Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 17. März 2016 - 5 Sa 313/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0317.5SA313.15.0A
bei uns veröffentlicht am17.03.2016

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.04.2015, Az. 5 Ca 2268/14, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05.2014 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld iHv. € 1.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.07.2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) wird zum 31.08.2014 aufgelöst. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung iHv. € 28.430,00 brutto zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zu 1) zurückgewiesen.

IV. Die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 2) werden zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger 27 %, die Beklagte zu 1) 73 %, davon als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2) 4 %, und der Beklagte zu 2) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1) 4 % zu zahlen.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Auflösungsantrag der Beklagten zu 1), die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers und Schmerzensgeld.

2

Der 1963 geborene, ledige Kläger war seit dem 01.03.2009 bei der Beklagten zu 1) zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 5.686,00 beschäftigt. Er wurde als Projektleiter eingestellt und am 01.01.2011 zum Fertigungsleiter ernannt. In dieser Eigenschaft erhielt er ab 01.01.2013 zusätzliche Verantwortung für die Abteilungen Werkzeugbau, Instandhaltung und Industrial-Engineering. Die Beklagte zu 1), die zum W.-Konzern gehört, stellt Backformen her. Sie beschäftigte im Zeitpunkt der Kündigung ca. 200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Inzwischen hat die Beklagte zu 1) ihr Personal am Standort C-Stadt wegen Umstrukturierungen im Unternehmen um die Hälfte reduziert.

3

Vom 22.04. bis 02.05.2014 hatte der Kläger Urlaub. Auf Bitten der Beklagten erschien er am 30.04.2014 gleichwohl im Betrieb. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und der Beklagte zu 2), der kaufmännische Leiter, führten mit ihm ein unangekündigtes Trennungsgespräch. Sie legten ihm einen vorformulierten Aufhebungsvertrag vor und boten ihm die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2014 gegen Zahlung einer Abfindung von € 14.500,00 an. Innerhalb der eingeräumten Bedenkzeit teilte der Kläger mit, dass er keinen Aufhebungsvertrag wünsche. Am 05.05.2014 bot ihm der Beklagte zu 2) erneut einen Aufhebungsvertrag mit einer auf € 17.500,00 erhöhten Abfindung an. Der Kläger lehnte das Angebot am 08.05.2014 ab und teilte mit, dass er am nächsten Tag wieder zur Arbeit komme. Am 09.05.2014 erschien der Kläger im Betrieb und meldete sich beim Beklagten zu 2), worum dieser ihn gebeten hatte. Der Beklagte zu 2) erhöhte das Abfindungsangebot auf € 20.000,00; der Kläger lehnte ab.

4

Daraufhin führte der Beklagte zu 2) den Kläger in einen Konferenzraum im Verwaltungsgebäude und wies ihm diesen als Büro zu. Er untersagte ihm, den Fertigungsbereich zu betreten. Die Jalousien des Konferenzraums waren geschlossen, das Licht ausgeschaltet, ein Computer nicht vorhanden. Der Beklagte zu 2) entfernte noch den Telefonapparat. Zuvor hatte er den Mitarbeiter R. gebeten, dafür zu sorgen, dass der Kläger die Fertigung nicht betritt. R. hat diesen Auftrag abgelehnt, weil der Kläger sein "Chef" sei. Dem Kläger ging es durch die Aufregung gesundheitlich so schlecht, dass er sich zu einem Arzt begab, der ihn vom 09.05. bis zum 25.05.2014 krankschrieb.

5

Mit Schreiben vom 14.05.2014 hörte die Beklagte zu 1) den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Das Anhörungsschreiben hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

6

"Wie nachfolgend dargelegt ist Herr A. [der Kläger] trotz intensiver Begleitung seitens des Unternehmens nicht in der Lage, den Anforderungen seiner Position gerecht zu werden. Er gefährdet dadurch die Ziele der Fertigung und somit den Bestand des Standortes. Hinzu kommt ein schwerer Bruch des Vertrauensverhältnisses gegenüber dem technischen Geschäftsführer.

7

Nachdem Herr A. mit Wirkung zum 01.01.2011 zum Fertigungsleiter ernannt wurde, wurden bei ihm Mängel hinsichtlich der Kommunikation und des Zeitmanagements festgestellt.

8

Mitte 2013 eskalierte die Situation und es wurde am 25.07.2013 unter Teilnahme von Herrn E. [dem Beklagten zu 2)] und Herrn X. [dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1)] nochmals ein gemeinsames Gespräch mit Herrn A. geführt … In diesem Gespräch wurde Herrn A. unmissverständlich mitgeteilt, dass er mit einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss, wenn sich nicht umgehend eine Veränderung seines Verhaltens und seiner Arbeitsweise einstellt.

9

Trotz dieser vielfältigen Maßnahmen zeigt Herr A. weiterhin gravierende Mängel in seinen Sozial- und Methodenkompetenzen. Dies wird durch die folgenden drei Vorkommnisse in jüngster Zeit deutlich, die für uns nicht mehr hinnehmbar sind:

10

1. Beschaffung einer Etikettiermaschine (Anlage 8)

11

Herr A. wurde mit der Beschaffung einer Etikettiermaschine beauftragt mit geplantem Endtermin 19.05.14. Herr A. stellte hierfür einen Investitionsantrag über € 18.000,00, versäumte es aber, die Bestellung lt. Vorschrift unserer Unterschriftsregelung über die Abteilung Einkauf abzuwickeln. … Am 19.03.14 meldete sich der Lieferant bei Herrn A., um mitzuteilen, dass er für die Erstellung eines finalen Angebots Musterbackformen benötigen würde. Am 26.03.14 wurden die Muster von Herrn O. an den Versand gegeben. Vor seinem 2wöchigen Urlaub am 17.04.14 lag Herrn A. immer noch kein vollständiges Angebot des Lieferanten vor. Herr A. teilte dem Lieferanten mit, dass er erst in KW 19 mit der Bestellung rechnen könne. Diese Missachtung von internen Vorschriften und die schleppende Bearbeitung seitens Herrn A. führten dazu, dass der Lieferant erst am 12.05.14 ein überarbeitetes Angebot abgegeben hat, nachdem das Projekt an Herrn K. übergeben wurde. Die von Herrn A. verursachten Verzögerungen haben dazu geführt, dass der Liefertermin der Maschine seitens des Lieferanten nicht eingehalten werden kann. Dies bedeutet, dass die Maschine für die in der KW 22/14 geplanten Aufträge nicht zur Verfügung stehen wird. Dadurch wird dem Unternehmen ein Schaden zugefügt, da das Etikettieren der Backformen nun händisch durchgeführt werden muss, was einen erheblichen Mehraufwand bedeutet und damit höhere Kosten verursacht und zu einer zeitlichen Verzögerung führt.

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2. Betriebsvereinbarung über Schichtmodell 27 (Anlage 10)

13

Herr A. hatte Herrn X. gebeten, für die Samstagsarbeit in KW 19-22/14 eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat über Schichtmodell 27 zu schließen. Dies wurde seitens Herrn X. gemäß Absprache veranlasst. Herr A. hat es aber versäumt dafür Sorge zu tragen, dass auch ein Mitarbeiter des Werkzeugbaus an den Samstagen zur Verfügung stehen muss. Erst in der laufenden KW 19 ist Herrn R. aufgefallen, dass hierfür beim Betriebsrat kein Antrag gestellt wurde. Dieser wurde durch die Personalabteilung am 06.05.14 nachträglich gestellt. Der Betriebsrat hat daraufhin am 09.05.14 seine Zustimmung hierzu gegeben. Dadurch konnte in letzter Minute Schaden vom Unternehmen abgewendet werden.

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Diese beiden Vorfälle sind exemplarisch für die Arbeitsweise von Herrn A.. Es wird dadurch deutlich, dass auf ihn kein Verlass ist. Termine und Absprachen werden von Herrn A. nicht eingehalten. Er ist dadurch nicht in der Lage, seine Aufgaben als Fertigungsleiter ordnungsgemäß auszuüben.

15

3. Gespräch mit den beiden Fertigungsmeistern

16

Am 17.04.14 hat Herr A. mit Herrn H. und Herrn F. die beiden in der Anlage 11 protokollierten Gespräche geführt. Er erklärte, dass Herr X. ihm mitgeteilt habe, dass es zukünftig keine Fertigungsmeister mehr geben werde. Diese Aussage sorgte bei beiden Meistern für Verunsicherung, die insbesondere durch die derzeitige Situation im Unternehmen noch verstärkt wurde.

