Oberlandesgericht Hamm Urteil, 06. März 2015 - 11 U 95/14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 27.05.2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert.
Das beklagte Land bleibt verurteilt, an den Kläger 34.711,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des beklagten Landes wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 68 % und das beklagte Land zu 32 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die andere Partei vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kl. verlangt Geldentschädigung und Schadensersatz für eine in der Zeit vom 02.11.1998 bis zum 16.09.2010 gegen ihn konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung.
4Er hat in erster Instanz die Zahlung von 108.425,00 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt und den Zahlungsanspruch auf einen Tagessatz von 25 € für die insgesamt 4.337 Tage währende Sicherungsverwahrung gestützt (4.337 x 25 € = 108.425,00 €), die Klageforderung daneben aber auch mit von ihm während der Dauer der Sicherungsverwahrung erhobenen Haftkostenbeiträgen von insgesamt 1.922,87 € und einem – vom Gericht zu schätzenden – Verdienstausfall und Ausfall an Rentenanwartschaften sowie ferner mit Vermögensschäden in Form von Umzugskosten, Hotelkosten und erhöhte Lebenshaltungskosten, die durch eine nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung erfolgte Observierung durch Polizeibeamte verursacht worden seien, und mit vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.
5Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass ein Tagessatz von 25,00 € nicht gerechtfertigt sei und hilfsweise die Aufrechnung mit einer Justizkostenforderung in Höhe von 38.211,65 € aus dem nach der Entlassung des Klägers geführten weiteren Strafverfahren 27 KLs 31/12 – 12 Js 1200/12 LG Essen erklärt, in dem der Kläger mit Urteil vom 19.07.2013 wegen schwerer sexueller Nötigung und Besitzes jugendpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten mit anschließender Anordnung der Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist (Bl. 118 ff).
6Das Landgericht hat das Land – unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 72.922,87 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
7Für die konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung vom 02.11.1998 bis zum 16.09.2010 stehe dem Kläger gem. Art. 5 Abs. 5 EMRK ein Anspruch von 71.000,00 € zu, was einem für angemessen erachteten Betrag von etwa 500,00 € pro Monat entspreche. § 7 StrEG sei für die Berechnung nicht heranzuziehen.
8Ferner stehe dem Kläger gem. Art. 5 Abs. 5 EMRK ein Anspruch auf Erstattung der Haftkostenbeiträge in Höhe von 1.922,87 € zu. Ein weitergehender Schaden sei hingegen weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der geltend gemachte Verdienstausfall sei nicht hinreichend substantiiert; zudem lasse sich dem Vortrag nicht entnehmen, dass der Kläger bei einer Entlassung nach dem 10-Jahres-Zeitraum eine dauerhafte Anstellung gefunden hätte, da er bereits kurze Zeit nach der Anstellung aufgrund einer erneuten Straftat wieder inhaftiert worden sei.
9Die Hilfsaufrechnung des beklagten Landes scheide in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10 – gem. §§ 394, 393, 399 BGB und 851 ZPO aus.
10Wegen der weiteren Einzelheiten einschließlich der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
11Gegen dieses Urteil richten sich die wechselseitigen Berufungen.
12Das beklagte Land erstrebt eine weitergehende Klageabweisung, soweit es zu mehr als 34.711,22 € verurteilt worden ist. Es vertritt mit näheren Ausführungen die Auffassung, das Landgericht habe die Aufrechnung zu Unrecht als unzulässig angesehen.
13Das beklagte Land beantragt,
14- 15
1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen, soweit es zur Zahlung eines höheren Betrages als 34.711,22 € nebst Zinsen verurteilt worden ist,
- 17
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
19- 20
1. die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen,
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2. das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Mai 2014 – 25 O 74/14 – insoweit abzuändern, als die Klage abgewiesen wird, und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 58.425,01 €, in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz für dem Kläger entstandenen Verdienstausfall mindestens in Höhe von 109.327,21 € und ebenfalls in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz für dem Kläger entstandenen Vermögensschaden durch Observierung mindestens in Höhe von 5.000,00 € jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
24die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
25Der Kläger erstrebt mit seiner Berufung eine weitergehende Verurteilung zur Zahlung von weiteren 172.752,22 €. Er macht geltend:
26Ein Anspruch auf Zahlung weiterer 37.425,00 € ergebe sich, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts in Anlehnung an § 7 StrEG für die konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung ein Tagessatz von 25,00 € gerechtfertigt sei.
27Weitere 20.000,01 € verlangt der Kläger als Teilschaden mit der Behauptung, bei rechtzeitiger Entlassung im Jahre 1998 wäre ihm das Hausgrundstück seines Vaters vererbt oder geschenkt worden, das nunmehr sein Bruder erhalten habe.
28Zudem stünden ihm auf der Grundlage seines erstinstanzlichen Vortrages die geltend gemachten vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.000,00 € zu.
29Durch die konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung sei ihm ein Verdienstausfall von mindestens 109.327,21 € entstanden. Es sei davon auszugehen, dass er bei einer Entlassung am 02.11.1998 eine Erwerbstätigkeit mit dauerhafter Anstellung wie später tatsächlich vom 25.05.2012 bis zu seiner erneuten Inhaftierung am 06.09.2012 gefunden hätte. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass er 1998 aufgrund seines geringeren Lebensalters bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätte. Dass er nach seiner am 16.09.2010 erfolgten Entlassung erst am 25.05.2012 einen Arbeitsplatz gefunden habe, sei hauptsächlich darin begründet, dass er nach der Entlassung ständig durch die Polizei observiert worden sei. Die Annahme, er hätte bei früherer Entlassung einen Arbeitsplatz wieder wegen erneuter Straffälligkeit verloren, verstoße gegen die Unschuldsvermutung.
30Durch die Observierung sei ihm zudem ein Vermögensschaden von mindestens 5.000,00 € entstanden, der gem. Art. 5 Abs. 5 EMRK zu ersetzen sei. Die erforderliche Kausalität sei zu bejahen, weil die Observierung zwar die Abwehr möglicher Gefahren bezweckt habe, diese aber ohne die Freiheitsentziehung des Klägers nicht erfolgt wäre.
31II.
32Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Hingegen erweist sich die Berufung des beklagten Landes als begründet.
331.
34Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen höheren Anspruch auf Zahlung als die vom beklagten Land in der Berufung hingenommene Verurteilung in Höhe von 34.711,22 €. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die vom beklagten Land erklärte Aufrechnung zulässig und wirksam (a.). Eine höhere Entschädigung für die konventionswidrige Freiheitsentziehung in der Zeit vom 02.11.1998 bis zum 16.09.2010 als die auf Basis eines Monatsbetrages von etwa 500,00 € vom Landgericht zuerkannten 71.000,00 € steht dem Kläger nicht zu (b.). Die weiter vom Kläger ersetzt verlangten Vermögensschäden können teilweise aus prozessualen Gründen im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht werden, im Übrigen besteht kein ihren Ersatz begründender Anspruch (c.).
35a.
36Die vom beklagten Land erklärte Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 38.211,65 € aus dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren 27 KLs 31/12 - 12 Js 1200/12 LG Essen ist zulässig und hat das Erlöschen des vom Landgericht zuerkannten Anspruchs des Klägers in dieser Höhe gem. § 389 BGB bewirkt.
37(1)
38Beachtliche Einwendungen gegen Bestand und Höhe der Forderung sind vom Kläger nicht erhoben worden. Soweit der Kläger rügt, die Forderung sei nicht transparent und nachvollziehbar dargelegt, ist dies unbeachtlich. Denn die Forderung ist durch den Kläger anerkannt worden. In der von ihm am 09.04.2014 unterzeichneten Abtretungserklärung (Bl. 330) heißt es einleitend „Ich schulde dem Land … die nachstehend aufgeführten Beträge“. Aufgeführt ist in der Erklärung nachfolgend eine Justizkostenforderung in Höhe von 38.211,65 €, wobei als Geschäftszeichen des Gerichts bzw. der Staatsanwaltschaft das Aktenzeichen des der Verurteilung des Klägers vom 19.07.2013 zu Grunde liegenden Strafverfahrens genannt ist. Die Erklärung beinhaltet damit zumindest ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis mit der Folge, dass alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur ausgeschlossen sind, die der Schuldner bei Abgabe kannte oder mit denen er rechnen musste (vgl. Bamberger/Roth in BeckOK BGB, Stand 01.02.2015, § 781 Rn. 10 m.w.N.)
39(2)
40Die Aufrechnung ist auch materiell-rechtlich zulässig. Ein Aufrechnungsverbot besteht nicht.
41Hierzu hat der Senat mit am 06.02.2015 verkündetem Urteil (Az.: 11 U 131/13) in einem gleich gelagerten Fall Folgendes ausgeführt:
42„Des Weiteren ergibt sich hier auch kein Aufrechnungsverbot aus § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung. Eine Vergleichbarkeit dieses Falles mit den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftbedingungen, in welchen höchstrichterlich regelmäßig von einem Aufrechnungsverbot gegen den Entschädigungsanspruch ausgegangen wird, ist nicht gegeben. Ein Aufrechnungsverbot gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung kommt dann in Frage, wenn die Aufrechnung nach der Eigenart des Schuldverhältnisses oder dem Zweck der geschuldeten Leistung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheint (BGH, NJW-RR 2010, 167). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere ist von erheblicher Bedeutung, dass es bei den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftunterbringung in der Regel zu einem nicht unerheblichen Verschulden der Amtsträger gekommen ist. Jedenfalls besteht ein Anspruch nur verschuldensabhängig. Demgegenüber ist in dem hier vorliegenden Fall ein Verschulden weder erforderlich, noch ersichtlich. Aufgrund der damaligen eindeutigen Rechtslage, die auch von dem Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist, kann nicht von einem Verschulden der tätigen Amtsträger ausgegangen werden. Danach ist jedenfalls eine Sanktionswirkung und eine Präventionswirkung der in diesem Fall geschuldeten Entschädigung anders als in den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftunterbringung nicht vorhanden und auch nicht erforderlich. Die Amtsträger sind nicht für schuldhaftes Verhalten zu sanktionieren. Außerdem besteht mittlerweile auch keine Wiederholungsgefahr mehr, die eine Präventionswirkung der Entschädigungszahlung gebieten würde. Die Sanktions- und Präventionswirkung des immateriellen Schadensersatzes in den Fällen der menschenunwürdigen Haftunterbringung war jedoch in dem vorgenannten Urteil des BGH ein entscheidender Grund dafür, ein Aufrechnungsverbot anzunehmen.
43In dem hier vorliegenden Fall hat die Entschädigung lediglich Genugtuungsfunktion. Damit unterscheidet sich dieser Fall aber nicht von anderen Amtshaftungsfällen, in denen mangels erheblichen Verschuldens und Wiederholungsgefahr ebenfalls eine Sanktions- und Präventionsfunktion nicht angenommen wird und somit ein Aufrechnungsverbot wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht greift.
44Ergänzend kommt hier noch hinzu, dass die zur Aufrechnung gestellte Kostenforderung des beklagten Landes anders als in dem vorgenannten Fall des BGH nicht aus dem Strafverfahren herrührt, wegen dem der Kläger in die unrechtmäßige Sicherungsverwahrung genommen worden ist, sondern aus einem neuen weiteren Verfahren.
45Der Aufrechnung steht auch nicht § 394 BGB entgegen. Der Senat vermag eine Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 394 BGB wegen Unpfändbarkeit des Entschädigungsanspruchs des Klägers auch unter Berücksichtigung der Erwägungen des BGH in dem Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10 – nicht anzunehmen. Der BGH hat in dem angeführten Urteil entschieden, dass ein von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugesprochener Anspruch nach Art. 41 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß §§ 851 Abs. 1 ZPO, 399 BGB nicht pfändbar sei, weil die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft sei, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde. Der hiesige Fall ist zwar mit dem von dem BGH entschiedenen Fall insoweit vergleichbar, weil es auch hier um eine Geldentschädigung für eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung geht. Die Eigenarten des vorliegenden Falles und insbesondere der Aufrechnungsforderung lassen jedoch gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben wegen unzulässiger Rechtsausübung ein Zurücktreten des Aufrechnungsverbots erforderlich erscheinen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 394, Rn. 2; MüKo/Schlüter, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 394, Rn. 13).
