Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 10. Sept. 2015 - I-16 U 120/15
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 03.06.2015 ver
kündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Az.: 12 O 137/15 - dahingehend abgeändert, dass auch die weitergehenden Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 [Anträge zu 1. b) bis d) bzw. Urteilsaussprüche zu I. 1. bis 4.] zurückgewiesen werden.
Die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz werden dem Verfügungskläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e :
2Der Senat sieht gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO von einer Darstellung des Tatbestands ab.
3Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 03.06.2015 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Az.: 12 O 137/15 - ist zulässig und begründet.
4A.
5Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Diese beschränkt sich nicht in einer bloßen Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen und richtet sich in der notwendigen Weise gegen die tragenden Erwägungen bzw. alle selbstständigen Begründungselemente/-teile der angefochtenen Entscheidung. Die Verfügungsbeklagten rügen Rechtsverletzungen (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO), die im Falle ihres Vorliegens entscheidungserheblich wären, und machen Fehler bei der Tatsachenfeststellung („Beweiswürdigung“) des erstinstanzlichen Gerichts (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO) geltend. Allerdings sind - bei allem Verständnis des Senats dafür, dass ein Rechtsanwalt die Interessen seiner Mandantschaft engagiert und mit Nachdruck vertritt - die diversen sprachlichen Entgleisungen des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten nicht nur in der Berufungsbegründung, sondern auch in den erstinstanzlichen Schriftsätzen, mit denen der Verfügungskläger, aber auch das erstinstanzliche Gericht belegt werden und mit denen in eklatanter Weise das Gebot der Sachlichkeit, dem auch die Rechtsanwaltschaft unterworfen ist (§§ 43 Satz 2, 43a Abs. 3 BRAO), missachtet wird, nicht hinnehmbar. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten scheint bei seinen Formulierungen offenkundig vergessen zu haben, dass er nicht nur Partei- und Interessenvertreter, sondern zugleich auch objektives Organ der Rechtspflege ist. Dieser Eindruck hat leider seine Bestätigung in dem respektlosen Auftreten des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten im Senatstermin vom 21.08.2015 gefunden.
6B.
7Die Berufung hat in der Sache Erfolg.
8Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die mit den Anträgen zu 1. a) bis d) verfolgten Unterlassungsverbote [Urteilsausprüche zu I. 1. bis 4.] ausgesprochen. Der Verfügungsantrag zu 1. e) ist bereits erstinstanzlich zurückgewiesen worden und daher nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen. Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagten kein gemäß §§ 935, 940 ZPO i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung seiner Namensnennung in dem Artikel „Verlorene Jungs“ [Antrag zu 1.] sowie der konkret angegriffenen, überdies in dem vorgenannten Artikel enthaltenen Aussagen [Anträge zu 1. b) bis d)] zu.
9I.
10Im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten zu 2. fehlt es - unabhängig davon, dass auch kein entsprechender Verfügungsanspruch besteht [dazu unter II.] - hinsichtlich sämtlicher seitens des Verfügungsklägers verfolgter Unterlassungsbegehren von vornherein an einem Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO.
111.
12Der vom Verfügungskläger neben dem Verfügungsanspruch gleichfalls glaubhaft zu machende Verfügungsgrund besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Eilbedürftigkeit oder „Dringlichkeit“; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 935 Rn. 5). Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung muss mit dem Ziel einer zulässigen Regelung den Verfügungsgrund - die unmittelbar für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung im Hauptverfahren drohende Gefahr - bezeichnen (MüKo/Drescher, ZPO, 4. Aufl., § 940 Rn. 9 f.). An dem Verfügungsgrund fehlt es, wenn die Zeitdimension des Hauptverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung bietet, weil dem Antragsteller auch mit der späteren Realisierung seines Rechts gedient ist (MüKo/Drescher, ebenda). Ein Verfügungsgrund besteht bei - konkreten - Anhaltspunkten für eine bevorstehende Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot, dagegen nicht schon - trotz bestehender Wiederholungsgefahr - allein wegen der vergangenen Zuwiderhandlung (MüKo/Drescher, a.a.O, § 935 Rn. 17; Senat, Beschl. v. 06.01.2015 - I-16 W 92/14, 16 W 9216 W 92/14, Juris, Rn. 3) Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass sich regelmäßig bereits aus der Wiederholungsgefahr zugleich die Dringlichkeit ergebe (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 Rn. 1), wird hierbei außer Acht gelassen, dass es sich bei der Wiederholungsgefahr um eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung handelt, die vom prozessualen, eine Eilentscheidung rechtfertigenden Erfordernis des Verfügungsgrunds zu unterscheiden ist, weshalb diese Ansicht abzulehnen ist.
132.
14Derartige - konkrete - Anhaltspunkte für eine bevorstehende Zuwiderhandlung sind von dem Verfügungskläger im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten zu 2. nicht dargetan worden noch sind solche sonst ersichtlich.
15Die Verfügungsbeklagte zu 2. hat den verfahrensgegenständlichen Artikel „Verlorene Jungs“ mit den darin enthaltenen, mit den Anträgen zu 1. b) bis d) konkret vom Verfügungskläger angegriffenen Aussagen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für die Verfügungsbeklagte zu 1. verfasst, wobei die Beeinträchtigung für den Verfügungskläger insbesondere daraus resultiert, dass der Print-Artikel - jedenfalls bis vor kurzem - im Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. in unveränderter, nicht anonymisierter Form, d.h. unter voller Namensnennung des Verfügungsklägers, abrufbar war. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. einem gegen die Verfügungsbeklagte zu 1. als ihrer Arbeitgeberin ausgesprochenen Unterlassungsverbot zuwider gehandelt und den Artikel weiter in unveränderter Form im Online-Archiv belassen hätte noch dass konkret zu befürchten war/ist, dass sie den verfahrensgegenständlichen Artikel oder Auszüge hiervon anderweitig veröffentlichen oder anderen Personen zugänglich machen wird oder dass sie beabsichtigt, etwa in einer (Folge-) Berichterstattung die mit den Anträgen zu 1. b) bis d) konkret beanstandeten Äußerungen in Bezug auf den Verfügungskläger zu tätigen. Dahingehende Anhaltspunkte ergeben sich - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht daraus, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. auf die seitens des Verfügungsklägers an sie gerichtete Aufforderung, den Artikel zu „löschen“, geantwortet hat, dass dieser, so wie er sei, online bleibe (vgl. Anlage A 3). Dies ist für sich nicht genügend, um anzunehmen, dass sich die Verfügungsbeklagte zu 2. über ein gegenüber ihrer Arbeitgeberin ausgesprochenes, gerichtliches Unterlassungsverbot hinwegsetzen würde. Auch der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte zu 2. ausweislich der Angaben am Ende des Artikels (vgl. Anlage A 2) bereits seit Jahren über Pädophilie und sexuellen Missbrauch publiziert, ist - entgegen der Einschätzung des Landgerichts - für sich nicht geeignet, eine konkrete, ein Eilverfahren rechtfertigende Gefährdung von Rechten des Verfügungsklägers zu begründen, sondern allenfalls eine abstrakte Gefahr, die für die Bejahung eines Verfügungsgrunds jedoch nicht hinreichend ist [vgl. hierzu auch unter II. 2. b) aa)].
16Soweit der Verfügungsantrag gegen den Arbeitgeber - so wie hier - ganz oder teilweise erfolglos ist, wendet eine Unterlassungsverfügung gegen die verantwortliche Redakteurin und Autorin die akute Beeinträchtigung des Verfügungsklägers ebenfalls nicht ab, weil die Verfügungsbeklagte zu 1. den von dem Verfügungskläger beanstandeten Artikel dann - aller Voraussicht nach - weiter bzw. wieder in unveränderter Form in ihr Online-Archiv einstellen und damit auch die darin enthaltenen, mit den Anträgen zu 1. b) bis d) beanstandeten Aussagen in Bezug auf die Person des Verfügungsklägers weiter verbreiten wird, ohne dass eine erfolgreiche Untersagungs-/Unterlassungsverfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu 2. daran etwas ändern würde (zum Ganzen vgl. Senat, Beschl. v. 06.01.2015 - I-16 W 92/14, Juris, Rn. 4).
17Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird mit dem Ansatz des Senats auch nicht die effektive Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gegen einen Redakteur oder Autor im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes behindert oder eingeschränkt. Die Durchsetzung eines entsprechenden Anspruchs gegenüber diesem Personenkreis auch mittels einstweiliger Verfügung bleibt vielmehr weiterhin möglich, sofern die dafür kraft Gesetzes erforderlichen Voraussetzungen, wozu neben einem Verfügungsanspruch grundsätzlich auch ein im Streitfall glaubhaft zu machender Verfügungsgrund gehört, vorliegen. Mit dem Wunsch nach (mehr) Effektivität kann das Außerachtlassen von gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls nicht gerechtfertigt werden.
18II.
19Auch im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten zu 1. ist die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen worden. Dem Verfügungskläger steht kein gemäß §§ 935, 940 ZPO i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG durchsetzbarer Anspruch auf die mit den Anträgen zu 1. a) bis d) verfolgten Unterlassungsbegehren zu.
201. Antrag zu 1. a) bzw. Urteilsausspruch zu I. 1.
21Aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG - als der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - ergibt sich kein Anspruch für das vom Verfügungskläger mit dem Antrag zu 1. a) verfolgte Begehren [Urteilsausspruch zu I. 1.], nicht mehr namentlich in dem Artikel „Verlorene Jungs“ erwähnt zu werden, selbst wenn man den Antrag zu Gunsten des Verfügungsklägers auf das Einstellen des Original-Printartikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. bezieht.
22a)
23Der Verfügungsantrag ist bereits unklar bzw. auslegungsbedürftig (zur Auslegungsfähigkeit von Anträgen vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 308 Rn. 2 unter Verweis auf § 139 Rn. 15). Der Antrag bezieht sich nach seinem Wortlaut auf den in der Print-Ausgabe der taz.am wochenende erschienenen Artikel „Verlorene Jungs“. Dies ergibt sich aus der im Antrag erfolgten Bezugnahme auf das konkrete Erscheinungsdatum 14./15.03.2015 und die Ausgaben-Nr. 10664; ein Bezug zu einer Online-Veröffentlichung des Artikels bzw. das Einstellen dieses Print-Artikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. wird insoweit nicht hergestellt. Ein Unterlassungsanspruch ist jedoch auf die Abwehr künftiger Beeinträchtigungen gerichtet (vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 1004 Rn. 31, 33). Dementsprechend kann ein Anspruch des Verfügungsklägers, ihn zukünftig nicht mehr mit vollständigem Vor- und Zunamen in der bereits erschienen und in den Verkehr gebrachten Print-Ausgabe des Artikels zu benennen, schon denklogisch nicht bestehen, jedenfalls nicht als Unterlassungsanspruch. Für einen solchen Verfügungsantrag fehlt es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis. Der Verfügungskläger kann hinsichtlich der bereits erschienenen Print-Ausgabe allenfalls einen Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.07.2015 - VI ZR 340/14, Juris, Rn. 13 ff. m.w.N.: Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen) oder auch presserechtliche Ansprüche (Gegendarstellung, Widerruf, Richtigstellung) haben; entsprechende Anträge sind jedoch nicht gestellt.
24b)
25Legt man den Antrag zu 1. a) - berücksichtigend, dass es sich hierbei ursprünglich um einen Hilfsantrag zu dem auf Unterlassen des öffentlich Zugänglichmachens des gesamten in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. eingestellten, in der Print-Ausgabe der taz.am wochenende vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, erschienenen Artikels „Verlorene Jungs“ gerichteten, später jedoch zurückgenommenen Hauptantrag gehandelt hat – dahingehend aus, dass mit diesem (lediglich) das Unterlassen der Namensnennung in der Online-Wiedergabe des Original-Artikels begehrt wird - dass dies gemeint ist, hat der Verfügungskläger überdies mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.09.2015 (dort Seite 3) klargestellt -, so stellt dieses Begehren wegen der prinzipiell ständigen Verfügbarkeit des Artikels im Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. auch künftig zwar ein taugliches, auf die Abwehr einer künftigen Beeinträchtigung gerichtetes Unterlassungsbegehren dar, das mit einem Antrag nach § 1004 Abs. 1 BGB analog verfolgt werden kann. Allerdings ist ein derartiges Unterlassungsbegehren nicht begründet. Vielmehr ergibt die verfahrensbedingt lediglich summarische Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, des durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers einerseits, mit dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Publikationsinteresse der Verfügungsbeklagten zu 1. andererseits, dass durch das Einstellen des Original-Artikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. unter Beibehaltung seiner Namensnennung nicht in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers eingegriffen wird, mithin dem Publikationsinteresse der Verfügungsbeklagten zu 1. hier der Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers gebührt.
26aa)
27Das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht erfasst als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts auch das Recht des Einzelnen auf Anonymität und damit den Schutz vor Namensnennung. Dieses Recht auf Anonymität ergibt sich bereits als Ausfluss des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der Privatsphäre, die dahin geht, dass Vorgänge aus dem Privat-, Intim- und Geheimbereich des Einzelnen, auch wenn es sich um wahre Tatsachen handelt, der Öffentlichkeit nicht oder nur eingeschränkt zugänglich gemacht werden dürfen (Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 19 Rn. 5 ff., 40; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 35 ff., Kap. 10 Rn. 53). Während dieser Schutz in erster Linie auf den Schutz vor der Preisgabe von Details und ganzen Lebensvorgängen gerichtet ist, kann darüber hinaus auch ein Schutz vor Namensnennung an sich bestehen (Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 40). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass zu dem vom Persönlichkeitsrecht gewährleisteten sog. Indiskretionsschutz grundsätzlich auch das Recht des Individuums zählt, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in identifizierbarer Weise in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, Juris, Rn. 11; BVerfG, Urt. v. 05.06.1973 - 1 BvR 536/72, Juris, Rn. 44 ff., 54 ff.; BVerfG, Beschl. v. 03.06.1980 - 1 BvR 185/77, Juris, Rn. 13 f., 16; Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 41; Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 10 Rn. 53). Allerdings ist der grundsätzlich bestehende Anonymitäts- und Namensschutz nicht absolut, sondern im Einzelfall können das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die durch Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützte Presse- und Rundfunkfreiheit den Vorrang haben, weshalb es einer Interessenabwägung der kollidierenden Rechtsgüter in Bezug auf den konkreten Einzelfall bedarf (BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, Juris, Rn. 11 ff.; BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 8 ff. m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 22.03.2007 - 1 BvR 2007/02, Juris, Rn. 36 ff.; Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 41).
28bb)
29Indem in dem Artikel „Verlorene Jungs“ unter voller Namensnennung über dem Verfügungskläger berichtet wird, ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in mehrfacher Hinsicht betroffen.
30(1)
31Durch die in dem verfahrensgegenständlichen Artikel enthaltenen, konkret mit den Anträgen zu 1. b) bis d) angegriffenen Aussagen in Bezug auf den insofern mit vollem Vor- und Zunamen genannten Verfügungskläger wird dieser in erheblicher Weise in seiner Privatsphäre sowie in seinem sozialen, aber auch in seinem beruflichen Geltungsanspruch berührt.
32aaa)
33Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bietet - im Gegensatz zur Veröffentlichung des Bildes einer Person - nicht schon Schutz davor, überhaupt in einem Wortbericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten (BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 9; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2012 -1 BvR 2499/09, 1 BvR 21 BvR 2503/09, Juris, Rn. 35; BVerfG, Beschl. v. 14.09.2010 - 1 BvR 1842/08, 1 BvR 21 BvR 2538/08, 1 BvR 61 BvR 6/09, Juris, Rn. 52). Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insoweit insbesondere vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre. Des Weiteren schützt es vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass einem Betroffenen Äußerungen unterschoben werden, die er nicht getan hat (BVerfG, Beschl. v. 14.09.2010 - 1 BvR 1842/08, 1 BvR 21 BvR 2538/08, 1 BvR 61 BvR 6/09, Juris, Rn. 52). Durch die mit den Anträgen zu 1. b) bis d) konkret von ihm beanstandeten, in dem verfahrensgegenständlichen Artikel enthaltenen Aussagen wird der Verfügungskläger in seiner Privatsphäre und nicht - wie vom Landgericht angenommen - in seiner Intimsphäre beeinträchtigt. Dabei stellt insbesondere schon das Bereithalten des streitgegenständlichen Artikels zum Abruf im Internet durch das Einstellen in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. für sich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers dar. Ein Eingriff kann nämlich nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, erfolgen, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - ein Artikel mit identifizierenden Inhalten lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten wird (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 8 m.w.N.).
34bbb)
35Das Landgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Verfügungskläger durch den verfahrensgegenständlichen Artikel, soweit er die mit den Anträgen zu 1. b) bis d) inkriminierten Aussagen betrifft, in seiner Intimsphäre betroffen wird, die wegen ihrer besonderen Nähe zur Menschenwürde als Kernbereich privater Lebensgestaltung einer Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von vornherein unzugänglich ist (vgl. BGH Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 332/09, Juris, Rn. 11; BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris, Rn. 25 f.). Tatsächlich wird durch die Aussagen nur die eine Güterabwägung eröffnende Privatsphäre betroffen.
36α)
37Dies gilt zunächst für die mit dem Antrag zu 1. c) beanstandete Aussage. Zwar sind Vorgänge aus dem Sexualbereich regelmäßig dem gegen eine Darstellung in der Öffentlichkeit nahezu absolut geschützten Intimbereich einer Person zuzuordnen, allerdings nicht zwangsläufig und in jedem Fall. Geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben. Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris, Rn. 25 f. m.w.N.). Dabei kommt es auch darauf an, in welchem Umfang Details zur Sprache gebracht werden (BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Juris, Rn. 66; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 42 Rn. 17a; Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 5 Rn. 49). Zwar weisen der gesamte Artikel aufgrund seiner Thematik und die mit dem Antrag zu 1. c) inkriminierte Aussage im Besonderen einen sexuellen Bezug gerade auch hinsichtlich der Person des Verfügungsklägers auf, der insoweit beispielhaft als eines der sexuellen Missbrauchsopfer des Lehrers B… dargestellt wird und mit einer Sexualstraftat ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einhergeht. Doch da Art und Intensität des Übergriffs - anders als etwa bei dem Betroffenen „… C…“ - nicht näher geschildert werden und sich der Verfügungskläger überdies selbst in von ihm an staatliche Stellen gerichteten Schreiben nicht nur mit den - aus Sicht des Verfügungsklägers „wirklichen“ - Missbrauchsopfern solidarisiert, sondern auch selbst eine Opferrolle eingenommen bzw. sich in eine solche hineinbegeben hat und er sich zudem - unstreitig - mit einer Nennung seines richtigen Namens in einer Print-Veröffentlichung über den Missbrauchsskandal einverstanden erklärt und sich damit - zumindest in gewissem Umfange - freiwillig seiner Anonymität begeben hat, wird der Verfügungskläger durch diese Aussage nicht in seinem absolut geschützten Intimbereich, sondern lediglich in seiner Privatsphäre betroffen.
38Der sowohl räumlich als auch thematisch bestimmte Schutzbereich der Privatsphäre umfasst diejenigen Angelegenheiten, die auf Grund ihres Informationsgehalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, ihr Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst (BVerfG, Urt. v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, Juris, Rn. 73; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 42 Rn. 8; Burkhardt, in Wenzel, a.a.O., Kap. 5 Rn. 54 ff.; Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 4 ff - jeweils m.w.N.), wie dies etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist (BGH, Urt. v. 18.09.2012 - VI ZR 291/10, Juris, Rn. 12 m.w.N.). Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung durch andere, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 332/09, Juris, Rn. 15; BGH, Urt. v. 22.11.2011 - VI ZR 26/11, Juris, Rn. 10; BGH, Urt. v. 18.09.2012 - VI ZR 291/10, Juris, Rn. 12). Die Privatsphäre umfasst mithin den Bereich, zu dem andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird (BVerfG, Urt. v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, Juris, Rn. 73 ff.). Der Umstand, Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden zu sein, berührt angesichts seines Bezugs zu dem sensiblen Bereich des sexuellen Missbrauchs und seiner Nähe zur Intimsphäre daher die Privatsphäre des Betroffenen (vgl. auch Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 17 m.w.N.), die naturgemäß prinzipiell einem engeren Schutz unterliegt, als Berichterstattungen, die die Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre betreffen (vgl. auch BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, Juris, Rn. 12 ff.; Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 5 Rn. 22).
39β)
40Auch hinsichtlich der mit dem Antrags zu 1. b) beanstandeten Aussage ist die vom Landgericht vorgenommene Zuordnung zur Intimsphäre nicht zutreffend. Zwar ist unstreitig, dass sowohl der Sprachfehler als auch die Sehbehinderung, die den Verfügungskläger in seiner Kindheit beeinträchtigt haben, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels - und auch jetzt - nicht mehr wahrnehmbar waren/sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts gehören jedoch auch äußerlich nicht wahrnehmbare Krankheiten und/oder körperliche Zustände regelmäßig - etwas anderes kann z.B. für Geschlechtskrankheiten gelten (Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 59) - nicht zur Intim-, sondern lediglich zur Privatsphäre (vgl. BGH, Urt. v. 05.12.1995 - VI ZR 332/94, Juris, Rn. 11; BVerfG, Entsch. v. 08.03.1972 - 2 BvR 28/71, Juris, Rn. 24; Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 59; a.A. Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 42 Rn. 17; Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 5 Rn. 48, 57). Diese Zuordnung ist im Streitfall - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch deswegen gerechtfertigt, weil über diese Beeinträchtigungen des Verfügungsklägers in dem Artikel unter Verzicht auf (unnötige) Details berichtet wird (zu diesem Aspekt vgl. Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 42 Rn. 18 m.w.N.).
41γ)
42Auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 1. d) angegriffenen Aussage wird - entgegen der Ansicht des Landgerichts - ebenfalls nur in die Privat- und nicht in die Intimsphäre eingegriffen, weil der der Öffentlichkeit im Allgemeinen verborgene Bereich der Familie betroffen ist.
43(2)
44Darüber hinaus ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber auch - losgelöst von der Sphärenzuordnung der Aussageinhalte - unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das charakteristischerweise durch die Mitteilung wahrer Tatsachen beeinträchtigt wird, betroffen (vgl. hierzu auch jüngst BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 8). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geht über den Schutz der Privatsphäre hinaus und stellt sich als Befugnis des Einzelnen dar, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 41 BvR 440/83, 1 BvR 41 BvR 484/83, Juris, Rn. 146; BVerfG, Beschl. v. 11.06.1991 - 1 BvR 239/90, Juris, Rn. 12 ff.; BGH, Urt. v. 22.10.2013 - VI ZR 304/12, Juris, Rn. 11 ff.; BGH, Urt. v. 23.6.2009 - VI ZR 196/08, Juris, Rn. 28; BGH, Urt. v. 23.11.1990 - VI ZR 104/90, Juris, Rn. 13; zuletzt BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 9 m.w.N.). Allerdings gewährt auch dieses Recht dem Einzelnen kein unbeschränktes dingliches Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen, sondern findet seine Grenze in den Rechten Dritter - beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (BGH, Urt. v. 22.10.2013 - VI ZR 304/12, Juris, Rn. 11; von Pentz, AfP 2014, 8, 13).
45Vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden auch Informationen und Daten erfasst, die zum Bereich der Sozialsphäre zu zählen sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 9, 11 m.w.N.). Die Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre erfasst das Individuum in seinen Beziehungen zur Umwelt, insbesondere in seinem beruflichen Wirken und seiner sonstigen öffentlichen Tätigkeit (Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 42 Rn. 7 m.w.N.). Auch dieser Bereich wird von dem verfahrensgegenständlichen Artikel tangiert. Dies betrifft die folgenden, in dem Artikel enthaltenen Textpassagen, in denen der Verfügungskläger ebenfalls namentlich erwähnt wird und welche von ihm im Übrigen nicht mit gesonderten Unterlassungsanträgen angegriffen worden sind. Diese betreffen im Wesentlichen sein von vornherein nach außen gerichtetes Engagement bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals:
46„I… W… lebt nur eine Autostunde entfernt von seinem Bruder A… R…, an der polnischen Grenze. I…, der Jüngere, der anrennt gegen das System, das den Missbrauch zuließ. Vor zwei Jahren gründete er eine Aufarbeitungs-AG, fing an die Behörden mit Briefen zu bombardieren, erwirkte schließlich am Mittwoch den Termin in Wiesbaden.
47(…) „Wir erwarten jetzt endlich Antworten!“, schrieb I… W… im Mai 2013 in einem wütenden Brief an den D… Schulamtsdirektor.
48(…)
49„I… W… ist 50 Jahre alt, trägt eine starke Brille und wirkt weniger selbstsicher als sein Bruder. (…)“
50(…)
51I… W… legt einen Ordner voller Briefe und gedruckter E-Mails auf den Tisch: Korrespondenz mit dem Landesschulamt. Zunächst schreibt eine Mitarbeiterin des Leitenden Direktors, man sei „sehr betroffen“. Leider könne man im Archiv nichts mehr finden.