17

Diese Äußerung gegenüber seinen Mitarbeitern stellt einen besonders schwerwiegenden Vertrauensbruch gegenüber der Geschäftsführung dar. Zum einen hat Herr X. in seinem Gespräch mit Herrn A. diese Äußerung nicht getroffen. Zum anderen hat Herr A. diese Unwahrheit absichtlich an die beiden Meister weitergegeben, um diese zu verunsichern und zu demoralisieren. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass er beide in separaten Gesprächen informiert hat. Er hat damit bewusst in Kauf genommen, dass sie das Vertrauen in Herrn X. und damit in ihren Arbeitsplatz verlieren.

18

Dieses für einen Vorgesetzten untragbare Verhalten war der Auslöser dafür, dass Herrn A. ein Aufhebungsvertrag mit sofortiger Freistellung unter Einhaltung der Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende angeboten wurde.

19

Herr K. lehnte dies ab und erschien am 09.05.14 zur Arbeit. Da er aufgrund seines das Unternehmen schädigenden Verhaltens nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren sollte, wurde er von Herrn E. erst einmal im Konferenzraum 2 untergebracht. Daraufhin verließ Herr A. diesen Raum, meldete sich bei Herrn E. krank und ging nach Hause.
…."

20

Am 26.05.2014 kehrte der Kläger nach seiner Erkrankung in den Betrieb zurück. Er richtete sich bis zum Antritt seines Urlaubs in dem ihm zugewiesenen Konferenzraum ein Büro ein. Ihm wurde ein Laptop zur Verfügung gestellt, das Telefon war wieder installiert, jedoch nur für interne Gespräche freigeschaltet worden. Mit Schreiben vom 27.05.2014, dem Kläger am selben Tag überreicht, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.08.2014. Vom 10.06. bis zum 13.06.2014 nahm der Kläger Urlaub.

21

Am 10.06.2014 übersandte die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben an die drei Vorstände der W. AG persönlich:

22

"Betr.: Dringende Aufforderung Ihrer Einflussnahme

23


ich wurde soeben von dem völlig verzweifelten Fertigungsleiter Ihres Tochterunternehmens … mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.

24

Der Fertigungsleiter sitzt völlig isoliert und ohne jede Beschäftigung in einem Konferenzraum. Er hat nun seit heute seinen Jahresurlaub eingereicht, weil er die Situation nicht mehr erträgt; er darf nun seit Wochen den Produktionsbereich nicht mehr betreten, keine E-Mails empfangen und ist in dem Raum unerträglichen Schikanen ausgesetzt.

25

Gegen den Willen des Betriebsrats wurde ihm - ohne jede Begründung - gekündigt, nachdem er jahrelang Bestbeurteilungen erhalten und sich nicht das Geringste zuschulden kommen ließ.

26

Er hat sich lediglich geweigert einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.

27

Vergeblich war der Fertigungsleiter … in den letzten Wochen hausintern allein darum bemüht die anliegend geschilderten völlig unhaltbaren Zustände im Unternehmen in C-Stadt abgestellt zu erhalten.

28

Ich bin nun beauftragt fristgerecht das Arbeitsgericht anzurufen, Strafanzeige zu erstatten und die Presse einzuschalten und habe den Mandanten eben dafür gewinnen können, dass Sie zunächst konzernintern noch Gelegenheit erhalten sollen unverzüglich entsprechend dem veröffentlichten Leitbild Ihre Unternehmens (s. Anlage) tätig zu werden.

29

Informieren Sie mich bitte bis zum 12.06.2014, 15.00 Uhr,
ob der Sachverhalt tatsächlich nicht - jedenfalls jetzt konzernintern - zu klären ist.

30

Nach diesem Zeitpunkt ist fristgerecht Kündigungsschutzklage zu erheben und darüber hinaus wie angekündigt zu verfahren.

31

Ich gehe angesichts der völlig unhaltbaren Zustände in Ihrem Tochterunternehmen davon aus, dass nicht tatsächlich in dieser Weise verfahren werden soll. …"

32

Am 12.06.2014 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Koblenz Kündigungsschutzklage. Er machte außerdem seine Weiterbeschäftigung, hilfsweise seine Freistellung, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits geltend. Darüber hinaus verlangte er die Zahlung eines Schmerzensgeldes iHv. mindestens € 2.000,00. Am 16.06.2014 meldete sich der Kläger telefonisch krank und erklärte, dass er am nächsten Tag wieder im Betrieb erscheinen wolle. An diesem Tag stellte ihn die Beklagte zu 1) unwiderruflich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2014 unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung frei.

33

Mit Schriftsatz vom 05.09.2014 leitete der Kläger ein einstweiliges Verfügungsverfahren (5 Ga 60/14) ein. Er verlangte seine Weiterbeschäftigung, hilfsweise seine Freistellung, bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits. Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge mit Urteil vom 25.09.2014 abgewiesen, das lag hat die Berufung mit Urteil vom 26.02.2015 (5 SaGa 7/14 - Juris) als unzulässig verworfen.

34

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.04.2015 Bezug genommen.

35

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

36

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 nicht aufgelöst worden ist,

37

2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihn als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen,

38

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes, das für den Fall der Säumnis beziffert wird auf € 2.000,00 zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

39

Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 30.04.2015 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte zu 1) zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Außerdem hat es die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld iHv. € 1.000,00 zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 sei sozial ungerechtfertigt, weil der Kläger nicht wirksam abgemahnt worden sei. Die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen bei der Beschaffung einer Etikettiermaschine, der Organisation der Samstagsschichten und wegen der Gespräche vom 17.04.2014 mit den beiden Fertigungsmeistern wögen, selbst wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Die Beklagte zu 1) sei im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigung verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Fertigungsleiter weiter zu beschäftigen. Der Kläger könne wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts von beiden Beklagten als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld iHv € 1.000,00 beanspruchen. Dem Kläger sei als Fertigungsleiter verboten worden, den Fertigungsbereich zu betreten und Telefongespräche nach außen zu führen. In Verbindung mit der Erklärung des Beklagten zu 2), er habe nun Gelegenheit, sich seine Zustimmung zur Vertragsaufhebung zu überlegen bzw. er habe nun genug Zeit, um sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags klar zu werden, sei der Kläger durch diese Maßnahmen unter Druck gesetzt und ausgegrenzt worden. Die Anweisung des Beklagten zu 2) an den dem Kläger unterstellten Mitarbeiter R., dafür zu sorgen, dass der Kläger die Fertigung nicht betritt, habe den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch herabgesetzt. Der Eingriff sei so schwerwiegend, dass ein Schmerzensgeld von € 1.000,00 angemessen sei. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 30.04.2015 Bezug genommen.

42

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen aller Parteien. Der Kläger erstrebt mit seiner Berufung ein höheres Schmerzensgeld. Beide Beklagten machen geltend, dass ein Schmerzensgeldanspruch bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte zu 1) verteidigt ihre ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 und stellt hilfsweise einen Auflösungsantrag.

43

Die Beklagte zu 1) macht geltend, die Kündigung vom 27.05.2014 sei sozial gerechtfertigt. Anlass und Auslöser der Kündigung sei der Vorfall mit den beiden Fertigungsmeistern am 17.04.2014 gewesen. Der Kläger habe die beiden Meister perfide gegeneinander ausgespielt und bewusst Falschinformationen gestreut, um die ihm unterstellten Mitarbeiter zu verunsichern. Das Verhalten des Klägers gegenüber den beiden Meistern sei geeignet, das Arbeitsverhältnis ohne einschlägige Abmahnung zu kündigen. Er habe seine Autorität bewusst und zielgerichtet dazu missbraucht, Existenzängste bei seinen Untergebenen hervorzurufen. Der Kläger habe damit ihr Vertrauen in seine charakterliche Integrität und damit in seine Eignung als Vorgesetzter nachhaltig und unwiederbringlich zerstört.

