Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Nov. 2015 - 7 Sa 672/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:1111.7SA672.14.0A
bei uns veröffentlicht am11.11.2015

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 5. November 2014 - Az.: 4 Ca 958/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. April 2014 noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. April 2014 aufgelöst worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der 1982 geborene, ledige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 2010, seit dem 1. Oktober 2011 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 13. Oktober 2011 (Bl. 4 ff. d. A.) mit Dienstsitz in C-Stadt beschäftigt. Er war zuletzt als Maschinenführer (Anlage, Fahren, Abfüllen u. ä.) im Bereich Silicas tätig. Er ist in die Tarifgruppe E 04 eingruppiert und erhält ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.035,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Hinsichtlich der anzuwendenden Kündigungsfristen verweist der Arbeitsvertrag in § 3 Abs. 2 auf den "jeweils geltenden Tarifvertrag". In § 8 Abs. 6 ist unter anderem die Anwendbarkeit der "Tarifverträge der chemischen Industrie in ihrer jeweils geltenden Fassung" vereinbart.

3

Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat besteht.

4

Der Kläger war seit dem 19. Januar 2014 arbeitsunfähig erkrankt, mit Unter-brechung am 7. und 8. März 2014. Ursache seiner Arbeitsunfähigkeit war nach Angaben des Klägers zunächst ein Arbeitsunfall, infolge dessen er sich eine Verletzung seines Knies zuzog. Einen Unfallschein des behandelnden Arztes legte der Kläger nicht vor.

5

Am 8. April 2014 fand ein Gespräch des Klägers mit Vorgesetzten, Betriebsrat und Personalabteilung statt.

6

Der Kläger ist aktives Mitglied des Fußballvereins Z. A-Stadt. Am 13. April 2014 sowie am 21. April 2014 spielte er für seinen Verein jeweils in einem Fußballspiel der A-Klasse Y.. Ausweislich der Spielberichte (Bl. 63 f. d. A.) wurde er im Spiel vom 13. April 2014 während des Spiels eingewechselt, am 21. April 2014 spielte er beim Auswärtsspiel von Beginn an. Der Kläger war auf einem mit einem Zeitungsbericht am 23. April 2014 veröffentlichten Foto (Bl. 62 d. A.), welches vom 21. April 2014 stammte, als aktiver Teilnehmer des an diesem Tag stattfindenden Fußballspiels im aktiven Zweikampf abgebildet.

7

In einem Telefonat am 24. April 2014 gab der Kläger gegenüber den Vertretern der Beklagten, dem Tagschichtmeister X. W. sowie dem HR-Manager V. an, am Spiel nicht beteiligt und auch nicht anwesend gewesen zu sein. Er behauptete zunächst, sein Verein hätte unter seinem Namen einen anderen Spieler eingesetzt, räumte dann aber später ein, an dem Spiel teilgenommen zu haben.

8

Mit „Memo“ vom 24. April 2014 (Bl. 79 f. d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat „zur Kündigung gemäß § 102 BetrVG“ an.

9

Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 29. April 2014 (Bl. 81 d. A.) mit, dass er den Vorgang in seiner Sitzung am selben Tag beraten habe und sich zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ebenso wie zu der hilfsweisen ordentlichen Kündigung nicht äußern werde. Der Betriebsrat teilte weiter mit, dass seine Stellungnahme als abschließend zu betrachten sei.

10

Am 29./30. April 2014 lag der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 2. Mai 2014 vor.

11

Mit Schreiben vom 29. April 2014 (Bl. 8 d. A.) hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, mit Schreiben vom 30. April 2014 (Bl. 9 d. A.) "vorsorglich und hilfsweise auch ordentlich fristgerecht mit der tariflichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende zum 31. Mai 2014, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin" gekündigt. Gegen diese Kündigungen wendet sich der Kläger mit seiner am 19. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

12

Der Kläger hat vorgetragen,
Kündigungsgründe seien nicht ersichtlich. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung werde mit Nichtwissen bestritten.

13

Am 8. April 2014 sei er einbestellt und von circa fünf Personen „überfallen“ worden. Er sei diesen Personen hilflos ausgeliefert gewesen. Seine angeblichen Äußerungen bei dieser Anhörung seien unerheblich. Kein Arbeitnehmer müsse bei einem solchen Gremium Herr W., Herr U., Herr T. und Herr V. psychische Probleme offenbaren.

14

Er sei ständig mit Anrufen von derselben Telefonnummer bombardiert worden. Auf einen Rückruf seines Prozessbevollmächtigten habe Herr S. R. erklärt, es komme entweder eine fristlose Kündigung oder eine fristgemäße Kündigung bis Ende Mai 2014.

15

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

16

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 29. April 2014 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

17

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 30. April 2014 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht zu unveränderten Bedingungen,

18

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 29. April 2014 hinaus fortbesteht.

19

Die Beklagte hat beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Sie hat vorgetragen,
die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da sie durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt sei. Sie sei wegen Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit bzw. genesungsfeindlichem Verhalten erfolgt.

22

Die Beklagte hat zum einen bestritten, dass im Januar 2014 ein Arbeitsunfall vorlag, zum anderen, dass sich der Kläger hierbei eine Knieverletzung zuzog.

23

Sie hat weiter vorgetragen, der Kläger sei in dem Gespräch am 8. April 2014 mit Vorgesetzten, Betriebsrat und Personalabteilung nicht „einbestellt und überfallen“ worden sowie niemandem „hilflos ausgeliefert“ gewesen. Auch sei er nicht verpflichtet gewesen, eine Krankheitsursache mitzuteilen. Er habe allerdings erklärt, er wäre weiter wegen anhaltender Schmerzen in seinem Knie arbeitsunfähig und habe infolgedessen auch weitere Arzttermine wahrzunehmen. Er sei auch "humpelnd" herausgegangen. Ihr hätten im Kündigungszeitpunkt keinerlei Hinweise auf eine von „Kniebeschwerden“ abweichende Ursache der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Der Kläger habe - sofern er sich in Gesprächen mit der Beklagten zu den Ursachen seiner Arbeitsunfähigkeit geäußert habe - ausschließlich die „Kniebeschwerden“ angeführt. Dies habe er wiederholt und gegenüber verschiedenen Arbeitnehmern getan.

24

Die Beklagte ist der Ansicht, in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger bei dem Fußballspiel am 21. April 2014 über die gesamte Spieldauer eingesetzt gewesen sei, liege nahe, dass der Kläger – zumindest zum Ende seiner angeblichen Arbeitsunfähigkeit spätestens ab den 14. April 2014 – dieselbe nur vorgetäuscht habe. In jedem Fall liege in dem klägerischen Verhalten eine massive arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Es bestehe daher der dringende Verdacht, dass der Kläger tatsächlich gar nicht arbeitsunfähig krank gewesen sei. Jedenfalls habe er durch die Teilnahme den Fußballspielen massiv gegen seine Gesundheitsförderungspflicht verstoßen.

25

Der Übergang von einem Zustand rein physischer Beschwerden (Knieprobleme) zu einer psychischen Erkrankung sei für sie nicht nachvollziehbar. Sollte der Kläger entgegen seiner ausdrücklichen Aussagen tatsächlich an einer psychischen Erkrankung gelitten haben, so habe er dies nachzuweisen. Die im Gütetermin vorgelegte Bescheinigung von Dr. E. sei als nachträgliche „Gefälligkeitsbescheinigung“ zu werten. Dieser sei die Vermutungswirkung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zuzubilligen. Nur durch die Vorlage der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die Krankenkasse, welche den vom Arzt eingetragenen Diagnoseschlüssel enthielten, könne der Kläger nachweisen, dass seine Erkrankung auch zum Zeitpunkt der Fußballspiels bereits als psychische Erkrankung diagnostiziert gewesen sei. Die im Gütetermin vorgelegte Bescheinigung sei zudem nach dem kündigungsauslösenden Ereignis ausgestellt worden. Wie die Situation am Tag des Fußballspiels gewesen sei, ergebe sich hieraus nicht.

26

Die Umstände, insbesondere die Nichteinleitung im Falle psychischer Erkrankung indizierter Therapien und die jedenfalls nicht nachgewiesene zeitnahe Über-weisung an einen Facharzt für Psychiatrie oder einen Psychotherapeuten – sprächen gegen das Vorliegen dieser Ursache für die behauptete Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Es sei schlechthin nicht vorstellbar, dass bei einer tatsächlich vorliegenden schweren depressiven Erkrankung durch den diagnostizierenden Arzt neben einer Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit keinerlei therapeutische Maßnahmen ergriffen würden. Ein derartiges Vorgehen wäre therapeutisch nicht angezeigt (Beweis: Sachverständigengutachten). Die Tatsache, dass der die zum Zeitpunkt der Fußballspiele noch gültige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellende Internist Dr. E. den Kläger offensichtlich insgesamt für einen Zeitraum von mehr als einem Monat arbeitsunfähig geschrieben habe, ohne konkrete, nachweisbare therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, lege ein Gefälligkeitsattest nahe.

27

Hinzukomme, dass Dr. E. in A-Stadt und Umgebung aufgrund der Häufigkeit sowie der Vielzahl von ihm ausgestellter zweifelhafter Atteste (amts-)bekannt sei. So akzeptiere die Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt grundsätzlich keine Bescheinigungen des Dr. E., sondern fordere in Fällen, in denen Atteste von Dr. E. vorgelegt würden, grundsätzlich ein amtsärztliches Attest ein. Darüber hinaus sei Dr. E. nach Informationen der Beklagten auch gegenüber den ortsansässigen Krankenkassen durch Häufung der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden (§ 275 Abs. 1a SGB V). Das gelte auch für die Krankenkasse des Klägers. Zudem sei Dr. E. auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit, insbesondere beim Arbeitsgericht Ludwigshafen durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden. Dieser Umstand sei am Arbeitsgericht Ludwigshafen amtsbekannt. Damit sei der Beweiswert der von Dr. E. ausgestellten Bescheinigungen erschüttert.

28

Der Kläger sei vor Ausspruch der Kündigung nicht mit Anrufen „bombardiert“ worden. Vielmehr habe der Betriebsratsvorsitzende Q. versucht, im Rahmen der Betriebsratsanhörung dem Kläger die Möglichkeit zu geben, zu den Vorwürfen der Beklagten Stellung zu nehmen. Herr Q. habe von einer beabsichtigten Kündigung gesprochen, schließlich habe die Beklagte den Betriebsrat eben hierzu angehört.

29

Auch unter Abwägung der sozialen Schutzwürdigkeit des Klägers lägen keine Gründe vor, welche das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber ihrem Lösungsinteresse überwiegen ließen. Beim Vor-täuschen von Arbeitsunfähigkeit sei eine vorherige Abmahnung verzichtbar.

30

Der Kläger hat erwidert,
er habe zu keiner Zeit Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Am 19. Januar 2014 habe er einen Arbeitsunfall erlitten und sei im Klinikum C-Stadt behandelt worden. Er sei arbeitsunfähig und in der Behandlung von Dr. med. P. O., A-Stadt gewesen. Er habe einen ersten Arbeitsversuch unternommen und habe dann wegen akuter depressiver Erkrankung mit ausgeprägten Beschwerden ab dem 9. März 2014 krankgeschrieben werden müssen (Beweis: Zeugnis des Dr. E. E.). Zwischenzeitlich sei er bei dem Facharzt für Psychiatrie Dr. N. (leitender Arzt M. GmbH, A-Stadt) in Behandlung. Soweit erforderlich würden die vorgenannten Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Im Übrigen seien seine Erkrankungen auch durch seine Krankenversicherung L. überprüft worden.

31

Er war der Ansicht, auch ein Internist könne feststellen, ob der Patient erkrankt sei. Er werde dann das Entsprechende und Überweisung veranlassen. So sei es im vorliegenden Fall gewesen.

