Landgericht Saarbrücken Urteil, 25. Nov. 2011 - 13 S 117/09

bei uns veröffentlicht am25.11.2011

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Lebach vom 30.3.2007 – Az. 3A C 80/06 – dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 1.140,- EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 380,- EUR seit dem 14.3.2006 und auf weitere 760,- EUR seit dem 3.6.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 77% und die Beklagte zu 23%.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 64% und die Beklagte zu 36%.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

6. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren bis zur Teilklagerücknahme auf 5.400,- EUR (2.600,- EUR Hauptantrag + 2.200,- EUR Schmerzensgeldantrag + 600,- EUR Hilfsantrag) und für das weitere erstinstanzliche Verfahren ab diesem Zeitpunkt ebenso wie für das Berufungsverfahren auf 3.200,- EUR (2.600,- EUR Hauptantrag + 600,- EUR Hilfsantrag) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht einen Entschädigungsanspruch als Ausgleich für bergbaubedingte Nutzungseinschränkungen eines Wohnhauses geltend.

Er und seine Lebensgefährtin sind seit 1989 Eigentümer eines Grundstücks in Lebach-Falscheid. Auf dem Grundstück wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein Gebäude als sog. Südwestdeutsches Bauernhaus errichtet; das Haus ist 1990 bis 1993 grundlegend saniert worden und wird von beiden Eigentümern bewohnt.

Die Beklagte betreibt im Saarland und auch im Raum Lebach untertägigen Steinkohlebergbau. Der Abbau im hier maßgeblichen Feld Dilsburg erfolgt seit 1975; seit 1996 wird im Teil Ost, der sich auch unter dem Raum Lebach erstreckt, abgebaut, wobei der Abbau im hier problematischen Streb 8.7/8.8 des Flözes Schwalbach im Jahr 2000 aufgenommen wurde.

Ab Ende des Jahres 2000 kam es im Raum Lebach zu Erderschütterungen, die auf den Bergbau der Beklagten zurückzuführen sind. Im Jahr 2005 wurden 59 Erschütterungen von einer Stärke zwischen 1,9 bis 3,7 auf der Richterskala und einer Schwingungsgeschwindigkeit von bis zu 30 mm/s registriert. Der Wert von 5 mm/s wurde dabei insgesamt zehnmal erreicht oder überschritten. Im Februar und März 2006 wurden bei weiteren bergbaubedingten Erschütterungen Schwingungsgeschwindigkeiten von 71,28 mm/s, 61,16 mm/s und 56,56 mm/s gemessen.

Am Haus des Klägers bildeten sich seit 2001 bergbaubedingt an den Innen- und Außenwänden sowie den Bodenbelägen Risse; zudem kam es zu einer Absenkung des Geländes hinter dem Gebäude und einer Beschädigung der Terrasse. Sämtliche Schäden erkannte die Beklagte als Bergschäden an und beseitigte diese fortlaufend. Ferner ordnete sie das Gebäude in die höchste Schadensempfindlichkeitskategorie O ein. In dieser Kategorie können Häuser bereits ab einer Schwingungsgeschwindigkeit von 3 mm/s beschädigt werden, während für sonstige Wohnhäuser ein Grenzwert für die potentielle Schadenswirksamkeit von 5 mm/s gilt.

Der Kläger hat behauptet, infolge der Erderschütterungen sei die Nutzungsmöglichkeit des Hauses sowie die Lebens- und Wohnqualität in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Eine Vorbelastung des Grundstücks durch Bergbau liege nicht vor, weil erst in den 90er Jahren die streitgegenständlichen Flöze erkundet und vorbereitet worden seien und Erschütterungen in dieser Heftigkeit vor 2001 nicht vorgekommen seien. Er meint deshalb, dass ihm ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch i.S.d. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zustehe, der nicht durch die bergschadensrechtlichen Regelungen der §§ 114 f. Bundesberggesetz (BBergG) verdrängt werde. Ausgehend von einer Minderung des fiktiven Mietwerts seines Gebäudes, den er zunächst mit 1.000,- EUR/Monat beziffert hat, um 20% (200,- EUR/Monat) verlangt der Kläger für die Zeit von Januar 2005 bis Januar 2006, hilfsweise bis April 2006, eine Entschädigung von insgesamt (13 x 200 =) 2.600,- EUR.

Für den Fall, dass ein nachbarrechtlicher Anspruch nicht bejaht werde, hat der Kläger hilfsweise einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Er hat behauptet, die Erderschütterungen seien durch zumutbare Maßnahmen von der Beklagten zu verhindern gewesen, wie sich aus der von der Beklagten seit März/April 2006 eingeleiteten Änderung des Abbaus durch einen größeren Versatz im sog. Doppelstrebverfahren ergebe. Seit die Beklagte dazu übergegangen sei, die Entfernung zwischen den jeweiligen Abbaukanten zu vergrößern, hätten die Erschütterungen erheblich abgenommen. Weil die Beklagte diese Maßnahmen nicht bereits früher getroffen habe, habe sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Der Kläger, der ursprünglich noch einen Schmerzensgeldanspruch erhoben, diesen Klageantrag jedoch nach der letzten mündlichen Verhandlung zurückgenommen hatte, hat mit der am 14.2.2006 zugestellten Klage zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.600,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent über dem Basiszinssatz ab einem Monat nach Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch werde durch die besonderen bergrechtlichen Vorschriften verdrängt, die eine Entschädigung insoweit nicht vorsehen. Überdies sei der Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht begründet, weil die ortsübliche Nutzung des Grundstücks des Klägers durch die Erderschütterungen jedenfalls nicht über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt würde. Das Grundstück liege in einem Bergbaugebiet und sei deshalb situationsbedingt vorbelastet. Die Erschütterungen seien typische Folgen untertägigen Bergbaus, auch in der seit 2005 aufgetretenen Intensität und Häufigkeit, welche die Zumutbarkeitsschwelle nicht überschritten. Eine allenfalls zweimal pro Monat auftretende Erderschütterung von mehr als 5 mm/s rechtfertige auch keine Minderung des Mietwertes für das Gebäude, der im Übrigen niedriger als von Klägerseite angegeben anzusetzen sei.

Zu dem Hilfsvorbringen behauptet die Beklagte, sie habe alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und die Art und Weise des Abbaus stets den durch Gutachter ermittelten Möglichkeiten zur Reduzierung der Erderschütterungen angepasst.

Das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen ergänzend Bezug genommen wird, hat der Klage in Höhe von 1.100,- EUR nebst gesetzlichen Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu, weil die Erderschütterungen die ortsübliche Nutzung des klägerischen Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigten. Der Ausgleichsanspruch werde durch die bergbaurechtlichen Regelungen nicht verdrängt. Der Höhe nach stehe dem Kläger ein Minderungsanspruch von 10% für all jene Monate zu, in denen mindestens 2 Erschütterungen über dem Grenzwert der DIN 4510 Teil 3 „Einwirkungen auf Gebäude“ oder eine Erschütterung von mehr als dem zweifachen Wert der Schadenswirksamkeitsgrenze aufgetreten seien. Dies sei in der Zeit von Januar 2005 bis April 2006 in insgesamt 11 Monaten der Fall gewesen.

Hiergegen haben der Kläger wie auch die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie jeweils ihre Anträge, soweit diese erfolglos geblieben sind, weiterverfolgen.

Der Kläger meint, die Bemessung der Beeinträchtigung durch das Erstgericht werde der Schwere der Einwirkungen, wie sie die Bewohner in Falscheid empfänden, nicht gerecht. Vielmehr seien wegen der stillen ländlichen Lage, der unregelmäßigen Abstände der Erschütterungen, auf die sich die Anwohner nicht einstellen könnten, und des gegenüber der Wohnbebauung nachträglichen Bergbaus auch Erschütterungen unterhalb der Grenzwerte zu berücksichtigen, so dass für jeden Monat, in dem spürbare Erschütterungen vorliegen, ein Ausgleich in Höhe von mindestens 20% Mietminderung geschuldet sei.

Er beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten diese zu verurteilen, an ihn weitere 1.500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.3.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Falle untertägigen Bergbaus schon nicht unmittelbar anwendbar sei. Im Übrigen liege auch keine unzumutbare Beeinträchtigung vor, weil sich die Erderschütterungen im Rahmen dessen hielten, was für untertägigen Bergbau typisch sei.

Das Landgericht hat zunächst auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen, weil die Vorschriften der §§ 114 f. BBergG eine § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verdrängende Sonderregelung enthielten. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, inwieweit vorliegend anhand des Maßstabs der Erschütterungseinwirkung auf Menschen auf eine wesentliche Beeinträchtigung geschlossen werden kann.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet; die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten bleibt indes ohne Erfolg.

A.

Dem Kläger steht ein Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagte wegen der im streitgegenständlichen Zeitraum stattgefundenen wesentlichen Beeinträchtigung seines Grundstücks durch die vom Bergbau der Beklagten ausgehenden Erschütterungen dem Grunde nach zu.

1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Erschütterungen und anderen unwägbaren Stoffen, die von einem anderen Grundstück ausgehen, nicht verbieten, wenn dies die Benutzung seines Grundstücks unwesentlich beeinträchtigt (Abs. 1) oder zwar wesentlich beeinträchtigt, die Einwirkung aber durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (Abs. 2 Satz 1). Ist er im letzteren Fall zur Duldung verpflichtet, kann der Eigentümer des betroffenen Grundstücks nach Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

2. Der sich hieraus ergebende Ausgleichsanspruch des betroffenen Eigentümers wird – wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.9.2008 (V ZR 28/08 = BGHZ 178, 90 m. Anm. Roth in LM 2009, 280109) für das Berufungsgericht bindend (§ 563 Abs. 2 ZPO) festgestellt hat – nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Erschütterungen nicht von einem anderen Grundstück, sondern von dem konzeptionell dem Grundstückseigentum gleichgestellten Bergwerkseigentum der Beklagten ausgegangen ist. Ferner steht der Ausgleichsanspruch des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB mit anderen Ansprüchen, die sich aus der Beeinträchtigung eines Grundstücks ergeben können, in Anspruchskonkurrenz, soweit diese – wie hier die Vorschriften zur Bergschadenshaftung nach §§ 114 ff. Bundesberggesetz (BBergG) – keine abschließende Sonderregelung enthalten (BGHZ 178, 90). Schließlich steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Bergwerkstätigkeit der Beklagten auf der Grundlage einer Sonderbetriebsplanzulassung erfolgt ist. Zwar ist anerkannt, dass ein nachbarrechtlicher Anspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Lärmimmissionen ausscheidet, wenn diese von einem Vorhaben ausgehen, für das der Gesetzgeber – wie bei einem Planfeststellungsverfahren – ein spezifisches Verfahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im nachbarlichen Bereich vorgesehen hat, in dem die Rechte des Einzelnen berücksichtigt werden können und diesen dort abschließend Rechnung getragen wird (vgl. BGHZ 161, 323 unter II 2; Staudinger/Roth, BGB, 2009, § 906 Rdn. 27, jew. m.w.N.). Ein solches Verfahren stellt das Sonderbetriebsplanzulassungsverfahren i.S.d. §§ 52 ff. BBergG ungeachtet des Umstandes, dass hier eine umfassende Bürgerbeteiligung vorausging, schon deshalb nicht dar, weil eine den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verdrängende Entschädigungsregelung, wie sie in § 74 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) für das Planfeststellungsverfahren i.S.d. §§ 72 ff. VwVfG vorgesehen ist (BGH aaO unter II 2 a bb), für das bergrechtliche Sonderbetriebsplanzulassungsverfahren gerade nicht besteht (vgl. auch VG Saarland ZfB 2009, 284 unter II 2 e).

3. Vorliegend kommt § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch unmittelbar und nicht lediglich in entsprechender Form zur Anwendung. Zwar tritt der in analoger Anwendung der Vorschrift von der Rechtsprechung entwickelte, gesetzlich nicht geregelte nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch (statt aller dazu: BGHZ 142, 66; Staudinger/Roth aaO Rdn. 66 f., jew. m.w.N.) – anders als der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB – materiellrechtlich hinter die Vorschriften des BBergG zurück, weil es dort an einer für die analoge Anwendung erforderlichen, ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke fehlt (BGHZ 148, 39, 53). Ob dies auch für den Fall Geltung beansprucht, dass – wie hier – kein vom Bundesberggesetz (abschließend) geregelter Anspruch auf Ersatz eines Bergschadens, sondern ein Anspruch auf Ausgleich sonstiger, nicht als Bergschaden zu bewertender Nachteile erhoben wird (vgl. hierzu der 5. Senat des BGH, Urteil v. 20.11.1998 = NJW 1999, 1029, zit. n. Juris Rdn. 11), kann dahinstehen. Denn der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch kommt erst in Betracht, wenn die von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung ausgehende Einwirkung nach den Voraussetzungen des § 906 BGB nicht zu dulden und daher grundsätzlich nach § 1004 BGB abwehrfähig ist, der davon betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (vgl. BGHZ 48, 98, 101; Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 48/96 = NJW-RR 1997, 1374; Staudinger/Roth aaO m.w.N.). Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die streitgegenständlichen Erschütterungen Einwirkungen i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB sind, die auf eine ortsübliche Nutzung des Bergwerkseigentums der Beklagten zurückgehen und die im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden konnten.

a) Die hier maßgeblichen Erderschütterungen sind ausdrücklich in § 906 Abs. 1 BGB als unwägbare Stoffe aufgeführt und damit Einwirkungen im Sinne der Vorschrift. Sie sind – was zwischen den Parteien nicht im Streit steht – zurechenbare Folge des Bergbaus der Beklagten und beruhen vorliegend auch auf einer ortsüblichen Nutzung des Bergwerkeigentums.

aa) Maßstab für die Ortsüblichkeit ist die tatsächliche Üblichkeit einer Nutzung im kleinnachbarlichen Raum (vgl. MünchKomm(BGB)/Säcker, 5. Auflage, § 906 BGB, Rdn. 7). Ortsüblichkeit ist danach regelmäßig gegeben, wenn eine Mehrheit von Grundstücken im maßgeblichen Vergleichsbereich mit einer nach Art und Maß annähernd gleich beeinträchtigenden Wirkung auf andere Grundstücke benutzt wird (vgl. BGHZ 97, 97, 105; 111, 63, 72; 120, 239, 260; Staudinger/Roth aaO § 906 BGB Rdn. 208; MünchKomm(BGB)/Säcker aaO Rdn. 89, je m.w.N.). Hierzu ist ein Vergleich der Benutzung des störenden Grundstücks mit anderen Grundstücken des betroffenen Gebietes anzustellen (vgl. BGHZ 15, 146; 30, 273), wobei das tatsächliche Gepräge der Gegend, insbesondere ihre tatsächliche bauliche Nutzung (Wohn-, Industrie-, Gewerbegebiet etc.), zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 54, 384; Staudinger/Roth aaO Rdn. 208 m.w.N.). Ist dagegen ein einzelnes Unternehmen gebietsprägend, indem es – wie hier das Bergwerk der Beklagten – der gesamten umgebenden Landschaft den Charakter einer Bergbaugegend aufdrückt (vgl. BGHZ 30, 273, 277), ist über den Unternehmenssitz hinausgehend auf das Maß der Einwirkungen abzustellen, das in weiteren Räumen von anderen Grundstücken ausgeht, die in gleicher Weise genutzt werden; hierbei bedarf es der Heranziehung von Vergleichsobjekten in der weiteren Umgebung (vgl. BGHZ 30, 273, 277; Staudinger/Roth aaO Rdn. 211 m.w.N.). Ergeben sich bei deren Nutzung typischerweise nach Art und Maß in annähernd gleicher Weise Beeinträchtigungen der Umgebung wie bei dem störenden Grundstück, so ist von Ortsüblichkeit auszugehen (vgl. BGHZ 30, 273; MünchKomm(BGB)/Säcker aaO Rdn. 89).

bb) So liegt es hier. Der untertägige Steinkohlebergbau ist – was zwischen den Parteien nicht streitig ist – mit dem Saarland seit langer Zeit tief verwurzelt. Bergbaubedingte Absenkungen des Erdreichs und Erderschütterungen sind jedenfalls innerhalb gewisser Grenzen typischerweise im gesamten Abbaugebiet und damit auch in – wie hier – Gebieten mit Wohnbebauung zu beobachten. Sie sind daher dort grundsätzlich ohne weiteres als ortsüblich anzusehen.

Aber auch der Umstand, dass sich die Erschütterungsintensität seit 2001 und insbesondere ab Februar und März 2006 gegenüber den bisher im hier maßgeblichen Gebiet beobachteten Erschütterungen zuletzt deutlich erhöht hatte – bis Januar 2006 betrug die in Falscheid gemessene Schwingungsgeschwindigkeit maximal 29,95 mm/s, in Februar und März 2006 erreichte sie im Spitzenwert dagegen 71,26 mm/s – ändert an dieser Bewertung nichts. Zwar kann die Ortsüblichkeit entfallen, wenn eine Mehrheit der zum Vergleich herangezogenen Gebiete in annähernd gleicher Weise genutzt wird und hierbei die in Betracht kommende Einwirkung an sich als gewöhnlich zu werten ist, die konkrete Benutzungsweise aber besonders schädigend und deshalb ungewöhnlich ist (BGHZ 30, 273, 279). Weil § 906 BGB indes bezweckt, "die Grenzen der exzessiven Immission einigermaßen elastisch" den örtlichen Verschiedenheiten und zeitlichen Veränderungen anzupassen, können Erhöhungen der gewöhnlichen Einwirkungen nicht untersagt werden, wenn die allgemein geübte Benutzung eines Grundstücks zu bestimmten Zwecken aus betriebswirtschaftlichen bzw. technischen Gründen in einer anderen Art und Weise als bisher erfolgt und dadurch störendere oder stärkere Einwirkungen ausgesendet werden (vgl. BGHZ 48, 31, 32 für Schweinemastbetrieb; MünchKomm(BGB)/Säcker aaO Rdn. 94 m.w.N.).

Dies ist hier der Fall. Die besondere geologische Situation des Abbaufeldes im Flöz Schwalbach, Feld Dilsburg, die dadurch geprägt ist, dass über der Karbonschicht eine Sandsteinschicht liegt, die nach Abbau der Kohle in großen Platten nachbricht, wurde – wie die Beklagte unangegriffen vorgetragen hat (Bl. 212 d.A) – zum Anlass genommen, im Doppelstrebverfahren abzubauen, das aus damaliger Sicht die bergschadensgünstigste Lösung darstellte. Damit setzte die Beklagte aus technischen Gründen eine andere Abbaumethode ein, die aus damaliger Sicht alternativlos war und letztlich störendere Einwirkungen nicht verhindern konnte.

Im Übrigen stellt der hier maßgebliche untertägige Abbau der Beklagten keine Benutzungsweise dar, die gegenüber dem in anderen Gebieten betriebenen untertägigen Bergbau, etwa im übrigen Saarland, im Ruhrgebiet oder auch im angrenzenden Lothringen besonders schädigend und daher ungewöhnlich ist. Vielmehr sind die Erschütterungen jedenfalls in dem hier maßgeblichen Umfang bei wertender Betrachtung noch in dem Bereich anzusiedeln, der als gewöhnliche Auswirkung eines – wie hier – aktuell betriebenen Abbaufeldes anzusehen ist. Einen allerdings nur allgemeinen Anhaltspunkt hierfür (vgl. BGH WM 1971, 744; NJW 1983, 751; Staudinger/Roth aaO Rdn. 214; Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 906 Rdn. 24, jew. m.w.N.) stellt der Umstand dar, dass der Abbau durch die Beklagte – was zwischen den Parteien nicht streitig ist – im Rahmen und nach den Vorgaben der bergbaurechtlichen Genehmigung, der Sonderbetriebsplanzulassung vom 30.6.2004, erfolgt ist und auch nach Auftreten der erhöhten Erderschütterungswirkungen in 2006 weiterhin nicht untersagt wurde, weil bei solchen Schwinggeschwindigkeiten nicht mit nach Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts „gewichtigen“, d.h. über leichte bis mittlere Schäden hinausgehenden Beeinträchtigungen des Oberflächeneigentums gerechnet werden musste (vgl. OVG d. Saarlandes, Beschluss vom 22.11.2007 – 2 B 176/07 = ZfB 2008, 288 unter II 2.2.3.5, JURIS Rdn. 36).

Hinzukommt, dass sowohl die nicht unerheblichen Bergschäden, wie sie am Gebäude des Klägers und seiner Lebensgefährtin entstanden sind, als auch die potentielle Gefahr von Erschütterungen selbst stärkerer Intensität regelmäßig und damit typischerweise mit dem aktuellen Betrieb eines untertägigen Abbaufeldes einhergehen. Wie die Beklagte unter Zugrundelegung von Messergebnissen aus den Jahren 2005 bis 2009 im Saarland und Ruhrgebiet vorgetragen hat und dies von dem gerichtlichen Sachverständigen auch bestätigt wurde, sind Erschütterungen im Bereich bis zu 30 mm/s im Bergbau eine jedenfalls nicht unübliche Größenordnung. Dies ergeben auch die vom Oberbergamt Saarbrücken vorgelegten Ergebnisse von Messungen in den beiden grenznahen saarländischen Gemeinden Nassweiler und St. Nikolaus (Bl. 922 ff. d.A.), wonach in einem Zeitraum zwischen Januar 1986 und März 2004 zahlreiche bergbauindizierte Erderschütterungen gemessen wurden, die Schwinggeschwindigkeiten bis zu 25,1 mm/s (21.6.2001) aufwiesen (vgl. auch die stichprobenartige Darstellung im gerichtlichen Gutachten S. 22, Bl. 1070 d.A.). Der Umstand, dass in Einzelfällen darüber hinausgehende Erschütterungsgeschwindigkeiten auftreten können, ist – sieht man von ganz außergewöhnlichen Schwingungsgeschwindigkeiten ab, wie sie in 2008 (93,54 mm/s) dann zur Einstellung des Abbaus führten – ausweislich der Messergebnisse der Beklagten nicht so außergewöhnlich, dass eine Ortsüblichkeit des hier maßgeblichen Untertageabbaus im hier maßgeblichen Zeitraum in Frage gestellt würde.

Unerheblich für die Annahme der Ortsüblichkeit ist es schließlich auch, dass der beeinträchtigte Kläger sein Grundstück schon zu einem Zeitpunkt erworben hat, als das unter dem Grundstück liegende, besonders problematische Abbaufeld (Streb 8.7/8.8) noch nicht betrieben wurde und hiervon auch keine Erderschütterungen ausgingen. Der Grundsatz der Nutzungspriorität kommt insoweit nicht, zumindest aber nur eingeschränkt zur Anwendung (vgl. BGHZ 15, 146, 148; BGH, Urt. v. 6.6.1969 – V ZR 53/66 = MDR 1969, 744; Urt. v. 19.2.1976 – III ZR 13/74 = NJW 1976, 1204; Staudinger/Roth aaO Rdn. 220 m.w.N. zur neueren Entwicklung). Entscheidend ist hier, dass sich das Gebiet insofern gewandelt hat, als sich die bereits beim Erwerb des Gebäudes vorhandene Möglichkeit des Bergbaus nachträglich realisiert hat. Das Gebiet, das im Übrigen seit Anfang der 1980er Jahre nach Errichtung und Inbetriebnahme des Nordschachts in Lebach-Falscheid auch nach außen als dem Bergbau zugehörige Region identifizierbar ist, hat sich also lediglich unter Ausnutzung der bereits vorhandenen Ressourcen infolge der tatsächlichen bergbaulichen Erschließung weiterentwickelt. Wer aber ein Haus in einem Kohleabbaugebiet erwirbt, in dem aktuell noch kein untertägiger Abbau stattfindet, muss jedenfalls damit rechnen, dass sich dies durch die wirtschaftliche und technische Weiterentwicklung jederzeit ändern kann (vgl. Saarl. OLG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 U 83/02 = ZfB 2003, 312, zit. n. Juris Rdn. 36).

b) Die Erderschütterungen waren – im hier maßgeblichen Zeitraum – auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindern. Hierunter sind alle technischen Einrichtungen sowie betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten zu verstehen, die die Beeinträchtigung unter die Schwelle der Wesentlichkeit herabsetzen und für einen Durchschnittsbetrieb der entsprechenden Branche verhältnismäßig, d. h. technisch durchführbar, effizient und wirtschaftlich zumutbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1976V ZR 36/75 = NJW 1977, 146; Urt. v. 30.10.1981 – V ZR 191/80 = DB 1982, 694; Staudinger/Roth aaO Rdn. 237 m.w.N.). Solche Maßnahmen waren vorliegend indes aus technischer Sicht noch nicht bekannt, so dass die Beklagte nicht in der Lage war, die Erderschütterungen in dem hier maßgeblichen Zeitraum zu verhindern.

Die Beklagte hat hierzu – von Klägerseite nicht substantiiert angegriffen – vorgetragen, die bergbauindizierten Erschütterungen seien in dem hier maßgeblichen Zeitraum nicht weiter verhinderbar gewesen, als dies durch die von ihr ergriffenen Maßnahmen erfolgt sei. Sie habe – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. S. durch das zuständige Oberbergamt im Jahr 2001 – sämtliche vorgeschlagenen Maßnahmen, die auch Gegenstand der Vorgaben der zuständigen Bergbehörde gewesen seien, umgesetzt, ohne dass dies zu einer Verringerung der Erderschütterungen geführt hätte. Sie habe fortlaufend in Abstimmung mit dem Gutachter und der Bergbehörde weitere gutachterliche Vorschläge umgesetzt, um die Erderschütterungen zu verringern. Erst nachdem man seit Februar 2006 das sog. Hydro-Frac-Verfahren, mit dem man in die Gesteinschicht Wasser zur Sprengung der Sandsteinbänke pumpt, eingesetzt und darüber hinaus im März 2006 begonnen habe, den Abstand der beiden Strebe zu vergrößern, was wegen gebirgsmechanischer Schwierigkeiten erst im Mai 2006 habe vollständig umgesetzt werden können, seien die Erschütterungen deutlich zurückgegangen. Dabei habe es sich allerdings um Maßnahmen gehandelt, deren erschütterungsminimierende Wirkung nicht von vorneherein auf der Hand gelegen hätte. Vielmehr sei bis März 2006 aus technischer Sicht der von der Beklagten gewählte Doppelstrebabbau gerade als schadengünstigste und damit vorzugswürdige Lösung angesehen worden. Auch der Versatz der abbaubedingt entstehenden untertägigen Hohlräume durch Einbringen von Verfüllmaterialien sei zur Reduzierung der abbauindizierten Erderschütterungen, wie das Gutachten Sroka ergeben habe, nicht geeignet gewesen, so dass aus technischer Sicht Maßnahmen zur Verminderung der abbaubedingten Erschütterungen letztlich nicht bekannt gewesen wären. Zweifel daran, dass dieser Vortrag nicht der Richtigkeit entspricht, hat die Kammer nicht; der Kläger ist dem auch im Berufungsverfahren nicht mehr entgegengetreten.

4. Im Ergebnis zu Recht ist das Erstgericht auch davon ausgegangen, dass die Erderschütterungen im streitgegenständlichen Zeitraum teilweise eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks darstellen, die zugleich die Zumutbarkeitsgrenze des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB überschreiten.

a) Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 906 BGB ist jede Störung des körperlichen Wohlbefindens der auf den betroffenen Grundstücken lebenden Personen (BGHZ 51, 396, 397; MünchKommBGB/Säcker aaO Rdn. 30 m.w.N). Wann eine solche Beeinträchtigung wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (BGHZ 157, 33, 43; Urt. v. 27.10.2006 – V ZR 2/06 = NJW-RR 2007, 168 und die Nachweise bei Staudinger/Roth aaO Rdn. 177). Damit kommt es gerade nicht auf das subjektive Empfinden des Gestörten an, sondern auf die verständige Würdigung eines durchschnittlichen Benutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch die örtliche Lage, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit (vgl. BGH NJW 1999, 356; Palandt/Bassenge aaO Rdn. 17 m.w.N.). Dabei können auch wertende Momente wie z.B. die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewusstseins der Bevölkerung (vgl. BGHZ 120, 239, 255), aber auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen (BGH NJW 2003, 3699 Rdn. 13 m.w.N.) in die Beurteilung einbezogen werden.

b) Die Beurteilung der Wesentlichkeit bestimmt sich grundsätzlich nach dem gleichen Maßstab, der für die Festlegung des „zumutbaren Maßes“ anzulegen ist, bei dessen Überschreiten ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eingreift. Deshalb kommt es hier auch nicht auf die höhere enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, sondern auf die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle an (BGHZ 122, 76, 78 f., Urt. v. 27.10.2006 – V ZR 2/06 = NJW-RR 2007, 168, Juris Rdn. 15; Staudinger/Roth aaO Rdn. 252 f., jew. m.w.N.). Dies entspricht zugleich der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegten Bewertung des Begriffs der „erheblichen Belästigung“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), bei dem die Erheblichkeitschwelle zugleich die Abgrenzung von wesentlicher und unwesentlicher Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. BGHZ 111, 63; 122, 76; BVerwGE 79, 254, 258; Jarass, BImSchG, 8. Aufl. 2009, § 3 Rdn. 48 m.w.N.) und bei dem ebenfalls Faktoren wie Art, Ausmaß und Dauer der Einwirkung, aber auch Art des betroffenen Grundstücks und Vorbelastung zu berücksichtigen sind (Jarass aaO Rdn. 47 a.E. i.V.m. Rdn. 49 f. m.w.N.).

c) Das Amtsgericht hat auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eine wesentliche Beeinträchtigung beim Eintritt immissionsbedingter Schäden annimmt (vgl. BGH NJW 1999, 1029 m.w.N.), die Wesentlichkeit der Einwirkung auf das Klägergrundstück bejaht, weil die hier maßgeblichen Erderschütterungen zu nicht unerheblichen Schäden am Wohnhaus geführt hätten. Dies könnte ohne weitere Aufklärung in zweiter Instanz schon deshalb nicht mehr Grundlage der Bestimmung der Wesentlichkeit sein, weil die Beklagte die Ursächlichkeit der Erschütterungen für die Schädigung des Wohnhauses, die in erster Instanz nicht Gegenstand der Erörterungen gewesen war, in zulässiger Weise bestritten hat. Aber auch das von Klägerseite vorgelegte Gutachten des hier im Verfahren als gerichtlichen Sachverständigen eingesetzten Dr. K. von September 2002 zu den Erschütterungswirkungen der untertägigen Kohlegewinnung, das im Auftrag der saarländischen Landesregierung in 2002 erstellt wurde, zeigt auf, dass entgegen der landläufigen Meinung spürbare Erderschütterungen nicht selbstverständlich gebäudeschädigende Wirkung aufweisen. Abgesehen davon, dass der Nachweis der Ursächlichkeit von Erderschütterungen für Rissbildungen und anderen Schädigungen an Gebäuden nur dann sicher zu führen ist, wenn der Zustand des Gebäudes vor der Erschütterung lückenlos dokumentiert und die tatsächliche Beanspruchung des Gebäudes während der Erschütterung gemessen ist, was technisch schwierig ist und hohen Aufwand erfordert, zeigt der Gutachter auf, dass jedenfalls die damals im Einwirkungsgebiet gemessenen Erschütterungen allenfalls geringfügig zu den Risseschäden der Gebäude beigetragen haben können (vgl. auch das gerichtliche Sachverständigengutachten S. 11). Ist aber zweifelhaft und lässt sich – wie hier – im Nachhinein auch nicht mehr gutachterlich feststellen, ob die Erderschütterungen und nicht nur die abbaubedingten Absenkungen die Schäden am Gebäude auf dem Klägergrundstück verursacht haben, lässt sich aus dem Schadenseintritt die Wesentlichkeit der Erschütterungen nicht ableiten.

d) Ebenso wenig lässt sich aus den von Klägerseite behaupteten und unter Beweis gestellten eigenen Gesundheitsbeeinträchtigungen (erhöhter Blutdruck, Schockzustände, Lähmungserscheinungen) eine wesentliche Beeinträchtigung herleiten. Da es zur Bemessung der Wesentlichkeit nicht auf das subjektive Empfinden des Betroffenen und dessen individuelle Be- und Empfindlichkeit, sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsnutzers des betroffenen Grundstücks ankommt, ist eine erschütterungsbedingte Gesundheitsbeeinträchtigung nur dann aussagekräftig, wenn sie unabhängig von subjektiven Befindlichkeiten bei einem durchschnittlichen Grundstücksnutzer entsteht. Dies lässt sich allein aus den vom Kläger behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen indes nicht ableiten. Insoweit hat der Sachverständige Dr. K. nämlich bereits in seinem Gutachten vom 31.8.2002 und auch in seinem gerichtlichen Gutachten festgestellt, dass das Maß der hier vorliegenden Erschütterungen nicht geeignet ist, unmittelbare Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorzurufen (Bl. 1078 d.A.). Soweit Erschütterungen nach Darlegung des Sachverständigen als bedrohlich wahrgenommen werden können und damit mittelbar gesundheitliche Folgen wie ein erhöhter Adrenalinspiegel und erhöhter Blutdruck möglich sind, ist es bereits naheliegend, dass solche Folgen nicht ohne Rücksicht auf die jeweilige individuelle Befindlichkeit entstehen. Jedenfalls lässt sich aus den vom Kläger geschilderten gesundheitlichen Störungen nicht hinreichend darauf schließen, dass damit auch für den durchschnittlichen Betroffenen erschütterungsbedingte gesundheitliche Störungen in nennenswerter Höhe zwangsläufig oder zumindest regelmäßig eintreten und daraus die Wesentlichkeit der Erschütterungen abgeleitet werden kann.