52(…) Die Behörde scheint nicht recherchieren zu wollen. Für I… W… ist das eine Provokation. Er wendet sich an das Kultusministerium. (…).“
53Äußerungen zur Sozialsphäre einer Person dürfen nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit negativen Sanktionen verknüpft werden, etwa bei Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung sowie bei Eintreten einer Prangerwirkung (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2002 - 1 BvR 755/99, 1 BvR 71 BvR 765/99, Juris, Rn. 33; BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, Juris, Rn. 13; BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 16 m.w.N.).
54(3)
55Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verknüpft ist das prinzipielle Recht des Einzelnen, selbst über sein Lebensbild in der Öffentlichkeit und damit seinen sozialen Geltungsanspruch zu bestimmen (BVerfG, Beschl. v. 24.03.1998 - 1 BvR 131/96, Juris, Rn. 32 f., 49 ff.; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 42 Rn. 2a). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Freiheit des Einzelnen, selbst zu entscheiden, welches Persönlichkeitsbild er von sich vermitteln will. Dieses Recht kann verletzt sein, wenn Äußerungen, die er abgegeben hat, verfälscht wiedergegeben werden oder wenn ihm Äußerungen, die er nicht gemacht hat, unterschoben werden (BVerfG, Beschl. v. 26.06.1990 - 1 BvR 776/84, Rn. 102), wie der Verfügungskläger namentlich in Bezug auf die mit den Antrag zu 1. d) beanstandete Äußerung reklamiert. Zwar gebietet es das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht, dem Betroffenen einen Abwehranspruch zuzubilligen, soweit es um Äußerungen geht, die sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsbild des Betroffenen auswirken können. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Träger des Persönlichkeitsrechts keinen Anspruch darauf hat, von anderen nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte (BVerfG, Beschl. v. 23.10.2007 - 1 BvR 150/06, Juris, Rn. 20 m.w.N.). Das Persönlichkeitsrecht ist jedoch berührt bei solchen Darstellungen, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Juris, Rn. 25 m.w.N.).
56cc)
57Der durch das Einstellen des unveränderten, nicht anonymisierten Print-Artikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. bewirkte Eingriff in die vorstehend aufgezeigten, verschiedenen Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers ist jedoch nicht rechtswidrig.
58(1)
59Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 9; BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, Juris, Rn. 16; BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 13). Hier kollidiert das Interesse des Verfügungsklägers an der Unterlassung der sein Persönlichkeitsrecht berührenden Fortsetzung der identifizierenden Berichterstattung durch das unveränderte Einstellen des Original-Artikels „Verlorene Jungs“ in das Online-Archiv mit dem Interesse der Verfügungsbeklagten zu 1. an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung. Im Streitfall sind daher das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Verfügungsklägers am Schutz seiner Privatsphäre, seiner persönlichen Daten und seiner sozialen Anerkennung mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Verfügungsbeklagten zu 1. auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Diese Abwägung ergibt - anders als das Landgericht meint -, dass die geschützten Interessen der Verfügungsbeklagten zu 1. diejenigen des Verfügungsklägers überwiegen.
60(2)
61In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris, Rn. 17 ff.; BVerfG, Beschl. v. 25.06.2009 - 1 BvR 134/03, Juris, Rn. 61 f.; BVerfG, Beschl. v. 09.03.2010 - 1 BvR 1891/05, Juris, Rn. 27 ff.; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2012 - 1 BvR 2499/09, 1 BvR 21 BvR 2503/09, Juris, Rn. 33 ff., 39 ff.; ferner BGH, Urt. v. 08.05.2012 - VI ZR 217/08, Juris, Rn. 37; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris, Rn. 12 - jeweils m.w.N.). Danach darf die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2008 - 1 BvQ 46/08, Juris, Rn. 12 ff.; BVerfG, Beschl. v. 25.01.2012 - 1 BvR 2499/09, 1 BvR 21 BvR 2503/09, Juris, Rn. 39; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris, Rn. 12).
62Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 - 1 BvR 2678/10, Juris, Rn. 33; BVerfG, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 BvR 901/11, Juris, Rn. 19; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris, Rn. 12; von Pentz, AfP 2015, 11, 14; dies., AfP 2014, 8, 11 ff.). Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.1998 - 1 BvR 131/96, Juris, Rn. 45 ff.; BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 - 1 BvR 1107/09, Juris, Rn. 17; BGH, Urt. v. 09.02.2010 - VI ZR 243/08, Juris, Rn. 16; BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, Juris, Rn. 12) oder wenn die Aussagen die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betreffen und sich nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen (BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96, Juris, Rn. 51; BVerfG, Beschl. v. 23.2.2000 - 1 BvR 1582/94, Juris, Rn. 22) oder wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (BGH, Urt. v. 18.09.2012 - VI ZR 291/10, Juris, Rn. 17; BGH, Urt. v. 22.11.2011 - VI ZR 26/11, Juris, Rn. 15; BVerfG, Beschl. v. 23.02.2000 - 1 BvR 1582/94, Juris, Rn. 22; von Pentz, AfP 2014, 8, 11 m.w.N.).
63Bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen sind ferner der Beitrag der in Rede stehenden Äußerung zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der betroffenen Person, die Art der Erlangung von Informationen und ihr Wahrheitsgehalt sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 18.09.2012 - VI ZR 291/10, Juris, Rn. 18 f.; EGMR, Urt. v. 07.02.2012 - 40660/08, 60641/08, Juris, Rn. 108 ff.; EGMR, Urt. v. 07.02.2012 - 39954/08, Juris, 186 ff. - jeweils zur Wort- und Bildberichterstattung).
64Der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen verlangt von der Presse zudem bei identifizierbarer Darstellung oder gar namentlicher Benennung einer Person in einer (geplanten) Berichterstattung mit besonderer Sorgfalt abzuwägen, ob dem Informationsinteresse nicht auch ohne Namensnennung genügt werden kann, weil Berichte unter Namensnennung die persönliche Sphäre des Betroffenen viel stärker und intensiver berühren als anonymisierte Berichte (BGH, Urt. v. 15.04.1980 - VI ZR 76/79, Juris, Rn. 9 m.w.N.; ferner Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 41; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 39 Rn. 22 f.; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 197 m.w.N.). Andererseits ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass eine personalisierte oder identifizierbare Darstellung in einer Medienäußerung deren Authentizität und Glaubhaftigkeit erhöht, wobei dieses Anliegen für sich nicht schon zu einem Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses gegenüber den Belangen des Persönlichkeitsschutzes führt (BVerfG, Beschl. v. 22.03.2007 - 1 BvR 2007/02, Juris, Rn. 37). Bei der Abwägung ist weiterhin in Ansatz zu bringen, welche Persönlichkeitssphäre durch eine Berichterstattung oder mediale Darstellung betroffen wird, ob der Betroffene selbst Anlass für die Berichterstattung gegeben hat, ob und inwieweit er zuvor bereits selbst freiwillig private Details der Öffentlichkeit preisgegeben hat sowie der Grad des Informationsinteresses und der Aktualitätsbezug einer Darstellung bzw. Berichterstattung (vgl. hierzu Wanckel, in: Götting/Scherz/Seitz, a.a.O., § 19 Rn. 41 ff.; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 39 Rn. 20 ff.; Steffen, in: Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 195 ff.; ferner Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 10 Rn. 53 - jeweils m.w.N.). Je weniger eine Person zu einer medialen Darstellung oder Presseberichterstattung selbst Anlass gegeben hat, umso zurückhaltender muss sich die Presse bzw. das Internet mit dieser befassen. Dies gilt besonders dann, wenn es um ein negatives oder intimes Erscheinungsbild geht, das man wegen der belastenden oder bloßstellenden Wirkung typischerweise nicht der Öffentlichkeit vorgestellt sehen möchte (Steffen, in: Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 196 m.w.N.). Besondere Zurückhaltung ist dabei gegenüber Personen geboten, die gegen ihren Willen „ins Schweinwerferlicht“ der Öffentlichkeit geraten sind, etwa als Beschuldigte, Zeugen oder Opfer in Strafprozessen (Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 39 Rn. 24 m.w.N.; vgl. auch Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 10 Rn. 53).
65(3)
66Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ergibt sich, dass im Streitfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie die Presse- und Medienfreiheit das durch das Einstellen des nicht anonymisierten Artikels in das Online-Archiv beeinträchtigte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers und dessen Anonymitätsinteresse überwiegen, was u.a. auch darin begründet ist, dass die identifizierende Berichterstattung im Print-Artikel zulässig war.
67aaa)
68Zu Gunsten des Verfügungsklägers ist in die Abwägung einzustellen, dass dieser sich durch sein auch öffentliches Bemühen um Aufklärung und Aufarbeitung der Geschehnisse um den massenhaften sexuellen Missbrauch von Schülern an der E-H…-…-Schule in D… durch den Lehrer B… seines Persönlichkeitsschutzes nicht vollständig begeben hat. Denn dass dieser sich vor dem Erscheinen des Print-Artikels einer unbegrenzten/großen Öffentlichkeit, z.B. in Fernseh- oder Radiointerviews, aktiv und exponiert als eines der (Missbrauchs-) Opfer des Lehrers B… präsentiert und dargestellt hat, ist weder dargetan noch ersichtlich. Dies ist vielmehr erstmals durch den streitgegenständlichen Artikel erfolgt. Auch auf der von ihm initiierten und verantworteten Webseite www.missbrauchte-jungs.de wird er lediglich im Impressum als Verantwortlicher benannt. Zu einer zum Verlust seines Diskretionsschutzes führenden Selbstentäußerung ist es auch nicht dadurch gekommen, dass der Verfügungskläger den mit den Behörden geführten Schriftverkehr, teils ohne seinen Namen vollständig zu anonymisieren, auf der erwähnten Internetseite www.missbrauchte-jungs.de veröffentlicht hat. Denn angesichts des bis zur Veröffentlichung des Artikels geringen, auch medialen Interesses an dieser Thematik war sein Name mit diesen Vorfällen in der Öffentlichkeit nicht fest verknüpft. Insbesondere hat der Verfügungskläger zuvor nicht öffentlich geäußert, dass es zu einem (versuchten) sexuellen Übergriff durch den Lehrer B… auf ihn gekommen ist, dass sein Bruder A… missbrauchsbedingt (sexuelle) Gewalt in die Familie getragen hat und/oder dass er als Kind mit Sprach- und Sehproblemen zu kämpfen hatte. Der Verfügungskläger hatte mithin hinsichtlich dieser spezifischen Informationen seine Anonymität noch nicht verloren, sondern diese sind durch die angegriffene Berichterstattung erstmals offenbart worden und waren damit „neu“.
69Ferner ist zu Gunsten des Verfügungsklägers zu berücksichtigen, dass er durch die Berichterstattung in dem beanstandeten Artikel, insbesondere bei den mit den Anträgen zu 1. b) bis d) konkret beanstandeten Textpassagen in seiner Privatsphäre und damit in seinem inneren Lebensbereich betroffen wird, der zwar keinen absoluten, jedoch einen hohen Schutz genießt und in den sich Eingriffe, selbst wenn es um die Veröffentlichung wahrer Tatsachen geht, nur bei einem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen und überdies kein Persönlichkeitsschaden droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (von Pentz, AfP 2014, 8, 11; dies., AfP 2015, 8, 14 Fn. 36). Dabei fällt vorliegend besonders ins Gewicht, dass u.a. der sensible, besonders schambehaftete Bereich des sexuellen Missbrauchs betroffen ist, was gerade gegenüber Opfern von Seiten der Presse eine besondere Zurückhaltung und Rücksichtnahme bei der Berichterstattung verlangt (vgl. hierzu auch Steffen, in: Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 211 m.w.N.).
70Weiterhin ist zu bedenken, dass die Erwähnung des Verfügungsklägers mit vollem Vor- und Zunamen - und zwar auch aus Sicht der Verfügungsbeklagten - nicht erforderlich war und ist, um der Berichterstattung die notwendige Authentizität und Glaubhaftigkeit zu verleihen, wie u.a. die Änderung/Anonymisierung des Namens eines der drei personalisiert dargestellten (Missbrauchs-) Opfer („… C…“) in dem Artikel belegt. Die Authentizität der Reportage wird vielmehr bereits durch die Vielzahl an sonstigen, einer Überprüfung zugänglichen Fakten, die in dieser erwähnt werden, gewährleistet, insbesondere durch die namentliche Benennung des Täters, den Verweis auf seine Verurteilung, die genaue Bezeichnung der Schule oder den Hinweis auf das Treffen mit dem Kultusminister. Die Verwendung von Klarnamen war überdies auch nicht notwendig, um das eigentliche, nicht nur vom Verfügungskläger, sondern - wie sich aus dem Duktus der Berichterstattung ergibt (so z.B. „AUFKLÄRUNG Ein Lehrer missbraucht an einer hessischen Schule über Jahrzehnte weit mehr als hundert Schüler. Die Behörden sehen nicht hin“) - auch von den Autoren mit dem Artikel verfolgte bzw. sich zu eigen gemachte Ziel zu erreichen, auf das Versagen und die Untätigkeit der staatlichen Stellen damals und heute in diesem Zusammenhang aufmerksam zu machen und diese zum Tätigwerden zu veranlassen.
71Ferner sind auf Seiten des Verfügungsklägers die Auswirkungen in den Blick zu nehmen, die sich für diesen durch seine Benennung mit vollem Namen in dem Artikel und insbesondere in dessen Kontext ergeben, die ihn für jedermann identifizierbar als sexuelles Missbrauchsopfer stigmatisieren, wobei die persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Wirkung durch das Einstellen des Original-Artikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. eine zusätzliche Steigerung erfährt, weil - jedenfalls in der Vergangenheit - bereits bei der Eingabe des Vor- und Zunamens des Verfügungsklägers in den gängigen Internetsuchmaschinen, z.B. Google, unter den ersten Suchergebnissen auch der online gestellte Artikel „Verlorene Jungs“ erschien (vgl. Anlage A 6). Gerade diese die Anonymität des Einzelnen zusätzlich beeinträchtigenden Besonderheiten des Internets in Bezug auf den Verbreitungsgrad sowie die räumlich und zeitlich nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit von online bereitgestellten Informationen führen dazu, dass das unveränderte Einstellen des Original-Artikels - unter Beibehaltung der vollen Namensnennung des Verfügungsklägers - in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. bewirkt, dass der Verfügungskläger - auch bei zeitbedingt abnehmender Aktualität der Thematik um den Missbrauchsskandal an der E…-H…-…-Schule - auch noch nach Jahren bei einer allein mit seinem Namen zu anderen Zwecken durchgeführten Internetrecherche mit diesen Geschehnissen unmittelbar in Verbindung gebracht wird bzw. werden kann (vgl. auch BGH, Urt. v. 23.09.2014 - VI ZR 358/13, Juris, Rn. 33 für ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 13.05.2014 - C-131/12, Juris, Rn. 87). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt jedoch auch vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit einer Person und seiner Privatsphäre (BGH, Urt. v. 15.12.2009 - VI ZR 227/08, Juris, Rn. 16 m.w.N. für einen Straftäter).
72bbb)
73Zu Gunsten der Verfügungsbeklagten ist in Ansatz zu bringen, dass der verfahrensgegenständliche Artikel auf Initiative des Verfügungsklägers unter Verarbeitung von u.a. auch von diesem im Rahmen des Gesprächs vom 28.01.2015, ergänzt um die per E-Mail vom 02.03.2015 übersandte Zusammenfassung der Tagebuchaufzeichnungen, freiwillig zur Verfügung gestellten bzw. offenbarten Informationen entstanden ist. Auch hat sich der Verfügungskläger prinzipiell mit seiner namentlichen Erwähnung in einem Print-Artikel über die Thematik einverstanden erklärt. Er hat darüber hinaus einzelne Teile des Artikels, in denen er namentlich erwähnt wird, soweit sie (Wortlaut-) Zitate von ihm beinhalten, ausdrücklich autorisiert. Diese sind ihm mit E-Mal der Verfügungsbeklagten zu 2. vom 05.03.2015 zwecks Autorisierung übersandt und vom Verfügungskläger mit E-Mail vom 06.03.2015 freigegeben worden („Ja, das ist okay, und 50 Jahre stimmt noch.“; vgl. die Anlage zum Verfügungsbeklagtenschriftsatz vom 26.05.2015). Soweit der Verfügungskläger den Zugang der E-Mail vom 05.03.2015 bestritten hat, ergibt sich spätestens aus den seitens der Verfügungsbeklagten mit Schriftsatz vom 26.05.2015 vorgelegten Ausdrucken der beiden E-Mails vom 05./06.03.2015, dass dieses Bestreiten des Verfügungsklägers der Wahrheit zuwider erfolgt ist (§ 138 Abs. 1 ZPO).
74Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Verfügungskläger bereits vor dem Erscheinen des Print-Artikels am 14./15.03.2015 aktiv um die Aufarbeitung und Aufklärung des massenhaften Missbrauchs von Schülern durch den Lehrer B… an der E…-H…-…-Schule bemüht und insoweit auch öffentlich engagiert hat, indem er offen die Webseite www.missbrauchte-jungs.de erstellt und verantwortet, eine Interessengemeinschaft- bzw. Bürgerinitiative („Aufarbeitungs-AG“) zu der Thematik gegründet hat und gleichsam als Sprecher der Betroffenen Schreiben an staatliche Stellen verfasst hat, wobei er sich hierbei mit den Missbrauchsopfern nicht nur solidarisiert, sondern sich durch seine Wortwahl selbst in die Reihe der Opfer eingeordnet und als solches dargestellt hat. Zumindest konnte durch dieses Verhalten und Auftreten des Verfügungsklägers gegenüber Dritten der Eindruck entstehen, dass er nicht nur als Anwalt der Opfer auftritt, sondern dass er selbst ein Opfer des Lehrers B… geworden ist, zumal dies auch für Außenstehende sein Engagement bei der Aufklärung des Vorgangs erklärbarer macht.
75Dem verfahrensgegenständlichen Artikel kam auch ein entsprechender „Öffentlichkeitswert“ zu (zu diesem Aspekt vgl. Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 39 Rn. 21). Der Artikel befasst sich mit einer Thematik von gesellschaftlicher bzw. politischer Relevanz von allgemeinem Interesse. Zwar lagen die letzten Missbrauchstaten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels schon zwanzig Jahre und die Verurteilung des Lehrers B… schon zehn Jahre zurück, doch besteht der aktuelle Bezug der Berichterstattung darin, dass aus Sicht einzelner Betroffener, einschließlich des Verfügungsklägers, die verantwortlichen Stellen trotz der strafrechtlichen Verurteilung des Lehrers B… und diverser schriftlicher Eingaben weiterhin untätig geblieben sind und nichts oder zumindest nicht genügend unternommen haben, um den Vorfall aufzuarbeiten, die Opfer ausfindig zu machen und gegebenenfalls zu entschädigen sowie unter Präventionsaspekten eine Fehleranalyse zu betreiben. Auf diesen aus Sicht des Verfügungsklägers aktuell bestehenden Missstand durch die Berichterstattung aufmerksam zu machen, war von diesem explizit gewünscht. Er wollte, dass der Fall durch die mediale Berichterstattung (wieder) in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, um die verantwortlichen staatlichen Stellen zum Handeln zu veranlassen, was es naturgemäß mit sich brachte, dass die mittlerweile zeitlich schon verhältnismäßig lange zurückliegenden Missbrauchstaten (wieder) einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden.
76Für ein berechtigtes Publikationsinteresse der Verfügungsbeklagten ist weiterhin anzuführen, dass es sich insbesondere bei den vom Verfügungskläger mit den Anträgen zu 1. b) bis d) konkret in Bezug auf seine Person beanstandeten Aussagen um wahre Tatsachenbehauptungen handelt bzw. diese zumindest einen wahren Tatsachenkern aufweisen, der mit den Mitteln des Beweises auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 13.04.1994 - 1 BvR 23/94, Juris, Rn. 27; BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, Juris, Rn. 8; ferner BGH, Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, Juris, Rn. 31 m.w.N.). Dies gilt trotz ihrer Substanzarmut auch für die mit dem Antrag zu 1. c) beanstandete Aussage, weil damit aus Sicht eines Durchschnittslesers/-empfängers - gerade auch im Zusammenhang mit dem (Gesamt-) Artikel - der Eindruck erzeugt wird, dass auch der Verfügungskläger Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden ist, auch wenn insofern keine konkreten Missbrauchshandlungen mitgeteilt werden. Dass der Verfügungskläger als Kind unter einem Sprachfehler gelitten und schlecht gesehen hat, wird von ihm selbst eingeräumt und ist damit unstreitig. Gleiches gilt für die Aussage, dass der Lehrer B… ihm gegenüber (einmal) übergriffig geworden sei; auch diese trifft zu. Denn - wie vom Verfügungskläger nicht in Abrede gestellt wird - hat der Lehrer B… ihn bei einer Gelegenheit am Genital „befummelt“, eine Begebenheit, die - unabhängig von der strafrechtlichen Klassifizierung dieses Tuns - mit der Formulierung „Übergriff“ oder „übergriffig geworden sein“ durchaus treffend umschrieben wird. Im Übrigen stellt das „Befummeln“ am Genital bereits eine objektiv sexualbezogene Handlung im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB dar, die - abhängig von der Intensität der Berührung - prinzipiell geeignet ist, den Tatbestand des - gegebenenfalls versuchten - sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB n.F.) oder des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 StGB n.F.) zu erfüllen. So wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - abhängig von Art, Dauer und Intensität der Handlung - bereits beim Streicheln des Geschlechtsteils über der Kleidung oder beim Greifen zwischen die Beine eine die Erheblichkeitsschwelle überschreitende und damit prinzipiell strafbare sexualbezogene Handlung bejaht (vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 184g Rn. 15b m.w.N.). Auch die Aussage, dass der Verfügungskläger von Gewalt erzählt habe, die sein Bruder in die Familie getragen habe, hat - unabhängig von dem dazu zwischen den Parteien bestehenden Streit, ob die Verfügungsbeklagte zu 2. diese Information vom Verfügungskläger erhalten hat - immerhin einen wahren Tatsachenkern, als der Bruder des Verfügungsklägers (A… R…) auf seinen eigenen sexuellen Missbrauch - nach dem dem Senat unterbreiteten Sachverhalt -tatsächlich mit Gewalthandlungen reagierte, die teils sogar eine sexuelle Komponente aufwiesen, wie sich nicht zuletzt aus dem dokumentierten E-Mail-Verkehr zwischen dem Verfügungskläger und seinem Bruder vom 12.02.2015 ergibt, und was vom Verfügungskläger letztlich auch nicht in Abrede gestellt wird. Im Übrigen spricht auch der Inhalt der mit Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 26.05.2015 vorgelegten Ablichtungen der Notizen, die sich die Verfügungsbeklagte zu 2. von dem mit dem Verfügungskläger am 28.01.2015 geführten Gespräch gemacht hat, im Verein mit den eidesstattlichen Versicherungen der Verfügungsbeklagten zu 2. vom 06.05.2015 und 26.05.2015 und des Bruders A… vom 02.06.2015 sowie dessen E-Mail vom 16.03.2015 für die Richtigkeit der Darstellung der Verfügungsbeklagten, dass es der Verfügungskläger gewesen ist, der der Verfügungsbeklagten zu 2. von Gewalttätigkeiten des Bruders innerhalb der Familie berichtet hat. Zwar hat der Verfügungskläger in seinen Erklärungen vom 20.04.2015 und 20.05.2015 etwas Anderes an Eides Statt versichert, doch kann insoweit nicht außer Betracht bleiben, dass der Verfügungskläger (auch) in Bezug auf den Zugang der E-Mail vom 05.03.2015 - wie dargelegt - ersichtlich etwas Falsches an Eides Statt versichert hat. In den von den Verfügungsbeklagten vorgelegten Notizen heißt es (Bl. 133 GA): „A…: War brutal, vergewaltigte Bruder, war extrem brutal.“
77Des Weiteren ist zu Gunsten der Verfügungsbeklagten in die Abwägung einzustellen, dass in dem verfahrensgegenständlichen Artikel - neben die Privatsphäre des Verfügungsklägers betreffenden Inhalten - auch über sein Engagement bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals berichtet wird und damit ein Bereich betroffen ist, in dem sich die persönliche Entfaltung des Einzelnen von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (Sozialsphäre). Wenn der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein „Sein“ oder Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens berührt, ergeben sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts über seinen Privatbereich, soweit dieser nicht zum unantastbaren innersten Lebensbereich gehört (BVerfG, Urt. v. 05.06.1973 - 1 BvR 536/72, Juris, Rn. 45; BVerfG, Beschl. v. 23.02.2000 - 1 BvR 1582/94, Juris, Rn. 22). Äußerungen zu der Sozialsphäre einer Person dürfen daher - wie ausgeführt - nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit negativen Sanktionen verknüpft werden. Derartige schwerwiegende Auswirkungen sind weder dargetan noch ersichtlich.
78ccc)
79Wägt man all diese Aspekte gegeneinander ab, so ergibt sich, dass die namentliche Nennung des Verfügungsklägers in dem Print-Artikel „Verlorene Jungs“, auch in Bezug auf die mit den mit den Anträgen zu 1. b) bis d) konkret beanstandeten Aussagen, zulässig war. Insbesondere ändert am Ergebnis der Abwägung und der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichung der Umstand nichts, dass über die Thematik des Artikels auch ohne Namensnennung des Verfügungsklägers hätte berichtet werden können. Denn es gehört zum Kern der Meinungs- und Medienfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses wert halten und was nicht und wie sie hierüber berichten (vgl. BGH, Urt. v. 29.042014 - VI ZR 137/13, Juris, Rn. 23; BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Juris, Rn. 19 - jeweils m.w.N.).