32

Er, der Kläger, sei einem ständigen Druck ausgesetzt gewesen mit Beleidigungen (Du Kanak – schlechtere Schicht zugeteilt – kannst deine Zähne auch in der Türkei machen lassen – geh zu meinen Arzt und der wird dann sofort sagen du kannst schaffen). Die ärztliche Bescheinigung des Dr. E. vom 12. Mai 2014 sei im Gütetermin vorgelegt worden.

33

Mit Nichtwissen hat der Kläger bestritten, dass Dr. E. gegenüber Krankenkassen, Ausländerbehörde etc. auffällig gewesen sei und auf einer „Liste“ stehe.

34

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage durch Urteil vom 5. November 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags, für den das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehle, unzulässig.

35

Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da sich die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung als wirksam erweise. Die Kündigung sei nicht bereits mangels (ordnungsgemäßer) Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die fristlose Kündigung sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt. Die Kammer sei von einem Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit überzeugt. Wer an Fußballspielen teilnehmen könne, müsse nach allgemeiner Lebenserfahrung auch in der Lage sein, seiner Tätigkeit als Maschinenführer nachzukommen. Soweit der Kläger geltend mache, er sei ab dem 9. März 2014 nicht wegen seiner Knieverletzung, sondern wegen einer akuten depressiven Erkrankung mit ausgeprägten Beschwerden (die freilich nicht näher dargelegt würden) krankgeschrieben gewesen, vermöge die Kammer dem nicht zu folgen. Zwar habe der Kläger im Gütetermin nach Erinnerung des Kammervorsitzenden ein derartiges Attest des Dr. H. gezeigt (und danach wieder an sich genommen), Dr. H. genieße jedoch im Bezirk des Arbeitsgerichts Ludwigshafen allgemein den Ruf eines Arztes, der Gefälligkeitskrankschreibungen erteile. Die Kammer vermöge daher einem nachträglich erstellten Attest des Dr. H. keinerlei Beweiswert zuzumessen. Auch wenn der Kläger inzwischen – nach seinem Vortrag - von einem Facharzt für Psychiatrie weiter behandelt werde, lasse sich hieraus nicht zwingend schließen, er sei bereits im April 2014 aus psychischen Gründen arbeitsunfähig gewesen.

36

In diesem Zusammenhang sei es für die Kammer auch von Bedeutung, dass der Kläger noch in einem Gespräch am 8. April 2014 bestätigt habe, dass er wegen anhaltender Schmerzen im Knie arbeitsunfähig sei und deswegen auch weitere Arzttermine habe. Dies habe der Vertreter der Beklagten auch im Gütetermin ausgeführt und dabei angemerkt, der Kläger sei auch „humpelnd“ aus diesem Gespräch hinausgegangen. Auf Nachfrage habe der Kläger dann angefangen zu erklären, normalerweise müsse man ja nichts sagen. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn daraufhin unterbrochen und erklärt, „er habe nichts gesagt“. Auch wenn man die Erklärung des Prozessbevollmächtigten als wirksames Bestreiten etwaiger Erklärungen des Klägers ansehen wolle, sei dann immer noch unbestritten, dass der Kläger das Gespräch „humpelnd“ verlassen habe. Die Kammer bleibe nach alledem davon überzeugt, dass der Kläger in dem Gespräch am 8. April 2014 durch Worte und Gesten eine weiter andauernde Knieverletzung behauptet habe, die seinen eigenen Angaben im Prozess zufolge nicht bestanden haben solle. Damit habe der Kläger entweder am 8. April 2014 oder im Prozess gelogen. Dazu passe, dass der Kläger in einem Telefonat am 24. April 2014 gegenüber der Beklagten noch bestritten habe, selbst gespielt zu haben, sondern die Vermutung angestellt habe, sein Verein hätte unter seinem Namen einen anderen Spieler eingesetzt, während die Spielteilnahme jetzt während des Prozesses unstreitig sei. Bei dieser Sachlage sei die Einschätzung der Beklagten, ihr Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers sei zutiefst erschüttert, nachvollziehbar. Infolgedessen teile die Kammer auch die Interessenabwägung der Beklagten und halte den Ausspruch einer Abmahnung für entbehrlich.

37

Unabhängig davon sei die fristlose Kündigung aus den vorgenannten Umständen auch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Der Betriebsrat sei ausdrücklich auch zu einem auf Grund der Verdachtsmomente zumindest sehr wahrscheinlichen Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit angehört worden.

38

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz (Bl. 110 ff. d. A.) Bezug genommen.

39

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 7. November 2014 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 5. Dezember 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag (Bl. 122 f. d. A.) Berufung eingelegt und diese - innerhalb der durch Beschluss vom 2. Januar 2015 bis zum 9. Februar 2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist - am 9. Februar 2015 mit Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

40

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 18. Mai 2015, vom 27. Mai 2015 und vom 10. Juli 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 139 ff., 187 ff., 209, 261 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

41

das erstinstanzliche Urteil sei aufgrund der Rechtsverletzungen durch das Gericht aufzuheben und zurückzuverweisen. Das Urteil bestehe aus reinen Vermutungen und Spekulationen. Das Gericht 1. Instanz habe Herrn Dr. E. und Herrn Dr. N. hören müssen. Nicht der Kläger selbst, sondern sein Prozessbevollmächtigter habe das Attest des Dr. E. (Bl. 207 d. A.) dem Gericht übergeben. Das Gericht habe das Attest nicht an sich genommen, sondern wieder zurückgegeben. Das Attest habe bei dem Richter auf dem Tisch gelegen und die Gegenseite habe die Bescheinigung gelesen. Zurückzuverweisen sei der Rechtsstreit auch dann, wenn sein Schriftsatz vom 20. Oktober 2014, mit dem dem Arbeitsgericht die grundsätzliche Vergleichsbereitschaft mitgeteilt worden sei, der Gegenseite nicht zugeleitet worden sei. Das gelte auch hinsichtlich des von ihm in der Sitzung am 1. Oktober 2014 beantragten und nicht gewährten Schriftsatznachlasses bezüglich des Schriftsatzes der Gegenseite vom 19. September 2014.

42

Man könne mit allen möglichen Krankheiten Fußball spielen, insbesondere wenn diese psychisch bedingt seien. Das Spielen diene dann dem Heilungsprozess. Habe die Beklagte Zweifel an seiner Erkrankung gehabt, dann hätte sie einen "Vertrauensarzt" einschalten müssen oder bei seiner Krankenkasse nachfragen können, warum diese Krankengeld zahle.

43

Er sei schon in früheren Jahren, wie das Attest des Dr. K. vom 11. Mai 2015 (Bl. 193 d. A.) bestätige, aufgrund des Betriebsklimas arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

44

Der Kläger beantragt,

45

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 5. November 2014, zugestellt am 7. November 2014 (Az. 4 Ca 958/14), aufzuheben und an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts Mainz zurückzuverweisen,

46

II. hilfsweise das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 5. November 2014, zugestellt am 7. November 2014, Az. 4 Ca 958/14, abzuändern und

47

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 29. April 2014 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

48

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 30. April 2014 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht zu unveränderten Bedingungen,

49

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 29. April 2014 hinaus fortbesteht.

50

Die Beklagte beantragt,

51

die Berufung zurückzuweisen.

52

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 13. April 2015 sowie der Schriftsätze vom 3. Juni 2015, vom 19. Juni 2015 und vom 20. Juli 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 163 ff., 216 ff., 244 ff., 267 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend. Einer Zurückverweisung des Verfahrens an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts stehe § 68 ZPO entgegen. Ein der Berufungsinstanz nicht mehr korrigierbarer Verfahrensmangel liege nicht vor.

53

Der Kläger hätte selbst konkret vortragen müssen, was nach seiner Auffassung Dr. E. und Dr. N. gegenüber dem Gericht aussagen würden. Dies habe der Kläger jedoch unterlassen. Es wäre möglich gewesen, vorzutragen, von wann an der Kläger in ärztlicher Behandlung bei Dr. E. gewesen sein wolle, wann die angebliche Depression diagnostiziert worden sein solle und ab wann und in welcher Art und Weise er deswegen behandelt worden sei. Er habe die mit seiner Behauptung einer akuten depressiven Erkrankung zusammenhängenden Beschwerden weder konkret dargelegt noch ein entsprechendes Leiden durch ärztliches Attest hinreichend nachgewiesen. Der Kläger habe das Attest des Dr. E. im Gütetermin erster Instanz lediglich vorgezeigt. Es könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass das im Kammertermin zweiter Instanz vorgelegte Attest des Dr. E. vom 12. Mai 2014 mit dem im Gütetermin erster Instanz vorgelegten Attest übereinstimme. Zu berücksichtigen sei auch, dass das ärztliche Attest erst deutlich nach dem angeblichen Behandlungsbeginn durch Dr. E. ausgestellt worden sei.

54

Sie ist der Ansicht, die im Rahmen der Beurteilung krankheitsbedingter Kündigungen entwickelte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Arbeitnehmer seiner prozessualen Mitwirkungspflicht bereits dadurch genüge, dass er die Behauptungen des Arbeitgebers bestreite und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinde, könne hier nicht zur Anwendung kommen bzw. die Darlegungslast des Klägers erleichtern.

55

Sie ziehe keinesfalls in Zweifel, dass es möglich sei, mit einer psychischen Erkrankung Fußball zu spielen. Sie hege jedoch ganz erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich im Zeitpunkt der Fußballspiele an einer psychischen Erkrankung gelitten habe. Hiergegen sprächen im Wesentlichen folgende Punkte: Die angeblich bestehende psychische Erkrankung sei - soweit ein entsprechender Nachweis überhaupt existiere - erst im Nachhinein attestiert. In dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger diese Erkrankung erstmalig behauptete habe, sei eine Über-prüfung derselben rückwirkend bereits nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger habe nur wenige Tage vor dem ersten Fußballspiel, konkret am 8. April 2014 noch selbst gegenüber der Beklagten in Anwesenheit des Betriebsrates behauptet, seine derzeitige Arbeitsunfähigkeit sei auf seine Knieverletzung in Folge des Arbeitsunfalles aus dem Januar desselben Jahres zurückzuführen. Er habe konkret ausgeführt, er leide an anhaltenden Schmerzen im Knie und sei daher nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Die angebliche psychische Erkrankung sei - die Existenz des Attests des Dr. E. unterstellt - nur durch einen Internisten diagnostiziert worden. Der Kläger habe weder die Überweisung an einen Facharzt für Psychiatrie oder einen Psychotherapeuten noch eine sonstige (medikamentöse etc.) Behandlung behauptet oder nachgewiesen. Der bescheinigende Arzt genieße im Raum A-Stadt einen zweifelhaften Ruf. Die Behandlung durch Dr. N. sei nie im Einzelnen konkret vorgetragen worden und beträfe - wenn überhaupt - einen Zeitraum weit nach Kündigungsausspruch.

56

Die Beklagte rügt ausdrücklich jegliches Vorbringen des Klägers in und nach dem Termin vom 20. Mai 2015 dessen Erkrankung betreffend als verspätet.

57

Aus dem Attest des Dr. K. vom 11. Mai 2015 ergebe sich kein Erkenntnisgewinn für den vorliegenden Rechtsstreit. Die in diesem Attest beschriebenen Beschwerden hätten im Zeitraum vom 27. Mai bis insgesamt 14. Juli 2013 vorgelegen haben sollen. Das ärztliche Attest sei erst mehr als ein Jahr nach Ausspruch der Kündigung ausgestellt worden. Auch könnten durch dieses Attest, wenn überhaupt, dann nur Symptome beim Kläger nachgewiesen werden, nicht jedoch die zugrunde liegenden Ursachen. Die angegebene Ursache „Mobbing“ werde mit Nichtwissen bestritten.

58

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die beim Kläger im März/April 2014 vorliegenden Erkrankungen, gesundheitlichen Einschränkungen sowie dem Kläger gegebene Verhaltensmaßregeln durch Einholung einer schriftlichen Auskunft sowie Vernehmung des Zeugen Dr. E. E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage des Dr. E. vom 16. Juni 2015 (Bl. 238 d. A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 11. November 2015 (Bl. 295 ff. d. A.) Bezug genommen.