Auch das von Seiten des Klägers angeführte Gutachten des Prof. R. (Universität Stuttgart) zum Thema „Risikowahrnehmung und gesundheitliche Beeinträchtigungen bergbaubedingter Erschütterungen aus Sicht der Interessenvertreter und Betroffenen“, das im Auftrag des saarländischen Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales im Februar 2006 vorgelegt wurde (Bl. 64 ff. d.A.), bietet insoweit keine verlässliche Grundlage. Ungeachtet der von Beklagtenseite erhobenen methodischen und qualitativen Einwendungen gegen das Gutachten lässt sich die Wesentlichkeit der Einwirkungen hieraus allein nicht ableiten. Zwar kommt das Gutachten zum Ergebnis, dass immerhin etwas mehr als die Hälfte der Befragten (50,5%) in den durchgeführten Telefoninterviews angaben, gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Erschütterungen erlitten zu haben (S. 9, 83 ff. des Gutachtens). Immerhin fast genauso viele Betroffene verneinten indes eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Im Übrigen gibt es keine objektivierbaren Belege für erschütterungsbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen von nennenswertem Ausmaß. Vielmehr berichtet das Gutachten von Befragungen von Ärzten verschiedenster Fachrichtungen im Raum Lebach durch das Gesundheitsamt des Landkreises Saarlouis in der Zeit zwischen 2002 und 2005, aus denen sich ergibt, dass bei dem überwiegenden Teil der Ärzte keine und auch insgesamt nur sehr wenige Patienten über gesundheitliche Probleme geklagt hätten, die in Zusammenhang mit den Beben gebracht werden können. Damit fehlt es letztlich an einer hinreichend objektivierbaren Grundlage für das Auftreten von erschütterungsbedingten Gesundheitsschädigungen bei einem durchschnittlichen Nutzer der betroffenen Wohngrundstücke, welche die Wesentlichkeit der Einwirkungen indizieren könnten.

e) Auch aus dem Umstand, dass die Anhaltswerte der DIN 4510 Teil 3 im hier maßgeblichen Zeitraum teilweise deutlich überschritten wurden, lässt sich allein die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung der Nutzung des Klägergrundstücks nicht herleiten.

aa) Gem. § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist die Einhaltung von in Gesetzen oder Rechtsverordnungen – gleiches gilt für nach § 48 BImSchG erlassene Verwaltungsvorschriften – festgelegten Grenz- oder Richtwerten ein Indiz für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung; umgekehrt hat die Rechtsprechung bei Überschreitung solcher Werte eine Indizwirkung für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung angenommen (vgl. BGH, Urt. v. 13.2.2004 – V ZR 217/03 = NJW 2004, 1317 m.w.N.). Dies gilt indes nicht für Vorschriften, die der Beurteilung individueller Beeinträchtigungen dienen oder private Standards darstellen, wozu die vom Erstgericht herangezogene DIN- oder VDI Normen gehören. Von den dort geregelten Grenzwerten geht keine Indizwirkung aus, sie können aber als Entscheidungshilfe im Rahmen der Gesamtwürdigung Berücksichtigung finden (vgl. BGHZ 111, 63, 67; Urt. v. 10.12.2004 – V ZR 72/04 = NJW 2005, 660 m.w.N.). Schon deshalb verbietet sich eine schematische Heranziehung der in DIN 4510 Teil 3 enthaltenen Werte zur Bestimmung der Wesentlichkeit.

bb) Die Überschreitung der Anhaltswerte enthält ferner keine verlässliche Grundlage für die Annahme erschütterungsbedingter Gebäudeschäden, die wiederum Indizwirkung für die Wesentlichkeit der Einwirkungen hätten (vgl. bereits oben unter c). Insoweit ist überdies zu beachten, dass die Anwendbarkeit von Teil 3 der DIN-Norm auf bergbauindizierte Erderschütterungen unter dem Vorbehalt steht, dass er keine Befassung mit den „Spezifika bergbaubedingter Beben“ enthält (vgl. bereits OVG, Beschluss v. 22.11.2007 aaO Rdn. 36 f.). Bergbaubedingte Erderschütterungen sind aufgrund ihrer kurzen Dauer und auch sonstigen Charakteristik zu den „Einzelereignissen“ i.S.d. DIN 4519 Teil 1 Abschnitt 5 zu rechnen, womit Ereignisse umschrieben werden, die hinsichtlich ihrer Wirkung zeitlich nicht zusammentreffen, sondern aufeinanderfolgen und die in der Regel „nicht zu ausgeprägten Resonanzen von Gebäuden und Bauteilen führen“ (5.1.1.). Werden bei solchen „kurzzeitigen Erschütterungen“, wie sie hier mit etwa 3 Sekunden Dauer streitgegenständlich sind, die Anhaltswerte der DIN überschritten, rechtfertigt dies grundsätzlich nicht die Annahme, dass Schäden auftreten; selbst bei deutlichen Überschreitungen der Anhaltswerte ist dies nicht notwendigerweise der Fall, sondern erfordert weitere Untersuchungen (so bereits OVG, Beschluss v. 22.11.2007 aaO Rdn. 36 m.w.N.; vgl. auch das gerichtliche Sachverständigengutachten des Dr. K. S. 10).

cc) Schließlich betrifft Teil 3 der DIN 4510 die Einwirkungen von Erschütterungen auf Gebäude und legt insoweit Anhaltswerte fest, bei deren Einhaltung erfahrungsgemäß Schäden nicht beobachtet wurden (Kap. 3.3 DIN 4510). Danach ist es zwar möglich, die Einwirkung von Erschütterungen auf Gebäude anhand dieser DIN-Norm zu beurteilen (vgl. BGH NJW 1999, 1029 m.w.N.). Verlässliche Hinweise auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder des Grades der Belästigung der Bewohner des Gebäudes sind damit indes nicht, jedenfalls nicht unmittelbar verbunden. Dies ist für die Annahme einer Beeinträchtigung der Wohnnutzung des Klägergrundstücks allerdings maßgeblich. Die Entscheidung darüber, ob eine Beeinträchtigung des Gebäudes vorliegt, das – wie hier – als Wohnhaus genutzt wird, hängt nämlich davon ab, ob das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und dadurch der Nutzungswert des Hauses gemindert wird (vgl. BGH WM 1980, 655; Palandt/Bassenge aaO Rdn. 17).

f) Für den Grad der Beeinträchtigung lässt sich ein Anhaltspunkt dagegen bei der Anlegung von Teil 2 der DIN 4510 bzw. des insoweit weitestgehend gleichlautenden Hinweises zur Messung, Beurteilung und Verminderung von Erschütterungsimmissionen gem. Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.5.2000 (sog. Erschütterungsleitlinie LAI – verfügbar unter http://www.lai-immissionsschutz.de) entnehmen (so auch OLG Düsseldorf VersR 1999, 113).

aa) Hier finden sich, wie der gerichtliche Sachverständige Dr. K. bereits in seinem Gutachten 2002 ausgeführt hatte und auch im Rahmen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens (S. 11 und 28) erneut bestätigt hat, Anhaltswerte zur Einschätzung der Erheblichkeit von Belästigungen. Hierzu werden ausgehend von den Schwinggeschwindigkeiten in mm/s bewertete Kenngrößen (KB-Werte) ermittelt, die den Frequenzgehalt einer Erschütterung berücksichtigen (Seite 13 d. Gutachtens). Teil 2 der DIN-Norm enthält ebenso wie die Erschütterungsleitlinie LAI Beurteilungsmaßstäbe i.S. von „antizipierten Sachverständigengutachten“ zur Konkretisierung des Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkungen und auch der erheblichen Belästigung durch Erschütterungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImschG (vgl. Erschütterungsleitlinie LAI Nr. 1, 2 und 2.2). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Erheblichkeit von Belästigungen keine messbare physikalische Größe ist, sondern auf individuellen und subjektiven Einschätzungen beruht, geben die in Teil 2 der DIN 4510 aufgeführten Anhaltswerte und die gleichlautenden Werte der Erschütterungsleitlinie LAI die Größenordnung wieder, bei denen eine erhebliche Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 1 BImschG angenommen werden kann.

bb) Auch insoweit gelten allerdings – wie oben bereits für den Teil 3 der DIN 4510 ausgeführt – Einschränkungen. Den verwendeten Anhaltswerten kommt mangels normkonkretisierender Wirkung der DIN 4510 bzw. der Erschütterungsleitlinie LAI auch hier keine Indizwirkung zu; sie stellen insbesondere keine Grenzwerte dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.08.1994 – 7 VR 3/94 = NVwZ 1994, 1000; OVG BW NVwZ 1998, 1086 m.w.N.). und können daher lediglich in der Gesamtwürdigung als Entscheidungshilfe Berücksichtigung finden, indem sie eine Wahrscheinlichkeitsprognose für das Auftreten erheblicher Belästigungen ermöglichen, die umso verlässlicher ist, je höher die Grenzwertüberschreitung ist (vgl. OLG Celle BauR 2005, 1653; Juris Rdn. 39).

Ferner dürfen sie – worauf etwa in der Erschütterungsleitlinie LAI (Nr. 2.1.) ausdrücklich hingewiesen wird – nicht schematisch angewandt werden, weil die Erheblichkeit nicht nur vom Ausmaß der Erschütterungsbelastung, sondern auch von anderen Faktoren geprägt wird. Insoweit ist in Nr. 4 DIN 4150 Teil 2 unter den Allgemeinen Hinweisen zur Beurteilung der Belästigung von Menschen in Gebäuden durch Erschütterungsimmissionen, auf die auch die Erschütterungsleitlinie LAI (Nr. 2.1.) Bezug nimmt, festgehalten, dass die Belästigung des Menschen durch Erschütterungen etwa von der Stärke, Frequenz, Einwirkungsdauer, Häufigkeit, Tageszeit, Auffälligkeit sowie Art und Betriebsweise der Erschütterungsquelle sowie überdies von der Wechselwirkung zu individuellen Eigenschaften und situativen Bedingungen der betroffenen Menschen (z.B. Gesundheitszustand, Tätigkeit während der Erschütterungsbelastung, Grad der Gewöhnung, Einstellung zum Erschütterungserzeuger, Erwartungshaltung in Bezug auf ungestörtes Wohnen und Sekundäreffekte) abhängt.

Schließlich zeigt das Beispiel der von oberirdischem Schienenverkehr ausgehenden Erschütterungen, dass letztlich die Anhaltswerte bei bestimmten Emmissionsquellen nur mit Vorsicht herangezogen werden können. Während nämlich noch die Vorläuferregelung, die Ausgabe 1992 der DIN 4150, ausdrücklich festhielt, dass für Erschütterungen an bestehenden Schienenwegen in der DIN-Norm keine Aussagen getroffen werden (Abschnitt 5.5.2.2), enthält Abschnitt 6.5.3.4 der hier anwendbaren Ausgabe 1999 der DIN 4150 Teil 2 den Hinweis, dass an bestehenden Schienenwegen die Anhaltswerte vielerorts überschritten seien, weil Verfahren zur Erschütterungsminderung nur begrenzt zur Verfügung stünden. Deshalb könne die Grenze der „Zumutbarkeit“ nur im Einzelfall anhand verschiedener Beurteilungskriterien festgestellt werden, wozu u.a. die historische Entwicklung der Belastungssituation, Höhe und Häufigkeit der Anhaltswertüberschreitung, Vermeidbarkeit der Anhaltswertüberschreitung bei Einhaltung des Stands der Technik sowie Duldungspflichten nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gehörten (vgl. auch Gutachten S. 11 sowie BVerwG, Urt. v. 15.3.2000 – 11 A 46/97 = NVwZ 2001, 81, JURIS Rdn. 92). Wenngleich diese Ausnahme ausdrücklich nur für schienenverkehrsbedingte Erderschütterungen aufgenommen ist, zeigt das Beispiel doch, dass der Gesichtspunkt der Vermeidbarkeit von Erschütterungen nach dem jeweiligen Stand der Technik bei der Heranziehung der Anhaltswerte eine offenbar nicht unerhebliche Rolle spielt und daher bei der Bewertung nicht außer Betracht bleiben kann.

g) Ausweislich des in zweiter Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. K. vom 30.9.2010 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 21. Mai 2011 sind die hier maßgeblichen Anhaltswerte im streitgegenständlichen Zeitraum von 16 Monaten in mindestens 30 Fällen teilweise sogar um ein Vielfaches überschritten worden. Der Kläger hat – von Beklagtenseite nicht widersprochen – vorgetragen, der Wohnort des Klägers sei ein allgemeines Wohngebiet, für das die Anhaltswerte der Spalte 4 (W) der Tabelle 1 der DIN 4150 Teil 2 (Anlage 6 des Gutachtens) gelten. Danach sind erhebliche Belästigungen nicht auszuschließen, wenn die Einzelerschütterung, gemessen in KB-Werten Ao = 3 tagsüber und Ao = 0,2 nachts (22.00 – 6.00 Uhr) überschreitet (S. 14 d. Gutachtens). Auf der Grundlage der vorliegenden Messergebnisse hat der Gutachter jeweils 15 über den Anhaltswerten liegende Erschütterungen am Tag und in der Nacht wie folgt festgestellt (S. 14 und 15 d. Gutachtens):

 Nr.   

Datum/Uhrzeit
(tagsüber)

 Kbmax

Datum/Uhrzeit
(nachts)

 Kbmax

 1     

07.03.2006 18:26:35

74,66

20.02.2006 01:11:26

56,94

 2     

15.05.2005 15:46:44

62,59

12.02.2006 01:23:38

31,56

 3     

23.02.2006 13:32:21

31,83

04.04.2006 02:55:05

26,32

 4     

09.01.2005 21:58:27

27,41

10.03.2006 23:42:06

24,22

 5     

25.02.2005 14:30:13

25,28

04.02.2006 22:28:01

18,87

 6     

13.02.2005 13:38:06

22,30

10.06.2005 03:14:27

16,75

 7     

03.08.2005 08:44:36

21,17

19.12.2005 04:37:07

16,17

 8     

05.11.2005 10:19:38

16,24

07.02.2006 23:22:05

12,40

 9     

26.02.2006 19:27:07

12,64

18.03.2005 23:55:09

8,79

 10    

22.03.2006 15:03:12

9,20

07.03.2006 23:56:51

2,86

 11    

22.09.2005 21:43:55

6,08

15.11.2005 02:58:28

1,77

 12    

10.03.2006 16:19:49

5,59

24.06.2005 00:33:04

1,61

 13    

26.11.2005 15:47:00

4,91

20.07.2005 03:27:42

1,48

 14    

16.03.2006 06:20:46

4,70

10.05.2005 22:26:35

1,33

 15    

17.02.2006 18:51:10

4,25

29.03.2006 05:47:59

1,27

Ob darüber hinaus die nächtlichen Anhaltswerte in weiteren Fällen überschritten wurden, war mit Blick auf die Beschränkung der Messergebnisse über den Schwellenwert von 1 mm/s nicht mehr verlässlich feststellbar. Eine Feststellung war indes auch nicht erforderlich. An der Überschreitung der Werte ändert sich ferner im Ergebnis nichts von Belang, wenn man – wie die Beklagte unter Verweis auf die Erschütterungsrichtlinie LAI meint – wegen größerer Unsicherheiten des Messverfahrens einen 15%-Sicherheitsabschlag von den gemessenen Werten vornehmen würde. Gleiches gilt für die Unwägbarkeit, die dadurch eintritt, dass die Erschütterungen an den Messstellen (geringfügig) größer waren als am weiter von der Erschütterungsquelle entfernten Haus des Klägers. Ersteres ergibt sich bei Anlegung eines 15%-Abschlages bereits rechnerisch; letzteren Umstand hat der Sachverständige in seiner Begutachtung erkannt (Seite 2 des Ergänzungsgutachtens), gleichwohl keinen Anlass dafür gesehen, die von ihm aufgezeigten Werte in Frage zu stellen. Einer ergänzenden Begutachtung, wie sie von der Beklagtenseite beantragt war, bedurfte es danach nicht.

h) Die Überschreitung der Anhaltswerte führt zwar entgegen der Annahme des gerichtlichen Sachverständigen (S. 11 des Gutachtens) – wie gezeigt – noch nicht automatisch zu einer Bewertung der Einwirkungen als erheblich oder wesentlich. Sie stellt jedoch einen Hinweis auf die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung dar, der im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung eine Bestätigung findet. Unter Berücksichtung von Dauer, Häufigkeit und Intensität der Erderschütterungen aber auch mit Blick auf die situative Vorbelastung des Grundstücks des Klägers in einem Bergbaugebiet erachtet die Kammer die Grenze des Zumutbaren in den Monaten Februar und Mai 2005 sowie in den Monaten Februar und März 2006 überschritten.

aa) Der Hinweis der Beklagten, Dauer und Häufigkeit der Erderschütterungen seien im Zeitraum von Januar 2005 bis April 2006 statistisch gesehen nur vergleichsweise gering anzusehen, ist zwar nicht geeignet, die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung völlig in Zweifel ziehen; indes kann eine Bewertung der Wesentlichkeit auch nicht ohne Berücksichtigung dieser Umstände erfolgen.

(1) Allerdings hat der Bundesgerichtshof Dauer und Häufigkeit von Einwirkungen für die Beurteilung der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen nicht unerhebliche Bedeutung zugemessen (BGH NJW 2003, 3699 unter II 2 b), so dass – wie die Beklagte zu Recht annimmt – für Erschütterungen nichts Abweichendes gelten dürfte. Legt man die für die Belästigungswirkung maßgebenden KB-Werte zugrunde, sind in einem Zeitraum von 16 Monaten letztlich „nur“ 24 Erschütterungen über dem Anhaltswert (Tag) und weitere 6 nächtliche Erschütterungen über dem Anhaltswert (Nacht) eingetreten, mithin im Mittel nur geringfügig mehr als 2 Ereignisse im Monat zu verzeichnen gewesen. Diese sind mit jeweils max. 3 Sekunden zudem von vergleichsweise geringer Dauer gewesen.

Ein vergleichbares Bild ergibt sich, wenn man die gemessenen Schwingungsgeschwindigkeiten zugrunde legt, die ausweislich der Darlegungen des Sachverständigen hinsichtlich der Horizontalbewegung in etwa 1:1 den KB-Werten entsprechen (S. 13 des Gutachtens). Danach sind in dem hier zunächst maßgeblichen Zeitraum (Januar 2005 bis Januar 2006) am Wohnort des Klägers – entgegen der Annahme des Erstgerichts – nicht 59 sondern lediglich 13 Erschütterungen gemessen worden, die eine Schwingungsgeschwindigkeit von 3 mm/s, den Anhaltswert der DIN 4150 Teil 3 für erschütterungsempfindliche Bauten wie das Wohnhaus des Klägers, und davon lediglich 10 Erschütterungen, die 5 mm/s und damit den Anhaltswert für Wohngebäude, überschritten. Dies gilt auch unter Einbeziehung der im Februar und März 2006 verstärkt auftretenden Erschütterungen, von denen immerhin 14 den Anhaltswert von 3 mm/s und davon 8 den Wert von 5 mm/s überschritten, was für sich gesehen keine hohe Häufigkeit von Ereignissen darstellt.

(2) Dennoch lässt sich vorliegend das Ausmaß der Beeinträchtigung nicht allein aufgrund der Dauer und Häufigkeit der Erschütterungen erfassen. Dies zeigt auch ein Blick auf die Entscheidungen in der Rechtsprechung, in denen wesentliche Erschütterungseinwirkungen sowohl bei hoher Häufigkeit (vgl. OLG Düsseldorf aaO: Erschütterungen durch Rütteleinwirkungen zeitweise täglich für 2,5 bis zu 6 Stunden; BGH MDR 1969, 648: anhaltende Erschütterungen von benachbartem Sägewerk), als auch bei verhältnismäßig niedrigen Frequenzen (vgl. BGHZ 91, 20: Geruchsbelästigung an 22 bis 108 Tagen pro Jahr; LG Düsseldorf NJW-RR 2000, 30: Erschütterungen durch Gleiswechsel 12 mal/Jahr) angenommen wurden. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung können insbesondere die Intensität der Störung und deren Auswirkung auf den Menschen (und damit letztlich auf den Wohnwert des Gebäudes) nicht außer Betracht bleiben, schon weil die Erheblichkeit der Belästigung – wie die DIN 4150 Teil 2 und auch die Erschütterungsleitlinie LAI zeigen – mit dem Maß der Intensität der Erschütterung deutlich ansteigt und die Wahrscheinlichkeit der Belästigung mit dem Ansteigen umso höher wird (vgl. OLG Celle aaO). Daran, dass in dem vorliegenden Zeitraum besonders intensive Erschütterungen erfolgt sind, besteht für die Kammer jedenfalls in den Fällen, die weit über der Maximalgrenze von 30 mm/s liegen, die ausweislich der Aufzeichnung der Beklagten aus dem Ruhrgebiet und dem Saarland den Bereich markiert, bis zu dem bergbauindizierte Erderschütterungen nicht ungewöhnlich sind, kein Zweifel, zumal in zwei Fällen sogar mehr als doppelt so starke Schwinggeschwindigkeiten und entsprechend hohe KB-Werte erreicht wurden.

(3) Es kommt hinzu, dass die absolute Dauer der Erschütterungen zwar mit max. 3 Sekunden vergleichsweise gering bemessen ist. Wie der gerichtliche Sachverständige indes darlegt, ist die Einwirkungsdauer für die Beurteilung der Erschütterungseinwirkung selbst unerheblich (S. 25 d. Gutachtens). Aber auch bei der Einschätzung der Wesentlichkeit wird die vergleichsweise kurze Einwirkungsdauer durch die vom Sachverständigen (S. 7 des Gutachtens i.V.m. dessen Anlage 1) nachvollziehbar geschilderte Empfindlichkeit von Menschen bei der Wahrnehmung von Erderschütterungen in einer vermeintlich sicheren und ruhigen Umgebung kompensiert, indem gerade bei besonders intensiven Erderschütterungen Furcht und Angst entstehen, die sich bis hin zu Angstattacken steigern können, die wiederum aus einem zurückgehaltenen bzw. nicht realisierten Fluchtreflex resultieren. Diese eher psychische Belastung – eine eigenständige Gesundheitsgefährdung durch die hier auftretenden kurzzeitigen Einzelerschütterungen ist ausweislich des gerichtlichen Sachverständigen nicht möglich – wird durch die Unberechenbarkeit der bergbauindizierten Erderschütterungen, die sich weder zeitlich noch quantitativ auch nur annähernd voraussagen lassen, und dem daraus resultierenden Überraschungseffekt zudem erschwert mit der Folge, dass auch solche kurzzeitigen Erderschütterungen mittelbar gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie die Verstärkung vorhandener Krankheitssymptome hervorrufen können.

(4) Vor diesem Hintergrund erachtet es die Kammer für geboten, die Bestimmung der Wesentlichkeit in Abhängigkeit von der jeweiligen Intensität der Erschütterung, deren Dauer und auch deren Häufigkeit vorzunehmen. Weil insbesondere die Dauer der hier maßgeblichen Erderschütterungen vergleichsweise kurz ist, führt nicht jede den Anhaltswert überschreitende Erderschütterung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung. Vielmehr ist, wovon auch das Erstgericht im Ansatz ausgegangen ist, das Erreichen der Wesentlichkeitsgrenze davon abhängig, wie viele Erschütterungen von welcher Intensität vorgelegen haben.

bb) Der Umstand, dass das klägerische Grundstück in einer situativ vorbelasteten Umgebung liegt, konkretisiert die so gefundene Wesentlichkeitsschwelle, die zugleich die Zumutbarkeitsgrenze i.S.d. § 906 Abs. 2 Satz 2 darstellt, weiter. Das Erstgericht ist davon ausgegangen, das Klägergrundstück sei in einem Wohnort mit dörflichem Charakter in naturnaher Lage belegen. Dies ist zutreffend und wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen. Entgegen seiner Einschätzung befindet es sich jedoch sehr wohl in einer aus der Bergbautätigkeit resultierenden situationsbedingten Belastungssituation.

(1) Diese ergibt sich allerdings nicht aus einer tatsächlichen Vorbelastung, die nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme dazu führen kann, dass auch solche Erschütterungen, die die Anhaltswerte überschreiten, bis zur Grenze der Eigentums- und/oder Gesundheitsverletzung als zumutbar anzusehen sind, solange sich die Erschütterungen im Rahmen der bisherigen Vorbelastung halten (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.12.201 – 7 A 14/09 = NVwZ 2011, 676 Rdn. 28 f. m.w.N.). Eine solche tatsächliche Vorbelastung besteht für das Klägergrundstück nicht. Der für die hier maßgeblichen Erderschütterungen ursächliche Abbau wurde erstmals im Jahr 2000 aufgenommen, mithin deutlich später als der Erwerb des Hauses durch den Kläger und seine Ehefrau. Überdies hat der Kläger – von der Beklagten letztlich nicht widersprochen – vorgetragen, dass auch nur annähernd vergleichbare Erderschütterungen im saarländischen Kohlebergbau vor dem Jahr 2001 nicht eingetreten waren. Dem entspricht die Darlegung im Gutachten des Prof. W. von Oktober 1998, mit dem die Mitte 1997 aufgetretenen Erschütterungsereignisse im Abbaubereich Strebe 8.5/8.6 Ost im Feld Dilsburg untersucht wurden, wonach Verwerfungsbeben und dadurch ausgelöste Erderschütterungen in Gefolge der Steinkohlengewinnung eher Ausnahmeerscheinungen sind, die an bestimmte Gegebenheiten geknüpft sind (S. 13 des Gutachtens, Bl. 767 d.A.). Dem entspricht ferner, dass – wie die Beklagte vorgetragen hat – Erderschütterungen im damaligen Bergwerk Ensdorf jedenfalls bis 2001 stets unter dem Wert von 5 mm/s lagen, mithin erst ab 2001 höhere Werte im saarländischen Bergbau erreicht wurden, die mit 10,9 mm/s am 9.1.2001 erstmals den Wert von 10mm/s überstiegen.

(2) Wie die Beklagte jedoch zu Recht darlegt, hat das Gebiet, in dem das Klägergrundstück gelegen ist, dadurch eine Vorprägung, dass es im Bereich einer Steinkohlenlagerstätte liegt und der Steinkohlenabbau in weiten Teilen des Saarlandes seit jeher betrieben wird. Ungeachtet der Frage, wann sich der Abbau auf die konkrete Lagerstätte verlagert, besteht damit ein potentieller Interessenkonflikt zwischen obertägigen Grundstückseigentümern und den Auswirkungen aus untertägigem Bergbau. Bei der Zumutbarkeit i.S.d. § 906 Abs. 2 – Entsprechendes gilt für die Beurteilung der Wesentlichkeit – ist deshalb die Abwägung der beiderseitigen Interessen an einer bestimmten Nutzung der jeweiligen Grundstücke geboten (vgl. BGHZ 69, 119, 127; Staudinger/Roth aaO Rdn. 261 m.w.N.). Dieser situationsbedingte Interessenkonflikt ist mit Blick auf das gegenseitige Rücksichtnahmegebot zu bewerten und führt hier im Ergebnis zu einem Ansteigen der Zumutbarkeitsschwelle. Insoweit berücksichtigt die Kammer, dass bergbauindizierte Erschütterungen in einem potentiellen Bergbaugebiet nach Beginn des Abbaus grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können. Im gegebenen Fall kommt hinzu, dass sich die Vermeidung der bergbauindizierten Erderschütterungen trotz zahlreicher Versuche, mit Hilfe von zusätzlichen Maßnahmen die Verwerfungsbeben einzudämmen, schwierig gestaltete. Gerade die Historie des hier maßgeblichen Abbaus durch die Beklagte zeigt, dass auch unter Experten aus der Wissenschaft, wie sie im Vorfeld sowohl von Seiten der Bergbehörde als auch von Seiten der Beklagten zeitnah herangezogen wurden, Verfahren zur verlässlichen Verhütung oder entscheidenden Verminderung der hier auftretenden bergbaubedingten Erderschütterungen letztlich nur experimentell ermittelt werden konnten. Trotz zahlreicher Gutachten und entsprechender Auflagen der Bergbehörde konnte ein erschütterungsverminderndes Abbauverfahren erst spät und teilweise sogar überhaupt nicht gefunden werden. Angesichts der engen Einbindung der Bergbaubehörde, die zahlreiche Auflagen nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand verfügte, waren die Erderschütterungen durch den Abbau der Beklagten – sieht man von der völligen Einstellung des Abbaus im hier maßgeblichen Streb ab – nach damaligem technischen Verständnis nicht zu verhindern. Die Kammer hält dies für einen Gesichtspunkt, auf den der Kläger als Bewohner eines in einem Bergbaugebiet gelegenen Wohnhauses angemessen Rücksicht nehmen muss.

cc) Bei einer Gesamtbetrachtung der oben aufgeführten, wesentlichen Gesichtspunkte für die Bemessung der Zumutbarkeitsschwelle führt dies zu folgender Abwägung: Ist die Intensität einer Erderschütterung so hoch, dass sie das auch in anderen Bergbaugebieten allenfalls noch übliche Maß von Erschütterungsgeschwindigkeiten von 30 mm/s bzw. dem (horizontalen) KBFmax von 30 und damit immerhin ein Vielfaches der Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 überschreitet, spricht bereits die besondere Schwere der Erschütterung und die damit für die Kammer nachvollziehbare subjektive Bedrohungslage der betroffenen Menschen dafür, hier eine unzumutbare und damit auszugleichende Einwirkung anzunehmen, auch wenn die Erschütterung – wie hier – max. 3 Sekunden dauert und auch nur ein einmaliges Ereignis im jeweiligen Monat ist. Umgekehrt werden Erschütterungen, die den Anhaltswert (Tag) nicht überschreiten, auch dann nicht unzumutbar, wenn sie zur Nachtzeit erfolgen; dem Anhaltswert (Nacht) kommt mithin hier keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gebietet die fehlende technische Vermeidbarkeit der Erderschütterungen, die insbesondere auch keine Kontrolle darüber erlaubt, zu welchem Zeitpunkt der Abbruch des Gesteinsüberhangs und damit das für die Erschütterungen ursächliche Verwerfungsbeben erfolgen. Bei Erschütterungen, deren Intensität zwischen dem Anhaltswert (Tag) und dem Maximalwert von KBFmax 30 liegen, entscheidet die Häufigkeit der unterschiedlich intensiven Erschütterungen über die Wesentlichkeit. Weil hier die Grenzen letztlich fließend sind, entscheidet sich die Kammer für einen gestuften Maßstab. Sind pro Monat mindestens zwei Erschütterungen über dem Wert von KBFmax 20 oder mindestens drei Erschütterungen über dem Wert von KBFmax 10 aufgetreten, ist dies ebenso unzumutbar wie vier Erschütterungen über dem jeweiligen Anhaltswert (Tag), hier Ao= 3.

5. Unter Zugrundelegung des obigen Maßstabes sind wesentliche und damit zugleich unzumutbare Beeinträchtigungen im Bereich des klägerischen Anwesens in folgenden Zeiträumen (schattiert) eingetreten:

 Monat

Datum/Uhrzeit
(tagsüber)

 Kbmax

Datum/Uhrzeit
(nachts)

 Kbmax

 Ereignisse

 01/05

09.01.2005 21:58:27

27,41

                 

1

02/05 

13.02.2005 13:38:06

22,30

25.02.2005 14:30:13

25,28

2

03/05 

18.03.2005 23:55:09

8,79

                 

1

04/05 

                                   

0

05/05 

15.05.2005 15:46:44

62,59

                 

1

06/05 

10.06.2005 03:14:27

16,75

                 

1

07/05 

                                   

0

08/05 

03.08.2005 08:44:36

21,17

                 

1

09/05 

22.09.2005 21:43:55

6,08

                 

1

10/05 

                                            

11/05 

05.11.2005 10:19:38

16,24

26.11.2005 15:47:00

4,91

2

12/05 

19.12.2005 04:37:07

16,17

                 

1

01/06 

                                   

0

02/06 

04.02.2006 22:28:01

18,87

17.02.2006 18:51:10

4,25

        
        

07.02.2006 23:22:05

12,40

20.02.2006 01:11:26

56,94

        
        

12.02.2006 01:23:38

31,56

26.02.2006 19:27:07

12,64

6

03/06 

07.03.2006 18:26:35

74,66

16.03.2006 06:20:46

4,70

        
        

10.03.2006 16:19:49

5,59

22.03.2006 15:03:12

9,20

        
        

10.03.2006 23:42:06

24,22

23.02.2006 13:32:21

31,83

6

04/06 

04.04.2006 02:55:05

26,32

                 

1

B.

Der Höhe nach steht dem Kläger ein Anspruch auf Ausgleich des unzumutbaren Teils der Beeinträchtigung zu, weil Einwirkungen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit hingenommen werden müssen (BGHZ 178, 90, 100). Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 19. September 2008 (aaO) erneut festgestellt hat, sind bei der Bemessung des nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geschuldeten Ausgleichsanspruchs die Grundsätze der Enteignungsentschädigung maßgeblich, wonach ein Ausgleich für – wie hier – konkrete Beeinträchtigungen in der Nutzung eines selbstbewohnten Hauses zu erfolgen hat, der an der hypothetischen Minderung eines monatlichen Mietzinses orientiert werden kann.

Ausgehend hiervon schätzt die Kammer den Ausgleich gem. § 287 ZPO für jeden Monat, in dem die Wesentlichkeit nach den obigen Darlegungen zu bejahen ist, grundsätzlich auf 20% des hypothetischen Mietzinses des klägerischen Anwesens, dessen Höhe mit zuletzt unstreitigen 950,- EUR/Monat anzusetzen ist. In den beiden Monaten, in denen – wie hier im Februar und März April 2006 – besonders häufige und zugleich besonders schwere Erderschütterungen aufgetreten sind, erhöht sich der Ausgleichsanspruch auf 40% des Wohnwertes in Gestalt des hypothetischen Mietzinses. Dies führt zu hypothetischen Mietminderungsbeträgen von jeweils (950 x 20% =) 190,- EUR für Februar und Mai 2005 sowie jeweils (950 x 40% =) 380,- EUR für die Monate Februar und März 2006, insgesamt zu einem auszugleichenden Betrag von 1.140,- EUR.

III.

Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, wobei der Ausgleichsanspruch betreffend die beiden Monate in 2006 erstmals mit Schriftsatz vom 3.5.2006 hilfsweise erhoben wurde und die Verzinsung – wie das Erstgericht unwidersprochen angenommen hat – erst nach Ablauf der in der Klage bezeichneten Monatsfrist beginnen sollte. Der Streitwert war gem. § 3 ZPO i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG festzusetzen, wobei die Hilfsbegründung der Klage in Gestalt einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nicht zur Entscheidung angefallen ist und daher nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da der vorliegende Prozess den Charakter eines Musterprozesses stellvertretend für zahlreiche andere Bergbaubetroffene und damit eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Wohnhausgrundstücks C-Straße in C-Stadt (Parzellen Nrn. 44/63, 44/64, 44/65, 180/25, 180/03 und 180/04 in Flur 6 der Gemarkung Bilsdorf). Dieses ist von den Auswirkungen des von der Beigeladenen (Bergwerk Saar/Ensdorf) auf der Grundlage eines bestandskräftigen Rahmenbetriebsplans aus dem Jahre 1990 und einer Sonderbetriebsplanzulassung des Antragsgegners für die „Anhörung der Oberflächeneigentümer“ vom 25.11.2005 durchgeführten Abbaus der Strebe Prims 1 bis Prims 4 im südöstlich der Ortslage von Bilsdorf gelegenen Flöz Schwalbach, Feld Primsmulde (Süd), betroffen. Der Sonderbetriebsplan wurde im August 2006 auf Antrag der Beigeladenen hinsichtlich der im so genannten Doppelstrebsystem gefahrenen Strebe Prims 1 und Prims 2 für sofort vollziehbar erklärt. Der Abbau findet gegenwärtig von Westen her statt. Mit dem Abbau der Strebe Prims 3 und Prims 4 soll nach der Planung der Beigeladenen im Jahr 2009 begonnen werden.

Das Grundstück der Antragsteller ist in den Genehmigungsunterlagen zum Sonderbetriebsplan für die Anhörung der Oberflächeneigentümer unter der Kenn-Nr. 2115 und mit den Objekt-Nrn. 4106 bis 4112 aufgeführt. Nach den bereits die von der Sofortvollzugsanordnung noch nicht erfassten Strebe Prims 3 und Prims 4 einschließenden Berechnungen der Beigeladenen und des Antragsgegners sind durch den Abbau aller vier Strebe für das Anwesen eine maximale Senkung von 4 cm, eine maximale Schieflage von 0,3 mm/m, eine Zerrung bis 0,4 mm/m sowie eine Pressung bis minus 0,1 mm/m prognostiziert. Aufgrund seiner Lage über einer tektonischen Störung werden in den Nebenbestimmungen zur Sonderbetriebsplanzulassung bestimmte Überwachungs- und gegebenenfalls Sicherungsmaßnahmen angeordnet.