44

Zur Begründung des Auflösungsantrags trägt die Beklagte zu 1) vor, der Kläger habe im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (5 Ga 60/14) am 06.09.2014 eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Er habe versichert, dass ihm bis dato niemals überhaupt auch nur ein Fehlverhalten aufgezeigt worden sei. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25.09.2014 habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Koblenz noch völlige Ahnungslosigkeit vorgetäuscht. Der Kläger wisse überhaupt nicht, was ihm eigentlich vorgeworfen werde. Der Kläger habe die Kündigungsvorwürfe jedoch sehr wohl gekannt, denn der Betriebsratsvorsitzende habe die Stellungnahme des Betriebsrats zu den einzelnen in der Betriebsratsanhörung vom 14.05.2014 aufgelisteten Punkten mit ihm durchgesprochen. Hinzu komme, dass der Kläger mit dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 10.06.2014 versucht habe, den Beklagten zu 2) und ihren Geschäftsführer hinter deren Rücken zu demontieren. Das Schreiben sei persönlich an die drei Vorstände der W. AG gerichtet worden. Das angedrohte Einschalten der Öffentlichkeit habe offenbar dem Zweck dienen sollen, die Vorstände der W. AG aus Angst vor einer schlechten Presse in Panik zu versetzen und zu spontanen, unüberlegten gegen ihren Geschäftsführer und den Beklagten zu 2) gerichteten Maßnahmen zu veranlassen. Auch dieser Vorfall lasse eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten. Schließlich habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29.12.2014 (dort Seite 6) behauptet, ihr Geschäftsführer habe die beiden Fertigungsmeister H. und F. mit einer Einladung zum Mittagessen sozusagen bestochen, um sie dazu zu verleiten, in einer vorgefertigten Erklärung falsche Angaben zu machen. Dieses Vorbringen sei eine böswillige, frei erfundene Unterstellung, die den einzigen Zweck verfolge, ihren Geschäftsführer und den Beklagten zu 2) in ein zwielichtiges Licht zu rücken. Auch die Unterstellung gegenüber ihrem Geschäftsführer, er habe eine Urkundenfälschung begangen und seiner handschriftlichen Notizen über das Gespräch mit dem Kläger vom 25.07.2013 nachträglich ergänzt, oder auch die mehrfach wiederholte Behauptung, die angesprochenen Probleme seien sämtlich "wie so oft" allein auf die Fehlentscheidungen ihres Geschäftsführers zurückzuführen, ließen eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten.

45

Das Arbeitsgericht habe dem Kläger zu Unrecht ein Schmerzensgeld zugesprochen. Der Vorfall mit den Fertigungsmeistern habe endgültig zu ihrem Entschluss geführt, sich vom Kläger zu trennen. Aus ihrer Sicht sei es nur noch darum gegangen, das Arbeitsverhältnis entweder einvernehmlich oder durch Kündigung aufzulösen. Sie hätte den Kläger aufgrund der Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag sofort freistellen und anschließend das Kündigungsverfahren betreiben können. Ihr Bemühen, dem Kläger eine "goldene Brücke" zu bauen, damit er gegen Zahlung einer Abfindung ausscheiden könne, stelle keine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Der Kläger habe von seinem neuen Büro im Verwaltungsgebäude seine Schreibtischarbeiten erledigen können. Es sei nicht nötig, dass sich ein Fertigungsleiter den ganzen Arbeitstag im Bereich der Fertigung aufhalte.

46

Auch der Beklagte zu 2) vertritt die Ansicht, dem Kläger stehe kein Schmerzensgeldanspruch zu. Es liege kein schwerwiegender Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht vor.

47

Der Beklagten zu 1) beantragt zweitinstanzlich,

48

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.04.2015, Az. 5 Ca 2268/14, abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen,

49

2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen,

50

3. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

51

Der Beklagte zu 2) beantragt,

52

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.04.2015, Az. 5 Ca 2268/14, teilweise abzuändern und die Klage gegen ihn vollständig abzuweisen,

53

2. die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

54

Der Kläger beantragt,

55

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.04.2015, Az. 5 Ca 2268/14, teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das für den Fall der Säumnis beziffert wird auf weitere € 1.000,00 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.07.2014 zu zahlen,

56

2. die Berufungen der Beklagten zu 1) und zu 2) zurückzuweisen.

57

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe das Schmerzensgeld deutlich zu niedrig angesetzt. Ihm seien mindestens weitere € 1.000,00 zuzusprechen. Er sei nach der Weigerung, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, gezwungen worden wochenlang, völlig isoliert in einem Zimmer in der Verwaltung ohne Arbeit und Arbeitsmittel auszuharren. Er sei seelisch völlig zermürbt worden, er habe Schwächeanfälle erlitten, sei krankgeschrieben worden und habe nach seiner Genesung nur durch Urlaubsanträge seinem Schicksal entgehen können. Die Beklagte zu 1) habe sich geweigert, die Beschränkung aufzuheben. Sein Eilantrag auf Weiterbeschäftigung als Fertigungsleiter sei sowohl vom Arbeitsgericht (5 Ga 60/14) als auch vom Landesarbeitsgericht (5 SaGa 7/14) abgelehnt worden.

58

Die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05.2014 sei unwirksam. Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, er sei auch niemals abgemahnt worden. Der zweitinstanzliche Auflösungsantrag der Beklagten zu 1) sei unbegründet. Er habe sich im Rechtsstreit angesichts der Zumutungen der Beklagten nicht unangemessen verhalten. Die Einschaltung des Konzernvorstandes der W. AG mit Schreiben vom 10.06.2014 sei nicht zu beanstanden. Es sei die einzige Möglichkeit gewesen, ohne Einschaltung der Öffentlichkeit der täglichen Isolation ohne jede Beschäftigung zu entgehen. Der Konzernvorstand habe demgemäß innerhalb weniger Stunden seine sofortige Freistellung veranlasst, so dass er den Raum habe verlassen dürfen. Er habe im einstweiligen Verfügungsverfahren keine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Die Kündigung sei ohne Begründung erfolgt, die Beklagte zu 1) habe ihn nicht einmal bis zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht über die Kündigungsgründe informiert. Er habe auch wahrheitsgemäß vorgetragen, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) mit den beiden Fertigungsmeistern - entgegen jeder Übung - Essen gegangen sei. Die Gesprächsprotokolle, die von den Meistern unterzeichnet worden seien, habe eine Sekretärin auf Anweisung des Geschäftsführers zu Papier gebracht.

59

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

60

Die Berufungen aller Parteien sind zulässig. Sie sind nach § 64 ArbGG statthaft. Die Berufungen sind jeweils form- und fristgerecht eingelegt und auch ausreichend begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO). Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2) genügt auch die Berufung des Klägers den gesetzlichen Anforderungen an ihre Begründung. Der Kläger setzt sich inhaltlich hinreichend mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts auseinander. Er legt dar, welche Umstände das Arbeitsgericht aus seiner Sicht außer Acht gelassen habe und wie daraus ein anderes Ergebnis folge. Das reicht als Berufungsangriff aus.

II.

61

In der Sache haben die Berufung des Klägers und des Beklagten zu 2) keinen Erfolg, die Berufung der Beklagten zu 1) ist hingegen teilweise erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05. zum 31.08.2014 sozial ungerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) war jedoch auf den zweitinstanzlichen Auflösungsantrag zum 31.08.2014 gegen Zahlung einer Abfindung iHv. € 28.430,00 aufzulösen. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers war deshalb abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Beklagten zutreffend als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes iHv. € 1.000,00 verurteilt. Dem Kläger ist kein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen.

62

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05. zum 31.08.2014 sozial ungerechtfertigt ist.

63

a) Eine Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommt als milderes Mittel insbesondere eine Abmahnung in Betracht. Einer Abmahnung bedarf es nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich -auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 19.11.2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 24 mwN, Juris).

64

b) Von diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Die Kündigung lässt sich weder unter personenbedingten noch unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten wegen Schlechtleistung oder mangelnder charakterlicher Integrität rechtfertigen.

65

Die Beklagte wirft dem Kläger "gravierende Mängel in seinen Sozial- und Methodenkompetenzen" vor. Sie rügt zum einen die Qualität der Arbeitsleistung des Klägers im Zusammenhang mit der Beschaffung einer Etikettiermaschine (Vorfall 1) und der Anordnung von Samstagsarbeit (Vorfall 2). Der Kläger sei nicht in der Lage, seine Aufgaben als Fertigungsleiter ordnungsgemäß auszuüben. Zwar sind auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 - NZA 2008, 693). Bei einer auf Leistungsmängel gestützten Kündigung bedarf es jedoch grundsätzlich einer vorherigen Abmahnung.