59

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Kammertermine vom 20. Mai 2015 und 11. November 2015 (Bl. 201 ff., 291 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

60

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO hinsichtlich des Antrags zu I. sowie der hilfsweise gestellten Anträge zu II.1. und 2. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich - mit Ausnahme des Antrags zu II.3. - auch sonst als zulässig.

61

Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags zu II.3 (allgemeiner Feststellungsantrag) ist die Berufung bereits unzulässig. Die Berufung setzt sich insoweit nicht mit dem Urteil erster Instanz auseinander.

II.

62

1. Der Antrag zu I. auf Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz und Zurückverweisung an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts Mainz hat keinen Erfolg. Der Rechtsstreit ist nicht an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

63

Nach § 538 Abs. 1 ZPO, der auch im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Anwendung findet (§ 64 Abs. 6 ArbGG), hat das Berufungsgericht den Rechtsstreit grundsätzlich selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung in den Ausnahmefällen des § 538 Abs. 2 Nrn. 1 und 7 ZPO wegen bestimmter Verfahrensmängel ist in der Arbeitsgerichtsbarkeit durch § 68 ArbGG unabhängig von der Schwere des Verfahrensmangels ausgeschlossen. So rechtfertigen etwa auch grobe Verstöße gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs und die Aufklärungspflicht des § 139 ZPO eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht nicht (BeckOK ArbR/Klose, Stand: 1. September 2015, ArbGG § 68 Rn. 3; ErfK/Koch, 16. Aufl. 2016, § 68 Rn. 2; GMP/Germelmann, 8. Aufl. 2013, ArbGG § 68 Rn. 3, jeweils m. w. N.). Eine Ausnahme vom Verbot der Zurückverweisung bei Verfahrensverstößen wird allgemein nur dann gemacht, wenn es sich um einen Verfahrensverstoß handelt, der im Berufungsverfahren nicht mehr korrigiert werden kann. Eine Zurückverweisung ist darüber hinaus nur in den in § 538 Abs. 2 Nrn. 2 bis 6 ZPO genannten Fällen auf Antrag einer Partei möglich.

64

Ein Fall des § 538 Abs. 2 Nrn. 2 bis 6 ZPO (Verwerfung des Einspruchs, Prozessurteil, Grundurteil, Vorbehaltsurteil oder Versäumnisurteil) liegt im vorliegenden Berufungsverfahren nicht vor. Es liegt auch kein Verfahrensverstoß des Arbeitsgerichts vor, der im Berufungsverfahren nicht hätte korrigiert werden können. Das gilt sowohl hinsichtlich einer etwaig unterlassenen Beweisaufnahme (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 150/11 - NJW-RR 2012, 1207, 1208 Rz. 14) als auch im Fall einer etwaig unterlassenen Zuleitung eines Schriftsatzes an die Gegenseite oder der Nichtgewährung eines Schriftsatznachlasses.

65

2. Hinsichtlich des - hilfsweise gestellten - Antrags zu II. hat die Berufung des Klägers, soweit sie zulässig ist, Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch die außerordentliche Kündigung, noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung der Beklagten beendet worden.

66

a) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht durch die von der Beklagten unter dem 29. April 2014 ausgesprochene außerordentliche Kündigung beendet worden. Ein wichtiger Grund für diese Kündigung ist nach Auffassung der Kammer weder unter dem Gesichtspunkt des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit, eines genesungswidrigen Verhaltens noch des Verdachts des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit gegeben. Auf die Frage, ob die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört hat (§ 102 Abs. 1 BetrVG) und ob der Kläger vor Ausspruch einer Verdachtskündigung angehört worden ist, kommt es daher nicht an. Im Einzelnen:

67

(1) Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB liegt im vorliegenden Fall nicht imVortäuschen von Arbeitsunfähigkeit durch den Kläger.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt – ohne die besonderen Um-stände des Einzelfalls – (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, das heißt ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

69

Es kann einen wichtigen Grund im Sinn von § 626 BGB zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fernbleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Ein Arbeitnehmer, der nachgewiesener-maßen seine Krankheit nur vortäuscht, begeht dadurch eine schwere Vertragsverletzung, die je nach den Umständen des Einzelfalls eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Der Arbeitnehmer wird nach Ansicht des BAG (Urteil vom 26. August 1993 - 2 AZR 154/93 - NZA 1994, 63, 64) regelmäßig sogar einen vollendeten Betrug begangen haben, denn durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat er den Arbeitgeber unter Vortäuschung falscher Tatsachen dazu veranlasst, ihm unberechtigterweise Lohnfortzahlung zu gewähren.

70

Da die verhaltensbedingte Kündigung als Kündigungsgrund eine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers voraussetzt, die der Arbeitgeber zu beweisen hat, obliegt dem Arbeitgeber nicht nur der Nachweis dafür, dass der Arbeitnehmer überhaupt gefehlt hat, sondern auch dafür, dass er unentschuldigt gefehlt hat, dass also die vom Arbeitnehmer behauptete Krankheit nicht vorliegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass jede Partei die ihr günstigen Tatbestandsmerkmale zu beweisen hat. Wenn es danach zum Vortrag des Arbeitgebers gehört, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt hat, muss der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert im Einzelnen vortragen, warum sein Fehlen als entschuldigt anzusehen ist. Nur diese vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine Krankheit und legt er ein ärztliches Attest vor, so begründet dieses in der Regel den Beweis für die Tatsache der arbeitsunfähigen Erkrankung. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, beruft er sich insbesondere darauf, der Arbeitnehmer habe den die Bescheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft des Attest zu erschüttern (BAG, Urteil vom 26. August 1993 - 2 AZR 154/93 - NZA 1994, 63, 64 f.) Ist es dem Arbeitgeber allerdings gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, so tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attests bestand. Jedenfalls muss dann der Arbeitgeber nicht "zwingend" nachweisen, dass irgendeine Krankheit überhaupt nicht vorgelegen haben kann. Es ist vielmehr wiederum Sache des Arbeitnehmers, nunmehr angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente etwa bewirkt haben, dass der Arbeitnehmer zwar immer noch nicht die geschuldete Arbeit bei seinem Arbeitgeber verrichten konnte, aber zu leichten anderweitigen Tätigkeiten in der Lage war. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers wider-legen. Mit der Patientenkartei und der Vernehmung des behandelnden Arztes kommen dabei regelmäßig Beweismittel in Betracht, die eine weitere Sachaufklärung versprechen. Es ist in derartigen Fällen auch stets zu prüfen, ob die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attests erschüttern, nicht als so gravierend anzusehen sind, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit sei nur vorgetäuscht gewesen, so dass der Arbeitnehmer dieses Indiz entkräften muss (BAG, Urteil vom 26. August 1993 - 2 AZR 154/93 - NZA 1994, 63, 64 f.; Urteil vom 7. Dezember 1995 - 2 AZR 849/94 - BeckRS 1995, 30923615; Urteil vom 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - NZA 2004, 564, 566 f.; lag RhPf, Urt. vom 6. Juni 2013 - 10 Sa 17/13 - BeckRS 2013, 71096 m. w. N.; lag Hamm, Urteil vom 28. Mai 1998 - 4 Sa 1550/97 - BeckRS 1998, 30460861).

71

Die Beklagte stützt die von ihr am 29. April 2014 ausgesprochene Kündigung in erster Linie auf den Vorwurf, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit – zumindest zum Ende seiner angeblichen Arbeitsunfähigkeit spätestens ab dem 14. April 2014 – nur vorgetäuscht.

72

Das bewusste Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung mit der weiteren Folge der Entgeltfortzahlung ist eine schwere Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages und damit an sich als Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet.

73

Unstreitig war der Kläger in der Zeit vom 19. Januar 2014 bis zum 6. März 2014 und sodann ab dem 10. März 2014 im Kündigungszeitpunkt bis zum 2. Mai 2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hat der Kläger unstreitig vorgelegt.

74

Im vorliegenden Fall ist der Beweiswert der zunächst ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Auffassung der Kammer erschüttert. Das ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten: Der Kläger wurde – inzwischen unstreitig – am 13. April 2014 während eines Spiels seines Fußballvereins Z. A-Stadt eingewechselt, am 21. April 2014 spielte er bei einem Auswärtsspiel von Beginn an. Dieser Umstand ist in Zusammenschau mit den Angaben des Klägers am 8. April 2014, er sei wegen Kniebeschwerden arbeitsunfähig, seinem „humpelnden“ Gang an diesem Tag und dem Umstand, dass er seine Teilnahme an den Fußballspielen in einem Telefonat am 24. April 2014 zunächst bestritten und sogar gemutmaßt hat, sein Verein habe unter seinem Namen einen anderen Spieler eingesetzt, geeignet, die Beweiskraft der von Dr. E. zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zumindest ab dem 14. April 2014 bis zum 2. Mai 2014 zu erschüttern. Es kommt daher an dieser Stelle nicht darauf an, ob die Beklagte den Beweiswert dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch durch den Hinweis auf die Häufigkeit der von Dr. E. ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hätte erschüttern können.

75

Nach Erschütterung der Beweiskraft der zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausgestellten (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG) ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war es nunmehr Sache des Klägers, angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit zu sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten bzw. gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und gegebenenfalls den behandelnden Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Diesen Anforderungen ist der Kläger nach Auffassung der Kammer nachgekommen. Er hat – auch unter Bezugnahme auf das ärztliche Attest des Dr. E. vom 12. Mai 2015 (Bl. 207 d. A.)dargelegt, er sei nach der Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit am 7. und 8. März 2014 seit dem 9. März 2014 aufgrund einer akuten depressiven Erkrankung mit ausgeprägten Beschwerden arbeitsunfähig gewesen. Des Weiteren hat der Kläger Beweis durch das Zeugnis des behandelnden Arztes Dr. E. angeboten und erklärt, soweit erforderlich würden die behandelnden Ärzte Dr. E. und Dr. N. von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.

76

Da unstreitig bei der Diagnose Depression Fußballspielen möglich und sinnvoll ist, bedurfte es nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Einzelfall keines weiteren detaillierteren Vortrags zu den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, zu den vom behandelnden Arzt gegebenen Verhaltensmaßregeln und dazu welche Medikamente zum Beispiel bewirkt haben, dass der Kläger zwar immer noch nicht die geschuldete Arbeit bei der Beklagten verrichten konnte, aber zu leichten anderweitigen Tätigkeiten in der Lage war. Dieser Vortrag dient in der Regel dazu zu überprüfen, ob die vom Kläger ausgeübten Freizeitbeschäftigungen diesem nur dann möglich waren, wenn er auch seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erbringen konnte, also - entgegen seinen Angaben - arbeitsfähig gewesen ist. Eines solchen detaillierten Vortrags bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die vom Kläger behauptete Erkrankung, die Ursache der Arbeitsunfähigkeit war, dem Fußballspielen des Klägers nicht entgegensteht. Dies gilt auch, soweit der Kläger an einem Meisterschaftsspiel der A-Klasse teilgenommen hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Einsatz in einem solchen Spiel nicht mit besonderem negativem Leistungsdruck verbunden. Zu berücksichtigen ist insoweit zwar, dass es sich zwar um einen Wettkampf handelt, der – wie sich auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Zeitungsartikel vom 23. April 2014 ergibt - Emotionen bei Spielern und Zuschauern hervorrufen kann. Letztlich handelt es sich bei der A-Klasse jedoch um eine der unteren Spielklassen, in der kein erhöhter Leistungsdruck zu verzeichnen ist, der dem Einsatz eines Spielers, der an einer depressiven Erkrankung leidet, entgegensteht.