46Zu berücksichtigen ist hier, dass seitens des beklagten Landes mit einer Forderung aufgerechnet wird, die erst nach der entschädigungspflichtigen Menschenrechtsverletzung entstanden ist. Darüber hinaus beruht die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen erheblichen Straftat des Klägers. Letztlich würde die dem Kläger wegen der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung zustehende Kompensationsleistung hier bei Zulassung der Aufrechnung dazu eingesetzt, einen Schaden auszugleichen, dessen Entstehung befürchtet worden war und der (auch) durch die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gerade verhindert werden sollte. Dem beklagten Land die Möglichkeit zu versagen, dem Kläger die von ihm aufgrund des weiteren Strafverfahrens geschuldete Forderung entgegenhalten zu dürfen, würde – auch in Ansehung des Umstandes, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung konventionswidrig gewesen ist – gegen Treu und Glauben verstoßen, da es dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufen würde.“
47An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Fallkonstellation ist hier identisch. Auch hier erfolgt die Aufrechnung mit einer Kostenforderung des beklagten Landes aus einem neuen Strafverfahren, welches aufgrund einer nach Entlassung des Klägers aus der Sicherungsverwahrung begangenen neuen einschlägigen Straftat durchgeführt werden musste und an dessen Ende der Kläger zu einer erneuten mehrjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist.
48b.
49Eine höhere Entschädigung für die konventionswidrige Freiheitsentziehung in der Zeit vom 02.11.1998 bis zum 16.09.2010 als die auf Basis eines Monatsbetrages von etwa 500,00 € vom Landgericht zuerkannten 71.000,00 € steht dem Kläger nicht zu.
50Das Landgericht hat für die konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung zu Recht einen Betrag von rund 500,00 € pro Monat angesetzt und somit für den geltend gemachten Zeitraum einen Gesamtentschädigungsbetrag in Höhe von 71.000,00 € für gerechtfertigt erachtet.
51Zur Frage der Entschädigungshöhe hat der Senat in seinen Urteilen vom 14.11.2014 zu I-11 U 80/13 und I-11 U 16/14 ausgeführt:
52Diese Entschädigungshöhe entspricht der Entschädigungspraxis des EGMR in vergleichbaren Fällen. Demgegenüber ist die von dem Kläger begehrte Entschädigung i.H.v. 25 € pro Tag übersetzt. Ein Anspruch in dieser Höhe ergibt sich insbesondere nicht aus einer direkten oder analogen Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG. Eine direkte Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG scheitert schon daran, dass die Anspruchsvoraussetzungen von §§ 1, 2 StrEG nicht gegeben sind. Es handelt sich hier nicht gemäß § 1 StrEG um einen Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung, die im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, fortgefallen oder gemildert worden wäre. Die Voraussetzungen von § 2 StrEG liegen darüber hinaus ebenfalls nicht vor, weil der Kläger nicht freigesprochen worden ist und gegen ihn auch nicht ein Verfahren eingestellt, bzw. nicht eröffnet worden ist.
53Eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG kommt – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber sich nur im Rahmen des Strafrechtsentschädigungsgesetzes und damit ausnahmsweise für eine Pauschalierung des Betrages der immateriellen Entschädigung entschieden habe. Darüber hinaus ist die Ermittlung der Höhe des immateriellen Schadens jedoch ebenfalls insoweit geregelt, als dass diese grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters liegt, welcher nach Art, Schwere und Umfang der Beeinträchtigung unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle nach freiem Ermessen eine immaterielle Entschädigung festzulegen hat. Mangels planwidriger Regelungslücke kommt es an dieser Stelle für die Analogie von § 7 Abs. 3 StrEG auf die von dem Kläger besonders betonte Vergleichbarkeit von Strafe und Sicherungsverwahrung nicht an.
54…
55In der Rechtsprechung deutscher Gerichte hat sich bislang keine einheitliche Bemessung der Entschädigungshöhe für vergleichbare Fälle herausgestellt.
56Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 29.11.2012, 12 U 60/12) hat in einem Fall konventionswidriger Sicherungsverwahrung – ebenso wie das Landgericht Dortmund in 1. Instanz – in Anlehnung an die Entschädigungspraxis des EGMR einen Betrag von rund 500 € pro Monat für angemessen erachtet. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.09.2013, III ZR 406/12) hat darin jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des beklagten Landes gesehen.
57Das Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 26.11.2001, 11 W 23/01) hat in einem Fall für rechtswidrig verhängte Abschiebungshaft in Anlehnung an die damalige Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG 20 DM pro Tag für angemessen erachtet.
58Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 27.12.2011, 10 W 14/11) hat in einem Fall für zu Unrecht erlittene Abschiebungshaft von knapp 2 Monaten 40 € pro Tag zur Kompensierung und Genugtuung für das erlittene Unrecht für angemessen erachtet. § 7 Abs. 3 StrEG biete nach dieser Entscheidung nur eine Orientierung.
59Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 22.08.2013, 1 U 1488/13) hat in einem Fall für rechtswidrig verbüßte Zurückschiebungshaft von rund einem Monat 30 € pro Tag für angemessen erachtet. Eine über den Tagessatz des § 7 Abs. 3 StrEG hinausgehende Entschädigung sei deshalb angemessen, weil § 7 Abs. 3 StrEG eine Entschädigung für rechtmäßige Haft gewähre, während Art. 5 Abs. 5 EMRK eine Entschädigung für rechtswidrige Haft zubillige.
60Das Brandenburgische Oberlandesgericht (Beschluss vom 12.09.2013, 2 W 2/13) hat in einem Fall für rechtswidrige Abschiebungshaft von 11 Tagen 20 € pro Tag für angemessen erachtet. Die Beeinträchtigungen in diesem Fall blieben hinter dem typischen Fall zurück, da keine Stigmatisierung und kein Herausreißen aus dem sozialen Umfeld zu verzeichnen gewesen sei.
61Demgegenüber hat sich eine stetige Rechtsprechung des EGMR entwickelt, wonach durchgängig rund 500 € pro Monat für Fälle konventionswidriger Sicherungsverwahrung in Deutschland als angemessen angesehen worden sind (Urteil vom 19.04.2012, 61272/09; Urteil vom 19.01.2012, 21906/09; Urteil vom 24.11.2011, 48038/06; Urteile vom 13.01.2011, 17792/07; 20008/07; 27360/04; 42225/07; Urteil vom 17.12.2009, 19359/04). Dabei ist der EGMR auch nicht von seiner stetigen Rechtsprechung abgewichen, als der Beschwerdeführer in einem Fall ausdrücklich auf die Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG n.F. hingewiesen und danach 25 € pro Tag für angemessen angesehen hatte (Urteil vom 19.01.2012, 21906/09, Rn. 106 ff. = NJW 2013, 1791).
62Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass die von dem EGMR zuerkannten Entschädigungen gemäß Art. 41 EMRK eine umfassende Kompensation der immateriellen Beeinträchtigungen zum Ziel hatten und demnach weitere Entschädigungsansprüche ausgeschlossen sind. Um die Möglichkeit, nach Art. 41 EMRK eine Entschädigung zu erlangen, nicht unzumutbar langwierig zu gestalten, legt der EGMR die Subsidiaritätsklausel aus Art. 41 EMRK seit jeher so aus, dass ein Anspruch aus Art. 41 EMRK nur dann hinter dem innerstaatlichen Recht zurücktritt, wenn dieses eine „vollständige Wiederherstellung des status quo ante“ ermöglicht (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, 16. Teil, IV, 2.). Der EGMR spricht daher in ständiger Rechtsprechung nicht nur in Fällen unvollkommener nationaler Entschädigungsregelungen dem jeweiligen Beschwerdeführer eine gerechte Entschädigung zu, sondern auch dann, wenn nach innerstaatlichem Recht ein Entschädigungsanspruch gegeben ist. Das Vorhandensein eines solchen im nationalen Recht schließt die Anwendung von Art. 41 EMRK im Anschluss an die Feststellung einer Konventionsverletzung nicht aus, denn es wäre unzumutbar und mit dem Zweck des Menschenrechtsschutzes nicht vereinbar, einen Beschwerdeführer nach mehrjährigem Verfahren vor den Konventionsorganen erneut auf den innerstaatlichen Rechtsweg zu verweisen (Frowein/Peukert, EMRK, 3. Auflage 2009, Art. 41, Rn. 3; Meyer/Ladewig, EMRK, 3. Auflage 2011, Art. 41, Rn. 4). Dies gilt sogar dann, wenn innerstaatliches Recht hinsichtlich der festgestellten Konventionsverletzung nicht nur die Möglichkeit der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs, sondern auch eine vollkommene Wiedergutmachung eröffnet. Selbst in diesen Fällen kann der EGMR unter Anwendung von Art. 41 EMRK eine gerechte Entschädigung zubilligen, wenn die Wiedergutmachung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch nach Art. 41 EMRK nicht erfolgte (Frowein/Peukert, a. a. O., Art. 41, Rn. 3; Meyer/Ladewig, a. a. O., Art. 41, Rn. 4). Dies ist insbesondere regelmäßig dann der Fall, wenn eine Verletzung von Art. 5 EMRK im Beschwerdeverfahren vor den Konventionsorganen festgestellt wird (Frowein/Peukert, a. a. O., Art. 5, Rn. 147).
63Für eine umfassende Kompensation immaterieller Schäden durch Art. 41 EMRK spricht auch, dass die gemäß Art. 41 EMRK zuzusprechende gerechte Entschädigung mit der nach Art. 5 EMRK zuzusprechenden Entschädigung inhaltlich übereinstimmt, weil hinsichtlich immaterieller Schäden über Art. 5 Abs. 5 EMRK der Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB im innerstaatlichen Recht eröffnet ist, welcher ebenfalls eine billige Entschädigung in Geld vorsieht. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe nach Art. 41 EMRK stellt der EGMR zudem regelmäßig insbesondere auf die Schwere und Intensität des Verstoßes, sowie auf das Verhalten des Verletzten nach der Schädigung ab (Ossenbühl/Cornils, a. a. O., 16. Teil, IV, 4.). Dabei handelt es sich um Aspekte, die auch bei der Bemessung des immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sind. Da der EGMR zudem in seinen vorgenannten Entscheidungen zu der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung in Deutschland regelmäßig ausdrücklich eine Entschädigung wegen erlittenen Kummers und Frustration aufgrund des rechtswidrigen Freiheitsentzuges gewährt hat, ist nicht ersichtlich, wieso die angemessene Entschädigung aus Art. 41 EMRK hinter der Entschädigung aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zurückbleiben sollte.
64Unter Berücksichtigung dieser Aspekte würde eine Bemessung der billigen Entschädigung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK auf 25 € pro Tag in Anlehnung an die Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG zu einer Ungleichbehandlung des Individualbeschwerdeführers vor dem EGMR und dem Kläger vor dem innerstaatlichen Gericht führen, die nicht zu rechtfertigen ist.
65Demgegenüber erscheint eine Ungleichbehandlung von Geschädigten, die sich zu Unrecht in Strafhaft befunden haben, und Geschädigten, die sich zu Unrecht in Sicherungsverwahrung befunden haben, vertretbar. Bei der Entschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz liegt der Fall anders als bei der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung in der Regel so, dass der Geschädigte, der sich in Strafhaft befunden hat, unschuldig inhaftiert worden ist, wobei nicht übersehen wird, dass dies nicht zwingend ist, weil zum Beispiel bei Fällen der nachträglichen Strafmilderung oder der Einstellung des Verfahrens der Fall auch anders liegen kann. Darüber hinaus ist diese Inhaftierung in der Regel mit einer nicht unerheblichen Stigmatisierung des Geschädigten verbunden. Diese Stigmatisierung ist bei einem Sicherungsverwahrten, der ohnehin bereits in aller Regel eine jahrelange Strafhaft zu Recht verbüßt hat, im Vergleich minimal. Dazu kommt, dass der unschuldig in Strafhaft oder Untersuchungshaft Genommene nicht selten aus einem intakten Umfeld herausgerissen wurde, was eine weitere schwerwiegende Folge der nach § 7 Abs. 3 StrEG zu entschädigenden Inhaftierung darstellt. Diese Folge trifft den in der Regel seit Jahren zu Recht in Strafhaft und Sicherungsverwahrung befindlichen Sicherungsverwahrten nicht. Dabei dürfte die Erwägung, dass der nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz zu Entschädigende anders als derjenige, der sich in konventionswidriger Sicherungsverwahrung befunden hat, jedenfalls ursprünglich formell rechtmäßig inhaftiert gewesen ist, eine untergeordnete Rolle spielen, weil diese Gewissheit das Leid des unschuldig Inhaftierten, für welches er entschädigt werden soll, kaum lindern dürfte.
66An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Es sind vorliegend auch keine Umstände ersichtlich, die ausnahmsweise eine höhere Entschädigung rechtfertigen könnten.
67c.
68Die weiter vom Kläger mit seiner Berufung ersetzt verlangten Vermögensschäden können teilweise aus prozessualen Gründen im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht werden, im Übrigen besteht kein ihren Ersatz begründender Anspruch.