66

Die Berufungskammer pflichtet dem Arbeitsgericht bei, dass die Beklagte zu 1) die Kündigung nicht auf angebliche Schlechtleistungen des Klägers (Vorfälle 1 und 2) stützten kann, weil er wegen Mängeln im Leistungsbereich nicht in einer den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Form abgemahnt worden ist. Die Beklagte zu 1) hat zwar vorgetragen, dass ihr Geschäftsführer und der Beklagte zu 2) dem Kläger in einem Gespräch vom 25.07.2013 Probleme bei der Produktion von Herdbackblechen und Pizzablechen angelastet haben. Dem Kläger sei vorgehalten worden, dass er trotz aller Fortbildungsmaßnahmen kurzsichtig agiere und ihm die Fähigkeit fehle, Engpässe und Probleme frühzeitig zu erkennen und abzustellen. Am Ende des Gesprächs sei dem Kläger unmissverständlich erklärt worden, dass er mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse, wenn sich nicht umgehend eine Änderung seines Verhaltens und seiner Arbeitsweise einstelle. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass die Beklagte zu 1) ein abmahnungswürdiges (schuldhaftes) Fehlverhalten des Klägers nicht konkret dargelegt habe. Gegen diese Beurteilung, die Rechtsfehler nicht erkennen lässt, wendet sich die Berufung nicht. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger in dem Gespräch ordnungsgemäß abgemahnt worden ist. Die Beklagte zu 1) hat zwar dargetan, dass der Beklagte zu 2) den Kläger auf die Gefährdung seines Arbeitsplatzes ("O-Ton": "letztes Gespräch - beim nächsten Mal werden wir uns trennen") hingewiesen habe. Der Vortrag der Beklagten zu 1) ist aber insofern nicht ausreichend, als er nicht erkennen lässt, welche konkreten Leistungsmängel sie beanstandet hat. Der pauschale Vorwurf über die Unzufriedenheit mit der erbrachten Arbeitsleistung reicht für eine ordnungsgemäße Abmahnung nicht aus.

67

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) berechtigt sie auch das Verhalten des Klägers am 17.04.2014 (Vorfall 3) nicht zur Kündigung. Der Kläger hat eingeräumt, dass er an diesem Tag mit den beiden ihm unterstellten Fertigungsmeistern H. und F. Gespräche geführt habe, um sie im Zusammenhang mit dem (damals geplanten) Personalabbau zu informieren. In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat der Kläger auf Nachfrage erklärt, der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) habe ihm am 15.04.2014 mitgeteilt, dass in der Fertigung "eine Ebene abgebaut" werden solle. Auf seine Bemerkung, dass es sich dabei nur um seine (Fertigungsleiter-)Stelle handeln könne, habe ihm der Geschäftsführer geantwortet, dass er nicht betroffen sei. Über den Inhalt dieses Gesprächs habe er die beiden Fertigungsmeister am 17.04.2014 in Kenntnis gesetzt. Es kann offen bleiben, ob der Kläger den beiden Meistern erklärt hat, dass es "zukünftig keine Fertigungsmeister mehr geben werde" (so die Beklagte zu 1)), oder "dass die Produktion ohne Fertigungsmeister nicht laufen könne" (so der Kläger), denn beide Erklärungen waren gleichermaßen geeignet, die beiden Arbeitnehmer zu verunsichern und bei ihnen Ängste um den Verlust des Arbeitsplatzes auszulösen. Die maßgebliche Motivlage des Klägers für diese Gespräche ist unklar. Letztlich bleibt die Annahme der Beklagten, der Kläger habe die beiden Fertigungsmeister "perfide gegeneinander ausgespielt" und "bewusst Falschinformationen gestreut, um Existenzängste hervorzurufen", reine Spekulation. Selbst wenn man den bestrittenen Vortrag der Beklagten zu 1) über den Inhalt der Gespräche vom 17.04.2014 als wahr unterstellt, ist der von ihr bemängelte negative Führungsstil des Klägers nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ohne Abmahnung nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen. Zu Gunsten des Klägers ist in die Gesamtbetrachtung auch einzubeziehen, dass die Ängste der Fertigungsmeister vor dem Arbeitsplatzverlust in erster Linie auf den (damals noch beabsichtigten) Personalabbau im Werk der Beklagten zu 1) zurückzuführen waren. Selbst wenn der Kläger durch sein Verhalten die Sorgen noch bestärkt haben sollte, sind sie von ihm nicht monokausal ausgelöst worden.

68

2. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1) war auf den zweitinstanzlichen Hilfsantrag gem. §§ 9,10 KSchG zum 31.08.2014 gegen Zahlung einer Abfindung iHv. € 28.430,00 brutto aufzulösen.

69

a) Die Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber berechtigt ist, den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu stellen, liegen im Streitfall vor. Die Beklagte zu 1) hat den Auflösungsantrag in der Berufungsschrift vom 07.07.2015 rechtzeitig gestellt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und ihn zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht erwarten lassen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift kann der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Das Gericht hat gem. § 9 Abs. 2 KSchG für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Das ist hier wegen der arbeitsvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende der 31.08.2014.

70

Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (vgl. BAG 23.02.2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 28 mwN, NZA 2010, 1123; BAG 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 10 mwN, NJW 2010, 3798). Bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung rechtfertigen kann, haben die Arbeitsgerichte die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen (vgl. BVerfG 22.10.2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe, NZA 2005, 41).

71

Auflösungsgründe für den Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (vgl. BAG 19.11.2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 60, Juris). Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (vgl. BAG 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 11, mwN, aaO). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (vgl. BAG 23.02.2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, aaO).

72

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Auflösungsantrag der Beklagten zu 1) begründet. Die notwendige Vertrauensgrundlage zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin, der Beklagten zu 1), sowie seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Beklagten zu 2), ist so stark erschüttert, dass eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit in Zukunft nicht zu erwarten ist.

73

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich mit ihrem Schreiben vom 10.06.2014 an die drei Vorstandsmitglieder der W. AG persönlich gewandt und diese dringend aufgefordert, auf den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. Für den Fall, dass die drei Vorstandsmitglieder nicht die von ihr geschilderten "völlig unhaltbaren Zustände" bei der Beklagten zu 1) gegenüber ihrem Mandaten abstellen sollten, hat sie ua. damit gedroht, die Presse einzuschalten. Diese Drohung gegenüber der Konzernmutter mit Unannehmlichkeiten in der Öffentlichkeit - und zwar durch die Information der Presse - hat die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit der Parteien entfallen lassen (vgl. zur Androhung von Presseveröffentlichungen BAG 19.11.2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 36 mwN, Juris; BAG 08.05.2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20 mwN - NZA 2014, 1258; KR-Fischmeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408). Gerade in seiner Position als Fertigungsleiter hat der Kläger mit dem Schreiben seiner Rechtsanwältin an die W. AG, das er veranlasst hat, die unverzichtbare Loyalität zu seiner Arbeitgeberin vermissen lassen. Zwischen dem Kläger und der W. AG bestanden keine vertraglichen Beziehungen. Das Schreiben an deren Vorstände diente, wie der gesamten Diktion zu entnehmen ist, allein dem Zweck, den Geschäftsführer und den kaufmännischen Leiter seiner Arbeitgeberin bei der Konzernspitze in ein schlechtes Licht zu rücken, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen, bis hin zum Ziel, von der bereits erklärten Kündigung Abstand zu nehmen, zu erreichen. Durch die Drohung, die Presse einzuschalten, wenn der Vorstand der Konzernmutter nicht in der gewünschten Form auf die Beklagten Einfluss nehmen sollte, um seine Individualansprüche durchzusetzen, hat der Kläger die Basis einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit aufgekündigt. Er hat einem konzernrechtlich verbundenen Unternehmen eine Anprangerung in der Öffentlichkeit für den Fall angedroht, dass dieses nicht auf seine Vorstellungen ("dringende Aufforderung zur Einflussnahme") eingehen sollte. Das Verhalten seiner Rechtsanwältin muss sich der Kläger zurechnen lassen. Sie handelte, wie sich aus dem Inhalt des Schreibens vom 10.06.2014 ergibt, ausdrücklich in seinem Auftrag.

74

Die Drohung war auch widerrechtlich. Zwar unterliegt die Veranlassung einer Presseveröffentlichung dem Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Deshalb muss auch die Frage, ob der mit der Information der Presse Drohende sich eines rechtmäßigen oder eines rechtswidrigen Mittels bedient, im Lichte dieses Grundrechts beurteilt werden. Es ist nicht allgemein unzulässig, mit einem privaten Rechtsstreit an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn interne Einigungsversuche scheitern (vgl. BGH 19.04.2005 - X ZR 15/04 - Rn. 30 ff, NJW 2005, 2766). Vorliegend bestand jedoch bei Abwägung beider Rechtspositionen kein legitimes Interesse daran, sich mit einer Drohung an die Konzernmutter zu wenden, um damit die Beklagte zu 1) in Bezug auf den Arbeitsvertrag des Klägers zum Einlenken zu bewegen. Zwar vertritt der Kläger im Schriftsatz vom 07.11.2015 die Auffassung, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien sehr wohl zu erwarten sei. Der entsprechenden Wertung des Klägers vermag die Berufungskammer aus den dargestellten Gründen nicht zu folgen. Ob noch weitere Auflösungsgründe vorliegen, insb. wegen Abgabe einer vorsätzlich falschen eidesstattlichen Versicherung im einstweiligen Verfügungsverfahren, kann dahinstehen.

