführer erkennt , dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz zu überprüfen (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 140 f.). Er handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss sich der Geschäftsführer, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 16).

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.