69(1)
70Soweit der Kläger mit seiner Berufung einen weiteren Vermögensschaden ersetzt verlangt, den er in dem Entgang des seinem Vater seinerzeit gehörenden Hausgrundstücks begründet sieht, ist er damit aus prozessualen Gründen ausgeschlossen. Es handelt sich dabei um eine gem. § 533 ZPO nicht zulässige Klageänderung. Denn diese Schadensposition macht der Kläger erstmals im Berufungsverfahren geltend. Die Zulässigkeit scheitert – ungeachtet der Frage der Sachdienlichkeit – daran, dass der jetzt zusätzlich geltend gemachte Anspruch nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat. Zum väterlichen Hausgrundstück enthält das angefochtene Urteil – mangels Vortrags in erster Instanz zu Recht - keine Feststellungen.
71(2)
72Einen Anspruch auf Ersatz eines Verdienstausfallschadens hat der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht schlüssig dargelegt.
73Die Kausalität zwischen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung und dem geltend gemachten Verdienstausfall setzt auch unter Berücksichtigung der für die haftungsausfüllende Kausalität geltenden Beweiserleichterungen gem. § 287 ZPO die Annahme voraus, dass der Kläger nach Entlassung aus der bis zum 01.11.1998 rechtmäßig gegen ihn vollstreckten Sicherungsverwahrung jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen dauerhaften Arbeitsplatz zu den Konditionen gefunden hätte, die er in dem vom 25.05.2012 bis zum 06.09.2012 mit der Firma E GmbH bestehenden Arbeitsverhältnis hatte.
74Derartige Anhaltspunkte sind jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aus dem Umstand, dass der Kläger mehr als 1 ½ Jahre nach seiner im September 2010 erfolgten Entlassung aus der Sicherungsverwahrung erstmals im Mai 2012 einen Arbeitsplatz in D gefunden hatte, lässt sich nicht schließen, dass ihm das auch 1998 und dann sofort gelungen wäre. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass der tatsächliche Verlauf bei einer früheren Entlassung des Klägers anders gewesen wäre, er also nicht – wie ausweislich der Feststellungen im Urteil des Landgerichts Essen vom 19.07.2013 zu 27 KLs 31/12 geschehen - bereits kurz nach der Arbeitsaufnahme erneut erheblich straffällig geworden wäre und er seinen Arbeitsplatz – wie nach seiner Verhaftung im August 2012 - sofort wieder verloren hätte.
75Etwas anders ergibt sich nicht aus dem (zutreffenden) Verweis des Klägers auf § 252 BGB. Denn auch im Anwendungsbereich des § 252 BGB muss jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den geltend gemachten Erwerbsschaden bestehen (vgl. Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 4. Kapitel, Rn. 82). Danach können fiktive Einkünfte aus einer bislang nicht ausgeübten Tätigkeit nur ersetzt verlangt werden, wenn ihr Eintreffen zu erwarten gewesen wäre; deshalb muss der Geschädigte konkrete Anhaltspunkte darlegen und beweisen, aus denen sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er beruflich tätig geworden wäre und Einkünfte erzielt hätte (vgl. Pardey, a.a.O., Rn. 92).
76Solche Anhaltspunkte sind auch mit dem Schriftsatz des Klägers vom 22.01.2015 nicht dargelegt. Es mag sein, dass der Kläger 1998 aufgrund seines geringeren Lebensalters bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätte. Mangels konkreter Darlegung der maßgeblichen Arbeitsmarktverhältnisse bleibt das aber Spekulation. Soweit der Kläger auf eine Erschwerung der Arbeitsplatzsuche durch die Observierung verweist, ist der Vortrag ohne jede Substanz, weil rein gar nichts zur konkreten Art und Dauer der Observierung und zu den tatsächlich entfalteten Erwerbsbemühungen vorgetragen ist.
77Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Prognose einer erneuten Straffälligkeit des Klägers, die der Annahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit entscheidend entgegensteht, nicht gegen die Unschuldsvermutung. Es geht hier nämlich nicht um die Frage der Strafbarkeit einer konkret begangenen Straftat, derer der Kläger verdächtig ist bzw. gewesen wäre; vielmehr ist allein zu prognostizieren, wie der Verlauf bei frühzeitiger Entlassung gewesen wäre, wobei insoweit maßgeblich auf die spätere tatsächliche Entwicklung mit zeitnahem Rückfall und anschließender rechtskräftiger Verurteilung abgestellt werden kann.
78(3)
79Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden zu, die ihm aus Anlass seiner nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im September 2010 erfolgten polizeilichen Observierung entstanden sein sollen.
80Einen solchen Anspruch auf Zahlung von mindestens 5.000,00 € für mehrmalige Wohnortwechsel infolge der Observierung hat der Kläger auch in zweiter Instanz nicht schlüssig dargelegt. Ein derartiger Anspruch ließe sich nicht auf Art. 5 Abs. 5 EMRK stützen. Zwar steht die Observierung zweifellos mit der Freiheitsentziehung in kausalem Zusammenhang, wie der Kläger geltend macht. Allerdings nur mit der zu Recht erfolgten strafrechtlichen Verurteilung und der anschließend bis zum 01.11.1998 vollzogenen Sicherungsverwahrung, aus der sich die Gefährlichkeit des Klägers ergab, die offenbar nach seiner Entlassung Anlass zur Observierung gegeben hat. Weshalb allein die konventionswidrig über den 01.11.1998 hinaus vollzogene Sicherungsverwahrung die Observierung verursacht haben könnte, ist nicht ersichtlich; im Gegenteil: die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung war der Grund. Art. 5 Abs. 5 EMRK gibt aber keinen Anspruch für Beeinträchtigungen, die der Kläger erst durch die Beendigung der Freiheitsentziehung erlitten hat.
81Die Voraussetzungen für eine andere Anspruchsgrundlage sind nicht ansatzweise ersichtlich. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Observierung eine schuldhaft begangene Amtspflichtverletzung im Sinne von § 839 Abs. 1 BGB sein könnte. Der Kläger hat zu den Grundlagen und zur konkreten Dauer der Observierung nichts vorgetragen. Demgemäß lässt sich schon nicht feststellen, dass die von ihm beanstandete Observierung nach Maßgabe der dazu vom OVG Münster entwickelten Rechtsprechung (amts-)pflichtwidrig gewesen sein könnte. Danach war es nämlich - jedenfalls bis Februar 2011 - in Nordrhein-Westfalen möglich, eine längerfristige Observation hochgradig gefährlicher Straftäter auf die polizeiliche Generalklausel gemäß § 8 Abs. 1 PolG NRW in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der § 16 Abs. 2 PolG NRW a. F. bzw. § 16a Abs. 2 PolG NRW zu stützen (vgl. OVG Münster, Urteil v. 05.07.2013 – 5 A 607/11 - Rn. 97 ff., juris). Nach Vortrag des Klägers ist hier die Observierung im Herbst 2010 erfolgt. Dass sie über den vom OVG für unbedenklich gehaltenen Zeitraum hinausreichte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
82Unabhängig von vorstehenden Erwägungen ist der geltend gemachte Schaden zudem auch nicht ansatzweise nachvollziehbar. Es handelt sich um Vermögensschäden, die nach Maßgabe des § 249 BGB in Verbindung mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO konkret zu beziffern sind und nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt werden können. Vortrag zu den geltend gemachten Aufwendungen für einen mehrmaligen Wohnungswechsel fehlt indes gänzlich.
83(4)
84Schließlich hat der Kläger auch einen Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.000,00 € nicht schlüssig dargelegt. Aus dem zur Begründung als Anlage 8 vom Kläger vorgelegten Schreiben der Rechtsanwälte Dr. S vom 22.09.2010 (Bl. 112) ergibt sich nicht, dass die mit einem Pauschalhonorar von 1.000,00 € berechnete anwaltliche Tätigkeit die Geltendmachung der Entschädigung gem. Art. 5 Abs. 5 EMRK betrifft. Darauf hatte das beklagte Land schon in erster Instanz hingewiesen, ohne dass der Kläger sich dazu in erster oder zweiter Instanz geäußert hat.
852.
86Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 und § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
873.
88Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung einer Gerichtskostenforderung gegen einen Entschädigungsanspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK und der Einschränkung des § 394 BGB gemäß § 242 BGB grundsätzliche Bedeutung hat.
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Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 06. März 2015 - 11 U 95/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.
(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.
Gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist die Aufrechnung nicht zulässig.
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 399 Ausschluss der Abtretung bei Inhaltsänderung oder Vereinbarung
Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.
(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.
(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 29.10.2013 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz werden dem Kläger auferlegt. Die Kosten des Rechtsstreits 2. Instanz tragen der Kläger und das beklagte Land zu jeweils 50 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Zahlung einer Geldentschädigung we-gen einer vollzogenen über 10 Jahre hinaus gehenden Sicherungsverwahrung in der Zeit vom 06.06.2005 bis zum 05.05.2009.
4Hinsichtlich des wechselseitigen Vortrags und der gestellten Anträge aus der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
5Das Landgericht hat dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. 23.500 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2012 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
6Passivlegitimiert sei ausschließlich das beklagte Land und nicht der Bund. Zwar sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften erfolgt, der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ergebe sich jedoch aus der gerichtlichen Anordnung sowie dem Vollzug der Sicherungsverwahrung, die durch die Vollstreckungsbehörden des beklagten Landes erfolgt seien.
7Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die Entschädigungssumme aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zu, da in der gegen ihn vollzogenen Sicherungsverwahrung über die Dauer von 10 Jahren hinaus ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK zu sehen sei. Die Sicherungsverwahrung stelle eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. Die Rechtfertigungsgründe aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK seien nicht erfüllt.
8Unter Berücksichtigung der Art, Schwere und des Umfangs der Beeinträchtigung sei der ausgeurteilte Betrag angemessen. Dabei fielen insbesondere der Freiheitsentzug an sich und die nicht unbeträchtliche Länge des Freiheitsentzuges ins Gewicht. Der Entschädigungsbetrag entspreche etwa einem Betrag von 500 € pro Monat und sei damit vergleichbar mit denjenigen Beträgen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in ähnlichen Fällen zuspreche.
9Mit seiner Berufung begehrt das beklagte Land weiterhin die vollständige Klageabweisung.
10Das beklagte Land macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Passivlegitimation des Landes angenommen. Vielmehr müsse sich die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Tauglicher Anknüpfungspunkt für eine anspruchsbegründende Verletzung der Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 EMRK könne im vorliegenden Fall nämlich nur das Gesetz zur Einführung der verlängerten Sicherungsverwahrung über 10 Jahre hinaus sein, welches ein Bundesgesetz sei. Darüber hinaus sei in einem Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK unzweifelhaft die Bundesrepublik Deutschland Beschwerdegegnerin. Es könne aber keinen Unterschied machen, ob der Kläger den Weg der Individualbeschwerde oder den Weg der innerstaatlichen Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK wähle.
11Für das beklagte Land habe demgegenüber gar nicht die Möglichkeit bestanden, die konventionswidrige Sicherungsverwahrung zu beenden, zumal das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 05.02.2004 (BVerfGE 109, 133) die Vorschriften des § 67 d Abs. 3 StGB und Art. 1 a Abs. 3 EGStGB für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt habe.
12Das beklagte Land erklärt darüber hinaus hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung i.H.v. 24.949,20 €. Diese dem Grund und der Höhe nach unstreitige Justizkostenforderung des beklagten Landes resultiert aus dem inzwischen vor dem Landgericht Krefeld abgeschlossenen Strafverfahren 21 KLs 25 Js 298/11-39/11, in welchem der Kläger durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Krefeld vom 10.02.2012 wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden ist. Zugleich ist erneut die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Die Hilfsaufrechnung sei zulässig, weil die Gerichtskostenrechnung vom 02.10.2013 in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2013 vor dem Landgericht Dortmund nicht mehr habe eingeführt werden können. Diese sei der C erst mit Schreiben vom 12.11.2013 zur Kenntnis gebracht worden. Die Hilfsaufrechnung sei zudem sachdienlich, weil so ein Anschlussprozess verhindert werden könne. Zudem sei Sachdienlichkeit immer dann anzunehmen, wenn die Aufrechnung ohne weiteres als durchgreifend angesehen werden könne, was hier der Fall sei, weil das Bestehen der Justizkostenforderung unstreitig sei.