77

Dieser durch Vorlage des entsprechenden Attestes im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht erbrachte Vortrag des Klägers war nicht als verspätet zurückzuweisen, da der Kläger dieses oder ein ähnliches Attest bereits im Gütetermin erster Instanz vorgelegt hatte. Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch die Parteien haben sich bereits erstinstanzlich mit diesem Attest argumentativ auseinandergesetzt. Es handelt sich nicht um ein „neues“ Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinn des § 67 ArbGG. Eine Präklusion ist außerdem dann ausgeschlossen, wenn nicht allein das Verhalten der Partei zu einer Verspätung geführt hat, sondern hierfür noch ein anderer Grund vorliegt (beispielsweise die Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht oder sonstige Fehler des Gerichts, die von der Partei nicht zu vertreten sind, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 - 1 BvR 162/84 - NJW 1987, 2003). Im vorliegenden Fall hätte das im Gütetermin vorgelegte Attest des Dr. E. bereits zu diesem Zeitpunkt zur Gerichtsakte genommen werden können.

78

Nachdem der Kläger seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist und außerdem seine Bereitschaft erklärt hat, die ihn behandelnden Ärzte Dr. E. und Dr. N. von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, war es nunmehr Sache der Beklagten aufgrund der ihr obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Klägers zu widerlegen (vgl. lag Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juni 2015 - Az. 4 Sa 566/14 - BeckRS 2015, 72782).

79

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung nur vorgetäuscht hat. Nach Ansicht der Kammer hat der Kläger - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - weder bereits den behandelnden Arzt Dr. E. über das Vorliegen einer Depression getäuscht noch im Zusammenwirken mit dem Zeugen Dr. E. die Beklagte über das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit getäuscht.

80

Der Zeuge Dr. E. hat glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger ab dem 10. März 2014 aufgrund einer mittelschweren Depression arbeitsunfähig war. So hat der Zeuge unter Zuhilfenahme seiner Patientenkartei ausgesagt, dass der Kläger nach einer Arbeitsunfähigkeit wegen Kniebeschwerden bis zum 5. März 2014 zunächst gearbeitet habe. Am 10. März 2014 sei der Kläger dann wegen depressiver Zustände, Antriebslosigkeit, zunehmender Schwäche, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen und diffusen Schmerzen im ganzen Körper, auch im Rücken zu ihm gekommen. Der Kläger habe sich am 10. März, 17. März, 21. März, 28. März, 3. April, 10. April, 22. April und 25. April 2014 bei ihm zur Behandlung eingefunden. Er habe mit dem Kläger jeweils Gespräche geführt, die sicherlich nicht unter 10 bis 15 Minuten gedauert hätten. Diese seien auch bei einer mittelschweren Depression schon hilfreich. Am 25. April 2014 habe er den Kläger sodann zu einem Neurologen empfohlen. Der Kläger habe nichts machen können, was Konzentration, Ausdauer und körperliche Kraft für die Dauer eines Arbeitstages benötigt habe.

81

Zwar hat der Zeuge Dr. E. neben einer Blutdruckmessung keine weiteren körperlichen Untersuchungen des Klägers durchgeführt. Dies hat seine Ursache jedoch in der Art der Erkrankung des Klägers, bei der psychosomatische Gespräche mit dem Patienten über funktionelle Beschwerden, Depression und Angst an die Stelle bzw. neben die körperliche Untersuchung treten. Für die psychosomatische Grundversorgung hat der Zeuge nach eigenen Angaben eine zusätzliche Weiterbildung und eine Genehmigung der Krankenkasse. Auch daraus, dass der Zeuge Dr. E. den Kläger erst am 25. April 2015, also nach dem Telefonat des Klägers mit dem Tagschichtmeister W. und dem HR-Manager der Beklagten V. betreffend die Teilnahme am Fußballspiel, aber noch vor Ausspruch der Kündigungen zum Neurologen empfohlen hat, lässt sich nicht schlussfolgern, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Zeuge Dr. E. den Kläger in kurzen Abständen von maximal einer Woche einbestellt, mit ihm Gespräche geführt und auch neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Der Zeuge Dr. E. hat weiter ausgesagt, dass der Kläger mit der von dem Zeugen diagnostizierten Erkrankung Fußball spielen und sonstige Sportarten ausüben konnte. Der Kläger habe motiviert werden müssen, Sport zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Zeugen Dr. E. über mehrere Wochen und zahlreiche Termine über das Vorliegen der von ihm angegebenen Symptome getäuscht hat, liegen nicht vor. Die Kammer geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht davon aus, dass der Kläger und der Zeuge Dr. E. zu Lasten der Beklagten beim Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers zusammengewirkt haben. Dies ergibt sich auch nicht daraus, dass der Zeuge Dr. E. den Kläger erst am 25. April 2014 zu einem Facharzt empfohlen hat. Zum einen ist der Zeuge Dr. E. (nur) von einer mittelschweren Depression ausgegangen, zum andern hält er auch schon Gespräche für sinnvoll. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Behauptung der Beklagten, das Vorgehen des Zeugen Dr. E. sei therapeutisch nicht angezeigt gewesen, bedurfte es nicht. Auch wenn die Behandlung des Dr. E. nach Auffassung eines Sachverständigen nicht dem entsprochen hätte, was ein behandelnder Arzt in der gegebenen Situation hätte veranlassen müssen, bedeutete dies nicht, dass der Kläger nicht depressiv erkrankt gewesen wäre und dies gegenüber der Beklagten nur vorgetäuscht hätte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund der von der Beklagten behaupteten Häufung von durch Dr. E. ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, einen möglichen - in der Beweisaufnahme aber nicht zutage getretenen - Interesse des Zeugen an der Bestätigung der von ihm getroffenen Einschätzung sowie dem persönlichen Eindruck der Kammer vom Zeugen Dr. E.. Der Zeuge hat ruhig und gelassen ausgesagt, Grenzen seiner Erkenntnis- und Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt und eingeräumt, so hinsichtlich der medikamentösen Behandlung von Depressionen oder seinen Kenntnissen zu Wettbewerbssport bei depressiven Erkrankungen.

82

Die Kammer sieht im vorliegenden Fall die Umstände, die den Beweiswert der ersten ärztlichen Atteste erschüttern, auch nicht als so gravierend an, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung der Beklagten darstellen, die Krankheit sei nur vorgetäuscht gewesen, so dass der Arbeitnehmer dieses Indiz entkräften müsste. Zwar hat der Kläger am 8. April 2014 erklärt, er sei weiter wegen dem Knie arbeitsunfähig. Er müsse insoweit weitere Arzttermine wahrnehmen. Auch ist er an diesem Tag „humpelnd herausgegangen“. Weiter hat er telefonisch seine Teilnahme an den Fußballspielen zunächst abgestritten und versucht seine namentliche Nennung als Spielteilnehmer mit einem Fehler seines Fußballteams zu er-klären. Der Kläger hat hierzu jedoch nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass er seine psychische Erkrankung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht habe offenbaren wollen. Auch hatten - wie der Zeuge Dr. E. ausgesagt hat - tatsächlich am 25. März und am 3. April 2014 noch MRT-Aufnahmen des rechten bzw. linken Knies stattgefunden. Dabei war ein Verschleiß zu erkennen. Die Kniebeschwerden standen aber nach Aussage des Zeugen hinsichtlich der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ab dem 10. März 2014 nicht mehr im Vordergrund.

83

Aber auch, dann wenn man ein starkes Indiz für die Behauptung der Beklagten bejahen würde, hätte der Kläger dieses Indiz nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen Dr. E. widerlegt. In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Entgeltfortzeitraum am 7. und 8. März 2014 unterbrochen war und der Kläger zwischen den beiden Arbeitsunfähigkeitszeiträumen seine Arbeitsleistung bei der Beklagten erbracht hat. Zu bedenken ist insoweit weiter, dass der Kläger ausweislich der - allerdings erst im Laufe des Prozesses nachträglich erstellten - ärztlichen Bescheinigung des Dr. K. vom 11. Mai 2015 bereits im Jahr zuvor in der Zeit vom 27. Mai bis 9. Juni 2013 mit „der Diagnose eines Mobbings“ arbeitsunfähig gewesen ist, sodann weiter in der Zeit vom 10. bis 16. Juni 2013 sowie vom 27. Juni bis 14. Juli 2013 mit der gleichen Diagnose. Nach Ausspruch der außerordentlichen sowie der hilfsweisen ordentlichen Kündigung war der Kläger sodann, wie sich aus dem Attest des Facharztes für Psychiatrie N., Ärztlicher Leiter des M., A-Stadt vom 18. Mai 2015 ergibt, seit dem 8. Juli 2014 wegen einer psychischen Erkrankung in dessen regelmäßiger ambulant-psychiatrischen Behandlung.

84

(2) Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. April 2014 ist auch nicht wegen genesungswidrigen Verhaltens des Klägers gerechtfertigt. Auch insoweit ist ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht gegeben.

85

Zwar ist ein krankgeschriebener Arbeitnehmer verpflichtet, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird, und er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Er hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung lässt sich aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers herleiten (BAG, Urteil vom 13. November 1979 - 6 AZR 934/77 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 5 m. w. N.). Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann auch an sich einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung darstellen. Ein pflichtwidriges Verhalten eines Arbeitnehmers kann vorliegen, wenn er bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Dies ist kann auch gegeben sein, wenn er Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind (BAG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - NZA-RR 2006, 636, 639 Rz. 23 f. m. w. N.).

86

Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der Kläger sich durch die Teilnahme an den beiden Fußballspielen der A-Klasse genesungswidrig verhalten hat. Im Hinblick auf die vom Kläger behauptete psychische Erkrankung war Fußballspielen gesundheitsfördernd und nicht gesundheitswidrig. Auch soweit die Kniebeschwerden des Klägers noch nicht vollständig ausgeheilt gewesen sein sollten, bestanden aus Sicht des behandelnden Arztes, des Zeugen Dr. E. keinerlei Einschränkungen hinsichtlich einer sportlichen Betätigung des Zeugen.

87

(3) Auch wegen des Verdachts des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit ist die außerordentliche Kündigung nicht wirksam.

88

Der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

89

Der objektive Kündigungsgrund einer Verdachtskündigung setzt also voraus, dass der Arbeitgeber die Kündigung – zumindest hilfsweise – gerade auf den Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung oder strafbaren Handlung stützt, dieser Verdacht aufgrund objektiver Umstände dringend ist und der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan hat, insbesondere den Arbeitnehmer angehört hat, sofern der Arbeitnehmer bereit ist, sich zu den Verdachtsgründen zu äußern. Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine Abmahnung ist entbehrlich, weil sie nicht geeignet ist, das verlorene Vertrauen des Arbeitgebers wiederherzustellen.

90

Die Beklagte hat die Kündigung mindestens hilfsweise mit dem Verdacht begründet, indem sie sich in der Berufungserwiderung die Ausführungen des Arbeitsgerichts – auch diejenigen zu dem Vorliegen der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung - zu Eigen gemacht hat. Eine Verdachtskündigung kommt nicht nur bei einer Straftat, sondern auch bei einer sonstigen schweren arbeitsvertraglichen Verfehlung des Arbeitnehmers in Betracht. Dazu gehört auch der Verdacht der Simulation einer Krankheit (lag München, Urteil vom 3. November 2000 - 10 Sa 1037/99 - BeckRS 2000, 30787849 m. w. N.).

91

Der Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit ist jedoch aufgrund objektiver Umstände im vorliegenden Fall nicht dringend. Es genügt nicht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund seiner bloßen subjektiven Einschätzung einer Straftat oder schweren Vertragsverletzung verdächtigt. Der Verdacht muss vielmehr auf objektiven und konkreten Tatsachen beruhen (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 347/08 - BeckRS 2011, 87024 Rn. 12). Der Verdacht ist dringend, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber vorgeworfene Tat begangen hat, hier also seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können (BAG, Urteil vom 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - NZA 2005, 1056, 1058 f. m. w. N.). Er muss insbesondere auch dringend sein. Für die Dringlichkeit des Verdachtes kommt es auf die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung an. Auch weitere, dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung noch unbekannte und erst bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen zutage getretene Umstände können zur Rechtfertigung der Kündigung oder umgekehrt zur Entlastung des Arbeitnehmers herangezogen werden, soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen. Im Kündigungszeitpunkt objektiv vorliegende Entlastungstat-sachen sind auch dann zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber sie unverschuldet nicht hat kennen können (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 - NZA 2013, 137).