80Für die Übernahme des Original-Artikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. ergibt sich nichts Anderes; der Verfügungskläger hat insofern keinen Anspruch auf eine nachträgliche Anonymisierung. Der Bundesgerichtshof erachtet es in ständiger Rechtsprechung für zulässig, dass als Altmeldungen erkennbare Originalbeiträge mit identifizierender Darstellung betroffener Personen - so wie hier - in Online-Archiven zum Abruf bereitgehalten werden dürfen, sofern deren Ausgangsveröffentlichung zulässig war (BGH, Urt. v. 15.12.2009 - VI ZR 227/08, Juris, Rn. 11, 17 ff.; BGH, Urt. v. 09.02.2010 - VI ZR 243/08, Juris, Rn. 13 ff., 20 ff.; BGH, Urt. v. 20.04.2010 - VI ZR 245/08, Juris, Rn. 11, 13 ff., 20 ff.; BGH, Urt. v. 22.02.2011 - VI ZR 346/09, Juris, Rn. 10, 17 ff; BGH, Urt. v. 08.05.2012 - VI ZR 217/08, Juris, Rn. 34, 36 ff.; BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 8, 11 ff.). Auch der Umstand, dass derartige Originalberichte mit Hilfe gängiger Suchmaschinen ohne weiteres auffindbar sind, rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, die Möglichkeit vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse anhand der unveränderten Originalberichte zu recherchieren, auf die Print-Medien zu beschränken (BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 20).
81Berücksichtigt man dies, so ist das Einstellen bzw. weitere Vorhalten des Original-Printartikels im Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, auch eingedenk des Umstands, dass es bedingt durch die Besonderheiten des Internets und die zur Verfügung stehenden Suchmaschinen keinen (einfachen) Weg zurück in die Anonymität gibt, zulässig (vgl. hierzu bzw. zum Recht auf Vergessenwerden“ auch EuGH, Urt. v. 13.05.2014 - C-131/12, Juris, Rn. 95 ff., wo allerdings der Suchmaschinenbetreiber in die Verantwortung genommen wird). Zugunsten der Verfügungsbeklagten fällt dabei insbesondere ins Gewicht, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit besteht, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren (BGH, Urt. v. 15.12.2009 - VI ZR 227/08, Juris, Rn. 20; BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 8, 11 ff). Bedeutung kommt des Weiteren auch dem Umstand zu, dass sich streitgegenständliche Artikel nicht auf den aktuellen Seiten des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten zu 1. befand/befindet, wo er dem Nutzer unmittelbar nach Aufruf der Homepage der Verfügungsbeklagten zu 1. ins Auge fällt. Vielmehr war/ist er nur auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten zu 1. (Online-Archiv) zugänglich und für den Nutzer ohne weiteres ersichtlich durch die Überschrift „Das taz Print-Archiv“ verbunden mit der Angabe des Erscheinungsdatums des Original-Artikels (vgl. Anlage A 2) als Altmeldung gekennzeichnet (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 15.12.2009 - VI ZR 227/08, Juris, Rn. 19).
82Die durch das Einstellen des nicht anonymisierten des Original-Artikels in das Online-Archiv bewirkte Fortdauer des Eingriffs in das Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers steht auch (noch) nicht außer Verhältnis zu dem - derzeit noch - bestehenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Interesse des Verfügungsklägers an einer Anonymisierung zeitgeschichtlicher Originalberichte zurückzutreten hat (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Juris, Rn. 21), weil seit der Veröffentlichung des Print-Artikels gerade einmal gut sechs Monate vergangen sind, so dass jedenfalls nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darüber entschieden zu werden braucht, ob, ab wann und wie dem Verfügungskläger u.U. nach Ablauf einer gewissen Zeit etwa ein Zurücktreten in die Anonymität - gegebenenfalls durch Anonymisierung oder Löschung ihn identifizierender Darstellungen oder durch (technisches) „Verstecken“ des Original-Artikels im Online-Archiv, so dass die gängigen Suchmaschinen ihn nicht finden (vgl. hierzu von Pentz, AfP 2015, 11, 20 f.) - zu ermöglichen ist.
83ddd)
84Auf den genauen Inhalt, Reichweite und Fortdauer einer vom Verfügungskläger etwa erklärten Einwilligung zur Rechtfertigung des Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht kommt es vor dem Hintergrund dieses Abwägungsergebnisses nicht an.
852. Anträge zu 1. b) bis d) bzw. Urteilsaussprüche zu I. 2. bis 4.
86Das Landgericht hat auch rechtsfehlerhaft den mit den Anträgen zu 1. b) bis d) verfolgten Unterlassungsbegehen [Urteilsaussprüche zu I. 2. bis 4.], mit denen sich der Verfügungskläger - ohne Bezug zu dem Print-Artikel oder dessen Einstellen in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. - gegen das Verbreiten und/oder Veröffentlichen der Behauptungen, dass er - der Verfügungskläger als Kind schlecht gesehen habe [Antrag zu 1. b)], dass der Lehrer E… B… ihm - dem Verfügungskläger - gegenüber übergriffig geworden sei [Antrag zu 1. c)] und dass er - der Verfügungskläger - von Gewalt erzählt habe, die sein Bruder in die Familie getragen habe, wendet [Antrag zu 1. d)], stattgegeben. Die Verfügungsanträge zu 1. b) bis d) haben nicht ein Unterlassen der Namensnennung in Bezug auf einzelne Textteile des Artikels zum Gegenstand, sondern zielen auf ein - generelles Unterlassen - von Behauptungen in Bezug auf die Person des Verfügungsklägers ab.
87a) Einstellen des Artikels in das Online-Archiv
88Soweit es durch das nicht anonymisierte Einstellen des Print-Artikels, in dem die mit den Anträgen zu 1. b) bis d) seitens des Verfügungsklägers beanstandeten, seine Person betreffenden Aussagen nahezu wortwörtlich enthalten sind, in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. zu einem dadurch bedingten (erneuten) Verbreiten und/oder öffentlich Zugänglichmachen dieser Aussagen kommt, ist der dadurch bewirkte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers aus den oben unter B. II. 1. b) cc) (3) genannten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zulässig. Es fehlt mithin bereits an einem Verfügungsanspruch.
89b) Wiedergabe der inkriminierten Äußerungen in neuen Veröffentlichungen
90Hinsichtlich einer künftigen Wiedergabe der inkriminierten Äußerungen über den Verfügungskläger in neuen Veröffentlichungen, sei es in Print-Medien, im Internet oder in sonstiger Weise, fehlt es - auch im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten zu 1. - jedenfalls an einem Verfügungsgrund.
91aa)
92Das Vorliegen eines Verfügungsgrunds gemäß §§ 935, 940 ZPO setzt voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung notwendig ist. Dieses Erfordernis stellt sich als besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 Rn. 4; LG Köln, Urt. v. 09.01.2009 - 28 O 765/08, Juris, Rn. 25). Der Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens, in dem insbesondere auch der Rechtsweg verkürzt ist, bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Dies bedingt, dass die ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu befürchtenden Nachteile so schwer wiegen, dass ihre Abwehr den vorläufigen Verzicht auf die überlegenen Erkenntnismöglichkeiten des Klageverfahrens rechtfertigt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2010 - I-20 U 188/09, Juris, Rn. 15 f.). Ob eine Dringlichkeit in diesem Sinne gegeben ist, beurteilt sich in objektiver Betrachtungsweise, wobei die schutzwürdigen Interessen beider Seiten gegeneinander unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen sind (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 Rn. 4; Ricker/Weberling, a.a.O., Kap. 44 Rn. 15; Prinz/Peters, a.a.O., Rn. 325; Senat, Beschl. v. 01.04.2014 - I-16 W 12/14, S. 5 f. n.v.).
93bb)
94In Bezug auf die mit den Anträgen zu 1. b) bis d) angestrebten Unterlassungsverbote fehlt es auch im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten zu 1. an einem Verfügungsgrund. Ein solcher ist von dem insofern darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten Verfügungskläger weder schlüssig dargetan worden noch ist ein solcher sonst ersichtlich. Anlass für die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens war die unveränderte Einstellung des Original-Printartikels „Verlorene Jungs“ in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. Die Online-Wiedergabe dieses Original-Artikels ist - wie ausgeführt - unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Online-Archiven zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass seitens der Verfügungsbeklagten zu 1. eine Folgeberichterstattung oder andere Veröffentlichung geplant ist, in die die beanstandeten Aussagen einfließen sollen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Vom Verfügungskläger ist nicht aufgezeigt worden, dass unabhängig vom Einstellen des Print-Artikels in das Online-Archiv der Verfügungsbeklagten zu 1. ein Verbreiten oder öffentliches Zugänglichmachen der darin enthaltenen, mit den Anträgen zu 1. b) bis d) beanstandeten Aussagen durch die Verfügungsbeklagte zu 1. - konkret - droht und damit ein präventives Vorgehen hiergegen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von Nöten ist.
95III.
96Das Vorbringen des Verfügungsklägers in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 03.09.2015 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Es gab jedoch keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 296a ZPO).
97IV.
98Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
99Im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist eine Entscheidung über die Zulassung der Revision und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht veranlasst.
100V.
101Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 10.000,00 (€ 2.500,00 je Antrag) festgesetzt.
102S… -O…i.V. für den wegen Erkrankung an der Unterschrift gehinderten Vorsitzenden Richter am OLG D… |
S…-O…Richterin am Oberlandesgericht |
O…Richter am Landgericht |
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Tenor
I.
Den Antragsgegnerinnen wird untersagt,
1.
den Antragsteller in dem Artikel „W“ aus der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, mit vollständigem wahrheitsgemäßem Vor- und Nachnamen zu benennen;
2.
über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten und/ oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe als Kind schlecht gesehen und einen Sprachfehler gehabt;
3.
über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten und/ oder öffentlich zugänglich zu machen, der Lehrer C sei ihm gegenüber übergriffig geworden;
4.
über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe von Gewalt erzählt, die sein Bruder in die Familie getragen habe.
II.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 zurückgewiesen.
III.
Den Antragsgegnerinnen werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. I. genannte gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme jeweils Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, angedroht. Die Ordnungshaft ist im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1) an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken.
IV.
Von den Gerichtskosten tragen der Antragsteller 3/9, die Antragsgegnerin zu 1) 4/9 und die Antragsgegnerin zu 2) 2/9. Der Antragsteller trägt zudem 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) und 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2). Die Antragsgegnerin zu 1) trägt 4/9 und die Antragsgegnerin zu 2) 2/9 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Im Übrigen trägt jede Partei ihre Kosten selbst.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand:
3Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin zu 1), einem Presseorgan, und von der Antragsgegnerin zu 2), einer bei der Antragsgegnerin zu 1) angestellten Redakteurin, das Unterlassen verschiedener Äußerungen, die im Zusammenhang mit einem Bericht über den Missbrauchsskandal an der F-Schule in G getätigt worden sind.
4Der Antragsteller und sein Bruder waren in den 1970er Jahren Schüler an der F-Schule, die dadurch bekannt wurde, dass einer der zu dieser Zeit dort unterrichtenden Lehrer, Herr C, Schüler sexuell missbraucht hatte, und hierfür im Jahr 2005 durch das Landgericht G verurteilt wurde.
5Der Bruder des Antragstellers ist ein Missbrauchsopfer des Lehrers C, inwiefern auch der Antragsteller Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
6Der Antragsteller wandte sich im Januar 2015 an die Antragsgegnerin zu 1) in dem Bestreben eine weitergehende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch den Lehrer C anzustoßen. Zu diesem Zweck traf sich der Antragsteller in den Redaktionsräumen der Antragsgegnerin zu 1) zu einem Gespräch mit der Antragsgegnerin zu 2) mit dem Ziel, dass diese einen Artikel über die Geschehnisse an der F-Schule verfasst. Die Einzelheiten des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig.
7Der Antragsteller erteilte grundsätzlich sein Einverständnis, dass in dem Artikel sein vollständiger Name genannt werden darf.
8Im Anschluss an das Gespräch ließ der Antragsteller der Antragsgegnerin mit Email vom 02.03.2015 eine Zusammenfassung von Tagebuchaufzeichnungen des Lehrers C zu kommen. Wegen des Inhalts der konkreten Zusammenfassung der Tagebuchaufzeichnungen wird auf diese verwiesen (Anlage A 7).
9Die Antragsgegnerin zu 1) veröffentlichte in ihrer Printausgabe der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015 (Ausgabe Nr. 10664) den streitgegenständlichen Artikel „W“, geschrieben von der Antragsgegnerin zu 2). Diesen Artikel, auf den wegen des genauen Inhalts Bezug genommen wird (Anlage A 1), hatte der Antragsteller nicht vorab zur Kenntnis erhalten.
10Am 14.03.2015 schrieb ein Herr I2 per Email unter anderem an die Antragsgegnerin zu 2) und den Antragsteller, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Artikel um eine journalistisch und stilistisch Top Reportage handle.
11Hierauf antwortete der Antragsteller, nachdem er den streitgegenständlichen Artikel über sein Iphone flüchtig gelesen hatte, ebenfalls mit Email vom 14.03.2015 unter anderem: „Hi S, ich fand auch das das sehr gut ist was geschrieben wurde.“
12Am 16.03.2015 kommunizierten der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 2) per Email über das weitere Vorgehen des Antragstellers im Hinblick auf die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Wegen des weiteren Inhalts der Email wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen in dem Schriftsatz vom 18.05.2015 T 6 und 7 (Bl. 79, 80 GA) verwiesen.
13Am 18.03.2015 informierte der Antragsteller der Antragsgegnerin zu 2) per Email über ein im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals angesetzten Ministertreffen. In diesem Zusammenhang schrieb der Antragsteller unter anderem: „[…] Ich fand, dass der Artikel vom Wochenende zu wenig Hintergrundinfos über Pädophelie bzw. Prävention enthielt. […].“ Wegen des weiteren Inhalts der Email wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2015 T 9 (Bl. 82 GA)Bezug genommen
14Am 30.03.2015 erlangte der Antragsteller Kenntnis davon, dass der streitgegenständliche Artikel auch in das unter der Adresse www.U2 von der Antragsgegnerin zu 1) betriebene Online-Archiv eingestellt worden war. Im Hinblick auf die konkrete Online-Veröffentlichung wird auf screenshots des Online-Archivs verwiesen (Anlage A 2).
15Mit Schreiben vom 02.04.2015 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zu 1) auf, die Veröffentlichung der angegriffenen Äußerungen zu unterlassen (Anlage A 5).
16Der Antragsteller behauptet, er habe in dem Gespräch mit der Antragsgegnerin zu 2) ausgeführt, dass es seinem Bruder schwergefallen sei zu akzeptieren, dass er auch andere mit den Erfahrungen seiner erfahrenen sexuellen Gewalt konfrontiert habe. Von sexueller Gewalt des Bruders gegenüber Familienmitgliedern habe er nicht berichtet.
17Auch Information, dass er im Kindesalter einen Seh- und Sprachfehler gehabt habe, sowie dass der Lehrer C versucht habe, ihn zu berühren, habe er im Rahmen des Gespräches nicht getätigt. Diese Information habe die Antragsgegnerin zu 2) entweder aus den Tagebüchern des Lehrers C, die ihr von Herrn R übergeben worden seien, oder von seinem, des Antragstellers, Bruder. Diese seien der Antragsgegnerin vollständig von einem Herrn R2 übergeben worden.
18Er habe einer Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen nicht zugestimmt. Die Antragsgegnerin zu 2) haben sich lediglich telefonisch das Zitat: „Bis heute gab es keine offizielle Anerkennung der Verbrechen. Stattdessen wird blockiert“. X legt einen Ordner voller Briefe und ausgedruckter Emails auf den Tisch: Korrespondenz mit dem Landeschulamt. Zunächst schreibt eine Mitarbeitern des Leitenden Direktors, man sei „sehr betroffen“ über die Straftaten. Leider könne man im Archiv nichts mehr finden.“ freigeben lassen.
19Einer online-Veröffentlichung habe er in keiner Weise zugestimmt.
20Die Antragsgegnerin zu 2) habe ihm bei dem ersten Gespräch im Januar 2015 zugesichert, dass er den streitgegenständlichen Artikel vor dessen Veröffentlichung bzw. ihn betreffende Passagen vorab zum Lesen erhalte.
21Der Antragsteller hat mit Antrag vom 27.04.2015 neben den nunmehr zur Entscheidung stehenden Anträgen weiter beantragt, den Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, den Artikel „W“ aus der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, online abrufbar unter http:// www.X.de wie aus der Anlage A 2 ersichtlich, im Internet öffentlich zugänglich zu machen, und den nunmehrigen Antrag Ziff. 1 lit. a) lediglich hilfsweise gestellt. Von dieser ursprünglichen Antragsfassung hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen und den soeben zitierten Hauptantrag unter Aufrechterhaltung des Hilfsantrags zurückgenommen.
22Der Antragsteller beantragt nunmehr,
23den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
241.a)
25den Antragsteller in dem Artikel „W“ aus der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, mit vollständigem wahrheitsgemäßem Vor- und/ oder Nachnamen zu benennen;
261.b)
27über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe als Kind schlecht gesehen und einen Sprachfehler gehabt;
281.c)
29über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, der Lehrer C sei ihm gegenüber übergriffig geworden;
301.d)
31über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe von Gewalt erzählt, die sein Bruder in die Familie getragen habe;
321. lit.e)
33über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser wolle Rache nehmen für Erlebnisse, die im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal an der F-Schule stehen.
34Die Antragsgegnerinnen beantragen,
35den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 zurückzuweisen und dem Antragsteller im Hinblick auf den zurückgenommenen Antrag die Kosten aufzuerlegen.
36Die Antragsgegnerinnen behaupten, der Antragsteller habe im Rahmen des Interviews erzählt, dass er in den ersten zwei Schulklassen an einer Schule für Seh- und Sprachbehinderte war, und dass ihn der Lehrer C ein Mal mit zu sich nach Hause genommen und ihm am Genital befummelt habe. Der Antragsteller habe weiter geäußert, dass sein Bruder sexuelle Gewalt in die Familie getragen habe.
37Zudem sei während des gesamten Gesprächs zwischen dem Antragssteller und der Antragsgegnerin zu 2) klar gewesen, dass eine Veröffentlichung sämtlicher Gesprächsinhalte erfolgen dürfe. Der Antragsteller habe nicht geäußert, dass bestimmte Aussagen nicht in den Text aufgenommen werden sollen.
38Sie behaupten weiter, die Antragsgegnerin zu 2) habe sich die Verwendung der wörtlichen Zitate und der Tagebuchaufzeichnungen genehmigen lassen.
39Am 05.03.2015 habe die Antragsgegnerin zu 2) dem Antragsteller zudem per Email einige Textpassagen des streitgegenständlichen Textes verbunden mit der Anfrage, ob dieser noch Zitate lesen wolle, und dass der Antragsteller Bescheid sagen solle, wenn er eine Veröffentlichung nicht wünsche, übersandt. Wegen der konkreten Textpassagen wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen in dem Schriftsatz vom 18.05.2015 T 2, 3 (Bl. 75, 76 GA) verwiesen.
40Am 12.02.2015 habe ihr der Antragsteller eine Email zwischen ihm und seinem Bruder zukommen lassen, aus welcher die sexuelle Gewalt des Bruders gegenüber den Familienmitgliedern erkennbar wird. Wegen des genauen Inhalts der Email wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen im Schriftsatz vom 18.05.2015 T 4 (Bl. 77, 78 GA) verwiesen.
41Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 20.05.2015 Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe:
43I.
44Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 ist im Hinblick auf die Anträge Ziff. 1., lit. a) – Ziff. 1., lit. d) begründet, der Antrag Ziff. 1., lit. e) ist hingegen unbegründet.
451.
46Der Antragsteller hat im Hinblick auf die Anträge Ziff. 1., lit. a) – Ziff. 1., lit. d) auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerinnen einen Verfügungsanspruch und -grund hinreichend glaubhaft gemacht.
47a)
48Dem Antragsteller steht im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1, lit. a) angegriffene Aussage ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
49aa)
50Die Namensnennung verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers, insbesondere gegen dessen Recht auf Anonymisierung.
51Das Recht der Anonymisierung ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Brukhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2013, Kap. 10, Rn. 53). Grundsätzlich ist die identifizierbare Darstellung von Personen zulässig, wenn ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorhanden ist (a. a. O.). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Aktualitätsbezug vorliegt oder der Betroffene zu einer solchen Darstellung selbst Anlass gegeben hat (a. a. O.). Im Hinblick auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts ist dieses jedoch bei einer Berichterstattung über nachteilige, unglückliche oder tragische Ereignisse vorrangig (a. a. O.).
52Dies berücksichtigend ist vorliegend auf Seiten der Medien- und Meinungsfreiheit zu beachten, dass sich der Antragsteller selbst an die Antragsgegnerin zu 2) mit dem Ziel gewandt hat, dass sie einen Artikel über den Missbrauchsskandal veröffentlicht. Zudem trägt es zur Glaubhaftigkeit der Aussagen in dem Artikel bei, wenn diese von einer Person in der unmittelbaren Nähe der Missbrauchsfälle getätigt werden, und die Person namentlich benannt wird.
53Andererseits äußert sich der Artikel zu dem sensiblen Bereich des sexuellen Missbrauchs, als dessen Opfer nach dem Verständnis des Artikels, insbesondere der angegriffenen Aussage Ziff. 1. lit. c.), auch der Antragsteller dargestellt wird. Dieser Bereich ist zwar von einem gewissen öffentlichen Interesse, weil es um eine schwere Straftat geht, das Persönlichkeitsrecht des Opfers ist jedoch in diesem Fall höher zu bewerten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Aktualitätsbezug der Straftat selbst bereits abgeschwächt ist, denn die Verurteilung erfolgte bereits im Jahre 2005 und der Verurteilte verstarb im Jahr 2008.
54Die Namensnennung ist auch nicht aufgrund einer Einwilligung des Antragstellers gedeckt.
55Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass der Antragssteller eine Einwilligung in die Namensnennung im Hinblick auf das Printmedium erteilte. Die Frage, ob die Einwilligung auch die Online-Veröffentlichung deckte, bedarf keiner Entscheidung, weil die Einwilligung bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nur insoweit erfolgte, wie der Artikel solche Äußerungen enthält, in deren Veröffentlichung der Antragsteller eingewilligt hat. Dies ist – wie unter lit. b), bb), (2) noch auszuführen sein wird – nicht der Fall.
56bb)
57Die Antragsgegnerinnen sind auch passivlegitimiert.
58Auf Unterlassung kann grundsätzlich jeder Störer in Anspruch genommen werden.
59Störer ist ohne Rücksicht auf das Verschulden jeder, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2013, Kap. 12, Rn. 58).
60Nach dieser Maßgabe haftet die Antragsgegnerin zu 2) als Autorin.
61Die Antragsgegnerin zu 1) ist als Verlegerin des Presseerzeugnisses und als Betreiberin des Online-Archivs passivlegitimiert. Sie trägt auf diese Art und Weise insbesondere zur Verbreitung der angegriffenen Äußerungen bei (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2003, Kap. 12, Rn. 58, 63, 64).
62cc)
63Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund der Rechtsverletzung vermutet.
64b)
65Im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1., lit. b) angegriffene Aussage ergibt sich ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs nach Maßgabe von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
66aa)
67Der streitgegenständliche Artikel enthält die angegriffene Aussage (vgl. Artikel T 2, rechte Spalte, Bl. 16 GA), mit der aus der Sicht eines Durchschnittslesers – in Abgrenzung zu einer Meinungsäußerung – zwei Tatsachen mitgeteilt werden.
68Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert, während für Werturteile und Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung des Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist (BGH, Urteil vom 24.01.2006, Az. XI ZR 384/03). Wesentlich für die Einordnung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung zugänglich ist. Im Gegensatz dazu ist von Meinungsäußerungen auszugehen, wenn Beurteilungen, Einschätzungen und Wertungen erfolgen und die Äußerung für den Empfänger erkennbar durch die Elemente des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.
69Sowohl die schlechte Sehfähigkeit eines Kindes als auch ein Sprachfehler stellen Umstände dar, die einer Überprüfung zugänglich sind.
70bb)
71Die Äußerung enthält persönliche Daten des Antragstellers, stellt mithin einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
72Der Eingriff ist auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen und des übrigen Parteivortrags mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.
73(1)
74Persönliche Daten genießen keinen absoluten Schutz, insbesondere wenn die Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre betroffen ist (Burkhardt, ebd., Kap. 5, Rn. 22). Danach stellt sich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur dann als rechtswidrig dar, wenn das Recht des von der Berichterstattung Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK das in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerte Recht der Medien auf Meinungs- und Medienfreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt (v. Pentz, AfP 2014, 8 (10)). Für die danach erforderliche Interessenabwägung ist maßgeblich, in welcher Hinsicht und in welchem Gewicht das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt ist (a. a. O.).