13In materiell-rechtlicher Sicht stehe der Aufrechnung insbesondere nicht das Urteil des BGH vom 01.10.2009 (III ZR 18/09) entgegen, mit welchem der BGH entschieden habe, dass es der Justizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) grundsätzlich verwehrt sei, gegenüber dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten des Strafverfahrens aufzurechnen. Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um einen verschuldensabhängigen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB gegangen sei, wohingegen in dem hiesigen Verfahren eine verschuldensunabhängige Haftung aus Art. 5 Abs. 5 EMRK im Raume stehe. Der BGH begründe darüber hinaus die Unzulässigkeit der Aufrechnung ausdrücklich mit dem bestehenden Verschulden. Gleiches gelte im Übrigen auch für die weiteren Beschlüsse des BGH vom 05.05.2011 (VII ZB 25/10 und VII ZB 17/10) und das Urteil des BGH vom 24.03.2011 (IX ZR 180/10). In all diesen Fällen sei die Unzulässigkeit der Aufrechnung, bzw. Pfändung des Entschädigungsanspruchs mit der Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention der Entschädigung begründet worden. Diese Begründungen könnten jedoch in dem vorliegenden Fall nicht Platz greifen, weil die hier tätigen Amtsträger aufgrund der Gültigkeit der seinerzeit geltenden Bundesgesetze, die im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich abgesegnet worden seien, gezwungen gewesen seien, die Fortdauer der Sicherungsverwahrung anzuordnen und zu vollziehen. Da diesem Fall somit keine fehlerhafte Einzelfallbearbeitung zu Grunde gelegen habe, komme damit auch dem verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Klägers nicht die Funktion der Sanktion oder der Prävention zu. Dies gelte umso mehr, als die zur Aufrechnung gestellten Kosten durch ein Strafverfahren entstanden seien, an dessen Ende der Kläger im Jahre 2012 – somit weniger als 2 Jahre nach seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung – rechtskräftig ein weiteres Mal wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden sei, wobei zugleich erneut die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei.
14Das beklagte Land beantragt,
15unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
16Der Kläger beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen. Die Aufrechnung sei nicht zulässig, weil nach § 395 BGB eine Aufrechnung gegen Forderungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften nur dann in Betracht komme, wenn die Leistungen an dieselbe Kasse zu erfolgen hätten, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen sei. Hier gehe es um Leistungen unterschiedlicher Kassen, so dass eine Aufrechnungslage nicht gegeben sei. Darüber hinaus würden auch die Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 01.10.2009 (III ZR 18/09) hier greifen, weil von einem Amtsverschulden auszugehen sei.
19II.
20Die zulässige Berufung ist begründet.
21Der Kläger hat gegen das beklagte Land allerdings einen Anspruch i.H.v. 23.500 € gemäß Art. 5 Abs. 5 EMRK. Dieser Anspruch ist jedoch durch die Aufrechnung des beklagten Landes mit einer unstreitigen Gegenforderung i.H.v. 24.949,20 € gemäß § 389 BGB vollumfänglich erloschen.
221. Dabei ist die Haftung des beklagten Landes dem Grunde nach nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.09.2013 (III ZR 405/12) nicht mehr ernstlich zweifelhaft. Das beklagte Land ist danach passivlegitimiert.
23Im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist die Frage der Person des Verpflichteten - wie bei der Amtshaftung - durch Anwendung des Art. 34 GG zu klären. Danach ist der Hoheitsträger (Bund, Land oder sonstige Gebietskörperschaft) verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde. Art. 5 Abs. 5 EMRK knüpft an eine konventionswidrige Freiheitsentziehung an. Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ist durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer und deren anschließenden Vollzug in der Justizvollzugsanstalt erfolgt, welche Behörden des beklagten Landes sind. Dass die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften beruhte und es im vorliegenden Fall auch nicht darum geht, dass den zuständigen Amtsträgern bei der Anwendung dieser Normen Fehler im Einzelfall unterlaufen sind, ändert im Verhältnis der Parteien zueinander nichts an der Passivlegitimation des beklagten Landes (BGH, III ZR 405/12, Rn. 24 f., juris).
24Der Verweis des beklagten Landes auf § 1 Abs. 1 Lastentragungsgesetz verfängt nicht. Auch nach dieser Vorschrift wird die Haftungsverteilung zwischen Bund und Ländern danach vorgenommen, in welchem Zuständigkeits- und Aufgabenbereich die lastenbegründende Pflichtverletzung erfolgt ist. Dies ist jedoch nach der vorstehenden Argumentation der Aufgabenbereich des beklagten Landes.
25Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen von Art. 5 Abs. 5 EMRK ist im Übrigen von dem Landgericht zutreffend dargestellt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner maßgeblichen Entscheidung vom 04.05.2011 (BVerfGE 128, 326) ausgeführt, dass eine Rechtfertigung sowohl der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung, als auch der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung praktisch nur in den Fällen einer psychischen Erkrankung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK in Betracht kommt. Demgegenüber würde eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK oder Art. 5 Abs. 1 S. 2 c EMRK grundsätzlich ausscheiden. Das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK wird jedoch auch von dem beklagten Land nicht vorgebracht.
26Eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK liegt – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht vor, weil die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung mangels eigener Schuldfeststellung keine Verurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK darstellt und ein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen der ursprünglichen Verurteilung und der Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung nicht besteht.
27Soweit das beklagte Land vorbringt, dass eine Entschädigungspflicht erst ab dem 10.05.2010 in Betracht komme, weil vorher die Konventionswidrigkeit der rückwirkenden Anwendung der Verlängerung der Zehnjahresfrist gemäß § 67d Abs. 3 Satz 1 noch nicht endgültig festgestellt worden sei, greift dieser Einwand nicht, weil Art. 5 Abs. 5 EMRK eine verschuldensunabhängige Haftung regelt und es deshalb nicht auf die Kenntnis der tätigen Amtsträger von der Konventionswidrigkeit ankommt.
282. Die Angemessenheit der vom Landgericht mit rund 500 € pro Monat angesetzten Entschädigungshöhe ist im vorliegenden Berufungsverfahren nicht im Streit. Sie steht im Übrigen mit der aktuellen Rechtsprechung des Senats in Einklang (vgl. Urteile vom 14.11.2014 zu I-11 U 80/13 und I-11 U 16/14, veröffentlicht bei juris).
293. Der Entschädigungsanspruch des Klägers i.H.v. 23.500 € ist aufgrund der Hilfsaufrechnung des beklagten Landes gemäß § 389 BGB erloschen.
30a) Die Erklärung der Hilfsaufrechnung erst in der Berufungsinstanz ist gemäß § 533 ZPO zulässig.
31Eine Einwilligung des Klägers liegt zwar nicht vor, die Berücksichtigung ist jedoch sachdienlich gemäß § 533 Nr. 1 Fall 2 ZPO. Zur Beurteilung der Sachdienlichkeit sind die berechtigten Interessen an der Entscheidung über die Aufrechnungsforderung auf der einen Seite, aber auch am Abschluss eines ansonsten entscheidungsreifen Verfahrens auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage 2014, § 533, Rn. 26). Danach ist Sachdienlichkeit in der Regel zu bejahen, wenn die Aufrechnung ohne weiteres als durchgreifend oder als unbegründet erscheint, weil dann auch dieser Streitpunkt zwischen den Parteien ohne neuen Prozess bereinigt werden kann (Zöller/Heßler, aaO., § 533, Rn. 28). Da die in dem vorliegenden Fall in Rede stehende Gegenforderung unstreitig ist und somit lediglich die Rechtsfrage eines eventuell bestehenden Aufrechnungsverbots vom Senat entschieden werden muss, tritt durch die Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung keine Verzögerung des Rechtsstreits ein und der Streitpunkt kann zwischen den Parteien ohne weiteres bereinigt werden.
32Darüber hinaus ist auch die Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO gegeben. Der neue Tatsachenstoff, der hier zur Begründung der Aufrechnung vorgebracht wird, darf nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in den Prozess eingeführt werden. Bei dem Vortrag des beklagten Landes hinsichtlich der bestehenden Kostenforderung handelt es sich um neuen Vortrag. Dieser ist in 1. Instanz nicht vorgebracht worden. Die fehlende Geltendmachung im 1. Rechtszug beruht jedoch nicht auf einer Nachlässigkeit des beklagten Landes. Nachlässigkeit einer Partei liegt immer dann vor, wenn diese fahrlässig in der 1. Instanz nicht vorgetragen hat (Zöller/Heßler, aaO., § 531, Rn. 30). Ein solcher Vorwurf ist hier nicht gerechtfertigt. Zwar datiert die Kostenrechnung der Gerichtskasse Düsseldorf vom 02.10.2013. Allerdings ist die C, die das beklagte Land im vorliegenden Verfahren vertritt, nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten Landes erstmals mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Krefeld vom 12.11.2013 und damit nach der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2013 vor dem Landgericht über die bestehende Forderung in Kenntnis gesetzt worden. Für die Annahme fahrlässiger Unkenntnis ist nichts ersichtlich.
33b) Die von dem beklagten Land zur Aufrechnung gestellte Kostenforderung i.H.v. 24.949,20 € ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.
34c) Die Aufrechnung ist darüber hinaus materiell-rechtlich zulässig. Ein Aufrechnungsverbot besteht nicht.
35Das von dem Kläger geltend gemachte Aufrechnungsverbot nach § 395 BGB besteht dabei zweifelsfrei nicht. Danach kann gegen eine Forderung des Bundes oder eines Landes sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbandes nur aufgerechnet werden, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist. Dieser Fall liegt hier offensichtlich nicht vor, weil nicht gegen die Forderung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aufgerechnet werden soll, sondern gegen die Forderung des Klägers.
36Des Weiteren ergibt sich hier auch kein Aufrechnungsverbot aus § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung. Eine Vergleichbarkeit dieses Falles mit den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftbedingungen, in welchen höchstrichterlich regelmäßig von einem Aufrechnungsverbot gegen den Entschädigungsanspruch ausgegangen wird, ist nicht gegeben. Ein Aufrechnungsverbot gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung kommt dann in Frage, wenn die Aufrechnung nach der Eigenart des Schuldverhältnisses oder dem Zweck der geschuldeten Leistung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheint (BGH, NJW-RR 2010, 167). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere ist von erheblicher Bedeutung, dass es bei den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftunterbringung in der Regel zu einem nicht unerheblichen Verschulden der Amtsträger gekommen ist. Jedenfalls besteht ein Anspruch nur verschuldensabhängig. Demgegenüber ist in dem hier vorliegenden Fall ein Verschulden weder erforderlich, noch ersichtlich. Aufgrund der damaligen eindeutigen Rechtslage, die auch von dem Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist, kann nicht von einem Verschulden der tätigen Amtsträger ausgegangen werden. Danach ist jedenfalls eine Sanktionswirkung und eine Präventionswirkung der in diesem Fall geschuldeten Entschädigung anders als in den Fällen der Entschädigung für menschenunwürdige Haftunterbringung nicht vorhanden und auch nicht erforderlich. Die Amtsträger sind nicht für schuldhaftes Verhalten zu sanktionieren. Außerdem besteht mittlerweile auch keine Wiederholungsgefahr mehr, die eine Präventionswirkung der Entschädigungszahlung gebieten würde. Die Sanktions- und Präventionswirkung des immateriellen Schadensersatzes in den Fällen der menschenunwürdigen Haftunterbringung war jedoch in dem vorgenannten Urteil des BGH ein entscheidender Grund dafür, ein Aufrechnungsverbot anzunehmen.
37In dem hier vorliegenden Fall hat die Entschädigung lediglich Genugtuungsfunktion. Damit unterscheidet sich dieser Fall aber nicht von anderen Amtshaftungsfällen, in denen mangels erheblichen Verschuldens und Wiederholungsgefahr ebenfalls eine Sanktions- und Präventionsfunktion nicht angenommen wird und somit ein Aufrechnungsverbot wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht greift.
38Ergänzend kommt hier noch hinzu, dass die zur Aufrechnung gestellte Kostenforderung des beklagten Landes anders als in dem vorgenannten Fall des BGH nicht aus dem Strafverfahren herrührt, wegen dem der Kläger in die unrechtmäßige Sicherungsverwahrung genommen worden ist, sondern aus einem neuen weiteren Verfahren.
39Der Aufrechnung steht auch nicht § 394 BGB entgegen. Der Senat vermag eine Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 394 BGB wegen Unpfändbarkeit des Entschädigungsanspruchs des Klägers auch unter Berücksichtigung der Erwägungen des BGH in dem Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10 – nicht anzunehmen. Der BGH hat in dem angeführten Urteil entschieden, dass ein von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugesprochener Anspruch nach Art. 41 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß §§ 851 Abs. 1 ZPO, 399 BGB nicht pfändbar sei, weil die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft sei, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde. Der hiesige Fall ist zwar mit dem von dem BGH entschiedenen Fall insoweit vergleichbar, weil es auch hier um eine Geldentschädigung für eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung geht. Die Eigenarten des vorliegenden Falles und insbesondere der Aufrechnungsforderung lassen jedoch gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben wegen unzulässiger Rechtsausübung ein Zurücktreten des Aufrechnungsverbots erforderlich erscheinen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 394, Rn. 2; MüKo/Schlüter, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 394, Rn. 13).