92

Zu Gunsten des Klägers ist daher auch der – erst nach Ausspruch der Kündigung – der Beklagten bekannt gewordene Umstand zu berücksichtigen, dass er ab dem 10. März 2014 nicht mehr wegen „Kniebeschwerden“, sondern aufgrund einer mittelschweren Depression arbeitsunfähig erkrankt war. Vor diesem Hintergrund besteht auch unter Berücksichtigung der Angabe des Klägers am 8. April 2014, er leide an Knieproblemen, seiner Teilnahme an zwei Fußballspielen und dem späteren Abstreiten der Teilnahme nach Ansicht der Kammer keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit zumindest ab dem 14. April 2014 lediglich vorgetäuscht hat.

93

b) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. April 2014 aufgelöst worden.

94

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet das KSchG Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 KSchG). Nach § 1 Abs. 1, 2 KSchG ist eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt, wenn ein (in der Regel schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers gegeben ist, dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat, (in der Regel) eine einschlägige vorherige Abmachung gegeben ist, danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

95

Wie bereits oben unter a) dargelegt, hat der Kläger nach der Überzeugung der Kammer weder seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht noch sich genesungswidrig verhalten. Es besteht auch nicht der dringende Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hätte. Da kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gegeben ist, ist die hilfsweise ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung sozialwidrig und damit rechtsunwirksam, § 1 Abs. 1 KSchG.

III.

96

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Juni 2015 - 4 Sa 566/14

bei uns veröffentlicht am 24.06.2015

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5.6.2014, Az.: 5 Ca 3827/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 06. Juni 2013 - 10 Sa 17/13

bei uns veröffentlicht am 06.06.2013

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. August 2012, Az. 9 Ca 2261/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 150/11
Verkündet am:
14. Juni 2012
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht an das erstinstanzliche
Gericht scheidet aus, wenn das Berufungsgericht aufgrund einer anderen
materiell-rechtlichen Würdigung des Parteivorbringens im Unterschied zu dem Erstgericht
eine Beweisaufnahme für erforderlich hält.
BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 150/11 - OLG Karlsruhe
LG Waldshut-Tiengen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. September 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 1. Oktober 2009 wird insoweit als unzulässig verworfen, als das Streitjahr 1991 betroffen ist.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die klagenden Eheleute werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Im Anschluss an eine Außenprüfung ergingen gegen die Kläger für die Jahre 1991 bis 1993 drei Einkommensteuerbescheide über eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 195.647,85 DM. Die Steuerpflicht beruht auf dem Umstand , dass der Kläger nach Auffassung des zuständigen Finanzamts während der Streitjahre in der Schweiz eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hatte.
2
Die von dem beklagten Steuerberater vertretenen Kläger erhoben vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg Klage gegen die Nachbesteuerung. Sie machten unter Benennung von acht in der Schweiz wohnhaften Zeugen geltend , der Kläger habe entgegen der Würdigung des Finanzamts in der Schweiz eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt, für die allein der Schweiz das Besteuerungsrecht zugestanden habe. Das Finanzgericht wies die Klage durch Urteil vom 21. September 2005 (13 K 59/01) ab, ohne die von den Klägern benannten Zeugen zu hören, weil - worüber der Beklagte nicht im Bilde war - nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Ausland wohnhafte Zeugen zur Sitzung des Gerichts gestellt werden müssen. Eine von den Klägern gegen das Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof durch Beschluss vom 12. September 2006 (I B 148/05) zurück.
3
Mit vorliegender Klage nehmen die Kläger den Beklagten auf Feststellung der Verpflichtung in Anspruch, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen aufgrund seiner Tätigkeit in dem Finanzgerichtsverfahren entstanden ist oder noch entstehen wird. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger und einen von ihnen gestellten Hilfsantrag hat das Oberlandesgericht das Ersturteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Verwerfung der Berufung der Kläger als unzulässig, soweit das Streitjahr 1991 betroffen ist, und im Übrigen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO seien gegeben, weil das Verfahren erster Instanz an einem wesentlichen Mangel leide, der eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig mache. Zu den Verfahrensmängeln im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gehöre das Übergehen von Beweisanträgen, wenn die Beweiserheblichkeit erkannt werde. Das Landgericht habe nicht ohne Beweiserhebung zur Abweisung der Klage gelangen dürfen. Das Finanzgericht habe seine Auffassung, der Kläger sei im relevanten Zeitraum selbständig beschäftigt gewesen, auf verschiedene Indizien gestützt. Der vom Kläger mittels der benannten Zeugen angetretene Beweis sei im Grundsatz geeignet, zu einer anderen Bewertung zu gelangen. Es sei entgegen der Auffassung des Landgerichts bedeutungslos, ob das Finanzgericht die Zeugenaussagen für rechtserheblich erachtet habe, weil im Regressprozess zu prüfen sei, wie das frühere Verfahren richtigerweise habe entschieden werden müssen. Die Vernehmung der Zeugen habe nicht mit der Begründung unterbleiben dürfen, die Beurteilung, ob der Kläger als Arbeitnehmer tätig gewesen sei, betreffe eine Rechtsfrage, weil es dabei auf die Würdigung der hierfür maßgeblichen Kriterien ankomme, die als Tatsachen dem Beweis zugänglich seien. Die Erhebung der angebotenen Beweise habe auch nicht mit der Begründung fehlender konkreter Tatsachen, zu denen die Zeugen Angaben machen könnten, abgelehnt werden dürfen. Im Übrigen habe das Landgericht insoweit verfahrensfehlerhaft den gebotenen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO unterlassen. Der Verfahrensmangel sei so erheblich, dass das Verfahren keine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung darstelle.

II.


6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
1. Die Berufung der Kläger ist unzulässig, soweit ihr Feststellungsbegehren das Jahr 1991 zum Gegenstand hat.
8
a) Die Zulässigkeit der Berufung ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu überprüfen; denn ein gültiges und rechtswirksames Verfahren vor dem Revisionsgericht ist nur möglich, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist. Das setzt neben der Zulässigkeit der Revision voraus, dass das erstinstanzliche Urteil durch eine zulässige Berufung angegriffen worden und die Rechtskraft dieses Urteils damit zunächst in der Schwebe gehalten ist (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 19).
9
b) Die Berufung der Kläger ist in Bezug auf das Streitjahr 1991 unzulässig , weil die insoweit die Abweisung der Klage tragende Erwägung des Ersturteils nicht mit der Berufung angegriffen wurde.
10
aa) Die Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formellen Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (BGH, Beschluss vom 25. November 1999 - III ZB 50/99, BGHZ 143, 169, 171). Betrifft die erstinstanzliche Entscheidung mehrere prozessuale Ansprüche , so ist für jeden Anspruch eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügende Begründung der Berufung erforderlich (BGH, Urteil vom 20. Juni 1991 - IX ZR 226/90, NJW 1991, 2833, 2834; vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, NJW-RR 2006, 1044 Rn. 22). Solcher im einzelnen differenzierender Beanstandungen bedarf es nur insoweit, als die Vorinstanz die erhobenen Ansprüche aus jeweils unterschiedlichen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für begründet erachtet hat; decken sich dagegen die Voraussetzungen für die verschiedenen Ansprüche, reicht es aus, wenn die Berufungsbegründung einen einheitlichen Rechtsgrund im Ganzen angreift (BGH, Urteil vom 20. Juni 1991, aaO; vom 22. Januar 1998 - I ZR 177/95, NJW 1998, 1399, 1400). Insbesondere ist es notwendig, dass sich die Berufungsbegründung mit der die angefochtene Entscheidung tragenden Begründung auseinandersetzt (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 18).
11
bb) Diesen Anforderungen ist im Streitfall nicht genügt.
12
Da gegen die Kläger bezogen auf die Jahre 1991 bis 1993 jeweils gesonderte Steuerbescheide ergangen sind, betrifft ihr einheitlich formuliertes Feststellungsbegehren wegen der unterschiedlichen Veranlagungszeiträume tatsächlich mehrere Streitgegenstände (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1991 - IX ZR 255/90, NJW 1992, 307). Das Erstgericht hat im Blick auf das Streitjahr 1991 ausgeführt, es bedürfe insoweit schon deshalb keiner Beweiserhebung, weil die Kläger zuletzt selbst eingeräumt hätten, dass alle Einnahmen des Klägers aus diesem Jahr solche aus selbständiger Tätigkeit gewesen seien. Diese Würdigung des Erstgerichts, die dem erstinstanzlichen Vortrag der Kläger entspricht , trägt für sich genommen die Abweisung der Klage hinsichtlich der Nachbesteuerung im Jahr 1991. Da das Erstgericht die Klage wegen der Steuernachzahlung für das Jahr 1991 unter Hinweis auf die von dem Kläger ausgeübte selbständige Tätigkeit aus einem im Vergleich zu den Steuerjahren 1992 und 1993, für die das Erstgericht eine beweisgeeignete Darlegung der Kläger vermisst hat, eigenständigen Grund abgewiesen hat, hätte es insoweit einer besonderen Berufungsrüge bedurft. Die Kläger haben in der Berufungsbegründung lediglich allgemein die unterbliebene Beweiserhebung durch das Erstgericht beanstandet. Mit der Erwägung, im Jahre 1991 unstreitig eine der inländischen Besteuerung unterliegende selbständige Tätigkeit ausgeübt zu haben, setzt sich die Berufungsbegründung der Kläger jedoch nicht auseinander. Mithin fehlt es im Blick auf das Jahr 1991 an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung ; dieser Mangel führt zur teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsmittels.
13
2. Das Berufungsgericht hat, soweit das Feststellungsbegehren die Streitjahre 1992 und 1993 zum Gegenstand hat, die Sache verfahrensfehlerhaft auf der Grundlage des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen. Dies rügt die Revision mit Recht.
14
a) Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt als Ausnahme von der in § 538 Abs. 1 ZPO statuierten Verpflichtung des Berufungsgerichts , die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann. Ob ein solcher Mangel vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Vorderrichters aus zu beurteilen, auch wenn dieser verfehlt ist und das Berufungsgericht ihn nicht teilt (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447; vom 6. November 2000 - II ZR 67/99, WM 2000, 2563, 2564; vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, WM 2010, 892 Rn. 11; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 254/09, VersR 2010, 1666 Rn. 8). Hiernach begründet es keinen Fehler im Verfahren der Vorinstanz, wenn das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders beurteilt als das Erstgericht, indem es geringere Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierungslast stellt und infolge dessen eine Beweisaufnahme für erforderlich hält (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996, aaO; vom 1. Februar 2010, aaO Rn. 14; vom 13. Juli 2010, aaO Rn. 15). Ein Verfahrensfehler kann in einem solchen Fall auch nicht mit einer Verletzung der richterlichen Hinweis- und Fragepflicht (§ 139 ZPO) begründet werden. Eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters darf nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umgedeutet werden, wenn auf der Grundlage der Auffassung des Erstgerichts kein Hinweis geboten war. Das Berufungsgericht muss vielmehr auch insoweit bei Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, den Standpunkt des Erstgerichts zugrunde legen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996, aaO S. 1448; vom 13. Juli 2010, aaO).
15
b) Nach diesen rechtlichen Maßstäben scheidet im Streitfall eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht aus.
16
aa) Das Landgericht hat die Vernehmung der Zeugen M. und Z. zum Beweis, dass der Kläger Angestellter gewesen sei, abgelehnt , weil es sich dabei um eine rechtliche, dem Zeugenbeweis nicht zugängliche Beurteilung handele. Im Blick auf die Abgrenzungskriterien des § 1 Abs. 2 Satz 1 LStDV fehlt es nach Auffassung des Landgerichts an der Behauptung konkreter Tatsachen, zu denen die Zeugen Angaben machen könnten. Überdies hat das Landgericht eine schlüssige Darlegung vermisst, dass die Vernehmung der benannten Zeugen zu Erkenntnissen geführt hätte, die dem Finanzgericht nicht bereits aufgrund von Urkunden vorgelegen hätten. Schließlich hat das Landgericht ausgeführt, die benannten Zeugen wären von dem Finanzgericht auch deshalb nicht vernommen worden, weil noch nicht einmal der Kläger als unmittelbar Beteiligter konkret darlegen könne, in welcher Höhe und nach welchen Kriterien die von ihm ausgeübte Tätigkeit teils als selbständig und teils als unselbständig vergütet worden sei.
17
bb) Angesichts dieser für die Nichterhebung des Zeugenbeweises gegebenen Begründung, welche die Schlüssigkeit der Darlegung und die Substantiierungslast betrifft, ist ein die Zurückverweisung der Sache gestattender Verfahrensfehler des Erstgerichts nicht gegeben.
18
Bereits die Würdigung des Berufungsgerichts, die von dem Landgericht zur Unerheblichkeit des klägerischen Beweisantritts geäußerte Rechtsauffassung sei verfehlt, lässt erkennen, dass das Berufungsgericht einen anderen materiell-rechtlichen Ausgangspunkt als das Landgericht zugrunde legt. Ob ein Verfahrensfehler vorliegt, richtet sich jedoch allein nach dem materiellrechtlichen Standpunkt des Erstgerichts (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996, aaO S. 1447; vom 6. November 2000, aaO; vom 1. Februar 2010, aaO Rn. 11). Gebietet danach allein die rechtliche Würdigung des Tatsachenvorbringens durch das Berufungsgericht die Erhebung angebotener Beweise, kommt ein Verfahrensfehler des Erstgerichts nicht in Betracht. Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, es komme im Regressprozess nicht darauf an, ob das Finanzgericht in dem Ausgangsverfahren die Zeugen gehört hätte, sondern wie das Ausgangsverfahren richtigerweise hätte entschieden werden müssen, betrifft die Beurteilung der materiellen Rechtslage. Deshalb scheidet ausgehend von der gegenteiligen Rechtsauffassung des Landgerichts ein Verfahrensfehler aus, soweit dieses mit Rücksicht auf das mutmaßliche Vorgehen des Finanzgerichts in dem Ausgangsverfahren eine Zeugenvernehmung abgelehnt hat. Soweit das Berufungsgericht außerdem nach dem Inhalt des klägerischen Sachvortrags eine Vernehmung der Zeugen für geboten erachtet, stellt es - was ebenfalls eine Aufhebung und Zurückweisung ausschließt - mildere Anforderungen an die Darlegung der Schlüssigkeit und die Substantiierungslast. Auch vermag der von dem Berufungsgericht angenommene Verstoß gegen § 139 ZPO die Aufhebung und Zurückverweisung nicht zu rechtfertigen, weil ein solcher Hinweis aus der materiell-rechtlichen Sicht des Erstgerichts, das - wenn auch zu Unrecht (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 9 mwN) - auf die mutmaßliche Verfahrensweise des Finanzgerichts bei Stellung der Zeugen im Termin abgestellt hat, nicht geboten war (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996, aaO S. 1448; vom 13. Juli 2010, aaO). Bei dieser Sachlage war das Berufungsgericht gehindert, das Ersturteil auf der Grundlage des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

