Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 08. Mai 2014 - 1 Ws 48 - 52/14

bei uns veröffentlicht am08.05.2014

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 9 als Strafvollstreckungskammer, vom 21. März 2014 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt seit dem 12. März 2011 gegen ihn verhängte Freiheitsstrafen. Im Einzelnen bestehen folgende Vollstreckungsgrundlagen mit dem jeweils nachstehend ausgewiesenen Vollstreckungsstand:

2

1.

AG Hamburg-Blankenese vom 8. Juli 2004
(StVH 235/11)

9 Monate Freiheitsstrafe
§§ 241, 185 StGB

2.

AG Pinneberg vom 13. April 2005
(StVH 234/11)

10 Monate Freiheitsstrafe
§ 323a StGB

3.

AG Hamburg vom 10. Oktober 2007
(StVH 233/11)

6 Monate Freiheitsstrafe
§ 223 StGB

4.

AG Hamburg-Altona vom 5. Februar 2009
(StVH 236/11)

10 Monate Gesamtfreiheitsstrafe
§§ 223,224, 22, 241 StGB

5.

LG Hamburg vom 4. März 2011
(StVH 445/13 Bd. I)

2 Jahre und 3 Monate Freiheitsstrafe
und Unterbringung nach § 64 StGB
§ 223 StGB

3

Gegenwärtig wird die durch das Amtsgericht Hamburg-Blankenese verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt (Ziff. 1). Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe war - ebenso wie die Vollstreckung der mit Urteil des Amtsgerichts Pinneberg verhängten Freiheitsstrafe (Ziff. 2) - durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 11. Januar 2007 nach § 57 Abs. 1 StGB zunächst zur Bewährung ausgesetzt worden. Wegen erneuter Straftaten des Beschwerdeführers war die Strafaussetzung indes am 12. Mai 2011 widerrufen worden.

4

Mit den Urteilen der Amtsgerichte Hamburg und Hamburg-Altona (Ziff. 3 und 4) war der Beschwerdeführer jeweils lediglich zu bedingten Freiheits- bzw. Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Auch die hierdurch jeweils gewährte Strafaussetzung hat das Landgericht Hamburg durch seinen Beschluss aus dem Mai 2011 widerrufen wegen der mit der zuletzt genannten Verurteilung aus dem März 2011 (Ziff. 5) rechtskräftig festgestellten neuerlichen Strafbarkeit.

5

Neben einer Freiheitsstrafe wurde durch das Landgericht Hamburg gegen den Beschwerdeführer die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. In der Zeit vom 12. März 2011 bis zum 27. März 2014 war der Beschwerdeführer auf Grund dessen im Maßregelvollzug untergebracht. Dieser Freiheitsentzug ist nach den Maßgaben des § 67 Abs. 4 StGB anrechnungsfähig auf die noch zu vollstreckende Freiheitsstrafe des Landgerichts Hamburg (Ziff. 5). Zwei Drittel dieser Strafe sind auf diese Weise - und unter Anrechnung bereits im Erkenntnisverfahren erlittener Freiheitsentziehungen - als verbüßt zu behandeln. Die Maßregel ist mit Ablauf des 27. März 2014 für erledigt erklärt worden (§ 67d Abs. 4 Satz 2 StGB). Aus dem Vollstreckungsblatt - datierend vom 9. April 2014 - ist als Zeitpunkt für eine gemeinsame Aussetzungsentscheidung der 27. September 2015 zu entnehmen.

6

Mit Beschluss vom 21. März 2014 wies die Strafvollstreckungskammer nach Anhörung der Vollstreckungsbehörde und des Beschwerdeführers dessen Antrag zurück, sämtliche „derzeit noch zu verbüßenden Freiheitsstrafen“ unter „Annahme eines sog. Härtefalls“ zur Bewährung auszusetzen. Gegen diese - seinem Verteidiger am 24. März 2014 förmlich bekannt gemachte - Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner am 31. März 2014 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Vom Rechtsmittelangriff ausdrücklich ausgenommen sind die im nämlichen Beschluss getroffenen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Führungsaufsicht.

II.

7

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig (§ 454 Abs. 3 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 306 Abs. 1 StPO). In der Sache bleibt sie indes ohne Erfolg. Nach ordnungsgemäßer Durchführung des Aussetzungsverfahrens (vgl. § 454 Abs. 2 StPO) hat die Strafvollstreckungskammer dem Beschwerdeführer im Ergebnis mit Recht die begehrte vorzeitige Strafrestaussetzung versagt.

8

1. Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Strafvollstreckung zur Bewährung aus, wenn zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt sind, dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann und die verurteilte Person hierin einwilligt. Diese Maßgaben werden bei nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen durch die vollstreckungsverfahrensrechtliche Regelung des § 454b Abs. 3 StPO modifiziert. Danach ist eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StPO erst dann zu treffen, wenn über die Strafrestaussetzung sämtlicher zu vollstreckender Freiheitsstrafen gleichzeitig entschieden werden kann.

9

2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil jedenfalls die Strafvollstreckung der mit den Urteilen der Amtsgerichte Hamburg und Hamburg-Altona verhängten Strafen (Ziff. 3 und 4) bislang noch nicht begonnen hat. Diese gesetzliche Vorgabe wird hier auch nicht durch die - von der Strafvollstreckungskammer nach Anhörung der Vollstreckungsbehörde im Rahmen des Verfahrens über die Reststrafaussetzung mit Recht erwogene (a.A. wohl OLG Braunschweig, Beschl. v. 31. März 2014 - 1 Ws 47/14, wobei die hierfür in Bezug genommene verfassungsgerichtliche Vorgabe ersichtlich nur den Fall der Vollverbüßung erfassen dürfte) - Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 getroffenen Weitergeltungsanordnung überwunden (BGBl. 2012 I S. 1021).