40Zu berücksichtigen ist hier, dass seitens des beklagten Landes mit einer Forderung aufgerechnet wird, die erst nach der entschädigungspflichtigen Menschenrechtsverletzung entstanden ist. Darüber hinaus beruht die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen erheblichen Straftat des Klägers. Letztlich würde die dem Kläger wegen der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung zustehende Kompensationsleistung hier bei Zulassung der Aufrechnung dazu eingesetzt, einen Schaden auszugleichen, dessen Entstehung befürchtet worden war und der (auch) durch die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gerade verhindert werden sollte. Dem beklagten Land die Möglichkeit zu versagen, dem Kläger die von ihm aufgrund des weiteren Strafverfahrens geschuldete Forderung entgegenhalten zu dürfen, würde – auch in Ansehung des Umstandes, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung konventionswidrig gewesen ist – gegen Treu und Glauben verstoßen, da es dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufen würde.
41d) Da die Gegenforderung des beklagten Landes i.H.v. 24.949,20 € die Hauptforderung des Klägers übersteigt, ist die Forderung des Klägers insgesamt gemäß § 389 BGB erloschen.
424. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Grundsätzlich hat der Kläger die Kosten des Rechtstreits gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu tragen. Für die 2. Instanz gilt hier jedoch die Besonderheit, dass der Gebührenstreitwert aufgrund der Hilfsaufrechnung, die erst in der 2. Instanz erfolgt ist, gemäß § 45 Abs. 3 GKG um den Wert der Gegenforderung, über den eine rechtskraftfähige Entscheidung ergeht, erhöht wird. Da über die Aufrechnung i.H.v. 23.500 € rechtskraftfähig entschieden wird, beträgt der Streitwert für die 2. Instanz 47.000 €. Diesbezüglich unterliegen jedoch beide Parteien hälftig, weil das beklagte Land mit seinen gegen die Klageforderung gerichteten Einwänden nicht durchdringt und nur aufgrund der Hilfsaufrechnung obsiegt. Diese Kostenfolge ist auch aus Sicht des Klägers nicht unbillig, weil er ihr durch eine Erledigungserklärung nach der in der Berufung erklärten Hilfsaufrechnung hätte entgehen können.
43Der Erhöhung des Gebührenstreitwertes gemäß § 45 Abs. 3 GKG steht in diesem Fall auch nicht entgegen, dass die Gegenforderung des beklagten Landes dem Grunde und der Höhe nach unstreitig ist, weil für eine Erhöhung des Gebührenstreitwerts gemäß § 45 Abs. 3 GKG bereits ausreicht, dass die Frage der Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung zwischen den Parteien streitig ist (Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage 2014, § 45 GKG, Rn. 45).
44Eine Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht. Dieser stellt im Hinblick auf das fehlende Vorbringen in der Vorinstanz auf ein Verschulden ab (BeckOK/Jaspersen/Wache, Beck‘scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.01.2015, § 97 ZPO, Rn. 26). Ein Verschulden kann dem beklagten Land jedoch hinsichtlich der Erhebung der Hilfsaufrechnung erst in der 2. Instanz wie oben bereits ausgeführt nicht vorgeworfen werden.
45Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
465. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung einer Gerichtskostenforderung gegen einen Entschädigungsanspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK und der Einschränkung des § 394 BGB gemäß § 242 BGB grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. August 2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 344,82 € vorgerichtlicher Kosten zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 83 v.H., die Beklagte 17 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem am 24. Februar 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Zu diesem Zeitpunkt war eine Individualbeschwerde des Schuldners beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, mit welcher der Schuldner einen Verstoß gegen sein Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) wegen der langen Dauer eines von ihm betriebenen Amtshaftungsprozesses geltend machte. Der Kläger teilte dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (fortan: Gerichtshof) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit und begehrte Rubrumsberichtigung. Der Gerichtshof teilte mit, auch bei eröffnetem Insolvenzverfahren bleibe der Schuldner Antragsteller, der Abwickler (Insolvenzverwalter) trete in dem Verfahren vor dem Gerichtshof nicht an dessen Stelle.
- 2
- Mit Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2006 wurde die Verletzung des Art. 6 EMRK festgestellt und der Beklagten (Bundesrepublik Deutschland) aufgegeben, dem Schuldner eine angemessene Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden in Höhe von 45.000 € zu zahlen, außerdem 10.000 € Mehrkosten bezüglich der vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren zu erstatten sowie 4.000 € Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof, jeweils zuzüglich Zinsen und gegebenenfalls Umsatzsteuer.
- 3
- Der Aufforderung des Klägers, diese Beträge von insgesamt 59.000 € an der Masse auszubezahlen, kam die Beklagte nicht nach. Sie zahlte an den Schuldner persönlich und vertrat die Auffassung, die zugesprochenen Beträge seien zweckgebunden, deshalb nicht abtretbar, nicht pfändbar und fielen nicht in die Masse. Sie behauptet, der Anspruch sei vom Schuldner bereits am 27. März 2001 an Frau K. abgetreten worden.
- 4
- Der Kläger verlangt Auszahlung der streitigen 59.000 € an ihn, weil die Beklagte an den Schuldner nicht mit befreiender Wirkung habe leisten können, außerdem Erstattung von 2.028,36 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Verwalter sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 6
- Die Revision ist zulässig. In die versäumte Frist zur Einlegung der Revision hat der Senat Wiedereinsetzung gewährt. Mit Zustellung dieses Beschluss vom 23. November 2010 begann die Revisionsbegründungsfrist zu laufen (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - XI ZB 40/06, BGHZ 173, 14 Rn. 13; vom 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07, BGHZ 176, 379 Rn. 7 ff). Die Revisionsbegründung ist am 23. Dezember 2010 fristgerecht eingegangen. Der beantragten Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist bedarf es deshalb nicht.
B.
- 7
- Die Revision ist in Höhe von 10.344,82 € begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet (veröffentlicht unter anderem in ZIP 2009, 1873). Es hat gemeint, die Forderung des Schuldners sei, ihre vom Kläger behauptete Nichtabtretung an Frau K. unterstellt, durch die Zahlung der Beklagten erloschen. Die Beklagte habe zwar Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt. Die Verbindlichkeit sei jedoch nicht zur Masse zu erfüllen gewesen. Dies folge aus der in dem Urteil des Gerichtshofs festgestellten besonders schweren Verletzung des Art. 6 EMRK und der Opfereigenschaft des Insolvenzschuldners. Der zuerkannte Entschädigungsbetrag sei nicht gemäß § 399 BGB übertragbar und gemäß § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar.
- 9
- Der Gerichtshof könne nach Art. 41 EMRK nur der verletzten Person eine Entschädigung zusprechen. Nach innerstaatlichem Recht seien zwar Staatshaftungsansprüche grundsätzlich auch dann übertragbar und pfändbar, wenn sie auf der Verletzung immaterieller Rechtsgüter beruhen und auf Ersatz immaterieller Schäden gerichtet seien. Die Entschädigung nach Art. 41 EMRK werde aber zum Ausgleich solcher Schäden zuerkannt, deren Wiedergutmachung die nationale (deutsche) Rechtsordnung nur unvollkommen gestatte. Dies spreche dafür, den Entschädigungsanspruch solchen Ansprüchen gleichzustellen , die nicht der Pfändung unterliegen, wie etwa - vom Schmerzensgeld zu unterscheidende - Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des nicht übertragbaren allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB. Die vom Gericht festgestellte Opfereigenschaft des Schuldners aufgrund konventionswidrig überlanger Verfahrensdauer sei wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht übertragbar. Beide dienten nicht nur und nicht in erster Linie der Wiedergutmachung, vielmehr vor allem der Prävention. Dies spreche dafür, auch hier eine Unpfändbarkeit anzunehmen, weil andernfalls die Zweckbindung des Entschädigungsanspruchs verfehlt werde. Hierfür spreche auch der Um- stand, dass die Beklagte andernfalls zwangsläufig selbst in Höhe der Insolvenzquote an ihrer Entschädigungsleistung teilhätte, weil sie Verfahrenskosten aus dem der Entscheidung des Gerichtshofs zugrunde liegenden Vorverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet habe.
- 10
- Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte im Falle der Zahlung an den Insolvenzverwalter und anschließender Rückforderung des gezahlten Betrages vom Schuldner im Rahmen des Überwachungsverfahrens nach Art. 46 Abs. 2 EMRK Sanktionen ausgesetzt sein könnte.
- 11
- zuerkannten Die Ansprüche auf Ersatz von Kosten seien ebenfalls zweckgebundene Leistungen. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Gerichtshof sollten Aufwendungen ersetzt werden, die dem Insolvenzschuldner zum Zwecke der Durchsetzung seines Anspruchs wegen Verletzung der Menschenrechtskonvention entstanden seien. Der zugesprochene Entschädigungsanspruch wegen der übrigen Verfahrenskosten sei zweckgebunden, weil er die Mehrkosten des Schuldners wegen der überlangen Verfahrensdauer im Ausgangsverfahren ausgleichen solle. Diesem Zweck werde er nicht gerecht, wenn die Entschädigung zur Erfüllung von Forderungen der Insolvenzgläubiger einschließlich derjenigen der Beklagten dienen müsste.
II.
- 12
- Das Berufungsgericht hat die Klage zutreffend für zulässig erachtet. Das wird von den Parteien des Revisionsverfahrens nicht in Zweifel gezogen.
- 13
- Der Klage steht insbesondere nicht die formelle Rechtskraft des Urteils des Gerichtshofs gemäß Art. 44 EMRK entgegen. Bei der vom Gerichtshof ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten, an den Beschwerdeführer binnen drei Monaten, nachdem das Urteil nach Art. 44 Abs. 2 EMRK endgültig wird, 59.000 € nebst Steuern und Zinsen zu zahlen, handelt es sich um ein Leistungsurteil (Obresek, EuGRZ 2003, 168, 169; Matscher, EuGRZ 1982, 517, 525; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Verfahren MRK Rn. 77 c Fn. 393; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 23, 42). Die Beklagte ist gemäß Art. 41 EMRK verpflichtet, an den erfolgreichen Beschwerdeführer die angeordnete Zahlung zu leisten (BVerfGE 111, 307, 322).
- 14
- Der Kläger kann jedoch, seine Aktivlegitimation an Stelle des Schuldners unterstellt, ebenso wie der Schuldner selbst aus diesem Urteil nicht vollstrecken. In dem Urteil ist der Kläger schon nicht als Gläubiger bezeichnet. Eine Titelumschreibung kommt nicht in Betracht. Nach der Mitteilung des Gerichtshofs vom 17. Juni 2004 tritt der Insolvenzverwalter nicht an Stelle des antragstellenden Schuldners in das Verfahren der Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK beim Gerichtshof ein.
- 15
- Zudem ist das Urteil des Gerichtshofs in Deutschland schon dem Grunde nach nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar. Den Leistungsanordnungen des Gerichtshofs fehlt eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung (Cremer in Grote/Marauhn, Konkordanzkommentar EMRK/GG Kap. 32 Rn. 83). Die Frage der Vollstreckung ist vielmehr dem jeweiligen staatlichen Recht überlassen (vgl. BVerfGE 111, 307, 318 f, 322 f; Papier, EuGRZ 2006, 1, 2 f; Wittinger, NJW 2001, 1238, 1239; Cremer in Grote/Marauhn, aaO Kap. 32 Rn. 83).
- 16
- Das nationale deutsche Recht sieht keine Möglichkeit vor, Urteile des Gerichtshofs für vollstreckbar zu erklären. Eine spezialgesetzliche Regelung, etwa im Zustimmungsgesetz, liegt nicht vor. §§ 704 ff bzw. §§ 722 ff ZPO gelten für inländische Urteile bzw. für Urteile ausländischer Gerichte, nicht aber für Urteile von Gerichten, die unter Beteiligung Deutschlands durch internationale Abkommen geschaffen wurden (Cremer in Grote/Marauhn, aaO). Selbst wenn der Gläubiger Vollstreckungsklage erheben könnte, kann er jedenfalls auch im Wege der Leistungsklage vorgehen (BGH, Urteil vom 20. März 1964 - V ZR 34/62, NJW 1964, 1626; Beschluss vom 16. Mai 1979 - VIII ZB 41/77, NJW 1979, 2477; Urteil vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85, NJW 1987, 1146; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. § 722 Rn. 41; Zöller/Geimer, ZPO 28. Aufl. § 722 Rn. 96; Hk-ZPO/Kindl, 4. Aufl. §§ 722, 723 Rn. 7).