III.


19
Das angefochtene Urteil unterliegt danach auch insoweit der Aufhebung, als das Berufungsgericht das die Klage hinsichtlich der Streitjahre 1992 und 1993 abweisende landgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere tatrichterliche Feststellungen zur Frage der Haftung des Beklagten erforderlich sind und die Sache deshalb nicht zur Endentscheidung reif ist, muss sie wegen der Steuerjahre 1992 und 1993 zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 01.10.2009 - 2 O 298/07 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.09.2011 - 4 U 223/09 -

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. August 2012, Az. 9 Ca 2261/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 08.12.2011 und - zweitinstanzlich noch - über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 23. bis 30.11.2011.

2

Der 1981 geborene Kläger war seit dem 14.09.2011 bei der Beklagten, die sechs Arbeitnehmer beschäftigt, als Außendienstmitarbeiter zu einem Monatsgehalt von € 2.200,00 brutto beschäftigt. Die Parteien hatten ua. eine Probezeit von sechs Monaten mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart.

3

Am Morgen des 21.11.2011 bat der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten um ein Gespräch. Der Kläger soll den Wunsch geäußert haben, die Beklagte möge ihm kündigen. Der Verlauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie der Inhalt weiterer Gespräche am selben Tag. Beim Verlassen des Betriebs musste der Kläger den Geschäftswagen, das Firmenhandy und den Laptop herausgeben. Am 22.11.2011 erschien der Kläger nicht zur Arbeit.

4

Für die Zeit vom 23.11. bis 02.12.2011 legte er der Beklagten eine am 22.11.2011 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. med. A., Facharzt für Innere Medizin, vor. Der Arzt stellte am 02.12. eine Folgebescheinigung bis einschließlich 09.12.2011 aus. Am 08.12.2011 stellte Dr. med. B., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, für den Kläger eine Erstbescheinigung für die Zeit vom 08. bis einschließlich 23.12.2011 aus.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.12.2011, das dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin, das ist der 22.12.2011. Sie zahlte dem Kläger das Gehalt für den vollen Monat November 2011 nicht.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.200,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2011 zu zahlen,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 08.12.2012 nicht aufgelöst worden ist,
die Beklagte zu verurteilen, zu erklären, dass sie die Gründe nicht mehr aufrecht erhält, die sie in der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung in ihrem Kündigungsschreiben vom 08.12.2011 genannt und dabei behauptet hat, er habe sich krankschreiben lassen, obwohl er nicht krank sei, er habe grundlos die Erbringung seiner Arbeitsleistung verweigert, er habe vorzeitig die Geschäftsräume verlassen, er sei vorsätzlich der Arbeit fern geblieben, er habe durch die Einrichtung der Abwesenheitsnachricht eindeutig zu erkennen gegeben, dass er bereits am 21.11.2011 die Absicht gehabt habe, das Unternehmen auf Dauer zu verlassen.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 21.08.2012 Bezug genommen.

11

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1) überwiegend iHv. € 2.100,00 brutto und dem Klageantrag zu 2) voll stattgegeben, den Klageantrag zu 3) hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe für November 2011, mit Ausnahme des 22., Anspruch auf Zahlung der vertragsgemäßen Vergütung. Da er bis zum 21.11.2011 gearbeitet habe, schulde ihm die Beklagte das vereinbarte Arbeitsentgelt iHv. € 1.500,00 brutto. Für die Zeit vom 23. bis 30.11.2011 könne der Kläger nach § 3 EntgFG einen Betrag iHv. € 600,00 brutto beanspruchen. Das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit werde durch die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. A. vom 22.11.2011 belegt. Die Beklagte habe den Beweiswert dieser Bescheinigung nicht erschüttert. Gegen das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit spreche nicht, dass der Kläger am 21.11.2011 die E-Mail-Abwesenheitsmeldung: „Ich bin nicht mehr im Weingut K. beschäftigt. …“, geschaltet habe. Im Ergebnis nichts anderes gelte hinsichtlich der seitens der Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers gegenüber dem Zeugen W. am 22.11.2011 anlässlich der Aushändigung einer schriftlichen Arbeitsaufforderung an der Haustür. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.12.2011 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden, weil ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliege. Der Kläger habe keine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 7 bis 15 des erstinstanzlichen Urteils vom 21.08.2012 Bezug genommen.

12

Gegen das Urteil, das ihr am 07.12.2012 zugestellt worden ist, hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist am 07.01.2013, die Begründungsschrift am 06.02.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Beklagte hat die Berufung wegen der Zahlungsansprüche darauf beschränkt, ihre Verurteilung zur Entgeltfortzahlung iHv. € 600,00 brutto für die Zeit vom 23. bis 30.11.2011 anzugreifen.

13

Die Beklagte trägt vor, sie habe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit ab 23.11.2011 erschüttert. Der Kläger habe durch den Wortlaut der E-Mail-Abwesenheitsmeldung vom 21.11.2011 klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht mehr für sie arbeiten wolle. Ihr Geschäftsführer habe dem Kläger deutlich erklärt, dass er seinen Wunsch abschlage, ihm eine Kündigung auszusprechen. Damit habe es vernünftigerweise kein Missverständnis über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geben können. Es sei eine reine Schutzbehauptung, wenn der Kläger vortrage, er habe sich gekündigt gefühlt. Das Arbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, die - als unstreitig angesehene - Äußerung des Klägers ggü. dem Zeugen W. am 22.11.2011, die Beklagte werde von seinem Anwalt hören, habe keinen Einfluss auf die Beurteilung des Nichtvorliegens der Arbeitsunfähigkeit. Das Arbeitsgericht habe auch nicht nachvollziehbar begründet, weshalb das Verhalten des Klägers am 21. und 22.11.2011 nicht auf seinen fehlenden Arbeitswillen schließen lasse. Es sei auch fehlerhaft, dass das Arbeitsgericht darin eine unklare Situation gesehen habe, dass sie dem Kläger am 21.11.2011 den Dienstwagen, das Handy und den Laptop abgenommen habe.

14

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

15

das Urteil des Arbeitsgericht Mainz vom 21.08.2012, Az. 9 Ca 2261/11, teilweise abzuändern und die Klage gegen die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.12.2011 sowie auf Zahlung von € 600,00 brutto für die Zeit vom 23. bis 30.11.2011 abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 06.03.2013, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

19

Die Berufungskammer hat über die Frage, ob der Kläger in der Zeit 23.11. bis zum 08.12.2011 arbeitsunfähig erkrankt war, Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Dr. med. A., Facharzt für Innere Medizin, und Vernehmung der Zeugin Dr. med. B., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf die Schreiben des Dr. A. vom 10.05.2013 (Bl. 183-184 d.A.) und 23.05.2013 (Bl. 191-192 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 06.06.2013 verwiesen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

21

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

22

In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.12.2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Das Arbeitsverhältnis hat vielmehr erst durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 22.12.2011 geendet. Der Kläger hat für den - im vorliegenden Rechtsstreit zweitinstanzlich noch streitigen Zeitraum - vom 23. bis 30.11.2011 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iHv. € 600,00 brutto.

23

1. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.12.2011 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1.1. Die Berufungskammer geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG (26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - AP BGB § 626 Nr. 112) und des LAG Rheinland-Pfalz (12.02.2010 - 9 Sa 275/09 - Juris) davon aus, dass es einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung darstellen kann, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Arbeit fern bleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast ist dabei von folgenden Grundsätzen auszugehen:

25

Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, so begründet dies in der Regel den Beweis für die Tatsache der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung. Ist es dem Arbeitgeber allerdings gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern bzw. zu entkräften, ist es nunmehr wiederum Sache des Arbeitnehmers, angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente zB. bewirkt haben, dass der Arbeitnehmer zwar immer noch nicht die geschuldete Arbeit bei seinem Arbeitgeber verrichten konnte, aber zu leichten anderweitigen Tätigkeiten in der Lage war. Wenn der Arbeitnehmer dieser Substantiierungspflicht nachgekommen ist und ggf. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Es ist auch zu prüfen, ob die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttern, nicht als so gravierend anzusehen sind, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit sei nur vorgetäuscht gewesen, so dass der Arbeitnehmer dieses Indiz entkräften muss.

26

1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Berufungskammer der Auffassung, dass die Beklagte den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - vom 23.11. bis zum Zugang der fristlosen Kündigung am 08.12.2011 - erschüttert hat.