10

a) Mit seiner vorgenannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass § 67 Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 16. Juli 2007 mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG insoweit unvereinbar ist, als er es ausnahmslos ausschließt, die Zeit eines erlittenen Maßregelvollzugs mit Freiheitsstrafen zu verrechnen, die nicht mit dem die Maßregelanordnung treffenden nämlichen Urteil verhängt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372 = NJW 2012, 1784, 1786; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2013 - 2 BvR 1066/13, BeckRS 2013, 59944).

11

Diese gesetzliche Regelung trage einem in Einzelfällen möglicherweise notwendigen Ausgleich zwischen dem im Rechtsstaatsprinzip gründenden Gebot, rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen und damit den staatlichen Strafanspruch zu vollstrecken einerseits und einer übermäßigen Belastung von Verurteilten durch die gesetzlich ausgeschlossene Anrechnung im Maßregelvollzug erlittenen Freiheitsentzugs auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen andererseits nicht zureichend Rechnung. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung gilt § 67 Abs. 4 StGB nach der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung mit der Maßgabe fort, dass die im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung verbrachte Zeit in Härtefällen auch auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen im Strafvollstreckungsverfahren anzurechnen ist (BVerfG, a.a.O., S. 1788 Tz. 87, 71, 63; durch das Gesetz zur bundeseinheitlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 [BGBl. I, S. 2425] allerdings nicht aufgegriffen).

12

b) Liegen die Voraussetzungen einer nachträglich aus den verfahrensfremden Strafen und der zugleich mit der Maßregel im Urteil verhängten Freiheitsstrafe zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe nicht vor (vgl. hierzu BVerfG, a.a.O., S. 1786 Tz. 66; OLG München, Beschl. v. 31. März 1987 - 1 Ws 735/86, NStZ 1988, 93, 94), ist zur Bestimmung eines vollstreckungsrechtlichen Härtefalls eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. In diese ist eine erhebliche Überschreitung des von den Tatgerichten für schuldangemessen erachteten Freiheitsentzugs ebenso einzustellen wie eine mögliche Entwertung im Rahmen vorwegvollzogenen Maßregelvollzugs erzielten Therapieerfolgs oder der Beitrag, den der Betroffene zur konkreten Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens geleistet oder eben - gar im Wege einer Totalverweigerung - nicht geleistet hat (BVerfG, a.a.O., S. 1787 Tz. 71).

13

c) Gemessen hieran liegt ein Härtefall im Sinne der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung nicht vor.

14

Zwar steht der Anwendung der Weitergeltungsanordnung hier nicht schon entgegen, dass diese - anders als in der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahrenskonstellation - einen im Rahmen der Unterbringung nach § 64 StGB erlittenen Freiheitsentzug betrifft. Die verfassungsgerichtlich beanstandete Fassung des § 67 Abs. 4 StGB eröffnet für die Vollstreckungsbehörden auch insofern keine andere Handhabe und kann im Einzelfall ebenfalls eine nicht unerhebliche Eingriffstiefe in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG erreichen (vgl. auch HansOLG Hamburg, Beschl. v. 19. Dezember 2013 - 2 Ws 215/13 sowie ferner OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. Februar 2014 - III-2 Ws 69-71/14, BeckRS 2014, 04186; OLG Celle, Beschl. v. 12. März 2013 - 1 Ws 91/13, BeckRS 2013, 05519; OLG Nürnberg, Beschl., 22. November 2012 - 2 Ws 461/12, BeckRS 2012, 24771). Auch ist - worauf die Strafvollstreckungskammer mit Recht hinweist - die Summe der verhängten Freiheitsstrafen durch den insgesamt vom Beschwerdeführer erlittenen Freiheitsentzug noch nicht erreicht.

15

Die Maßgaben der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung entziehen sich aber - entgegen der aus dem angegriffenen Beschluss erkennbaren Wertung - einer schematischen Anwendung. Vielmehr ist anhand einer Gesamtschau der vom Bundesverfassungsgericht benannten Prüfkriterien zu ermitteln, ob die - verfassungsgerichtlich dem Grunde nach nicht beanstandete - Kumulation der Folgen von Straf- und Maßregelvollzug im konkreten Einzelfall zu einem übermäßigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht eines Verurteilten führt. Im Rahmen dieser Abwägung am Maßstab des Übermaßverbots kann einzelnen Umständen mehr oder weniger Gewicht beigemessen werden. Ein die Summe verhängter Freiheitsstrafen signifikant übersteigender Freiheitsentzug mag im Einzelfall geringere Anforderungen an die Gefährdungswahrscheinlichkeit für einen bestehenden Therapieerfolg ebenso rechtfertigen, wie ein besonders eindrucksvoller Therapieerfolg eine von Verfassungs wegen nicht mehr hinnehmbare Dauer des Freiheitsentzugs bereits zum gemeinsamen Zwei-Drittel-Zeitpunkt begründen könnte (anders wohl OLG Nürnberg, a.a.O.).

16

d) Dies zugrunde gelegt, fehlt es hier an einer übermäßigen Belastung des Beschwerdeführers durch den bislang erlittenen und durch den weiteren Strafvollzug absehbaren Freiheitsentzug. In diese Gesamtwürdigung hat der Senat im Einzelnen folgende Erwägungen eingestellt:

17

aa) Die Dauer des vom Beschwerdeführer erlittenen Freiheitsentzugs erreicht derzeit nicht die Summe sämtlicher erkannter Freiheitsstrafen. Unter Berücksichtigung der Dauer des Maßregelvollzugs auch für verfahrensfremde Freiheitsstrafen sowie der im Ermittlungsverfahren nach § 126a StPO angeordneten einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und der gegenwärtig seit dem 28. März 2014 vollstreckten Strafhaft erreicht der Beschwerdeführer gerade den gemeinsamen - hier freilich fingierten - Zwei-Drittel-Zeitpunkt sämtlicher Vollstreckungsgrundlagen.