- 17
- Die Pflicht der Beklagten, das Urteil des Gerichtshofs zu beachten, ergibt sich aus Art. 46 Abs. 1 EMRK. Kommt die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nach, hat der durch die Entscheidung Begünstigte jedoch innerstaatlich die Möglichkeit, die Leistungspflicht der Beklagten durchzusetzen. Dies ergibt sich aus der Geltungsanordnung des Zustimmungsgesetzes zur EMRK in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 111, 307, 316 f, 322 f). Der aus dem Urteil des Gerichtshofs Berechtigte hat aus dessen Leistungsausspruch einen innerstaatlich auf dem Zivilrechtsweg (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) durchsetzbaren Anspruch erworben (Cremer in Grote/Marauhn, aaO).
III.
- 18
- Das Berufungsgericht hält jedoch rechtlicher Prüfung hinsichtlich der Begründetheit der Klage nicht in vollem Umfang stand. Die Klage ist hinsichtlich der vom Gerichtshof zuerkannten Kosten in Höhe von 10.000 € sowie der anteilig hierauf entfallenden vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.
- 19
- 1. Der Gerichtshof hat zwar in seinem Urteil ausgesprochen, dass die festgestellte Zahlung an den Schuldner zu erfolgen hat. Dabei sind jedoch die Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners aus verfahrensrechtlichen Gründen außer Betracht geblieben. Das Insolvenzverfahren hatte auf das Verfahren vor dem Gerichtshof keinen Einfluss (Mitteilung des Gerichtshofs vom 17. Juni 2004).
- 20
- 2. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der vom Gerichtshof festgesetzten Entschädigung in Höhe von 10.000 € verlangen, weil der Anspruch auf Zahlung dieser Entschädigung in die Insolvenzmasse fiel und die Beklagte nicht mit schuldbefreiender Wirkung an den Schuldner geleistet hat.
- 21
- In die Insolvenzmasse fällt nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört, und was er im Laufe des Verfahrens erlangt. Nicht in die Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen.
- 22
- Soweit der zugesprochene Entschädigungsanspruch zur Insolvenzmasse gehörte, konnte die Beklagte gemäß § 82 InsO nicht mit befreiender Wirkung an den Schuldner persönlich leisten, weil ihr im Zeitpunkt der Zahlung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen bekannt war. Sie hätte, um der Ungewissheit über die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung an den Schuldner zu entgehen, den Entschädigungsbetrag zugunsten des Schuldners und der Masse unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegen können (§§ 378, 376 Abs. 2 Nr. 1, § 372 Satz 2 BGB).
- 23
- a) Die Frage, ob die dem Schuldner zugesprochenen Beträge zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners gehören oder in die Masse fallen, ergibt sich nicht aus der EMRK, sondern richtet sich nach dem nationalen deutschen Recht.
- 24
- aa) Der Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass die unter Anwendung von Art. 41 EMRK festgesetzte und aufgrund eines Urteils des Gerichtshofs geschuldete Entschädigung unpfändbar sein sollte. Gleichzeitig hat er aber klargestellt, dass die Entscheidung dieser Frage dem jeweiligen Konventionsstaat obliegt (EGMR, NJW 2001, 56 Rn. 133).
- 25
- Die Aussage betraf die konkrete Frage, ob der Konventionsstaat, der zur Zahlung einer Entschädigung an den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen Art. 3 EMRK (dort: Folter in Polizeihaft) verurteilt wird, diesen Anspruch des Beschwerdeführers aufgrund eigener Forderungen gegen den Beschwerdeführer aus einer Zollstrafe pfänden kann. Der Gerichtshof hat das mit der Begründung abgelehnt, dass in einem solchen Fall der Zweck der Entschädigung verfehlt und das System des Art. 41 EMRK pervertiert würde, wenn nämlich dadurch der Konventionsstaat Schuldner und Gläubiger der Entschädigung zugleich würde.
- 26
- Es liegt nahe, diese Sichtweise auf die Verletzung anderer Menschenrechte nach der EMRK zu übertragen. Mag der Verstoß gegen das Folterverbot (Art. 3 EMRK) auch schwerwiegender erscheinen als ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren durch überlange Verfahrensdauer (Art. 6 EMRK), so verbietet sich gleichwohl eine qualitative Unterscheidung von Verstößen gegen die unterschiedlichen von der Konvention geschützten Menschenrechte.
- 27
- Die vom Gerichtshof missbilligte Folge der Pfändung lag seinerzeit darin, dass die Entschädigung vollen Umfangs gerade dem schädigenden Staat zugeflossen wäre, der Beschwerdeführer durch das Urteil also keinen Ausgleich erhalten , der Konventionsstaat im Ergebnis keinen Nachteil erlitten hätte.
- 28
- Das entspricht Billigkeitserwägungen im deutschen Recht, wie sie etwa in § 393 BGB Ausdruck finden. Soll der zugesprochene Betrag jedoch - wie hier - anderen Gläubigern zugute kommen, die sich die Konventionsverletzungen nicht zurechnen lassen müssen, ist dieser Gedanke nicht ohne weiteres übertragbar. Es muss deshalb als völlig offen erscheinen, wie der Gerichtshof im vorliegenden Fall - wenn auch außerhalb seiner Entscheidungskompetenz - die Frage beurteilen würde, ob der Entschädigungsanspruch in die Masse fällt. Soweit die Beklagte selbst Insolvenzgläubigerin ist, ist ihre Forderung im Verhältnis zur Gesamtsumme der angemeldeten und anerkannten Insolvenzforderungen jedenfalls so gering, dass allenfalls ein sehr kleiner Teil der Entschädigung an sie zurückfließen könnte. Selbst dies ließe sich dadurch verhindern, dass die Entschädigungssumme bei der Verteilung nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt würde.
- 29
- bb) Der Gerichtshof hat jedenfalls unmissverständlich klargestellt, dass die Entscheidung über die Frage der Pfändbarkeit den nationalen Behörden oder Gerichten des Konventionsstaats zusteht. Seine gleichwohl geäußerte Rechtsmeinung hat demzufolge nach eigener Auffassung keine Bindungswirkung. Eine Unpfändbarkeit der Forderung kann folglich nicht aus der innerstaatlichen Geltung der EMRK hergeleitet werden, weil der Gerichtshof selbst eine solche Folge aus ihr nicht abzuleiten vermag (Meyer-Ladewig, aaO Art. 41 Rn. 42).
- 30
- Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben allerdings besondere Bedeutung für das Konventionsrecht als Völkervertragsrecht , weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt (BVerfGE 111, 307, 319). Sie entfalten deshalb eine normative Leit- und Ordnungsfunktion. Die EMRK hat innerhalb des deutschen Rechts den Rang einfachen Bundesrechts. Sie steht unterhalb der Verfassung, entfaltet aber als geltendes Gesetzesrecht bindende Wirkung gegenüber den Staatsorganen , die durch das im Grundgesetz niedergelegte Gebot der Völkerrechtsoffenheit und Völkerrechtsfreundlichkeit verstärkt wird (Papier, EuGRZ 2006, 1).
- 31
- Die Rechtswirkungen der Entscheidungen des Gerichtshofs bemessen sich aber nach dem Inhalt der von ihm auszulegenden Konvention. Enthält diese für die hier zu entscheidende Frage nach den Feststellungen des Gerichtshofs keine Aussage, fehlt es insoweit auch an einer Ordnungs- und Leitfunktion (vgl. BVerfGE 111, 307, 319).
- 32
- b) Die dem Schuldner zugesprochene Entschädigung ist jedoch nach innerstaatlichem Recht in Höhe von 49.000 € unpfändbar und fällt deshalb nicht in die Masse. Dies betrifft die zuerkannten 45.000 € für den immateriellen Schaden sowie die 4.000 € für die Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof. Die weiter zuerkannten 10.000 € für Mehrkosten bei dem vorangegangenen innerstaatlichen Verfahren sind dagegen pfändbar und fallen demzufolge in die Masse.
- 33
- aa) Nach deutschem Recht sind Ansprüche wegen immaterieller Schäden übertragbar und pfändbar. Das gilt auch für Staatshaftungsansprüche, soweit diese auf den Ersatz immaterieller Schäden gerichtet sind.
- 34
- Durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14. März 1980 (BGBl. I S. 478) wurde § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB damaliger Fassung gestrichen und damit der Schmerzensgeldanspruch vererblich und frei übertragbar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, NJW 1995, 783) und damit gemäß § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar. Daran hat sich durch die Neufassung und Erweiterung der gesetzlichen Grundlagen für Ansprüche wegen immaterieller Schäden durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) nichts geändert. § 253 Abs. 2 BGB enthält keine Einschränkung der Übertragbarkeit mehr. Die Übertragbarkeit ergibt sich damit in vollem Umfang aus der genannten Entstehungsgeschichte.
- 35
- ist Es deshalb allgemein anerkannt, dass Schmerzensgeldansprüche pfändbar sind und gegebenenfalls in die Insolvenzmasse fallen (Palandt/Grüneberg , BGB 70. Aufl. § 253 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Oetker, 5. Aufl. § 253 Rn. 66; Erman/Ebert, BGB 12. Aufl. § 253 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Lwowski/ Peters, 2. Aufl. § 35 Rn. 427; HK-InsO/Eickmann, 5. Aufl. § 36 Rn. 48).
- 36
- bb) Ob für die Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts etwas anderes gilt, wie das Berufungsgericht annimmt, erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen.
- 37
- Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein durch Art. 1 und 2 GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich ein nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes sonstiges Recht. Es dient in erster Linie dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit, das auch durch - allerdings subsidiäre - Schadensersatzansprüche gesichert wird, die auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet sind. Dieser Ausgleich ist kein Schmerzensgeldanspruch, sondern ein Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 GG zurückgeht (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 218).
- 38
- Soweit die Persönlichkeitsrechte dem Schutz ideeller Interessen dienen, sind sie unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliches Recht unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererbbar. Dementsprechend sind sie auch nicht pfändbar. Dagegen sind die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht in derselben Weise unauflöslich an die Person des Trägers gebunden. Ob sie unter Lebenden übertragbar sind, hat der Bundesgerichtshof dahingestellt sein lassen; er hat jedoch die Vererblichkeit bejaht (BGH, aaO S. 220 f; Urteil vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339 Rn. 12 f).
- 39
- Vergleichbar ist aber - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht die Frage nach der Übertragbarkeit essentieller Bestandteile des Persönlichkeitsrechts , aus dem sich künftig Ansprüche ergeben könnten. Vergleichbar ist allein die Frage, ob bereits entstandene Zahlungsansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts übertragbar sind.
- 40
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmerte. Es steht deshalb der Gesichtspunkt der Genugtuung im Vordergrund, zusätzlich der Gedanke der Prävention, während der Ausgleichsgedanke in den Hintergrund tritt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 aaO Rn. 13). Die Abtretung eines schon bestehenden Geldzahlungsanspruchs ändert nichts daran, dass das Persönlichkeitsrecht seinen Träger weiter in vollem Umfang schützt.
- 41
- cc) Der Pfändbarkeit des nach Art. 41 EMRK zuerkannten Anspruchs wegen immaterieller Schäden steht jedoch gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB entgegen, dass die Leistung an einen Dritten, hier den Insolvenzverwalter zur Masse, nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.
- 42
- Eine Forderung ist dann nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Leistung auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die nur er selbst erheben kann, wenn - anders als bei höchstpersönlichen Ansprüchen - ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erscheinen würde (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, NJW 1986, 713, 714; vom 4. Dezember 2009 - V ZR 9/09, NJW-RR 2010, 1235 Rn. 12 mwN). In allen diesen drei Fallgruppen ist die Abtretbarkeit ausgeschlossen, weil andernfalls die Identität der abgetretenen Forderung nicht gewahrt bliebe. Hier liegt ein Fall der letzten Gruppe vor. Die geschuldete Leistung ist mit der Person des Gläubigers derart verknüpft , dass die Leistung an einen anderen Gläubiger, hier den Kläger als Insolvenzverwalter , sie als eine andere Leistung erscheinen lassen würde.
- 43
- Der Anspruch nach Art. 41 EMRK entsteht nicht von Gesetzes wegen, sondern durch eine konstitutive Ermessensentscheidung des Gerichtshofs. Diese knüpft an eine festgestellte Menschenrechtsverletzung zu Lasten des Indivi- dualbeschwerdeführers durch den Vertragsstaat an, für die das innerstaatliche Recht nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestattet, oder zumindest bis zum Urteil des Gerichtshofs nicht erbracht hat (Meyer-Ladewig, aaO Rn. 4; Urteil des Gerichtshofs Rn. 48 ff). Die Zuerkennung liegt im billigen Ermessen des Gerichtshofs und zielt auf eine gerechte Entschädigung, die einen Ausgleich im Hinblick auf die immateriellen Schäden wegen der erlittenen Menschenrechtsverletzung bewirken soll.