Die Antragsteller, die im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nach § 48 Abs. 2 BBergG (vgl. die Veröffentlichung im Amtsblatt des Saarlandes vom 1.4.2004, Seite 748) im Mai 2004 umfangreiche Einwendungen gegen den geplanten Kohleabbau erhoben hatten, beantragen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (vgl. den Widerspruchsbescheid des Oberbergamts für das Saarland und das Land Rheinland-Pfalz vom 18.8.2006 – II ENPS/662/06-4 –) beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage gegen die Sonderbetriebsplanzulassung.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28.3.2007 – 5 F 22/06 – ist zulässig, aber unbegründet. In Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht eines in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Entscheidend ist daher das (voraussichtliche) Vorliegen einer für den Erfolg der beim Verwaltungsgericht unter der Geschäftsnummer 5 K 74/06 anhängigen Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung speziell ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die bergbehördliche Zulassungsentscheidung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ob diese Genehmigungsentscheidung ansonsten objektiv-rechtlich den für sie geltenden gesetzlichen Anforderungen genügt, spielt demgegenüber – auch im Aussetzungsverfahren – keine Rolle. Die Erfolgsaussichten der Antragsteller im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht zu Recht negativ eingeschätzt und daher ihr Aussetzungsbegehren zurückgewiesen. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1. Das gilt zunächst, soweit sich die Antragsteller gegen die Beschränkung der Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit der Sonderbetriebsplanzulassung vom 25.11.2005 auf die gegenwärtig im Abbau befindlichen Strebe Prims 1 und Prims 2 wenden und in dem Zusammenhang geltend machen, das Verwaltungsgericht habe „demgemäß auch in dem vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren alleine die Auswirkungen des Abbaus dieser beiden Strebe berücksichtigt“. Zum einen bestehen gegen diese Beschränkung auf die gegenwärtig im Abbau befindlichen beiden Strebe keine Bedenken, da diese sowohl vom Abbauvorhaben her einer selbständigen „Vollziehung“ zugänglich sind, insbesondere ihr Abbau nicht notwendig die Ausbeutung der in der Sonderbetriebsplanzulassung vom 25.11.2005 ferner zugelassenen Strebe Prims 3 und Prims 4 zur Folge hat. Das Vorliegen einer insoweit sachlich teilbaren Zulassungsentscheidung des Antragsgegners rechtfertigt die Beschränkung der Betrachtung auf die „Vollzugsfolgen“ im Aussetzungsverfahren. Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits zutreffend festgestellt hat, wären bei der rechtlichen Beurteilung des späteren Abbaus in den Streben Prims 3 und Prims 4 gegebenenfalls dann bereits eingetretene Folgen des Abbaus in den Streben Prims 1 und Prims 2 in die Gesamtbetrachtung einzustellen. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Strebpaare im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit folgt darüber hinaus dem Abbaufortschritt, ist daher nicht willkürlich und lässt sich auch nicht mit dem Attribut „Salamitaktik“ oder als „willkürliche Aufsplittung“ beschreiben. Hierdurch wird auch nicht – wie die Antragsteller meinen – die „Gesamtkonzeption“ des Abbaus verändert. Der Verweis der Antragsteller auf „unterschiedliche Senkungsgrenzen und Einwirkungslinien“ der einzelnen Strebe gibt Veranlassung zu dem Hinweis, dass sich die Strebe Prims 1 und 2 im Süden des Abbaubereichs und deutlich weiter entfernt vom nördlich davon gelegenen Grundstück der Antragsteller befinden als die Strebe Prims 3 und 4.

Zum anderen kommt in der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts an mehreren Stellen zum Ausdruck, dass der Beurteilung, was die zu erwartende maximale Senkung (4 cm), die maximale Schieflage (0,3 mm/m) sowie die Zerrung (max. 0,4 mm/m) und die Pressung (max. - 0,1 mm/m) anbelangt, bezogen auf den vorliegenden Verfahrensgegenstand zugunsten der Antragsteller bereits die von dem Antragsgegner für deren Anwesen prognostisch ermittelten Gesamtauswirkungen des Abbauvorhabens, also der Strebe Prims 1 bis Prims 4, zugrunde gelegt wurden, weil die Berechnungen keine Differenzierung enthalten. (vgl. dazu die Ausführungen auf Seite 4 oben des angegriffenen Beschlusses vom 28.3.2007 – 5 F 22/06 –, wo im Übrigen ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass – mit entsprechenden Folgen für die Einzelbetrachtung – die Strebe Prims 1 und Prims 2 vom Grundstück der Antragsteller weiter entfernt liegen als die Strebe Prims 3 und Prims 4, sowie die entsprechende Gesamtbetrachtung der Abbaufolgen auf Seite 16) Zumindest unter dem Aspekt gibt es im Ergebnis auch keine unter Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht berücksichtigten oder „angeblich nicht berücksichtigungsfähigen Auswirkungen des Gesamtvorhabens“. Was daran – wie die Antragsteller meinen – „unpräzise“ oder gar in der Formulierung „nebulös“ sein soll, bleibt unverständlich. Nochmals: Das Verwaltungsgericht hat die Frage der voraussichtlichen subjektiven Rechtsverletzung der Antragsteller insoweit am Maßstab der Auswirkungen (bereits) des Gesamtvorhabens (Strebe Prims 1 bis 4) beurteilt, obwohl die Sofortvollzugsanordnung nur die beiden ersten Strebe betrifft. Da der genannte Maßstab demjenigen entspricht, der bei einer Sofortvollzugsanordnung aller vier Strebe anzulegen wäre, ist nicht zu erkennen, worin bei dieser Vorgehensweise irgendeine Benachteiligung der Antragsteller oder gar eine Verkürzung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten liegen sollte. Lässt sich nämlich an diesem Maßstab keine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller für die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO prognostizieren, so gilt das erst recht für eine auf die Strebe Prims 1 und 2 begrenzte Zulassungsentscheidung. Der umfangreiche Vortrag der Antragsteller geht deshalb an der Sache vorbei. In den entscheidenden Punkten wird – was die betreffenden tatsächlichen Auswirkungen des Abbaus betrifft – die von den Antragstellern gerade geforderte Gesamtbetrachtung vorgenommen. Die von den Antragstellern beanstandete Formulierung auf Seite 3 des erstinstanzlichen Beschlusses, wonach eine Gesamtprüfung der „Folgen der Sonderbetriebsplanzulassung vom 25.11.2005 insgesamt“ im vorliegenden Verfahren „noch nicht möglich“ sei, steht klar allein im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit (Statthaftigkeit) ihres Aussetzungsantrags.

Wenn die Antragsteller auf die in der Sonderbetriebsplanzulassung vom November 2005 enthaltenen Nebenbestimmungen (Auflagen) für das gesamte Abbauvorhaben hinweisen, so lässt sich hieraus mit Sicherheit (auch) kein formeller Bestimmtheitsmangel im Sinne des § 37 Abs. 1 SVwVfG herleiten. Ein solcher würde für sich genommen ohnedies nicht die Annahme einer Rechtsverletzung der Antragsteller rechtfertigen. (vgl. zu den Voraussetzungen für die Annahme einer subjektiven Rechtsverletzung in Fällen der Drittanfechtung unter diesem Aspekt allgemein etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kap. XI RNrn. 38, 39)

2. Auch nach dem Beschwerdevorbringen ist davon auszugehen, dass die Sonderbetriebsplanzulassung vom 25.11.2005 in der hier maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheids des Oberbergamts vom 18.8.2006 inhaltlich nicht an einem ihre Aufhebung rechtfertigenden Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsteller leidet.

2.1 Eine Verletzung von Rechten der Antragsteller folgt entgegen ihrer Auffassung nicht bereits unter dem Gesichtspunkt einer – vermeintlich – zu Unrecht unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vor der Zulassung des Anhörungsbetriebsplans.

2.1.1 Das ergibt sich bereits daraus, dass das Umweltverträglichkeitsrecht nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, (grundlegend: OVG des Saarlandes, Beschluss vom 29.5.1995 – 8 W 9/95 –, SKZ 1995, 251, Leitsatz Nr. 10) auch des erkennenden Senats, (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.4.2004 – 2 R 26/03 –, SKZ 2005, 73, Leitsatz Nr. 33, unter Hinweis auf den einem Enteignungsbetroffenen zustehenden Anspruch auf „Gewährleistung einer gemeinwohlbezogenen Enteignung“, wobei in der Entscheidung eine Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) bezüglich eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans (§ 52 Abs. 2a BBergG, Planfeststellungsbeschluss) auch angesichts „unterstellt fehlerhafter Umweltverträglichkeitsprüfung“ verneint worden ist) den Oberflächeneigentümern keinen Drittschutz zu vermitteln vermag. Ein einklagbares Recht auf Durchführung einer von Gesetzes wegen erforderlichen UVP, die gegebenenfalls unselbständiger Teil des Verwaltungsverfahrens (Planfeststellung) ist (§ 2 Abs. 1 UVPG) und dazu dient, die Umweltbelange für die abschließende Entscheidung aufzubereiten, kommt nur ausnahmsweise bei einer beabsichtigten Enteignung des Betroffenen im Verständnis des Art. 14 Abs. 3 GG in Betracht. Davon ist im Fall der Antragsteller nicht die Rede.

An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Sie ist jedenfalls für den vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht „durch die jüngere europäische und nationale Gesetzgebung überholt“. Dies gilt zunächst für die in dem Zusammenhang von ihnen angeführten Bestimmungen des zur Umsetzung von Vorgaben in Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie 2003/35/EG vom 26.5.2003 (vgl. ABl. L 156 Seite 17, abgedruckt z.B. im Anhang 5 bei Gassner, UVPG, 1. Auflage 2006, Seiten 465 ff.) über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten erlassenen Umwelt-Rechtsbehelfegesetzes (URG). (vgl. das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 7.12.2006, BGBl. 2816) Dieses Gesetz hat in erster Linie eine zusätzliche Verbandsklagemöglichkeit für bestimmte „anerkannte Vereinigungen“ ohne eigene subjektiv-rechtliche Betroffenheit und damit prozessual eine gesetzliche Einräumung der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) im Blick. Seine Anwendbarkeit auf das Anfechtungsbegehren der Antragsteller ließe sich nur aus § 4 Abs. 3 URG herleiten. Die Vorschrift erstreckt die Befugnis der „Vereinigungen“, bei gesetzwidrig unterbliebener Umweltverträglichkeitsprüfung die Aufhebung einer Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben zu verlangen (§ 4 Abs. 1 URG), auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO, also – wenn man das wörtlich nehmen wollte – auf alle natürlichen und juristischen Personen (§ 61 Nr. 1 VwGO). Inwieweit im Wege der Auslegung der Regelung unter systematischer Nutzbarmachung der umzusetzenden gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, (vgl. den in Art. 3 Nr. 7 der RiL 2003/35/EG als Ergänzung der RiL 85/337/EWG enthaltenen „Art. 10a“ und den in Art. 4 Nr. 4 als Ergänzung der RiL 96/61/EG enthaltenen „Art. 15a“ („Zugang zu den Gerichten“)) etwa durch ergänzende Interpretation des darin verwandten Begriffs der „interessierten Öffentlichkeit“ Einschränkungen zu machen sind, mag dahinstehen. Nach der klaren Regelung in § 5 URG gilt dieses Gesetz des ungeachtet erst für Verfahren, die nach dem 25.6.2005, also nach Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 6 Abs. 1 der RiL 2003/35/EG, eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Das ist hier entgegen der Auffassung der Antragsteller, die insoweit nicht nachvollziehbar auf den Erlass des Widerspruchsbescheids im August 2006 hinweisen, nicht der Fall. „Eingeleitet“ wird ein Genehmigungsverfahren mit dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung, hier der Betriebsplanzulassung. Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung des Sonderbetriebsplans „Anhörung der Oberflächeneigentümer nach § 48 Abs. 2 BBergG“ für den Abbau der Strebe Prims 1 bis Prims 4 ist am 14.10.2003 beim Antragsgegner eingegangen, also lange vor dem nach § 5 URG für die Anwendbarkeit des Gesetzes maßgeblichen Zeitpunkt. Der § 4 Abs. 3 URG wäre von daher vorliegend selbst dann nicht geeignet, den Antragsstellern eine – mit ihren Worten – „drittschutzbezogene Berechtigung“ zu verleihen, wenn man für den Sonderbetriebsplan selbst eine UVP-Pflichtigkeit unterstellen wollte.

Soweit die Antragsteller in dem Zusammenhang ferner auf den neuen Art. 10a der UVP-Richtlinie 85/337/EWG hinweisen, kommt dem keine eigenständige Bedeutung zu. Eingeführt wurde diese Vorschrift durch den erwähnten Art. 3 Nr. 7 der RiL 2003/35/EG und gerade dessen Umsetzung in nationales Recht dient das URG. Diese erfolgte hinsichtlich des Anwendungsbefehls (§ 5 URG) unter Übernahme der Umsetzungsfrist im Sinne des Art. 6 der RiL 2003/35/EG. Die Frage einer irgendwie gearteten „Direktwirkung“ aufgrund entsprechender Fristversäumnisse der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der weiteren, damit zusammen hängenden Frage des Vorliegens der inhaltlichen Anforderungen für eine unmittelbare innerstaatliche Berufungsmöglichkeit potentiell Berechtigter auf dieses Gemeinschaftsrecht (Art. 10a UVP-RiL) stellt sich daher nicht. Ob der Begriff „betroffenen Öffentlichkeit“ in der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe weiter ist als in der nationalen Umsetzung, (vgl. hierzu auch das Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 9.12.2006, BGBl. Seiten 2819 ff.) kann ebenfalls dahinstehen.

Der breiten Befassung der Antragsteller mit der 2. Alternative im Halbsatz 1 des § 5 URG, insbesondere aber die von ihnen daraus gefolgerte Anwendbarkeit des Gesetzes auf den streitgegenständlichen Sonderbetriebsplan kann nicht nachvollzogen werden. Hier geht es nicht darum, ob „ein Verfahren“ mit den Folgen der UVP-Pflichtigkeit „hätte eingeleitet werden müssen“. Das Zulassungsverfahren auch für den Sonderbetriebsplan „Anhörung“ wurde, wie ausgeführt, bereits im Oktober 2003 tatsächlich „eingeleitet“. Wollte man der Interpretation der Antragsteller folgen und das URG auf alle im Zeitpunkt seines Inkrafttretens noch nicht abgeschlossenen Verfahren anwenden, so liefe die 1. Alternative des 1. Halbsatzes in § 5 URG leer. Diese Auslegung widerspräche erkennbar dem Willen des nationalen Gesetzgebers. Für vor dem Stichtag eingeleitete Verfahren stellt sich die Frage nicht, ob ein solches Verfahren „hätte eingeleitet werden müssen“. Die Regelung erfasst vielmehr Fallkonstellationen, in denen eine Genehmigungsbehörde beziehungsweise der Vorhabenträger oder beide zusammen auf die „Einleitung“ eines Verfahrens vor der Realisierung entweder bewusst oder aufgrund fehlerhafter Interpretation der Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsrechts „verzichten“. Die 2. Alternative des 1. Halbsatzes des § 5 URG soll eine derartige Umgehung des UVP-Erfordernisses sanktionieren. Angesichts der eindeutigen Vorgaben des nationalen Gesetzgebers ist auch weder Veranlassung noch Raum, im Wege einer „europarechtlich veranlassten“ Uminterpretation (so wohl OVG Koblenz, Urteil vom 25.1.2005 – 7 B 12114/04 -, DÖV 2005, 436, zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, wonach es auf die Umsetzungsfrist nicht ankommen soll, weil das deutsche Verfahrens- und Prozessrecht in seinem Bestand „ohne weiteres in der Lage“ sein soll, einer selbständigen drittschützenden Funktion von Verfahrensbestimmungen Anerkennung zu verschaffen) des § 5 URG die Befugnisse Einzelner zur Berufung auf das verfahrensfehlerhafte Unterbleiben einer UVP auszudehnen.

2.1.2 Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Frage der objektiven UVP-Pflichtigkeit, insbesondere der Maßgeblichkeit der vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die UVP-Richtlinie (vgl.  hierzu Art. 12 Abs. 1 der RiL 85/337/EWG des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RiL)) beantragten Rahmenbetriebsplanzulassung im Umweltverträglichkeitsrecht wegen der mangelnden subjektiven Berufungsmöglichkeit der Antragsteller im konkreten Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist. Schon deswegen ist die von den Antragstellern in dem Zusammenhang begehrte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht veranlasst. Darüber hinaus hält der Senat an seiner Rechtsauffassung fest, dass hinsichtlich der Frage des Erfordernisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung allein auf den erwähnten Rahmenbetriebsplan aus dem Jahre 1990 abzustellen ist und dass dieser einer derartigen Umweltprüfung noch nicht bedurfte. Mit dem Rahmenbetriebsplan wurde im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG über die „Zulässigkeit des Vorhabens“ entschieden und dem Vorhabenträger allgemein das „Recht zur Durchführung“ (vgl. die Definition der „Genehmigung“ in Art. 1 Abs. 2 UVP-RiL) des Abbaubetriebs in dem konkreten Gebiet eingeräumt. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, für welche Vorhaben des Übergangszeitraums bis zur nationalen Umsetzung in den Mitgliedstaaten die Anforderungen der UVP-Richtlinie in zeitlicher Hinsicht noch nicht galten. Dies betrifft nicht nur die vor dem 3.7.1988, also vor Ablauf der dreijährigen Umsetzungsfrist genehmigten Fälle, sondern auch die Vorhaben, in denen das Genehmigungsverfahren vor dem genannten Zeitpunkt eingeleitet worden war („Pipeline-Projekte“). (vgl. dazu grundlegend EuGH, Urteil vom 11.8.1995 – Rs C-431/92 –, Slg. 1995 I 2189 ff., insbes. Leitsatz 2, wonach es den Mitgliedstaaten, die nicht zeitgemäß umgesetzt hatten, verwehrt war, ein nach dem Stichtag begonnenes Genehmigungsverfahren für ein Projekt von den Verpflichtungen der Richtlinie zu befreien, wobei es auf den Zeitpunkt der Stellung des förmlichen Genehmigungsantrags ankam; zur Überleitung speziell im deutschen Bergrecht Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990, BGBl. Seiten 215, 217) Das war hier der Fall. Der Antrag auf Zulassung des Rahmenbetriebsplans war am 5.2.1988 beim Antragsgegner eingegangen.

Die Ansicht der Antragsteller, dass das Erfordernis einer UVP in den anschließenden Betriebsplanzulassungsverfahren selbständig neu zu prüfen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr bedürfen auch spätere Betriebsplanzulassungen, die der Ausführung des durch den Rahmenbetriebsplan zugelassenen Vorhabens dienen, keiner Umweltverträglichkeitsprüfung. Insbesondere erschließt sich nicht, warum gerade für den hier zur Rede stehenden Anhörungsbetriebsplan speziell zur Erfassung der Belange der Oberflächeneigentümer etwas anderes gelten sollte, zumal die Regelungen über die UVP, jedenfalls was ihren materiellrechtlichen Gehalt angeht, wie bereits erwähnt, keine subjektive Schutzwirkung für den einzelnen privaten Bergbaubetroffenen entfalten. Auch der den Begriff des „Vorhabens“ im Sinne der §§ 52 Abs. 2a, 57c Satz 1 Nr. 1, 57a BBergG definierende § 1 der UVP-V Bergbau (vgl. die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) vom 13.7.1990, BGBl. Seite 1420) stellt auf das Gewinnungsvorhaben als solches ab, nicht auf weitere einzelne Schritte eines mehrstufigen Verfahrens. Insofern weisen die Antragsteller im Ergebnis sogar zu Recht – wenn auch mit unzutreffender Schlussfolgerung – darauf hin, dass es sich hier nicht um einen Anwendungsfall der Nr. 13 (1. Spiegelstrich) im Anhang II zur UVP-RiL (vgl. die Richtlinie 97/11/EG des Rates zur Änderung der UVP-RiL vom 3.3.1997 (ABl. L 73, Seite 5), abgedruckt bei Gassner, UVPG, 1. Auflage 2006, Seiten 437, 450 (Anh. 3)) handelt, die „Änderungen und Erweiterungen“ bereits genehmigter Projekte mit potentiell erheblichen nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt erfasst. Das Abbauvorhaben der Beigeladenen als (gemeinschaftsrechtliches) „Projekt“ wird durch den streitigen Anhörungsbetriebsplan weder „geändert“ noch „erweitert“, wobei der erwähnte Anhang II ohnehin die Projekte beschreibt, für die nach Art. 4 Abs. 2 UVP-RiL den Mitgliedstaaten ausdrücklich eine Bestimmungsbefugnis eingeräumt wurde (dazu nunmehr § 3e UVPG). (vgl. dazu aber die Rechtsprechung des EuGH, der die Auffassung vertritt, dass der durch Art. 4 Abs. 2 UVP-RiL für die Mitgliedstaaten eröffnete „Ermessensspielraum“ durch die in Art. 2 Abs. 1 UVP-RiL festgelegten Verpflichtungen begrenzt sei, EuGH, Urteil vom 4.5.2006 – C-508/03 –, NVwZ 2006, 803, 805 (RNr. 88 m.w.N.))

Soweit die Antragsteller die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu bergrechtlichen Vorhaben zitieren, hier insbesondere ein Urteil vom 7.1.2004, (vgl. EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – Rs. C 201/02 –, NVwZ 2004, 593) ist festzuhalten, dass dieser Entscheidung ein wesentlich anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag. Gegenstand der rechtlichen Bewertung war eine vom EuGH im Ergebnis beanstandete Sonderregelung im britischen Raumordungs- und Entschädigungsrecht ( Planning and Compensation Act 1991 ) für „alte Bergbauberechtigungen“ ( Old Mining Permissions , OMP), wonach die zuständigen Behörden die „Wiederaufnahme“ eines Bergbaubetriebs aufgrund der besonderen Regelung ohne UVP zulassen konnten. Im konkreten Fall ging es um eine aufgrund von Sonderregelungen für den Abbau von Mineralien zur Befriedigung des in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg aufgetretenen Bedarfs an Baumaterialien im Jahre 1947 erteilte Genehmigung (OMP) für einen Steinbruch ( Conygar Quarry ). Dieser war jedenfalls zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Nachbargrundstücks durch die Klägerin des Verfahrens im Jahre 1984 bereits „seit langem nicht mehr betrieben“ worden. Streitig war jetzt die kurzzeitige Wiederaufnahme des Steinbruchbetriebs im Juni 1991, für die Anfang dieses Jahres die „Registrierung“ der alten Genehmigung aus dem Jahre 1947 beantragt worden war, um einem Erlöschen der Genehmigung aufgrund Übergangsrechts im Jahre 1992 zuvorzukommen. Die anschließend in den Jahren 1993 bis 1998 mit zahlreichen strengen Betriebsauflagen erteilten Zulassungsentscheidungen hat der EuGH als neue Genehmigungen zur Verhinderung des Erlöschens der vor Jahrzehnten erteilten Zulassungen bewertet. Diese Konstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen. Die Zulassung des – mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nachträglich bis 31.12.2038 befristeten (vgl. den Ergänzungsbescheid vom 25.5.1992, Blatt 207 im Ordner I, RBP-Verfahren) Rahmenbetriebsplans im Jahre 1990 diente dem Abbau der Steinkohle in den Flözen Schwalbach im Feld Dilsburg und in der Primsmulde und in den Flözen Wahlschied und Grangeleisen im Feld Dilsburg. Dieses Vorhaben wurde zeitnah auf der Grundlage von Sonderbetriebsplanzulassungen in Angriff genommen beziehungsweise fortgeführt (vgl. beispielsweise die bei den Aktenbefindlichen Sofortvollzugsanordnungen des Antragsgegners aus dem Jahre 1992, Blätter 224 ff. im Ordner I, RBP-Verfahren) und hat bis heute keine Unterbrechung erfahren.

Das weiter angeführte Urteil des EuGH vom 4.5.2006 (EuGH, Urteil vom 4.5.2006 – C-508/03 –, NVwZ 2006, 803 ff.) betraf das britische Baurecht, auf dessen Grundlage für zwei Einkaufszentren ( White City Projekt bzw. Chrystal Palace Park Conservation Area ) – im deutschen Verständnis – Bauvorbescheide erteilt worden waren. Beanstandet wurde die Regelung im britischen Recht, die – so der EuGH – durch entsprechende Vorbehalte auf der ersten Stufe und die rechtliche Ausgestaltung des weiteren Verfahrens bestimmten Projekten trotz erheblicher Auswirkungen auf die Umwelt erlaubte, einer „Prüfung zu entgehen“ (RNr. 98). Deswegen seien, so die Begründung des Gerichts, der Bauvorbescheid und die Entscheidung über die Genehmigung der vorbehaltenen Punkte zusammen als „mehrstufige Genehmigung“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 UVP-RiL zu begreifen. Im Ergebnis (RNr. 104) hat der EuGH dann festgestellt, dass bei nach nationalem Recht vorgesehenen „mehrstufigen“ Genehmigungsverfahren, in denen zunächst eine Grundsatzentscheidung ergehe und dann eine „Durchführungsentscheidung“ getroffen werde, die nicht über die in der Grundsatzentscheidung festgelegten Vorgaben hinausgehen dürfe, die möglichen Umweltauswirkungen eines Projekts „im Verfahren des Erlasses der Grundsatzentscheidung zu ermitteln“ sind. Nur wenn diese Auswirkungen erst im Verfahren der „Durchführungsentscheidung“ ermittelt werden könnten, müsse die Prüfung im Rahmen dieses Verfahrens vorgenommen werden. Letzteres ist vorliegend gerade nicht der Fall. Wie der § 52 Abs. 2a BBergG allgemein verdeutlicht, ist gerade das dann als Planfeststellungsverfahren ausgestaltete Rahmenbetriebsplanverfahren vom nationalen Gesetzgeber zum Standort der Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht worden. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Umweltauswirkungen erst später ermittelt werden „können“. Das Problem besteht im konkreten Fall vielmehr darin, dass die Rahmenbetriebsplanzulassung aufgrund des Übergangsrechts – auch nach Meinung des EuGH – noch ohne Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden konnte und das unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt wesentlich von dem der Entscheidung des EuGH vom 4.5.2006 zugrunde liegenden. Ein Argument für das Erfordernis einer eigenen Umweltverträglichkeitsprüfung bei der hier zur Rede stehenden Sonderbetriebsplanzulassung für die Strebe Prims 1 bis Prims 4 lässt sich daher aus diesem Urteil ebenfalls nicht herleiten. Hier hätte die Möglichkeit einer UVP vor der „Durchführungsentscheidung“, also auf der Ebene der „Grundsatzentscheidung“ über die Zulassung des Rahmenbetriebsplans bestanden. Sie war aber – insbesondere auch gemeinschaftsrechtlich – damals noch nicht notwendig.

Dem entsprechend – und insoweit ist die vom Verwaltungsgericht angeführte Entscheidung aus dem Jahre 2002 (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.6.2002 – 7 C 2.02 –, NVwZ 2002, 1237) entgegen der Ansicht der Antragsteller vergleichbar – hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Braunkohletagebaubetrieb ( Jänschwalde ) noch zu Zeiten der DDR Anfang der 1970iger Jahre und damit ohne UVP nach der Wiedervereinigung fortgeführt werden sollte, entschieden, dass eine zur rechtlichen Absicherung der Fortführung des Abbaus („1994 bis Auslauf“) zugelassener Rahmenbetriebsplan aufgrund einer Übergangsbestimmung im Einigungsvertrag für „begonnene“ Vorhaben nicht UVP-pflichtig und damit nicht planfeststellungsbedürftig war. Auch in diesem Fall ist also im Ergebnis davon ausgegangen worden, dass ein (bergbauliches) Projekt, bei dem auf der ersten Stufe der generellen Zulassung aufgrund besonderer rechtlicher Regelungen eine UVP noch nicht notwendig war, auch auf den späteren Stufen, also in der Terminologie des EuGH bei weiteren „Durchführungsentscheidungen“, hier sogar auf der allgemeinen Ebene des Rahmenbetriebsplans, keiner Prüfung in diesem Sinne bedurfte. Nach der Begründung ist auch in § 52 Abs. 2a BBergG das Bergbauvorhaben „als Ganzes“ gemeint. Anknüpfend an die bereits teilweise Ausführung des Vorhabens hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass dann auch die weiteren Abschnitte des Abbaus keiner Prüfung ihrer Umweltverträglichkeit in einem Planfeststellungsverfahren bedürfen, solange sie sich im Rahmen des bereits zugelassenen „Vorhabens“ halten. Das ist beim geplanten Abbau im Flöz Schwalbach (Feld Primsmulde) der Fall, so dass auch hier nicht über die Sonderbetriebspläne von einer quasi nachträglich eingetretenen UVP-Pflichtigkeit ausgegangen werden kann. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt die UVP-Richtline für begonnene Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung „im Nachhinein“.

2.2 Subjektive Abwehrrechte der Antragsteller gegen die in der Hauptsache angefochtene Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005 („Anhörung der Oberflächeneigentümer“) ergeben sich auch nicht aus den Vorschriften des Bundesberggesetzes, nach denen allgemein eine Betriebsplanzulassung im Falle des Vorliegens der in §§ 48 Abs. 2, 55 BBergG normierten Voraussetzungen zu versagen wäre. Nach geltendem Bergrecht sind nach wie vor beantragte Zulassungen für ein Bergbauvorhaben zwingend zu erteilen, wenn keiner dieser gesetzlichen Versagungsgründe vorliegt. Das gilt ungeachtet der mit Blick auf die Trägerfunktion hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung durch das Bergrechtsänderungsgesetz 1990 erfolgten Einführung eines Planfeststellungsverfahrens für den obligatorischen Rahmenbetriebsplan (§ 52 Abs. 2a BBergG). Dieser Planfeststellungsbeschluss ergeht ebenfalls als gebundene Verwaltungsentscheidung, bei der der Genehmigungsbehörde – anders als im Bereich des Fachplanungsrechts – keine planerischen Gestaltungsspielräume eröffnet sind. Über die Zulassung von Betriebsplänen hat die Behörde daher nicht aufgrund einer in ihre Verantwortung gestellten umfassenden Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange zu entscheiden. Daher gibt es in den Fällen des bergrechtlich nunmehr vorgeschriebenen „Planfeststellungsverfahrens kein potentiell drittschützendes Abwägungsgebot. (anders für den Bereich der Bauleitplanung und das Abwägungsgebot nach dem § 1 Abs. 6 BauGB a.F. (heute § 1 Abs. 7 BauGB 2004/2007) BVerwG, Urteile vom 24.9.1998 – 4 CN 2.98 –, BRS 60 Nr. 46, und vom 21.3.2002 – 4 CN 14.00 –, BRS 65 Nr. 17) Dies verdeutlicht, dass selbst ein vollständiger „Ausfall“ einer solchen Abwägung oder auch gravierende Mängel nicht zur Rechtswidrigkeit eines solchen Planfeststellungsbeschlusses führen. (vgl. insoweit noch einmal klarstellend BVerwG, Urteil vom 15.12.2006 – 7 C 1.06 –, NVwZ 2007, 700 (Steinkohlebergwerk Walsum/NRW)) Die alleinige Maßgeblichkeit der gesetzlichen Versagungsgründe für die Ablehnung einer Betriebsplanzulassung, gerade auch hinsichtlich der Rechtsposition von Oberflächeneigentümern, gilt erst recht, wenn die Betriebsplanzulassung – wie hier – nicht in der Form eines Planfeststellungsbeschlusses erfolgt.

2.2.1 Entgegen der im Beschwerdeverfahren erneut vertretenen Ansicht der Antragssteller lässt sich eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte von vorneherein nicht aus § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG herleiten. Danach ist Voraussetzung für die Erteilung der Betriebsplanzulassung, dass keine „gemeinschädlichen Einwirkungen“ des Abbauvorhabens zu erwarten sind. (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 4.7.1986 – 4 C 31.84 –, BVerwGE 74, 315, 321, wonach der Gesetzgeber mit der Gemeinschadenklausel an Begriff und Rechtsprechung zur „Gemeinschädlichkeit“ im Sinne des Allgemeinen Berggesetzes 1865 anknüpfen wollte und Voraussetzung für die Annahme solcher Auswirkungen ist, dass der geplante Abbaubetrieb eine „ganz erhebliche Gefahrenschwelle“ überschreitet) Zum einen sind solche Auswirkungen im konkreten Fall nicht ersichtlich und zum anderen würde die Nichtbeachtung dieses Zulassungshindernisses ohnedies keine subjektive Rechtsverletzung von einzelnen Oberflächeneigentümern begründen. (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.3.1989 – 4 C 36.85 –, BVerwGE 81, 329) Diese Zulassungsschranke erfordert objektiv eine Feststellung, dass ein Schaden in solchem Umfang droht, dass er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt, etwa dass ein ganzer Ort von zentralen, wichtigen Versorgungseinrichtungen abgeschnitten wird. Durch ein Bergbauvorhaben zu erwartende auch gravierende Schäden werden hingegen nicht allein deshalb zu einem Gemeinschaden, weil eine Vielzahl von Einzelpersonen voraussehbar erheblich betroffen wird. Dies verdeutlicht, dass das Beschwerdevorbringen, durch das die Antragsteller geltend machen, ihr Eigentum sei „aufgrund weiterer Schadensfaktoren von schweren Bergschäden betroffen“, schon vom Ansatz her weder geeignet ist, einen Gemeinschaden zu prognostizieren, noch es rechtfertigt, die Feststellung des fehlenden subjektiv-rechtlichen Gehalts des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG, von der auch die saarländischen Verwaltungsgerichte (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 –, SKZ 2002, 164, Leitsatz Nr. 51) in ständiger Rechtsprechung ausgehen, in Frage zu stellen.

2.2.2 Nichts anderes gilt, soweit die Antragsteller sich gegen eine aus ihrer Sicht „unzutreffende Behauptung“ des Verwaltungsgerichts wenden, dass dem § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BBergG , wonach die Betriebsplanzulassung erfordert, dass „für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit … Sorge getragen ist“, keine individuell drittschützende Wirkung zukommt. Die Antragsteller verweisen darauf, dass es „infolge von Abbauwirkungen zur Einsturzgefährdung von Gebäuden kommen“ könne, was dann eine Bedrohung ihrer „persönlichen Sicherheit“ mit sich bringe. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Jahre 1990 (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.1990 – 7 C 18.90 –, NVwZ 1991, 992; auch dazu bereits BVerwG, Urteil vom 16.3.1989 – 4 C 36.85 –, BVerwGE 81, 329, 337, wonach diese Voraussetzungen der Betriebsplanzulassung „zur Anknüpfung von Drittansprüchen zugunsten der betroffenen Oberflächeneigentümer nicht geeignet“ sind) entschieden, dass der § 55 Abs. 1 BBergG, in dem die Gründe für die Versagung eines dem Bergbaubetreiber ansonsten zustehenden Anspruchs auf Zulassung seines Vorhabens enumerativ aufgeführt sind, nicht dem Schutz von Sachgütern der von bergbaulichen Vorhaben betroffenen Oberflächeneigentümer dient. Drittschutz wird diesem Personenkreis nach gefestigter Rechtsprechung in Anschluss an die Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1989 (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.1989 – 4 C 36.85 –, BVerwGE 81, 329) im Rahmen der Betriebsplanzulassung in beschränktem Umfang allein durch die §§ 48 Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG vermittelt.

Im Übrigen lassen sich die aufgeführten Gründe für eine Versagung der Betriebsplanzulassung auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 Nr. 5 BBergG unschwer verneinen. Wollte man jede noch so entfernt liegende Möglichkeit eines Personenschadens infolge bergbaubedingten Einsturzes von Gebäuden insoweit als ausreichend ansehen, könnte ein Bergbau der vorliegenden Art realistischer Weise nicht mehr stattfinden. Das widerspricht indes offensichtlich den nach wie vor in §§ 1, 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG konkretisierten Intentionen des Bundesgesetzgebers. Die Anforderungen des „Sorgetragens“ im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 5 BBergG kann angesichts der notwendig in die Zukunft gerichteten Betrachtungsweise bei der Betriebsplanzulassung – also vor der Ausführung des Vorhabens – vernünftigerweise auch nur dahin verstanden werden, dass der Bergbautreibende bei erkannten Problemsituationen jeweils zu Gebote stehende „Vorsorge“ zu treffen hat. Das ist vorliegend unter anderem dadurch geschehen, dass unter anderem für das Anwesen der Antragsteller aufgrund vermuteter Unstetigkeitszonen in den Nebenbestimmungen Nrn. 4, 5 und 7 (Teil II.) der Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005 regelmäßige Beobachtungen und gegebenenfalls frühzeitige Sicherungsmaßnahmen vorgesehen wurden. Selbst wenn man, wie die Antragsteller meinen, dem § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BBergG entgegen dem Gesagten einen über § 48 Abs. 2 BBergG hinausgreifenden drittschützenden Charakter zugunsten einzelner Oberflächeneigentümer zuerkennen wollte, ergäbe sich hier also nichts anderes. Mehr als die beschriebenen Anordnungen zur Wahrung der Interessen der Antragsteller konnte der Antragsgegner seinerzeit nicht treffen. Es ist in der Regel – wie hier – völlig ungewiss, ob eine Unstetigkeitszone durch den Kohleabbau aktiviert wird. „Vorsorgliche“ Anordnungen können sich daher nur darauf beziehen, wie ein solcher Vorgang gegebenenfalls frühzeitig erkannt und wie ihm möglichst wirksam begegnet werden kann.