75Die streitgegenständliche Aussage berührt das Diskretionsinteresse des Antragstellers. Grundsätzlich unterfallen nicht wahrnehmbare körperliche Gebrechen und gesundheitliche Zustände dem Bereich der Intimsphäre (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2013, Kap. 5, Rn. 48), der absoluten Schutz genießt und deshalb einer Abwägung mit Interessen des Äußernden nicht zugänglich ist (Burkhardt, ebd., Kap. 5, Rn. 47). Bei einer Sehschwäche und einem Sprachfehler handelt es sich zwar nicht ohne weiteres um solche gesundheitlichen Zustände, denn sie fallen gerade in der Interaktion mit Mitmenschen, mithin in der Sozial- und Öffentlichkeitsphäre auf. Vorliegend gilt jedoch deshalb etwas anderes, weil die streitgegenständliche Äußerung einen weit zurückliegenden körperlichen Zustand des Antragstellers betrifft, der jedenfalls im Zeitpunkt der Berichterstattung nicht mehr wahrnehmbar war.
76(2)
77Aus Sicht der Kammer spricht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller eine die streitgegenständliche Aussage erfassende Einwilligung erteilt hat. Vielmehr verbleibt nach dem jeweiligen Parteivortrag und bei einer Würdigung der zu seiner Glaubhaftmachung jeweils vorgelegten Mittel entsprechend § 286 Abs. 1 ZPO eine für die Überzeugungsbildung nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers, dass er eine Einwilligung nicht erteilt habe. Diese non-liquet Situation geht vorliegend zu Lasten der Antragsgegnerinnen, die die Last der Glaubhaftmachung im Hinblick auf das Vorliegen einer Einwilligung tragen.
78Die Antragsgegnerinnen tragen die Last der Glaubhaftmachung nach den allgemeinen Grundsätzen zur Beweislastverteilung, wonach jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen hat (Bacher, in: Vorwerk/ Wolf (Hrsg.), Beck‘ OK ZPO, Ed. 16, Stand: 01.03.2015, § 284, Rn. 72).
79So ist es vorliegend im Hinblick auf den Vortrag einer Einwilligung für Antragsgegnerinnen. Der Antragsteller hat – wie bereits ausgeführt – hinreichend glaubhaft gemacht, dass in der streitgegenständlichen Aussage grundsätzlich ein rechtswidriger Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht liegt. Sofern die Antragsgegnerinnen vortragen, dass sich dieser grundsätzlich rechtswidrige Eingriff durch eine Einwilligung rechtfertigen lässt, berufen sie sich auf eine für sie günstige Tatsache.
80Die Antragsgegnerinnen behaupten, dass sich eine Einwilligung auch der streitgegenständlichen Aussage daraus ergebe, dass der Antragsteller – was unstreitig ist – die Initiative für die Veröffentlichung ergriffen hat. Im Rahmen des Gespräches im Januar 2015 habe dieser zudem zu verstehen gegeben, dass diejenigen Inhalte, die Gegenstand des Gesprächs waren, auch veröffentlicht werden könnten. Auch die hier streitgegenständliche Aussage sei im Rahmen des Gesprächs von dem Antragsteller gemacht worden. Daneben habe der Antragsteller einzelne Zitate vor der Veröffentlichung genehmigt. Dieser habe zugleich auch in die Verwendung der Tagebuchaufzeichnungen eingewilligt.
81Für die Richtigkeit des Vortrags der Antragsgegnerinnen, dass eine umfassende Einwilligung im Rahmen des Gesprächs im Januar 2015 konkludent erteilt worden sei, spricht das Verhalten des Antragstellers unmittelbar nach der Veröffentlichung des Artikels in der Printversion am 14.03.2015. Im Anschluss an diese hat er den Artikel in einer Email vom 14.03.2015 gegenüber Herrn I2, einem Bekannten, für gut befunden und die Antragsgegnerin zu 2) noch mit Email vom 16.03.2015 über sein beabsichtigtes weiteres Vorgehen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sowie mit Email vom 18.03.2015 über das Ergebnis eines mit der Aufarbeitung in Zusammenhang stehenden Ministertreffens in Kenntnis gesetzt. Der Antragsteller selbst erklärt dieses Verhalten damit, dass er vorträgt, den Artikel zunächst nur überflogen zu haben. Daran hat die Kammer jedoch deshalb Zweifel, weil der streitgegenständliche Artikel für den Antragsteller eine große Bedeutung hatte. Dies entnimmt die Kammer zum einen dem Umstand, dass der Antragsteller sich an die Antragsgegnerinnen gewendet hat, um den Artikel zu initiieren, und zum anderen daraus, dass sich der Antragsteller erhoffte und zugleich davon ausging, dass der Artikel eine große Resonanz hervorruft. Zudem enthält die Email vom 18.03.2015 an die Antragsgegnerin zu 2) bereits eine Bewertung des Artikels durch den Antragsteller, indem er ausführt, dass ihm dieser zu wenige Hintergrundinformationen über die Themen „Prävention“ und „Pädophelie“ enthalten habe.
82Daneben hat die Antragsgegnerin zu 2) mit Erklärung vom 06.05.2015 an Eides statt versichert (Bl. 88 GA), dass eine allgemeine Einwilligung erteilt worden sei.
83Für die Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers spricht hingegen, dass sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerinnen selbst ergibt, dass die Antragsgegnerin zu 2) einzelne Textpassagen aus dem streitgegenständlichen Artikel mit Email vom 05.03.2015 (vgl. Bl. 75, 76 GA) an den Antragsteller zugeleitet hat, damit dieser in die Veröffentlichung einwilligt. Einer solchen Zuleitung hätte es nicht bedurft, wenn im Rahmen des Gespräches im Januar 2015 eine umfassende Einwilligung erteilt worden wäre. Aus dem bloßen Umstand, dass der Antragsteller das Gespräch initiiert hat und eine Aufarbeitung wünschte, lässt sich eine solche jedenfalls nicht ohne weiteres entnehmen. Eine Einwilligung, die sich daraus ergibt, dass der Betroffene den Artikel zum Zwecke der Aufarbeitung initiiert, kann nur soweit gehen, wie der Zweck der Aufarbeitung eine Veröffentlichung von preisgegebenen Informationen verlangt (vgl. ähnlich Soehring, Presserecht, 4. Auflage, 2010, § 19, Rn. 46a). Nach dieser Maßgabe ist vorliegend nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Zweck einer für die Durchschnittsleser erkennbaren Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch den Antragsteller die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Information verlangte. Es spricht vielmehr auch einiges dafür, dass dieser Zweck auch durch die von dem Antragsteller unstreitig preisgegebenen und von einer Einwilligung gedeckten Äußerungen hätte erfolgen können, insbesondere durch die unstreitig von dem Antragsteller überlassenen Zusammenfassungen der Tagebuchaufzeichnungen (Anlage A 7). Hinzukommt, dass Gegenstand des Gesprächs jedenfalls auch Informationen aus dem Bereich der Intimsphäre des Antragstellers waren, was ebenfalls der Annahme einer allumfassenden Einwilligung entgegensteht.
84Bei dem Gericht verbleiben zusätzlich Zweifel, ob die streitgegenständliche Aussage überhaupt von einer etwaigen Einwilligung im Rahmen des Gespräches im Januar 2015 erfasst war. Die Antragsgegnerinnen behaupten zwar, dass der Antragsteller die Aussage im Rahmen des Gespräches getätigt habe, und machen diese Behauptung durch eidesstattliche Versicherung der Antragsgegnerin zu 2) vom 06.05.2015 glaubhaft. Weiter versichert die Antragsgegnerin zu 2) mit Erklärung vom 26.05.2015, dass sich diese Aussage in ihren Gesprächsnotizen von dem Treffen mit dem Antragsteller im Januar 2015 befindet (Bl.130 GA). Diesem nachvollziehbar glaubhaft gemachten Vortrag der Antragsgegnerinnen steht jedoch der Vortrag des Antragstellers gegenüber, der mit Erklärung vom 20.04.2015 (Anlage A 3) an Eides statt versichert, dass die Antragsgegnerin zu 2) von seiner Sehschwäche und Sprachstörung allein aus Tagebuchaufzeichnungen des Lehrers C wissen könne. Diese habe die Antragsgegnerin zu 2) von einem Herrn R2 erhalten. Anhaltspunkte, dass Herr R die Tagebuchaufzeichnungen tatsächlich stellte, lassen sich der von den Antragsgegnerinnen zitierten Email des Bruders des Antragstellers vom 14.03.2015, 15:41 Uhr entnehmen, in der es heißt: „Dir G2 Dank das Du die Dokumente ghütet hast, über so lange Zeit, ohne diese wäre die ganze Nummer nicht halb so effektiev […]“.
85Sofern die Antragsgegnerinnen von einer Einwilligung in die streitgegenständliche Aussage auch deshalb ausgehen, weil der Antragsteller der Antragsgegnerin zu 2) – was unstreitig ist – am 02.03.2015 per Email eine Zusammenfassungen von Tagebuchaufzeichnungen des Lehrers C übersandte, so lassen diese Zusammenfassungen – von dem Antragsteller als Anlage A 7 (Bl. 102 – 107 GA) vorgelegt – die streitgegenständliche Aussage nicht erkennen. Dafür, dass es sich bei diesen Zusammenfassungen nicht um diejenigen handelt, die der Antragsteller der Antragsgegnerin zu 2) übermittelte, hat das Gericht keine Anhaltspunkte. Zum einen treten die Antragsgegnerinnen dem Vortrag des Antragstellers insoweit nicht entgegen, und zum anderen legen sie selbst die ihr zugeleiteten Zusammenfassungen der Tagebuchaufzeichnungen nicht vor.
86Letztlich ergeben sich auch aus dem Vortrag der Antragsgegnerinnen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.05.2015 sowie den in dem Zusammenhang vorgelegten Mitteln der Glaubhaftmachung keine andere Würdigung. Schon aus diesem Grund war daher eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, § 156 Abs. 1 ZPO.
87cc)
88Wegen der Passivlegitimation der Antragsgegnerinnen sowie dem Vorliegen der Wiederholungsgefahr wird auf die Ausführungen unter lit. a), bb) und cc) Bezug genommen.
89c)
90Im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1., lit. c) angegriffene Aussage folgt ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs ebenfalls aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
91aa)
92Auch diese streitgegenständliche Aussage ist wörtlich in dem Artikel enthalten (vgl. T 2, rechte Spalte, Bl. 16 GA).
93Sie stellt sich aus der Sicht des Durchschnittslesers als eine Tatsachenbehauptung dar.
94Für eine Meinungsäußerung spricht zwar, dass der Begriff „übergriffig“ zunächst kein klares Tatsachengeschehen erfasst, sondern die Bewertung eines Geschehens beinhaltet. Der Gesamtzusammenhang, in dem die angegriffene Aussage steht, befasst sich jedoch mit Fällen sexuellen Missbrauchs von Schülern durch den Lehrer C. Der Durchschnittsleser setzt die Bezeichnung „übergriffig“ daher mit einem sexuellen Missbrauch gleich. Wenn auch damit unklar bleibt, zu welchen Handlungen es genau gekommen ist, so wird damit doch auf einen hinreichenden Tatsachenkern Bezug genommen. Dieser ergibt sich beispielsweise daraus, dass der Artikel selbst in seinem Verlauf die Art und Weise des sexuellen Missbrauchs konkretisiert („anal vergewaltigt“, „Sperma schlucken“).
95bb)
96Der Antragsteller ist durch die Aussage in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht berührt.
97Für die rechtliche Bewertung kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Antragsteller insbesondere in seinem Diskretionsinteresse im Hinblick auf intime personenbezogene Daten oder in seinem Schutz vor Unwahrheit eines ihn betreffenden Datums berührt ist, weil es – wie dieser behauptet – nicht dazu gekommen sei, dass der Lehrer C ihn am Genital berührt habe, sondern er dies lediglich versucht habe.
98Der Eingriff stellt sich jedenfalls als rechtswidrig dar, weil auch in dem Fall der Wahrheit der Tatsachenbehauptung aufgrund des Eingriffs in die Intimsphäre eine Abwägung mit anderen grundrechtlich geschützten Interessen ausscheidet und das Vorliegen einer Einwilligung in die Veröffentlichung nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Insbesondere vermag die Kammer – sofern der Antragsteller tatsächlich geäußert hat, am Genital befummelt worden zu sein – nicht davon auszugehen, dass er zugleich damit in die Veröffentlichung der Information eingewilligt hat. Auf die Ausführungen unter lit. b), bb), (2) wird verwiesen.
99d)
100Ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs besteht hinsichtlich der mit dem Antrag Ziff. 1., lit. d) angegriffenen Aussage in Form eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
101aa)
102Die angegriffene Aussage gibt eine Aussage des Antragstellers wieder, wonach er gesagt haben soll, dass sein hilflos um sich schlagender Bruder Gewalt in die Familie getragen habe.
103Diese Aussage ist eine Tatsachenbehauptung, weil es einer Überprüfung zugänglich ist, ob eine Person etwas gesagt hat oder nicht (vgl. Burkhardt, ebd., Kap. 5, Rn. 91).
104bb)
105Auch diese Aussage greift unbeschadet der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob der Antragsteller tatsächlich erklärt hat, Gewalt durch seinen Bruder erfahren zu haben, in rechtswidriger Art und Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein.
106Denn auch diese Aussage betrifft die Intimsphäre des Antragstellers, die nur durch eine Einwilligung des Betroffenen gerechtfertigt werden kann. Von dem Vorliegen einer solchen Einwilligung ist die Kammer – wie dargestellt – nicht überzeugt.
1072.
108Auch ein Verfügungsgrund liegt gegenüber den Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) jeweils vor.
109Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung des Antragstellers im gegenwärtigen oder zukünftigen Hauptverfahren vereitelt oder erschwert werden könnte (Drescher, in: Müko, ZPO, Kommentar, 4. Auflage, 2012, § 940, Rn. 9). Über den Verfügungsgrund ist nach einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen zu entscheiden (Berneke/ Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. Auflage, Rn. 109).
110Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall im jeweiligen Verhältnis des Antragstellers zu den Antragsgegnerinnen ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer einstweiligen Entscheidung.
111Art und Umfang der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Antragstellers sprechen vorliegend dafür, dass ihm ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist. Die streitgegenständlichen Aussagen, im Hinblick auf welche ein Verfügungsanspruch besteht, berühren die Intimsphäre des Antragstellers. Dieser trägt zudem vor, dass er bereits von Kunden (der Antragsteller ist selbstständiger Abwassertechniker) auf den Artikel angesprochen worden sei und dieser für ihn eine Belastung darstelle. Demgegenüber treten die Interessen der Antragsgegnerinnen an der Fortsetzung der Berichterstattung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zurück. Eine andere Würdigung ist auch nicht wegen eines hohen Aktualitätsbezugs angezeigt. Der Aktualitätsbezug des streitgegenständlichen Artikels ist vorliegend zwar durch die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch Betroffene gekennzeichnet, die Missbrauchsfälle sind jedoch bereits seit über zehn Jahren bekannt. So lange liegt auch die Verurteilung des mittlerweile verstorbenen Täters zurück.
112Auch aus der Tatsache, dass zwischen der Veröffentlichung des Printartikels und dem Abmahnschreiben ca. drei Wochen liegen, ergibt sich kein dringlichkeitsschädliches Verhalten. Ein Zeitraum, bei dem angenommen werden muss, dass der Antragsteller kein Interesse an einer einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses hat, liegt noch nicht vor.
113Der Annahme eines Verfügungsgrundes im Verhältnis des Antragstellers zur Antragsgegnerin zu 2) steht auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 06.01.2015, Az.: I-16 W 92/14, (zitiert nach juris) nicht entgegen.
114Ein Unterlassungsanspruch gegen einen Redakteur/ Autor muss grundsätzlich auch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens effektiv geltend gemacht werden können. Äußerungsrechtliche Ansprüche des Betroffenen gegen Presseorgane basieren auf der Annahme, dass die Erörterung persönlicher Angelegenheiten in der Presse ein Gefälle derart auslöst, dass der Betroffene in der Regel keine der Presse vergleichbaren Mittel hat, den Äußerungen entgegenzutreten (BVerfG, NJW 1998, 1381 (1382)). Ein solches Gefälle ergibt sich auch in dem Verhältnis zu dem Redakteur eines Presseorgans bzw. dem Verfasser eines Presseartikels, welcher deshalb auch als Störer im materiell-rechtlichen Sinne betrachtet wird.
115Hier liegen zudem über die vergangenen Zuwiderhandlungen hinaus konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Zuwiderhandlung bevorsteht. Diese ergeben sich daraus, dass der streitgegenständliche Artikel über das Online-Archiv der Antragsgegnerin zu 1) noch abrufbar ist und der Antragssteller glaubhaft gemacht hat, dass die Antragsgegnerin zu 2) auf seine Aufforderung hin erklärt habe, der Artikel bleibe in seiner jetzigen Form online. Es ist auch nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin zu 2) über die Arbeit bei der Antragsgegnerin zu 1) kein Interesse hat, die streitgegenständlichen Äußerungen zu tätigen. Aus der Beschreibung ihrer Person am Ende des streitgegenständlichen Artikels geht vielmehr hervor, dass sie seit Jahren über Pädophilie und sexuellen Missbrauch schreibt.
1163.
117Im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1, lit. e) angegriffene Aussage fehlt es hingegen bereits an einem Verfügungsanspruch. Ein solcher ergibt sich nicht in Form eines Unterlassungsanspruchs nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
118Die angegriffene Aussage befindet sich schon in der Form nicht in dem streitgegenständlichen Artikel.
119Der Artikel enthält lediglich die hervorgehobene Aussage „Einer will Rache“ (T 1, 4. Spalte von links, Bl. 15 GA), in welcher der Antragsteller selbst nicht in Bezug genommen wird.
120An anderer Stelle wird der Antragsteller zwar ausdrücklich mit dem Motiv „Rache“ in Verbindung gebracht, allerdings in der Form eines Zitats seines Bruders (T 2, rechte Spalte, Bl. 16 GA), welches sich in dem Gesamtkontext des Artikels als persönliche Einschätzung des Bruders des Antragstellers darstellt. Die Antragsgegnerinnen machen sich auch das Zitat des Bruders nicht zu Eigen – was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass unmittelbar nach dem Zitat des Bruders ein Zitat des Antragstellers genannt wird, in welchem dieser seine anderweitigen Beweggründe darstellt.
121Aber selbst dann, wenn man die Äußerung den Antragsgegnerinnen zuordnen könnte, müsste der Antragsteller diese im Hinblick auf das Interesse der Meinungs- und Medienfreiheit hinnehmen.
122Es wird ein Verhalten des Antragstellers im Sinne einer Meinungsäußerung bewertet. Das Verhalten ist der Öffentlichkeitsphäre des Antragstellers zuzuordnen. Der Antragsteller hat sich selbst in die Öffentlichkeit begeben, um die Geschehnisse des sexuellen Missbrauchs einer Aufarbeitung zuzuführen. Es ist schließlich auch nicht zu erkennen, dass die Meinungsäußerung jeglichen Sachbezugs entbehrt, mithin als unzulässige Meinungsäußerung einzustufen wäre.
123II.
124Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt., 269 Abs. 3 Satz 2, 100 Abs. 1 ZPO, wobei keine Gründe dafür ersichtlich sind, dass den Antragsgegnerinnen ausnahmsweise die auf den zurückgenommenen Teil anfallenden Kosten aufzuerlegen sind.
125Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt, soweit der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO. Im Übrigen bedurfte es einer Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit aufgrund der Natur der einstweiligen Verfügung, aus der sich die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne weiteres ergibt, nicht.
126Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.
127Streitwert: 15.000,00 €; wobei auf jeden Antrag (auch auf den zurückgenommenen Hauptantrag Ziff. 1., lit. a)) 2.500,00 € und davon auf die Antragsgegnerin zu 1) jeweils 1.600,00 € und auf die Antragsgegnerin zu 2) jeweils 900,00 € entfallen.
128(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Tenor
I.
Den Antragsgegnerinnen wird untersagt,
1.
den Antragsteller in dem Artikel „W“ aus der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, mit vollständigem wahrheitsgemäßem Vor- und Nachnamen zu benennen;
2.
über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten und/ oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe als Kind schlecht gesehen und einen Sprachfehler gehabt;
3.
über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten und/ oder öffentlich zugänglich zu machen, der Lehrer C sei ihm gegenüber übergriffig geworden;
4.
über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe von Gewalt erzählt, die sein Bruder in die Familie getragen habe.
II.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 zurückgewiesen.
III.
Den Antragsgegnerinnen werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. I. genannte gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme jeweils Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, angedroht. Die Ordnungshaft ist im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1) an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken.
IV.
Von den Gerichtskosten tragen der Antragsteller 3/9, die Antragsgegnerin zu 1) 4/9 und die Antragsgegnerin zu 2) 2/9. Der Antragsteller trägt zudem 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) und 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2). Die Antragsgegnerin zu 1) trägt 4/9 und die Antragsgegnerin zu 2) 2/9 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Im Übrigen trägt jede Partei ihre Kosten selbst.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand:
3Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin zu 1), einem Presseorgan, und von der Antragsgegnerin zu 2), einer bei der Antragsgegnerin zu 1) angestellten Redakteurin, das Unterlassen verschiedener Äußerungen, die im Zusammenhang mit einem Bericht über den Missbrauchsskandal an der F-Schule in G getätigt worden sind.
4Der Antragsteller und sein Bruder waren in den 1970er Jahren Schüler an der F-Schule, die dadurch bekannt wurde, dass einer der zu dieser Zeit dort unterrichtenden Lehrer, Herr C, Schüler sexuell missbraucht hatte, und hierfür im Jahr 2005 durch das Landgericht G verurteilt wurde.
5Der Bruder des Antragstellers ist ein Missbrauchsopfer des Lehrers C, inwiefern auch der Antragsteller Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
6Der Antragsteller wandte sich im Januar 2015 an die Antragsgegnerin zu 1) in dem Bestreben eine weitergehende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch den Lehrer C anzustoßen. Zu diesem Zweck traf sich der Antragsteller in den Redaktionsräumen der Antragsgegnerin zu 1) zu einem Gespräch mit der Antragsgegnerin zu 2) mit dem Ziel, dass diese einen Artikel über die Geschehnisse an der F-Schule verfasst. Die Einzelheiten des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig.
7Der Antragsteller erteilte grundsätzlich sein Einverständnis, dass in dem Artikel sein vollständiger Name genannt werden darf.
8Im Anschluss an das Gespräch ließ der Antragsteller der Antragsgegnerin mit Email vom 02.03.2015 eine Zusammenfassung von Tagebuchaufzeichnungen des Lehrers C zu kommen. Wegen des Inhalts der konkreten Zusammenfassung der Tagebuchaufzeichnungen wird auf diese verwiesen (Anlage A 7).
9Die Antragsgegnerin zu 1) veröffentlichte in ihrer Printausgabe der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015 (Ausgabe Nr. 10664) den streitgegenständlichen Artikel „W“, geschrieben von der Antragsgegnerin zu 2). Diesen Artikel, auf den wegen des genauen Inhalts Bezug genommen wird (Anlage A 1), hatte der Antragsteller nicht vorab zur Kenntnis erhalten.
10Am 14.03.2015 schrieb ein Herr I2 per Email unter anderem an die Antragsgegnerin zu 2) und den Antragsteller, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Artikel um eine journalistisch und stilistisch Top Reportage handle.
11Hierauf antwortete der Antragsteller, nachdem er den streitgegenständlichen Artikel über sein Iphone flüchtig gelesen hatte, ebenfalls mit Email vom 14.03.2015 unter anderem: „Hi S, ich fand auch das das sehr gut ist was geschrieben wurde.“
12Am 16.03.2015 kommunizierten der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 2) per Email über das weitere Vorgehen des Antragstellers im Hinblick auf die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Wegen des weiteren Inhalts der Email wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen in dem Schriftsatz vom 18.05.2015 T 6 und 7 (Bl. 79, 80 GA) verwiesen.
13Am 18.03.2015 informierte der Antragsteller der Antragsgegnerin zu 2) per Email über ein im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals angesetzten Ministertreffen. In diesem Zusammenhang schrieb der Antragsteller unter anderem: „[…] Ich fand, dass der Artikel vom Wochenende zu wenig Hintergrundinfos über Pädophelie bzw. Prävention enthielt. […].“ Wegen des weiteren Inhalts der Email wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2015 T 9 (Bl. 82 GA)Bezug genommen
14Am 30.03.2015 erlangte der Antragsteller Kenntnis davon, dass der streitgegenständliche Artikel auch in das unter der Adresse www.U2 von der Antragsgegnerin zu 1) betriebene Online-Archiv eingestellt worden war. Im Hinblick auf die konkrete Online-Veröffentlichung wird auf screenshots des Online-Archivs verwiesen (Anlage A 2).
15Mit Schreiben vom 02.04.2015 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zu 1) auf, die Veröffentlichung der angegriffenen Äußerungen zu unterlassen (Anlage A 5).