- 44
- Gerichtshof Der hat im vorliegenden Fall wegen eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen Art. 6 EMRK und des Umstands, dass der Beschwerdeführer fast während des gesamten Berufslebens das verschleppte Verfahren hat führen müssen, nach Billigkeit entschieden. Er hat die Feststellung der Menschenrechtswidrigkeit, die schon durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt war, nicht für ausreichend erachtet, um die Opfereigenschaft des Schuldners entfallen zu lassen (Rn. 48). Der von ihm bezweckte Ausgleich der persönlichen langjährigen Beeinträchtigungen und der dadurch bewirkten schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung könnte nicht erreicht werden, wenn der Ausgleichsanspruch in die Masse fiele. Die Entschädigung sollte unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ausdrücklich dem Schuldner zugute kommen. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gerichtshof diesen Anspruch zugebilligt hätte, wenn anstelle des Schuldners der Kläger das Beschwerdeverfahren für die Masse hätte aufnehmen und fortführen können. Die Insolvenzgläubiger haben allein dadurch, dass der Schuldner in seinen Menschenrechten verletzt wurde, weder materielle noch immaterielle Einbußen erlitten, die ausgeglichen werden sollten. Die Auszahlung des zuerkannten Betrages an einen Vollstreckungsgläubiger oder die Masse würde deshalb den Leistungsinhalt grundlegend verändern (im Ergebnis ebenso: Peukert in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 41 Rn. 97; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, aaO Bd. 8 Verfahren MRK Rn. 77 c Fn. 393).
- 45
- dd) § 399 Abs. 1 BGB steht dagegen der Abtretbarkeit nicht entgegen, soweit dem Schuldner 10.000 € als Ausgleich für Mehrkosten in dem vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren gewährt worden sind. Zweck dieser Zahlung ist es nicht, die Opfereigenschaft des Insolvenzschuldners zu kompensieren ; sie dient vielmehr der Abdeckung höherer Kosten, ist also mittelbar auch zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners bestimmt. Sind diese bislang ganz oder teilweise nicht befriedigt, sind sie Insolvenzgläubiger, die ihre Ansprüche zur Tabelle anmelden müssen, um wenigstens die Insolvenzquote realisieren zu können. Ein Vorrang gegenüber anderen Gläubigern kommt ihnen nach der Insolvenzordnung nicht zu. Es läuft deshalb jedenfalls dem Zweck der angeordneten Zahlung nicht zuwider, dass der Betrag in die Masse fällt und auf diese Weise die Befriedigungschancen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger erhöht. Die Zahlung in die Masse lässt diese nicht als eine andere Leistung im Sinne des § 399 Abs. 1 BGB erscheinen.
- 46
- Sind die entsprechenden Gläubiger bereits in nicht anfechtbarer Weise befriedigt, bedarf der Schuldner des Betrags nicht mehr zur unmittelbaren Verwirklichung des ihm beigelegten Zweckes. Ihm werden dann lediglich entstandene Auslagen erstattet. Einen Ausgleich höchstpersönlicher Beeinträchtigungen verfolgt die Zahlung auch dann nicht. Wird der Betrag zur Masse gezahlt und an andere Gläubiger des Insolvenzschuldners ausgeschüttet, ändert sich an der Identität der Leistung nichts (im Ergebnis ebenso: Peukert in Frowein /Peukert aaO; Gollwitzer aaO). Eine andere Behandlung als in sonstigen Fällen des Neuerwerbs durch Kostenerstattung ist nicht veranlasst.
- 47
- ee) Der zuerkannte Betrag von 4.000 € zum Ausgleich der Kosten für das Verfahren vor dem Gerichtshof ist dagegen insgesamt als nicht pfändbar, weil nicht übertragbar anzusehen.
- 48
- Die dem Insolvenzschuldner für das Verfahren vor dem Gerichtshof zuerkannten Kostenerstattungsansprüche dienen nicht allein der begehrten Ausurteilung von Zahlungspflichten, sondern vorrangig und schwerpunktmäßig der erfolgten Feststellung der geltend gemachten Menschenrechtsverletzung. Sie dienen zwar auch der Festsetzung der Erstattung von Mehrkosten in dem Vorverfahren ; eine entsprechende Quotelung dieses Entschädigungsanspruchs verbietet sich jedoch schon wegen der insoweit aufs Ganze betrachtet untergeordneten Bedeutung dieser Mehrkostenerstattung.
- 49
- Fielen die zu erstattenden Kosten anteilig in die Masse, müsste dem Schuldner ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kläger in der Form einer Masseverbindlichkeit zuerkannt werden, weil er insoweit - Erstattung der Mehrkosten in dem Vorverfahren -, die Geschäfte des Insolvenzverwalters geführt hat (§§ 670, 677, 681 BGB). Denn die Geltendmachung von Ansprüchen der Masse obliegt nach deutschem Recht dem Verwalter auf Kosten und Risiko der Masse.
- 50
- 3. Die von der Beklagten behauptete Abtretung des Anspruchs an Frau K. , die der Kläger bestritten hat, steht der Klageforderung nicht entgegen. Ausweislich der vorgelegten Abtretungsurkunde sollte der Schuldner unwiderruflich berechtigt bleiben, die Forderung gerichtlich geltend zu machen; ihm wurde Prozessführungsbefugnis erteilt. Er war ermächtigt, die Forderung weiterhin im eigenen Namen geltend zu machen. Dies ist, soweit die Forderung abtretbar ist, zulässig (Zöller/Vollkommer, aaO Vor § 50 Rn. 45 f mwN). Die Insolvenz des Schuldners hat die Einziehungsermächtigung nicht berührt (Zöller /Vollkommer, aaO). § 116 InsO findet nur Anwendung, wenn der Schuldner Geschäftsherr, nicht wenn er Geschäftsbesorger ist (MünchKomm-InsO/ Ott/Vuia, aaO § 116 Rn. 4). Die Geschäftsbesorgungsbefugnis ist als Teil der Verwaltungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Kläger übergegangen. Die Beklagte behauptet nicht, der Kläger habe die Erfüllung des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 103 InsO abgelehnt (zur Anwendbarkeit vgl. MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO). Ebenfalls ist zu einer anderweitigen Beendigung der Einziehungsermächtigung nichts Substantiiertes vorgetragen. Ob die streitige Abtretungserklärung überhaupt in der behaupteten Weise abgegeben wurde, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
- 51
- 4. Hinsichtlich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten, die der Höhe nach nicht bestritten sind, ist aus Verzug gemäß § 280 Abs. 2, § 286 BGB der Anteil zu erstatten, der dem Obsiegen in der Hauptsache entspricht, also 17 v.H. von insgesamt 2.028,36 €, zusammen 344,82 €.
- 52
- Zinsen auf die Hauptsache sind gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB ab 16. August 2007 zu zahlen. Verzug ist infolge des Mahnschreibens des Klägervertreters vom 30. Juli 2007 mit Fristsetzung zum 15. August 2007 eingetreten.
- 53
- 5. Sanktionen des Ministerkomitees gegen die Beklagte nach Maßgabe des Art. 46 EMRK sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts selbst dann nicht zu befürchten, wenn diese im Umfang ihrer Verurteilung nach Auszahlung an den Kläger Rückforderungsansprüche gegen den Schuldner, die aus dessen insolvenzfreiem Vermögen zu erbringen wären, geltend machen und durchsetzen würde. Denn die Frage der Pfändbarkeit und damit der Massezugehörigkeit von Entschädigungen nach Art. 41 EMRK ist, auch nach der angeführten Auffassung des Gerichtshofs, nach nationalem Recht zu beurteilen.
IV.
- 54
- Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.
Fischer Pape
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 27.02.2008 - 23 O 382/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 20.08.2009 - 22 U 81/08 -
(1) Eine Forderung ist in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist.
(2) Eine nach § 399 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht übertragbare Forderung kann insoweit gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.
(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
(1) Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit die Verurteilung im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, in einem Strafverfahren fortfällt oder gemildert wird.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn ohne Verurteilung eine Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine Nebenfolge angeordnet worden ist.
(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.
(2) Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind
- 1.
die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes, - 2.
die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung, - 3.
Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 116 der Strafprozeßordnung), - 4.
die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Vermögensarrest nach § 111e der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist, - 5.
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, - 6.
das vorläufige Berufsverbot.
(3) Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.
(1) Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit die Verurteilung im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, in einem Strafverfahren fortfällt oder gemildert wird.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn ohne Verurteilung eine Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine Nebenfolge angeordnet worden ist.
(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.
(2) Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind
- 1.
die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes, - 2.
die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung, - 3.
Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 116 der Strafprozeßordnung), - 4.
die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Vermögensarrest nach § 111e der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist, - 5.
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, - 6.
das vorläufige Berufsverbot.
(3) Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.
(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.
(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger begehrt von dem beklagten Land immateriellen Schadensersatz wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung.
- 2
- Der Kläger wurde durch Urteil des Landgerichts M. vom 26. Mai 1985 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; zugleich ordnete das Gericht anschließende Sicherungsverwahrung an. Diese wurde nach Verbüßung der Strafhaft ab dem 5. Dezember 1989 in der Justizvollzugsanstalt F. vollzogen.
- 3
- Nach § 67d Abs. 1, Abs. 3 StGB in der im Zeitpunkt der Verurteilung des Klägers geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 20. Dezember 1984 (BGBl. I S. 1654) durfte die Dauer der erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht übersteigen; nach Ablauf dieser Höchstfrist war der Untergebrachte zu entlassen. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160) wurde diese Regelung geändert. Die Höchstfrist von 10 Jahren entfiel; § 67d Abs. 3 StGB bestimmte nunmehr, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Gericht die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Zugleich wurde in dem neu angefügten Absatz 3 des - mittlerweile (durch Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010, BGBl. I S. 2300) in Gänze aufgehobenen - Art. 1a EGStGB festgelegt, dass § 67d StGB neuer Fassung uneingeschränkt Anwendung findet, also auch für Altfälle und damit für Straftäter gelten soll, die ihre Tat vor Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes begangen hatten und vor diesem Zeitpunkt verurteilt worden waren (siehe auch § 2 Abs. 6 StGB sowie BT-Drucks. 13/9062 S. 12).
- 4
- Aufgrund der Gesetzesänderung wurde der Kläger nicht am 4. Dezember 1999 aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Vielmehr ordnete das Landgericht F. (Strafvollstreckungskammer) - jeweils auf der Grundlage eingeholter Gutachten von Sachverständigen - in Abständen von 2 Jahren, zuletzt mit Beschluss vom 16. August 2010 an, dass die Sicherungsverwahrung fortzudauern habe, da von dem Kläger weiterhin ein Risiko ausgehe.
- 5
- Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hob das Oberlandesgericht K. am 12. Oktober 2010 den Beschluss des Landgerichts F. vom 16. August 2010 auf und stellte die Erledigung der Sicherungsverwahrung fest. Der Kläger wurde noch am gleichen Tag aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Das Oberlandesgericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf das im Rahmen eines Individualbeschwerdeverfahrens eines anderen sicherungsverwahrten Straftäters ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) - V. Sektion - vom 17. Dezember 2009 (BeschwerdeNr. 19359/04), wonach die Änderung des § 67d Abs. 3 StGB mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar sei. Diese Entscheidung ist seit dem 10. Mai 2010 endgültig, nachdem ein Ausschuss der Großen Kammer den Antrag der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer nach Art. 43 Abs. 2 EMRK abgelehnt hat (Art. 44 Abs. 2 Buchst. c EMRK).
- 6
- Mit Urteil vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326) erklärte das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig.
- 7
- Der Kläger hat das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung für die ab 5. Dezember 1999 weiter vollzogene Sicherungsverwahrung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 65.000 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des beklagten Landes hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
- 8
- Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zusteht.
- 9
- Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage von § 67d Abs. 3 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 26. Januar 1998 und deren Vollzug im Zeitraum vom 5. Dezember 1999 bis zum 12. Oktober 2010 stellten eine - nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz und gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 EMRK - rechtswidrige Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 5 EMRK dar. Der hieraus resultierende Anspruch auf Schadensersatz richte sich auch gegen das beklagte Land. Zweifel an dessen Passivlegitimation seien nicht deshalb begründet, weil die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften erfolgt sei. Zwar hätten diese Normen den Freiheitsentzug nach Ablauf der früheren Höchstfrist erst ermöglicht. Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers habe sich jedoch aus der gerichtlichen Anordnung der Verlängerung sowie dem Vollzug der Sicherungsverwahrung ergeben, die durch die Vollstreckungsbehörden des Beklagten erfolgt seien.