2.2.3 Eine Rechtsverletzung der Antragsteller ergibt sich aller Voraussicht nach ferner nicht aus dem nach der Rechtsprechung bei den Versagungsgründen ergänzend zu § 55 BBergG beachtlichen und potentiell Drittschutz zugunsten von Oberflächeneigentümern vermittelnden§ 48 Abs. 2 BBergG . Insofern mag hier dahinstehen, welche rechtlichen Folgerungen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2006 (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.6.2006 – 7 C 11.05 –, NVwZ 2006, 1173 (Braunkohletagebau Garzweiler), wonach der § 48 Abs. 2 BBergG schon im Rahmen der Zulassung des Rahmenbetriebsplans drittschützende Wirkung zugunsten der Eigentümer (dort:) für einen Tagebaubetrieb in Anspruch zu nehmender Grundstücke entfaltet, unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Rechtsprechung, BVerwG, Urteil vom 14.12.1990 – 7 C 18.90 –, NVwZ 1991, 992) zur Frage der Beachtlichkeit des Drittschutzes aus § 48 Abs. 2 BBergG auch bereits im Verfahren auf Zulassung eines Rahmenbetriebsplans zu ziehen sind. Nach dieser Entscheidung ist davon auszugehen, dass die die Zulassungsanforderungen des § 55 Abs. 1 BBergG ergänzenden Anforderungen des (drittschützenden) § 48 Abs. 2 BBergG bereits bei einer Zulassung des Rahmenbetriebsplans daraufhin mit zu überprüfen sind, ob unter diesem Aspekt die Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken oder zu untersagen ist. Deswegen enthält die Zulassungsentscheidung für den Rahmenbetriebsplan die – den Oberflächeneigentümer belastende – Feststellung, dass eine entsprechende Beschränkung oder Untersagung auf dieser Grundlage nicht gerechtfertigt ist. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass mit Blick auf die Teilnahme dieses materiellen Entscheidungsinhalts der Rahmenbetriebsplanzulassung der Aspekt gleichzeitig von einer gegebenenfalls eintretenden Bestandskraft erfasst wird, so dass bei den eigentlichen Abbau legitimierenden späteren Sonderbetriebsplänen – vorbehaltlich einer Änderung der Verhältnisse – die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Abbauvorhabens unter diesem Gesichtspunkt nicht erneut in Frage gestellt werden darf. Ob diese Rechtsprechung auf die vorliegende Verfahrenskonstellation übertragen werden kann, in der die Rahmenbetriebsplanzulassung noch nicht in der Form des Planfeststellungsbeschlusses erfolgte, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.

2.2.3.1 Der Gesetzgeber hat sich im geltenden Bergrecht (BBergG) für die grundsätzliche Zulassung des Bergbaus, insbesondere auch der untertägigen Gewinnung von Steinkohle entschieden, und zwar in Kenntnis des Umstands, dass dieser typischerweise und unvermeidbar mit Schäden am Oberflächeneigentum verbunden ist. Daraus folgt, dass zu erwartende bergbaubedingte Beeinträchtigungen, die sich im Bereich kleinerer und mittlerer Schäden bewegen, die Zulassung eines Betriebsplans auch im Hinblick auf die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) – gerade wegen der gesetzlichen Bestimmungen über dieRegulierung von Bergschäden (§§ 114 bis 121 BBergG) – und des insoweit bestehenden Ausgestaltungsvorbehalts zugunsten des Gesetzgebers nicht hindern können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebieten erst über dieses Maß hinausgehende Beeinträchtigungen „von einigem Gewicht“, wie mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwartende Schäden an der Substanz des Eigentums, etwa die Beeinträchtigung der Standsicherheit eines Gebäudes oder seiner Benutzbarkeit, überhaupt erst eine Beteiligung der betroffenen Eigentümer am Betriebsplanzulassungsverfahren.

2.2.3.2 Bergschäden an Gebäuden und Zubehör (vgl. hierzu allgemein etwa Kratzsch, Bergschadenkunde, 3. Auflage 1997, Kp. 1.1.2 („Trogbildung über einem tiefen Abbau“) und Kp. 9.2. („Bergschaden am Gebäude und Zubehör“)) durch einen in großer Tiefe stattfindenden Steinkohlenbergbau sind Folge davon, dass der von den Einwirkungen betroffene Teil der Erdoberfläche am Standort nicht nur abgesenkt und grundrisslich verschoben, sondern auch schief gestellt, gekrümmt, gezerrt oder gepresst wird, wobei die Krümmung und Längenänderungen in Gestalt von Verschiebungen der Tagespunkte (Zerrung und Pressung) (vgl. hierzu allgemein etwa Kratzsch, Bergschadenkunde, 3. Auflage 1997, Kp. 1.1.2 („Trogbildung über einem tiefen Abbau“)) stets gleichzeitig auf das Bauwerk einwirken. Der Senat greift für die Beurteilung, ob ein sich gegen das Abbauvorhaben wendender Oberflächeneigentümer voraussichtlich über nur leichte und mittlere Beeinträchtigungen hinausgehende „schwerwiegende Bergschäden“ zu erwarten hat, auf den auch im Widerspruchsbescheid (vgl. den Widerspruchsbescheid des Oberbergamts für das Saarland und das Land Rheinland-Pfalz vom 18.8.2006 – II ENPS/662/06-4 –) zugrunde gelegten, vom Arbeitskreis Rechtsfragen im Länderausschuss Bergbau beim Bundesminister für Wirtschaft am 23.10.1992 entwickelten Kriterienkatalog zurück, der nachvollziehbare Anhaltspunkte bietet, allerdings nicht abschließend ist. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.4.2004 – 2 R 22/03 –, SKZ 2005, 73, Leitsatz Nr. 32, (Fürstenhausen) dazu auch Urteil vom 1.9.1998 – 2 R 4/98 –, SKZ 1999, 123, Leitsatz Nr. 65 (Westfeld/Luisenthal)) Die Kriterien waren auch in der öffentlichen Bekanntmachung (§ 48 Abs. 2 BBergG) über die Auswirkungen des geplanten Kohleabbaus beschrieben worden. (vgl. die Veröffentlichung im Amtsblatt des Saarlandes vom 1.4.2004, Seite 748) Danach ist zunächst ein gravierendes Schadensbild erst in einem Bereich zu erwarten, in dem bei baulichen Anlagen unter Berücksichtigung von Vorbelastungen eine maximale Gesamtschieflage von mindestens 30 mm/m beziehungsweise eine gemittelte Schieflage von 25 mm/m zu erwarten ist. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.4.2004 – 2 R 22/03 –, SKZ 2005, 73, Leitsatz Nr. 32, (Fürstenhausen), unter Verweis auf gutachterliche Stellungnahmen)

2.2.3.3 Für das Wohnanwesen C-Straße der Antragsteller sind nach den Berechnungen der Beigeladenen vergleichsweise sehr geringe Beeinträchtigungen durch die Bodenverformung prognostiziert, (vgl. zum Umfang eines Beteiligungsrechts (nur) bei über leichte und mittlere Schäden hinausgehenden Beeinträchtigungen des Eigentums im Anschluss an die Neufassung der Sätze 2 und 3 des § 48 Abs. 2 BBergG auf der Grundlage des sog. „Moers-Kapellen-Urteils des BVerwG aus dem Jahre 1989 etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 1.9.1998 – 2 R 4/98 –, SKZ 1999, 123, Leitsatz Nr. 65, zum Abbau im Westfeld des ehemaligen Verbundbergwerks West (Warndt/Luisenthal)) wobei – wie gesagt – dahingestellt bleiben kann, in welchem Ausmaß diese für den Gesamtabbau in der Primsmulde Süd zwischen Saarwellingen, Körprich und Reisbach ermittelten Werte dem hier nur in Rede stehenden Abbau der Strebe Prims 1 und Prims 2 zugeordnet werden können. Nach den bei den Planunterlagen befindlichen Kartenwerken liegt das Anwesen der Antragsteller bezogen auf den Abbau dieser beiden Strebe zwar innerhalb der Senkungsgrenze, jedoch außerhalb des ermittelten Einwirkungsbereichs im Sinne des § 2 EinwirkungsBergV. (vgl. Artikel 2 der Verordnung über bergbauliche Unterlagen, Einwirkungsbereiche und die Bergbau-Versuchsstrecke vom 11.11.1982, BGBl. 1553, 1558)

Nach den die von der Sofortvollzugsanordnung noch nicht erfassten Strebe Prims 3 und 4 einschließenden Berechnungen sind insgesamt durch den Abbau aller vier Strebe für das Anwesen der Antragsteller eine maximale Senkung von 4 cm, eine maximale Schieflage von 0,3 mm/m, eine Zerrung bis 0,4 mm/m sowie eine Pressung bis minus 0,1 mm/m zu erwarten. (vgl. hierzu die Detailangaben auf Seite 9 des Widerspruchsbescheids vom 18.8.2006 – II ENPS/662/06-4 –) Diese Auswirkungen liegen an der messtechnischen Nachweisgrenze und stellen sich im Vergleich als sehr geringfügige Beeinträchtigungen dar. (vgl. in dem Zusammenhang auch die Ausführungen auf Seite 12 der Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005, wonach durch den Abbau insgesamt eine maximale Schieflage von 5 mm/m zu erwarten ist, dazu auch Seite 7 oben der Sofortvollzugsanordnung vom 30.8.2006) Derart geringe Bodenbewegungs- und Verformungswerte sind für sich nicht geeignet, schwerwiegende Gebäudeschäden hervorzurufen.

Soweit die Antragsteller in der Beschwerdebegründung pauschal beanstanden, dass sich das Verwaltungsgericht „unbesehen und unkritisch auf die von der Beigeladenen mitgeteilten Berechnungen der Senkungen, Schieflage und Zerrungen beschränkt“ habe, kann dies keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Es gibt keine sachlich begründeten Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner bei der Ermittlung dieser voraussichtlichen Bergbauauswirkungen auf das Anwesen der Antragsteller unzutreffende oder fachlich nicht nachvollziehbare Daten zugrunde gelegt oder die Ergebnisse „geschönt“ hätte. Das Oberbergamt hat in dem Widerspruchsbescheid vom 18.8.2006 die Ermittlung der Werte nach dem von der Beigeladenen benutzten Programm „CadBerg“ (Getec) und deren Überprüfung durch den Antragsgegner, der mit dem selben Programm arbeitet, dargestellt. Sollten die Antragsteller konkrete sachliche Erkenntnisse haben, aus denen sich eine Unrichtigkeit der Berechnungen ergibt, so hätte es ihnen oblegen, diese zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zu machen.

2.2.3.4 In der rechtlichen Bewertung am Maßstab des § 48 Abs. 2 BBergG ergibt sich nichts anderes bei Berücksichtigung des Umstands, dass das unter den Objekt-Nrn. 4106 bis 4112 erfasste Eigentum der Antragsteller in der Sonderbetriebsplanzulassung vom 25.11.2005 dem Bereich „bekannter oder vermuteter Unstetigkeitszonen “ zugeordnet wird. Das rechtfertigt nach dem bereits angesprochenen Kriterienkatalog vom 23.10.1992 (dargestellt und beschrieben etwa bei Kratzsch, Bergschadenkunde, 3. Auflage 1997, Kp. 10.2., Seite 557) die Annahme, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit über kleinere und mittlere Bergschäden hinausgehende Beeinträchtigungen auftreten können. Dementsprechend wurden in den Auflagen zur Betriebsplanzulassung die bereits mehrfach angesprochenen besonderen Vorsorge- und Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Die Beigeladene wurde verpflichtet, während des Einwirkungszeitraums „besonders“ unter anderem das Anwesen der Antragsteller regelmäßig in Augenschein zu nehmen und erforderlichenfalls frühzeitig schadensmindernde Maßnahmen einzuleiten (Auflage Nr. 4) und gegebenenfalls in Abstimmung mit den Antragstellern lokale Maßnahmen zur Verhütung schwerwiegender Schadensfälle und Totalschäden zu ergreifen (Auflage Nr. 5). Da aus Sicht des Antragsgegners nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass sich beim Abbau insbesondere im Zusammenhang mit Unstetigkeitszonen Bergschäden größeren Ausmaßes entwickeln, wurden in der Zulassungsentscheidung (weitere) Anordnungen zur Sicherung der betroffenen Objekte ausdrücklich vorbehalten (Auflage Nr. 7). Damit hat der Antragsgegner bei seiner Entscheidung die Problematik erkannt und darauf angemessen reagiert. (vgl. dazu auch den Erfahrungsbericht der Ingenieurgesellschaft Jung und Partner mbH vom 6.5.2003, Blatt 141 der Gerichtsakte, die sich auf nachträgliche Sicherungsmaßnahmen im Gefährdungsbereich tektonischer Störungen spezialisiert hat und diese seit Jahrzehnten in Bergbaurevieren betreibt) Mehr war nach dem Erkenntnisstand bei Zulassung des Betriebsplans nicht zu regeln. Die Beigeladene hat in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Anwesen nach den amtlichen geologischen Karten für das Saarland auf dem Ausgehenden einer tektonischen Störung liegt, die von dem streitgegenständlichen Abbau selbst nicht unterfahren werde, so dass von daher mit einer Aktivierung der Störung nicht zu rechnen sei. Selbst für diesen Fall sei aber aufgrund der prognostizierten geringen Absenkung nicht mit dem Entstehen einer besonders Schaden stiftenden Erdstufe zu rechnen. Nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners wurde der Abbau der Bauhöhen Prims 1 und Prims 2, der von Westen nach Osten betrieben wird, inzwischen (Stand Mai 2007: Baulänge 700 m) auch so weit ins Feld gefahren, dass bereits alle „klassischen“ bergbaulichen Einwirkungen auf das Anwesen der Antragsteller ausgelöst worden sind. Gravierende Auswirkungen hat das ersichtlich nicht mit sich gebracht; jedenfalls wurde das nicht vorgetragen.

Was die Antragsteller dagegen vorbringen, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Wenn beispielsweise vorgetragen wird, das Verwaltungsgericht habe eine Aussage vermissen lassen, ob die Anordnung der Inaugenscheinnahme (Nr. 4) bereits während des Abbaus der Strebe Prims 1 und Prims 2 gelte, so muss auf die entsprechende Auflage und deren eindeutigen Wortlaut, der auf die „Einwirkungszeit“ abstellt, verwiesen werden. Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe „verkannt“, dass die geschilderten Auflagen, etwa „eine bloße Inaugenscheinnahme“ ungeeignet seien, schwerwiegende Bergschäden an ihrem Eigentum zu verhindern, so ergibt sich das im Ergebnis bereits aus dem in der Betriebsplanzulassung vorgesehenen „Reaktionsprogramm“ selbst. Der Antragsgegner erhebt selbstverständlich, wie schon die Formulierungen eindeutig belegen, nicht den Anspruch, dass schwerwiegende Schäden – wie die Antragsteller fordern – von vorneherein sicher „ausgeschlossen“ werden können. Ein solcher Anspruch wäre bei derartigen Bergbauvorhaben weltfremd. Es geht bei der Betriebsplanzulassung um eine angemessene Gegensteuerung für einen Eventualfall und die wurde im Rahmen des vorab Möglichen in der beschriebenen Weise angeordnet. Allein der in der Natur der Sache liegende Umstand, dass Schäden nicht ausgeschlossen werden können, rechtfertigt nicht die Annahme der „Ungeeignetheit“ der Nebenbestimmungen oder einer „Untätigkeit“ der Beigeladenen oder der Genehmigungsbehörde. Auch der von der Gemeinde C-Stadt beauftrage Gutachter Prof. Dr. Ing. habil. H. Tudeshki hat beispielsweise in seinen „Fachgutachterlichen Stellungnahmen vom 31.8.2006 (vgl. dazu die in Anlage 2 zur Antragsschrift vorgelegte „Fachgutachterliche Stellungnahme zur Bergschadensprognose Objekt Enzenbachstraße 37“ vom 31.8.2006, Einleitung Seite 5, wonach es aus seiner Sicht zu Schäden an der vorhandenen Wohnbebauung „kommen kann“) und vom August 2006 (vgl. dazu die in Anlage 12 zur Antragsschrift vorgelegte „Fachgutachterliche Stellungnahme zur Bergschadensprognose - Erschütterungsproblematik  August 2006, wonach „bergbaubedingte Erschütterungen zu erwarten“ sind) den prognostischen Charakter auch seiner Aussagen klar zum Ausdruck gebracht. Eine Vorhersage darüber, welche Gebäudeschäden aufgrund der mit dem Bergbau einhergehenden Bodenbewegungen und -verformungen zu erwarten sind, ist allenfalls typisierend auf der Grundlage von Beobachtungen und Erfahrungen an anderer Stelle in vergleichbaren Situationen möglich, da das Schadensbild im Einzelfall von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. (vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 1.9.1998 – 2 R 4/98 –, SKZ 1999, 123, Leitsatz Nr. 65, zum Abbau im sog. Westfeld des ehemaligen Verbundbergwerks West (Warndt/Luisenthal))

2.2.3.5 Der Gesichtspunkt prognosetypischer Unsicherheiten gilt in besonderem Maße wegen des insoweit noch eingeschränkteren „Erfahrungsschatzes“ für die Prognostizierbarkeit von durch die Abbauführung ausgelösten Erderschütterungen („Beben“) . Aussagen über derartige Beeinträchtigungen durch ein untertägig geführtes Bergbauvorhaben können im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung ebenfalls nur prognostisch getroffen werden. Auch dabei kann es nicht darum gehen, jegliche Schäden zu verhindern. Wollte man diesen Maßstab an eine bergrechtliche Betriebsplanzulassung anlegen, wäre Bergbau nicht möglich und das ist offensichtlich nicht die Konzeption des geltenden Bundesberggesetzes.

Vor diesem Hintergrund ist die von dem Antragsgegner in der Betriebsplanzulassung, nunmehr in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Oberbergamts vom 18.8.2006, getroffene Prognoseentscheidung nicht geeignet, eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller durch diesen Verwaltungsakt zu begründen. Dieser ist auch insoweit nicht von vorneherein von unzutreffenden Annahmen im Sinne eines Ausschlusses derartiger Auswirkungen des Abbaus ausgegangen. Sowohl der Antragsgegner als auch die Widerspruchsbehörde gingen damals allerdings noch davon aus, dass Erderschütterungen, wie sie im Zuge des Abbaus in den Streben 8.9/8.10-Ost im Flöz Schwalbach und im Streb 20.3-Ost im Flöz Grangeleisen (Feld Dilsburg/Ost) hervorgerufen worden waren, vorliegend „nicht zwangsläufig auftreten“ müssten, aber auch „nicht gänzlich ausgeschlossen werden“ könnten. (vgl. dazu die Ausführungen auf Seite 10 unten des Widerspruchsbescheids vom 18.8.2006) In dieser Situation hat der Antragsgegner die Beigeladene in der Nebenbestimmung Nr. 2 zur Sonderbetriebsplanzulassung vom 25.11.2005 zur Einrichtung eines Seismographennetzes verpflichtet und sich nachträgliche Auflagen „im Ereignisfall“ ausdrücklich vorbehalten. Dies zeigt, dass nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgetretene und derzeit anhaltende Erderschütterungen, auf die die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 19.11.2007 unter Vorlage von entsprechenden Übersichten und Zeitungsartikeln aus den letzten Tagen hinweisen, sich grundsätzlich im „Erwartungshorizont“ des Antragsgegners bewegen. Dass der in der Auflage Nr. 7 zur Sonderbetriebsplanzulassung enthaltene Vorbehalt nachträglicher Maßnahmen durchaus ernst zu nehmen ist, belegt eine in dem Schriftsatz ferner angesprochene Aufforderung des Antragsgegners an die Beigeladene, bis zum 21.11.2007 ein Konzept zur Verringerung von Anzahl und Stärke der Erderschütterungen vorzulegen. Dass es durch die Ereignisse zu Schäden an ihrem Anwesen gekommen wäre, wird in dem Schriftsatz im Übrigen nicht ansatzweise erwähnt.

Vor dem Hintergrund bot die Nebenbestimmung Nr. 2 als solche ebenso wenig eine Grundlage, um gegebenenfalls im Wege der „Amtsermittlung“ (§ 24 SVwVfG) schon vorab eine weitere Aufklärung des Sachverhalts zu betreiben wie die von den Antragstellern angesprochene technische Norm DIN 4150 (Teil 3, Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf bauliche Anlagen). Maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Prognoseentscheidung der Bergbehörde kann nach der Rechtsprechung des Senats allein die Sachlage im Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung, hier also bei Ergehen des Widerspruchsbescheids, sein. Die gerichtliche Kontrolle einer derartigen Prognoseentscheidung beschränkt sich auch im Klageverfahren auf eine Überprüfung, ob die Bergbehörde den ihrer Prognose zu Grunde gelegten Sachverhalt in den Grenzen seiner Erkennbarkeit zutreffend ermittelt und ob sie korrekte Methoden der Vorausschau angewandt hat. Auf spätere, von der Prognose abweichende Ereignisse kommt es hingegen in dem Zusammenhang nicht an. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 –, SKZ 2002, 164, Leitsatz Nr. 51, und vom 20.1.2004 – 2 W 59/03 –, SKZ 2005, 73 Leitsatz Nr. 31) Im konkreten Fall hatte der Antragsgegner in der Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005 auf „Erkenntnisse aus bisherigen Abbau im westlichen Lagerstättenbereich am Standort Ensdorf“ verwiesen, wonach aus seiner Sicht Erderschütterungen „eher unwahrscheinlich“ seien; im Übrigen wurde auf das bereits beschriebene Kontrollszenario in den Auflagen Bezug genommen. Auch im Widerspruchsbescheid vom 18.8.2006 (Seiten 10 und 13) als der insoweit maßgeblichen letzten Verwaltungsentscheidung wurde auf den Abbau im südlich an die Primsmulde angrenzenden Feld Dilsburg-West verwiesen, der gezeigt habe, dass in dem Bereich nicht zwangsläufig Erschütterungen der beim Abbau im Feld Dilsburg-Ost zu verzeichnenden Art auftreten müssten. Auch hier wurde jedoch betont, dass Erschütterungen nicht ausgeschlossen werden könnten und auf die Möglichkeit nachträglicher Auflagen hingewiesen. Dieser Rückschluss im Rahmen der Prognose aus den Erfahrungen in dem genannten Abbaubereich auf das hier in Rede stehende Vorhaben erscheint nicht von vorneherein grob fehlerhaft und damit – im Rechtssinne – unzulässig.

Deswegen ist es im Übrigen verfehlt, wenn die Antragsteller dem Verwaltungsgericht eine Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) vorwerfen. Im Ergebnis doppelt unrichtig ist es, wenn die Antragsteller unter Verweis auf § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG die Forderung erheben, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens ermitteln müssen, „ob durch das Abbauvorhaben erhebliche bergbaulicher Erschütterungswirkungen zu erwarten“ seien, „die der Zulassungsfähigkeit entgegenstehen“. Aus diesem Grund besteht aus Sicht des Senats im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch überhaupt keine Veranlassung, für die seitens der Antragsteller im Schriftsatz vom 19.11.2007 beantragte Beiziehung der „Aktenvorgänge des Antragsgegners zu den jüngsten Erdbebenereignissen“.

Da der Antragsgegner von Erschütterungsereignissen im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung nicht zwingend ausgehen musste, spielen diese nachträglichen Erscheinungen daher bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zulassungsentscheidung und damit für den vorliegenden Aussetzungsantrag keine Rolle. Dadurch werden die Betroffenen allerdings nicht gänzlich schutzlos gestellt. Ob und in welcher Form auf die nun aufgetretenen Erschütterungen zu reagieren ist, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Zulassung des Betriebsplans. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass die aus der Natur der Sache folgende Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen über die Zubilligung notwendiger Spielräume bei der prognostischen Abschätzung künftiger Entwicklungen und Auswirkungen eines Bergbauvorhabens für die entscheidenden Behörden nicht zur Folge hat, dass später erst im Zuge seiner Ausführung auftretende erhebliche Gefahren aufgrund einer von der Prognose abweichenden Entwicklung von den Betroffenen „unabänderlich“ oder „schicksalhaft“ hingenommen werden müssen. (vgl. hierzu zuletzt etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.10.2005 – 2 W 13/05 –, SKZ 2006, 50 Leitsatz Nr. 34, betreffend den letztlich erfolglosen Antrag eines Oberflächeneigentümers auf sofortige Einstellung des Bergwerks Ensdorf wegen gesundheitlicher Auswirkungen bergbaubedingter Erderschütterungen) Aus der Erkenntnis, dass der regelmäßig in erheblicher Tiefe stattfindende Steinkohlebergbau mit Blick auf geologische und tektonische Unwägbarkeiten für den Bergbauberechtigten (Unternehmer) und auch für eine die Zulassungsentscheidung treffende Bergaufsichtsbehörde in seinen Auswirkungen auf die Erdoberfläche nur begrenzt im Vorhinein „planbar“ ist, hat der Bundesgesetzgeber die Genehmigungsentscheidungen mit einer im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen geringeren Bindungswirkung ausgestattet, (vgl. zu der sich aus § 57a Abs. 4 BBergG i.V.m. § 75 SVwVfG ergebenden lediglich formellen Konzentrationswirkung der in Form bergrechtlicher Planfeststellungsbeschlüsse ergehenden Betriebsplanzulassungsentscheidungen auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.4.2004 – 2 R 22/03 –, SKZ 2005, 73, Leitsatz Nr. 32, unter anderem unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialen betreffend die Einführung des Planfeststellungserfordernisses durch die Bergrechtsnovelle 1990) um der Dynamik vor allem des untertägigen Steinkohlebergbaus Rechnung zu tragen, und über die allgemeine bergaufsichtsbehördliche Anordnungsbefugnis (§ 71 BBergG) hinaus in § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nachträgliche Auflagen zur Betriebsplanzulassung unter den dort genannten Voraussetzungen ausdrücklich für zulässig erklärt. (vgl. in dem Zusammenhang Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 3. Auflage 2005, RNr. 3599, wonach für über die in einem Betriebsplan gestellten Anforderungen hinausgehende bergaufsichtliche Anordnungen auf der Grundlage des § 71 Abs. 1 Satz 2 BBergG nur insoweit Raum ist, als der Zweck solcher Anordnungen nicht im Betriebsplanverfahren einschließlich nachträglicher Änderungen und Ergänzungen zugelassener Betriebspläne erreicht werden kann, die Anordnungsbefugnis nicht weiter reicht als die die Voraussetzungen für die Betriebsplanzulassung (§ 55 BBergG) und von daher keinen allgemeinen Sachgüterschutz umfasst) Der § 71 Abs. 1 Satz 2 BBergG sieht die Möglichkeit nachträglicher, vorliegend in der Nebenbestimmung Nr. 2 zur Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005 ausdrücklich auch vorbehaltener Anordnungen vor, die zum Schutz unter anderem von Leben und Gesundheit Dritter erforderlich sind, was bei unmittelbaren Gefahren gemäß § 71 Abs. 2 BBergG in Ausnahmefällen theoretisch sogar die Anordnung einer vorläufigen Betriebseinstellung zum Gegenstand haben kann. (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 -, SKZ 2002, 164, Leitsatz Nr. 51, ZfB 2001, 287, ebenso Stüer a.a.O., RNr. 3600) Diese Maßnahme, die wohl das von den Antragstellern verfolgte Ziel sein dürfte, kann freilich auch nach dieser gesetzlichen Konstruktion, mit Blick auf die Rechtsstellung des bergbauberechtigten Unternehmens und auch wegen der sehr weit reichenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Folgen einer kurzfristigen Betriebseinstellung allenfalls als letztes Mittel (ulitima ratio) in Betracht kommen. Bei der im für ihre Beantwortung zuständigen politischen Raum seit Jahren diskutierten Frage der Notwendigkeit der Erhaltung eines eigenen „Standbeins“ in der Rohstoffversorgung handelt es sich um eine letztlich vom Bundesgesetzgeber zu treffende Entscheidung. Der Gesetzgeber geht nach wie vor vom Bestehen eines nicht von den jeweiligen Marktverhältnissen abhängigen öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Versorgung mit einheimischer Steinkohle aus. § 1 Nr. 1 BBergG verdeutlicht das Anliegen des Bundesgesetzgebers, zur „Sicherung einer Rohstoffversorgung“ das Aufsuchen von Bodenschätzen – hier von Steinkohle – zu ordnen und „zu fördern“. Damit hat er die Erhaltung (auch) des einheimischen Steinkohlebergbaus als gewichtiges energiepolitisches Ziel anerkannt. Diese Entscheidung ist freilich nicht unabänderlich, ihre Änderung obliegt allerdings sicher nicht den Verwaltungsgerichten.

Auch wenn die Belastungen für die in dem durch die Erschütterungen betroffenen Gebiet lebenden Antragsteller hier nicht verharmlost werden sollen, so kann nach aktuellem Erkenntnisstand nicht von einem Anspruch der Antragsteller auf Einstellung des Bergwerksbetriebs in dem hier fraglichen Bereich ausgegangen werden. Das Verwaltungsgericht hat in der erstinstanzlichen Entscheidung bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass auch nach den Erfahrungen mit den zahlreichen und weitaus stärkeren Erderschütterungen infolge des erwähnten vorhergehenden Abbaus im Feld Dilsburg mit gemessenen Schwinggeschwindigkeiten bis zu 71,28 mm/s nicht damit gerechnet werden kann, dass diese nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts „gewichtige“, das heißt über leichte bis mittlere Schäden hinausgehende Beeinträchtigungen des Oberflächeneigentums zur Folge haben. Die angesprochene DIN 4150 (Teil 3, Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf bauliche Anlagen) mag geeignet sein, erschütterungsbedingte Schäden an Bauwerken auszuschließen beziehungsweise sicher zu stellen, dass solche „nicht auftreten“. Allerdings geht aus ihr nach eigenem Vortrag der Antragsteller hervor, dass eine Überschreitung der Werte nicht bedeutet, dass Schäden „voraussehbar auftreten“ und selbst deutliche Überschreitungen bieten lediglich Anlass für „weitere Untersuchungen“. Dem entsprechend heißt es in der von den Antragstellern vorgelegten Untersuchung des Prof. Dr. Ing. habil. H. Tudeshki vom 31.8.2006, (vgl. dazu die in Anlage 2 zur Antragsschrift vorgelegte „Fachgutachterliche Stellungnahme zur Bergschadensprognose Objekt Enzenbachstraße 37“ vom 31.8.2006, Seite 6 f.) diese technische Norm beziehe sich allgemein zwar auf Erschütterungseinwirkungen aller Art, enthalte allerdings keine Befassung mit den Spezifika „bergbaubedingter Beben“ sowie mit standortbezogenen Schadensfaktoren.

Die DIN 4150 („Erschütterungen im Bauwesen“) enthält eine Anleitung für die Vorermittlung bei Erschütterungen, die eine Vorhersage von Werten der Erschütterungsgrößen zum Ziel hat. Schon in der Vorbemerkung zum Anwendungsbereich (Teil 1, „Vorermittlung von Schwingungsgrößen“) wird ausdrücklich auf das Erfordernis von Einzelfallbegutachtungen hingewiesen. Im Abschnitt 5 (Teil 1) wird bei der Differenzierung nach Erschütterungsquellen ausgeführt, dass Erschütterungen aus „Einzelereignissen“ (5.1), das heißt bei hinsichtlich ihrer Wirkungen zeitlich nicht zusammentreffenden, vielmehr „aufeinander folgenden“ Ereignissen in der Regel „nicht zu ausgeprägten Resonanzen von Gebäuden und Bauteilen führen“ (5.1.1). In der Folge (5.1.2) werden als Beispielsfälle hierfür unvermeidbare Erschütterungen mit punktförmigen, impulshaltigen Quellen bei Sprengungen zur Zerlegung von Gesteinen etwa in Steinbrüchen und Bergwerken als Beispielsfälle benannt. Im Teil 3 („Einwirkungen auf bauliche Anlagen“) wird ebenfalls schon einleitend klargestellt, das es dabei um „Anhaltswerte“ gehe, bei deren Einhaltung Schäden im Sinne einer Verminderung des Gebrauchswertes von Bauwerken (im Fettdruck hervorgehoben:) „nicht“ eintreten. Das ist allerdings nicht der im Bergrecht geltende Maßstab. Darüber hinaus rechtfertigt gerade bei „kurzzeitige Erschütterungen“ der hier zur Rede stehenden Art die Überschreitung der Anhaltswerte nicht die Annahme, dass Schäden auftreten und erst bei „deutlichen Überschreitungen“ geht die Norm vom Erfordernis weiterer Untersuchungen aus. ( Speziell mit den (zusätzlichen) Anforderungen an die Bausicherheit (Tragwerksberechnung und Standsicherheit) in deutschen Erdbebengebieten befasst sich im Übrigen die DIN 4149 („Bauten in deutschen Erdbebengebieten – Lastannahmen, Bemessung und Ausführung üblicher Hochbauten“) vom April 2005. ) Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Aufstellung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Bergschäden Dipl. Ing. Johannes Schürken, (vgl. den vorgelegten Auszug aus Drisch/Schürken, Bewertung von Bergschäden und Setzungsschäden an Gebäuden, Seite 243, Blatt 159 der Gerichtsakte) die von der auch durch Dr. Tudeshki in Bezug genommenen Tabelle in Teil 3 der DIN 4150 ausgeht, kann bei bergbaubedingten Beben, deren Frequenz regelmäßig unter 10 Hz liegt, erst bei Schwinggeschwindigkeiten über 100 mm/s mit einem Einsturz von Wänden gerechnet werden. Diesen Erkenntnissen entspricht es, dass die seit dem Jahre 2004 im Zuge des Abbaus im Dilsburgfeld verzeichneten insgesamt 2.699 bergbauinduzierten Erderschütterungen, (Nach einer Aufstellung der DMT sind bei den bergbaubedingten Erschütterungen insgesamt in 91 % der Fälle Schwinggeschwindigkeiten unter 1 mm/s, in 99,48 % solche unterhalb 20 mm/s und lediglich in 14 Fällen (etwa 0,5 %) größere Schwinggeschwindigkeiten registriert worden (vgl. Blatt 150 der Gerichtsakte)) von denen die große Mehrheit Schwinggeschwindigkeiten unter 1 mm/s aufwies und nur 14 Fälle mehr als 20 mm/s erreichten, in keinem bekannten Fall schwere Bergschäden an der Oberfläche verursacht haben. Hinsichtlich des von den Antragstellern konkret benannten Erschütterungsschadens, des Herabfallens eines Schornsteins in Eidenborn am 10.5.2005, räumen die Antragsteller selbst eine mögliche, nicht behobene Vorschädigung ein. Insoweit hat die Beigeladene im Übrigen auf eine zwischenzeitlich erfolgte einvernehmliche (anteilige) Regulierung hingewiesen. Dass es gar – wie die Antragsteller unter Hinweis auf „Erstschlagswirkungen“ angeben – gerade aufgrund von Erschütterungen zu einem „Totalschaden“ bei ihrem Anwesen kommen wird, ist daher nicht zu erwarten. Das sich aus der Belegenheit im Bereich einer „bekannten oder vermuteten Unstetigkeitszone“ ergebende besondere Risiko wurde, was die Anfechtung der Betriebsplanzulassung angeht, bereits in anderem Zusammenhang behandelt. Selbst wenn die gegenwärtig auftretenden Erschütterungsereignisse, etwa die von den Antragstellern im Schriftsatz vom 19.11.2007 erwähnten, am 19.11.2007 an der Messstelle C-Stadt/Körprich mit einer maximalen Schwinggeschwindigkeit von 22,5 mm/s beziehungsweise am 10.11.2007 an der Messstelle Saarwellingen-Hessbach mit 36,26 mm/s gemessenen Erschütterungen, dem Antragsgegner vor dem Hintergrund der DIN 4150 Anlass bieten sollten, über die „Messungen“ hinaus – mit den Worten der Antragsteller – „ergänzende“ oder „zusätzliche“ Untersuchungen hinsichtlich der Ursachen und der Möglichkeiten der Einschränkung oder gar Vermeidbarkeit einzuleiten oder der Beigeladenen solche aufzugeben, beträfe das die (objektiv-rechtliche) Frage angemessener nachträglicher Reaktion, nicht aber die Rechtmäßigkeit der hier allein streitgegenständlichen Sonderbetriebsplanzulassung in Bezug auf die Rechtsposition der Antragsteller.