16Der Antragsteller behauptet, er habe in dem Gespräch mit der Antragsgegnerin zu 2) ausgeführt, dass es seinem Bruder schwergefallen sei zu akzeptieren, dass er auch andere mit den Erfahrungen seiner erfahrenen sexuellen Gewalt konfrontiert habe. Von sexueller Gewalt des Bruders gegenüber Familienmitgliedern habe er nicht berichtet.
17Auch Information, dass er im Kindesalter einen Seh- und Sprachfehler gehabt habe, sowie dass der Lehrer C versucht habe, ihn zu berühren, habe er im Rahmen des Gespräches nicht getätigt. Diese Information habe die Antragsgegnerin zu 2) entweder aus den Tagebüchern des Lehrers C, die ihr von Herrn R übergeben worden seien, oder von seinem, des Antragstellers, Bruder. Diese seien der Antragsgegnerin vollständig von einem Herrn R2 übergeben worden.
18Er habe einer Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen nicht zugestimmt. Die Antragsgegnerin zu 2) haben sich lediglich telefonisch das Zitat: „Bis heute gab es keine offizielle Anerkennung der Verbrechen. Stattdessen wird blockiert“. X legt einen Ordner voller Briefe und ausgedruckter Emails auf den Tisch: Korrespondenz mit dem Landeschulamt. Zunächst schreibt eine Mitarbeitern des Leitenden Direktors, man sei „sehr betroffen“ über die Straftaten. Leider könne man im Archiv nichts mehr finden.“ freigeben lassen.
19Einer online-Veröffentlichung habe er in keiner Weise zugestimmt.
20Die Antragsgegnerin zu 2) habe ihm bei dem ersten Gespräch im Januar 2015 zugesichert, dass er den streitgegenständlichen Artikel vor dessen Veröffentlichung bzw. ihn betreffende Passagen vorab zum Lesen erhalte.
21Der Antragsteller hat mit Antrag vom 27.04.2015 neben den nunmehr zur Entscheidung stehenden Anträgen weiter beantragt, den Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, den Artikel „W“ aus der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, online abrufbar unter http:// www.X.de wie aus der Anlage A 2 ersichtlich, im Internet öffentlich zugänglich zu machen, und den nunmehrigen Antrag Ziff. 1 lit. a) lediglich hilfsweise gestellt. Von dieser ursprünglichen Antragsfassung hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen und den soeben zitierten Hauptantrag unter Aufrechterhaltung des Hilfsantrags zurückgenommen.
22Der Antragsteller beantragt nunmehr,
23den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
241.a)
25den Antragsteller in dem Artikel „W“ aus der Zeitung „U“ vom 14./15.03.2015, Ausgabe Nr. 10664, mit vollständigem wahrheitsgemäßem Vor- und/ oder Nachnamen zu benennen;
261.b)
27über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe als Kind schlecht gesehen und einen Sprachfehler gehabt;
281.c)
29über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, der Lehrer C sei ihm gegenüber übergriffig geworden;
301.d)
31über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser habe von Gewalt erzählt, die sein Bruder in die Familie getragen habe;
321. lit.e)
33über den Antragsteller die Behauptung zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen, dieser wolle Rache nehmen für Erlebnisse, die im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal an der F-Schule stehen.
34Die Antragsgegnerinnen beantragen,
35den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 zurückzuweisen und dem Antragsteller im Hinblick auf den zurückgenommenen Antrag die Kosten aufzuerlegen.
36Die Antragsgegnerinnen behaupten, der Antragsteller habe im Rahmen des Interviews erzählt, dass er in den ersten zwei Schulklassen an einer Schule für Seh- und Sprachbehinderte war, und dass ihn der Lehrer C ein Mal mit zu sich nach Hause genommen und ihm am Genital befummelt habe. Der Antragsteller habe weiter geäußert, dass sein Bruder sexuelle Gewalt in die Familie getragen habe.
37Zudem sei während des gesamten Gesprächs zwischen dem Antragssteller und der Antragsgegnerin zu 2) klar gewesen, dass eine Veröffentlichung sämtlicher Gesprächsinhalte erfolgen dürfe. Der Antragsteller habe nicht geäußert, dass bestimmte Aussagen nicht in den Text aufgenommen werden sollen.
38Sie behaupten weiter, die Antragsgegnerin zu 2) habe sich die Verwendung der wörtlichen Zitate und der Tagebuchaufzeichnungen genehmigen lassen.
39Am 05.03.2015 habe die Antragsgegnerin zu 2) dem Antragsteller zudem per Email einige Textpassagen des streitgegenständlichen Textes verbunden mit der Anfrage, ob dieser noch Zitate lesen wolle, und dass der Antragsteller Bescheid sagen solle, wenn er eine Veröffentlichung nicht wünsche, übersandt. Wegen der konkreten Textpassagen wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen in dem Schriftsatz vom 18.05.2015 T 2, 3 (Bl. 75, 76 GA) verwiesen.
40Am 12.02.2015 habe ihr der Antragsteller eine Email zwischen ihm und seinem Bruder zukommen lassen, aus welcher die sexuelle Gewalt des Bruders gegenüber den Familienmitgliedern erkennbar wird. Wegen des genauen Inhalts der Email wird auf den Vortrag der Antragsgegnerinnen im Schriftsatz vom 18.05.2015 T 4 (Bl. 77, 78 GA) verwiesen.
41Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 20.05.2015 Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe:
43I.
44Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 27.04.2015 ist im Hinblick auf die Anträge Ziff. 1., lit. a) – Ziff. 1., lit. d) begründet, der Antrag Ziff. 1., lit. e) ist hingegen unbegründet.
451.
46Der Antragsteller hat im Hinblick auf die Anträge Ziff. 1., lit. a) – Ziff. 1., lit. d) auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerinnen einen Verfügungsanspruch und -grund hinreichend glaubhaft gemacht.
47a)
48Dem Antragsteller steht im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1, lit. a) angegriffene Aussage ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
49aa)
50Die Namensnennung verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers, insbesondere gegen dessen Recht auf Anonymisierung.
51Das Recht der Anonymisierung ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Brukhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2013, Kap. 10, Rn. 53). Grundsätzlich ist die identifizierbare Darstellung von Personen zulässig, wenn ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorhanden ist (a. a. O.). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Aktualitätsbezug vorliegt oder der Betroffene zu einer solchen Darstellung selbst Anlass gegeben hat (a. a. O.). Im Hinblick auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts ist dieses jedoch bei einer Berichterstattung über nachteilige, unglückliche oder tragische Ereignisse vorrangig (a. a. O.).
52Dies berücksichtigend ist vorliegend auf Seiten der Medien- und Meinungsfreiheit zu beachten, dass sich der Antragsteller selbst an die Antragsgegnerin zu 2) mit dem Ziel gewandt hat, dass sie einen Artikel über den Missbrauchsskandal veröffentlicht. Zudem trägt es zur Glaubhaftigkeit der Aussagen in dem Artikel bei, wenn diese von einer Person in der unmittelbaren Nähe der Missbrauchsfälle getätigt werden, und die Person namentlich benannt wird.
53Andererseits äußert sich der Artikel zu dem sensiblen Bereich des sexuellen Missbrauchs, als dessen Opfer nach dem Verständnis des Artikels, insbesondere der angegriffenen Aussage Ziff. 1. lit. c.), auch der Antragsteller dargestellt wird. Dieser Bereich ist zwar von einem gewissen öffentlichen Interesse, weil es um eine schwere Straftat geht, das Persönlichkeitsrecht des Opfers ist jedoch in diesem Fall höher zu bewerten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Aktualitätsbezug der Straftat selbst bereits abgeschwächt ist, denn die Verurteilung erfolgte bereits im Jahre 2005 und der Verurteilte verstarb im Jahr 2008.
54Die Namensnennung ist auch nicht aufgrund einer Einwilligung des Antragstellers gedeckt.
55Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass der Antragssteller eine Einwilligung in die Namensnennung im Hinblick auf das Printmedium erteilte. Die Frage, ob die Einwilligung auch die Online-Veröffentlichung deckte, bedarf keiner Entscheidung, weil die Einwilligung bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nur insoweit erfolgte, wie der Artikel solche Äußerungen enthält, in deren Veröffentlichung der Antragsteller eingewilligt hat. Dies ist – wie unter lit. b), bb), (2) noch auszuführen sein wird – nicht der Fall.
56bb)
57Die Antragsgegnerinnen sind auch passivlegitimiert.
58Auf Unterlassung kann grundsätzlich jeder Störer in Anspruch genommen werden.
59Störer ist ohne Rücksicht auf das Verschulden jeder, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2013, Kap. 12, Rn. 58).
60Nach dieser Maßgabe haftet die Antragsgegnerin zu 2) als Autorin.
61Die Antragsgegnerin zu 1) ist als Verlegerin des Presseerzeugnisses und als Betreiberin des Online-Archivs passivlegitimiert. Sie trägt auf diese Art und Weise insbesondere zur Verbreitung der angegriffenen Äußerungen bei (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2003, Kap. 12, Rn. 58, 63, 64).
62cc)
63Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund der Rechtsverletzung vermutet.
64b)
65Im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1., lit. b) angegriffene Aussage ergibt sich ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs nach Maßgabe von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
66aa)
67Der streitgegenständliche Artikel enthält die angegriffene Aussage (vgl. Artikel T 2, rechte Spalte, Bl. 16 GA), mit der aus der Sicht eines Durchschnittslesers – in Abgrenzung zu einer Meinungsäußerung – zwei Tatsachen mitgeteilt werden.
68Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert, während für Werturteile und Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung des Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist (BGH, Urteil vom 24.01.2006, Az. XI ZR 384/03). Wesentlich für die Einordnung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung zugänglich ist. Im Gegensatz dazu ist von Meinungsäußerungen auszugehen, wenn Beurteilungen, Einschätzungen und Wertungen erfolgen und die Äußerung für den Empfänger erkennbar durch die Elemente des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.
69Sowohl die schlechte Sehfähigkeit eines Kindes als auch ein Sprachfehler stellen Umstände dar, die einer Überprüfung zugänglich sind.
70bb)
71Die Äußerung enthält persönliche Daten des Antragstellers, stellt mithin einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
72Der Eingriff ist auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen und des übrigen Parteivortrags mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.
73(1)
74Persönliche Daten genießen keinen absoluten Schutz, insbesondere wenn die Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre betroffen ist (Burkhardt, ebd., Kap. 5, Rn. 22). Danach stellt sich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur dann als rechtswidrig dar, wenn das Recht des von der Berichterstattung Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK das in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerte Recht der Medien auf Meinungs- und Medienfreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt (v. Pentz, AfP 2014, 8 (10)). Für die danach erforderliche Interessenabwägung ist maßgeblich, in welcher Hinsicht und in welchem Gewicht das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt ist (a. a. O.).
75Die streitgegenständliche Aussage berührt das Diskretionsinteresse des Antragstellers. Grundsätzlich unterfallen nicht wahrnehmbare körperliche Gebrechen und gesundheitliche Zustände dem Bereich der Intimsphäre (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, 2013, Kap. 5, Rn. 48), der absoluten Schutz genießt und deshalb einer Abwägung mit Interessen des Äußernden nicht zugänglich ist (Burkhardt, ebd., Kap. 5, Rn. 47). Bei einer Sehschwäche und einem Sprachfehler handelt es sich zwar nicht ohne weiteres um solche gesundheitlichen Zustände, denn sie fallen gerade in der Interaktion mit Mitmenschen, mithin in der Sozial- und Öffentlichkeitsphäre auf. Vorliegend gilt jedoch deshalb etwas anderes, weil die streitgegenständliche Äußerung einen weit zurückliegenden körperlichen Zustand des Antragstellers betrifft, der jedenfalls im Zeitpunkt der Berichterstattung nicht mehr wahrnehmbar war.
76(2)
77Aus Sicht der Kammer spricht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller eine die streitgegenständliche Aussage erfassende Einwilligung erteilt hat. Vielmehr verbleibt nach dem jeweiligen Parteivortrag und bei einer Würdigung der zu seiner Glaubhaftmachung jeweils vorgelegten Mittel entsprechend § 286 Abs. 1 ZPO eine für die Überzeugungsbildung nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers, dass er eine Einwilligung nicht erteilt habe. Diese non-liquet Situation geht vorliegend zu Lasten der Antragsgegnerinnen, die die Last der Glaubhaftmachung im Hinblick auf das Vorliegen einer Einwilligung tragen.
78Die Antragsgegnerinnen tragen die Last der Glaubhaftmachung nach den allgemeinen Grundsätzen zur Beweislastverteilung, wonach jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen hat (Bacher, in: Vorwerk/ Wolf (Hrsg.), Beck‘ OK ZPO, Ed. 16, Stand: 01.03.2015, § 284, Rn. 72).
79So ist es vorliegend im Hinblick auf den Vortrag einer Einwilligung für Antragsgegnerinnen. Der Antragsteller hat – wie bereits ausgeführt – hinreichend glaubhaft gemacht, dass in der streitgegenständlichen Aussage grundsätzlich ein rechtswidriger Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht liegt. Sofern die Antragsgegnerinnen vortragen, dass sich dieser grundsätzlich rechtswidrige Eingriff durch eine Einwilligung rechtfertigen lässt, berufen sie sich auf eine für sie günstige Tatsache.
80Die Antragsgegnerinnen behaupten, dass sich eine Einwilligung auch der streitgegenständlichen Aussage daraus ergebe, dass der Antragsteller – was unstreitig ist – die Initiative für die Veröffentlichung ergriffen hat. Im Rahmen des Gespräches im Januar 2015 habe dieser zudem zu verstehen gegeben, dass diejenigen Inhalte, die Gegenstand des Gesprächs waren, auch veröffentlicht werden könnten. Auch die hier streitgegenständliche Aussage sei im Rahmen des Gesprächs von dem Antragsteller gemacht worden. Daneben habe der Antragsteller einzelne Zitate vor der Veröffentlichung genehmigt. Dieser habe zugleich auch in die Verwendung der Tagebuchaufzeichnungen eingewilligt.
81Für die Richtigkeit des Vortrags der Antragsgegnerinnen, dass eine umfassende Einwilligung im Rahmen des Gesprächs im Januar 2015 konkludent erteilt worden sei, spricht das Verhalten des Antragstellers unmittelbar nach der Veröffentlichung des Artikels in der Printversion am 14.03.2015. Im Anschluss an diese hat er den Artikel in einer Email vom 14.03.2015 gegenüber Herrn I2, einem Bekannten, für gut befunden und die Antragsgegnerin zu 2) noch mit Email vom 16.03.2015 über sein beabsichtigtes weiteres Vorgehen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sowie mit Email vom 18.03.2015 über das Ergebnis eines mit der Aufarbeitung in Zusammenhang stehenden Ministertreffens in Kenntnis gesetzt. Der Antragsteller selbst erklärt dieses Verhalten damit, dass er vorträgt, den Artikel zunächst nur überflogen zu haben. Daran hat die Kammer jedoch deshalb Zweifel, weil der streitgegenständliche Artikel für den Antragsteller eine große Bedeutung hatte. Dies entnimmt die Kammer zum einen dem Umstand, dass der Antragsteller sich an die Antragsgegnerinnen gewendet hat, um den Artikel zu initiieren, und zum anderen daraus, dass sich der Antragsteller erhoffte und zugleich davon ausging, dass der Artikel eine große Resonanz hervorruft. Zudem enthält die Email vom 18.03.2015 an die Antragsgegnerin zu 2) bereits eine Bewertung des Artikels durch den Antragsteller, indem er ausführt, dass ihm dieser zu wenige Hintergrundinformationen über die Themen „Prävention“ und „Pädophelie“ enthalten habe.
82Daneben hat die Antragsgegnerin zu 2) mit Erklärung vom 06.05.2015 an Eides statt versichert (Bl. 88 GA), dass eine allgemeine Einwilligung erteilt worden sei.
83Für die Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers spricht hingegen, dass sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerinnen selbst ergibt, dass die Antragsgegnerin zu 2) einzelne Textpassagen aus dem streitgegenständlichen Artikel mit Email vom 05.03.2015 (vgl. Bl. 75, 76 GA) an den Antragsteller zugeleitet hat, damit dieser in die Veröffentlichung einwilligt. Einer solchen Zuleitung hätte es nicht bedurft, wenn im Rahmen des Gespräches im Januar 2015 eine umfassende Einwilligung erteilt worden wäre. Aus dem bloßen Umstand, dass der Antragsteller das Gespräch initiiert hat und eine Aufarbeitung wünschte, lässt sich eine solche jedenfalls nicht ohne weiteres entnehmen. Eine Einwilligung, die sich daraus ergibt, dass der Betroffene den Artikel zum Zwecke der Aufarbeitung initiiert, kann nur soweit gehen, wie der Zweck der Aufarbeitung eine Veröffentlichung von preisgegebenen Informationen verlangt (vgl. ähnlich Soehring, Presserecht, 4. Auflage, 2010, § 19, Rn. 46a). Nach dieser Maßgabe ist vorliegend nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Zweck einer für die Durchschnittsleser erkennbaren Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch den Antragsteller die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Information verlangte. Es spricht vielmehr auch einiges dafür, dass dieser Zweck auch durch die von dem Antragsteller unstreitig preisgegebenen und von einer Einwilligung gedeckten Äußerungen hätte erfolgen können, insbesondere durch die unstreitig von dem Antragsteller überlassenen Zusammenfassungen der Tagebuchaufzeichnungen (Anlage A 7). Hinzukommt, dass Gegenstand des Gesprächs jedenfalls auch Informationen aus dem Bereich der Intimsphäre des Antragstellers waren, was ebenfalls der Annahme einer allumfassenden Einwilligung entgegensteht.
84Bei dem Gericht verbleiben zusätzlich Zweifel, ob die streitgegenständliche Aussage überhaupt von einer etwaigen Einwilligung im Rahmen des Gespräches im Januar 2015 erfasst war. Die Antragsgegnerinnen behaupten zwar, dass der Antragsteller die Aussage im Rahmen des Gespräches getätigt habe, und machen diese Behauptung durch eidesstattliche Versicherung der Antragsgegnerin zu 2) vom 06.05.2015 glaubhaft. Weiter versichert die Antragsgegnerin zu 2) mit Erklärung vom 26.05.2015, dass sich diese Aussage in ihren Gesprächsnotizen von dem Treffen mit dem Antragsteller im Januar 2015 befindet (Bl.130 GA). Diesem nachvollziehbar glaubhaft gemachten Vortrag der Antragsgegnerinnen steht jedoch der Vortrag des Antragstellers gegenüber, der mit Erklärung vom 20.04.2015 (Anlage A 3) an Eides statt versichert, dass die Antragsgegnerin zu 2) von seiner Sehschwäche und Sprachstörung allein aus Tagebuchaufzeichnungen des Lehrers C wissen könne. Diese habe die Antragsgegnerin zu 2) von einem Herrn R2 erhalten. Anhaltspunkte, dass Herr R die Tagebuchaufzeichnungen tatsächlich stellte, lassen sich der von den Antragsgegnerinnen zitierten Email des Bruders des Antragstellers vom 14.03.2015, 15:41 Uhr entnehmen, in der es heißt: „Dir G2 Dank das Du die Dokumente ghütet hast, über so lange Zeit, ohne diese wäre die ganze Nummer nicht halb so effektiev […]“.
85Sofern die Antragsgegnerinnen von einer Einwilligung in die streitgegenständliche Aussage auch deshalb ausgehen, weil der Antragsteller der Antragsgegnerin zu 2) – was unstreitig ist – am 02.03.2015 per Email eine Zusammenfassungen von Tagebuchaufzeichnungen des Lehrers C übersandte, so lassen diese Zusammenfassungen – von dem Antragsteller als Anlage A 7 (Bl. 102 – 107 GA) vorgelegt – die streitgegenständliche Aussage nicht erkennen. Dafür, dass es sich bei diesen Zusammenfassungen nicht um diejenigen handelt, die der Antragsteller der Antragsgegnerin zu 2) übermittelte, hat das Gericht keine Anhaltspunkte. Zum einen treten die Antragsgegnerinnen dem Vortrag des Antragstellers insoweit nicht entgegen, und zum anderen legen sie selbst die ihr zugeleiteten Zusammenfassungen der Tagebuchaufzeichnungen nicht vor.
86Letztlich ergeben sich auch aus dem Vortrag der Antragsgegnerinnen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.05.2015 sowie den in dem Zusammenhang vorgelegten Mitteln der Glaubhaftmachung keine andere Würdigung. Schon aus diesem Grund war daher eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten, § 156 Abs. 1 ZPO.
87cc)
88Wegen der Passivlegitimation der Antragsgegnerinnen sowie dem Vorliegen der Wiederholungsgefahr wird auf die Ausführungen unter lit. a), bb) und cc) Bezug genommen.
89c)
90Im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1., lit. c) angegriffene Aussage folgt ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs ebenfalls aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
91aa)
92Auch diese streitgegenständliche Aussage ist wörtlich in dem Artikel enthalten (vgl. T 2, rechte Spalte, Bl. 16 GA).
93Sie stellt sich aus der Sicht des Durchschnittslesers als eine Tatsachenbehauptung dar.
94Für eine Meinungsäußerung spricht zwar, dass der Begriff „übergriffig“ zunächst kein klares Tatsachengeschehen erfasst, sondern die Bewertung eines Geschehens beinhaltet. Der Gesamtzusammenhang, in dem die angegriffene Aussage steht, befasst sich jedoch mit Fällen sexuellen Missbrauchs von Schülern durch den Lehrer C. Der Durchschnittsleser setzt die Bezeichnung „übergriffig“ daher mit einem sexuellen Missbrauch gleich. Wenn auch damit unklar bleibt, zu welchen Handlungen es genau gekommen ist, so wird damit doch auf einen hinreichenden Tatsachenkern Bezug genommen. Dieser ergibt sich beispielsweise daraus, dass der Artikel selbst in seinem Verlauf die Art und Weise des sexuellen Missbrauchs konkretisiert („anal vergewaltigt“, „Sperma schlucken“).
95bb)
96Der Antragsteller ist durch die Aussage in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht berührt.
97Für die rechtliche Bewertung kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Antragsteller insbesondere in seinem Diskretionsinteresse im Hinblick auf intime personenbezogene Daten oder in seinem Schutz vor Unwahrheit eines ihn betreffenden Datums berührt ist, weil es – wie dieser behauptet – nicht dazu gekommen sei, dass der Lehrer C ihn am Genital berührt habe, sondern er dies lediglich versucht habe.
98Der Eingriff stellt sich jedenfalls als rechtswidrig dar, weil auch in dem Fall der Wahrheit der Tatsachenbehauptung aufgrund des Eingriffs in die Intimsphäre eine Abwägung mit anderen grundrechtlich geschützten Interessen ausscheidet und das Vorliegen einer Einwilligung in die Veröffentlichung nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Insbesondere vermag die Kammer – sofern der Antragsteller tatsächlich geäußert hat, am Genital befummelt worden zu sein – nicht davon auszugehen, dass er zugleich damit in die Veröffentlichung der Information eingewilligt hat. Auf die Ausführungen unter lit. b), bb), (2) wird verwiesen.
99d)
100Ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs besteht hinsichtlich der mit dem Antrag Ziff. 1., lit. d) angegriffenen Aussage in Form eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
101aa)
102Die angegriffene Aussage gibt eine Aussage des Antragstellers wieder, wonach er gesagt haben soll, dass sein hilflos um sich schlagender Bruder Gewalt in die Familie getragen habe.
103Diese Aussage ist eine Tatsachenbehauptung, weil es einer Überprüfung zugänglich ist, ob eine Person etwas gesagt hat oder nicht (vgl. Burkhardt, ebd., Kap. 5, Rn. 91).
104bb)
105Auch diese Aussage greift unbeschadet der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob der Antragsteller tatsächlich erklärt hat, Gewalt durch seinen Bruder erfahren zu haben, in rechtswidriger Art und Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein.
106Denn auch diese Aussage betrifft die Intimsphäre des Antragstellers, die nur durch eine Einwilligung des Betroffenen gerechtfertigt werden kann. Von dem Vorliegen einer solchen Einwilligung ist die Kammer – wie dargestellt – nicht überzeugt.
1072.
108Auch ein Verfügungsgrund liegt gegenüber den Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) jeweils vor.
109Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung des Antragstellers im gegenwärtigen oder zukünftigen Hauptverfahren vereitelt oder erschwert werden könnte (Drescher, in: Müko, ZPO, Kommentar, 4. Auflage, 2012, § 940, Rn. 9). Über den Verfügungsgrund ist nach einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen zu entscheiden (Berneke/ Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. Auflage, Rn. 109).
110Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall im jeweiligen Verhältnis des Antragstellers zu den Antragsgegnerinnen ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer einstweiligen Entscheidung.
111Art und Umfang der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Antragstellers sprechen vorliegend dafür, dass ihm ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist. Die streitgegenständlichen Aussagen, im Hinblick auf welche ein Verfügungsanspruch besteht, berühren die Intimsphäre des Antragstellers. Dieser trägt zudem vor, dass er bereits von Kunden (der Antragsteller ist selbstständiger Abwassertechniker) auf den Artikel angesprochen worden sei und dieser für ihn eine Belastung darstelle. Demgegenüber treten die Interessen der Antragsgegnerinnen an der Fortsetzung der Berichterstattung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zurück. Eine andere Würdigung ist auch nicht wegen eines hohen Aktualitätsbezugs angezeigt. Der Aktualitätsbezug des streitgegenständlichen Artikels ist vorliegend zwar durch die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals durch Betroffene gekennzeichnet, die Missbrauchsfälle sind jedoch bereits seit über zehn Jahren bekannt. So lange liegt auch die Verurteilung des mittlerweile verstorbenen Täters zurück.