18

bb) Weiter hat der Senat den bisherigen Therapieverlauf und dessen Ergebnisse in den Blick genommen und hierbei namentlich folgende Umstände berücksichtigt:

19

(1) Der Beschwerdeführer hat sich seiner seit Jahren bestehenden Alkoholabhängigkeitserkrankung (ICD-10 F 10.21) mit Beginn des Maßregelvollzugs gestellt. Die ärztlichen Stellungnahmen der Asklepios Klinik Nord - Klinik für Forensische Psychiatrie - weisen aus, dass er während der gesamten Dauer von Maßregel- und, soweit derzeit ersichtlich, Strafvollzug abstinent geblieben ist. Diese Entwicklung bewertet der Senat als besonders positiv. Hierbei war freilich auch in den Blick zu nehmen, dass ihm dieser längere Zeitraum abstinenten Lebens bislang nur im Maßregelvollzug und - jedenfalls seit Januar 2012 - unter Anwendung des Medikaments "Antabus" gelingt, das körperliche Beschwerden im Falle von Alkoholkonsum auslöst. In Freiheit war ihm ein solches eigenverantwortetes abstinentes Leben und Durchhaltevermögen nicht möglich. Zahlreiche - auch stationäre - Therapien hatte er abgebrochen.

20

(2) Hingegen erweist sich der Therapieverlauf betreffend die ebenfalls beim Beschwerdeführer diagnostizierte kombinierte emotional-dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 61.0) als unbeständig und ambivalent.

21

Besonders eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang zunächst das Ergebnis der Anhörung vom 19. März 2014. Darin schilderte der Bezugspfleger des Beschwerdeführers, dass auch jüngst „aggressives Verhalten“ des Beschwerdeführers zu beobachten gewesen sei. Dieses Verhalten werde „gerade intensiv bearbeitet“.

22

Dieses Anhörungsergebnis war zu erwarten. Der durch die seit Sommer 2011 eingeholten ärztlichen Stellungnahmen dokumentierte Therapieverlauf war geprägt von Unbeständigkeit. Zwar gab es immer wieder Phasen, in denen es dem Beschwerdeführer besser gelang, an der Stationsarbeit mitzuwirken, sich Einzelgesprächen zu stellen und über sich und sein Befinden sowie die Anlassstraftaten zu sprechen. Wie ein roter Faden zieht sich durch den Maßregelvollzug aber auch, dass es ihm überwiegend nur mit Mühe gelang an der Stationsarbeit und den therapeutischen Sitzungen teilzunehmen. Oftmals verschlief er diese sogar, wobei ärztlicherseits eine medikamentöse Ursache für diese Antriebsschwäche in den Blick genommen worden war. Ferner zeigte er nur in eng begrenztem Maße Verantwortlichkeit für die Behandlung seiner Diabetes-Erkrankung.

23

Hierbei hat der Senat nicht verkannt, dass dem Beschwerdeführer wegen der dritten bei ihm diagnostizierten Störung (leichte Intelligenzminderung, ICD-10 F 70) teilweise die kognitiven Voraussetzungen für einen optimalen Behandlungsverlauf fehlen könnten. Allerdings wurden auch sämtliche angebotenen Erleichterungen, etwa Merkzettel oder Erinnerungsfunktion im Mobiltelefon, von ihm nicht angenommen. Eine bestimmende willensgetragene Motivation des Beschwerdeführers zu einer Verhaltensänderung und damit nachhaltigen Behandlung seiner Persönlichkeitsstörung ist vor diesem Hintergrund nur schemenhaft zu erkennen.

24

cc) Derzeit streitet auch wenig dafür, dass dieser begrenzte Therapieerfolg mit einer signifikanten Wahrscheinlichkeit durch den anstehenden Strafvollzug vereitelt zu werden droht.

25

Zwar kann der Strafvollzug keine sichere Gewähr dafür bieten, dass in einer Justizvollzugsanstalt - entgegen bestehender, disziplinarrechtlich abgesicherter Verbote - nicht doch Alkohol für die Insassen verfügbar ist. Gleichermaßen kann nicht - gerade vor dem Hintergrund der bislang nur medikamentös erreichten Abstinenz - ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Strafvollzugs abermals rückfällig werden könnte.

26

Der therapeutische Erfolg selbst wird aber nach Bekunden des behandelnden Arztes durch den anstehenden Strafvollzug gleichwohl „nicht vollkommen zerstört“ und die - fortdauernde - Haftsituation für die Alkoholabstinenz durch diesen „nicht nur negativ bewertet“. Die Anhörung vom 19. März 2014 belegt ferner, dass die Gefahr des anstehenden Strafvollzugs maßgeblich darin gesehen wird, dass der in Aussicht genommene und als geeignet angesehene soziale Empfangsraum - die Zusage eines Wohngruppenplatzes in dem Therapiezentrum Psychose und Sucht (TPS) - dem Beschwerdeführer bei Haftfortdauer gegenwärtig nicht zur Verfügung stehen wird. Dies ist sicherlich ein bei der Prüfung übermäßiger Härte im Sinne der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung in den Blick zu nehmender Umstand. Er weist allerdings selbst einen Therapieerfolg nicht aus, sondern soll nur die Grundlage für Weiteres legen. Überdies hat der Bezugspfleger der Einrichtung erklärt, den Beschwerdeführer im Anschluss an seine weitere Strafhaft abermals aufnehmen zu wollen. Auch deshalb ist dem sozialen Empfangsraum bei der hier anstehenden Entscheidung keine bestimmende Bedeutung zuzumessen.