75

c) Im Streitfall hält die Berufungskammer eine Abfindung iHv. € 28.430,00 für angemessen. Nach § 10 Abs. 1 KSchG ist bei der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses als Abfindung ein Betrag von bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers betrug vorliegend nur fünf Jahre, so dass kein Anlass besteht, den Abfindungsrahmen voll auszuschöpfen. Hinzu kommt, dass der Kläger keine Unterhaltspflichten hat. Zudem hat er nach seinen Angaben in der Berufungsverhandlung ab dem 13.05.2015, wenn auch zu einer geringeren Vergütung, eine neue Arbeitsstelle gefunden. Allerdings erscheint die sog. "Regelabfindung" von einem halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (vgl. BAG 21.06.2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 40, NZA 2013, 199) unter Berücksichtigung des Lebensalter des Klägers, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, und des Grades der Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht angemessen. Auch das Verhalten der Beklagten, um den Kläger dazu zu bewegen, ihr letztes Abfindungsangebot vom 09.05.2014 iHv. € 20.000,00 zu akzeptieren (siehe nachfolgend unter 4.) und die damit verbundenen psychischen Belastungen des Klägers wurde abfindungserhöhend berücksichtigt (vgl. zu diesen Bemessungsfaktoren DLW/Dörner 13. Aufl. Kap. 4 Rn. 3553). Die Berufungskammer setzt die Höhe der Abfindung bei einer Würdigung der Gesamtumstände auf ein Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr, mithin auf € 28.430,00 (€ 5.686 x 5) fest. Dieser Betrag ist einerseits ausreichend, andererseits aber auch erforderlich, um den Kläger angemessen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen.

76

3. Die Beklagte zu 1) ist nicht verpflichtet, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen. Der Auflösungsantrag der Beklagten zu 1) hat gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG Erfolg. Das Arbeitsverhältnis ist durch das vorliegende Urteil mit Ablauf des 31.08.2014 aufgelöst worden.

77

4. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin mit dem Beklagten zu 2) verpflichtet ist, an den Kläger gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Schmerzensgeld iHv. € 1.000,00 zu zahlen. Ein höheres Schmerzensgeld kann der Kläger nicht beanspruchen.

78

a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Privatrechtsverkehr und insbesondere auch im Arbeitsverhältnis zu beachten. Ein auf § 823 Abs. 1 BGB gestützter Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung setzt voraus, dass die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. zuletzt BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 14 mwN, NZA 2015, 994).

79

Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der ua. auf den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Es umfasst auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (vgl. BAG 28.10.2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 19). Die Nichterfüllung des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers stellt eine Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, die im Einzelfall je nach Schwere des Eingriffs einen Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Geldentschädigung auslösen kann (vgl. lag Rheinland-Pfalz 05.06.2014 - 2 Sa 394/13 - Rn. 75 mwN, Juris).

80

b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass aufgrund der gesamten Umstände des vorliegenden Falls eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vorlag.

81

Der Beklagte zu 2) hat dem Kläger ab dem 09.05.2014 untersagt, den Fertigungsbereich zu betreten. Stattdessen hat er ihm einen Schreibtischarbeitsplatz in einem Konferenzraum zugewiesen, der zunächst weder mit einem Computer noch mit einem Telefon ausgestattet war. Der Kläger war - in seiner Position als Fertigungsleiter - nicht nur aus dem Fertigungsbereich ausgegrenzt, sondern auch von üblichen Kommunikationsmitteln abgeschnitten worden. Die besondere Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ergibt sich im Streitfall daraus, dass der Beklagte zu 2) den Kläger mit diesem Vorgehen veranlassen wollte, den angebotenen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 2) den Arbeitnehmer R., der dem Kläger unterstellt war, beauftragt hat, dafür zu sorgen, dass der Kläger den Fertigungsbereich nicht betritt. Dass sich R. geweigert hat, dieser Anweisung Folge zu leisten, entlastet den Beklagten zu 2) nicht. Im Vorgehen des Beklagten zu 2) lag eine im Betrieb offen zu Tage getretene Ausgrenzung und Herabwürdigung des Klägers, die als rechtswidrige Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bewerten ist. Insbesondere steht der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers kein schutzwürdiges Interesse des Beklagten zu 2) gegenüber, denn der Kläger war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, das Abfindungsangebot der Beklagten anzunehmen.

82

In der Reaktion des Beklagten zu 2) auf die fehlende Bereitschaft des Klägers, aus dem Arbeitsverhältnis freiwillig auszuscheiden, liegt eine schwerwiegende Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Da diese in anderer Weise nicht mehr ausgeglichen werden kann, erachtet die Berufungskammer - wie bereits das Arbeitsgericht - unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falls ein Schmerzensgeld iHv. € 1.000,00 für angemessen, aber auch ausreichend. Mit diesem Geldbetrag ist dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Prävention hinreichend Rechnung getragen.

83

Die Beklagte zu 1) haftet als Gesamtschuldner zusammen mit dem Beklagten zu 2), denn sie hat dessen Verschulden gem. § 278 Satz 1 BGB wie eigens zu vertreten (vgl. BAG 28.04.2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 46 mwN, NZA-RR 2012, 290).

84

Der Kläger hat gem. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB seit 29.07.2014 Anspruch auf Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe.

III.

85

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

86

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers


(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 10 Höhe der Abfindung


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1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.05.2014 nicht zum 31.08.2014 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2014 zu zahlen.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4 %, die Beklagte zu 96 %.

5. Der Streitwert wird auf 24.744,00 EUR festgesetzt.

6. Berufung wird nicht zugelassen, soweit nicht bereits kraft Gesetzes statthaft.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung nebst Ansprüchen dessen auf Schmerzensgeldzahlungen.

2

Der am ----- geborene Kläger war seit dem 01.03.2009 bei der Beklagten, einem zum ------Konzern gehörender Backformenhersteller, zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt von EUR 5.686,00 beschäftigt. Im Hause der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Zum 01.01.2011 wurde der Kläger zum Fertigungsleiter ernannt. In dieser Eigenschaft erhielt er ab dem 01. Januar 2013 zusätzliche Verantwortung für die Abteilungen Werkzeugbau, Instandhaltung, Industrial Engineering. Am 30.04.2014 kam der Kläger auf Bitten der Beklagten, da dieser in der Zeit vom 22.04. bis 02.05.2014 Urlaub hatte, in den Betrieb. Hintergrund war die Benötigung von Informationen zu der Beschaffung einer Etikettiermaschine. Im Rahmen dieses Gespräches wurde dem Kläger der schriftliche Entwurf eines Aufhebungsvertrages überreicht und ihm Bedenkzeit bis zum 05. Mai 2014 eingeräumt, dem ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub. Nachdem mehrere Kontakte hinsichtlich des Aufhebungsvertrages zu keinem Ergebnis führten, trat der Kläger am 09. Mai 2014 (tatsächlich) wieder seine Arbeit an. An diesem Tag wurde der Kläger seitens des Beklagten zu 2), nachdem er sich bei diesem gemeldet hatte, in den Konferenzraum II der Verwaltung geführt und angewiesen, nicht in die Fertigung zu gehen. Zuvor hatte der Beklagte zu 2) den Mitarbeiter ------ gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht in die Fertigung geht, was dieser ablehnte unter Hinweis darauf, dass der Kläger sein Chef sei und er ihm nichts sagen könne. Nachdem der Beklagte zu 2) den Kläger in den Konferenzraum begleitet hatte, entfernte der Beklagte zu 2) das dortige Telefon. Kurze Zeit später erschien der Kläger in Begleitung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ----- bei der Beklagten zu 2). Im Anschluss an das stattgefundene Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, erkrankte der Kläger arbeitsunfähig bis einschließlich 24.05.2014. Am Montag, den 26. Mai 2014, kehrte der Kläger zur Beklagten zurück, wo er sich bis zum Antritt seines Urlaubs am 01.06.2014 ein Büro in dem ihm zugewiesenen Konferenzraum einrichtete. Das dort befindliche Telefon war lediglich zur Inhousenutzung freigeschaltet. Mit Schreiben vom 14.05.2014 wurde der im Hause der Beklagten befindliche Betriebsrat zu der Kündigung des Klägers angehört (Bl. 94 - 97 d. A.). Mit Schreiben vom 27.05.2014, dem Kläger taggleich überreicht, sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2014 aus (s. Bl. 7 d. A.). Mit dem 17.06.2014 stellte die Beklagte den Kläger unwiderruflich und bezahlt unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei (Bl. 99 d. A.). Mit seiner am 12. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene ordentliche Kündigung und begehrt die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