112Auch aus der Tatsache, dass zwischen der Veröffentlichung des Printartikels und dem Abmahnschreiben ca. drei Wochen liegen, ergibt sich kein dringlichkeitsschädliches Verhalten. Ein Zeitraum, bei dem angenommen werden muss, dass der Antragsteller kein Interesse an einer einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses hat, liegt noch nicht vor.
113Der Annahme eines Verfügungsgrundes im Verhältnis des Antragstellers zur Antragsgegnerin zu 2) steht auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 06.01.2015, Az.: I-16 W 92/14, (zitiert nach juris) nicht entgegen.
114Ein Unterlassungsanspruch gegen einen Redakteur/ Autor muss grundsätzlich auch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens effektiv geltend gemacht werden können. Äußerungsrechtliche Ansprüche des Betroffenen gegen Presseorgane basieren auf der Annahme, dass die Erörterung persönlicher Angelegenheiten in der Presse ein Gefälle derart auslöst, dass der Betroffene in der Regel keine der Presse vergleichbaren Mittel hat, den Äußerungen entgegenzutreten (BVerfG, NJW 1998, 1381 (1382)). Ein solches Gefälle ergibt sich auch in dem Verhältnis zu dem Redakteur eines Presseorgans bzw. dem Verfasser eines Presseartikels, welcher deshalb auch als Störer im materiell-rechtlichen Sinne betrachtet wird.
115Hier liegen zudem über die vergangenen Zuwiderhandlungen hinaus konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Zuwiderhandlung bevorsteht. Diese ergeben sich daraus, dass der streitgegenständliche Artikel über das Online-Archiv der Antragsgegnerin zu 1) noch abrufbar ist und der Antragssteller glaubhaft gemacht hat, dass die Antragsgegnerin zu 2) auf seine Aufforderung hin erklärt habe, der Artikel bleibe in seiner jetzigen Form online. Es ist auch nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin zu 2) über die Arbeit bei der Antragsgegnerin zu 1) kein Interesse hat, die streitgegenständlichen Äußerungen zu tätigen. Aus der Beschreibung ihrer Person am Ende des streitgegenständlichen Artikels geht vielmehr hervor, dass sie seit Jahren über Pädophilie und sexuellen Missbrauch schreibt.
1163.
117Im Hinblick auf die mit dem Antrag Ziff. 1, lit. e) angegriffene Aussage fehlt es hingegen bereits an einem Verfügungsanspruch. Ein solcher ergibt sich nicht in Form eines Unterlassungsanspruchs nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
118Die angegriffene Aussage befindet sich schon in der Form nicht in dem streitgegenständlichen Artikel.
119Der Artikel enthält lediglich die hervorgehobene Aussage „Einer will Rache“ (T 1, 4. Spalte von links, Bl. 15 GA), in welcher der Antragsteller selbst nicht in Bezug genommen wird.
120An anderer Stelle wird der Antragsteller zwar ausdrücklich mit dem Motiv „Rache“ in Verbindung gebracht, allerdings in der Form eines Zitats seines Bruders (T 2, rechte Spalte, Bl. 16 GA), welches sich in dem Gesamtkontext des Artikels als persönliche Einschätzung des Bruders des Antragstellers darstellt. Die Antragsgegnerinnen machen sich auch das Zitat des Bruders nicht zu Eigen – was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass unmittelbar nach dem Zitat des Bruders ein Zitat des Antragstellers genannt wird, in welchem dieser seine anderweitigen Beweggründe darstellt.
121Aber selbst dann, wenn man die Äußerung den Antragsgegnerinnen zuordnen könnte, müsste der Antragsteller diese im Hinblick auf das Interesse der Meinungs- und Medienfreiheit hinnehmen.
122Es wird ein Verhalten des Antragstellers im Sinne einer Meinungsäußerung bewertet. Das Verhalten ist der Öffentlichkeitsphäre des Antragstellers zuzuordnen. Der Antragsteller hat sich selbst in die Öffentlichkeit begeben, um die Geschehnisse des sexuellen Missbrauchs einer Aufarbeitung zuzuführen. Es ist schließlich auch nicht zu erkennen, dass die Meinungsäußerung jeglichen Sachbezugs entbehrt, mithin als unzulässige Meinungsäußerung einzustufen wäre.
123II.
124Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt., 269 Abs. 3 Satz 2, 100 Abs. 1 ZPO, wobei keine Gründe dafür ersichtlich sind, dass den Antragsgegnerinnen ausnahmsweise die auf den zurückgenommenen Teil anfallenden Kosten aufzuerlegen sind.
125Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt, soweit der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO. Im Übrigen bedurfte es einer Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit aufgrund der Natur der einstweiligen Verfügung, aus der sich die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne weiteres ergibt, nicht.
126Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.
127Streitwert: 15.000,00 €; wobei auf jeden Antrag (auch auf den zurückgenommenen Hauptantrag Ziff. 1., lit. a)) 2.500,00 € und davon auf die Antragsgegnerin zu 1) jeweils 1.600,00 € und auf die Antragsgegnerin zu 2) jeweils 900,00 € entfallen.
128Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die "Anordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treibstoffs sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vorrichtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
-
"Sehr geehrte Damen und Herren,
-
ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magnete vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
-
Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Heizungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausgestattet.
-
Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung beziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Heizungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger bestätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos messbar ist.
-
Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbericht_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
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Vielen Dank und herzliche Grüße
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T. B.
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Wissenschaftsjournalist"
- 2
-
Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
- 3
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Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen "E." hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den "E."-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles", die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen heranzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 4
-
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, § 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu qualifizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7. Juni 2011 gehe es dem Beklagten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail - anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - keinerlei Informationen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinandersetzung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das Landgericht habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten auseinandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive bereits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tatsächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
-
II.
- 5
-
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
- 6
-
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind.
- 7
-
a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Werturteile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 824 Rn. 2 ff.).
- 8
-
b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
- 9
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Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen "Schwindel", "Betrug", "Scharlatanerieprodukte" und "Unsinn" im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff "Betrug" kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
- 11
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2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
- 12
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a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
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Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
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Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch betroffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
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b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
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aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
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bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
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(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG, AfP 2013, 388 Rn. 15; NJW 2014, 3357 Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgebaren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzudecken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz beizutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden gekommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
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cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
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(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 - VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rn. 34). Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich).
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(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsätzen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem - u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten - Sachvortrag des Beklagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täuschung potentieller Kunden.
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Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rn. 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Darüber hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstellung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG, AfP 2012, 549 Rn. 35).
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3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
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Galke Diederichsen Stöhr
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v. Pentz Oehler
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Tenor
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Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 26. Juli 2005 - 7 U 31/05 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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Gründe
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Der Verfassungsbeschwerde liegt die zivilgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zur Unterlassung einer im Internet veröffentlichten Meldung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zugrunde.
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I.
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1. a) Der Beschwerdeführer betreibt eine Internetseite, die mehrere nichtkommerzielle Unterseiten enthält. Darunter befand sich bis zum Jahr 2004 eine Seite mit dem Titel "Gefunden. Aus der Wunderwelt des Rechts. Juristische Nachrichten für kritische Leute." Wegen einer dort verbreiteten Meldung über ein Ermittlungsverfahren gegen den Sohn der damaligen Generalsekretärin der F. Partei (F.), C.P., nahm dieser ihn im hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahren auf Unterlassung in Anspruch. Dem lag im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:
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Im August 2003 suchten zwei Journalisten der Zeitschrift "Stern" C.P. in ihrem privaten Wohnhaus auf, um eine so genannte "Homestory" zu erstellen. Bei diesem Besuch war auch der damals 18 Jahre alte Sohn der Politikerin und Kläger des Ausgangsverfahrens, X., (im Folgenden: Kläger) anwesend; dieser war selbst in der Jugendorganisation der F. engagiert und kandidierte im April 2004 für ein kommunales Mandat in seinem Heimatort. Es wurden im Einvernehmen aller Anwesenden Lichtbilder zum Zweck der Veröffentlichung gefertigt, auf denen zum Teil auch der Kläger zu sehen ist. Die Journalisten bemerkten auf dem Verandatisch im Haus der Politikerin einen Blumentopf mit einer Hanfpflanze. Hierauf angesprochen äußerte Frau P., es handele sich um "die grüne Aufzucht meines Sohnes". Der Kläger entsorgte daraufhin die Pflanze auf dem Kompost.
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Am 23. Oktober 2003 erschien die Homestory im "Stern". Darin wurde auch - unter Nennung des Vornamens des Klägers - über die Hanfpflanze berichtet. Am Folgetag veröffentlichte die "Bild-Zeitung" einen Artikel mit der Schlagzeile: "Huch! Im Wohnzimmer von C.P. wächst Hasch".
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Aufgrund dieser Berichte leitete die Staatsanwaltschaft H. am 24. Oktober 2003 gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein und veranlasste eine Durchsuchung im Haus der Familie P. Abgesehen von den Resten der Hanfpflanze auf dem Kompost wurden keine verdächtigen Gegenstände gefunden. Die Durchsuchung wurde vor dem Haus der Familie P. von Mitarbeitern des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) gefilmt und am Abend des 24. Oktober 2003 im Fernsehen gezeigt, wogegen sich der Kläger im Nachhinein erfolgreich mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung wandte.
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Am selben Tag veröffentlichte die Staatsanwaltschaft unter der Überschrift "Haschpflanze im Hause P." eine Pressemitteilung über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger. Darin wurde auch mitgeteilt, dass bei der Durchsuchung keine Hinweise auf weitere illegale Pflanzen vorgefunden worden seien. Die Pressemitteilung wurde von verschiedenen Presseagenturen verbreitet. Diese nannten teilweise auch den Vornamen des Klägers; ob dieser auch in der staatsanwaltschaftlichen Mitteilung erwähnt worden war oder ob er den Agenturen lediglich aus dem "Stern"-Artikel bekannt war, ist im Ausgangsverfahren ungeklärt geblieben.
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Ebenfalls am 24. Oktober 2003 veröffentlichte die F. eine Pressemitteilung, in der der Bericht der Bild-Zeitung als unzutreffend zurückgewiesen wird; richtig sei, dass der 18-jährige Sohn der Generalsekretärin "verschiedene Samenkörner (…) eingepflanzt habe", von denen sich einer zu einer Hanfpflanze entwickelt habe. Außerdem wurde mitgeteilt, dass Frau P. gegen weitere unzutreffende Berichte erforderlichenfalls rechtlich vorgehen werde.
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In den folgenden Tagen berichteten zahlreiche inländische und ausländische Medien, darunter auch Nachrichtenportale im Internet, über den Vorfall. Am 26. Oktober 2003 erschien auch eine Pressemitteilung von Frau P. selbst zu dem Vorfall. Einzelne der Artikel sind auch heute noch im Internet verfügbar.
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Der Beschwerdeführer veröffentlichte am 30. oder 31. Oktober 2003 auszugsweise eine Meldung aus den "t-online Nachrichten", die ihrerseits auf den Meldungen der Presseagenturen beruhte. Die Nachricht auf der Website des Beschwerdeführers lautete:
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"Polizei sucht Hasch im Hause P.
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F.-Generalsekretärin C.P. hat Ärger mit der Justiz: Im Blumentopf ihres 18-jährigen Sohnes X. wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden Räume und Garten der Familie in H. durchsucht. Gegen X. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. ..."
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Der vollständige Text der t-online-Meldung, zu der auf der Seite des Beschwerdeführers ein Link bestand, enthielt weitere Angaben zu der vorgefundenen Pflanze, deren Entfernung, zu der Hausdurchsuchung sowie deren Ergebnis.
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b) Nachdem der Beschwerdeführer die Aufforderung des Klägers zur Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, erhob dieser bei dem Landgericht Hamburg Klage gegen ihn. Mit dem hier nicht ausdrücklich angegriffenen Urteil vom 18. Februar 2005 verbot das Landgericht dem Beschwerdeführer antragsgemäß,
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über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz unter namentlicher Nennung oder in sonst erkennbarer Weise zu berichten, insbesondere zu verbreiten:
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"Im Blumentopf ihres (sc. C.P.) 18-jährigen Sohnes X. wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden deshalb Räume und Garten der Familie (sc. P.) in H. durchsucht. Gegen X. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet."
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c) Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Hanseatische Oberlandesgericht mit dem hier angegriffenen Urteil vom 26. Juli 2005 zurück. Zur Begründung führte das Gericht - unter Bezugnahme auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils - aus, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Unterlassung aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB zu. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 GG und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG müsse die Meinungsfreiheit im vorliegenden Fall zurücktreten. Es erscheine bereits zweifelhaft, ob angesichts der objektiven Belanglosigkeit des Vorfalls überhaupt ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens gegeben sei. Jedenfalls aber führe das geringe Lebensalter des Klägers dazu, dass sein Interesse, nicht in der Öffentlichkeit genannt zu werden, überwiege. Als seinerzeit 18-jähriger Schüler sei er in besonderem Maße schützenswert; dies folge auch aus der Wertung der §§ 105 ff. JGG und der hierzu ergangenen Richtlinien, die für den Schutz des Persönlichkeitsrechts Heranwachsender besondere Vorkehrungen, insbesondere den erleichterten Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung, vorsähen. Vor diesem Hintergrund könnte das Veröffentlichungsinteresse des Beschwerdeführers nur dann den Vorrang beanspruchen, wenn es sich bei dem Berichtsgegenstand um ein besonders herausragendes, ungewöhnlich brisantes Ereignis handelte, hinsichtlich dessen ein gesteigertes Informationsinteresse bestehe. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier aber nicht vor, ohne dass dies weiterer Erörterungen bedürfe. Vorliegend ergebe sich das Informationsinteresse wesentlich daraus, dass der Kläger eine prominente Mutter habe. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige aber kein anderes Abwägungsergebnis. Ebenso unerheblich sei es, ob der während des Besuchs der Stern-Journalisten anwesende Kläger mit einer Aufnahme seiner Person einverstanden gewesen sei. Denn selbst wenn er in die Erstellung der Homestory eingewilligt hätte, läge hierin nicht zugleich die Einwilligung in eine Berichterstattung über das anschließende Ermittlungsverfahren.
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Auch der Umstand, dass andere Presseveröffentlichungen den Sachverhalt ohnehin bekannt gemacht hätten, stehe einer Verurteilung des Beschwerdeführers nicht entgegen, da nicht erkennbar sei, dass der Kläger nicht auch gegen diese anderen Veröffentlichungen vorgegangen sei. Im Übrigen könne sich ein Verletzter aussuchen, gegen welche von mehreren Verletzern er gerichtlich vorgehen wolle. Ob dem Beschwerdeführer die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft und die Meldungen renommierter Presseagenturen über das Ermittlungsverfahren bekannt gewesen seien, könne offenbleiben. Denn dies wäre jedenfalls nicht geeignet, den Beschwerdeführer zu entlasten. Zwar habe er gegebenenfalls auf die inhaltliche Richtigkeit derartiger Meldungen vertrauen dürfen, dies entbinde ihn aber nicht von der eigenverantwortlichen Interessenabwägung zu der Frage, ob die Verbreitung der Nachricht zulässig sei. Ebenfalls unerheblich sei, dass der Beschwerdeführer seine Nachricht auf einer nicht kommerziellen Seite veröffentlicht habe, die nur von wenigen Internetnutzern wahrgenommen werde, da seine Seite immerhin weltweit zugänglich sei.
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2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs-, Presse und Informationsfreiheit) und einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers müsse hinter seinen Grundrechten zurückstehen. Der Kläger sei auch unter Berücksichtigung seines Lebensalters nicht in erhöhtem Maße schutzbedürftig. Er habe sich durch seine Teilnahme an dem Journalistenbesuch freiwillig an die Öffentlichkeit begeben und sich damit auch mit der Veröffentlichung der entsprechenden Nachrichten einverstanden erklärt. Dies betreffe nicht nur den Hergang des Besuchs selbst, sondern auch die Berichterstattung über das sich anschließende Ermittlungsverfahren. Insoweit müsse er es sich insbesondere zurechnen lassen, dass auch seine Mutter in ihrer eigenen Pressemitteilung Angaben über das Ermittlungsverfahren gemacht habe.
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Er - der Beschwerdeführer - habe auch aufgrund der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft davon ausgehen dürfen, dass die weitere Verbreitung der Nachricht zulässig sei. Ferner habe seine Nachricht das Persönlichkeitsrecht des Klägers auch deshalb nicht weiter verletzen können, weil bereits zuvor zahlreiche Berichte in großen Medien über den Vorfall erschienen seien und damit eine besondere Medienöffentlichkeit hergestellt hätten. Dabei sei insbesondere auch eine Namensnennung zulässig, da diese nicht nur bei schweren Straftaten, sondern auch dann, wenn aus anderen Gründen ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit bestehe, im Einzelfall erlaubt sei. Dies sei hier der Fall, weil der Vorgang in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt habe.
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Im Übrigen sei auch die Zielrichtung der streitgegenständlichen Veröffentlichung zu berücksichtigen. Der Kläger sei durch sie nicht in der Öffentlichkeit stigmatisiert und an den Pranger gestellt worden. Vielmehr habe die Veröffentlichung das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als überzogen und lächerlich kritisieren wollen. Das ergebe sich bereits aus der Überschrift der Rubrik auf der Internetseite des Beschwerdeführers.
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Schließlich spreche das Verhalten des Klägers gegen die Unterlassungsverpflichtung; dieser habe bis zur gerichtlichen Geltendmachung lange zugewartet und sei auch keineswegs gegen sämtliche Veröffentlichungen über das Ermittlungsverfahren vorgegangen.
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3. Der Bundesgerichtshof und der Kläger des Ausgangsverfahrens haben sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert. Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für das Verhältnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei der Berichterstattung über Strafverfahren (vgl. BVerfGE 35, 202 <220 f.>; 97, 391 <404 f.>; 119, 309 <321 ff.>).
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2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
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a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>), was bei dem hier zu beurteilenden Bericht über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren offensichtlich der Fall ist.
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Allerdings ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet vielmehr gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken im Recht der persönlichen Ehre und in den allgemeinen Gesetzen. Hierunter fallen insbesondere § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 analog BGB, auf die das Oberlandesgericht den Unterlassungsanspruch gestützt hat. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Doch müssen sie hierbei das eingeschränkte Grundrecht seinerseits interpretationsleitend berücksichtigen, damit sein Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 85, 1 <16>; 99, 185 <196>, stRspr). Dies verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Jedoch prüft das Bundesverfassungsgericht nach, ob die Fachgerichte den Grundrechtseinfluss hinreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).
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b) Die durch das Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Das Gericht hat nicht sämtliche vorliegend zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in die Abwägung eingestellt und die zugunsten des Beschwerdeführers erheblichen Umstände unter Überschreitung des den Fachgerichten zukommenden Abwägungsspielraums teils fehlerhaft gewichtet.
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aa) Die Ausführungen des Berufungsurteils zu dem Gewicht der für die Veröffentlichung streitenden Belange unterliegen bereits im Ausgangspunkt verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, der Berichterstattungsgegenstand sei objektiv belanglos und begründe daher jedenfalls kein das Interesse des Klägers, ungenannt zu bleiben, überwiegendes öffentliches Informationsinteresse, deutet auf ein grundlegendes Fehlverständnis des Gewährleistungsgehaltes der Meinungs- und Pressefreiheit hin. Sie lässt nämlich nicht hinreichend erkennen, ob das Gericht sich bewusst war, dass es zunächst vom Selbstbestimmungsrecht der Presse oder auch des journalistischen Laien als Trägers der Meinungsfreiheit umfasst ist, den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen, und es daher nicht Aufgabe der Gerichte sein kann zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2001 - 1 BvR 758/97 u.a. -, NJW 2001, S. 1921 <1922>). Die Meinungsfreiheit steht nicht unter einem allgemeinen Vorbehalt des öffentlichen Interesses, sondern sie verbürgt primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in die Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn das Oberlandesgericht dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt hat, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.
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Hinzu kommt vorliegend, dass die Einschätzung des Gerichts, es handele sich bei dem streitgegenständlichen Berichtsthema um eine die Öffentlichkeit allenfalls geringfügig interessierende Belanglosigkeit, in augenfälligem Widerspruch steht zu der von den Gerichten festgestellten Vielzahl weiterer Presseberichte über diesen Gegenstand (vgl. zum Faktum der medialen Erörterung eines Themas als Indiz für ein öffentliches Informationsinteresse: Beater, Medienrecht, Rn. 995). Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, dass das Berufungsurteil im Anschluss an die Ausführungen des Landgerichts allein die dem Kläger vorgeworfene Straftat in den Blick genommen hat, ohne die Besonderheiten des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts zu würdigen, namentlich den Zusammenhang zwischen dem Ermittlungsverfahren und seiner auch die Mutter des Klägers betreffenden Vorgeschichte. So wird nicht deutlich, ob das Gericht bedacht hat, dass das Vorhandensein einer Cannabispflanze in dem Haushalt einer Spitzenpolitikerin im Hinblick auf die Leitbildfunktion dieses Personenkreises und die öffentliche Debatte um die Strafbarkeit des Besitzes von Betäubungsmitteln durchaus ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse nach sich ziehen kann, das sich gegebenenfalls auch auf die von dem Beschwerdeführer verbreitete Meldung über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger erstrecken kann. Ebenso wenig hat das Oberlandesgericht die kuriosen, anekdotischen Elemente der Vorgeschichte gewürdigt, die darin liegen, dass die Pflanze von Reportern entdeckt wurde, die von der Mutter des Klägers zum Zweck der Selbstdarstellung in ihr Haus eingeladen worden waren, und dass die Mutter selbst durch die Bemerkung, die Pflanze gehöre ihrem Sohn, bei dieser Gelegenheit den zur Einleitung des Ermittlungsverfahren führenden Verdacht auf den Kläger lenkte.
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Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang offen gelassen hat, ob der Kläger mit der Befragung durch die Journalisten des "Stern" einverstanden gewesen ist und sich hierdurch freiwillig selbst in die Öffentlichkeit gestellt hat, fehlt es an einer tragfähigen Begründung dafür, warum dies offen bleiben konnte. Zwar trifft es zu, dass aus einer Einwilligung des Klägers in die Reportage des "Stern" nicht ohne Weiteres auf die Zulässigkeit der hier streitgegenständlichen Meldung geschlossen werden könnte. Dies beruht aber - wie das Oberlandesgericht durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil zutreffend ausgeführt hat - allein darauf, dass der Bericht über ein Ermittlungsverfahren die Persönlichkeitsbelange des Klägers in anderer Weise betreffen kann als die von der Einwilligung umfasste Homestory. Es versteht sich allerdings nicht von selbst, dass ein solcher Unterschied auch vorliegend bestand und ein mögliches Einverständnis des Klägers hinsichtlich der Homestory daher jedenfalls keine Auswirkungen auf den Bericht über das nachfolgende Ermittlungsverfahren gehabt hätte. Denn soweit aufgrund einer Einwilligung des Klägers der Inhalt der Reportage und damit auch die Äußerung Frau P. über die Hanfpflanze ihres Sohnes verbreitet werden durften, hätte das Gericht prüfen müssen, ob nicht schon hierdurch die Rufschädigung des Klägers bewirkt war, ohne dass die vom Beschwerdeführer verbreitete Meldung ihr Wesentliches hinzugefügt hätte. Denn die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist im Hinblick auf das für die Staatsanwaltschaft geltende Legalitätsprinzip eine wenigstens naheliegende Folge der Berichterstattung über den Fund einer Hanfpflanze. Das Gericht hat auch nicht festgestellt, dass durch die untersagte Berichterstattung bei dem maßgeblichen Durchschnittspublikum etwa der Eindruck entstehe, gegen den Kläger müssten weitere Verdachtsmomente als der Fund der einen Pflanze vorgelegen haben. Darauf, dass der vom Beschwerdeführer verbreitete Artikeltext diesen Eindruck erwecken mag, indem er die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erst nach der Durchsuchung erwähnt, kann es nicht ankommen, denn das angegriffene Urteil verbietet nicht nur die Wiederholung dieser konkreten Äußerung, sondern jeglichen Bericht über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger.
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bb) Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist weiter, dass das Oberlandesgericht den Umstand, dass die dem Kläger vorgeworfene Straftat nur von geringer Bedeutung war, allein zur Bemessung des öffentlichen Informationsinteresses herangezogen hat, nicht aber erkennbar berücksichtigt hat, dass die Geringfügigkeit des Tatvorwurfs zugleich geeignet sein kann, die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu mindern. Das Bundesverfassungsgericht hat - wenn auch erst nach Erlass des hier angegriffenen Urteils - bereits entschieden, dass bei der Berichterstattung über Strafverfahren die Schwere der in Frage stehenden Straftat nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Persönlichkeitsbelange Bedeutung erlangen kann. So wird bei einer sehr schwerwiegenden Tat zwar einerseits ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehen, andererseits aber die Gefahr einer Stigmatisierung des nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten erhöht sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2008 - 1 BvQ 46/08 -, NJW 2009, S. 350 <352>); ein entsprechendes Verhältnis wird regelmäßig auch bei besonders leichten Taten anzunehmen sein, sofern an ihnen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein Berichterstattungsinteresse besteht.