27

dd) Gerade mit Blick auf den zuletzt genannten Umstand kam schließlich dem Verhalten des Beschwerdeführers Relevanz zu. Auch hierbei hat der Senat nicht verkannt, dass seine Nachlässigkeiten im Stationsalltag zumindest auch auf bestehende kognitive Überforderungen zurückzuführen sein könnten. Gleichwohl war der erkennbar nachlässige Umgang des Beschwerdeführers mit seiner Diabetes-Erkrankung, namentlich dem mit eigenem Wohlergehen unvereinbaren nächtlichen Konsum von Süßigkeiten und unzureichende medikamentöse Einstellung, zu berücksichtigen. Trotz umfassender ärztlicher Hilfestellungen, Ratschlägen und in dem Wissen, dass diese Erkrankung auch für die Straftaten der Anlassverurteilung nicht ausschließbar mitverantwortlich gewesen ist (vgl. Gutachten Dr. Oswald v. 8. Februar 2011, S. 12), zeigt der Beschwerdeführer keine Bereitschaft zur nachhaltigen Mitarbeit und steht sich selbst auf dem Weg zu einer erfolgreichen Behandlung auch dieser möglichen Ursache seiner Aggressionsdurchbrüche im Wege.

28

ee) Der Senat hat diese Umstände sodann einer Gesamtwürdigung zugeführt. Das Ergebnis dessen belegt keine durch die Haftfortdauer bewirkte übermäßige Härte. In diese Gesamtbetrachtung war namentlich einzustellen, dass die Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs bislang die Summe der für schuldangemessen erkannten Strafen noch um etwa ein Drittel verfehlt. Auch war als Konsequenz einer abgelehnten übermäßigen Härte im Sinne der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung die gesetzliche Bestimmung des § 454b Abs. 2 Satz 2 StPO in den Blick zu nehmen. Hiernach sind die derzeit - auf Grund eines Widerrufs vollstreckten - Strafreste namentlich aus spezialpräventiven Gründen vorab zu vollstrecken (§ 454b Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. BGH, Beschl. v. 9. Februar 2012 - 5 AR (VS) 40/11, BGHSt 57, 155 = NJW 2012, 1016, 1017). Weiter war zu bedenken, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Maßregelvollzugs sicherlich Fortschritte sowohl im Umgang mit seiner Suchterkrankung als auch mit Blick auf sein eingeschränktes Konfliktlösungspotential erzielt hat. Diese weisen indes bislang weder eine besondere Nachhaltigkeit auf noch gehen sie zurück auf eine konstante therapeutische Entwicklung.

29

3. Die weiteren mit dem hier angegriffenen Beschluss verbundenen - für sich selbstständigen - Entscheidungen hat der Beschwerdeführer von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. zur Beschwerdebeschränkung nur Frisch in SK-StPO, 4. Aufl., § 304 Rn. 3 und Vor § 304 Rn. 6 jeweils m.w.N.).

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(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die Strafe, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.

(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.

(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.

(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen sollen unmittelbar nacheinander vollstreckt werden.

(2) Sind mehrere Freiheitsstrafen oder Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen nacheinander zu vollstrecken, so unterbricht die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, wenn

1.
unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate,
2.
im übrigen bei zeitiger Freiheitsstrafe zwei Drittel, mindestens jedoch zwei Monate, oder
3.
bei lebenslanger Freiheitsstrafe fünfzehn Jahre
der Strafe verbüßt sind. Dies gilt nicht für Strafreste, die auf Grund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden. Treten die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe bereits vor Vollstreckbarkeit der später zu vollstreckenden Freiheitsstrafe ein, erfolgt die Unterbrechung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckbarkeit.

(3) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckungsbehörde von der Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 absehen, wenn zu erwarten ist, dass nach deren vollständiger Verbüßung die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden.

(4) Hat die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nach Absatz 2 unterbrochen, so trifft das Gericht die Entscheidungen nach den §§ 57 und 57a des Strafgesetzbuches erst, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen gleichzeitig entschieden werden kann.

Vor der Vernehmung werden die Zeugen zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt. Auf die Möglichkeit der Vereidigung werden sie hingewiesen. Im Fall der Vereidigung sind sie über die Bedeutung des Eides und darüber zu belehren, dass der Eid mit oder ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 15. Februar 2013 - StVK 78/2011 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. April 2013 - 1 Ws 120-121/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtaussetzung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung nach vorangegangener Erledigterklärung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 8. Februar 1999 wegen Markenmissbrauchs in fünf Fällen und Subventionsbetrugs unter Einbeziehung einer im Mai 1995 verhängten Strafe wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nachdem die Aussetzung dieser Strafe zur Bewährung widerrufen worden war, verblieb ein Strafrest von 244 Tagen.

3

Am 29. April 2004 wurde der Beschwerdeführer durch Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth wegen Betrugs in 52 Fällen und eines weiteren Betrugs unter Einbeziehung einer im Mai 2002 durch das Amtsgericht Hersbruck verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten wegen Beleidigung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu Gesamtfreiheitsstrafen von insgesamt zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.

4

2. Seit Oktober 2004 wurde die Maßregel vollzogen. Im März 2008 wurde die Vollstreckung der Maßregel sowie die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Hersbruck vom 8. Februar 1999 und des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. April 2004 zur Bewährung ausgesetzt. Dem Beschwerdeführer wurde unter anderem die Weisung erteilt, keinen Alkohol zu konsumieren.

5

3. Mit Beschluss vom 22. September 2010 widerrief das Landgericht Ansbach die Aussetzungen zur Bewährung, weil der Beschwerdeführer beharrlich und gröblich gegen die Weisung, keinen Alkohol zu konsumieren, verstoßen habe. Seit dem 5. Juli 2011 war der Beschwerdeführer wieder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

6

4. Die Unterbringung wurde ab Juni 2012 gelockert. Die Lockerungen verliefen beanstandungsfrei. Seit November 2012 musste sich der Beschwerdeführer, der ansonsten bei seiner Mutter lebte, lediglich alle 14 Tage zu einem Therapiegespräch in dem Krankenhaus einfinden.