3

Er trägt hierzu vor:

4

Nachdem er am 09.05.2014 bei der Beklagten zu 1) erschienen sei, habe der Beklagte zu 2) ihn in den dunklen Konferenzraum geführt, in dem sämtliche Jalousien geschlossen und das Licht abgeschaltet gewesen sei, im Übrigen unstreitig. Diese Vorgehensweise sei am Freitag zuvor seitens dessen gegenüber dem Kläger unterstellten Mitarbeitern angekündigt worden. Der Beklagte zu 2) habe ihm strikt untersagt, den Raum zu verlassen. Er habe nun Gelegenheit, sich seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag zu überlegen bzw. sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages klar zu werden, ebenfalls unbestritten. Entsetzt, verängstigt, verwirrt und ungläubig habe er zunächst dort verharrt, bis er mit seinem Handy den Betriebsratsvertreter angerufen habe mit dem er sodann den Beklagten zu 2) aufgesucht habe. Dieser habe ihn sodann angewiesen, sofort und weisungsgemäß in den abgedunkelten Raum zurückzukehren und dort zu bleiben. Die EDV-Abteilung habe die Weisung seitens des Beklagten zu 2) erhalten, ihn durch das fehlende Freischalten des Rechners am Arbeiten zu hindern. Ebenso sei ein Zugang zum firmeninternen Intranet gesperrt worden sowie den Zugang zu sämtlichen Emails. Im Übrigen habe ein Betretungsverbot für alle Räume des Unternehmens, insbesondere des gesamten Produktionsbereiches bestanden.

5

Er beantragt,

6

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 nicht aufgelöst worden ist.

7

2. Die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihn als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

8

3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes, das für den Fall der Säumnis beziffert wird auf EUR 2.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagten beantragen,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie tragen hierzu vor:

12

Verschiedene Fehlverhalten seien der Kündigung zugrunde zu legen. Zunächst sei der Kläger im März 2014 mit der Beschaffung einer Etikettiermaschine beauftragt gewesen mit einem Investitionsvolumen von EUR 18.000,00. Diese hätte er aufgrund des Volumens und der existierenden Unterschriftenregelung im Hause der Beklagten zu 1) über die Abteilung Einkauf abwickeln müssen, was er versäumt habe. Im Übrigen sei die Bearbeitung der Angelegenheit seitens des Klägers nur schleppend erfolgt, mit der Folge, dass die Maschine erst Ende Juni 2014 zur Verfügung gestanden habe. Ferner habe es der Kläger versäumt, für die Samstagsarbeit in den Kalenderwochen 19 bis 22/14 Mitarbeiter des Werkzeugbaus zur Verfügung zu stellen. Ein Antrag hierüber sei bei dem Betriebsrat nicht gestellt worden. Endgültig zu dem Entschluss, sich von ihm zu trennen, habe ein Gespräch geführt, das der Kläger mit den Fertigungsmeistern ----- und ----- am 17.04.2014 geführt habe. Im Rahmen dessen habe er diesen gegenüber wahrheitswidrig mitgeteilt, dass es zukünftig im Hause der Beklagten zu 1) keine Fertigungsmeister mehr geben werde und die Produktion zukünftig von dem Geschäftsführer und ihm geführt werde. Diese bewusste Falschinformation habe bei den Meistern zu großer Verunsicherung geführt und sei im Übrigen derart nie seitens des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) geäußert worden. Das Fehlverhalten sei zuvor auch einschlägig abgemahnt worden. Nachdem man mehrfach methodische und soziale Kompetenz des Klägers bemängelt habe, ebenso wie die Nichteinhaltung vereinbarter Termine und er diesbezüglich auch ein Einzelcoaching erhielt, sei die Situation Mitte 2013 eskaliert, woraufhin es am 25. Juni 2013 zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1), dem Beklagten zu 2) und dem Kläger gekommen sei. Eine Mitschrift über dieses Gespräch sei gefertigt worden (Bl. 131 f. d. A.). Dem Kläger wurden im Rahmen dieses Gespräches insbesondere die bestehenden Probleme bei den beiden Produkten Herdbackblech und Pizzablech vorgehalten. Bei dem Herdbackblech habe die Beklagte zu 1) den Auftrag für die Firma ----- über 2.000 Bleche absagen müssen, weil seit der Inbetriebnahme vor einem Jahr die Werkzeuge dafür nicht funktioniert hätten und zu keinem Zeitpunkt eine ausreichende Prozesssicherheit vorhanden gewesen sei. Ähnliche Probleme habe es mit dem Werkzeug für die Pizzaform gegeben, das ebenfalls nicht funktioniert habe, da es der Kläger versäumt habe, rechtzeitig genügend fachlich qualifiziertes Personal zu rekrutieren und auszubilden. Diese Situation habe der Kläger zu beantworten. Zu allem Überfluss hat er im Übrigen unstreitig den beiden Meistern in der Fertigung in der 31. Kalenderwoche 2013 zeitlich Urlaub gewährt. Dies habe zwangsläufig dazu führen müssen, dass er selber zu sehr durch das Tagesgeschäft in Anspruch genommen worden sei und ihm deshalb die Zeit für eine strategische Ausrichtung seines Verantwortungsbereiches gefehlt habe. Am Ende des Gespräches habe der Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger ausdrücklich erklärt, dass dies das letzte Gespräch wegen derartiger Vorfälle sei und die Beklagte sich von ihm trennen werde, sollte sich ähnliches wiederholen. Die Schilderungen des Klägers zu den Geschehnissen seit dem 05.05.2014 seien so nicht richtig. Der Beklagte zu 2) habe sich mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abgestimmt, dem Kläger den Konferenzraum II im Verwaltungsgebäude zuzuweisen und ihm zu untersagen, die Gebäude der Technik/Fertigung zu betreten, um unnötige Unruhe im Betrieb zu vermeiden. Zuvor habe man noch im Büro des Beklagten zu 2) über die Konditionen des angebotenen Aufhebungsvertrages verhandelt. Zwar seien die Rollos des Konferenzraumes nach unten gelassen gewesen und das Licht ausgeschaltet. Man sei jedoch davon ausgegangen, der Kläger wisse, wie man Licht an macht und Rollos nach oben ziehe. Das Telefon sei nur entfernt worden, um es so schalten zu lassen, dass nur Inhousegespräche möglich gewesen seien. Es sollte vermieden werden, dass der Kläger sich gegen den Willen der Beklagten zu 1) mit Lieferanten in Verbindung setzte. Auch bei dem Gespräch in Begleitung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ----- im Büro des Beklagten zu 2) sei lediglich auf die Frage, warum er zu ihm komme, seitens des Herrn ----- erklärt worden, dass es um den Kläger gehe, woraufhin der Kläger sofort erklärt habe, dass er sich nicht wohl fühle und zum Arzt müsse, woraufhin ihm seitens des Beklagten zu 2) gute Besserung gewünscht worden sei. Weitere Gespräche hätten nicht stattgefunden. Im Übrigen habe sich der Kläger im Verwaltungsbereich frei bewegen können. Auch ein Laptop und sonstige notwendige Arbeitsmittel seien ihm zur Verfügung gestellt worden, um ihn mit bis dato unerledigten Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich zu beschäftigen. Am Tag vor der Wiederaufnahme der Tätigkeit des Klägers am 09.05.2014 habe man den Mitarbeiter ----- gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht in die Fertigung gehe und ihn gebeten, ihn, den Beklagten zu 2) zu informieren, wenn der Kläger eintreffe. Er habe keine Anweisung gegeben, ihn in einen abgedunkelten Raum zu setzen.