- 10
- Die vom Landgericht zugebilligte immaterielle Entschädigung in Höhe von 65.000 € und damit ca. 500 € pro Monat sei unter Heranziehung der Bemessungspraxis des EGMR in vergleichbaren Fällen sowie unter Berücksichtigung des Umstands nicht zu beanstanden, dass ein Verschulden der handelnden Organe nicht festgestellt werden könne. Dass der Kläger erst gegen den Beschluss des Landgerichts F. vom 16. August 2010 ein Rechtsmittel eingelegt habe, begründe kein Mitverschulden nach §§ 839 Abs. 3, § 254 Abs. 2 BGB. Ihm sei nicht vorzuwerfen, die Widerrechtlichkeit des Freiheitsentzugs nicht bereits zuvor gerügt zu haben, da ihm vormals nicht zeitnah ein erfolgversprechendes Rechtsmittel zur Verfügung gestanden habe.
II.
- 11
- Die zulässige Revision ist unbegründet. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts mussten die Vorinstanzen davon ausgehen, dass dem Kläger ein Schadensersatz nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zusteht.
- 12
- 1. Nach Art. 5 Abs. 5 EMRK hat jede Person einen Anspruch auf Schadensersatz , die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme und Freiheitsentziehung betroffen ist. In den vorstehenden Absätzen werden die Voraussetzungen näher beschrieben, unter denen die Freiheit entzogen werden darf.
- 13
- a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteile vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff und vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, juris Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff und vom 4. Juli 2013 aaO) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff und vom 4. Juli 2013 aaO).
- 14
- b) Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die nachträgliche Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Klägers und deren Vollzug vom 5. Dezember 1999 bis zum 12. Oktober 2010 eine rechtswidrige Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 5 EMRK dargestellt haben. Diese auch von der Revision nicht beanstandete Annahme ist rechtsfehlerfrei.
- 15
- Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den nachfolgend im Satz 2 Buchst. a bis f aufgeführten Fällen - von denen für den hier streitgegenständlichen Freiheitsentzug von vorneherein nur die Buchstaben a, c und e in Betracht kommen - und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.
- 16
- Art. 5 Abs. 1 EMRK zählt damit die Gründe, aus denen eine Freiheitsentziehung zulässig ist, erschöpfend auf (EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009 - Beschwerde-Nr. 19359/04, NJW 2010, 2495 = EuGRZ 2010, 25 Rn. 86 mwN). Der Entzug der Freiheit muss darüber hinaus "rechtmäßig" sein, wobei sich die Rechtswidrigkeit nicht nur aus der Konvention selbst, sondern auch aus dem nationalen Recht ergeben kann (EGMR aaO Rn. 90 mwN; vgl. auch Senat, Urteil vom 4. Juli 2013 aaO mwN).
- 17
- Das Berufungsgericht ist insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung des Klägers durch das Landgericht F. nicht mit Art. 5 Abs. 1 EMRK vereinbar war.
- 18
- aa) Eine rechtmäßige Freiheitsentziehung "nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a EMRK) liegt nicht vor. Die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer stellen keine "Verurteilung" im Sinne der EMRK dar (vgl. EGMR aaO Rn. 87, 96). Zwischen der Verurteilung durch das Landgericht M. vom 26. Mai 1985 und der Fortdauer der Sicherungsverwahrung fehlt es an dem notwendigen (spezifischen) Kausalzusammenhang , da die Verlängerung allein auf der Gesetzesänderung im Jahr 1998 beruht (vgl. EGMR aaO Rn. 88, 100). Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung ist in den so genannten Altfällen, in denen der Betroffene wegen seiner Anlasstat bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung verurteilt wurde, eine Rechtfertigung des Freiheitsentzugs nach dieser Bestimmung als generell ausgeschlossen anzusehen (vgl. BVerfGE 128, 326, 395).
- 19
- bb) Der Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK ("wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie [= die betreffende Person] an der Begehung einer Straftat .. zu hindern") erlaubt kein präventives Vorgehen gegen einen Einzelnen oder eine Gruppe von Personen, die wegen ihres fortbestehenden Hangs zu Straftaten eine Gefahr darstellen. Er bietet den Vertragsstaaten - zudem nur "zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde" - lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat und eignet sich deshalb zur Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung nicht (vgl. EGMR aaO Rn. 89 und - insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt - Rn. 102; siehe auch BVerfG aaO S. 396).
- 20
- cc) Soweit es der EGMR (aaO Rn. 103, insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt) nicht ausgeschlossen hat, dass in Ausnahmefällen die Sicherungsverwahrung bestimmter Straftäter die Bedingungen einer rechtmäßigen Freiheitsentziehung "bei psychisch Kranken" (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e EMRK) erfüllen kann, liegen die hierfür notwendigen Voraussetzungen (vgl.
- 21
- dd) Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um eine "rechtmäßige" Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EMRK. Denn die nachträgliche Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung verstößt gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EMRK (EGMR aaO Rn. 117 ff, 135, 137). Der Freiheitsentzug ist zudem nicht mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (auch i.V.m. Art. 20 Abs. 3), 104 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar (BVerfG aaO S. 372 ff und S. 388 ff).
- 22
- c) Entgegen der Auffassung der Revision ist das beklagte Land auch passivlegitimiert.
- 23
- Zwar ist im Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei Beschwerdegegner; dementsprechend trifft sie eine etwaige vom EGMR nach Art. 41 EMRK dem jeweiligen Beschwerdeführer zugesprochene Entschädigung.
- 24
- Im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist jedoch, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 31. Januar 1966 (aaO S. 74) angedeutet hat, die Frage der Person des Verpflichteten - wie bei der Amtshaftung - durch Anwendung des Art. 34 GG zu klären. Danach ist der Hoheitsträger (Bund, Land oder sonstige Gebietskörperschaft) verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde (vgl. in diesem Sinne auch OLG Hamm, InfAuslR 2003, 156, 157 = NVwZ Beilage I 5/2003, 40; Dörr in Grote /Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Kap. 13, Rn. 106; Elberling in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 5 Rn. 136; Esser in Löwe/Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 26. Aufl., Elfter Bd., EMRK; IPBPR; Art. 5 EMRK, Art. 9, 10, 11 IPBPR Rn. 379; Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren , MRK und IPBPR, Art. 5 MRK, Art. 9, 11 IPBPR Rn. 134; Guradze, Die Europäische Menschenrechtskonvention [1968], Art. 5 Erl. 43; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 56. Aufl., Anh. 4 MRK, Art. 5 Rn. 14; Paeffgen in SKStPO , 4. Aufl., Art. 5 Rn. 71a; Renzikowski in Pabel/Schmahl, Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 5 Rn. 322).
- 25
- Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ist - wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - hier durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts F. und deren anschließenden Vollzug in der Justizvollzugsanstalt F. erfolgt. Dass die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften beruhte und es im vorliegenden Fall auch nicht darum geht, dass den zuständigen Amtsträgern bei der Anwendung dieser Normen Fehler im Einzelfall unterlaufen sind, ändert im Verhältnis der Parteien zueinander nichts an der Passivlegitimation des Beklagten. Es geht entgegen der Auffassung der Revision nicht ausschließlich um legislatives Unrecht, für das der Beklagte nicht einzustehen habe. Vielmehr knüpft Art. 5 Abs. 5 EMRK an eine rechtswidrige (konventionswidrige) Freiheitsentziehung an. Diese ist hier aber durch ein Gericht des Beklagten (und in Umsetzung der Gerichtsentscheidungen durch die Vollzugsbehörden des Beklagten) erfolgt, wobei es im Verhältnis der Parteien zueinander nicht darauf ankommt, dass - so die Revision - das Gericht gar keine andere Wahl gehabt habe, als die erst später für rechtswidrig erkannte Vorschrift des § 67d Abs. 3 StGB anzuwenden.
- 26
- 2. Ohne Erfolg bleiben auch die Rügen der Revision zur Höhe der zuerkannten Entschädigung.
- 27
- a) Die Bemessung eines immateriellen Schadens ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, der hier durch § 287 ZPO besonders freigestellt ist. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob die Festsetzung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Beeinträchtigungen bemüht hat (vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391 und vom 23. April 2012 - II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 68).
- 28
- b) Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit lässt das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des beklagten Landes erkennen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Instanzgerichte an der Bemessungspraxis des EGMR in vergleichbaren Fällen (Urteile vom 17. Dezember 2009 - Beschwerde-Nr. 19359/04, EuGRZ 2010, 25 Rn. 139, 141, insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt; vom 13. Januar 2011 - Beschwerde-Nr. 17792/07, EuGRZ 2011, 255 Rn. 88, Beschwerde-Nr. 20008/07, juris Rn. 71, Beschwerde-Nr. 27360/04 und 42225/07, juris Rn. 92; vom 24. November 2011 - Beschwerde-Nr. 48038/06, juris Rn. 115, 116 und vom 19. April 2012 - Beschwerde-Nr. 61272/09, juris Rn. 105) orientiert haben.
- 29
- aa) Die Auffassung des beklagten Landes, es hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Kläger erst gegen den Beschluss des Landgerichts F. - vom 16. August 2010 und nicht gegen die früheren Beschlüsse über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung Beschwerde eingelegt und somit durch sein "passives" Verhalten selbst zur Fortdauer der Sicherungsverwahrung beigetragen habe, geht fehl. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob § 839 Abs. 3 BGB oder § 254 BGB - der ebenfalls gebieten kann, einen belastenden hoheitlichen Akt durch geeignete Rechtsbehelfe abzuwehren (vgl. nur Senat, Urteil vom 26. Januar 1984 - III ZR 216/82, BGHZ 90, 17, 31 ff) - auf einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK anwendbar sind (offen gelassen auch in den Senatsurteilen vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 278 f und vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, juris Rn. 33 mwN zum Meinungsstand). Denn dem Kläger kann eine schuldhafte Versäumung von Rechtsbehelfen nicht angelastet werden, da auch das Bundesverfassungsgericht die Anwendung der streitgegenständlichen Regelungen mit Urteil vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) in Übereinstimmung mit der fachgerichtlichen Rechtsprechung zunächst als rechtmäßig beurteilt hat. Die von der Revision gerügte "Passivität" des Klägers kann deshalb nicht zu seinem Nachteil berücksichtigt werden.
- 30
- bb) Fehl geht auch die Rüge des beklagten Landes, das Berufungsgericht habe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt, dass der Kläger ihm angebotene Möglichkeiten, in naher Zukunft eine andere Gefahrenprognose zu erhalten, nicht genutzt, sondern begleitete Ausführungen sowie eine Behandlung in der sozialtherapeutischen Anstalt B. abgelehnt habe.
- 31
- Hierzu ist zunächst anzumerken, dass der von der Revision in Bezug genommene erstinstanzliche Vortrag in einem ganz anderen Zusammenhang erfolgt ist. Der Kläger hatte insoweit - inzwischen nicht mehr streitgegenständlich - dem Beklagten als schuldhafte Amtspflichtverletzung unter anderem vorgehalten , die Justizvollzugsanstalt F. hätte von ihm beantragte Ausführungen und eine Behandlung in der psychiatrischen Anstalt in W. abge- lehnt. Der mit der Revision zitierte Vortrag diente lediglich der Entgegnung auf diesen Vorwurf, nicht aber der Behauptung eines etwaigen im Rahmen des Schmerzensgeldes zu berücksichtigenden Mitverschuldens des Klägers. Im Übrigen ist für ein solches Mitverschulden und dessen Ursächlichkeit bei der Entstehung des Schadens der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (vgl. nur Senat, Urteile vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 260 und vom 11. Januar 2007 - III ZR 116/06, NJW 2007, 1063, 1064; BGH, Urteil vom 26. Mai 1994 - IX ZR 39/93, NJW 1994, 3102, 3105). Die Revision verweist insoweit aber auf keinen vom Berufungsgericht übergangenen Vortrag, wonach die vorbenannten Umstände kausal dafür gewesen sein sollen, dass der Kläger keine günstigere Gefahrenprognose erhalten hat beziehungsweise dass er anderenfalls früher aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden wäre. Deshalb kann dahinstehen, ob den Kläger überhaupt eine Obliegenheit zur Nutzung der behaupteten Angebote getroffen hat. Auch kann die Berechtigung des Einwands des Klägers offen bleiben, der Kern des Unrechtsvorwurfs sei, dass das beklagte Land ihn nach Ablauf von 10 Jahren völlig unabhängig von einer be- stehenden positiven Gefahrenprognose aus der Sicherungsverwahrung hätte entlassen müssen, weshalb es ihm schon denklogisch nicht zum Nachteil gereichen könne, die Gefahrenprognose nicht entkräftet zu haben.
Seiters Reiter
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 24.04.2012 - 2 O 278/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 29.11.2012 - 12 U 60/12 -
(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.
(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.
(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.