7

5. Mit angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2013 erklärte das Landgericht Ansbach die angeordnete Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt. Die weitere Vollstreckung der Maßregel sei ungeachtet der vorliegenden krankhaften seelischen Störung unverhältnismäßig, weil der Beschwerdeführer nicht wegen eines Gewaltdelikts verurteilt worden sei, die Maßregel insgesamt knapp neun Jahre vollzogen worden sei, weitergehende Maßnahmen zur Behandlung nicht erforderlich seien und das Rückfallrisiko nicht aufgrund der psychiatrischen Erkrankung, sondern aufgrund der Primärpersönlichkeit des Beschwerdeführers bestehe.

8

Die Vollstreckung der Strafreste setzte das Gericht demgegenüber nicht zur Bewährung aus. Dies könne unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden. Es sei von einer zumindest mittleren Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen. Zu berücksichtigen sei das strafrechtliche Vorleben des Untergebrachten. Zwar lägen die Straftaten teilweise lange zurück und habe der Beschwerdeführer nach der im Jahr 2008 erfolgten Entlassung bis zur Wiederaufnahme in den Maßregelvollzug keine neuen Straftaten begangen. Wegen seiner Alkoholabhängigkeit und wegen seiner narzisstischen und dissozialen Persönlichkeit sei aber damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer erneut Straftaten im Sinne der Anlassdelikte begehen werde.

9

Die Versagung der Reststrafenaussetzung sei - auch unter Berücksichtigung der langjährigen Maßregelvollstreckung - nicht unverhältnismäßig. Neben der Gefährdung künftiger Betrugsopfer sei die kriminelle Gesinnung des Beschwerdeführers ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass eine positive Veränderung seiner Einstellung im Maßregelvollzug nicht habe erreicht werden können. Diese Feststellung stehe nicht im Widerspruch zu der Einschätzung, die Fortdauer der Maßregel sei unverhältnismäßig, denn die bei den jeweiligen Prüfungen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte deckten sich nur teilweise.

10

6. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde stützte der Beschwerdeführer darauf, dass seine erfolgreiche Lockerungserprobung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Zudem habe er bis zum Widerruf der Strafaussetzung zweieinhalb Jahre straffrei in Freiheit gelebt. In der Gesamtschau mit der langen Unterbringungsdauer sei die Versagung der Reststrafenaussetzung unverhältnismäßig.

11

7. Das Oberlandesgericht Nürnberg verwarf die sofortige Beschwerde, soweit sie sich gegen die Nichtaussetzung der Vollstreckung der verbliebenen Strafreste richtete, durch ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 11. April 2013 unter Bezugnahme auf die landgerichtliche Entscheidung.

12

8. Auf erneuten Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Mai 2013 setzte das nunmehr zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 17. September 2013 die weitere Vollstreckung der verbliebenen Strafreste zur Bewährung aus und der Beschwerdeführer wurde aus dem Strafvollzug entlassen.

II.

13

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Die Gerichte hätten die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung verkannt.

III.

14

1. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Der Beschwerdeführer sei in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Wegen der langjährigen Unterbringung im Maßregelvollzug habe es einer besonders sorgfältigen Abwägung und Begründung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedurft. Dem genügten die angegriffenen Entscheidungen nicht. Es werde nicht hinreichend deutlich, ob die Instanzgerichte die Abwägung zwischen dem durch den langjährigen Maßregelvollzug gestärkten Freiheitsanspruch und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit überhaupt vorgenommen hätten. Es sei nicht erkennbar, wie sich die Maßregelvollstreckung im Rahmen der Abwägung ausgewirkt habe. Das Landgericht habe im Anschluss an deren Erwähnung sogleich Gesichtspunkte für die angenommene negative Legalprognose angeführt und sei auch später nicht mehr auf das Gewicht des Freiheitsanspruchs eingegangen. Selbst wenn man von einer Abwägung ausgehen wollte, seien jedenfalls wesentliche Aspekte unberücksichtigt geblieben. Es fehle eine Auseinandersetzung damit, dass der langjährige Maßregelvollzug die Dauer der verhängten Freiheitsstrafen deutlich übersteige. Zudem hätte Berücksichtigung finden müssen, dass der Beschwerdeführer die ihm gewährten Lockerungen nicht missbraucht habe.

15

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

16

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

B.

17

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Strafvollstreckung - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 117, 71 <95 f.> ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juni 2012 - 2 BvR 22/12 -, NStZ-RR 2012, S. 385 ff., m.w.N.) und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet.

I.

18

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. September 2013 die weitere Vollstreckung der verbliebenen Strafreste zur Bewährung ausgesetzt und der Beschwerdeführer aus dem Strafvollzug entlassen wurde. Die angegriffenen Beschlüsse waren im Zeitraum vom 15. Februar 2013 bis zum 17. September 2013 Grundlage des Freiheitsentzugs und damit eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).

II.

19

Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 15. Februar 2013 - StVK 78/2011 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. April 2013 - 1 Ws 120-121/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Die Gerichte haben in den angegriffenen Beschlüssen die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der verbliebenen Restfreiheitsstrafe des Beschwerdeführers zur Bewährung verkannt.

20

1. a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

21

Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 29, 312 <316>; 35, 185 <190>; 45, 187 <223>; stRspr). Belange von ausreichendem Gewicht sind insbesondere die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 45 <49>; 20, 144 <147>; 32, 87 <93>; 35, 185 <190>) und der Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 30, 47 <53>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>; 70, 297 <307>).