13

Der Kläger trägt hierzu vor:

14

Eine mündliche Abmahnung habe er nie erhalten. Bei dem Gespräch am 25.07.2013 sei es lediglich um die Produktionsprobleme nicht aber um persönliches Fehlverhalten seinerseits gegangen. Die Mitschrift des Gesprächsprotokolls habe er nie gesehen, im Übrigen werde sein Inhalt bestritten. Auch sei der letzte Absatz, die angebliche Abmahnung, des Gesprächsprotokolls nachträglich ergänzt worden. Produktionsprobleme seien ihm nicht anzulasten. Er sei bezüglich der Herdbackbleche zu keinem Zeitpunkt, weder bei der Entwicklung, noch bei der Vergabe und Freigabe des Werkzeugs, einbezogen gewesen. Allein der Werkzeugbau von ----- habe Kontakt zum Hersteller gehabt. Auch bezüglich der Pizzaform sei ihm nichts vorzuwerfen. Nach tagelangem Ringen mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) habe er schließlich die Erlaubnis erhalten, eigens einen Mitarbeiter der Stanzerei zum Schichtleiter zu qualifizieren. Trotz wiederholter Beanstandungen habe der Geschäftsführer stets nur ständig wechselnde Leiharbeiter gestellt und qualifiziertes Personal verweigert. Die Probleme seien, wie so oft, allein auf diese Fehlentscheidung zurückzuführen. Zwar habe er tatsächlich zwei Meistern gleichzeitig Urlaub gegeben, dies habe jedoch den Mitarbeitern zur Motivation gedient, da dies auf drängendes Bitten derer geschehen sei. Auch hinsichtlich der Etikettiermaschine habe er sich korrekt verhalten und alles zeitnah und in Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) veranlasst und auch seine Kompetenzen nicht überschritten. Der Investitionsantrag sei, im Übrigen unstreitig, von dem Geschäftsführer selbst unterzeichnet worden. Das es zu Verzögerungen gekommen sei, habe allein an technischen Problemen des Herstellers ----- gelegen.

15

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle vom 04.09.2014 sowie 30.04.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

17

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 beendet. Die Beklagte zu 1) ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen. Die Beklagten zu 1) und 2) sind verpflichtet, gesamtschuldnerisch an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 nebst Zinsen zu zahlen.

I.

18

Die Kündigung vom 27.05.2014 ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Sie ist nicht durch Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Die von der Beklagten zu 1) vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen nicht den Schluss, es lägen verhaltensbedingte Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vor.

19

Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten einer Vertragspflicht, in der Regel schuldhaft, erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (ständige Rechtsprechung Bundesarbeitsgericht, vgl. BAG 13.12.2007, 2 AZR 818/06, Rz. 37, zitiert nach Juris).

20

Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt jedoch das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die begangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken (siehe BAG, 13.12.2007, Rz. 38 a.a.0.). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzten (BAG, 13.12.2007, a.a.O.). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Dies dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Bundesarbeitsgericht, 23.06.2009, 2 AZR 283/08 Rz. 14, zitiert nach Juris).

21

Eine Abmahnung hat eine Hinweis- und Warnfunktion zu enthalten. Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer auf Vertragsverletzung hin und droht für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen an. Er hat in der Abmahnung jeweils konkret die Tatbestände zu bezeichnen, in denen er eine Vertragspflichtverletzung sah und den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass bei wiederholtem Verhalten der gerügten Art mit einer Kündigung gerechnet werden müsse und damit der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei (BAG, 21.05.1987 2 AZR 313/86, Rz. 29, zitiert nach Juris).

22

Im vorliegenden Fall ist die Hinweisfunktion der Abmahnung nicht ausreichend erfüllt. Die Beklagte trägt vor, man habe dem Kläger am 25. Juli 2013 in dem Gespräch die Probleme bei den beiden Produktion Herdbackblech und Pizzablech vorgehalten. Bei dem Herdbackblech habe die Beklagte den Aktionsauftrag für die Firma ----- über 2.000 Bleche absagen müssen, weil von Beginn der Inbetriebnahme an vor einem Jahr die Werkzeuge dafür nicht funktioniert hätten und zu keinem Zeitpunkt eine Prozesssicherung vorhanden gewesen sei. Ihr sei ein Schaden von überschlägig rund 50.000,00 EUR entstanden. Ähnliche Probleme habe es mit dem Werkzeug für die Pizzaform gegeben. Hier habe es der Kläger versäumt, rechtzeitig genügend fachlich qualifiziertes Personal zu rekrutieren und auszubilden. Deshalb sei seinerzeit der Auftrag für -----  in Gefahr gewesen, weshalb der Beklagten ebenfalls ein wirtschaftlicher Schaden gedroht habe. Im Übrigen habe er den beiden Meistern in der 31. Kalenderwoche 2013, im Übrigen unstreitig, zeitgleich Urlaub gewährt. Man habe ihm vorgehalten, dass er trotz aller Fortbildungsmaßnahmen nach wie vor kurzsichtig agiere und ihm die Fähigkeit fehle, Engpässe und Probleme frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

23

Nach diesem Vortrag ist eine Vertragspflichtverletzung des Klägers bezüglich der Herdbackbleche und der Pizzableche nicht hinreichend nachvollziehbar. Zunächst ist hinsichtlich der Herdbackbleche ein Fehlverhalten des Klägers nicht erkennbar. Ein solches wird auch seitens der Beklagten nicht geschildert. Allein seine Stellung als Fertigungsleiter führt nicht dazu, dass ihm sämtliche Probleme der Produktion als auf ein Fehlverhalten seinerseits zurückgehend zugerechnet werden. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das Werkzeug offensichtlich zum Zeitpunkt des 25. Juli 2013 schon seit einem Jahr nicht funktioniert hat, der Kläger aber erst am 01.01.2013 die Zuständigkeit als Fertigungsleiter hierfür erhalten hat. Hinsichtlich des Werkzeuges für die Pizzaform wird dem Kläger vorgeworfen, er habe nicht rechtzeitig qualifiziertes Personal rekrutiert und ausgebildet. Dieser Vortrag allein hierfür ist auch nicht ausreichend, um ein Fehlverhalten nachvollziehen zu können. Im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers oblag es der Beklagten, substantiiert darzulegen, wieviel Mitarbeiter nötig gewesen seien, zu welchem Zeitpunkt und worin genau das Versäumnis des Klägers gelegen habe. Die Urlaubsgewährung der Meister in der 31. Kalenderwoche ist zwar unstreitig. Auch hierin ist ein Fehlverhalten nicht zu erkennen. Das dies zwangsläufig dazu führen musste, dass der Kläger selbst zu sehr durch das Tagesgeschäft in Anspruch genommen worden sei und ihm deshalb Zeit für eine strategische Ausrichtung seines Verantwortungsbereiches gefehlt habe, ist nicht nachvollziehbar. Es hat sich hier allenfalls um eine Woche gehandelt. Nicht nachvollziehbar sind eventuelle Auswirkungen dieser Entscheidung. Nach alldem kann nach dem Vorliegen einer wirksamen Abmahnung mangels Hinweisfunktion nicht ausgegangen werden. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob eine Warnfunktion tatsächlich erfüllt wurde, sei es, dass der Wortlaut, man werde sich trennen, ausreicht, um der Warnfunktion Genüge zu tun, sei es, dass diese Äußerung gar nicht gefallen sein soll, entsprechend dem Vortrag des Klägers.

24

Alles in allem fehlt es an einem zuvor als abschlägig abgemahnten Fehlverhalten seitens des Klägers. Dies führt vorliegend nach den oben genannten Grundsätzen zur Unwirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung.

25

Die in Rede stehende, dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzungen, der fehlerhaften Bearbeitung im Rahmen der Bestellung der Etikettiermaschine, das der Nichtabstellung der Mitarbeiter des Werkzeugbereiches für die Samstagsarbeit sowie das Gespräch am 17.04.2014 mit den beiden Meistern ----- und -----, wiegen auch, selbst wenn diese Vorwürfe bestätigt wären, nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grunde entbehrlich gewesen wäre. Entsprechendes trägt die Beklagte auch nicht vor.

26

Damit hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.08.2014 sein Ende gefunden.

II.

27

Die Beklagte zu 1) ist im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigung verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Fertigungsleiter zu beschäftigen.

28

Der gekündigte Arbeitnehmer hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an einer solchen Beschäftigung dem nicht entgegen stehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unwirksamkeit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dies überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Wie lange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen (BAG, Großer Senat, 27.02.1985, Gs 1/84, zitiert nach Juris).

29

Im Hinblick darauf war der Kläger bis zum Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens als Fertigungsleiter weiter zu beschäftigen.

III.

30

Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 nebst Zinsen zu zahlen.

31

Der Kläger hat gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch gegen die Beklagten auf Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00.