Bezogen auf die Rechtsstellung der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ist ferner anzumerken, dass diese zwar wiederholt auf Erschütterungsereignisse hinweisen, aber nicht geltend machen (können), dass es ungeachtet der im Gutachten des Dr. Tudeshki beschriebenen geologischen Verhältnisse und Effekte, etwa einer Energieabsorption oder einer geologisch bedingten Erhöhung der Schwingungsamplitude durch dieses oder die übrigen „Beben“ der jüngeren Vergangenheit zu abbaubedingten Beschädigungen ihres Eigentums oder gar zu der vom Gutachter weiter angeführten, aus der Erdbebenforschung bekannten „Liquefaction“ („Bodenverflüssigung“) (vgl. dazu die in Anlage 2 zur Antragsschrift vorgelegte „Fachgutachterliche Stellungnahme zur Bergschadensprognose Objekt Enzenbachstraße 37“ vom 31.8.2006, ab Seite 10, Abschnitt 1.2 („Bodenveränderungen“)) aufgrund des geologischen Aufbaus des Untergrundes gekommen ist. Nach der bei den Akten befindlichen Stellungnahme der Fachstelle für Erschütterungsmessungen bei der Deutschen Montan Technologie (DMT) (vgl. die Stellungnahme zu „Sackungen und Bodenverflüssigungen durch Erderschütterungseinwirkung“ vom 9.10.2006, Blätter 145 ff. der Gerichtsakte) kann das auch ohne weiteres nachvollzogen werden, da selbst die stärkste Erschütterung durch den Betrieb des (nunmehr) Bergwerks Saar mit 3,3 (Die Angabe – nach Richterskala – bezieht sich auf die am 17.2.2006, 18.51 Uhr gemessene Erschütterung, für die an dem Messpunkt Falscheid/Dorfstraße 7a eine maximale Schwinggeschwindigkeit von 71,28 mm/s in horizontaler Richtung registriert wurde, deren Signalfrequenz in der dominierenden Phase bei etwa 5 Hz lag und die einen Einwirkungszeitraum im Sekundenbereich aufwies.) nicht annähernd die für Liquefactionserscheinungen erforderliche Amplitude von mindestens 4,8 erreicht hat und von der Dauer der Belastung – allenfalls 2 Sekunden gegenüber oft mehreren Minuten bei Erdbeben – nicht geeignet sind, derartige Phänomene hervorzurufen. (Nach dem zuvor genannten Gutachten lag die seismische Energie des Roermond-Bebens in Holland um das 8.000-fache über derjenigen der stärksten gemessenen bergbaubedingten Erschütterung vom 17.2.2006.) Das gilt unabhängig davon, ob diese Phänomene, wenn sie denn auftreten, durch weitere geophysikalische und –mechanische Eigenschaften des Untergrundes begünstigt werden oder nicht. (vgl. dazu die ergänzende Stellungnahme des Dr. Tudeshki vom 12.12.2006, Seite 11, Blatt 315 der Gerichtsakte) Die Beigeladene hat nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag indes auf mehr als 70 Bohrungen des Erdbaulaboratoriums Saar (ELS) im Zuge von Baugrunduntersuchungen entlang der Prims verwiesen, wobei die entsprechenden Bohrkerne eine starke Durchmischung unterschiedlicher Korngrößen, nicht aber die von Dr. Tudeshki angesprochenen besonderen „verflüssigungsgefährdeten Kornverteilungen“ aufwiesen. (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen auf Seite 347 der Gerichtsakte) Der Hinweis der Antragsteller, dass „verflüssigungsgefährdete Bereiche lokal begrenzt und sehr kleinräumig auftreten“ könnten, mag für sich genommen ganz allgemein zutreffen. Allein deswegen kann aber sicher nicht auf eine unsachgerechte Ermittlung des Prognosematerials in dem Zusammenhang durch den Antragsgegner beziehungsweise die Beigeladene geschlossen werden. Vor dem Hintergrund stellt sich vorliegend auch nicht die Frage der „Beweislast“.

Allenfalls in dem Zusammenhang von Belang sein können die Aussagen des von den Antragstellern beauftragten Gutachters, wobei der Eintritt der darin beschriebenen möglichen Begleitphänomene eines bergbaulichen Vorhabens bezogen auf den von dem Antragsgegner unter dem 25.11.2005 zugelassenen Abbau in den Streben Prims 1 und Prims 2 für den Senat wenig realistisch sind. Derartiges mag vorkommen beziehungsweise in der Vergangenheit anderen Ortes vorgekommen und nicht gänzlich ausgeschlossen sein. (vgl. hierzu beispielsweise die Darstellung „umgekippter“ Hochhäuser in Japan im Anschluss an das sog. Niigata-Beben im Jahre 1964 mit Zentrum im Japanischen Meer auf Seiten 28/29 des Gutachtens „August 2006“, oder die Fotos zum Roermond-Beben im deutsch-niederländischen Grenzgebiet (1992)) Dass der Antragsgegner deswegen allerdings in der Prognose bei der Beurteilung des Zulassungsbegehrens der Beigeladenen nach den §§ 48 Abs. 2, 55 BBergG derartige Ereignisse, etwa im Bereich von Hoyerswerda („Schwarze Pumpe“) (vgl. dazu die ergänzende Stellungnahme des Dr. Tudeshki vom 12.12.2006, Seite 12, Blatt 316 der Gerichtsakte mit Bild (Abb. 2, Grundbruch an einer Landstraße in Hoyerswerda)) oder allgemein in ehemaligen Braunkohletagebaugebieten aufgetretene Erscheinungen einer „Bodenverflüssigung“ als wahrscheinliche Abbaufolge in seine Betrachtungen hätte einstellen müssen, ist ungeachtet der Frage der von den Antragstellern angesprochenen Reichweite richterlicher Sachkunde zu verneinen. Bezüglich der nachträglichen Bewertung der inzwischen aufgetretenen Erschütterungen bleibt jedenfalls festzuhalten, dass die Antragsteller offenbar mit den vom Gutachter beschriebenen Konsequenzen nicht konfrontiert worden sind. Im Übrigen wurde bereits in anderem Zusammenhang erwähnt, dass weder die Beigeladene noch der Antragsgegner davon ausgegangen sind, dass es – was bei derartigen Unternehmungen realistischerweise mit „Gewissheit“ auch gar nicht möglich wäre – nicht in Einzelfällen aufgrund von Besonderheiten auch zum Eintritt bergbaubedingter Totalschäden kommen kann. Entgegen der Einlassung der Antragsteller hat auch das Verwaltungsgericht nicht die „Behauptung“ aufgestellt, dass „durch den Erlass der in der Zulassung enthaltenen Nebenbestimmungen sichergestellt sei, dass es nicht zum Eintritt von schweren Bergschäden am Eigentum der Antragsteller kommen könne“.

2.2.3.6 Auch die Prognose des Antragsgegners in der Sonderbetriebsplanzulassung, dass sich aufgrund des zugelassenen Vorhabens weder bei dem sog. 50-jährlichen noch bei dem 20-jährlichen Hochwasser (HQ 50 bzw. HQ 20 ) Verschlechterungen des Hochwasserablaufs gegenüber dem Ist-Zustand ergeben, wird durch den Sachvortrag der Antragsteller nicht durchgreifend in Frage gestellt. In der Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005 (Seite 16, unten) wird diese Annahme mit einer wissenschaftlichen Studie des Instituts Prof. W. GmbH zum „Hochwasserablauf an Prims und Theel“ (Oktober 2001) begründet. Diese bei den Akten befindliche und in dem von den Antragstellern als Anlage (3) zur Antragsschrift vorgelegten Schreiben des Landesamts für Umweltschutz vom 6.1.2004 an den Antragsgegner inhaltlich ausführlich gewürdigte und in seinen Grundaussagen bestätigte Studie, die sich im Übrigen auch mit den insoweit wirkungsträchtigeren Abbauvorhaben in der Primsmulde Nord befasst, ermittelt für den hier in Rede stehenden Abbau in der Primsmulde Süd (Strebe Prims 1 bis Prims 4) eine Geländesenkung (S 1) im Bereich der Prims von nur 2 cm, was den vorerwähnten Befund des Antragsgegners nachvollziehbar erscheinen lässt. In der Studie heißt es, dass sich wegen dieser geringen zu erwartenden Senkung „keine über die Rechengenauigkeit hinausgehende Verschlechterung des Hochwasserablaufs“ einstellen wird, (vgl. dazu den Abschnitt 4.3.1. des Gutachtens, Seite 14, „Wasserspiegellagenberechnungen/Senkungszustand/Senkungsfall S 1) so dass – anders als für den Fall eines Abbaus auch in der Primsmulde Nord (Senkungsfälle S 2 und S 3 ) – keine Kompensationsmaßnahmen erforderlich werden. Dementsprechend ist der Antragsgegner ohne weiteres nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der hier streitige Abbau (Strebe Prims 1 und Prims 2) insoweit keine Verschlechterungen (auch) für das Anwesen der Antragsteller mit sich bringen wird. Die Behauptung der Antragsteller, deren Anwesen nach eigenen Angaben bereits jetzt zum „verordnungsrechtlich festgestellten Überschwemmungsgebiet an der Prims“ (vgl. dazu die Verordnung über die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes an der Prims im Bereich der Gemeinde Schmelz, der Stadt Lebach, der Gemeinde Nalbach, der Gemeinde Saarwellingen und der Stadt Dillingen vom 1.12.2000, Abl. 2000, 2128, und die Darstellung in Anlage 3 zum Gutachten des Dr. Tudeshki vom 31.8.2006, Anlage 2 zum Antrag) gehört, dass ihre Situation bei Hochwasser eine „erhebliche Verschlechterung und Verschärfung“ erfahre, (vgl. hierzu beispielsweise Seite 5 des Einwendungsschreibens vom 28.5.2004, Anlage 4 zur Antragsschrift) kann daher nicht nachvollzogen werden. Was allenfalls verständlich wird, ist die Tatsache, dass sie bereits jetzt, unabhängig vom Abbauvorhaben der Beigeladenen, gegebenenfalls mit Überschwemmungen zu rechnen haben. Das hat aber nicht seine Ursache in der Ausführung des Bergbaus in der Primsmulde Süd. Durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung ergeben sich bei diesen Werten auch nicht aus dem Hinweis des Dr. Tudeshki in seinem im August 2006 für die Gemeinde C-Stadt erstellten Gutachten (Abschnitt 2.3, Seite 50), dass der Hochwasserschutz nach der DIN 19900 für besiedelte Gebiete für Q 100 zu betrachten sei; falsch ist nach dem Gesagten die dortige Feststellung, im Gutachten Prof. W. sei lediglich von einem Hochwasserstand Q 20 ausgegangen worden. Vielmehr erfolgte eine Betrachtung der Hochwasserstände HQ 20 und HQ 50 Soweit die Antragsteller unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. Tudeshki vom August 2006 (vgl. dazu die in Anlage 12 zur Antragsschrift vorgelegte, im Auftrag der Gemeinde Nalbach erstellte „Fachgutachterliche Stellungnahme zur Bergschadensprognose - Erschütterungsproblematik  August 2006, dort Abschnitt 2.3, Seite 52) in dem Zusammenhang schließlich beanstanden, dass als Grundlage der Kalibrierung ein Hochwasserereignis aus dem Dezember 1993 (und dem Januar 1995), nicht aber ein späteres aus dem November 1998 gewählt worden sei, obwohl dieses einen höheren Scheitelabfluss am Pegel C-Stadt mit sich gebracht habe, so hat die Beigeladene einen nachvollziehbaren Grund hierfür vorgetragen. Sie hat auf eine im Jahre 1997 durchgeführte Sohlräumung und Sohlregulierung verweisen, (vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Instituts Prof. W. GmbH vom 5.4.2006. Blatt 143 der Gerichtsakte, wonach,  sich diese Sohlräumung nicht auf die Auswirkungen infolge des Abbaus im Feld Primsmulde Süd, sonder auf diejenige in der Primsmulde Nord (dort: Senkungsfälle S 2 und S 3) bezog.) die dann ungeachtet des höheren Scheitelabflusses am Pegel im Jahre 1998 zu geringeren Hochwasserständen als 1993 (und 1995) geführt habe. Für den Senkungsfall S 1 (Primsmulde Süd insgesamt) ändert sich die Hochwassersituation nach gegenwärtigem Erkenntnisstand infolge des Kohleabbaus in dem Gebiet nur marginal beziehungsweise „nicht messbar“. Der Abbau führt zu keiner über die Rechengenauigkeit hinausreichenden Verschlechterung.

Was die von den Antragstellern weiter angeführten Vernässungen durch oberflächennah anstehendes Grundwasser anbelangt, gilt im Ergebnis nicht anderes. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass seit 1999 mehrere wissenschaftliche Untersuchungen und Simulationen zu diesem Thema durchgeführt worden sind. Nach deren Ergebnis ist kein bergbaubedingter Einfluss auf das flache Grundwasser in den jungen Talauesedimenten erkennbar. (vgl. hierzu die Aufstellung der durchgeführten Untersuchungen Blätter 202/203 der Gerichtsakte) Selbst wenn man unterstellen wollte, dass der bisherige Grundwasserspiegel bei der zu erwartenden Absenkung des Geländes unverändert bleibt, also bezogen auf die Tagesoberfläche entsprechend (relativ) „ansteigt“, wäre angesichts des geringen Ausmaßes der prognostizierten Senkung für das südlich der Prims gelegene Grundstück der Antragsteller von maximal 4 cm keine wesentliche zusätzliche „Vernässung“ an der Tagesoberfläche zu erwarten. Auf die von den Antragstellern unter Gehörsgesichtpunkten reklamierten, allerdings bei den Akten befindlichen Untersuchungen des Büros Dr. Marx (vgl. die „Bewertung der Grundwasserstandsmessungen aus dem Bereich Reisbach im Hinblick auf bergbauinduzierte Veränderungen“ vom 14.12.2005) kommt es daher nicht an.

2.2.3.7 Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Auftreten psychischer Erkrankungen keine weit verbreitete oder gar eine notwendige Folge der bergbaubedingten Erschütterungen („Beben“) darstellt. Die Darlegungen zu diesem ebenfalls bereits im Einwendungsschreiben der Antragsteller vom 28.5.2004 thematisierten Aspekt in der Beschwerdebegründung der Antragsteller geben keinen Anlass, von der entsprechenden bisherigen Rechtsprechung des Senats, (vgl. auch hierzu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 -, SKZ 2002, 164, Leitsatz Nr. 51, ZfB 2001, 287) auf die sich das Verwaltungsgericht bezogen hat, abzuweichen. (vgl. entsprechend zur Problematik der psychologischen Verarbeitung der Bergbaufolgen und Einwirkungen durch – anders als die Antragsteller – erhebliche Schäden an ihrem Eigentum betroffene Oberflächeneigentümer OVG des Saarlandes, Urteil vom 21.4.2004 – 2 R 22/03 -, SKZ 2005, 73, Leitsatz Nr. 32 (insoweit nicht veröffentlicht); Beschluss vom 17.10.2005 – 2 W 13/05 –, SKZ 2006, 64, Leitsatz Nr. 88, betreffend einen hauptsächlich hiermit begründeten Antrag auf Einstellung des Bergwerksbetriebs Endorf) Der Antragsgegner hatte im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung keinen Grund zu der Annahme eines Eintritts von Gesundheitsgefahren in diesem Sinne. Soweit sich die Antragsteller auf das im Auftrag des zuständigen saarländischen Fachministeriums erstellte Gutachten von Prof. Dr. Ortwin Renn (u.a.) beziehen, so ergeben sich aus dem Vortrag keine neuen Erkenntnisse, die zu einer inhaltlichen Überprüfung der Rechtsprechung des Senats Anlass böten. Dass eine Vielzahl Betroffener bei einer Befragung angibt, dass die Ereignisse in der ein oder anderen Art als „belastend“ empfunden würden und auf gesundheitliche Beschwerden verschiedenster Art verweist, ist nachvollziehbar, kann aber nicht als Beleg für das durch den Kohleabbau verursachte Hervorrufen von Krankheiten in größerem Umfang angeführt werden.

2.3. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass den Antragstellern kein subjektiver „verfahrensrechtlicher“ Anspruch auf Durchführung eines wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens (mit UVP) auf der Grundlage des § 31 WHG zusteht, so dass es nicht darauf ankommt, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ein solches Verfahren hier erfüllt sind.

Soweit es um die Frage der Notwendigkeit von Folgemaßnahmen des Steinkohleabbaus in Form von Hochwasserschutzanlagen mit Blick auf Senkungen im Bereich von Gewässern, hier der Prims, geht, würden selbst bei einem bergrechtlichen Planfeststellungserfordernis insoweit nach § 57b Abs. 3 Satz 3 BBergG keine Konzentrationswirkungen entfaltet. (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 15.12.2006 – 7 C 1.06 –, NVwZ 2007, 700) Die rechtliche Selbständigkeit etwaiger wasserrechtlicher Zulassungserfordernisse in dem Zusammenhang würde hier erst recht gelten.

2.4 Eines Eingehens auf die Ausführungen zum Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung ( Art. 19 Abs. 4 GG ), mit denen die Antragsteller eine aus ihrer Sicht „überlange“ Dauer des gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens beanstanden und meinen, argumentativ die durchschnittliche statistische Dauer von Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes bemühen zu können, bedarf es nicht. Es liegt auf der Hand, dass dieser Gesichtspunkt für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Antragsgegners über die Betriebsplanzulassung vom 25.11.2005 ohne Belang ist. Anzumerken ist aber insoweit, dass – nur beispielsweise – der nun im Schriftsatz vom 19.11.2007 gestellte Antrag auf Beiziehung weiteren umfangreichen Aktenmaterials, auf dessen Inhalt es, wie gesagt, übrigens für die vorliegende Entscheidung nicht ankommt, sowie auf Gewährung von Einsichtnahme auch hierin, wenn ihm zu folgen wäre, eine weitere ganz wesentliche Verzögerung des Verfahren zur Folge hätte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren auch hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen eigenen Antrag gestellt und damit Kostenrisiken übernommen hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG, wobei für beide Antragsteller die in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes übliche Halbierung gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorzunehmen war.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 2/06 Verkündet am:
27. Oktober 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die Beurteilung, ob von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen
die ortsübliche Benutzung des davon betroffenen Grundstücks oder dessen Ertrag
über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen, gilt grundsätzlich derselbe Maßstab
wie für die Beurteilung, ob diese Einwirkungen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung
der Grundstücksnutzung (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB) führen.
BGH, Urt. v. 27. Oktober 2006 - V ZR 2/06 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger bewohnt eine Eigentumswohnung in der ersten Etage des 1975/1981 errichteten Gebäudes F. straße 27 in O. . Ca. 30 m bis 40 m von dem Balkon dieser Wohnung entfernt befindet sich eine Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Eisenbahnbrücke, deren Eigentümerin die Beklagte ist.
2
Nach dem Abschluss von Bauarbeiten an der Brücke, die von Mai bis September 1998 dauerten, beschwerte sich der Kläger bei der Beklagten über einen gegenüber früher wesentlich erhöhten und unerträglichen Lärm, den die über die Brücke fahrenden Züge verursachten. Die Beklagte hielt die von dem Kläger empfundene Steigerung des Lärmpegels für eine subjektive Fehleinschätzung.
3
Mit seiner Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Vornahme von Maßnahmen beantragt, durch welche bei dem Befahren der Brücke die Immissionsschutzwerte nach der TA-Lärm eingehalten werden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist insoweit ohne Erfolg geblieben, als er die Verurteilung der Beklagten beantragt hat, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit die durch das Befahren der Brücke verursachte Lärmbelästigung die Werte von 59 dB (A) tagsüber und 49 dB (A) nachts nicht übersteigt. Auf den von dem Kläger in der Berufungsinstanz in Prozessstandschaft für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer des Grundstücks F. - straße 27 gestellten Hilfsantrag, die Beklagte zur Zahlung von 8.195,40 € (Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern) an ihn zu verurteilen, hat das Oberlandesgericht - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - festgestellt , dass dieser Antrag dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
4
Mit der - von dem Berufungsgericht zugelassenen - Revision will die Beklagte die Abweisung des Hilfsantrags erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehen von der Eisenbahnbrücke , verursacht durch den Zugverkehr, wesentliche und damit grundsätzlich unzumutbare Geräuscheinwirkungen auf das Grundstück F. straße 27 und insbesondere auf die von dem Kläger bewohnte Wohnung aus. Die in der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) festgelegten Grenzwerte für allgemeine oder reine Wohngebiete würden nach den Berechnungen des Sachverständigen so erheblich überschritten (Beurteilungspegel von 67,4 dB (A) tagsüber und 66,9 dB (A) nachts), dass keine Zweifel an dem Überschreiten der Wesentlichkeitsgrenze bestünden. Sie sei nicht auf die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle anzuheben, sondern beurteile sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten sei. Jedoch müssten die Wohnungseigentümer die Beeinträchtigung dulden, weil sie durch eine ortsübliche Benutzung des Brückengrundstücks herbeigeführt werde und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könne. Als Kompensation müsse die Beklagte die Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern erstatten. Der Anspruch der Wohnungseigentümer sei nicht unter dem Gesichtspunkt ausgeschlossen, dass sie in einem Planfeststellungsverfahren Abhilfe hätten suchen müssen; denn planfeststellungspflichtige Arbeiten seien an der Brücke nicht durchgeführt worden. Die für die Beurteilung der wesentlichen Beeinträchtigung maßgeblichen Werte seien nicht deshalb anzuheben, weil das Grundstück F. straße 27 und das Brückengrundstück unterschiedlich genutzt würden; denn den aus dem Zusammentreffen der unterschiedlichen Grundstücksnutzungen folgenden widerstreitenden Interessen der Grundstückseigentümer trage die Verkehrslärmschutzverordnung dadurch Rechnung, dass die darin festgelegten Grenzwerte sehr hoch angesetzt seien.
6
Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II.


7
1. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die durch den Zugverkehr hervorgerufenen, von der Brücke der Beklagten ausgehenden Geräusche die Benutzung des Grundstücks F. straße 27 wenigstens in der von dem Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Wohnung wesentlich beeinträchtigen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.
8
a) Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (siehe nur Senat, BGHZ 157, 33, 43). Diesen Maßstab legt das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Dass es sich dabei auf die von dem Sachverständigen vorgenommene Berechnung stützt, nach welcher die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV genannten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, ist nicht zu beanstanden. Denn es legt - entgegen der Auffassung der Revision - die Wesentlichkeitsgrenze nicht etwa im Hinblick auf das bloße Überschreiten dieser Grenzwerte mathematisch exakt, sondern - was der Rechtsprechung des Senats entspricht (BGHZ 148, 261, 265; Urt. v. 26. September 2003, V ZR 41/03, WM 2004, 886) - aufgrund seiner eigenen wertenden Beurteilung fest. Es berücksichtigt die unterschiedliche Nutzung des emittierenden und des beeinträchtigten Grundstücks, den Charakter des Gebiets, in welchem sich die beiden Grundstücke befinden, die Art des von dem Befahren der Brücke ausgehenden Lärms und seine Intensität; zusätzlich weist es darauf hin, dass nicht jede geringfügige Überschreitung der in der 16. BImSchV festgelegten Grenzwerte automatisch dazu führt, die Wesentlichkeitsgrenze als überschritten anzusehen. Weitere Feststellungen, etwa gestützt auf den bei einer Augenscheinseinnahme gewonnenen persönlichen Eindruck (vgl. Senat, Urt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, WM 1992, 1612, 1613), musste das Berufungsgericht nicht treffen. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass er auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben in der Anlage 2 zur 16. BImSchV eine "pessimale Prognoseberechnung" der von dem Befahren der Brücke ausgehenden Geräusche vorgenommen habe und dass die tatsächlichen Geräuschemissionen, abhängig von der Länge und der Geschwindigkeit der über die Brücke fahrenden Züge, niedriger sein könnten. Das erklärt sich aus dem Anwendungsbereich der 16. BImSchV, die für den Bau oder die wesentliche Änderung von Straßen und Schienenwegen gilt (§ 1 Abs. 1 16. BImSchV). Für die Bemessung des Schallschutzes nach § 2 16. BImSchV ist deshalb der Beurteilungspegel des von dem neu zu bauenden oder wesentlich zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms maßgeblich (BRDrucks. 661/89, Anlage S. 1); dieser kann nur rechnerisch prognostiziert werden. Diese Art der Ermittlung der Geräuschemissionen - ohne Messung - ist auch bei laufendem Bahnbetrieb zulässig (BVerwG NVwZ 1996, 394, 396). Aber der Sachverständige hat auch eine Kontrollbetrachtung angestellt, indem er die von ihm errechneten Werte mit den für die Erstellung seines Gutachtens in der ersten Instanz auf der Grundlage der tatsächlichen Geräuschimmissionen ermittelten Werte verglichen hat. Dabei ergab sich nur eine ganz geringe Unterschreitung der errechneten Werte; auch die tatsächlichen Werte liegen weit über den in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV festgelegten Grenzwerten. Im Übrigen hat die Beklagte vor der Erstellung des Gutachtens gegenüber dem Berufungsgericht erklärt, sie sei mit der rein rechnerischen Ermittlung einverstanden, deshalb brauche der Sachverständige keine Messungen vor Ort vorzunehmen; auch hat sie zum Beweis der Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung keine Augenscheinseinnahme durch das Berufungsgericht beantragt.
9
b) Entgegen der Auffassung der Revision misst das Berufungsgericht den von dem Sachverständigen errechneten Werten keine Indizwirkung im Hinblick auf die Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenze bei. Es geht vielmehr zutreffend davon aus, dass es sich bei den in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV genannten Werten nicht um solche im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB handelt, deren Überschreitung nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 85/04, MDR 2005, 328) die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung indiziert. Gleichwohl bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen , dass das Berufungsgericht in seine Würdigung die Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV und die von dem Sachverständigen nach § 3 i.V.m. Anlage 2 16. BImSchV ermittelten Werte einbezogen hat, denn es sieht sie ersichtlich als bloße Entscheidungshilfe und nicht als bindende Größen an (vgl. Senat, BGHZ 161, 323, 335 f.).
10
2. Zu Recht hält das Berufungsgericht die Wohnungseigentümer des Grundstücks F. straße 27 für verpflichtet, die wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, weil sie durch die ortsübliche Benutzung des Brückengrundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dagegen erhebt die Revision auch keine Angriffe.
11
3. Ebenfalls zu Recht bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch der Wohnungseigentümer gegen die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs in Geld, weil die von dem Befahren der Brücke ausgehenden Geräuschemissionen die ortsübliche Benutzung des Grundstücks F. straße 27 über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB).
12
a) Der Anspruch ist - entgegen der Auffassung der Revision - nicht deshalb ausgeschlossen, weil für die Bahnstrecken der Beklagten Bestandsschutz besteht. Dieser wird durch die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht berührt. Der Rechtsgedanke, der dem Senatsurteil vom 10. Dezember 2004 (BGHZ 161, 323 f., 328 ff.) zu Grunde liegt, wonach ein zivilrechtlicher Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen von Flugplätzen ausgehender Lärmbelästigungen nicht in Betracht kommt, wenn ein Planfeststellungsverfahren nach §§ 8, 9, 10 LuftVG durchgeführt worden ist oder eine Planfeststellung nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG fingiert wird, kann nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Zum einen war weder vor der Errichtung der Brücke noch vor dem Beginn der Baumaßnahmen im Jahr 1998 die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens notwendig. Zum anderen fehlt es für den Eisenbahnverkehr an einer § 71 LuftVG entsprechenden gesetzlichen Regelung, welche für alte Flugplätze eine Planfeststellung fingiert. Das zeigt, dass der Gesetzgeber für den Bahnverkehr einen mit dem Betrieb alter Flugplätze vergleichbaren Regelungsbedarf nicht für notwendig hält. Diese gesetzgeberische Wertung müssen die Gerichte beachten. Die Beklagte ist deshalb ohne Einschränkung in das System der Abwehr von Geräuschimmissionen und der Entschädigungspflicht nach § 906 BGB eingebunden.
13
b) Für die Beurteilung, ob von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen die ortsübliche Benutzung des davon betroffenen Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen, gilt grundsätzlich derselbe Maßstab wie für die Beurteilung, ob diese Einwirkungen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB) führen (PWW/Lemke, BGB, § 906 Rdn. 35; zu Differenzierungen im Einzelfall siehe Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 254 ff.); wird die Wesentlichkeitsgrenze überschritten, kann der duldungspflichtige Grundstückseigentümer da- her einen Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB haben (BGHZ 122, 76, 78 f.; Roth, LMK 2005, 52, 53). So ist es hier. Die von den Wohnungseigentümern zu duldende wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung ihres Grundstücks hat zur Folge, dass sie von der Beklagten als Ausgleich eine Geldentschädigung verlangen können.
14
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist hier für das Bestehen dieses Anspruchs nicht die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle maßgebend.
15
aa) Die von dem Berufungsgericht als rechtsgrundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob für einen Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle oder die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle maßgeblich ist, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden. Danach beurteilt sich bei Geräuschimmissionen die Unzumutbarkeit in dem direkten Anwendungsbereich von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle, die zugleich die Wesentlichkeitsgrenze im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt (BGHZ 122, 76, 78 f.; vgl. auch Senat, BGHZ 79, 45, 48); hat der Entschädigungsanspruch des beeinträchtigten Grundstückseigentümers seine Grundlage in einer entsprechenden Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz2 BGB wegen hoheitlicher Eingriffe der öffentlichen Hand, gilt für die Beurteilung der Unzumutbarkeit die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle (BGHZ 97, 361, 362 f.; 122, 76, 78), die deutlich über der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle liegt (BGHZ 122, 76, 79; 140, 285, 298). Diese Unterscheidung ist zwar in der Literatur auf Kritik gestoßen, aber nur im Hinblick auf die Berücksichtigung der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle bei der entsprechenden Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 257 m.w.N.; Roth, LMK 2005, 52, 53); für den hier maßgeblichen direkten Anwendungsbereich der Vorschrift wird sie nicht in Frage gestellt (vgl. Roth, NVwZ 2001, 34, 38).
16
bb) Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf Besonderheiten, welche hier die Berücksichtigung der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze erfordern sollen.
17
(1) Der Gedanke der Priorität führt nicht zu einer Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze über die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle hinaus. Zwar dürfen für die Begründung des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die Umstände nicht außer Betracht gelassen werden, die den durch die unterschiedliche Nutzung des emittierenden und des beeinträchtigten Grundstücks hervorgerufenen Interessenkonflikt durch Maßnahmen des einen oder des anderen Eigentümers veranlasst oder verschärft haben (Senat, BGHZ 59, 378, 384). Aber wer sich - wie hier die Wohnungseigentümer - in Kenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle, nämlich der Eisenbahnbrücke, in deren Nähe ansiedelt , ist nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immissionen verpflichtet, sondern nur zur Duldung derjenigen, die sich in den Grenzen der zulässigen Richtwerte hält (Senat, BGHZ 148, 261, 269). Werden - wie hier - diese Werte überschritten und führt das zu einer wesentlichen, aber zu duldenden Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks, steht dem Eigentümer der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu.
18
(2) Auch der Gesichtspunkt, dass der Schienenverkehr öffentlichen Interessen dient und die Allgemeinheit auf ihn angewiesen ist, rechtfertigt keine Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt , sind die Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV im Vergleich mit denen nach der TA-Lärm hoch angesetzt. Damit ist dem Gemeinwohlinteresse am Schienenverkehr ausreichend Genüge getan.
19
cc) Im Übrigen übersieht die Revision, dass hier in der Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) auch die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird. Sie ist für Verkehrslärmimmissionen in Wohngebieten im Allgemeinen bei Werten von 60 dB (A) bis 65 dB (A) anzusetzen (BGHZ 122, 76, 81). Der Sachverständige hat für die Nacht jedoch einen Beurteilungspegel von 66,9 dB (A) ermittelt. Deshalb steht den Wohnungseigentümern unabhängig davon, ob die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle oder die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle gilt, der Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach zu.

III.


20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.08.2003 - 1 O 40/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.12.2005 - I-9 U 169/03 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 2/06 Verkündet am:
27. Oktober 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die Beurteilung, ob von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen
die ortsübliche Benutzung des davon betroffenen Grundstücks oder dessen Ertrag
über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen, gilt grundsätzlich derselbe Maßstab
wie für die Beurteilung, ob diese Einwirkungen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung
der Grundstücksnutzung (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB) führen.
BGH, Urt. v. 27. Oktober 2006 - V ZR 2/06 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger bewohnt eine Eigentumswohnung in der ersten Etage des 1975/1981 errichteten Gebäudes F. straße 27 in O. . Ca. 30 m bis 40 m von dem Balkon dieser Wohnung entfernt befindet sich eine Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Eisenbahnbrücke, deren Eigentümerin die Beklagte ist.
2
Nach dem Abschluss von Bauarbeiten an der Brücke, die von Mai bis September 1998 dauerten, beschwerte sich der Kläger bei der Beklagten über einen gegenüber früher wesentlich erhöhten und unerträglichen Lärm, den die über die Brücke fahrenden Züge verursachten. Die Beklagte hielt die von dem Kläger empfundene Steigerung des Lärmpegels für eine subjektive Fehleinschätzung.
3
Mit seiner Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Vornahme von Maßnahmen beantragt, durch welche bei dem Befahren der Brücke die Immissionsschutzwerte nach der TA-Lärm eingehalten werden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist insoweit ohne Erfolg geblieben, als er die Verurteilung der Beklagten beantragt hat, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit die durch das Befahren der Brücke verursachte Lärmbelästigung die Werte von 59 dB (A) tagsüber und 49 dB (A) nachts nicht übersteigt. Auf den von dem Kläger in der Berufungsinstanz in Prozessstandschaft für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer des Grundstücks F. - straße 27 gestellten Hilfsantrag, die Beklagte zur Zahlung von 8.195,40 € (Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern) an ihn zu verurteilen, hat das Oberlandesgericht - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - festgestellt , dass dieser Antrag dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
4
Mit der - von dem Berufungsgericht zugelassenen - Revision will die Beklagte die Abweisung des Hilfsantrags erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehen von der Eisenbahnbrücke , verursacht durch den Zugverkehr, wesentliche und damit grundsätzlich unzumutbare Geräuscheinwirkungen auf das Grundstück F. straße 27 und insbesondere auf die von dem Kläger bewohnte Wohnung aus. Die in der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) festgelegten Grenzwerte für allgemeine oder reine Wohngebiete würden nach den Berechnungen des Sachverständigen so erheblich überschritten (Beurteilungspegel von 67,4 dB (A) tagsüber und 66,9 dB (A) nachts), dass keine Zweifel an dem Überschreiten der Wesentlichkeitsgrenze bestünden. Sie sei nicht auf die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle anzuheben, sondern beurteile sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten sei. Jedoch müssten die Wohnungseigentümer die Beeinträchtigung dulden, weil sie durch eine ortsübliche Benutzung des Brückengrundstücks herbeigeführt werde und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könne. Als Kompensation müsse die Beklagte die Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern erstatten. Der Anspruch der Wohnungseigentümer sei nicht unter dem Gesichtspunkt ausgeschlossen, dass sie in einem Planfeststellungsverfahren Abhilfe hätten suchen müssen; denn planfeststellungspflichtige Arbeiten seien an der Brücke nicht durchgeführt worden. Die für die Beurteilung der wesentlichen Beeinträchtigung maßgeblichen Werte seien nicht deshalb anzuheben, weil das Grundstück F. straße 27 und das Brückengrundstück unterschiedlich genutzt würden; denn den aus dem Zusammentreffen der unterschiedlichen Grundstücksnutzungen folgenden widerstreitenden Interessen der Grundstückseigentümer trage die Verkehrslärmschutzverordnung dadurch Rechnung, dass die darin festgelegten Grenzwerte sehr hoch angesetzt seien.
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Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II.