22

Das Rechtsstaatsprinzip, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, sowie die Gleichbehandlung aller in Strafverfahren rechtskräftig Verurteilten gebieten die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Das bedeutet auch, dass rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen grundsätzlich zu vollstrecken sind. Der staatliche Strafanspruch und - daraus folgend - das Gebot, rechtskräftig verhängte, tat- und schuldangemessene Strafen auch zu vollstrecken, sind gewichtige Gründe des Gemeinwohls (vgl. BVerfGE 51, 324 <343 f.>). Die Rechtsordnung darf ihre Missachtung nicht prämieren, denn sie schafft sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiert rechtstreues Verhalten und untergräbt damit auch die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit (vgl. BVerfGE 116, 24 <49>; 130, 372 <391>).

23

Kollidiert der Freiheitsanspruch der Person mit der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs oder dem Erfordernis, die Allgemeinheit vor zu erwartenden Rechtsgutverletzungen zu schützen, sind beide Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 90, 145 <172>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372 f.>). Dabei gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist. Die verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriffstatbestände haben insoweit auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie nicht nur den Eingriff in ein grundrechtlich geschütztes Interesse erlauben, sondern zugleich die äußersten Grenzen zulässiger Grundrechtseinschränkungen bestimmen (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>; 75, 329 <341>; 126, 170 <195>).

24

b) Freiheitsstrafen und freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung verfolgen unterschiedliche Zwecke, weswegen sie grundsätzlich auch nebeneinander angeordnet werden können (vgl. BVerfGE 91, 1 <31>; 128, 326 <376 f.>). Geschieht dies, ist es jedoch geboten, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke beider Maßnahmen möglichst weitgehend erreicht werden, ohne dass dabei in das Freiheitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG mehr als notwendig eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 91, 1 <31>). Die Schwere des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. BVerfGE 90, 145 <173>; 92, 277 <327>; 109, 279 <349 f.>; 115, 320 <345>; 130, 372 <392>).

25

c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juni 2012 - 2 BvR 22/12 -, NStZ-RR 2012, S. 385 <386>). Anders als bei Maßregeln ist zwar bei Strafen bereits im Strafurteil über die Verhältnismäßigkeit der zu vollstreckenden Strafe grundsätzlich entschieden worden. Doch auch bezüglich der Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe gemäß § 57a StGB - der auf § 57 Abs. 1 StGB verweist - hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bereits betont, dass die Regelung der Aussetzung einen Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht des zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten einerseits und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit andererseits schafft (vgl. BVerfGE 117, 71 <112>; BVerfGK 15, 390 <396>; 16, 44 <47 f.>). Die bei der Entscheidung über die Aussetzung zu berücksichtigenden Umstände werden dabei durch § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB konkretisiert (BVerfGE 117, 71<112>). Für die Strafaussetzung bei zeitigen Freiheitsstrafen kann nichts anderes gelten. Auch insoweit ist ein Ausgleich zwischen dem Freiheitsrecht des Einzelnen und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit geboten. Bei der nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB gebotenen Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände des Verurteilten kann die Dauer einer Freiheitsentziehung als notwendige Bedingung des Maßregelvollzugs aus Anlass der Tat nicht außer Betracht bleiben, auch wenn sie gemäß § 67 Abs. 4 StGB in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise nur auf zwei Drittel der Strafe angerechnet wird. Je länger der Freiheitsentzug insgesamt dauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für dessen Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>; BVerfGK 15, 390 <397>; 16, 44 <48>).

26

Da es sich insoweit um eine wertende Entscheidung handelt, kann das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nur prüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrundegelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen und insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>).

27

2. Nach diesem Maßstab verletzen die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

28

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht, welches hinsichtlich der Nichtaussetzung der verbliebenen Strafreste zur Bewährung lediglich auf die landgerichtliche Entscheidung Bezug nimmt, haben den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang beachtet. Eine nachvollziehbare Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit findet in den angegriffenen Beschlüssen nicht statt.

29

a) Angesichts des Umstandes, dass das Landgericht in seinem Beschluss den weiteren Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregel für erledigt erklärt hat, weil dieser unverhältnismäßig sei, hätte die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch die Vollstreckung der verbliebenen Strafreste unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältiger Abwägung und Begründung bedurft (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juni 2012 - 2 BvR 22/12 -, NStZ-RR 2012, S. 385 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Juni 2013 - 2 BvR 1541/12 - ). Das Landgericht verweist insoweit darauf, dass eine positive Veränderung der Einstellung des Beschwerdeführers im Maßregelvollzug nicht habe erreicht werden können und daher eine Gefährdung künftiger Betrugsopfer durch die Begehung neuer Straftaten zu berücksichtigen sei. Zugleich behauptet es, die langjährige Maßregelvollstreckung zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt zu haben. Diese Behauptung findet in dem angegriffenen Beschluss jedoch keine Stütze. Das Landgericht legt weder dar, welche Konsequenzen sich aus seiner Feststellung für das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers ergeben, noch findet eine nachvollziehbare Abwägung mit den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit statt. Dies wäre vorliegend aber in besonderer Weise geboten gewesen. Das Oberlandesgericht hat insoweit keine eigenen Überlegungen angestellt. Damit genügen die angegriffenen Beschlüsse den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Darlegung der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer des Freiheitsentzugs infolge der Nichtaussetzung der Vollstreckung der verbliebenen Strafreste zur Bewährung nicht.

30

b) Die Gerichte hätten sich vorliegend zudem angesichts der Tatsache, dass die Dauer des Freiheitsentzugs aufgrund der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bereits die Dauer der insgesamt gegen den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafen deutlich überstieg, mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Kumulation aus Maßregel- und Strafvollstreckung dazu führt, dass das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschritten wird (vgl. BVerfGE 130, 372 <392>). Hierzu verhalten sich die angegriffenen Beschlüsse nicht. Der bloße Hinweis auf eine negative Legalprognose hinsichtlich der Begehung weiterer Betrugsstraftaten genügt jedenfalls nicht, um von einem Überwiegen der Sicherungsinteressen der Allgemeinheit gegenüber dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers ausgehen zu können.