27

Das basiert auf der unstreitigen Tatsache, dass der Kläger am 21.11.2011 eine E-Mail-Abwesenheitsmeldung mit folgendem Wortlaut formuliert hat: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin nicht mehr im Weinhof K. beschäftigt. Ihre Mail wird weiterleitet an …“ Unstreitig lag dem Kläger am 21.11.2011 keine schriftliche Kündigungserklärung der Beklagten vor, weil sich deren Geschäftsführer geweigert hatte, eine Arbeitgeberkündigung auszusprechen. Auch der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis nicht schriftlich gekündigt. Der Kläger hätte daher am 22.11.2011 zur Arbeit erscheinen müssen. Ein tatsächliches Arbeitsangebot erfolgte jedoch nicht. Stattdessen bot der Kläger seiner Arbeitgeberin mit Schreiben vom 21.11.2011 seine „vollumfängliche Arbeitswilligkeit“ an, weil er sich ua. durch die Wegnahme des Dienstwagens in einer „rechtlich unklaren“ Situation sah, die „einer mündlichen Kündigung nahekomm(e)“. Wenn ihn die Beklagte nicht mehr beschäftigen wolle, solle sie ein Kündigungsschreiben zu seinen Händen aufsetzen. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben am 22.11.2011 mit der Antwort: „Wir freuen uns auf Ihre vollumfängliche Arbeitswilligkeit und erwarten sie am Mittwoch, dem 23.11.2011 in unserem Büro“. Dieses Schreiben wurde dem Kläger noch am 22.11.2011 durch einen Boten persönlich überbracht. Damit musste dem Kläger unmissverständlich klar sein, dass er am 23.11.2011 im ungekündigt fortbestehenden Probearbeitsverhältnis zur Arbeit zu erscheinen hatte. Da der Kläger einerseits nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren, andererseits jedoch keine fristlose Eigenkündigung erklären wollte, um den Eintritt einer Sperrzeit zu vermeiden, bestanden begründete Zweifel am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit ab 23.11.2011.

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1.3. Angesichts dieser gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechenden Umstände war es daher Sache des Klägers, sich hierzu substantiiert einzulassen. Dieser Darlegungslast ist der Kläger gerecht geworden. Er hat bereits im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 18.04.2012 geschildert, dass er seit Wochen unter Schmerzen im rechten Fuß gelitten habe. Er habe zunächst eine Zerrung vermutet. Am 22.11.2011 seien die Schmerzen unerträglich geworden, so dass er zu seinem Hausarzt Dr. A. begeben habe. Dieser habe einen Gichtschub diagnostiziert und ein Schmerzmittel sowie ein harnstoffsenkendes Medikament verordnet. Seit Anfang Dezember 2011 werde er von Dr. B. wegen Depressionen psychotherapeutisch behandelt. Der Kläger hat sich auf das Zeugnis der behandelnden Ärzte berufen und diese von ihrer Schweigepflicht entbunden.

29

Aufgrund dieses Sachvortrages des Klägers war der Behauptung der Beklagten, die Arbeitsunfähigkeit sei tatsächlich nur vorgetäuscht gewesen, durch eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der behandelnden Ärzte nachzugehen. Nichts anderes gilt, wenn man annimmt, dass die Umstände, die den Beweiswert der ärztlichen Atteste erschüttern, vorliegend als so gravierend angesehen werden, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die Krankheit sei nur vorgetäuscht gewesen. Der Kläger hat Tatsachen vorgetragen, die dieses Indiz entkräften und sich seinerseits auf das Zeugnis der behandelnden Ärzte berufen.

30

1.4. Der somit der Beklagten obliegende Beweis, der Kläger sei ab dem 23.11.2011 tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen, ist ihr nicht gelungen. Im Gegenteil steht aufgrund der im Berufungsverfahren durchgeführten schriftlichen Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. A. und der Vernehmung der sachverständigen Zeugin Dr. B. zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger ab 23.11.2011 tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war.

31

Der Zeuge Dr. med. A., Facharzt für Innere Medizin, hat in seiner schriftlichen Äußerung vom 10.05.2013 bekundet, dass ihn der Kläger am 22.11.2011 aufgesucht und über Schmerzen im Bereich des rechten Großzehengrundgelenks geklagt habe, das sich im Rahmen der körperlichen Untersuchung als massiv gerötet und geschwollen präsentiert habe. Der Kläger sei mit Unterarmgehstützen erschienen, weil für ihn die Schmerzen so stark gewesen seien, dass er mit dem Fuß nicht habe auftreten können. Eine Gichterkrankung des Klägers sei seit einigen Jahren bekannt, in der Vorgeschichte seien bereits mehrere Anfälle im Bereich beider Füße aufgetreten. Die Diagnose habe auf jeden Fall eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gerechtfertigt, weil es ohne Schonung des Gelenks zu Spätkomplikationen (Arthrose) kommen könne. Zur Therapie habe neben der Schonung des Gelenks nebst Lokalmaßnahmen (Kühlung) auch verschiedene Medikamente (Voltaren Resinat als Entzündungshemmer und Schmerzmittel, Allopurinol 300 als Harnsäuresenker) gehört, die er rezipiert habe. Am 02.12.2011 habe sich der Kläger erneut vorgestellt. Der Lokalbefund am Fuß sei zwar rückläufig gewesen, aber noch nicht vollständig ausgeheilt. Der Kläger habe über Brennen beim Wasserlassen, häufigen Harndrang sowie Schüttelfrost geklagt. Die Laboruntersuchung habe eine noch deutlich erhöhte Harnsäure sowie eine beschleunigte Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit als Zeichen des entzündlichen Geschehens gezeigt. Im Urin sei Blut nachgewiesen worden, was ebenfalls eine Entzündung anzeige. Er habe dem Kläger ein erneutes Rezept ausgestellt (Metamizol 500 mg gegen Schmerzen und Fieber sowie Levofloxacin 250 mg als Antibiotikum gegen den Harnwegsinfekt). Der Kläger habe sich noch nicht in der Lage gefühlt, wieder zu arbeiten, so dass er aufgrund der vorliegenden Befunde und der angegebenen Beschwerden eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt habe, die medizinisch gerechtfertigt gewesen sei.

32

Auf die schriftlichen Nachfragen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 22.05.2013 antwortete der Zeuge Dr. A. am 23.05.2013 ergänzend, der Kläger habe seine Arztpraxis am 22.11.2011 nach 16:00 Uhr aufgesucht. Er habe in die Bescheinigung als ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit den 23.11.2011 eingetragen, weil der Kläger nicht angegeben habe, dass er schon am 22. nicht am Arbeitsplatz gewesen sei. Der Kläger habe über akut aufgetretene, für ihn als extrem stark empfundene Schmerzen im Bereich der rechten Großzehe geklagt. Der Beginn sei akut im Laufe des Tages ohne vorausgegangenes Trauma aufgetreten. Im Verlauf der klinischen Untersuchung habe sich ein massiv angeschwollenes (explizit: deutlich über hühnereigroß) und gerötetes sowie druckschmerzhaftes Großzehengrundgelenk gezeigt. Der Kläger habe rechts keinen Schuh anziehen können und sei mit Socken und Unterarmgehstützen in seiner Praxis erschienen.

33

Auf die Frage der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, ob der Kläger die Symptome auch vorgetäuscht haben könnte, antwortete der Zeuge, dass eine derartige Schwellung nach menschlichem Ermessen nicht vorgetäuscht werden könne. Theoretisch käme zwar einen Selbstverletzung in Betracht (zB. durch einen Schlag mit dem Hammer auf den Vorfuß), dies würde jedoch zu einer Blutung mit Hämatombildung und Knochenverletzungen führen, die im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht zu übersehen seien. Hinzu käme die deutlich erhöhte Harnsäure im Blut, die die klinische Diagnose bestätige und nicht vorgetäuscht werden könne.

34

Aufgrund dieser schriftlichen Äußerungen des Zeugen Dr. A. ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass der Kläger in der Zeit ab 23.11.2011 arbeitsunfähig erkrankt war. Die diagnostizierte Erkrankung hat der Arzt nicht (nur) aufgrund von Eigenangaben des Klägers, sondern aufgrund objektivierbarer Befunde (klinische Untersuchung, Laborwerte) festgestellt. Dafür, dass der Kläger den Arzt getäuscht haben könnte, besteht nicht der geringste Anhaltspunkt.

35

Den weiteren Beweisanträgen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten war nicht nachzugehen. Es ist unerheblich, dass der als Zeuge benannte Mitarbeiter J. W., der dem Kläger am 22.11.2011 an der Haustür einen Brief übergeben hat, nach dem Vortrag der Beklagten keine körperlichen Beeinträchtigungen festgestellt haben will. Zwar können auch die Angaben eines Laien für ein Gericht durchaus geeignet sein, sich ein genaueres Bild über den gesundheitlichen Zustand eines Menschen zu verschaffen. Der Zeuge W. hat den Kläger jedoch unstreitig nicht klinisch untersucht und auch keine Laborbefunde erhoben, um beurteilen zu können, ob eine Arbeitsunfähigkeit im medizinischen Sinne vorlag.

36

Auch dem Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, den Zeugen Dr. A. ergänzend darüber zu befragen, ob die Harnsäurewerte des Klägers ständig erhöht seien, was man sich unter einer deutlich über hühnereigroßen Schwellung des Großzehengrundgelenks vorzustellen habe und wie sich der Zeuge erkläre, dass der Briefbote W. den Kläger am 22.11.2011 um 16:00 Uhr noch ohne Unterarmgehstützen und mit normalen Schuhen gesehen habe, war nicht nachzugehen. Es hätten sich keine neuen tatsächlichen Gesichtspunkte ergeben, die möglicherweise dazu geführt hätten, dass die Berufungskammer im Rahmen ihrer aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

37

Die Zeugin Dr. med. B., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, hat während ihrer Vernehmung vor der Berufungskammer am 06.06.2013 bekundet, dass sich der Kläger am 05.12.2011 aufgrund einer Überweisung seines Hausarztes Dr. A. in ihrer Praxis vorgestellt habe. Er habe ihr einen Konflikt am Arbeitsplatz geschildert. Er sei noch in der Probezeit, der Arbeitgeber habe ihm am 21.11.2011 sämtliche Arbeitsmittel weggenommen. Sie habe dem Kläger zunächst verschiedene Unterlagen mitgegeben, die er ausgefüllt habe. Am 08.12.2011 sei der Kläger erneut bei ihr vorstellig geworden. Es sei ihm nicht gut gegangen, er habe hohen Blutdruck gehabt, er sei wütend und verzweifelt gewesen. Sie habe ihm ein Antidepressivum verordnet, weil ein einfaches Beruhigungsmittel als Medikament nicht mehr ausgereicht habe. Das Depressions-Rating sei mit 58 Punkten sehr hoch gewesen. Sie habe den Kläger vom 08. bis 23.12.2011 wegen Anspannungsstörungen, akuter Belastungsreaktion und somatoformer autonomer Funktionsstörung (F 43.2, F 45.39, F 43.0) krankgeschrieben. Der Kläger sei aus ihrer ärztlichen Sicht in der Zeit vom 08. bis 23.12.2011 absolut nicht in der Lage gewesen, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen.

38

Auch die Aussage der Zeugin Dr. B. hat das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers eindrucksvoll belegt. Den in sich schlüssigen und gut nachvollziehbaren Ausführungen beider ärztlichen Zeugen zufolge war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum krankheitsbedingt nicht in der Lage, seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitstätigkeit im Betrieb der Beklagten nachzugehen. Die Berufungskammer ist deshalb vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.11.2011 überzeugt. Es bestehen keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Beiden Ärzten kann nicht unterstellt werden, sie hätten dem Kläger ein „Gefälligkeitsattest“ ausgestellt.

39

Die fristlose Kündigung der Beklagten ist daher rechtsunwirksam. Das Arbeitsverhältnis endete erst durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 08.12.2011 mit Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist in der Probezeit am 22.12.2011.

40

2. Die Beklagte ist gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG verpflichtet, an den Kläger für den - im vorliegenden Rechtsstreit - streitigen Zeitraum vom 23.11. bis 30.11.2011 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in rechnerisch unstreitiger Höhe von € 600,00 brutto nebst Verzugszinsen zu zahlen. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

41

Der Kläger ist für das Vorliegen seiner Arbeitsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet. Diese Verteilung der Beweislast für die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Partei die für ihr Begehren notwendigen Tatsachen Beweisen muss (BAG 09.10.2002 - 5 AZR 443/01 - Rn. 62, NZA 2004, 257).