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1. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die durch den Zugverkehr hervorgerufenen, von der Brücke der Beklagten ausgehenden Geräusche die Benutzung des Grundstücks F. straße 27 wenigstens in der von dem Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Wohnung wesentlich beeinträchtigen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.
8
a) Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (siehe nur Senat, BGHZ 157, 33, 43). Diesen Maßstab legt das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Dass es sich dabei auf die von dem Sachverständigen vorgenommene Berechnung stützt, nach welcher die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV genannten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, ist nicht zu beanstanden. Denn es legt - entgegen der Auffassung der Revision - die Wesentlichkeitsgrenze nicht etwa im Hinblick auf das bloße Überschreiten dieser Grenzwerte mathematisch exakt, sondern - was der Rechtsprechung des Senats entspricht (BGHZ 148, 261, 265; Urt. v. 26. September 2003, V ZR 41/03, WM 2004, 886) - aufgrund seiner eigenen wertenden Beurteilung fest. Es berücksichtigt die unterschiedliche Nutzung des emittierenden und des beeinträchtigten Grundstücks, den Charakter des Gebiets, in welchem sich die beiden Grundstücke befinden, die Art des von dem Befahren der Brücke ausgehenden Lärms und seine Intensität; zusätzlich weist es darauf hin, dass nicht jede geringfügige Überschreitung der in der 16. BImSchV festgelegten Grenzwerte automatisch dazu führt, die Wesentlichkeitsgrenze als überschritten anzusehen. Weitere Feststellungen, etwa gestützt auf den bei einer Augenscheinseinnahme gewonnenen persönlichen Eindruck (vgl. Senat, Urt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, WM 1992, 1612, 1613), musste das Berufungsgericht nicht treffen. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass er auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben in der Anlage 2 zur 16. BImSchV eine "pessimale Prognoseberechnung" der von dem Befahren der Brücke ausgehenden Geräusche vorgenommen habe und dass die tatsächlichen Geräuschemissionen, abhängig von der Länge und der Geschwindigkeit der über die Brücke fahrenden Züge, niedriger sein könnten. Das erklärt sich aus dem Anwendungsbereich der 16. BImSchV, die für den Bau oder die wesentliche Änderung von Straßen und Schienenwegen gilt (§ 1 Abs. 1 16. BImSchV). Für die Bemessung des Schallschutzes nach § 2 16. BImSchV ist deshalb der Beurteilungspegel des von dem neu zu bauenden oder wesentlich zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms maßgeblich (BRDrucks. 661/89, Anlage S. 1); dieser kann nur rechnerisch prognostiziert werden. Diese Art der Ermittlung der Geräuschemissionen - ohne Messung - ist auch bei laufendem Bahnbetrieb zulässig (BVerwG NVwZ 1996, 394, 396). Aber der Sachverständige hat auch eine Kontrollbetrachtung angestellt, indem er die von ihm errechneten Werte mit den für die Erstellung seines Gutachtens in der ersten Instanz auf der Grundlage der tatsächlichen Geräuschimmissionen ermittelten Werte verglichen hat. Dabei ergab sich nur eine ganz geringe Unterschreitung der errechneten Werte; auch die tatsächlichen Werte liegen weit über den in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV festgelegten Grenzwerten. Im Übrigen hat die Beklagte vor der Erstellung des Gutachtens gegenüber dem Berufungsgericht erklärt, sie sei mit der rein rechnerischen Ermittlung einverstanden, deshalb brauche der Sachverständige keine Messungen vor Ort vorzunehmen; auch hat sie zum Beweis der Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung keine Augenscheinseinnahme durch das Berufungsgericht beantragt.
9
b) Entgegen der Auffassung der Revision misst das Berufungsgericht den von dem Sachverständigen errechneten Werten keine Indizwirkung im Hinblick auf die Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenze bei. Es geht vielmehr zutreffend davon aus, dass es sich bei den in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV genannten Werten nicht um solche im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB handelt, deren Überschreitung nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 85/04, MDR 2005, 328) die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung indiziert. Gleichwohl bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen , dass das Berufungsgericht in seine Würdigung die Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV und die von dem Sachverständigen nach § 3 i.V.m. Anlage 2 16. BImSchV ermittelten Werte einbezogen hat, denn es sieht sie ersichtlich als bloße Entscheidungshilfe und nicht als bindende Größen an (vgl. Senat, BGHZ 161, 323, 335 f.).
10
2. Zu Recht hält das Berufungsgericht die Wohnungseigentümer des Grundstücks F. straße 27 für verpflichtet, die wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, weil sie durch die ortsübliche Benutzung des Brückengrundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dagegen erhebt die Revision auch keine Angriffe.
11
3. Ebenfalls zu Recht bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch der Wohnungseigentümer gegen die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs in Geld, weil die von dem Befahren der Brücke ausgehenden Geräuschemissionen die ortsübliche Benutzung des Grundstücks F. straße 27 über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB).
12
a) Der Anspruch ist - entgegen der Auffassung der Revision - nicht deshalb ausgeschlossen, weil für die Bahnstrecken der Beklagten Bestandsschutz besteht. Dieser wird durch die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht berührt. Der Rechtsgedanke, der dem Senatsurteil vom 10. Dezember 2004 (BGHZ 161, 323 f., 328 ff.) zu Grunde liegt, wonach ein zivilrechtlicher Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen von Flugplätzen ausgehender Lärmbelästigungen nicht in Betracht kommt, wenn ein Planfeststellungsverfahren nach §§ 8, 9, 10 LuftVG durchgeführt worden ist oder eine Planfeststellung nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG fingiert wird, kann nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Zum einen war weder vor der Errichtung der Brücke noch vor dem Beginn der Baumaßnahmen im Jahr 1998 die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens notwendig. Zum anderen fehlt es für den Eisenbahnverkehr an einer § 71 LuftVG entsprechenden gesetzlichen Regelung, welche für alte Flugplätze eine Planfeststellung fingiert. Das zeigt, dass der Gesetzgeber für den Bahnverkehr einen mit dem Betrieb alter Flugplätze vergleichbaren Regelungsbedarf nicht für notwendig hält. Diese gesetzgeberische Wertung müssen die Gerichte beachten. Die Beklagte ist deshalb ohne Einschränkung in das System der Abwehr von Geräuschimmissionen und der Entschädigungspflicht nach § 906 BGB eingebunden.
13
b) Für die Beurteilung, ob von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen die ortsübliche Benutzung des davon betroffenen Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen, gilt grundsätzlich derselbe Maßstab wie für die Beurteilung, ob diese Einwirkungen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB) führen (PWW/Lemke, BGB, § 906 Rdn. 35; zu Differenzierungen im Einzelfall siehe Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 254 ff.); wird die Wesentlichkeitsgrenze überschritten, kann der duldungspflichtige Grundstückseigentümer da- her einen Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB haben (BGHZ 122, 76, 78 f.; Roth, LMK 2005, 52, 53). So ist es hier. Die von den Wohnungseigentümern zu duldende wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung ihres Grundstücks hat zur Folge, dass sie von der Beklagten als Ausgleich eine Geldentschädigung verlangen können.
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c) Entgegen der Auffassung der Revision ist hier für das Bestehen dieses Anspruchs nicht die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle maßgebend.
15
aa) Die von dem Berufungsgericht als rechtsgrundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob für einen Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle oder die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle maßgeblich ist, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden. Danach beurteilt sich bei Geräuschimmissionen die Unzumutbarkeit in dem direkten Anwendungsbereich von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle, die zugleich die Wesentlichkeitsgrenze im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt (BGHZ 122, 76, 78 f.; vgl. auch Senat, BGHZ 79, 45, 48); hat der Entschädigungsanspruch des beeinträchtigten Grundstückseigentümers seine Grundlage in einer entsprechenden Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz2 BGB wegen hoheitlicher Eingriffe der öffentlichen Hand, gilt für die Beurteilung der Unzumutbarkeit die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle (BGHZ 97, 361, 362 f.; 122, 76, 78), die deutlich über der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle liegt (BGHZ 122, 76, 79; 140, 285, 298). Diese Unterscheidung ist zwar in der Literatur auf Kritik gestoßen, aber nur im Hinblick auf die Berücksichtigung der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle bei der entsprechenden Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 257 m.w.N.; Roth, LMK 2005, 52, 53); für den hier maßgeblichen direkten Anwendungsbereich der Vorschrift wird sie nicht in Frage gestellt (vgl. Roth, NVwZ 2001, 34, 38).
16
bb) Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf Besonderheiten, welche hier die Berücksichtigung der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze erfordern sollen.
17
(1) Der Gedanke der Priorität führt nicht zu einer Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze über die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle hinaus. Zwar dürfen für die Begründung des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die Umstände nicht außer Betracht gelassen werden, die den durch die unterschiedliche Nutzung des emittierenden und des beeinträchtigten Grundstücks hervorgerufenen Interessenkonflikt durch Maßnahmen des einen oder des anderen Eigentümers veranlasst oder verschärft haben (Senat, BGHZ 59, 378, 384). Aber wer sich - wie hier die Wohnungseigentümer - in Kenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle, nämlich der Eisenbahnbrücke, in deren Nähe ansiedelt , ist nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immissionen verpflichtet, sondern nur zur Duldung derjenigen, die sich in den Grenzen der zulässigen Richtwerte hält (Senat, BGHZ 148, 261, 269). Werden - wie hier - diese Werte überschritten und führt das zu einer wesentlichen, aber zu duldenden Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks, steht dem Eigentümer der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu.
18
(2) Auch der Gesichtspunkt, dass der Schienenverkehr öffentlichen Interessen dient und die Allgemeinheit auf ihn angewiesen ist, rechtfertigt keine Erhöhung der Zumutbarkeitsgrenze. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt , sind die Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV im Vergleich mit denen nach der TA-Lärm hoch angesetzt. Damit ist dem Gemeinwohlinteresse am Schienenverkehr ausreichend Genüge getan.
19
cc) Im Übrigen übersieht die Revision, dass hier in der Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) auch die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird. Sie ist für Verkehrslärmimmissionen in Wohngebieten im Allgemeinen bei Werten von 60 dB (A) bis 65 dB (A) anzusetzen (BGHZ 122, 76, 81). Der Sachverständige hat für die Nacht jedoch einen Beurteilungspegel von 66,9 dB (A) ermittelt. Deshalb steht den Wohnungseigentümern unabhängig davon, ob die fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle oder die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle gilt, der Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach zu.

III.


20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.08.2003 - 1 O 40/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.12.2005 - I-9 U 169/03 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über

1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen,
2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist,
3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen,
4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen,
5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten,
6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
Bei der Festlegung der Anforderungen sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten.

(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.

(1b) Abweichend von Absatz 1a

1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Emissionswerte und Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten.

(2) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 217/03 Verkündet am:
13. Februar 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Einhaltung der in Gesetzen oder Rechtsverordnungen im Sinne des § 906
Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegten Grenz- oder Richtwerte kommt Indizwirkung dahin
zu, daß eine nur unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Es ist dann Sache des
Beeinträchtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die diese Indizwirkung
erschüttern.
Bei einer von einer Mobilfunksendeanlage ausgehenden Beeinträchtigung durch
elektromagnetische Felder, die die Grenzwerte der 26. BImSchV einhalten, muß der
Beeinträchtigte zur Erschütterung der Indizwirkung darlegen - und gegebenenfalls
beweisen -, daß ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der Richtigkeit der
festgelegten Grenzwerte und ein fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung
besteht.
BGH, Urt. v. 13. Februar 2004 - V ZR 217/03 - OLG Frankfurt a.M.
LG Hanau
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte zu 1 betreibt seit 1999 auf dem Kirchturm der Jakobuskirche in B. eine Mobilfunksendeanlage. Den Standort nutzt sie aufgrund eines auf 20 Jahre befristeten Mietvertrages mit der Beklagten zu 2, der ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt ist, daß der Betrieb der Sendeanlage Gesundheitsgefahren herbeiführt.
Die Klägerin betreibt in einer Entfernung von 100 m zu der Anlage eine psychotherapeutische Praxis.
Die für Mobilfunkanlagen geltenden Grenzwerte nach § 2 in Verbindung mit Anhang 1 der 26. BImSchV vom 16. Dezember 1996 (BGBl. I S. 1966) werden eingehalten.
Die Klägerin verlangt gleichwohl von der Beklagten zu 1, den Betrieb der Sendeanlage zu unterlassen, und von der Beklagten zu 2, den Betrieb durch die Beklagte zu 1 nicht zu ermöglichen. Sie behauptet, von dem Betrieb der Anlage gehe für sie eine konkrete Gesundheitsgefährdung aus, vor der sie die Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV nicht schütze. Diese Werte seien nämlich zu hoch. Außerdem - so ihre Ansicht - erfasse die Verordnung nur die sogenannten thermischen Wirkungen, nicht aber die athermischen, die u.a. zu einer Steigerung des Krebsrisikos führten, die Möglichkeit einer Blutbildveränderung einschlössen und negative Auswirkungen auf das Immunsystem sowie Kopfschmerzen, Gehör- und Konzentrationsstörungen zur Folge hätten.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Unterlassungsanträge weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den von der Sendeanlage der Beklagten zu 1 ausgehenden elektromagnetischen Feldern zwar um Einwirkungen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, jedoch um solche , die die Klägerin zu dulden habe, weil sie nur zu unwesentlichen Beeinträchtigungen führten. Das folge gemäß der Regel des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB daraus, daß sie unter den Grenzwerten blieben, die zum Schutze vor
schädlichen Umwelteinwirkungen elektromagnetischer Felder festgesetzt worden seien (§§ 1 Abs. 1 Satz 2, 2 Nr. 2 der 26. BImSchV, Anhang 1). Diese Grenzwerte, die an sich auf thermische Auswirkungen von Hoch- und Niederfrequenzanlagen ausgerichtet seien, gälten auch für athermische Wirkungen elektromagnetischer Felder. Daß die Beeinträchtigungen trotz Unterschreitens dieser Grenzwerte infolge besonderer Umstände als wesentlich einzustufen seien, könne nicht festgestellt werden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft sei es nicht nachweisbar, daß durch athermische Effekte elektromagnetischer Felder Gesundheitsgefahren ausgelöst würden, und wenn ja, unter welchen Bedingungen und mit welchen, möglicherweise die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreitenden Folgen. Daher sei auch eine Beweiserhebung über diese Fragen durch eine sachverständige Begutachtung nicht geboten. Sie könne nur das bereits bekannte Ergebnis haben, daß eine die Gesundheit gefährdende Beeinträchtigung nicht ausschließbar, aber auch nicht nachweisbar sei.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Der Klägerin steht der nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil sie nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB die von der Mobilfunkanlage der Beklagten zu 1 ausgehenden elektromagnetischen Felder dulden muß.
1. Immissionen durch elektromagnetische Felder werden als "ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen" von § 906 Abs. 1
Satz 1 BGB erfaßt (Fritz, BB 1995, 2122, 2123 f.; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 173). Sie sind daher, wie jede andere Zufügung unwägbarer Stoffe, von dem Eigentümer des von den Auswirkungen betroffenen Grundstücks zu dulden, wenn sie zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung führen. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt - wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (Senat, BGHZ 120, 239, 255; 121, 248, 255; 146, 261, 264). Bei der von dem Tatrichter dazu anzustellenden Bewertung ist allerdings § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten. Danach liegt eine unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenzen oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. So ist das Berufungsgericht verfahren. Rechtsfehler sind ihm dabei entgegen der Auffassung der Revision nicht unterlaufen.
Zutreffend ist insbesondere die Annahme, die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte berücksichtigten sowohl die thermischen wie die athermischen Effekte elektromagnetischer Felder. Die Verordnung unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Auswirkungen, sondern stellt Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder generell (§ 1 Abs. 1 der Verordnung ). Dies bestätigt die von dem Berufungsgericht zitierte Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 13./14. September 2001, die erkennen läßt, daß ihr Augenmerk seit jeher den thermisch bedingten Reaktionen wie auch den athermischen Reaktionen galt. Da die Arbeit und die Ergebnisse der
Strahlenschutzkommission Grundlage für die 26. BImSchV waren, liegt es nahe , daß der Verordnungsgeber - wie die Kommission - beide Gesichtspunkte im Auge hatte und regeln wollte. Daß sich die festgelegten Grenzwerte nur an den thermischen Auswirkungen orientieren, beruht - wie die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission deutlich machen - darauf, daß thermisch bedingte Reaktionen bei geringeren Feldstärken eintreten als nachgewiesene athermische Reaktionen. Der Verordnungsgeber konnte sich daher auf die Bestimmung von Grenzwerten beschränken, die an thermischen Reaktionen anknüpfen ; nachweisbare athermische Reaktionen waren so in jedem Fall miterfaßt. Soweit die Revision meint, aus der amtlichen Begründung der Verordnung ergebe sich, daß allein thermische Auswirkungen Gegenstand der Regelung seien , mißversteht sie die dort enthaltenen Ausführungen (BR-Drucks. 393/96, S. 15). Sie stellen, im Einklang mit den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission , darauf ab, daß "dominanter Effekt der Hochfrequenzfelder ... die Erwärmung des Gewebes" ist, der sogenannte thermische Effekt. Darauf beruht, wie dargelegt, die Grenzwertbestimmung, sie schließt aber den Schutz vor athermischen Wirkungen nicht aus.
Richtig ist - worauf die Revision hinweist -, daß die 26. BImSchV keine Vorsorgekomponente enthält (vgl. Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, BR-Drucks. 393/1/96, S. 5; siehe auch BVerfG NJW 2002, 1638, 1639; Kutscheidt , NJW 1997, 2481, 2484). Von nichts anderem geht aber auch das Berufungsgericht aus. Wenn es gleichwohl meint, die Verordnung habe auch "Vorsorge" gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder getroffen, soweit es um athermische Effekte geht, bedeutet das nicht, daß ein Vorsorge- (d.h. Sicherheits-) Faktor eingerechnet sei, sondern daß die Verordnung auch Schutz vor athermischen Wirkungen gewährleisten soll. Im
übrigen bliebe ein etwaiger Irrtum des Berufungsgerichts auf das Ergebnis ohne Einfluß. Denn die Berücksichtigung einer Vorsorgekomponente ist für die Frage, ob die Verordnung auch vor schädlichen athermischen Wirkungen schützen will, ohne Belang. 2. Fehl geht die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt, wenn es davon ausgegangen sei, der Klägerin obliege die Darlegung konkreter Anhaltspunkte dafür, daß trotz Einhaltung der Grenzwerte eine wesentliche Beeinträchtigung vorliege.
Richtig daran ist, daß grundsätzlich der Störer darlegen und beweisen muß, daß sich eine Beeinträchtigung nur als unwesentlich darstellt (Senat, BGHZ 120, 239, 257). Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung, wenn nach der Regel des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, weil - wie hier - ein entsprechender Grenzoder Richtwert nicht überschritten ist. Allerdings kehrt sich in solch einem Fall entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung (vgl. Begründung zu § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB, BT-Drucks. 12/7425, S. 88, Staudinger/Roth, BGB [1996], Rdn. 178; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 906 Rdn. 20; Baumgärtel /Laumen, Handbuch des Beweisrechts, 2. Aufl., § 906 Rdn. 7; Fritz, NJW 1996, 573, 574) die Beweislast nicht um. Vor der Neufassung des § 906 Abs. 1 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2457) entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß in technischen Regelungswerken festgelegte Grenz- oder Richtwerte bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist oder nicht, nicht schematisch angewendet werden können, sondern nur eine Entscheidungshilfe für den Richter in der Weise bieten, daß bei einer Überschreitung der einschlägigen Richtwerte grundsätzlich von einer wesentlichen Beeinträchtigung auszugehen
ist. Dies entbindet den Tatrichter aber nicht von der Verpflichtung, die Umstände des Einzelfalls zu würdigen und unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Menschen zu entscheiden, ob trotz Überschreitens der Grenzwerte möglicherweise doch von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist (BGHZ 111, 63, 66 ff. m.w.N.). Daran hat sich durch die Einführung des Regeltatbestandes in § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB nichts geändert. Der Gesetzgeber wollte den dem Tatrichter zugewiesenen einzelfallbezogenen Beurteilungsspielraum nicht einengen (vgl. BT-Drucks. 12/7425, S. 28). Hätte er eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beeinträchtigten vornehmen wollen, hätte im übrigen eine andere Formulierung näher gelegen als die Aufstellung einer Regel, wonach bei Einhaltung der Grenz- oder Richtwerte von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen sei (vgl. Marburger, Festschrift Ritter, 1997, 901, 905, 913). Der Senat ist daher auch nach der Änderung des § 906 Abs. 1 BGB weiterhin davon ausgegangen, daß den in Satz 2 und 3 der Norm genannten Grenz- oder Richtwerten nur die Bedeutung zukommt, daß einem Überschreiten der Werte Indizwirkung für das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung zukommt und ein Einhalten oder Unterschreiten der Grenz- oder Richtwerte die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung indiziert (vgl. BGHZ 148, 261, 264 f.). Eine solche indizielle Bedeutung hat der Tatrichter zu beachten. Er kann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums von dem Regelfall abweichen, wenn dies besondere Umstände des Einzelfalls gebieten. Darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen sind solche die Indizwirkung erschütternde Umstände von demjenigen, der trotz Einhaltung der Grenzwerte eine wesentliche Beeinträchtigung geltend macht. Er muß allerdings nur diese Umstände darlegen und beweisen, um dem Tatbestand des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB die Indizwirkung zu nehmen. Er muß nicht nachweisen, daß die Beeinträchtigung wesentlich ist (ebenso, wenngleich zum Teil mißverständlich
von "Gegenbeweis" sprechend, Marburger aaO S. 917; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 202; siehe auch Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 17).
Das steht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht im Widerspruch zu den Wertungen der §§ 903, 1004, 906 BGB. Allerdings hat das Berufungsgericht nicht die Feststellung getroffen, daß eine Gesundheitsgefährdung der Klägerin ausgeschlossen ist. Sie trägt demnach das Risiko einer Gefährdung. Das ist aber nicht systemwidrig. Der Gesetzgeber hat in § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Risikoverschiebung vorgenommen und im Ergebnis eine Duldungspflicht für den Fall statuiert, daß eine wesentliche Beeinträchtigung zwar nicht ausgeschlossen ist, daß sie aber wegen der Einhaltung einschlägiger Grenzwerte in der Regel nicht gegeben sein wird und der von den Immissionen Betroffene die hiervon ausgehende Indizwirkung nicht hat erschüttern können. Darin besteht - abweichend von den Vorstellungen der Revision - die Wertung. Was die Revision der Sache nach bekämpft, ist im Grunde nicht diese, sondern die in den Grenzwerten der 26. BImSchV zum Ausdruck gekommene Wertung. Diese ist aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 2002, 1638) und daher bindend. Sie kann nicht auf dem Umweg des privaten Immissionsschutzes wieder in Frage gestellt werden. Eine eigene generelle Risikobewertung steht dem Tatrichter gerade nicht zu, nur eine einzelfallbezogene Beurteilung bei Vorliegen entsprechender Umstände. Das Verfahren des Berufungsgerichts war daher entgegen der Auffassung der Revision insoweit nicht fehlerhaft.
3. Gemessen daran ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen , daß der Vortrag der Klägerin den Anforderungen an die Erschütterung der
von dem Regelfall ausgehenden Indizwirkung nicht genügt. Sie hat weder dar- gelegt, daß ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der Richtigkeit der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte besteht noch daß ein fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder unterhalb dieser Werte erhoben werden kann. Wissenschaft und Forschung ist - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - bislang nicht der Nachweis gelungen, daß athermische Effekte elektromagnetischer Felder, zumal unterhalb der durch die Verordnung gezogenen Grenzen, zu gesundheitlichen Schäden führen.
Nicht berechtigt ist die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge , daß das Berufungsgericht den Beweisanträgen der Klägerin auf Einholung von Sachverständigengutachten zu den gesundheitlichen Folgen der Einwirkung elektromagnetischer Felder durch athermische Effekte nicht nachgegangen sei.
Sieht man einmal davon ab, daß die Klägerin an den von der Revision angegebenen Stellen ganz überwiegend nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat, sondern die Vernehmung sachverständiger Zeugen zu den von ihnen in der Wissenschaft bekannten Ansichten, so hat das Berufungsgericht jedenfalls eine Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten zu Recht unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2002, 1638, 1639 f.) abgelehnt. Das Beweismittel ist nämlich - derzeit - ungeeignet.

a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts geht die Klägerin selbst davon aus, daß es in Wissenschaft
und Forschung bislang nicht gelungen ist, den Nachweis zu erbringen, daß athermische Effekte elektromagnetischer Felder, zumal unterhalb der durch die 26. BImSchV gezogenen Grenzen, zu gesundheitlichen Schäden führen können. Das deckt sich mit den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission vom 13./14. September 2001 und liegt auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der 26. BImSchV zugrunde (NJW 2002, 1638, 1639). Ein Sachverständigengutachten zu der Frage der gesundheitlichen Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern kann nur diesen Stand der Forschung wiedergeben und ist daher nicht geeignet, neue Erkenntnisse zu vermitteln. Daß die Klägerin auf neue Forschungsansätze hingewiesen hätte, die eine andere Sicht der Dinge vermitteln könnten, zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie auf neuere Studien verweist, die nach Erlaß des Berufungsurteils herausgekommen sind, handelt es sich um keinen Sachvortrag, der der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Zudem legt sie nicht dar, daß diese Studien geeignet sind, den bisherigen Stand der Forschung zu revidieren, und daß sie im konkreten Fall eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch athermische Wirkungen zu beweisen geeignet sind. Daß - wie die Revision zusammenfaßt - Schäden möglich sind, also nicht ausgeschlossen werden können, entspricht auch bisherigen Erkenntnissen. Daß aber unter den durch die 26. BImSchV gesetzten Grenzen im konkreten Fall ein Gefährdungspotential vorhanden ist, das nach neuestem Stand der Forschung als eine wesentliche Beeinträchtigung eingestuft werden müßte, wird nicht einmal im Ansatz erkennbar.
Ebensowenig führen die Rügen der Revision zum Erfolg, das Berufungsgericht habe sich nicht mit allen von der Klägerin in das Verfahren eingeführten gutachtlichen Stellungnahmen auseinandergesetzt. Es wird nicht
dargelegt, daß diesen Stellungnahmen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu entnehmen sind, wonach im konkreten Fall durch den Betrieb der Mobilfunksendeanlage eine Gesundheitsgefährdung der Klägerin zu gewärtigen ist oder auch nur der ernsthafte Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
Angesichts dessen verlangt die Durchsetzung des Justizgewährungsgebots keine Beweisaufnahme, die doch wiederum nur den bestehenden Zustand der Ungewißheit, eine wissenschaftlich nicht verläßlich explorierte komplexe Gefährdungslage, spiegeln könnte. Es bleibt allein Sache des Verordnungsgebers , die Entwicklung zu beobachten und etwaigen neuen Erkenntnissen durch engere oder weitere Grenzen Rechnung zu tragen (BVerfG NJW 2002, 1638, 1639).

b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus einer anderen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2001, 1482, 1483) zu einem mit der vorliegenden Konstellation vergleichbaren Fall. Richtig daran ist, daß es dort - wie hier - um einen Anspruch auf Unterlassung des Betriebs einer Mobilfunkanlage ging. Die dortigen Kläger hatten gegen zwei sie beschwerende Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren Verfassungsbeschwerde erhoben, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat. Dieser Grundsatz verlange eine Erschöpfung des Instanzenzugs im Hauptsacheverfahren mit der gebotenen Sachverhaltsaufklärung. Eine möglicherweise auf ungesicherten tatsächlichen Grundlagen beruhende Entscheidung im Eilverfahren genüge nicht. Diese allgemein gehaltenen Erwägungen lassen nicht erkennen, daß das Bundesverfassungsgericht eine Sachaufklärung in dem hier interessierenden Punkt durch sach-
verständige Begutachtung für erforderlich hält. Das Gegenteil wird deutlich, wenn es in der Entscheidung ausdrücklich heißt, daß in "rechtlicher Hinsicht" zu klären sei, ob die von Mobilfunkanlagen ausgehenden Strahlungen Besonderheiten aufwiesen, die bei einer Beurteilung der von § 906 Abs. 1 BGB erfaßten Beeinträchtigungen und den bei der Entscheidung über die Duldungspflicht maßgebenden Wertungen folgenreich würden. Um eine rechtliche Einschätzung durch die Fachgerichte ging es dem Bundesverfassungsgericht, Konsequenzen in dem von der Revision geltend gemachten Sinn lassen sich daraus nicht ziehen.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 72/04 Verkündet am:
10. Dezember 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ist ein Planfeststellungsverfahren nach §§ 8, 9, 10 LuftVG durchgeführt worden, kommt ein zivilrechtlicher
Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Lärmbelästigungen
grundsätzlich nicht in Betracht.

b) Wird eine Planfeststellung nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG fingiert, gilt dasselbe. Dem von Lärmimmissionen
Betroffenen steht in solchen Fällen Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des

c) Die Sperrwirkung der Regelungen des Planfeststellungsverfahrens gilt nicht nur für den Anspruch
auf Erstattung der Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen, sondern auch für Ansprüche auf
Ausgleich eines verbleibenden Minderwerts des Grundstücks.

d) Bei der Beurteilung, ob Fluglärm eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 2
Satz 1 BGB bedeutet, ist der Tatrichter auf eine Würdigung aller die Lärmimmissionen charakterisierenden
Umstände angewiesen. Die Vorschriften des Fluglärmgesetzes, der TA-Lärm und der
Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) stellen keine Normen im Sinne des § 906 Abs. 1
Satz 2 und 3 BGB dar; von den dort geregelten Grenzwerten geht daher keine Indizwirkung aus,
sie können aber bei der Gesamtwürdigung als Entscheidungshilfe Berücksichtigung finden.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2004 - V ZR 72/04 - OLG Köln
LG Bonn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und
die Richterin Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte betreibt den erstmals 1959 genehmigten F lughafen Köln/Bonn. Die Kläger sind seit 1989 Eigentümer eines Hausgrundstücks in L. -S. , das zuvor der Mutter des Klägers gehörte, die den Klägern etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen Fluglärmbelästigung abgetreten hat.
Das Haus befindet sich außerhalb der durch das Gesetz zum S chutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz) gezogenen Schutzzonen unter dem Gleitpfad der einfliegenden Flugzeuge beim Anflug auf eine bestimmte, über-
wiegend nur bei Westwindwetterlagen genutzte Landebahn. Die durchschnittliche Überflughöhe beträgt, bedingt durch die Hanglage des Grundstücks, regelmäßig weniger als 300 m.
Die Kläger haben behauptet, daß von dem Flugverkehr, insbesondere nachts, eine unzumutbare Lärmbelästigung ausgehe, der durch Schallschutzmaßnahmen nicht in ausreichendem Maße begegnet werden könne. Sie haben im Jahre 2000 die Fenster im Erdgeschoß ausgetauscht und mit Wärmeschutzverglasung versehen. Außerdem haben sie eine Isolierung des Flachdaches - soweit nicht überbaut - anbringen lassen. Die Kosten hierfür (10.849,14 € und 4.366,14 €) machen sie als Aufwendungsersatz für Schallschutzmaßnahmen geltend. Ferner verlangen sie Ausgleich einer nach ihrer Behauptung auf der Lärmimmission beruhenden Wertminderung von 54.467,16 € (25 % des Grundstückswerts).
Das Landgericht hat eine Beweisaufnahme durch Einholun g von Sachverständigengutachten zum Ausmaß der Lärmbeeinträchtigung und durch Beobachtung der Flugbewegungen zu nächtlicher Zeit durchgeführt und der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Frage, ob auch die Flugbelästigung tagsüber für die Kläger unzumutbar ist und neben der im Grundurteil festgestellten nächtlichen Fluglärmbelastung eine Wertminderung von insgesamt 25 % des Grundstückswertes rechtfertigt, dem Betragsverfahren überlassen bleibt. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt. Der Umstand, daß der Flughafen - vom Berufungsgericht unterstellt - nach § 71 Abs. 2 LuftVG als genehmigt gelte, führe nicht dazu, daß nach § 9 Abs. 2, 3 LuftVG, § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG oder nach § 11 LuftVG, § 14 BImSchG die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche ausgeschlossen sei. Zur Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung durch den Fluglärm ist das Berufungsgericht auf der Grundlage der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme gekommen. Es hat sich dabei nicht an den Regelungen der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm - orientiert, sondern hat im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vor allem auf einen Mittelungspegel abgestellt und dabei unter Berücksichtigung, daß das Hausgrundstück in einem allgemeinen Wohngebiet liegt, Grenzwerte verschiedener DIN-Vorschriften über die Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen sowie über städtebaulichen Schallschutz, ferner eine VDI-Richtlinie über Arbeitslärm zur Bewertung mit herangezogen. Daß das Landgericht - nach Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft - keine Feststellungen zu etwaigen Lärmbelästigungen tagsüber getroffen hat, hält das Berufungsgericht nicht für entscheidungserheblich, da der Anspruch dem Grunde nach schon wegen der nächtlichen Lärmbeeinträchtigung gerechtfertigt sei und Weiteres dem Betragsverfahren überlassen bleiben könne.

II.


Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision n icht in allen Punkten stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision stellt es allerd ings keinen Verfahrensfehler dar, daß das Berufungsgericht durch Grundurteil entschieden hat, obwohl es an Feststellungen zu etwaigen Lärmbeeinträchtigungen tagsüber fehlt. Für den Grund des Anspruchs genügt es, daß das Berufungsgericht sich die Überzeugung davon verschafft hat, daß der von dem Flughafen der Beklagten ausgehende Fluglärm eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB darstellt, die die Kläger in der Benutzung ihres Grundstücks in nicht mehr zumutbarer Weise beeinträchtigt. Beruht diese Überzeugung nur auf Feststellungen, die zur Nachtzeit getroffen wurden, so ändert sich daran nichts, wenn tagsüber eine weitere Lärmbelästigung hinzutritt , mag sie die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten oder nicht. Daß der Senat - in einem obiter dictum - gemeint hat, eine Lärmdauerbelastung durch überfliegende Flugzeuge könne nur insgesamt unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten gewürdigt werden, wobei zwischen landenden und startenden Flugzeugen ebensowenig unterschieden werden könne wie zwischen leisen oder lauten (Urt. v. 16. September 1988, V ZR 267/86, NJW-RR 1989, 396, 397), steht dem nicht entgegen. In jenem Verfahren hatte das Berufungsgericht die sich widersprechenden Feststellungen getroffen, daß die Kläger zwar die Geräusche landender Flugzeuge hinnehmen müßten, "unter Umständen" aber "einen Ausgleichsanspruch wegen der Geräuscheinwirkung startender Flugzeuge" hätten. Andererseits - so das Berufungsgericht in dem damaligen Verfahren - sei die "Häufigkeit von Geräuschbeeinträchtigung der landenden Flug-
zeuge wesentlich größer, was zur Folge haben könne, daß die zusätzliche Belastung durch startende Flugzeuge doch nicht ins Gewicht falle". Angesichts dessen fehlte es schon an der für den Erlaß des Grundurteils notwendigen Feststellung, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit der Klageanspruch in irgendeiner Höhe bestand (Senat, aaO). Solche Bedenken können vorliegend nicht erhoben werden. Schon die Lärmbeeinträchtigungen bei Nacht rechtfertigen nach Auffassung des Berufungsgerichts einen Ausgleichsanspruch. Somit kommt es nur noch für dessen Höhe auf eine Gesamtbetrachtung des Lärms bei Tag und bei Nacht an.
2. Die Revision wendet sich nicht gegen die - aus Rechtsgr ünden auch nicht zu beanstandende - Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Zivilrechtsweg vorliegend unbeschadet des Umstands gegeben ist, daß möglicherweise fiktiv von einem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß auszugehen ist. Sie hält aber materiellrechtlich den geltend gemachten Ausgleichsanspruch wegen der Wirkungen einer solchen Fiktion und - generell - wegen des Verhältnisses von öffentlichem und zivilrechtlichem Immissionsschutzrecht für ausgeschlossen.

a) Geht man - wie revisionsrechtlich geboten - davon aus, daß der von der Beklagten betriebene Flugplatz nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG als im Plan festgestellt gilt, so ist der Rechtsansicht der Revision beizutreten, daß für einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kein Raum ist.
aa) Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat für de n Bereich des Straßenbaus entschieden, daß ein öffentlich-rechtlicher, unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs geltend gemachter Entschädigungsanspruch
wegen Lärmimmissionen infolge nicht ausreichender Schallschutzmaßnahmen dann ausscheidet, wenn die öffentliche Unternehmung (in jenem Fall der Ausbau einer Autobahn), die zu der Lärmimmission führt, auf einem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß beruht, der Schallschutzmaßnahmen nicht berücksichtigt (BGHZ 140, 285, 293 ff., 298 ff., beruhend auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, NJW 1987, 2884 f.; NJW 1989, 467, 469). Maßgebend für diese Entscheidung sind die folgenden Überlegungen.
Das Planfeststellungsverfahren gibt dem von der geplante n Unternehmung betroffenen Nachbarn die Möglichkeit, Einwendungen vorzubringen und die Behörde anzuhalten, Schallschutzmaßnahmen zum Schutze der Anlieger anzuordnen (§ 74 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG). Dazu zählen alle aktiven und insbesondere auch passiven Schallschutzeinrichtungen, wie etwa Schallschutzfenster , die am Haus des Nachbarn installiert werden können (Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 74 Rdn. 88; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 74 Rdn. 107 ff., 111). Hat die Planfeststellungsbehörde sich, etwa aufgrund von Einwendungen, mit der Frage der erforderlichen aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen bezogen auf das benachbarte Eigentum im Planfeststellungsverfahren, wie geboten, umfassend auseinandergesetzt, so ist damit dem Eigentumsschutz der Anlieger Genüge getan. Ist der betroffene Eigentümer der Meinung, daß der Planfeststellungsbeschluß dem Schutz seines Eigentums im Hinblick auf mögliche Schallschutzmaßnahmen nicht genügend Rechnung trägt, so kann er im Wege der Anfechtung des Beschlusses Ergänzungen durchsetzen. Sieht er hiervon ab, muß er sich, wenn nicht ein Verfahren nach § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG auf nachträgliche Anordnung von Maßnahmen bei nicht voraussehbaren Wirkungen des Vorhabens in Betracht kommt, mit der Bestandskraft der Ablehnung weiterge-
hender Schallschutzmaßnahmen abfinden. Für einen Anspruch auf eine für passive Schallschutzmaßnahmen zu verwendende Entschädigung besteht bei einer solchen Sachlage auch unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs , der sich aus dem allgemeinen Aufopferungsgrundsatz herleitet, kein Bedürfnis und kein Raum (BGHZ 140, 285, 301 f.).
bb) Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
(1) Die Verwandtschaft des öffentlich-rechtlichen Aufopf erungsanspruchs mit dem zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB legt eine grundsätzliche Gleichbehandlung nahe. Die Parallele beider Ansprüche zeigt sich darin, daß die Anspruchsvoraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Anspruch übertragen werden (BGHZ 91, 20, 27; Krohn, in: Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 57), daß mit anderen Worten die zivilrechtliche Norm schlicht analog im öffentlichen Recht angewandt wird (Erman/A. Lorenz, BGB, 11. Aufl., § 906 Rdn. 50; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 84; Hagen, WM 1984, 677, 682). So wird im allgemeinen der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Entschädigung zuerkannt, wenn Immissionen von hoher Hand, deren Zuführung nicht untersagt werden kann, sich als ein unmittelbarer Eingriff in nachbarliches Eigentum darstellen und die Grenze dessen überschreiten , was ein Nachbar nach § 906 BGB entschädigungslos hinnehmen muß (BGHZ 91, 20, 21 f.; 122, 76).
(2) Daß für einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anders als für den strukturell vergleichbaren öffentlichrechtlichen Entschädigungsanspruch der Grundsatz des Vorrangs der im Planfeststellungsverfahren gebotenen Rechtsschutzmöglichkeiten gelten muß, entspricht seiner Konzeption. Er kommt nur in Betracht, wenn nicht eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt (BGHZ 72, 289, 295; Senat, BGHZ 142, 227, 236). Ferner setzt er stets voraus, daß der primäre Störungsabwehranspruch (§ 1004 BGB) dem betroffenen Eigentümer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen versagt ist (BGHZ 72, 289, 292 f.; Senat, BGHZ 85, 375; Hagen, WM 1984, 677, 684). In diesem Zusammenhang ist in der Vergangenheit stets gefragt worden, ob und mit welcher Folge es von Bedeutung ist, daß der betroffene Nachbar von zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen keinen Gebrauch gemacht hat. Für den Bereich des öffentlichen Rechts ist eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB herangezogen worden. Danach soll dem Nachbarn, der zumutbare Rechtsbehelfe einzulegen unterläßt, wegen Nichtwahrung eigener Belange ein Ausgleich für solche Nachteile verwehrt bleiben, die er durch den Gebrauch der Rechtsbehelfe hätte vermeiden können (BGHZ 113, 17, 22 f.; 140, 285, 297). Im Zivilrecht sind die gleichen Überlegungen - mit demselben Ergebnis - unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit angestellt worden (Hagen, WM 1984, 677, 684 unter Hinweis auf BGHZ 72, 289, 294 f.). Solche Erwägungen erfassen die Problematik nicht im Kern und bleiben unscharf. Klar ist demgegenüber der Ansatz, den der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für den öffentlich -rechtlichen Entschädigungsanspruch nunmehr verfolgt. Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Immissionen im Vorfeld ein spezifisches Verfahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im nachbarlichen Bereich vorsieht , in dem die Rechte des Einzelnen berücksichtigt werden können, so sind
diese Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB tritt dahinter zurück (vgl. schon OLG Stuttgart, NJWRR 2001, 1313, 1315).
Ein solches Verfahren stellt das Planfeststellungsverfahren dar. Die Behörde hat dem Träger des Vorhabens, von dem Immissionen ausgehen können , nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Auflagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Ist dies nicht möglich oder untunlich, steht den Betroffenen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld zu. Neben dieser ausdifferenzierten Regelung besteht im Regelfall für einen zusätzlichen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kein Bedürfnis. Nur soweit die im Planfeststellungsverfahren zu Gebote stehenden Möglichkeiten dem berechtigten Interesse des benachbarten Grundstückseigentümers nicht ausreichend Rechnung tragen, etwa weil sie Besonderheiten des Einzelfalls nicht erfassen können, ist ein Rückgriff auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB denkbar.
cc) Dies bedeutet auch für den hier zu unterstellenden F all einer fiktiven Planfeststellung, daß ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist.
(1) Das Berufungsgericht, das die Problematik nicht verken nt, sieht Bedarf für einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch, weil vorliegend kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden ist und sich die bestandskräftige Planfeststellung nur aufgrund einer Fiktion ergibt (§ 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 LuftVG). Dem Betroffenen hätten daher die Möglichkeiten, die § 74 Abs. 2
VwVfG vorsieht, nicht zur Verfügung gestanden. Dies trifft im Ergebnis nicht zu. Allerdings scheiden bei einem nur fingierten Planfeststellungsverfahren Anordnungen und Auflagen aus, die die Planfeststellungsbehörde ansonsten nach § 74 Abs. 2 VwVfG in dem Verfahren treffen und vorsehen kann. Es bleibt aber die Möglichkeit, in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG nachträglich die Maßnahmen einzufordern, die ansonsten nach § 74 Abs. 2 VwVfG zu treffen gewesen wären (BVerfG, NVwZ-RR 2001, 209; BVerwG, NVwZ 2004, 869 f.). Dieser Rechtsbehelf unterscheidet sich in seiner Qualität nicht von den im Planfeststellungsverfahren selbst vorgesehenen Regularien. Die Vorschriften sind inhaltlich gleich gestaltet. Auch § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG sieht die Anordnung von Vorkehrungen gegen Immissionen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von schützenden Anlagen vor sowie, falls solche Maßnahmen nicht möglich oder untunlich sind, eine Entschädigung in Geld. Soweit die nachträgliche Anordnung von Vorkehrungen gegen Immissionen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG davon abhängig ist, daß es sich um Wirkungen des genehmigten Vorhabens handeln muß, die im Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Plans nicht voraussehbar waren, unterliegt die Norm im Anwendungsbereich fiktiver Planfeststellungen im Sinne von § 72 Abs. 2 LuftVG einer Modifizierung. Der Grund dafür, daß die Wirkungen objektiv erst nach der Unanfechtbarkeit in Erscheinung getreten (Bonk/Neumann, in: Stelkens /Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 75 Rdn. 52) und für den Betroffenen bei verständiger Sicht nicht voraussehbar gewesen sein dürfen (BVerwGE 80, 7, 13; Bonk/Neumann aaO; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 75 Rdn. 25), liegt darin, daß vorher aufgetretene Beeinträchtigungen Einzelner im Planfeststellungsverfahren hätten Berücksichtigung finden können. Bei einer fiktiven Planfeststellung scheiden solche Überlegungen aus. Der Betroffene muß daher grundsätzlich auch solche ihn beeinträchtigende Wirkungen geltend machen
können, die schon vor der kraft gesetzlicher Fiktion eingetretenen Unanfechtbarkeit des Plans bestanden haben, jedenfalls, wenn die mit dem Anlagenbetrieb verbundenen Immissionen ein Ausmaß erreichen, durch das der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG oder des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG angetastet wird (BVerwG aaO). Die zeitlichen Grenzen der Geltendmachung ergeben sich dann allein aus § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG.
Einem solchen Verständnis steht auch nicht der Zweck der Fi ktion des § 71 Abs. 2 LuftVG entgegen. Mit dieser am 1. März 1999 in Kraft getretenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Giemulla, in: Giemulla/ Schmid, LuftVG, Stand: Dez. 2000, § 71 Rdn. 1) sollte für ältere Flugplätze in den alten Bundesländern Rechtssicherheit geschaffen werden (BT-Drucks. 13/9513, S. 54 f., 60 f.). Es sollte eine Rechtsgrundlage geschaffen werden für den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung bestehenden tatsächlichen Zustand (Giemulla, aaO Rdn. 5). Die Norm hat aber nicht den Charakter einer allgemeinen Heilungsklausel (BVerwG aaO S. 871) und schließt somit nicht weitergehende Anordnungen zum Schutz vor Lärmimmissionen aus.
(2) Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat offen gelassen, ob die Sperrwirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsverfahrens nur für den Anspruch auf Erstattung der Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen gilt oder auch für Ansprüche auf Ausgleich eines verbleibenden Minderwerts des Grundstücks (BGHZ 140, 285, 300 f.). Die Frage ist im Sinne eines umfassenden Ausschlusses zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche zu beantworten. Die Vorschriften der §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG verfolgen das Ziel, jede fachplanungsrechtlich erhebliche Beeinträchtigung im nachbarlichen Bereich auszuschließen. Dazu dient die Vornahme aktiver und passiver Schallschutzmaß-
nahmen. Ein Minderwert, der zu entschädigen wäre, verbleibt dann ohnehin nicht. Er kommt nur in Betracht, wenn Schallschutzmaßnahmen nicht ausreichen oder mit dem Vorhaben nicht vereinbar oder untunlich sind. Dann sieht § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, wie auch § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG, eine Geldentschädigung zum Ausgleich des Minderwerts vor (BGHZ 140, 285, 298). Diese Regelung ist ausreichend und läßt, auch hinsichtlich der Entschädigung für einen Minderwert des Grundstücks, keinen Raum für einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Dabei kommt es auf die in Rechtsprechung und Literatur eher unscharf behandelte Frage, ob für öffentlich-rechtliche Aufopferungsansprüche aus enteignendem Eingriff und für zivilrechtliche Ausgleichsansprüche nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterschiedliche Zumutbarkeitsschwellen gelten (siehe dazu etwa BGHZ 122, 76, 78 f.; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 257) nicht an. Die Ansprüche nach §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG, und damit auch die auf Geldentschädigung, die ja nichts anderes als Ersatz für nicht mögliche Schutzmaßnahmen darstellen, sind schon bei Überschreiten der (fachplanungsrechtlichen) Erheblichkeitsschwelle gegeben, nicht erst, wenn auch die deutlich höher liegende enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle erreicht ist (BGHZ 140, 285, 298), die nach der Rechtsprechung des III. Zivilsenats zugleich das zumutbare Maß bezeichnen soll, bis zu dem der Eigentümer Beeinträchtigungen nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entschädigungslos hinnehmen muß (BGHZ 122, 76, 79). Der Betroffene steht sich daher mit den Möglichkeiten, die die Vorschriften der §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG bieten, grundsätzlich sogar besser als mit zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen. Um so weniger ist für letztere ein Bedarf.

b) Sind hingegen die Voraussetzungen für eine Fiktion nach § 71 Abs. 2 LuftVG nicht gegeben, steht der Weg für nachträgliche Schutzanordnungen
nach § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG nicht zur Verfügung. Für diesen Fall kommt ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht (Giemulla, in: Giemulla/Schmid, § 9 LuftVG Rdn. 12). Ausgehend hiervon halten die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen solchen Anspruch dem Grunde nach bejaht, den Angriffen der Revision stand.
aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die von dem Flugverkehr herrührenden Lärmimmissionen von den Klägern zu dulden sind, wenn sie keine oder eine nur unwesentliche Beeinträchtigung darstellen (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (Senat, BGHZ 120, 239, 255; 121, 248, 255; 148, 261, 264). Die dazu von dem Berufungsgericht in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommene Bewertung mit dem Ergebnis einer wesentlichen Beeinträchtigung weist keine Rechtsfehler auf. Das führt, da nach den Feststellungen des Landgerichts auch die Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gegeben sind, zu einem Ausgleichsanspruch nach Satz 2 der Norm.
bb) So ist es insbesondere nicht zu beanstanden, daß das B erufungsgericht die Voraussetzungen des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht für gegeben erachtet hat.
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmgesetz) fäll t nicht unter § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB, da es nicht der Beurteilung individueller Lärmbeeinträchtigungen dient, sondern lediglich eine Grundlage für die Festlegung
von Lärmschutzzonen bietet (BGHZ 122, 76, 82; Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 148; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 906 Rdn. 17; vgl. auch schon Senat, BGHZ 69, 105, 109 f.). Soweit die Revision darauf verweist, daß nach der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 das Fluglärmgesetz zu den Gesetzen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB gehören solle (vgl. BT-Drucks. 12/7425, S. 88), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der Charakter des Fluglärmgesetzes, das nicht Gegenstand der Beratungen war, konnte und sollte durch das Sachenrechtsänderungsgesetz, das die jetzige Fassung des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 zur Folge hatte, nicht geändert werden. Wenn der Rechtsausschuß das Fluglärmgesetz als Beispiel für ein Gesetz im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannt hat, so erlag er einem Irrtum - ebenso wie er einem Irrtum hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in § 906 Abs. 1 BGB unterlag (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Infolgedessen geht auch die Verfahrensrüge der Revision fehl, soweit eine Frage der Beklagten nach einer an dem Fluglärmgesetz ausgerichteten Meßbewertung im Beweisverfahren nicht zugelassen worden ist.
Die TA-Lärm und die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BI mSchV; beides Regelungen, die im Bundesimmissionsschutzgesetz ihre Grundlage haben; vgl. §§ 66 Abs. 2, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG) sind im konkreten Fall nicht nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB heranzuziehen, da die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes nach § 2 Abs. 2 LuftVG nicht für Flugplätze gelten (vgl. Landmann/Rohmer/Hansmann, Umweltrecht, Bd. II, 3.1 TA-Lärm Nr. 1 Rdn. 7). Für den durch den Luftverkehr hervorgerufenen Lärm gibt es im Rahmen der Beurteilung auch nach § 9 Abs. 2 LuftVG keine generell festgeleg-
ten Grenzen (BVerwG, UPR 1999, 153, 154; BVerwG, NVwZ 2004, 1229, 1232; Landmann/Rohmer/Hansmann, aaO). Ebensowenig gibt es damit Grenz- oder Richtwerte, die für § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB Bedeutung erlangen könnten. Solche ergeben sich auch nicht aus der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl EG 2002, L 189/12), deren Umsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Richtlinie dient zwar der Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts zur Bekämpfung von Lärm, auch Fluglärm, dem Menschen insbesondere in bebauten Gebieten ausgesetzt sind. Sie regelt aber zunächst nur die Ermittlung der Belastung durch Umgebungslärm anhand von Lärmkarten nach gemeinsamen Bewertungsmethoden und legt keine Grenzwerte fest, an denen sich Behörden und Gerichte bei der Beurteilung von Unterlassungsbegehren oder Schadensersatzansprüchen orientieren könnten.
Der Tatrichter ist daher auf eine Gesamtwürdigung all er die Lärmimmissionen charakterisierenden Umstände angewiesen, ohne daß ihn Grenz- oder Richtwerte hierbei binden könnten. Das schließt nicht aus, daß er - wie es das Berufungsgericht getan hat - in seine Würdigung Grenz- und Richtwerte aus Lärmschutzvorschriften einbezieht, auch wenn diese nicht unter § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB fallen. Sie können eine Entscheidungshilfe darstellen (Senat , BGHZ 111, 63, 67; 120, 239, 256 f.; 121, 248, 253; Urt. v. 26. September 2003, V ZR 41/03, NJW 2003, 3699, 3700). Dabei wäre es dem Berufungsgericht auch nicht verwehrt gewesen - wie die Revision geltend macht -, auch die Grenzwerte der TA-Lärm oder der Verkehrslärmschutzverordnung in den Blick zu nehmen, statt allein auf privatrechtliche Umweltstandards abzustellen. Es ist indes nicht ersichtlich, und wird auch von der Revision nicht aufgezeigt, daß eine Berücksichtigung dieser öffentlich-rechtlichen Grenzwerte zu einem ande-
ren Ergebnis geführt hätte. Die Grenzwerte der TA-Lärm für allgemeine Wohngebiete liegen bei nachts 40 dB(A) und tags 55 dB (A) und reihen sich damit in die Größenordnung der Werte ein, auf die das Berufungsgericht abgestellt hat. Ähnlich verhält es sich mit den Werten der Verkehrslärmschut zverordnung (49 dB(A)/59 dB(A)), zumal diese ohnehin kaum aussagekräftig sind, weil sie nicht für ständige Lärmquellen, sondern für vorübergehende Immissionen durch den Bau oder durch wesentliche Änderungen von öffe ntlichen Straßen gelten.
cc) Daß das Berufungsgericht den Ausgleich der Wertminder ung durch Zahlung eines einmaligen Betrages statt monatlicher Beträge festgesetzt hat, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht von Rechtsirrtum beeinflußt. Eine Rentenzahlung kommt in Betracht, wenn die Nutzungswertminderung vorübergehender Natur ist (vgl. nur Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 264 m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht in tatrichterlich nicht zu beanstandender Weise ausgeschlossen.
dd) Soweit die Revision meint, die Kläger hätten den geltend gemachten Anspruch verwirkt, verweist sie nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , der geeignet wäre, die für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Zeit- und Umstandsmomente (Senat, BGHZ 43, 289, 292; BGHZ 84, 280, 281) auszufüllen. Der Überlegung, die Ausschlußfrist des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG schlicht auf die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu übertragen, kann nicht gefolgt werden. Eine Anwendung der Ausschlußfrist des Verwaltungsverfahrensgesetzes bedeutete nicht die Konkretisierung eines Verwirkungstatbestandes, sondern die Implantierung einer besonderen Verjährung für zivilrechtliche Immissionsschutzansprüche.
Dem stehen die Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die auch für Ansprüche aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gelten, entgegen (vgl. nur Senat, Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, 715).

III.

Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, da die Feststel lungen des Berufungsgerichts nicht die Beurteilung zulassen, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 LuftVG mit der Folge der Fiktion eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses gegeben sind. Das Berufungsgericht wird daher diese von ihm offen gelassene Frage zu klären haben. Wenzel Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tatbestand

1

Die Kläger sind (Mit-)Eigentümer von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken, die an der Eisenbahnlinie Lüneburg-Stelle liegen. Sie begehren einen besseren Schutz gegen Erschütterungen und sekundären Luftschall, die nach dem geplanten Ausbau von der Strecke ausgehen.

2

Die Beigeladene betreibt die Eisenbahnstrecke 1720 von Lehrte über Celle, Lüneburg und Hamburg-Harburg nach Cuxhaven. Die Strecke ist im Abschnitt von Hamburg-Harburg nach Celle Bestandteil des so genannten Leistungsnetzes der Beigeladenen und sowohl durch den Schienenpersonenfernverkehr als auch durch den Schienengüterverkehr stark belastet. Langfristig ist eine Entlastung durch die Neuordnung des Schienenverkehrs nach dem Bau der im Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Neubaustrecke/Ausbaustrecke von Hannover nach Hamburg/Bremen (so genannte "Y-Trasse") geplant.

3

Zur kurzfristigen Behebung von Kapazitätsengpässen beantragte die Beigeladene am 13. Juni 2007 die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für das Bauvorhaben "Ausbaustrecke (Hamburg-) Stelle - Lüneburg, PA I Stelle", Bahn-km 153,000 - Bahn-km 158,062 der Strecke 1720 Lehrte - Cuxhaven. Damit soll die Strecke im betreffenden Planfeststellungsabschnitt als Teil des Gesamtvorhabens durchgehend von 2 auf 3 Gleise erweitert werden. Dieses zusätzliche Gleis soll südwestlich der bestehenden Strecke gebaut werden ("3. Gleis") und den Nord-Süd-Verkehr aufnehmen. Ergänzend soll die im Norden anschließende Strecke 1281 (Stelle - Maschen Rangierbahnhof) durch ein nordöstlich der bestehenden Strecke verlaufendes so genanntes Ausfädelungsgleis (Ausziehgleis) bis zum Haltepunkt im Ortsteil Ashausen der Gemeinde Stelle verlängert werden ("4. Gleis").

4

Innerhalb der Einwendungsfrist erhoben die Kläger Einwendungen u.a. hinsichtlich des Lärm- und Erschütterungsschutzes.

5

Im Laufe des Verfahrens legte die Beigeladene auf Anforderung des Eisenbahn-Bundesamts eine überarbeitete erschütterungstechnische Untersuchung vom Juni 2009 vor. Diese erstreckt sich neben dem Prognosehorizont 2015 auch auf den Prognosehorizont 2025; denn nach Inbetriebnahme der Y-Trasse sollen die leichteren und leiseren ICE-Züge nicht mehr über Stelle fahren, und die frei werdenden Fahrplantrassen von schwereren und lauteren Güterzügen genutzt werden. Das Gutachten kommt aufgrund von Messungen an 5 verschiedenen Immissionsorten - darunter dem Anwesen der Kläger zu 9 bis 12 und dem Anwesen der Kläger zu 13 und 14 - zum Schluss, dass im Prognosehorizont 2015 nur für das Anwesen der Kläger zu 9 bis 12 eine signifikante Erhöhung der Beurteilungsschwingstärke in Verbindung mit einer Überschreitung der Anhaltswerte und folglich Ausgleichsansprüche zu erwarten seien. Für den Prognosehorizont 2025 würden bei zwei weiteren Wohngebäuden, darunter dem Anwesen der Kläger zu 13 und 14, die Anspruchskriterien überschritten. Ein Anspruch auf erschütterungsmindernde Maßnahmen bzw. auf Entschädigungsleistungen könne sich demnach für Wohngebäude mit einem Abstand von weniger als 40 m zum 3. Gleis bzw. 30 m zum 4. Gleis ergeben; das betreffe insgesamt 5 bzw. 6 Gebäude. Für den Prognosehorizont 2025 sei an zwei Messorten - dem Anwesen der Kläger zu 9 bis 12 und dem Anwesen der Kläger zu 13 und zu 14 - die Erhöhung des sekundären Luftschalls um mehr als 3 dB(A) zu erwarten. Bei einer elastischen Schwellenlagerung durch Einsatz der "besohlten Schwelle" ergäben sich Ansprüche nur noch für das Haus der Kläger zu 9 bis 12.

6

Mit Beschluss vom 31. Juli 2009 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für das Vorhaben fest.

7

In den Nebenbestimmungen wurde im Teil A.4.6.2 (Erschütterungsimmissionen) Folgendes verfügt:

A.4.6.2.1: Die Vorhabenträgerin hat ab dem sechsten Monat bis spätestens zum Ende des zwölften Monats nach Ende der Bauarbeiten und der Inbetriebnahme der Strecke an allen repräsentativen Immissionsorten Erschütterungsmessungen durchzuführen. Sie hat eine Beurteilung der neuen Erschütterungseinwirkungen unter Verkehrsbetrieb aufzustellen, die unter Berücksichtigung der DIN 4150 Teil 2 erfolgt.

A.4.6.2.2: Soweit die Beurteilung ergibt, dass die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 nicht eingehalten werden und sich die vor dem Ausbau vorhandene Vorbelastung um mehr als 25 % erhöht hat, hat die Vorhabenträgerin durch im konkreten Einzelfall geeignete Schutzmaßnahmen am Gleis- und/oder Bahnkörper oder am Ausbreitungsweg/ am zu schützenden Objekt sicherzustellen, dass sich die vor Ausbau vorhandene Vorbelastung nicht um mehr als 25 % erhöht oder eine Entschädigung für die Zunahme der Erschütterungsimmissionen zu leisten.

A.4.6.2.3: Die Vorhabenträgerin hat die in Nebenbestimmung A.4.6.2.1 genannte Unterlage zusammen mit einer Planunterlage, die die beabsichtigten Schutzmaßnahmen darlegt bzw. das Absehen von solchen Maßnahmen begründet, dem Eisenbahn-Bundesamt unverzüglich vorzulegen. Das Eisenbahn-Bundesamt wird anschließend einen Ergänzungsbescheid zum Planfeststellungsbeschluss erlassen, in dem über die notwendigen Schutzmaßnahmen vor Erschütterungen und/oder Ansprüche auf Entschädigungen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG abschließend entschieden wird.

A.4.6.2.4: Nach der Inbetriebnahme der ABS/NBS Hamburg/Bremen - Hannover (so genannte "Y-Trasse") hat die Vorhabenträgerin die Anordnungen der Nebenbestimmungen Art. 4.6.2.1 bis A.4.6.2.3 erneut umzusetzen. Das Eisenbahn-Bundesamt wird anschließend einen weiteren Ergänzungsbescheid zum Planfeststellungsbeschluss erlassen, in dem über die notwendigen Schutzmaßnahmen vor Erschütterungen und/oder Ansprüche auf Entschädigungen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG abschließend entschieden wird.

8

Im Teil A.4.6.3 (Immissionen durch sekundären Luftschall) wurde angeordnet:

A.4.6.3.1: Die Vorhabenträgerin hat auf der Grundlage der in Nebenbestimmung A.4.6.2.1 genannten Erschütterungsmessungen die neue Immissionsbelastung durch sekundären Luftschall zu beurteilen.

A.4.6.3.2: Soweit die Beurteilung ergibt, dass die aus der 24. BImSchV abgeleiteten Anhaltswerte nicht eingehalten werden und die sich vor dem Ausbau vorhandene Vorbelastung um mehr als 2,0 dB(A) erhöht hat, hat die Vorhabenträgerin durch im konkreten Einzelfall geeignete Schutzmaßnahmen am Gleis- und/oder Bahnkörper oder am Ausbreitungsweg/ am zu schützenden Objekt sicherzustellen, dass sich die derzeit vorhandene Vorbelastung nicht um mehr als 2,0 dB(A) erhöht oder eine Entschädigung für die Zunahme der Immissionen aus sekundärem Luftschall zu leisten.

A.4.6.3.3: Die Vorhabenträgerin hat die in Nebenbestimmung A.4.6.3.1 genannte Unterlage zusammen mit einer Planunterlage, die die beabsichtigten Schutzmaßnahmen darlegt bzw. das Absehen von solchen Maßnahmen begründet, dem Eisenbahn-Bundesamt unverzüglich nach der Gewinnung der Daten vorzulegen. Das Eisenbahn-Bundesamt wird anschließend einen Ergänzungsbescheid zum Planfeststellungsbeschluss erlassen, in dem über die notwendigen Schutzmaßnahmen vor sekundärem Luftschall und/oder Ansprüche auf Entschädigungen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG abschließend entschieden wird.

A.4.6.3.4: Nach der Inbetriebnahme der ABS/NBS Hamburg/Bremen - Hannover (so genannte "Y-Trasse") hat die Vorhabenträgerin die Anordnungen der Nebenbestimmungen Art. 4.6.3.1 bis A.4.6.3.3 erneut umzusetzen. Das Eisenbahn-Bundesamt wird anschließend einen weiteren Ergänzungsbescheid zum Planfeststellungsbeschluss erlassen, in dem über die notwendigen Schutzmaßnahmen vor Erschütterungen (muss heißen: sekundärem Luftschall) und/oder Ansprüche auf Entschädigungen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG abschließend entschieden wird.

9

Zur Begründung wurde ausgeführt: Durch die Nebenbestimmungen werde gewährleistet, dass das Vorhaben mit den Belangen des Schutzes vor Erschütterungen und sekundärem Luftschall vereinbar sei. Die vorbehaltenen Ansprüche auf reale Schutzvorkehrungen oder Ausgleichszahlungen richteten sich nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG, da es spezielle Rechtsnormen für diese Immissionen nicht gebe.

10

Bezüglich der Erschütterungsimmissionen könnten die Anhaltswerte in der DIN 4150 Teil 2 nicht unmittelbar herangezogen werden, da sie nur für Neubaustrecken gälten. Bei Ausbaustrecken könne die Grenze der Zumutbarkeit nur im Einzelfall festgestellt werden. Diese richte sich folglich nach der Vorbelastung, soweit diese als solche nicht zu unzumutbaren Auswirkungen führe. Die Nachbarn könnten verlangen, dass sich die Vorbelastung - soweit sie künftig die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 erreichen würde - nicht weiter erhöhe. Beachtlich sei eine Erhöhung im Sinne eines Signifikanzkriteriums erst dann, wenn sie das Maß von 25 % erreiche; dies ergebe sich aus fachtechnischen Untersuchungsberichten und entspreche auch der im Bereich der Schallimmissionen anerkannten Fühlbarkeitsschwelle von 3 dB. Wegen der Schwierigkeiten einer Abschätzung zukünftiger Erschütterungsimmissionen würden der Vorhabenträgerin nicht vorab konkrete Schutzmaßnahmen auferlegt, sondern Vorbehalte ausgesprochen. Erst aufgrund nachträglicher Erschütterungsmessungen könne ein bestmöglicher Schutz gewährleistet werden. Die Korridore, innerhalb derer Gebäude möglicherweise betroffen seien, habe die Vorhabenträgerin im ergänzenden Gutachten zu Recht nicht mit 50 m, sondern unter Berücksichtigung des Signifikanzkriteriums schmaler bemessen.

11

Beim sekundären Luftschall seien die Anhaltswerte für die Zumutbarkeitsschwelle aus der 24. BImSchV abzuleiten. Danach betrage der höchstzulässige Innengeräuschpegel (Mittelungspegel) für Wohnräume 40 dB(A) tagsüber und für Schlafräume 30 dB(A) zur Nachtzeit. Da es sich dabei auch um Verkehrsgeräusche im Sinne von § 41 BImSchG handele, sei die Übertragung des so genannten Schienenbonus in Höhe von 5 dB(A) sachgerecht. Die besonderen Umstände im Zusammenhang mit dem Vorhaben (hohe Zugzahlen durch Befahrbarkeit von 3 Streckengleisen, unterschiedliche Zuggattungen, Verkehr schwerer Güterzüge, zu erwartende Dauerschallpegelbelastung) führten nicht dazu, die Anwendbarkeit des Schienenbonus zu verneinen. Der Schienenbonus sei ohne Differenzierungen normiert. Die Rahmenbedingungen hätten sich seither nicht verändert. Schon zu Zeiten der Normgebung habe es drei- und mehrgleisige Strecken mit dichter Zugfolge gegeben. Die rechtliche Festlegung sei damals aufgrund gesicherter Forschungsergebnisse erfolgt. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Kenntnisstand überholt sei, seien nicht ersichtlich.

12

Der Planfeststellungsbeschluss lag vom 16. bis zum 30. November 2009 öffentlich aus.

13

Am 30. Dezember 2009 haben die Kläger Klage erhoben. Die Kläger zu 1 und zu 2 haben ihre Klagen alsbald zurückgenommen. Die übrigen Kläger tragen mit Schriftsatz vom 10. Februar 2010 zur Begründung vor: Die Entscheidungen in den angefochtenen Nebenbestimmungen seien abwägungsfehlerhaft und verletzten sie in ihren Rechten. Wegen unzureichender Beurteilungskriterien seien sie nicht geeignet, die nachteiligen Einwirkungen des Vorhabens zu vermeiden.

14

Ihre Wohngrundstücke lägen sämtlich innerhalb eines Korridors von 30 m Breite an der zukünftigen Ausbaustrecke. In den Häusern der Kläger zu 3 bis 8 seien zwar bislang noch keine Erschütterungsmessungen vorgenommen worden; sie seien aber mit anderen Messorten vergleichbar. Auch in den genannten Häusern seien Erschütterungen zu spüren. Dies gelte insbesondere in den Schlafräumen bei der Vorbeifahrt von Güterzügen nachts. Da die Fühlschwelle bei den meisten Menschen im Bereich zwischen KB = 0,1 bis 0,2 und der Anhaltswert (Ar) für Wohngebiete nachts bei 0,05 liege, könne eine erhebliche Belästigung nicht ausgeschlossen werden. Ob das Vorhaben zu einer Erhöhung der Erschütterungsbelastungen und diese Erhöhung zu einer nicht zumutbaren Belastung führe, könne nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei seien im Ansatz zutreffend die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 herangezogen worden; bei deren Überschreitung sei von einer erheblichen Belästigung auszugehen. Diese Anhaltswerte seien an allen bereits beurteilten Messorten jedenfalls im ersten Obergeschoss immer überschritten worden, sodass eine Vorbelastung gegeben sei. Mit dem Signifikanzkriterium von 25 % zur Beurteilung der unzumutbaren Erhöhung der Vorbelastung werde der erforderlichen Einzelfallbetrachtung nicht Rechnung getragen. Beträchtliche Vorbelastungen seien nämlich im Hinblick auf die Zumutbarkeit weiterer Belastungen zu berücksichtigen. Die 25%-Schwelle führe dazu, dass entgegen dem eigenen Ansatz der Beklagten die Betroffenen sehr wohl über die Vorbelastung hinaus weiter beeinträchtigt würden. Der Hinweis auf Forschungsvorhaben zur Bemessung wahrnehmbarer Erschütterungsmehrungen sei unzureichend. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2010 wenden sie sich im Einzelnen gegen die von der Beklagten herangezogene wissenschaftliche Untersuchung. Insbesondere sei zweifelhaft, ob die auf die Einzelwerte bezogene Studie auf die hier relevante Beurteilungsschwingstärke übertragen werden könne; dies gelte jedenfalls dann, wenn sich wie hier die Anzahl der Erschütterungsereignisse erhöhe. In der Rechtsprechung seien auch niedrigere Wesentlichkeitsschwellen - so von 15 % oder 20 % - nicht beanstandet worden; das Vorgehen der Beklagten widerspreche ihrer Verwaltungspraxis.

15

Auch für den sekundären Luftschall seien die Beurteilungskriterien zu korrigieren. Hier müssten die Grenzwerte der TA Lärm mit den Richtwerten von 35 dB(A) tags und 25 dB(A) nachts zugrunde gelegt werden. Aber auch wenn die Anhaltswerte der 24. BImSchV herangezogen würden, könne der Schienenbonus nicht angewendet werden; denn er sei für den sekundären Luftschall weder gesetzlich vorgegeben noch gerichtlich bestätigt worden. Ergänzend tragen sie mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2010 vor, dass die Anwendung der TA Lärm sachgerecht sei. Sie sei zwar zunächst anlagenbezogen, erfasse aber auch die anlagenbezogenen Fahrzeuggeräusche und somit auch den Verkehrslärm. Beim sekundären Luftschall handele es sich um tieffrequenten Schall, der von der TA Lärm erfasst werde. Die Anwendung des Schienenbonus sei abwägungsfehlerhaft, weil er auch in seiner Normierung in der 16. BImSchV aufgrund neuerer Untersuchungen der Lärmwirkungsforschung und politischer Bestrebungen umstritten sei und - gegebenenfalls stufenweise - abgeschafft werden solle. Die Annahme einer geringeren Lästigkeit des Schienenlärms sei überholt.