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cc) Nicht mit ausreichendem Gewicht in die Abwägung eingestellt hat das Oberlandesgericht weiter den Umstand, dass über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger bereits durch eine Vielzahl anderer Medien berichtet worden und es dadurch bereits einer breiten Öffentlichkeit bekannt war. Das Gericht führt hierzu - durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil - lediglich aus, dass der bereits geschehene rechtswidrige Eingriff nicht perpetuiert werden dürfe. Es trifft zwar zu, dass der Verweis auf das rechtswidrige Verhalten Dritter einen Störer grundsätzlich nicht entlasten kann. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei dem hier auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern dass sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt und es seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>; 97, 125 <149>). Der Umstand, dass eine - wahre - Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt, ist daher jedenfalls geeignet, das Gewicht ihrer Weiterverbreitung gegenüber dem Ersteingriff erheblich zu mindern (vgl. BGH, NJW 1999, S. 2893 <2895> unter Verweis auf EGMR, NJW 1999, S. 1315 <1318>). Die angegriffene Entscheidung zeigt auch nicht auf, dass von diesem Grundsatz vorliegend abgewichen werden müsste, weil etwa die Verbreitung durch den Beschwerdeführer den Kreis der Rezipienten erheblich erweitert habe. Die hierzu vom Oberlandesgericht bestätigte Erwägung des erstinstanzlichen Urteils, dass die Veröffentlichung im Internet geeignet sei, eine potentiell unbegrenzte Öffentlichkeit zu erreichen, ist eher theoretischer Natur.
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c) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen schließlich auch dagegen, dass das Oberlandesgericht der - mindestens den Nachnamen des Klägers nennenden - Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren keinerlei rechtliche Bedeutung beigemessen hat. Jedenfalls dann, wenn der - nicht ganz eindeutige - Vortrag des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren so zu verstehen sein sollte, dass er die streitgegenständliche Meldung in Kenntnis und im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der amtlichen Verlautbarung verbreitet hat, hätte er nicht als unerheblich behandelt werden dürfen.
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In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen wie insbesondere der Staatsanwaltschaft ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. exemplarisch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, S. 732 <733> sowie schon RGSt 73, S. 67). Zwar ist dies, wie das Oberlandesgericht - durch Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil - hier zutreffend ausgeführt hat, vor allem mit Blick auf diejenige Sorgfalt angenommen worden, die die Fachgerichte dem Äußernden hinsichtlich des Wahrheitsgehalts seiner Tatsachenbehauptung abverlangen. Diese stand hier nicht in Streit; auch der Kläger hat nicht bestritten, dass die Staatsanwaltschaft infolge des Pflanzenfundes ein Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmittelstraftaten gegen ihn eingeleitet hatte. Allerdings dürfen auch im Übrigen keine Sorgfaltsanforderungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen postuliert werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54, 208 <219 f.>; 61, 1 <8>; 85, 1 <17>). Daher ist bei der Frage, in welchem Umfang das Vertrauen in die Richtigkeit einer amtlichen Verlautbarung geschützt ist, auch zu beachten, dass eine eindeutige Trennung zwischen den tatsächlichen und den rechtlichen Aspekten der zugrunde liegenden Abwägung oft nicht möglich sein und sich dem Rezipienten nicht immer erschließen wird. So kann die Abwägungsentscheidung der Staatsanwaltschaft auf tatsächlichen Umständen beruhen, die der Mitteilung weder entnommen noch vom Bürger selbständig ermittelt werden können. Dieser wird - außer bei offenkundigen Exzessen - insbesondere annehmen, dass eine in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat, ohne aber die Verdachtsmomente stets vollständig mitgeteilt zu bekommen und eigenständig bewerten zu können. Deshalb steht die Annahme, dass selbst journalistische Laien nicht ohne Weiteres auf die Richtigkeit der einer staatsanwaltschaftlichen Pressemitteilung vorausgegangenen Abwägung vertrauen dürften, nicht weniger in der Gefahr, eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit zu bewirken, als überzogene Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich des Wahrheitsgehalts von Tatsachen aus allgemein als zuverlässig beurteilten Quellen (vgl. hierzu BVerfGE 85, 1 <22>).
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Zwar ist der hier in Frage stehende Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig, doch kann den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedenfalls bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr Rechnung getragen werden. Die Möglichkeit, den guten Glauben des Äußernden hier zu privilegieren, ist nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung gegeben. Zwar wird der im Wettbewerbsrecht entwickelte Grundsatz, wonach die geschehene Rechtsverletzung die Wiederholungsgefahr indiziert und erst eine strafbewehrte Unterlassungserklärung diese Wirkung entfallen lässt, auch auf den deliktischen Unterlassungsanspruch angewendet. Der Bundesgerichtshof hat aber bereits entschieden, dass er hier nicht mit gleicher Strenge gilt, sondern das Deliktsrecht eher Anlass geben kann, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und etwa im Hinblick auf singuläre Umstände der Verletzungshandlung eine Wiederholungsgefahr zu verneinen (vgl. BGH, NJW 1994, S. 1281 <1283>). Hiervon ausgehend hätte das Oberlandesgericht nicht allein auf die Vermutungswirkung der rechtswidrigen Erstbegehung abstellen dürfen, sondern berücksichtigen müssen, ob der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der staatsanwaltlichen Mitteilung gehandelt hat und daher nach dessen Erschütterung durch das an ihn und die Staatsanwaltschaft gerichtete Unterlassungsverlangen eine Wiederholung der Verletzungshandlung nicht zu erwarten war.
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d) Die angegriffene Entscheidung beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.
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3. Auf die weiter behaupteten Verstöße gegen die Grundrechte auf Presse- und Informationsfreiheit kommt es demnach nicht mehr an.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Tenor
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Die Urteile des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25. August 2010 - 5 U 241/10-44 und 5 U 251/10-45 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit das Oberlandesgericht die Klage der Beschwerdeführer auf Unterlassung folgender Äußerungen ab- und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückwies:
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- Die Beschwerdeführer gehörten einer Seilschaft für Fördermittelveruntreuung an,
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- die Beschwerdeführer beabsichtigten, in Ü. ein neues El Dorado für Geldwäsche entstehen zu lassen,
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- das A., deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin zu 1) sei, diene vor allem "der Propaganda und der Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern",
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- die B. in Ü., deren Geschäftsführerin ebenfalls die Beschwerdeführerin zu 1) sei, sei "wichtig zur Wäsche von Steuergeldern in einem unübersichtlichen Gewirr von Firmen".
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Die Entscheidungen werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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...
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Urteile, die den Beschwerdeführern einen Anspruch auf Unterlassung bestimmter Äußerungen versagen. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).
- 2
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1. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: der Beklagte) erstellte eine Broschüre mit dem Titel "Organisierte Unverantwortlichkeit - Reader zum Filz zwischen Konzernen, staatlicher Kontrolle, Wirtschaftsförderung und Lobbying deutscher Gentechnik". In ihr wendet er sich gegen gentechnisch veränderte Agrarprodukte und berichtet über enge personelle Verflechtungen zwischen staatlichen Aufsichtsbehörden, Agrarindustrie und landwirtschaftlicher Forschung. Die Broschüre ist auch im Internet abrufbar.
- 3
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Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Geschäftsführerin zweier Unternehmen, die sich der Erforschung und Nutzung sogenannter "Grüner Gentechnik" verschrieben haben. Das eine, die Firma "A.", führt in G. (M.) Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durch. Das andere, die Firma "B.", betreibt in Ü. (S.) weitere Versuchsflächen und einen Schaugarten, in dem neu entwickelte Pflanzen vorgeführt werden.
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Der Beschwerdeführer zu 2) war von 2002 bis 2006 und von 2008 bis zur Landtagswahl 2011 Abgeordneter im Landtag von S. Er engagiert sich als Vorsitzender des I. e.V. G. für die Verbreitung der "Grünen Gentechnik". Zu den Mitgliedern dieses Vereins zählen auch Wissenschaftler des L.
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Die Broschüre des Beklagten nennt die Beschwerdeführer im Fließtext an mehreren Stellen namentlich und an zwei Stellen unter Beifügung von Fotos als Teil des von ihm beschriebenen "Filzes". In Bezug auf diese Broschüre begehrten die Beschwerdeführer die Unterlassung folgender oder sinngemäßer zehn Äußerungen:
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a. Die Beschwerdeführer beabsichtigten "Steuermittel in eine Zentrale für Gentechnikpropaganda und undurchsichtige Firmengeflechte zu verschieben",
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b. die Beschwerdeführer gehörten einer Seilschaft für Fördermittelveruntreuung an,
- 8
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c. die Beschwerdeführer beabsichtigten, in Ü. ein neues El Dorado für Geldwäsche entstehen zu lassen,
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d. die Beschwerdeführer seien rücksichtslos und profitorientiert,
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e. die Beschwerdeführer sackten für ihre dubiosen Firmenkonstrukte umfangreiche Firmen- und Steuergelder ein,
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f. die Beschwerdeführer seien Angehörige einer Gentechnikmafia,
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g. das A., deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin zu 1) sei, diene vor allem "der Propaganda und der Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern",
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h. die B. in Ü., deren Geschäftsführerin ebenfalls die Beschwerdeführerin zu 1) sei, sei "wichtig zur Wäsche von Steuergeldern in einem unübersichtlichen Gewirr von Firmen",
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i. der Beschwerdeführer zu 2) sei der "Macher aus dem I.-Filz in G.",
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j. der Beschwerdeführer zu 2) habe Demonstranten "gekauft".
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2. Das Landgericht Saarbrücken untersagte dem Beklagten, die genannten oder sinngemäße Äußerungen aufzustellen und zu verbreiten. Es führte jeweils zur Begründung an, dass die fraglichen Äußerungen teils Tatsachenbehauptungen beinhalteten, deren Wahrheit vom Beklagten nicht nachgewiesen worden sei, und teils die Grenze zur Schmähkritik überschritten.
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3. Auf Berufung des Beklagten änderte das Oberlandesgericht mit den angegriffenen Entscheidungen die Urteile des Landgerichts und wies die Klage ab.
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Die Bezeichnung des Beschwerdeführers zu 2) als "Macher" sei nicht herabwürdigend. Folglich läge diesbezüglich bereits kein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor. Hinsichtlich der übrigen Äußerungen genieße die Meinungsfreiheit Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer. Einzig der Vorwurf, der Beschwerdeführer zu 2) habe Demonstranten gekauft, sei als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren. Die übrigen Aussagen stellten sich schwerpunktmäßig als Meinungsäußerungen dar, die aufgrund ihres wertenden Charakters einer Prüfung auf Richtigkeit oder Wahrheit nicht unmittelbar zugänglich seien. Zwar beinhalteten die fraglichen Äußerungen auch tatsächliche Elemente. Diese seien jedoch derart eng mit den wertenden Aussagen verbunden, dass sie nicht aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet werden dürften. Andernfalls würde das Grundrecht auf Meinungsfreiheit unzulässig verkürzt. Im Übrigen sei die Richtigkeit einer Reihe solcher verbundener Tatsachenbehauptungen gar nicht in Zweifel gezogen worden. Insbesondere hätten die Beschwerdeführer weder ihr verantwortliches Mit- und Zusammenwirken bei mehreren Projekten des Einsatzes von Gentechnik in der Agrarwirtschaft noch die vom Beklagten geschilderten Einzelheiten bezüglich Förder- und Forschungsmitteln, die im Zusammenhang mit diesen Projekten geflossen seien, bestritten. Soweit der Beklagte den Beschwerdeführern eine "Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern", eine "Verschiebung von Steuermitteln in undurchsichtige Firmengeflechte" und "Geldwäsche" vorwerfe, sei dies eine Schlussfolgerung aus der Schilderung der unternehmerischen Tätigkeit der Beschwerdeführer und der Praxis bei der Vergabe von Förder- und Forschungsmitteln. Diese qualifiziere er als Verdachtsmomente für eine sachlich nicht gerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuergeldern. Der juristisch nicht versierte Beklagte habe indes erkennbar nicht die Absicht gehabt, den Beschwerdeführern die Verwirklichung der Straftatbestände der §§ 261, 266 StGB zu unterstellen.
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Die genannten Meinungsäußerungen seien zwar fraglos geeignet, die Beschwerdeführer in ihrer beruflichen Ehre zu beeinträchtigen. Sie überschritten indes noch nicht die Grenze zur Schmähkritik. Auch handele es sich weder um Formalbeleidigungen noch um einen Angriff auf die Menschenwürde der Beschwerdeführer.
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In der Abwägung der Meinungsfreiheit mit den Persönlichkeitsrechten der Beschwerdeführer genieße erstere hier den Vorrang. Insbesondere Formulierungen wie "Gentechnikmafia" und "Seilschaften bei Fördermittelveruntreuung" seien zwar massive Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre. Die Beschwerdeführer seien jedoch nicht in erster Linie als Privatpersonen sondern als Unternehmer, die in dieser Eigenschaft auch öffentliche Gelder in Anspruch nähmen, betroffen. Deshalb - aber auch weil der Einsatz von Gentechnik in der Agrarwirtschaft von besonderem öffentlichen und gesellschaftspolitischen Interesse sei - müssten die Beschwerdeführer in einer öffentlichen Auseinandersetzung scharfe Kritik hinnehmen. Selbst drastische Vergleiche ("Gentechnikmafia") oder ironisch-sarkastische Formulierungen ("El Dorado für Geldwäsche") seien hier zulässig, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Der Beklagte hätte auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit weniger scharfe oder sachlichere Formulierungen wählen müssen. In der Diskussion um ein Thema von öffentlichem Interesse müsse es erlaubt sein, sich derart Gehör zu verschaffen, dass der eigene Standpunkt möglichst wirksam vertreten würde.
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Die Äußerung, der Beschwerdeführer zu 2) habe Demonstranten "gekauft", sei hingegen eine Tatsachenbehauptung, die dieser nicht bewiesen habe. Der Beweis obliege hier entgegen der generellen Beweislastregel des § 186 StGB ausnahmsweise dem Beschwerdeführer zu 2). Denn der Beklagte nehme berechtigte Interessen des Umwelt- und Verbraucherschutzes wahr. Hierbei sei er auch mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen. Er habe sich nicht nur auf seine eigene unbestrittene Wahrnehmung gestützt, sondern eidesstattliche Versicherungen Dritter vorgelegt, die eine Bezahlung von Demonstranten durch den Beschwerdeführer zu 2) bestätigten.
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4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
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a) Bei den Behauptungen des Beklagten, das "A." diene der "Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern" und die Beschwerdeführer beabsichtigten, "weiter Steuermittel in eine Zentrale für Gentechnikpropaganda und undurchsichtige Firmengeflechte zu verschieben" handele es sich um Tatsachenbehauptungen, zumindest aber um Äußerungen mit einem tatsächlichen Kern, die unwahr seien und somit den Tatbestand des § 186 StGB erfüllten. Auch die Behauptung, die Beschwerdeführer sackten als Beteiligte der "B." "für ihre dubiosen Firmenkonstrukte umfangreiche Firmen- und Steuergelder ein", enthalte eine Tatsachenbehauptung, die unzutreffend sei.
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b) Bei den übrigen Äußerungen handele es sich um unzulässige Schmähkritik. Im Vordergrund stehe nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Beschwerdeführer. Die Begriffe "Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern", "Fördermittelveruntreuung", "Wäsche von Steuergeldern", "neues El Dorado für Gentechnik und Geldwäsche", "rücksichtslos und profitorientiert", "Einsacken umfangreicher Firmen- und Steuergelder für dubiose Firmenkonstrukte" sowie "Machtübernahme der Gentechnikmafia" richteten sich nicht gegen die Gentechnik als solche, sondern gegen die Personen der Beschwerdeführer.
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c) Mit Blick auf den Vorwurf, der Beschwerdeführer zu 2) habe Demonstranten "gekauft", läge der vom Oberlandesgericht vorgenommenen Beweislastumkehr bei § 186 StGB eine unhaltbare Auslegung des Art. 5 Abs. 1 GG zugrunde.
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5. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert. Die Justizbehörde der Regierung des Saarlandes hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG teilweise zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG teilweise offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie Äußerungen zulassen, in denen gegen die Beschwerdeführer der Vorwurf der Geldwäsche und der Veruntreuung von Fördermitteln und Steuergeldern erhoben wird.
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1. Die Entscheidungen berühren den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführer.
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Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 54, 148 <153>). Hierzu gehört der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339 <346> m.w.N.). Soweit gerichtliche Entscheidungen persönlichkeitsrelevante Aussagen zulassen, gegen die sich der Betroffene mit der Begründung wehrt, sie seien falsch, ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht berührt (vgl. BVerfGE 114, 339 <346 f.>). Die vier Äußerungen b, c, g, h, die Beschwerdeführer würden Gelder "waschen", Steuer- und Fördergelder veruntreuen und seien Teil eines "El Dorados für Geldwäsche" sind geeignet, das soziale und politische Ansehen der Beschwerdeführer zu schmälern, wie das Oberlandesgericht selbst zutreffend herausstellt. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts berühren daher deren allgemeines Persönlichkeitsrecht.
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2. Durch die Urteile des Oberlandesgerichts wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer teilweise verletzt. Soweit das Oberlandesgericht die gegenüber den Beschwerdeführern nachteiligen vier Äußerungen b, c, g, h nicht beanstandet, hält sich dies nicht mehr im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
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a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann zivilrechtlich grundsätzlich durch einen Anspruch auf Unterlassung beeinträchtigender Äußerungen gemäß § 1004 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 186 StGB durchgesetzt werden. Die Belange der Meinungsfreiheit finden hierbei vor allem in § 193 StGB Ausdruck, der bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen eine Verurteilung wegen ehrverletzender Äußerungen ausschließt und - vermittelt über § 823 Abs. 2 BGB, sonst seinem Rechtsgedanken nach - auch im Zivilrecht zur Anwendung kommt (vgl. BVerfGE 114, 339 <347>). Diese Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vorbehaltlos gewährleistet ist. Nach Art. 2 Abs. 1 GG wird es durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer beschränkt. Zu diesen Rechten gehört auch die Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch diese ist nicht vorbehaltlos garantiert. Sie findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen und in dem Recht der persönlichen Ehre.
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Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften müssen die zuständigen Gerichte die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 85, 1 <13>; stRspr). In Fällen der vorliegenden Art ist eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits vorzunehmen. Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich wegen der Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls nicht generell und abstrakt vorausbestimmen. Doch hat das Bundesverfassungsgericht eine Reihe von Kriterien entwickelt, die bei der Abwägung maßgeblich sind. Dabei spielt auch der Unterschied zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen eine Rolle. Insbesondere fällt bei Tatsachenbehauptungen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht, der für reine Werturteile irrelevant ist. An der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 94, 1 <8>). Wahre Aussagen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BVerfGE 99, 185 <196>).
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Anders als Werturteile sind Tatsachenbehauptungen grundsätzlich dem Beweis zugänglich (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 94, 1 <8>). Das gilt auch für Äußerungen, in denen tatsächliche und wertende Elemente einander durchdringen. Bei der Abwägung fällt dann die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (vgl. BVerfGE 90, 241 <248 f.>; 94, 1 <8>).
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Die Einstufung einer Äußerung als Werturteil oder Tatsachenbehauptung durch die Fachgerichte wird wegen ihrer Bedeutung für den Schutzumfang des Grundrechts sowie für die Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern vom Bundesverfassungsgericht nachgeprüft (vgl. BVerfGE 82, 272 <281>; 94, 1 <8 f.>). Es hat dabei allerdings nur die Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu gewährleisten. Dagegen ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den jeweiligen Rechtsstreit, der trotz des grundrechtlichen Einflusses seine Eigenart als Zivil- oder Strafverfahren nicht verliert, selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 94, 1 <9 f.>).
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b) Die angegriffenen Urteile werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollumfänglich gerecht. Das Oberlandesgericht geht zwar von den verfassungsrechtlichen Maßstäben aus und legt sie zugrunde. Es setzt sich differenziert mit den zehn angegriffenen Äußerungen auseinander und analysiert sie in Bezug auf ihre Qualifizierung als Werturteil oder Tatsachenbehauptung, ordnet sie überwiegend als Meinungsäußerungen ein, verneint das Vorliegen von Schmähkritik und wägt schließlich die Meinungsfreiheit des Beklagten gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer ab.
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aa) Hinsichtlich der Äußerungen a, d, e, f, i und j hält sich diese Abwägung im fachgerichtlichen Wertungsrahmen und wird die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
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bb) Zu beanstanden ist demgegenüber die Abwägung hinsichtlich der Äußerungen b, c, g und h.
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(1) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet dabei allerdings, dass das Oberlandesgericht die vier Äußerungen insgesamt als Meinungsäußerungen einordnet. Zutreffend erkennt das Oberlandesgericht, dass die Äußerungen zwar auch tatsächliche Elemente beinhalten, diese jedoch derart eng mit den wertenden Aussagen verbunden sind, dass sie nicht aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet werden dürfen.
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(2) Zutreffend wertet das Oberlandesgericht die beanstandeten Äußerungen auch nicht als Schmähkritik. Zwar mögen die Äußerungen wegen ihrer groben Polemik in einem umgangssprachlichen Sinne als Schmähungen bezeichnet werden. Verfassungsrechtlich jedoch ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <284>). Dies ist hier nicht ersichtlich. Dem Beklagten geht es um die Auseinandersetzung in Bezug auf ein Sachthema. Ihm geht es darum, auf die aus seiner Sicht bestehenden Gefahren der Gentechnik in der Agrarwirtschaft aufmerksam zu machen. Der Beklagte kritisiert die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Unternehmer, die öffentliche Gelder zur Erforschung und Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen empfangen oder empfangen haben und sich für eine Verbreitung der "Grünen Gentechnik" einsetzen. Es ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer im Fließtext der 31-seitigen Broschüre neben anderen erwähnt werden, zwar an mehreren Stellen und mit Fotos, jedoch nicht derart, dass eine Diffamierung ihrer Personen im Vordergrund stünde.
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(3) Das Oberlandesgericht überschreitet jedoch den fachgerichtlichen Wertungsrahmen, indem es hinsichtlich dieser vier Äußerungen die Meinungsfreiheit überwiegen lässt. Es übersieht dabei, dass die Äußerungen insoweit einen Tatsachenkern haben, auf dessen Erweislichkeit seitens des Äußernden es maßgeblich ankommt.
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Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>). Zwar legt das Oberlandesgericht in nicht zu beanstandender Weise dar, dass von einem durchschnittlichen Leser unter "Geldwäsche" und "Veruntreuung" nicht die Verwirkung rechtlich präzise bestimmter Straftatbestände verstanden werden muss. Jedoch entnimmt der Durchschnittsleser diesen Äußerungen zumindest, dass die Mittelverwendung in irgendeiner Weise rechtswidrig, wenn nicht sogar strafbar ist.
- 43
-
Indem das Oberlandesgericht der Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts der vier Äußerungen nicht hinreichend nachgegangen ist, hat es verkannt, dass die Beantwortung dieser Frage Einfluss auf den Abwägungsvorgang hat und kam deshalb zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis.
- 44
-
3. Die Entscheidungen beruhen auf dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehler und sind insoweit aufzuheben. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.
- 45
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer beruht auf § 34a Abs. 2, 3 BVerfGG.
- 46
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5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
Tenor
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Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 1. März 2011 - 18 U 2992/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
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...
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein zivilgerichtliches Urteil, durch das dem Beschwerdeführer eine Äußerung untersagt wird. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit.
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I.
- 2
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1. Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens besteht aus etwa 40 Mitgliedern und verteilt in unregelmäßigen Abständen per E-mail, auch an ca. 40 Nicht-Mitglieder, das Mitgliedermagazin "Tacheles". Das Magazin ist überschrieben mit den Worten: "Tacheles reden: Direkt die unverblümte Wahrheit sagen, jemandem ohne Zurückhaltung ungeschminkt die Meinung sagen."
- 3
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Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Focus Magazin Verlag GmbH, veröffentlichte in der Ausgabe 22/2009 vom 25. Mai 2009 des von ihr verlegten Magazins "Focus" eine Titelgeschichte zum Thema Implantologie. Auf dem Titelblatt hieß es: "Große Focus-Ärzteliste - 115 empfohlene Spezialisten". In dem Artikel war diese Liste abgedruckt, die unter anderem den Zahnarzt B. aus K. enthielt, der auch Vizepräsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer ist. Die Liste war Ergebnis einer Recherche, bei der unter anderem ein an Zahnärzte verschickter Fragebogen verwandt wurde. In dem Fragebogen wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer neuen Firmenkooperation mit dem Gesundheitsportal www.jameda.de auch angeboten werden könne, die Leistungen der Zahnärzte auf Wunsch patientengerecht im Internet zu präsentieren.