31

c) Außerdem findet die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit Juni 2012 beanstandungsfrei erhebliche Lockerungen in Anspruch nahm und sich ab November 2012 lediglich alle 14 Tage zu einem Therapiegespräch in dem psychiatrischen Krankenhaus einzufinden hatte, in den angegriffenen Beschlüssen weder im Rahmen der Legalprognose noch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung.

32

Insgesamt beruhen die angegriffenen Beschlüsse daher auf einer unzureichenden Prüfung und Begründung der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers. Sie stellen damit keine ausreichende Grundlage dar, um das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einzuschränken (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>).

III.

33

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg ist aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

34

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen sollen unmittelbar nacheinander vollstreckt werden.

(2) Sind mehrere Freiheitsstrafen oder Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen nacheinander zu vollstrecken, so unterbricht die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, wenn

1.
unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate,
2.
im übrigen bei zeitiger Freiheitsstrafe zwei Drittel, mindestens jedoch zwei Monate, oder
3.
bei lebenslanger Freiheitsstrafe fünfzehn Jahre
der Strafe verbüßt sind. Dies gilt nicht für Strafreste, die auf Grund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden. Treten die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe bereits vor Vollstreckbarkeit der später zu vollstreckenden Freiheitsstrafe ein, erfolgt die Unterbrechung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckbarkeit.

(3) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckungsbehörde von der Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 absehen, wenn zu erwarten ist, dass nach deren vollständiger Verbüßung die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden.

(4) Hat die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nach Absatz 2 unterbrochen, so trifft das Gericht die Entscheidungen nach den §§ 57 und 57a des Strafgesetzbuches erst, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen gleichzeitig entschieden werden kann.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StVollstrO § 43
Strafreste, deren Aussetzung widerrufen worden ist, nehmen
nicht an der durch § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO in Verbindung
mit §§ 57, 57a StGB gewährleisteten gemeinsamen Aussetzungsentscheidung
deshalb regelmäßig der Vorwegvollstreckung überantwortet.
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 5 AR (VS) 40/11
Oberlandesgericht Karlsruhe -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Februar 2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 43 StVollstrO
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2012

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Oberlandesgerichts Karlsruhe hat den Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG) gegen eine Verfügung der Vollstreckungsbehörde verworfen, mit der die Vorwegvollstreckung mehrerer widerrufener Strafrestaussetzungen vor einer unbedingt verhängten Freiheitsstrafe angeordnet wurde. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde (§ 29 Abs. 1 EGGVG). Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.


2
Folgender Sachverhalt liegt zugrunde:
3
Das Landgericht Baden-Baden hatte gegen den Beschwerdeführer wegen mehrfachen Betrugs eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt sowie ein Berufsverbot und die – zwischenzeitlich nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB für erledigt erklärte – Sicherungsverwahrung angeordnet. Drei Monate nach Beginn der Vollstreckung dieser Strafe hat die Strafvollstreckungskammer Strafrestaussetzungen hinsichtlich zweier durch länger zurückliegende Verurteilungen verhängter Freiheitsstrafen widerrufen.
Daraufhin hat die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe unterbrochen und aus wichtigem Grund die Vorwegvollstreckung beider Strafreste angeordnet (§ 43 Abs. 4 StVollstrO). Die Beschwerde des Verurteilten (§ 24 Abs. 2 EGGVG) mit dem Ziel, diese Entscheidung rückgängig zu machen und eine – nochmalige – Bewährungsentscheidung auch hinsichtlich der widerrufenen Strafrestaussetzungen zum Zwei-DrittelZeitpunkt der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren zu ermöglichen (vgl. § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO), hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe zurückgewiesen.
4
Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG hat das Oberlandesgericht als unbegründet verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das Oberlandesgericht erblickt in § 43 Abs. 4 StVollstrO eine Rechtsgrundlage für die angeordnete Vorwegvollstreckung der vom Widerruf der Strafaussetzung betroffenen Strafreste. Diese Regelung sei § 43 Abs. 3 StVollstrO vorrangig. Mit seiner auf vollstreckungs- und verfassungsrechtliche Einwände sowie auf die Rüge einer Verletzung des Resozialisierungsgebots gestützten Rechtsbeschwerde begehrt der Verurteilte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

II.