16

Die Kläger zu 3 bis 14 beantragen,

1. den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Juli 2009 durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren in der Nebenbestimmung A.4.6.2.2 dahingehend zu ändern, dass die anspruchsauslösende Schwelle im Einzelfall bestimmt, jedenfalls von 25 % deutlich reduziert wird;

2. den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Juli 2009 durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren in der Nebenbestimmung A.4.6.3.2 dahingehend zu ändern, dass als Anhaltswerte die Immissionsrichtwerte der 6.2 der TA-Lärm von tags 35 dB(A) und nachts 25 dB(A), ohne Berücksichtigung des so genannten Schienenbonus von 5 dB(A), herangezogen werden;

hilfsweise

3. den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Juli 2009 durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren in der Nebenbestimmung A.4.6.3.2 dahingehend zu ändern, dass der so genannte Schienenbonus von 5 dB(A) auf die aus der 24. BImSchV abgeleiteten Anhaltswerte zur Beurteilung der sekundären Luftschalls keine Anwendung findet;

weiter hilfsweise

4. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Beigeladene zu bescheiden.

17

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

18

Sie treten dem Vorbringen der Kläger im Einzelnen entgegen und verteidigen die im Planfeststellungsbeschluss getroffenen Entscheidungen.

Entscheidungsgründe

19

Das Verfahren wird gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt, soweit die Kläger zu 1 und 2 ihre Klage zurückgenommen haben.

20

Die Klage der übrigen Kläger ist zulässig, aber nicht begründet. Sie haben weder Anspruch auf die von ihnen erstrebte Änderung der angefochtenen Nebenbestimmungen, noch können sie die Neubescheidung durch die Beklagte verlangen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).

21

I. Die Klage der Kläger zu 3 bis 14 ist zulässig.

22

1. Die Klage ist in den Hauptanträgen und im ersten Hilfsantrag als Verpflichtungsklage, im zweiten Hilfsantrag demnach als Bescheidungsklage statthaft.

23

Die Kläger begehren die Festlegung anderer rechtlicher Maßstäbe, die der Entscheidung über aktive oder passive Schutzmaßnahmen bzw. Entschädigungsleistungen bei unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Erschütterungen oder sekundären Luftschall zugrunde zu legen sind. Diese Entscheidung behält der Planfeststellungsbeschluss aufgrund der sowohl auf den Ausbreitungsbedingungen als auch auf der Eigenart des jeweiligen Immissionsorts beruhenden Unwägbarkeiten einer verlässlichen Prognose dieser Immissionen (vgl. etwa Wettschureck/Hauck/Diehl/Willenbrink, Geräusche und Erschütterungen aus dem Schienenverkehr, in: Müller/Möser, Taschenbuch der Technischen Akustik, 3. Aufl. 2004, Kap. 17 S. 558) gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG einem Zeitpunkt vor, zu dem verwertbare Messergebnisse vorliegen (siehe auch Beschluss vom 25. Mai 2005 - BVerwG 9 B 41.04 - juris Rn. 8 m.w.N.). Der Planfeststellungsbeschluss ist insoweit auf eine Ergänzung angelegt, die die Planung im Übrigen unberührt lässt (vgl. Urteil vom 5. März 1997 - BVerwG 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <138> = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25). Die Konkretisierung der bei der vorbehaltenen Entscheidung zu beachtenden rechtlichen Voraussetzungen stellt sich als vorweggenommenes Begründungselement dieser Entscheidung dar. Die Änderung und Neufestsetzung der Maßstäbe ist demnach ebenfalls einer Planergänzung und nicht dem ergänzenden Verfahren zuzuordnen und im Wege der Verpflichtungsklage geltend zu machen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <81 f.> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5; Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 75 Rn. 44, 46).

24

2. Die fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind die Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie machen geltend, dass sie bei Anwendung der streitigen Maßstäbe unzumutbaren Immissionen ausgesetzt sein und dadurch in ihren durch Abwägung nicht überwindbaren Rechten verletzt werden können (vgl. etwa Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <199> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23); folglich könnten sie andere Vorgaben verlangen. Zum Beleg ihrer rechtlichen Betroffenheit tragen die Kläger vor, ihre Wohnhäuser seien nicht mehr als etwa 30 m von den neu zu errichtenden Gleisen entfernt. Diese Behauptung wird von den vorgelegten Planunterlagen indessen nicht gedeckt; ihnen lässt sich vielmehr entnehmen, dass jedenfalls die Entfernung zum Haus der Kläger zu 5 und 6 mehr als 40 m beträgt. Dabei ist zu beachten, dass die Mitte von Wohn- und Schlafräumen - und nicht wie beim primären Luftschall ein Vergleichspunkt vor der Gebäudefassade - den relevanten Immissionspunkt bildet (vgl. hierzu Keil/Koch/Garburg, Schutz vor Lärm und Erschütterungen, in: Fendrich, Handbuch Eisenbahninfrastruktur, 2007, Kap. 16.3 S. 796). Aber auch damit liegen die Häuser allesamt noch in einem Streifen beiderseits der Ausbaustrecke, in dem lästigkeitsrelevante Immissionen noch möglich erscheinen. Der maßgebliche Abstand wird in der Praxis gemäß der VDI-Richtlinie 3837 (Erschütterungen durch oberirdische Schienenbahnen - Spektrales Prognoseverfahren) auf 60 m bemessen (vgl. Keil/Koch/Garburg, a.a.O.). Auch die Beklagte hat zunächst einen Korridor von 50 m Breite zugrunde gelegt. Die sodann schmaler bemessenen Korridore von 30 bzw. 40 m Breite sind auf das Signifikanzkriterium bezogen, das von den Klägern aber gerade infrage gestellt wird.

25

II. Die Klage ist nicht begründet.

26

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erschütterungsschutz nach einem strengeren Maßstab als dem, der in der Nebenbestimmung A.4.6.2.2 festgesetzt worden ist.

27

a) Die von den Klägern - nach Maßgabe der nach Beendigung der Baumaßnahmen im jeweiligen Einzelfall feststellbaren tatsächlichen Auswirkungen - geltend zu machenden Ansprüche auf Schutzvorkehrungen des aktiven oder passiven Erschütterungsschutzes bzw. auf Geldausgleich beurteilen sich in Ermangelung spezialgesetzlicher Vorschriften nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG (Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 und vom 13. November 2001 - BVerwG 9 B 57.01 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 17). Danach sind Schutzvorkehrungen unter anderem dann anzuordnen, wenn dies zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich ist. Wann das der Fall ist, wird in der genannten Vorschrift nicht weiter ausgeführt. Deswegen ist auf allgemeine Grundsätze des Immissionsschutzrechts zurückzugreifen. Erschütterungsimmissionen können je nach Ausmaß eine schädliche Umwelteinwirkung darstellen (§ 3 Abs. 1 und 2 BImSchG), indem sie das rechtlich geschützte Interesse an einer ungestörten Wohnnutzung beeinträchtigen. Diese Einwirkungen sind dann zu vermeiden und gegebenenfalls auszugleichen, wenn sie dem Betroffenen nicht mehr zugemutet werden können. Fehlt es an einer normativen Festlegung, ist die Zumutbarkeitsschwelle im Einzelfall zu bestimmen. Eventuell vorhandene individuelle Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten der Betroffenen sind dabei allerdings nach dem differenziert-objektiven Maßstab des Immissionsschutzrechts, das sich am durchschnittlich empfindlichen Menschen einschließlich der Angehörigen überdurchschnittlich empfindlicher Gruppen orientiert, unbeachtlich (vgl. Urteile vom 7. Oktober 1983 - BVerwG 7 C 44.81 - BVerwGE 68, 62 <67> = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 32 und vom 7. Mai 1996 - BVerwG 1 C 10.95 - BVerwGE 101, 157 <162> = Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 10). Vielmehr kommt es maßgeblich auf die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nutzung am jeweiligen Immissionsort an; diese richtet sich nach der Art des Gebietes, in dem das Grundstück liegt, und den weiteren konkreten tatsächlichen Verhältnissen. Bei dieser Bewertung ist der vorhandene technisch-wissenschaftliche Sachverstand, der insbesondere in technischen Regelwerken zum Ausdruck kommt, heranzuziehen.

28

Die hier einschlägige DIN 4150 Teil 2 (Erschütterungen im Bauwesen; Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden - Juni 1999) gibt in Tabelle 1 für den Neubau von Eisenbahnstrecken nach Baugebieten und für Tag und Nacht unterschiedliche Anhaltswerte vor (Ziff. 6.5.3.4 a). Diese Werte sind bezogen sowohl auf die nach dem Taktmaximalverfahren gemessene maximale bewertete Schwingstärke KBFmax als auch auf die Beurteilungs-Schwingstärke KBFTr, diese kennzeichnet nach Ziff. 3.8 die in der Beurteilungszeit auftretenden Erschütterungsimmissionen durch einen zeitbezogenen Mittelwert im Sinne einer energetischen Addition über die Beurteilungszeit, der die Zughäufigkeit und die mittlere Dauer einer Zugvorbeifahrt entsprechend berücksichtigt. Die korrelierenden Anhaltswerte Ao und Ar bezeichnen dabei nicht die Schwelle des enteignungsrechtlich nicht Zumutbaren, sondern liegen, da sie auf das billigerweise nicht Zumutbare bezogen sind, deutlich darunter. Auf Ausbaumaßnahmen sind diese Anhaltswerte aber nicht unmittelbar anwendbar (Ziff. 6.5.3.4 c). Denn hier ist die immissionsschutzrechtliche Situation entscheidend durch den vorhandenen Bestand geprägt. Aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgen besondere Duldungspflichten, sodass Erschütterungen, die sich im Rahmen einer plangegebenen oder tatsächlichen Vorbelastung halten, deswegen - jedenfalls in aller Regel - zumutbar sind, auch wenn sie die Anhaltswerte übersteigen. Ein Anspruch auf eine Verbesserung der Erschütterungssituation im Sinne einer Erschütterungssanierung besteht folglich nicht. Ein Erschütterungsschutz kann vielmehr nur dann verlangt werden, wenn die Erschütterungsbelastung sich durch den Ausbau in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche, dem Betroffenen billigerweise nicht mehr zumutbare Belastung liegt (vgl. Urteil vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <392> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 33). Bei dieser Beurteilung kann eine Rolle spielen, dass der Betroffene, der bereits einer beträchtlichen Vorbelastung ausgesetzt ist, gegenüber auch einer nur geringen Erschütterungszunahme besonders empfindlich sein kann (vgl. Urteil vom 31. Januar 2001 - BVerwG 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 m.w.N.).

29

b) Die angefochtene Nebenbestimmung entspricht diesen rechtlichen Vorgaben.

30

aa) Sie knüpft die Bewertung der Zumutbarkeit der zu erwartenden Erschütterungen in zulässiger Weise an die Vorbelastung. Diesem Ausgangspunkt widerspricht nicht, dass erst eine Erhöhung der Vorbelastung um 25 % für erheblich erklärt wird. Denn die Zumutbarkeit einer Erschütterungsbelastung kann sich nicht allein nach technisch messbaren Unterschieden in der Erschütterungsintensität bestimmen. Das gilt jedenfalls für die hier in Rede stehenden Erschütterungswerte, bei denen Substanzschäden an Gebäuden noch nicht zu befürchten sind (siehe Keil/Koch/Garburg, a.a.O. S. 800). Vielmehr kommt es darauf an, ob die neue Belastung von dem Betroffenen auch als Verschlechterung der Situation empfunden wird. Der Verweis der Kläger auf eine "absolute" und auf isolierte Erschütterungen bezogene Fühlschwelle von 0,1 bis 0,2 Körperschall-Bewertungsziffer KB (siehe DIN 4150 Teil 2, Anhang D zu Abschnitt 6 b) trägt zur Beantwortung dieser Frage nichts bei. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verstärkung der Erschütterung spürbar ist und insoweit den Aufenthalt von Menschen in den betroffenen Räumen zusätzlich beeinträchtigt. Die Festlegung einer vergleichenden Wahrnehmungsschwelle, die auch bei der Bewertung einer Lärmzunahme anerkannt und dort bei einer Veränderung des Schalldruckpegels um 3 dB(A) angenommen wird (vgl. Wettschureck/Hauck/Diehl/Willenbrink, a.a.O. S. 526; Urteil vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 33-35.83 - BVerwGE 77, 285 <293> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 66; siehe auch Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 <186 f.> = Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 27), ist folglich unbedenklich.

31

bb) Der im Planfeststellungsbeschluss als Wahrnehmungsschwelle festgesetzte Wert von 25 % ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

32

Dieser Wert findet sich nicht bereits in der DIN 4150 Teil 2; denn der Normenausschuss hatte sich auf die genaue Höhe der vom Grundsatz her unstreitigen Unterschiedsschwelle nicht einigen können (siehe Krampitz, Erschütterungen - ein Überblick zum derzeitigen Erkenntnisstand, in: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts V, 2000 S. 153 <158>).

33

Die Festsetzung kann sich indessen auf empirisch hinreichend abgesicherte Erkenntnisse stützen. Die Ergebnisse einer Laborstudie (Said/Fleischer/Kilcher/Fastl/Grütz, Zur Bewertung von Erschütterungsimmissionen aus dem Schienenverkehr, Zeitschrift für Lärmbekämpfung 48 <2001> 191 ff.) können hier herangezogen werden; deren Übertragung auf die zu entscheidende Frage ist sachlich vertretbar.

34

Die von den Klägern hiergegen im Einzelnen vorgebrachten Einwände sind allerdings nicht schon deswegen unbeachtlich, weil sie erst wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind. Nach § 18e Abs. 5 AEG hat der Kläger innerhalb einer Frist von 6 Wochen die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. § 87b Abs. 3 VwGO gilt entsprechend. Danach muss der Kläger binnen 6 Wochen nach Erhebung der Klage die ihn beschwerenden Tatsachen so konkret angeben, dass der Lebenssachverhalt, aus dem er den mit der Klage verfolgten Anspruch ableitet, unverwechselbar feststeht (Urteil vom 18. Februar 1998 - BVerwG 11 A 6.97 - Buchholz 310 § 87b VwGO Nr. 3). Die rechtliche Bewältigung des Streitstoffes fällt hingegen allein in die Verantwortung des Gerichts (Urteil vom 15. September 1999 - BVerwG 11 A 22.98 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17). Hiernach haben die Kläger schon mit ihrer Klagebegründung ihrer Vortragslast genügt. Sie haben sich gegen die festgesetzte Wahrnehmungsschwelle gewandt; deren Zulässigkeit ist eine Rechtsfrage. Auf neue tatsächliche Erkenntnisse, die auf die rechtliche Bewertung Einfluss haben könnten, haben die Kläger in ihrem späteren Vortrag nicht verwiesen.

35

Die Studie hat in einem ersten Schritt die psychophysikalische Untersuchungsmethode SDT (Signal Detection Theory) angewandt. Diese Vorgehensweise erscheint plausibel; sie wird als solche auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogen. Danach sollten die Versuchspersonen jeweils zwei in kurzem zeitlichem Abstand ausgelöste Erschütterungssignale nach ihrer Stärke bewerten. Die Feststellung einer Intensitätsdifferenz im Sinne einer spürbaren Erhöhung war hinreichend verlässlich in Gestalt einer mittleren Unterschiedsschwelle erst bei einer Energieerhöhung des Signals um (mindestens) 25 % möglich. Es spricht nichts dafür, dass eine Orientierung an dem so ermittelten Wert sich für die Betroffenen nachteilig auswirkt. Der pauschale Einwand, dass eine Laborstudie von nur eingeschränktem Aussagewert sei, verfängt nicht. Denn in einer weiteren Versuchsreihe wurden diese Ergebnisse auch unter realitätsnäheren Bedingungen, insbesondere einer anderen Pausenstruktur mit größeren Intervallen zwischen den Erschütterungssignalen, bestätigt. Letztlich belegt auch der Vergleich mit Regelungen in anderen Ländern, dass die festgesetzte Schwelle eher vorsichtig angesetzt wird. So legt das Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landwirtschaft - BUWAL - in der Weisung für die Beurteilung von Erschütterungen und Körperschall bei Schienenverkehrsanlagen in Ziff. 1 a. sogar eine Schwelle von 40 % fest (siehe Keil/Koch/Garburg, a.a.O. S. 804 f.).

36

Die Übertragung der so gefundenen Wahrnehmungsschwelle auf den für die Frage der Zumutbarkeit von Erschütterungen entscheidenden Anhaltswert Ar ist unbedenklich. Die Untersuchung bezieht sich zwar nur auf die Bewertung der maximalen Schwingstärke KBFmax, während die Beurteilungs-Schwingstärke KBFTr , die mit dem genannten Anhaltswert korreliert, nicht unmittelbar Gegenstand der Versuchsreihe war. Beide Werte sind aber eng miteinander verknüpft, da die Beurteilungs-Schwingstärke KBFTr aus einem gewichteten Mittelwert der in der Beurteilungszeit auftretenden Erschütterungsimmissionen gebildet wird. Wie dieser Zusammenhang sich im Einzelnen darstellt, bedarf nach der von den Autoren der Studie an anderer Stelle geäußerten Ansicht zwar noch weiterer Untersuchungen. Vorbehalte gegen eine Übertragbarkeit des Untersuchungsergebnisses im Sinne einer unmittelbaren Korrelation melden sie insbesondere für den Fall an, dass sich die Anzahl der Erschütterungsereignisse verändert. Die Anzahl der Zugvorbeifahrten erhöht sich jedoch insgesamt nur geringfügig, so im Prognosehorizont 2015 um 8 %, im Prognosehorizont 2025 um 10 %. Allerdings wächst im Prognosehorizont 2025 die Anzahl der Züge in der Nachtzeit um ein Viertel. Die insoweit gegebene Unsicherheit gebietet es aber jedenfalls bei der hier in Rede stehenden prozentualen Änderung der Anzahl der Erschütterungsereignisse nicht, von der Übertragung Abstand zu nehmen und etwa einen - gegriffenen - Abschlag einzurechnen. Angesichts des gegebenen fachwissenschaftlichen Erkenntnisstandes darf die Beklagte sich an diesen Werten orientieren.

37

Das ohne weitere Differenzierung anzuwendende und insoweit starre Signifikanzkriterium steht schließlich nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach bei einer beträchtlichen Vorbelastung eine besondere Empfindlichkeit gegenüber weiteren Erhöhungen bestehen kann (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1979 - BVerwG 4 C 10.77 - BVerwGE 59, 253 <268>). Auch damit wird vorausgesetzt, dass die Wahrnehmungsschwelle überschritten ist; erst dann, wenn die Erhöhung der Immissionen wahrnehmbar ist, kann sich die Frage stellen, ob eine zu vermeidende bzw. ausgleichsbedürftige Belastung vorliegt. Bei einer hohen Vorbelastung bedarf es allerdings der Prüfung, ob die Wahrnehmungsschwelle anzupassen ist. So kann gegebenenfalls Anlass bestehen, bei besonders hohen Vorbelastungen die in einem Prozentwert ausgedrückte Wahrnehmungsschwelle - insoweit einzelfallbezogen - herabzusetzen, um so dem absoluten Anstieg der dem Erschütterungssignal zugrunde liegenden Schwingungsenergie Rechnung zu tragen. Eine solche Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Denn die der Festlegung auf 25 % zugrunde liegende Versuchsreihe erstreckt sich auf maximale Schwingstärken in einer Größenordnung (KB bis 1,6), wie sie auch in den Häusern der Kläger zu erwarten sind. In diesen Größenbereichen war indessen ein Einfluss der Erschütterungsintensität auf die ermittelte Unterschiedsschwelle (Diskriminationsindex) nicht erkennbar (siehe Said/Fleischer/Kilcher/Fastl/Grütz, a.a.O. S. 195).

38

c) Die schutzmindernde Wirkung der Vorbelastung findet nach der Rechtsprechung allerdings dort ihre Grenze, wo bereits die Vorbelastung die Schwelle zur Eigentums- bzw. Gesundheitsverletzung überschreitet. In diesem Fall sind nicht "wegen", sondern "aus Anlass" der Ausbaumaßnahmen Schutzvorkehrungen und damit eine Erschütterungssanierung geboten (vgl. Urteil vom 31. Januar 2001 - BVerwG 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56). In dieser Situation kann es auf die Wahrnehmbarkeitsschwelle nicht mehr ankommen. Einen insoweit differenzierenden rechtlichen Maßstab hat die Beklagte nicht in die beanstandete Nebenbestimmung aufgenommen, obwohl diese Variante in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses angesprochen wird. Durch das Fehlen einer solchen Regelung sind die Kläger allerdings in ihren Rechten nicht verletzt. Denn sie sind von diesem Sonderfall - soweit ersichtlich - nicht betroffen. Bei welcher Erschütterungsbelastung die Grenze zur Eigentums- bzw. Gesundheitsverletzung überschritten ist, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Diese Schwelle muss aber jedenfalls noch deutlich über dem in Industriegebieten und bezogen auf den Nahverkehr geltenden Anhaltswert Ar von 0,3 tags und 0,23 nachts liegen; denn solche Belastungen werden den Betroffenen ohne Weiteres zugemutet. Ein solcher Wert wird nach den Messungen an den repräsentativen Orten mit Maximalwerten von 0,17 aber nicht annähernd erreicht. Das gilt in gleicher Weise für die maximale bewertete Schwingstärke, bei der ein Höchstwert von 0,54 ermittelt worden ist; denn insoweit werden sehr hohe Anforderungen an die Annahme der Unbewohnbarkeit einer Wohnung gestellt (vgl. hierzu Krampitz, a.a.O. S. 162 f., der wohl von Werten von deutlich über 3,5 ausgeht).

39

2. Die auf den sekundären Luftschall bezogene Nebenbestimmung A.4.6.3.2 setzt ebenfalls rechtmäßige Bewertungsmaßstäbe fest.

40

Der sekundäre Luftschall wird als Folge der Körperschallausbreitung von den in Schwingung versetzten Raumbegrenzungsflächen, insbesondere den Geschossdecken, als relativ tieffrequentes Geräusch abgestrahlt. Hierauf bezogene Ansprüche auf Schutzvorkehrungen bzw. auf Geldausgleich richten sich ebenfalls nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG. Das in §§ 41 ff. BImSchG normierte Lärmschutzsystem ist nämlich insoweit lückenhaft; denn die Regelung der 16. BImSchV bezieht sich nur auf den primären Luftschall (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 11 B 100.95 - NVwZ-RR 1997, 336 <338>).

41

a) Ein spezielles Regelwerk zur Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle beim sekundären Luftschall gibt es bislang nicht. Zur Schließung dieser Lücke ist auf Regelungen zurückzugreifen, die auf von der Immissionscharakteristik vergleichbare Sachlagen zugeschnitten sind. Dabei ist in erster Linie dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei dem hier auftretenden sekundären Luftschall um einen verkehrsinduzierten Lärm handelt. Das legt eine Orientierung an den Vorgaben der auf öffentliche Verkehrsanlagen bezogenen 24. BImSchV (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung) nahe (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 8. Februar 2007 - 5 S 2224/05 - ESVGH 57, 148 <168 ff.> = juris Rn. 121 ff.; Geiger, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, 2004, 2. Kap. Rn. 336).

42

Die von den Klägern geforderte entsprechende Anwendung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm (Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - vom 26. August 1998 ) wird demgegenüber dem genannten Entscheidungskriterium nicht gerecht. Die TA Lärm enthält zwar Regelungen zum tieffrequenten Schall (siehe etwa Nr. 7.3 TA Lärm und Nr. A.1.5 des Anhangs) und erfasst auch ausdrücklich das Problem der Körperschallübertragung (siehe Nr. 6.2 TA-Lärm sowie Nr. A.1.1.4 des Anhangs). Sie stellt aber auf die Besonderheiten des anlagenbezogenen Lärms, insbesondere des Gewerbelärms, ab, der durch die Ortsfestigkeit der Lärmquelle und die Kontinuität der Lärmerzeugung geprägt wird. Verkehrslärm erfasst sie im Interesse einer realitätsnahen Abbildung der gesamten von der Anlage hervorgerufenen Lärmbelastung nach Nr. 7.4 lediglich als Nebengeräusch, soweit er der Anlage noch zugerechnet werden kann. Ohne Erfolg verweisen die Kläger darauf, dass die TA Lärm in der Praxis auf den von unterirdischen Eisenbahn- und U-Bahn-Strecken ausgehenden sekundären Luftschall angewandt wird. Denn dies findet seine Rechtfertigung in den Besonderheiten des sekundären Luftschalls bei Tunnelstrecken. Hier fehlt es im Unterschied zu oberirdischen Strecken an der den unmittelbaren Anwendungsbereich der 24. BImSchV kennzeichnenden Verbindung zum Primärschall; ohne den hieraus folgenden Verdeckungseffekt ist des Weiteren dessen Störpotenzial höher (vgl. etwa Wettschureck/Hauck/Diehl/Willenbrink, a.a.O. S. 541; Keil/Koch/Garburg, a.a.O. S. 794; Said/Grütz/Garburg, Ermittlung des sekundären Luftschalls aus dem Schienenverkehr, Zeitschrift für Lärmbekämpfung 53 <2006> 12; VGH Mannheim, Urteil vom 11. Februar 2004 - 5 S 387/03 - juris Rn. 97). Im Übrigen sind derzeit technische Möglichkeiten einer Verminderung von Schwingungsemissionen nur bei unterirdischen Strecken bewährt, während sie sich bei oberirdischen Strecken noch in der Erprobungsphase befinden (siehe etwa DIN 4150 Teil 2, Anhang D Erläuterungen zu 6.5.3; Keil/Koch/Garburg, a.a.O. S. 806 ff.; Wettschureck/Hauck/Diehl/Willenbrink, a.a.O. S. 550 ff.).

43

b) Die 24. BImSchV zielt mit der Ermittlung des erforderlichen Schalldämm-Maßes der Außenbauteile in Abhängigkeit vom Außenpegel auf die Einhaltung eines Innenraumpegels, der die Zumutbarkeitsschwelle markiert. Wird diese im vorliegenden Zusammenhang herangezogen, ist - in gleicher Weise wie bei den Erschütterungsimmissionen - die Vorbelastung schutzmindernd sowie ein Signifikanzkriterium zu berücksichtigen.

44

Von diesem Ansatz geht die Nebenbestimmung A.4.6.3.2 zutreffend aus, indem sie zunächst auf die "aus der 24. BImSchV abgeleiteten Anhaltswerte" Bezug nimmt. Dieser Verweis wird zwar im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses nicht weiter erläutert; auch finden sich in der 24. BImSchV nebst Anlagen keine "Anhaltswerte". Die angefochtene Nebenbestimmung ist aber gleichwohl hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG); denn aus der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ergibt sich eindeutig, welche Werte zugrunde zu legen sind. Danach bemisst die Zumutbarkeitsschwelle sich auf der Grundlage von Innengeräuschpegeln von 40 dB(A) tags und 30 dB(A) nachts unter Berücksichtigung des so genannten Schienenbonus.

45

c) Diese Festsetzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

46

aa) Zu Recht setzt die Beklagte den in der Tabelle 1 der Anlage zur 24. BImSchV (Berechnung der erforderlichen bewerteten Schalldämm-Maße) aufgeführten "Korrektursummand D in dB zur Berücksichtigung der Raumnutzung" nicht mit dem grundsätzlich einzuhaltenden Innengeräuschpegel gleich. Denn dieser ergibt sich erst durch die Hinzurechnung eines weiteren Korrekturwerts von 3 dB(A), der die unterschiedliche Dämmwirkung von Außenbauteilen bei gerichtetem Schall gegenüber diffusen Schallfeldern berücksichtigt (siehe BRDrucks 463/96 S. 16; BRDrucks 463/1/96 S. 4 f., 7).

47

bb) Auch die Anwendung eines Schienenbonus, der in Höhe von 5 dB(A) vor dem Vergleich mit dem höchstzulässigen Innengeräuschpegel von den zu ermittelnden Luftschallpegeln abgesetzt wird (siehe Keil/Koch/Garburg, a.a.O. S. 804), ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

48

(1) Entgegen dem von den Klägern fristgerecht in der Klagebegründung vorgebrachten Einwand fehlt der Berücksichtigung eines Lästigkeitsunterschieds zu Gunsten des Schienenverkehrs auch im Rahmen der Anwendung der 24. BImSchV nicht die normative Verankerung. Er ist vielmehr Teil eines in sich schlüssigen Regelungskonzepts.

49

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist in den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen den Besonderheiten des Schienenverkehrs Rechnung zu tragen. In der auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG erlassenen 16. BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung) hat der Verordnungsgeber diesen Regelungsauftrag in der Anlage 2 zu § 3 (Berechnung der Beurteilungspegel bei Schienenwegen) durch die Einfügung des Korrektursummanden S (Korrektur um minus 5 dB(A) zur Berücksichtigung der geringeren Störwirkung des Schienenverkehrslärms) umgesetzt. Auf die Regelungen über den aktiven Lärmschutz in der 16. BImSchV ist die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG erlassene 24. BImSchV mit ihren insoweit ergänzenden Bestimmungen über den passiven Schallschutz bezogen. Folgerichtig knüpft die 24. BImSchV auch bei der Bewertung des Schienenlärms an die in der 16. BImSchV normierten Grundsätze an, indem sie in der Anlage 1 in der Gleichung zur Berechnung des erforderlichen bewerteten Schalldämm-Maßes die nach Maßgabe der Anlage 2 der 16. BImSchV ermittelten Beurteilungspegel einstellt.

50

Die hiernach vorgesehene Anrechnung des Schienenbonus scheidet nicht etwa deswegen aus, weil die 24. BImSchV über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus zur Lückenfüllung herangezogen wird. Denn die Orientierung an der 24. BImSchV rechtfertigt sich gerade daraus, dass es sich bei dem zu bewertenden sekundären Luftschall ebenfalls um vom Schienenverkehr hervorgerufenen Lärm handelt. Er ist in gleicher Weise von den Besonderheiten wie etwa die Regelhaftigkeit der Lärmbelästigung geprägt, die zur Begründung des Schienenbonus herangezogen werden.

51

(2) Den auf die nicht durchgreifenden formellen Gründe beschränkten Einwand gegen die Anwendung des Schienenbonus haben die Kläger in ihrem letzten Schriftsatz insoweit erweitert, als sie auf die Diskussion über die materielle Rechtfertigung des Schienenbonus Bezug nehmen. Dieses Vorbringen ist zwar, da ebenfalls eine Rechtsfrage betreffend, nicht nach § 18e Abs. 5 Satz 2 AEG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Es bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der Senat kann nicht feststellen, dass die normative Festsetzung des Schienenbonus jedenfalls in dem für die gerichtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses (Juli 2009) (vgl. etwa Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <347> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 und vom 1. April 2004 - BVerwG 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283> = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 16) rechtswidrig und damit nichtig (geworden) war, weil er von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht (mehr) gedeckt war und seine Ableitung dem Gebot rationaler Abwägung nicht genügte.

52

Bei der durch den Regelungsauftrag des § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG geforderten Bewertung, ob und inwieweit der Schienenverkehrslärm Besonderheiten aufweist, die seine Privilegierung rechtfertigen, kommt dem Verordnungsgeber angesichts der fortbestehenden technisch-wissenschaftlichen Unsicherheiten insbesondere in der Lärmwirkungsforschung ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. zuletzt Urteil vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - NuR 2010, 870 = juris Rn. 103). Er geht mit der Verpflichtung einher, diese Norm unter Kontrolle zu halten und gegebenenfalls neue Erkenntnisse zu bewerten und zu gewichten (vgl. Urteil vom 18. März 1998 - BVerwG 11 A 55.96 - BVerwGE 106, 241 <249> = Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 8; Beschluss vom 11. Februar 2003 - BVerwG 9 B 49.02 - juris Rn. 18).

53

In Befolgung dieser Kontroll- und Überprüfungspflicht untersucht die Bundesregierung derzeit den Schienenbonus; dies geschieht auch zur Umsetzung eines politischen Handlungsauftrags aus dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, den Schienenbonus schrittweise zu reduzieren mit dem Ziel, ihn ganz abzuschaffen. Danach seien "differenzierte Aspekte der Lärmcharakteristik, der konkreten schutzbedürftigen Situation und der Wirkung auf den Menschen zu betrachten und innerhalb der finanziellen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen". Bezüglich der Beurteilungspegel sollen wegen der potenziellen Störwirkungen einzelner Zugvorbeifahrten ergänzende Spitzenpegelkriterien weiter geprüft werden (siehe Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion - Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes im Landverkehr - BTDrucks 17/2638 S. 13 f.). Das so umrissene Prüfprogramm nimmt ersichtlich verbreitete Kritik am Schienenbonus auf. Diese verweist auf neue Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung, in denen nicht in erster Linie auf die psychischen Auswirkungen des Lärms (Belästigungsforschung), sondern auf die unbewussten physiologischen Reaktionen auf den Lärm (Schlafforschung) abgestellt wird. Hierbei wird insbesondere auch auf das Problem der Aufwachschwelle benannt, dem der in der 16. BImSchV allerdings allgemein verwendete Mittelungspegel nicht gerecht werde (vgl. hierzu etwa Sparwasser/Rombach, NVwZ 2007, 1135 <1136 f.>).

54

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet dieser bereits eingeleiteten Überprüfung des Schienenbonus die Beibehaltung dieser Regelung derzeit völlig unvertretbar und mit dem staatlichen Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Gesundheitsbeeinträchtigungen zu unterbinden, offensichtlich nicht mehr vereinbar war. Das belegt insbesondere eine im Auftrag des Umweltbundesamts durchgeführte Untersuchung (Möhler/Liepert/Schreckenberg, Zur Anwendung des Schienenbonus bei der Beurteilung von Verkehrsgeräuschen, Lärmbekämpfung, Bd. 5 <2010> S. 47 ff.). Darin werden neben zwei Literaturuntersuchungen 17 Primäruntersuchungen (Feld- und Laborstudien) und zwei Re-Analysen zur Thematik ausgewertet, die nach Festlegung des Schienenbonus im Jahre 1990 durchgeführt wurden. Ein eindeutiges Bild, ob und inwieweit weiterhin von einem Schienenbonus ausgegangen werden kann oder vielmehr ein Schienenmalus angenommen werden muss, ergibt sich daraus nicht. Vielmehr werden weitere Untersuchungsfelder aufgezeigt, insbesondere in Bezug auf eine differenzierte Betrachtung der Lärmbelästigung in Abhängigkeit von der akustischen Situation (Vorbeifahrthäufigkeit, Abstand), von der Tageszeit und von der Nutzungsart; auch das Problem der Überlagerung verschiedener Verkehrslärmquellen wird angesprochen. Auch die von den Klägern erwähnte umfangreiche Untersuchung von Mersch-Sundermann u.a. ("Macht Schienenlärm krank? - Studie des Universitätsklinikums Freiburg zur Evaluierung der gesundheitlichen Wirkungen bei Exposition gegenüber Schienenlärm unter besonderer Berücksichtigung der DB-Trasse Basel-Offenburg " ) legt trotz ihres den Schienenbonus ablehnenden Ergebnisses eine allgemein anerkannte Überzeugung der Fachwelt nicht dar, sondern zeigt ebenfalls noch weiteren Untersuchungsbedarf auf. Angesichts der so belegten fachwissenschaftlichen Unsicherheiten, die vorrangig einer Bewertung durch den Verordnungsgeber bedürfen, vermag der Senat jedenfalls derzeit - nicht zuletzt in Ermangelung eines weiteren substantiierten Tatsachenvortrags der Kläger - einen Anlass zu einer richterrechtlichen Korrektur des Schienenbonus nicht zu erkennen (vgl. auch Schulze-Fielitz, Rechtliche Defizite in der Bekämpfung des Schienenverkehrslärms, S. 9, Vortrag auf dem 2. Schienenlärmkongress am 30. April 2010, www.region-suedlicher-oberrhein.de).

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.