- 4
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In dem Focus-Artikel heißt es auf Seite 66:
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Rund 7000 Implantologen hat Focus in Zusammenarbeit mit der deutschen Gesellschaft für Implantologie, der deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Implantologie, der deutschen Gesellschaft für orale Implantologie, dem Berufsverband deutscher Oralchirurgen, dem Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa, sowie der Bundeszahnärztekammer angeschrieben. Redakteure ermittelten aus den über 6400 Empfehlungen anhand von Interviews und der Angaben aus den wissenschaftlichen Fragebögen die bundesweiten Top-Ärzte für Implantologie unter den Zahnärzten, Oralchirurgen und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen.
- 6
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Die Ausgabe 3/09 vom 24. Juni 2009 des Mitgliedermagazins "Tacheles" beschäftigt sich mit dieser Focus-Ärzteliste. Unter anderem heißt es dort:
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BLZK-Vize [Bayerische Landeszahnärztekammer] in Werbeaffäre verstrickt
- 8
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Der Vizepräsident der BLZK, seines Zeichens auch Vorsitzender eines Implantologen-Verbandes, steht auf einer Focus-Liste der 115 angeblich besten Implantologen Deutschlands. Die Redaktion rief wohl im Vorfeld bei vielen Zahnärzten an und bot einen Platz auf dieser Liste - unter welchen Voraussetzungen auch immer - an. Der BLZK-Vize behauptet, dass seine Teilnahme an der ganzen Aktion im Vorfeld mit der BZÄK [Bundeszahnärztekammer] abgesprochen gewesen sei. Dem widerspricht nun der Präsident der BLZK: "…die BZÄK hat damit nichts zu tun, außer, dass sie dem Focus bestimmte "Berufsbezeichnungen" und Begriffe erklärt hat, bzw. auf einschlägige Internetseiten verwiesen hat. Dabei war der BZÄK nicht bekannt, dass der Focus den jetzt veröffentlichten Artikel plant". … Wir meinen: ein hochrangiger Standesvertreter, der seine eigenen wirtschaftlichen Interessen und die Interessen seines Fachverbandes vor das Wohl der von ihm vertretenen bayerischen Zahnärzte stellt, sollte zum Rücktritt aufgefordert werden.
- 9
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Die Klägerin ist der Auffassung, dieser Artikel behaupte, dass Voraussetzung für die Aufnahme in die Ärzteliste eine entgeltliche Leistung gewesen sei. Eine derartige Behauptung verletze sie in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Sie begehrt Unterlassung der Äußerung:
- 10
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Die Redaktion rief wohl im Vorfeld bei vielen Zahnärzten an und bot einen Platz auf dieser Liste - unter welchen Voraussetzungen auch immer - an.
- 11
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2. Das Landgericht Passau wies die Klage ab. Es qualifiziert die Äußerung im Gesamtzusammenhang als Meinungsäußerung. Eine konkrete Aussage, dass die Aufnahme in die Ärzteliste nur entgeltlich erfolge, lasse sich aus der angegriffenen Passage nicht herauslesen. Durch die sich aus dem Fragebogen ergebende Verquickung von redaktioneller Arbeit mit mittelbar verfolgtem wirtschaftlichem Interesse einer Beteiligungsgesellschaft sei die Äußerung des Beklagten von der Meinungsfreiheit gedeckt.
- 12
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3. Auf die Berufung der Klägerin hob das Oberlandesgericht das Urteil mit angegriffenem Urteil auf und verurteilte den Beschwerdeführer zur Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung. Es qualifiziert die Äußerung als Tatsachenbehauptung, deren Wahrheit der beweisbelastete Beschwerdeführer nicht bewiesen habe. Die Äußerung verunglimpfe die Klägerin, so dass sie in ihrem "allgemeinen Persönlichkeitsrecht" verletzt sei. Die Äußerung sei "ins Blaue hinein" getätigt. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB berufen, weil er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht habe davon ausgehen können, dass die Behauptung richtig gewesen sei. Denn nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers hätten seine Recherchen ergeben, dass die telefonischen Angebote nicht von der Klägerin ausgegangen seien, sondern von einer beauftragten Vermittlungsagentur.
- 13
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Das Oberlandesgericht ließ die Revision nicht zu und setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 6.000 € fest.
- 14
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4. In seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG. Das Oberlandesgericht habe die Textpassage zu Unrecht als Tatsachenbehauptung eingeordnet. Dass es sich vielmehr um eine Meinungsäußerung handele, ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang. Das Oberlandesgericht interpretiere hier eine völlig harmlose Textpassage in einem Mitgliederforum, das gerade einmal an 40 bis 80 Personen versandt werde, und in dem es üblich sei, Meinungen auszutauschen beziehungsweise Kritik zu üben, als "Angriff auf die Integrität" der Klägerin.
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5. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert und hält sie für unbegründet. Die Bayerische Staatsregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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II.
- 16
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
- 17
-
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
- 18
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1. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, ohne ausdrücklich zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden (vgl. BVerfGE 85, 23 <31>). Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>) und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).
- 19
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Die Behauptung einer Tatsache fällt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist (vgl. BVerfGE 94, 1 <7>). Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, dass die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst wird. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Das gilt auch für Äußerungen, in denen tatsächliche und wertende Elemente einander durchdringen. Bei der Abwägung fällt dann die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).
- 20
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Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>). Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und von den erkennbaren Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine tragfähige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 54, 129 <137>; 93, 266 <295>; 94, 1 <9>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 - "durchgeknallter Staatsanwalt").
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Die Einstufung einer Äußerung als Werturteil oder Tatsachenbehauptung durch die Fachgerichte wird wegen ihrer Bedeutung für den Schutzumfang des Grundrechts sowie für die Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern vom Bundesverfassungsgericht nachgeprüft (vgl. BVerfGE 94, 1 <8 f.>).
- 22
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2. Gemessen hieran begegnet es durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Oberlandesgericht die streitgegenständliche Textpassage aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lassen hat.
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Das Oberlandesgericht verengt seine Urteilsbegründung auf die Frage des Wahrheitsgehalts der Aussage, ob die Redaktion des "Focus" selbst oder aber eine Vermittlungsagentur bei Zahnärzten angerufen habe. Dies betrifft zwar isoliert eine Tatsachenfrage, die dem Beweis zugänglich ist. Jedoch wird diese Fokussierung auf die Frage, wer genau angerufen hat, dem Rechtstreit nicht gerecht. Denn Gegenstand des von der Klägerin geführten Verfahrens ist nach ihrem den Streitgegenstand bestimmenden Antrag die Frage, ob sie dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wird, dass der Beschwerdeführer behauptet, sie habe die Listenplätze entgeltlich angeboten. Insoweit aber hätte es ausgehend von der in Streit stehenden Äußerung einer genaueren Deutungsanalyse bedurft, deren Anforderungen die angegriffene Entscheidung nicht erfüllt. Das Oberlandesgericht hätte prüfen müssen, ob eine solche Aussage dem Text überhaupt zu entnehmen ist, und, falls dies der Fall ist, ob dem eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil zugrunde liegt. Es hätte sich auch mit der Gesamtaussage des Artikels (Kritik am Vizepräsidenten der Bayerischen Landeszahnärztekammer) beschäftigen und dabei das Anliegen des Magazins "Tacheles" (Bewertung von Sachverhalten mit Bezug zur Berufstätigkeit der Zahnärzteschaft) und die Intention der beanstandeten Äußerung (Kritik an der Zusammensetzung der Ärzteliste) berücksichtigen müssen. Es ist jedenfalls nicht aus sich heraus erkennbar, dass es für die Deutung der streitgegenständlichen Äußerung bei gebotener Gesamtsicht entscheidend auf den konkret Anrufenden ankommt. Sofern das Oberlandesgericht die Frage als maßgeblich ansieht, ob die Redaktion selbst oder aber eine Agentur die Anrufe getätigt hat, müsste es folglich darlegen, warum hieraus die von der Klägerin gerügte Aussage folgt und dies eine Verletzung deren Persönlichkeitsrechts begründet. Hierbei kommt ohnehin allenfalls eine Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts in Betracht. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist zu alledem jedoch nichts zu entnehmen.
- 24
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3. Das besondere Gewicht der Grundrechtsverletzung ist durch die Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes indiziert (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).
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4. Die angegriffene Entscheidung beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.
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5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die "Anordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treibstoffs sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vorrichtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
-
"Sehr geehrte Damen und Herren,
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ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magnete vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
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Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Heizungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausgestattet.
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Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung beziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Heizungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger bestätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos messbar ist.
-
Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbericht_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
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Vielen Dank und herzliche Grüße
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T. B.
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Wissenschaftsjournalist"
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Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
- 3
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Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen "E." hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den "E."-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles", die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen heranzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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I.
- 4
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, § 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu qualifizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7. Juni 2011 gehe es dem Beklagten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail - anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - keinerlei Informationen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinandersetzung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das Landgericht habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten auseinandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive bereits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tatsächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
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II.
- 5
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Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind.
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a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Werturteile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 824 Rn. 2 ff.).
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b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
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Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen "Schwindel", "Betrug", "Scharlatanerieprodukte" und "Unsinn" im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff "Betrug" kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
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2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
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a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
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Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
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Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch betroffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
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b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
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aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
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bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
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(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG, AfP 2013, 388 Rn. 15; NJW 2014, 3357 Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgebaren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzudecken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz beizutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden gekommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
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cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
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(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 - VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rn. 34). Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich).
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(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsätzen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem - u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten - Sachvortrag des Beklagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täuschung potentieller Kunden.
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Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rn. 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Darüber hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstellung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG, AfP 2012, 549 Rn. 35).
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3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
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Galke Diederichsen Stöhr
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v. Pentz Oehler
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz von Verdienstausfall und Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer von ihm behaupteten schwerwiegenden Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Am 24. August 1998 strahlte die Beklagte zu 1, eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, in der Sendung "WISO" den Beitrag "Klinik Monopoly" aus. Der Beklagte zu 2 war für den Beitrag verantwortlicher Redakteur. Es wurde u.a. über die berufliche Tätigkeit des Klägers bis 31. März 1997 als Leiter einer Un-ternehmensgruppe "Kompetenz in Kliniken" (im folgenden: UG KIK) in B., zu der auch die Firma GSD gehörte, und über die im Anschluß daran ab 1. April 1997 ausgeübte Tätigkeit als Krankenhausdirektor des Klinikums in K. berichtet. Im Hinblick auf die bevorstehende Ernennung zum kaufmännischen Vorstand des Klinikums in G. hatte der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Sendung den Dienstvertrag mit dem Klinikum in K. mit Wirkung zum 31. Oktober 1998 in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst. Nach der Sendung und aufgrund mehrerer kritischer Berichte im lokalen Tagblatt in G. über seine frühere Tätigkeit in B. zog der Kläger seine Bewerbung für die Stelle in G. zurück. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers verlangten, nachdem sie sich vor der Sendung mit einer eigenen Sachverhaltsdarstellung an den Beklagten zu 2 gewandt hatten, in einem Schreiben vom 31. August 1998 von der Beklagten zu 1 erfolglos die Ausstrahlung einer Gegendarstellung. Der Kläger wendet sich noch gegen folgende Äußerungen: 1. ....... 2. Als Modernisierer hat man ihn (den Kläger) nach K. geholt. Doch jetzt stehen die K.er Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus. 3. – 6. ...... 7. In B. sorgte er (der namentlich genannte Direktor einer Klinik in B.) unter den Augen der Politik dafür, daß die Unternehmensgruppe KIK bis zu ihrem Zusammenbruch bestens in seinen Kliniken beschäftigt wurde. Es bestanden rund 30 Millionen schwere Verträge. Der Verbleib dieses Geldes ist teilweise ungeklärt. Der Landesrechnungshof sucht noch heute 4,8 Millionen DM. Sie wurden an die M.-Firma GSD gezahlt, ohne daß die Firma eine wirtschaftliche Leistung erbracht hätte.
8. .... Der Kläger ist der Ansicht, er werde durch die unwahren und zum Teil ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen in schwerer Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er habe deswegen die Stelle in G. nicht antreten können. Die Beklagten berufen sich auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung und behaupten, soweit die Aussagen Tatsachen enthielten, seien sie wahr. Das Landgericht hat dem Kläger in einem Teilurteil eine Geldentschädigung zugesprochen. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht hat es die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen der in Ziffer 2 und in Ziffer 7 Satz 4 und 5 enthaltenen Äußerungen bejaht und eine Geldentschädigung von insgesamt ! #"$ %'&)( * +, #"- . / 10$+, 324 # 65 !" - 20.451,68 urückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils durch vollständige Klagabweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, daß die erste wiedergegebene Äußerung den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich verletze, weil sie seine fachliche Eignung in Frage stelle. Es werde "zwischen den Zeilen" der Vorwurf erhoben, der Kläger habe die Verschuldung des Klinikums K. durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei dieser Vorwurf unzutreffend, weil der Kläger durch die von ihm getätigten Ausgaben einem aufgelaufenen Investitionsbedarf nachgekommen sei und Budgetkürzungen hinzugekommen seien. Auch die zweite Äußerung beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erheblich. Durch die Behauptung, an die M.-Firma GSD seien 4,8 Mio. DM ohne wirtschaftliche Gegenleistung geflossen, werde der unzutreffende Verdacht geweckt, der Kläger habe öffentliche Gelder veruntreut. Für den Durchschnittsempfänger komme in der Äußerung der Vorwurf des Geldflusses ohne jegliche Gegenleistung zum Ausdruck. Die beanstandete Äußerung halte die Information zurück, daß jedenfalls ein Computerprogramm entwickelt worden sei, auch wenn sich der Vertrag wegen der mangelnden Verwendbarkeit des Programms im Nachhinein als unwirtschaftlich darstelle. Die Beklagten könnten sich nicht darauf berufen, daß der Prüfungsgebietsleiter des Landesrechnungshofes in einem persönlichen Gespräch mit dem Beklagten zu 2 vor der Sendung die Frage, ob der Landesrechnungshof 4,8 Millionen DM noch immer suche, bejaht habe und auf die Frage, ob berichtet werden könne, daß keine Leistung der klägerischen Firma erbracht worden sei, geäußert habe, man solle besser dahin formulieren, daß keine wirtschaftliche Leistung erbracht worden sei. Da sich die Beklagten die Aussagen dieses Zeugenzu eigen gemacht hätten, komme es allein darauf an, ob die betreffende Äußerung inhaltlich richtig sei. Dies sei aber nicht der Fall. Da der Kläger durch diese Äußerungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht schwerwiegend beeinträchtigt worden sei, sei eine Geldentschä- # /758 digung von insgesamt 20.451,68 rtigt. Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verdienstausfall sei schon deshalb zu verneinen, weil nach dem Beweisergebnis die Berichterstattung der Beklagten den behaupteten Verdienstausfall nicht verursacht habe.
II.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen eines schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der ersten Äußerung deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfaßt hat.a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile , BGHZ 78, 9, 16; 132, 13, 21; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - VersR 2000, 327, 330 und vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Ver-
ständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; Senatsurteile, BGHZ 139, 95, 102 und vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843 m.w.N.).
b) Nicht zu beanstanden ist, daß sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf „offene“ Behauptungen beschränkt hat, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt hat, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 14 ff. sowie vom 28. Juni 1994 – VI ZR 273/93 – VersR 1994, 1123, 1124). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder. Danach ist bei der Ermittlung sogenannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage , mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlußfolgerung nahelegt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, daß der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen An-
haltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - aaO).
c) Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht nach diesen Grundsätzen eine verdeckte Sachaussage dahin angenommen hat, daß der Kläger die Verschuldung durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt habe. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, durch die Verknüpfung „als Modernisierer hatte man ihn (Kläger) nach K. geholt“ mit der weiteren Äußerung „doch jetzt stehen die K. Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus“ erhalte der Zuschauer nicht lediglich einen Denkanstoß, sondern die bereits fertige Schlußfolgerung, daß der mit einer bestimmten Absicht („Modernisierer“) geholte Kläger die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllte („belämmert“) und ein verschuldetes Haus hinterlassen habe, läßt außer Acht, daß diese Verknüpfung nicht zwingend ist.
d) Bei der Ermittlung des Aussagegehalts ist nämlich auch der Gesamtzusammenhang der Äußerung zu berücksichtigen. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Bei der gebotenen Betrachtung des gesamten Textes unter Einbeziehung der begleitenden Aussagen, ist die Äußerung keineswegs nur so zu verstehen, wie das Berufungsgericht meint. Der Begleittext lautet: "K. am B. - malerisch gelegen. Doch im Krankenhaus am Rande der Stadt gibt es ein Problem: Nach kurzer Zeit ist der Klinikdirektor abhanden gekommen. H.M. kehrt dem Haus nach nur 16 Monaten den Rücken. Als den großen Modernisierer hatte man ihn nach K. geholt.
Doch jetzt stehen die K.er Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus. H.F. (B90/Grüne) Oberbürgermeister von K.: "Die Sachen, die er angestoßen hat, sind sicher nur teilweise auf den Weg. Und es wird jetzt nicht einfach sein, die Dinge fertig zu machen."" Der Text berichtet nach dem Gesamtzusammenhang vorrangig nicht über wirtschaftliche Fehlentscheidungen des Klägers als Klinikdirektor, sondern über die Konsequenzen seines vorzeitigen Ausscheidens aus den Diensten des Krankenhauses. Das wird bestätigt durch die anschließende Äußerung des Oberbürgermeisters von K., daß der Kläger "Sachen angestoßen habe" und "Dinge fertig zu machen seien." In der Äußerung werden damit zum einen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers aus den Diensten des Krankenhauses aufgezeigt, zum anderen wird die Bewältigung dieser Folgen angesprochen. Darauf weist die Revision zu Recht hin.
e) Die Auffassung des Berufungsgerichts, "zwischen den Zeilen" werde der Vorwurf erhoben, der Kläger habe die Verschuldung durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt, ist zwar nicht unvertretbar, doch ist die eben dargestellte Sinndeutung mindestens ebenso naheliegend. Sind indessen mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. Senatsurteil, BGHZ 139, 95, 104). Das ist die hier aufgezeigte Alternative. Folglich liegt eine verdeckte Tatsachenbehauptung, wie das Berufungsgericht sie annehmen will, nicht vor, so daß hierauf kein Entschädigungsanspruch gestützt werden kann. Vielmehr steht den Beklagten das Recht auf
freie Meinungsäußerung und Berichterstattung im Rahmen der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit zu. Soweit das Berufungsgericht von offenen Aussagen ausgeht, legt es diesen nichts Ehrenkränkendes bei und hat der Kläger darauf auch keinen Anspruch gestützt. 2. Auch die zweite Äußerung vermag einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung nicht zu rechtfertigen.
a) Die Äußerung, an die M.-Firma GSD seien 4,8 Millionen DM gezahlt worden, ohne daß die Firma eine wirtschaftliche Leistung erbracht habe, beinhaltet - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – schon keine reine Tatsachenbehauptung. aa) Ist die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Bei Meinungsäußerungen scheidet hingegen naturgemäß dieser Beweis aus, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BVerfGE 90, 241, 247 m.w.N.; 94, 1, 8; Senatsurteile, BGHZ 132, 13, 21;139, 95, 102). bb) Nach diesen Kriterien ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Gesamtaussage der beanstandeten Äußerung einen Tatsachengehalt aufweist, der mit den Mitteln des Beweises auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden kann (vgl. BGHZ 132, 13, 21). Neben der Tatsache, daß 4,8 Millionen DM an die GSD geflossen seien, enthält die Aussage aber auch die Mitteilung, daß die entsprechende Gegenleistung nicht wirtschaftlich gewesen
sei. Insoweit ist für die Äußerung das Verständnis maßgeblich, das ihr ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumißt (vgl. Senatsurteil, BGHZ 139, 95, 102 unten). Danach ist der Aussagegehalt hinsichtlich der „wirtschaftlichen Gegenleistung“ erkennbar durch eine subjektive Bewertung des Äußernden geprägt und enthält wertende Elemente einer Meinungsäußerung. Insoweit ist zu bedenken, daß im Hinblick auf die meinungsbildende Aufgabe der Medien , über Angelegenheiten kritisch zu berichten, an denen ein ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, die Zulässigkeit der Äußerung aufgrund einer Güterabwägung zwischen dem mit der Veröffentlichung erstrebten Zweck und dem Schutz der Ehre des einzelnen zu beurteilen ist. So bestand im vorliegenden Fall wegen der Kostenexplosion auf dem Sektor der Gesundheitsfürsorge ein hoch einzuschätzendes Bedürfnis der Allgemeinheit und ein berechtigtes Interesse der Presse und der Medien, vor der Öffentlichkeit Fragen der Kostenverursachung im Gesundheitswesen anzusprechen und Mißstände aufzuzeigen. Gleichwohl bleibt auch bei einer solchen aus Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung zusammengesetzten Aussage im Interesse des Ehrenschutzes des Betroffenen zu prüfen, ob mit ihr unwahre Tatsachen behauptet werden. Dies bejaht das Berufungsgericht, geht dabei jedoch von einer zu einseitigen Deutung des Aussagegehalts aus.
b) Es meint, die Äußerung sei inhaltlich falsch, weil sie verschweige, daß von der GSD tatsächlich eine wirtschaftliche Leistung erbracht worden sei, die lediglich möglicherweise nicht in einem adäquaten Verhältnis zur Gegenleistung stand. Durch diese unvollständige Berichterstattung werde der unzutreffende Verdacht erweckt, der Kläger habe öffentliche Gelder veruntreut. aa) Hierbei läßt das Berufungsgericht außer Betracht, daß die in der zweiten Äußerung getroffene Aussage inhaltlich zutrifft, wenn das Wort „wirtschaftlich“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. hierzu Senatsurteil,
BGHZ 132, 95, 102) dahin verstanden wird, daß für eine Geldzahlung eine angemessene Gegenleistung gefordert werden kann. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Da - wie bereits dargelegt - bei mehreren sich nicht gegenseitig ausschließenden möglichen Deutungen, diejenige der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. Senatsurteil, BGHZ 139, aaO, 104), ist von dieser Bedeutung auszugehen. bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird der Kläger auch nicht dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, daß die Beklagten den Zuschauern nicht mitgeteilt haben, es sei von der GSD vertragsgemäß gegen Bezahlung von 4,8 Millionen DM ein Computerprogramm entwickelt und geliefert worden, das aber nach seiner Übergabe nicht mehr entsprechend eingesetzt werden konnte. (1) Zwar kann eine pauschale Tatsachenbehauptung, die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, schon aus diesem Grund rechtswidrig sein (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316; vom 18. Juni 1974 – VI ZR 16/73 – NJW 1974, 1762, 1763 und vom 26. Oktober 1999 – VI ZR 322/98 – VersR 2000, 193, 195 m.w.N.). Bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, darf die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts auch nicht so weit gehen, daß der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile, BGHZ 31, 308, 316 und vom 26. Oktober 1999 – VI ZR 322/98 – aaO). (2) Das kann hier jedoch nicht angenommen werden. Während in dem vom Senat im Urteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 – entschiedenen Fall
der in der Berichterstattung verschwiegene Umstand den Vorgang in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen Licht erscheinen lassen und eine Entlastung bewirken konnte, erscheint im vorliegenden Fall die vom Berufungsgericht als möglich angenommene belastende Schlußfolgerung des Zuschauers auch bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen nicht weniger naheliegend. (3) Die von der GSD erbrachte Gegenleistung hält auch das Berufungsgericht in der Gesamtbetrachtung im nachhinein für unwirtschaftlich, weil die entwickelte Software nicht zweckentsprechend eingesetzt werden konnte. Das dadurch begründete Mißverhältnis zwischen dem Geldfluß von 4,8 Millionen DM und der hierfür erbrachten unbrauchbaren Gegenleistung hätte selbst bei einer Information über das zugrundeliegende Geschäft bei einem unbefangenen Zuschauer, an den sich die Sendung der Beklagten richtete, den Eindruck entstehen lassen können, daß an dem Geschäft Beteiligte sich bereichert haben könnten. Die nach Ansicht des Berufungsgerichts mit der zweiten Äußerung verbundene Fehleinschätzung des Klägers durch den einzelnen Zuschauer wäre deshalb auch bei vollständiger Information nicht vermieden worden. 3. Bei dieser Sachlage muß der Frage nicht weiter nachgegangen werden , ob die als Voraussetzung für einen Ausgleich in Form einer Geldentschädigung erforderliche besondere Schwere der Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers im vorliegenden Fall mit Recht bejaht worden ist (vgl. zu den Voraussetzungen, Senatsurteile BGHZ 35, 363, 369 und vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - NJW 1985, 1617, 1619).
III.
Das Berufungsurteil war aufzuheben, soweit es zum Nachteil der Be- klagten ergangen ist. Der Senat hat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache zu entscheiden, da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Wer der Prostitution
- 1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder - 2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
(1) Wer sexuelle Handlungen
- 1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, - 2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder - 3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen
- 1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder - 2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2
- 1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder - 2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Revision findet gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile nach Maßgabe der folgenden Vorschriften statt.
(2) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, findet die Revision nicht statt. Dasselbe gilt für Urteile über die vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren oder im Umlegungsverfahren.