5
Der Rechtsbeschwerde, die nach herkömmlicher (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1990 – 2 ARs 570/90, NStZ 1991, 205), hier nicht in Frage gestellter Auffassung statthaft und auch im Übrigen zulässig ist (§ 29 Abs. 3 EGGVG i.V.m. § 71 FamFG), bleibt der Erfolg versagt.
6
Die durch die Vollstreckungsbehörde angeordnete Vollstreckungsreihenfolge entspricht der in § 454b Abs. 2 Satz 1, 2 StPO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers. Danach nehmen Strafreste, die aufgrund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden, nicht an der durch § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. §§ 57, 57a StGB gewährleisteten gemeinsamen Aussetzungsentscheidung teil (§ 454b Abs. 2 Satz 2 StPO). Die hier angewendeten Verwaltungsvorschriften nach § 43 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO setzen diesen gesetzlichen Auftrag in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für das Verfahren der Vollstreckungsbehörde um.
7
1. Im Grundsatz in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt geht der Senat davon aus, dass § 454b Abs. 2 StPO den vollstreckungsrechtlichen Rahmen für den hier zu entscheidenden Fall vorgibt.
8
a) Nach der durch das 23. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. April 1986 (BGBl. I S. 393) eingeführten Vorschrift des § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO ist die Vollstreckung mehrerer nacheinander zu vollstreckender Freiheitsstrafen zum Halbstrafen- (Nr. 1) oder Zwei-Drittel-Zeitpunkt (Nr. 2) sowie , bei lebenslangen Freiheitsstrafen (Nr. 3), nach fünfzehn Jahren zu unterbrechen. Die Regelung dient dem Zweck, hinsichtlich der Reste sämtlicher Strafen eine einheitliche Entscheidung über die Aussetzung zur Bewährung nach §§ 57, 57a StGB zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. August 2010 – 5 AR (VS) 22 und 23/10, BGHSt 55, 243, 246 f. und NStZ-RR 2010, 353, 354; Regierungsentwurf in BT-Drucks. 10/2720 S. 9, 15). Dem Verurteilten steht ein gesetzlicher Anspruch auf eine diesen Vorgaben entsprechende Unterbrechung der Strafvollstreckung zur frühestmöglichen Verwirklichung eines gemeinsamen Aussetzungszeitpunkts bei mehreren zu vollstreckenden Freiheitsstrafen zu (vgl. BVerfG [Kammer], NStZ 1988, 474, 475).
9
b) Von dieser Regelung nimmt § 454b Abs. 2 Satz 2 StPO ausdrücklich Strafreste aus, die nach einem Widerruf der Strafaussetzung vollstreckt werden, und überantwortet sie folglich jedenfalls grundsätzlich der Vorabvollstreckung. Die Vorschrift ist eindeutig und – entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers – nicht etwa dem bloßen Umstand geschuldet, dass es bei Strafresten (in der Regel) keinen Zwei-Drittel-Zeitpunkt mehr gibt. Gegen die Auffassung des Beschwerdeführers spricht schon, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 454b StPO die heute in § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO eingestellte Verwaltungsvorschrift zur Vorabvollstreckung von Strafresten nach Widerruf der Strafaussetzung gerade vor Augen hatte (vgl. Regierungsentwurf aaO). Zudem hätte es für eine bloße Selbstverständlichkeit keiner gesetzlichen Normierung bedurft und wäre dann konsequenterweise zumindest eine Ausnahmeregelung für Halbstrafenaussetzungen zu erwarten gewesen. Dass dem Gesetzgeber die Problematik bewusst ist, erweist ferner die für das Jugendstrafrecht getroffene Spezialbestimmung des § 89a Abs. 1 Satz 4 JGG, nach der die Vollstreckung eines Strafrests, der auf Grund Widerrufs seiner Aussetzung vollstreckt wird, unterbrochen werden kann, wenn ein Teil des Strafrests verbüßt ist und eine erneute Aussetzung in Betracht kommt. Eine vergleichbare Regelung hält § 454b StPO für das allgemeine Strafrecht nicht bereit.
10
c) Hinter der gesetzgeberischen Entscheidung stehen in der Sache schlüssige Erwägungen. Für sie streitet, dass das Bedürfnis, einem Verurteilten nach einem Bewährungsversagen die Chance auf abermalige Strafaussetzung zu gewähren, deutlich geringer wiegt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1990 – 2 ARs 570/90, NStZ 1991, 205; HansOLG Hamburg, MDR 1993, 261, 262). Ferner bliebe die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung im Hinblick auf den Aufschub der Strafvollstreckung bis zur Verbüßung von zwei Dritteln der originär vollstreckten Freiheitsstrafe(n) andernfalls regelmäßig ohne alsbald spürbare Wirkung auf den Verurteilten. Dies zu vermeiden, mithin die mit dem Bewährungswiderruf vorrangig verfolgte negative spezialpräventive Zielsetzung nicht leerlaufen zu lassen, entspricht dem in § 454b Abs. 2 Satz 2 StPO verankerten gesetzgeberischen Willen (vgl. hierzu auch Greger, JR 1986, 353, 357; Funck, NStZ 1992, 511; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 454b Rn. 7; vgl. ferner OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, 282, 284). Ob dieser darüber hinaus etwa gar dahin ging, dass eine erneute Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrests nach deren Widerruf mit Blick auf die abschließenden Regelungen des § 57 StGB generell ausscheidet (vgl. hierzu Wendisch, NStZ 1989, 293), kann der Bundesgerichtshof abermals (vgl. BGH aaO) dahingestellt lassen.
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2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Zusammenspiel von gesetzlicher Regelung und Verwaltungsvorschrift unter dem Blickwinkel von Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 29, 312, 315) hegt der Senat nicht. Grundlagen der Reststrafenvollstreckung sind das verurteilende Erkenntnis (BVerfGE aaO, S. 316; 1, 418, 420) und die Widerrufsentscheidung der Strafvollstreckungskammer. Die die Rechtsstellung des Verurteilten nachrangig berührenden Rahmenbedingungen der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen – Anschlussvollstreckung und Unterbrechung der Vollstreckung – sind normenklar in § 454b StPO festgelegt. Wenn § 43 Abs. 4 StVollstrO der Vollstreckungsbehörde durch Einräumung eines – gerichtlich nachprüfbaren (vgl. BGH aaO) – Ermessens erlaubt, unter besonderen Umständen, etwa bei bereits begonnener Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und einem dann erfolgten Widerruf des Rests einer zeitigen Freiheitsstrafe, zugunsten des Verurteilten von der gesetzlich vorgegebenen, in § 43 Abs. 2 und 3 StVollstrO näher ausgeformten Reihenfolge abzuweichen (vgl. auch Appl in KK, 6. Aufl., StPO, § 454b Rn. 17), so beeinträchtigt dies – nicht anders bei anderen Ermessensentscheidungen (vgl. etwa §§ 455, 456, 456a StPO) oder bei Gnadenentscheidungen (vgl. etwa Weber, BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 1211 f.) im Rahmen der Strafvollstreckung – dessen Rechtsstellung nicht. Dies gilt namentlich auch mit Blick auf die Gesamtlänge der Strafvollstreckung (vgl. BVerfG [Kammer], NStZ 1994, 452, 453). Besondere Umstände für eine anderweitige Vollstreckungsreihenfolge sind hier nicht ersichtlich.
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