42

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass der Kläger in der Zeit ab 23.11.2011 tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 1.4 Bezug genommen.

III.

43

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

44

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 61a Abs. 3 oder 4 gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Landesarbeitsgerichts glaubhaft zu machen.

(3) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind, sind nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte.

(4) Soweit das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den Absätzen 2 und 3 zulässig ist, sind diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5.6.2014, Az.: 5 Ca 3827/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.04.2013 als Head of Marketing & Recruitment beschäftigt. Mit Schreiben vom 26.09.2013, welches der Klägerin noch am selben Tag ausgehändigt wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich innerhalb der vertraglich vereinbarten sechsmonatigen Probezeit zum 14.10.2013. Am folgenden Tag meldete sich die Klägerin unter Vorlage einer den Zeitraum vom 26.09.2013 bis 14.10.2013 umfassenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung krank.

3

Mit Schreiben vom 27.09.2013, welches der Klägerin am 01.10.2013 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen diese Kündigung richtet sich die von der Klägerin am 16.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Darüber hinaus hat die Klägerin die Beklagte mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 21.11.2013 auf Berichtigung des ihr erteilten Arbeitszeugnisses in Anspruch genommen.

4

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Teilurteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.06.2014 (Bl. 85 bis 87 d. A.).

5

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen H. und F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.06.2014 (Bl. 75 ff. d. A.) verwiesen.

6

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 05.06.2014 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 27.09.2013 aufgelöst worden ist. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 87 bis 92 d. A.) verwiesen.

7

Gegen das ihr am 12.09.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.10.2014 Berufung eingelegt und diese am 10.11.2014 begründet.

8

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe unzulässiger Weise durch Teilurteil entschieden. Die Klägerin habe zur Begründung ihrer Klage auf Zeugnisberichtigung im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ein auf den 04.10.2013 datiertes Zwischenzeugnis vorgelegt, dessen Echtheit sie - die Be-klagte - bestritten habe. Die Frage der Echtheit der vorgelegten Urkunde spiele für die Beurteilung des Verhaltens der Klägerin und für ihre Glaubwürdigkeit eine erhebliche Rolle, sodass das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu diesem Tatsachenkomplex auch für die Beurteilung der Begründetheit der durch Teilurteil entschiedenen Kündigungsschutzklage von Bedeutung sei. Schließlich dürfte jemandem, der im Prozess eine unechte Urkunde vorlege, zuzutrauen sein, dass er ohne krank zu sein, eine Krankschreibung erwirke, um während der ablaufenden Kündigungsfrist nicht mehr zur Arbeit erscheinen zu müssen. Zudem könne bei der Prüfung der Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung auch ein späteres Verhalten des Arbeitnehmers einbezogen werden. Die außerordentliche Kündigung vom 27.09.2013 sei berechtigt gewesen und habe daher zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Es sei davon auszugehen, dass die Arbeitsfähigkeit der Klägerin nach Erhalt der ordentlichen Kündigung fortbestanden habe und dass die Klägerin die Kündigung zum Anlass genommen habe, ihrerseits gewissermaßen eine innere Kündigung zu erklären und keinerlei Bereitschaft zur weiteren Mitarbeit mehr an den Tag zu legen. Bereits bei Erhalt der ordentlichen Kündigung habe die Klägerin erklärt, sie werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zur Arbeit erscheinen und eine Krankmeldung abgeben. Dies sei - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt worden. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht den erstinstanzlich als Beweis eingereichten Ausdruck des Whatsapp-Chats zwischen der Klägerin und der Zeugin F. nicht gewürdigt. Aus der dort enthaltenen Nachricht der Klägerin, wonach sie am Tag der Kündigung vergessen habe, den Firmenschlüssel samt Zugangschip im Büro zurückzulassen, ergebe sich, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst habe, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Schließlich sei das Arbeitsgericht unzutreffender Weise davon ausgegangen, dass das Zurücklassen des Diensthandys auf dem Schreibtisch der Klägerin auf einer diesbezüglichen Aufforderung ihres (der Beklagten) Geschäftsführers beruhe, da dies erstinstanzlich keineswegs unstreitig gewesen sei.

9

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 10.11.2014 (Bl. 135 bis 139 d. A.) Bezug genommen.

10

Die Beklagte beantragt,

11

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Kündigungsschutz-klage der Klägerin abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 08.12.2014 (Bl. 154 bis 161 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

15

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben.

16

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch streitbefangene außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden.

17

Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt:

18

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsgericht nicht in unzulässiger Weise durch Teilurteil über den Kündigungsschutzantrag entschieden. Die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO für den Erlass eines Teilurteils liegen vor.

19

Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur der ein Teil eines Anspruchs zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil als Teilurteil zu erlassen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Entscheidungsreife im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass das Teilurteil unabhängig vom Schlussurteil erlassen werden kann bzw. zwischen dem durch ein Teilurteil entschiedenen Teil einerseits und dem noch nicht entschiedenen Teil andererseits kein Widerspruch entstehen darf (BAG v. 17.04.2013 - 4 AZR 361/11 -). Das bedeutet, dass es für den Erlass eines Teilurteils nicht auf solche Urteils- oder Begründungselemente ankommen darf, die auch bei der weiteren Entscheidung über den noch nicht entscheidungsreifen Teil maßgebend sein können. Eine solche Gefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn in einem Teilurteil aufgrund einer materiell-rechtlichen Verzahnung zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die verbleibenden Ansprüche noch einmal stellt oder stellen kann (BAG v. 17.04.2013 - 4 AZR 361/11 -). Ist eine Entscheidung über den Gegenstand des Teilurteils nur möglich, wenn bei der Rechtsanwendung Fragen beantwortet werden, die auch für den verbleibenden Teil des Rechtsstreits von entscheidungserheblicher Bedeutung sind oder sein können, ist ein Teilurteil daher unzulässig (BAG v. 18.02.2014 - 3 AZR 770/12 -).

20

Danach war der Erlass des der Kündigungsschutzklage stattgebenden Teilurteils zulässig. Es kommt nämlich für die Beurteilung der Wirksamkeit dieser Kündigung nicht auf solche Urteils- oder Begründungselemente an, die auch bei der weiteren Entscheidung über den Zeugnisberichtigungsantrag der Klägerin maßgebend sein können. Da der Zeugnisberichtigungsantrag keine Änderung des in dem von der Beklagten erteilten Zeugnis wiedergegebenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beinhaltet, kann sich die Frage der Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigung - jedenfalls aus derzeitiger Sicht - bei der Entscheidung über den Zeugnisberichtigungsantrag nicht mehr stellen. Auch ansonsten ist eine materiell-rechtliche Verzahnung zwischen den beiden prozessual selbständigen Ansprüchen vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere ist es auch - entgegen der Ansicht der Beklagten - für die Beurteilung der streitbefangenen Kündigung ohne Belang, ob sich die Klägerin zur Begründung ihrer Zeugnisberichtigungsklage auf den Inhalt eines von ihr gefälschten Zeugnisses berufen hat. Das diesbezügliche, von der Beklagten behauptete Fehlverhalten der Klägerin ereignete sich nach Kündigungsausspruch und hat somit für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung keinerlei Bedeutung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Ergebnis einer etwaigen, nach Ansicht der Beklagten im Rahmen des Verfahrens über den noch in erster Instanz anhängigen Streitgegenstand durchzuführenden Beweisaufnahme Auswirkungen auf die Beurteilung des Kündigungssachverhalts haben könnte.

21

2. Die streitbefangene außerordentliche Kündigung erweist sich in Ermangelung eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

22

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der allgemeinen gesetz-lichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

23

Die Beklagte stützt die streitbefangene außerordentliche Kündigung auf den Vorwurf, die Klägerin sei in der Zeit vom 27.09. bis 14.10.2013 unter Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit der Arbeit ferngeblieben. Zwar ist die bewusste Vor-täuschung einer Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung unter Vorlage einer ärzt-lichen Bescheinigung mit der weiteren Folge der Entgeltfortzahlung eine schwere Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages und damit an sich als Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet. Vorliegend hat die Beklagte jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum tatsächlich nicht arbeitsunfähig war.

24

Die Klägerin war unstreitig vom 26.09. bis 14.10.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde der Beklagten vorgelegt. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, darlegen und notfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft der ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern. Ist dies dem Arbeitgeber gelungen, so tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast der Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attests bestand. Jedenfalls ist es dann Sache des Arbeitnehmers nunmehr angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten bzw. gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und ggf. den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist, muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen.

25

Im Streitfall ist es der Beklagten bereits nicht gelungen, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern Das Arbeitsgericht ist auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme und einer sorgfältigen, in keiner Weise zu beanstandenden Beweiswürdigung zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte die Tatsachen, die gegen die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sprechen könnten, nicht beweisen konnte. Den diesbezüg-lichen Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil ist nichts hinzuzufügen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, die Richtigkeit der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung in Frage zu stellen. Entgegen der Ansicht der Beklagten begründet auch der Umstand, dass die Klägerin am 26.09.2013 ihr Diensthandy nebst Ladegerät im Betrieb zurückgelassen hat, keinen Zweifel hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin hat bereits in ihrer Klageschrift vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe noch am 26.09.2013 die Herausgabe des Handys verlangt. Dies hat die hinsichtlich der Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zwar bestritten, jedoch insoweit keinerlei Gegenbeweis angetreten. Ist daher zugunsten der Klägerin von einem entsprechenden Herausgabeverlangen des Geschäftsführers der Beklagten auszugehen, so erklärt sich hieraus auch, dass die Klägerin später in einer per Handy versendeten Kurznachricht angab, sie habe vergessen (auch) den Firmenschlüssel nebst Zugangschip im Büro zurückzulassen.

26

Aber selbst dann, wenn man vorliegend von einer Erschütterung des Beweiswerts der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgeht, ist die Beklagte ihrer Darlegungs-und Beweislast hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht nachgekommen. Die Klägerin hat ihrerseits Tatsachen dargetan, die auf das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit bereits am 26.09.2013 schließen lassen. So hat sie etwa insbesondere vorgetragen, sie habe sich an diesem Tag nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung im Betrieb übergeben müssen. Dies hat die Beklagte zwar ebenfalls bestritten, jedoch auch insoweit keinen Gegenbeweis angetreten. Darüber hinaus haben sowohl die Zeugin H. als auch die Zeugin F. bei ihrer Vernehmung bekundet, die Klägerin am 26.09.2013 weinend angetroffen zu haben. Von einer nervlich bedingten Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der Klägerin bereits am 26.09.2013 kann daher ausgegangen werden. Die Klägerin hat überdies ihren behandelnden Arzt mit Erklärung vom 13.06.2014 (Bl. 100 d. A.) ausdrücklich von seiner ärztlichen Schweigepflicht bezüglich der Krankschreibung vom 26.09.2013 bis 14.10.2013 entbunden. Der Arzt hätte daher der Beklagten als Zeuge für ihre Behauptung, eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin habe nicht bestanden, zur Verfügung gestanden. Ein entsprechendes Beweisangebot hat die Beklagte jedoch nicht gemacht.

27

Die Beklagte kann letztlich die außerordentliche Kündigung auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung stützen, die Klägerin habe am 26.09.2013 angekündigt, sich krankschreiben zu lassen. Eine solche Ankündigung bildet nämlich - für sich genommen - keinen Kündigungsgrund, wenn es sich dabei um den Hinweis auf ein rechtmäßiges Verhalten handeln kann (vgl. LAG Köln v. 26.021999 - 11 Sa 1216/98 - NZA-RR 2000, 25). Wie bereits ausgeführt, ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass sie bereits am 26.09.2013 gesundheitlich beeinträchtigt war und davon ausgehen konnte, dass ein Arzt aufgrund ihres Gesundheitszustandes eine Arbeitsunfähigkeit feststellen wird. Die Ankündigung, sich krankschreiben zu lassen, ist daher nicht geeignet, einen für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.

28

III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

29

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.