32

Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung geltend, muss geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene, in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bzw. ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet, noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes eines Arbeitnehmers führt (BAG 28.10.2010, 8 AZR 546/09, Rz. 17, zitiert nach Juris). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entscheidung seiner Persönlichkeit. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sogenannte Ehrenschutz, der unter anderem auch auf den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruches gerichtet ist. Er umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28.10.2010, Rz. 19). Hierzu gehört auch das Recht des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung. Wird dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit zugewiesen, die im Vergleich zur vereinbarten Beschäftigung geringer wertig ist, so kann der soziale Geltungsbereich dessen betroffen sein und dieser in seiner Wertschätzung abgewertet werden, so dass eine unterwertige Beschäftigung das Recht des Menschen auf Anerkennung und Wertschätzung seiner Persönlichkeit tangiert.

33

Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers zu bejahen.

34

Allein abstellend auf die zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalte, nämlich des Verbotes, die Fertigung zu betreten, dass dem Kläger ein Büro im Verwaltungsgebäude eingerichtet worden ist, und dass er keine Telefonate nach außen führen konnte, ist, all dies in Verbindung mit den unstreitigen Äußerungen des Beklagten, er habe nunmehr Gelegenheit, sich seine Zustimmung zur Vertragsaufhebung zu überlegen bzw. er habe nun genug Zeit, sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages klar zu werden, welcher Wortlaut auch immer gefallen sein soll, der Inhalt und Intension sind gleichwertig, sind geeignet, den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch herabzusetzen.

35

Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Fertigungsleiter für die komplette Fertigung beschäftigt. Zunächst wurde dieser Tätigkeitsbereich unstreitig räumlich und inhaltlich eingeschränkt. Die Beklagte trägt zwar vor, der Kläger habe die bis dato unerledigten Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich erledigen können. Dies ist jedoch kaum vorstellbar. Dem Kläger wurde als Fertigungsleiter verboten, die Fertigung zu betreten. Telefonate nach außen mit Kunden konnte er nicht führen. Welche Tätigkeiten im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers dies gewesen sein sollen, trägt sie nicht vor. Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass er nicht mehr gleichwertig als Fertigungsleiter tätig werden konnte. In Verbindung mit den Äußerungen des Beklagten zu 2) waren diese Maßnahmen geeignet, den Kläger unter Druck zu setzen, den ihm vorgelegten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Erschwerend kommt hinzu, dass seitens des Beklagten zu 2) der Mitarbeiter -----, ein Mitarbeiter des Klägers, angewiesen wurde, den Kläger die Fertigung betreten zu lassen. Damit wurde letztlich gegenüber Dritten, dem Kläger untergeordneten Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass dieser als Fertigungsleiter keine Beschäftigung mehr finden solle und durch sein Versetzen in den Verwaltungsbereich örtlich und sachlich ausgegrenzt werden sollte. Nach alldem war der Kläger damit in seinem sozialen Geltungsbereich als Fertigungsleiter betroffen. Die Maßnahmen waren geeignet, ihn in der Wertschätzung der Mitarbeiter seiner Fertigung abzuwerten. Die Tätigkeiten, mit denen der Kläger nunmehr beschäftigt war, können im Hinblick auf die Tätigkeitseingrenzung als Fertigungsleiter nur als minderwertig angesehen werden.

36

Nach alldem ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch die ergriffenen Maßnahmen seitens der Beklagten zu bejahen.

37

Dieser Eingriff war auch so schwerwiegend, dass es ein Ausgleich in Form einer Entschädigung vorlag (LAG Baden-Württemberg, 17.06.2014, 12 Sa 1/10, Rz. 193, zitiert nach Juris). Abgesehen von dem zeitlichen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen und der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Tatsache, dass sich dies über einen Zeitraum von weniger als einem Monat abgespielt hat, gewinnt die Verletzung jedoch an Gewicht durch die Äußerungen des Beklagten zu 2). Die Äußerungen verdeutlichen, dass die Maßnahmen überwiegend nur dazu dienten, den Kläger zum Unterzeichnen des Aufhebungsvertrages zu bringen. Auch berücksichtigt werden muss der Gesichtsverlust des Klägers vor der Belegschaft der Fertigung durch Einbeziehung derer, im Falle seiner Weiterbeschäftigung. Nach alldem hielt die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 für angemessen.

38

Das Verhalten des Beklagten zu 2) ist der Beklagten zu 1) nach § 278 BGB zuzurechnen(siehe hierzu LAG Meckenburg-Vorpommern, 05.07.2011, 5 Sa 86/11).

39

Damit war eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 1) und 2) hinsichtlich Schmerzensgeldanspruches zu bejahen.

40

Der Anspruch auf Zinszahlung ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 247 Abs. 1 BGB. Als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit wurde die Zustellung beim Beklagten zu 2) gewählt.

IV.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG. Dem Streitwert wurden vier Bruttomonatsgehälter á 5.686,00 EUR nebst EUR 2.000,00 für Schmerzensgeld zugrunde gelegt.

42

Soweit die Berufung nicht ohnehin kraft Gesetzes nach § 64 Abs. 2 Ziff. b-d statthaft ist, konnte sie nicht gemäß § 64 Abs. 2 Ziff. a ArbGG zugelassen werden, da Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes gemäß § 64 Abs. 3 Ziff. 1-3 ArbGG nicht gegeben sind. Diese Entscheidung war in den Tenor aufzunehmen (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG).

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014, Az. 5 Ga 60/14, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit einstweiliger Verfügung seine Weiterbeschäftigung, hilfsweise seine Freistellung, während eines laufenden Kündigungsprozesses.

2

Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.03.2009 zuletzt als Fertigungsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. € 6.800,- angestellt. Die Beklagte beschäftigt ca. 200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.05.2014 ordentlich zum 31.08.2014. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner am 12.06.2014 vor dem Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Kündigungsschutzklage (Az. 5 Ca 2268/14). Das Arbeitsgericht hat Kammertermin am 30.04.2015 bestimmt.

3

Der Betriebsrat hat auf die Anhörung der Beklagten zur ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 23.05.2014 reagiert, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

4

"Sehr geehrte Herren,
der Betriebsrat hat gegen die beabsichtigte Kündigung Bedenken und verweigert hiermit seine Zustimmung.
Begründung wie folgt: ..."

5

Mit Schriftsatz vom 05.09.2014 leitete der Kläger das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren ein. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014 Bezug genommen.

6

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,

7

der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits gem. Arbeitsvertrag vom 03.02.2009 mit Nachträgen vom 03.12.2010 und 11.01.2013 mit aktueller Stellenbeschreibung vom 01.01.2013 weiter zu beschäftigen,

8

hilfsweise,

9

der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits unwiderruflich freizustellen.

10

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

11

die Anträge abzuweisen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Urteil vom 25.09.2014 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Verfügungsanspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Ein Anspruch folge nicht aus § 102 Abs. 5 BetrVG, denn der Betriebsrat habe der ordentlichen Kündigung nicht iSd. § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen, sondern lediglich Bedenken geäußert. Das Schreiben des Betriebsrats vom 23.05.2014 an die Beklagte enthalte keinen Widerspruch im Rechtssinne.

13

Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründe die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Rechtsstreits. Dieses überwiege in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergehe. Im Streitfall begründe die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsrechtsstreits ein schutzwertes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers, denn die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 sei nicht offensichtlich unwirksam. Eine offensichtliche Unwirksamkeit sei insb. nicht deshalb anzunehmen, weil der Kläger behaupte, er habe vier Monate nichts von den Kündigungsgründen erfahren, seine Karriere werde ein Ende finden für den Fall der Nichtweiterbeschäftigung, im Übrigen stünde eine familiäre Veränderung an, wenn er eine neue Arbeitsstelle im süddeutschen Raum antreten müsste.

14

Auch der Hilfsantrag auf unwiderrufliche Freistellung bis zum rechtskräftigen Ab-schluss des Kündigungsrechtsstreits sei unbegründet. Die ordentliche Kündigungsfrist sei am 31.08.2014 abgelaufen. In § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags sei zwar geregelt, dass die Beklagte den Kläger jederzeit bei Weiterzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freistellen könne. Hieraus könne der Kläger jedoch keinen Freistellungsanspruch herleiten. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 8 des erstinstanzlichen Urteils vom 25.09.2014 Bezug genommen.

15

Gegen das am 22.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 12.11.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

16

Er macht geltend, er habe bei eindeutig rechtswidriger Kündigung, der der Betriebsrat auch nachdrücklich widersprochen habe, sowie bei besonderem Beschäftigungsinteresse, einen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses. Er sei seit dem 01.09.2014 bis heute arbeitslos. Eine Beschäftigung in vergleichbarer Position könne er allenfalls in Süddeutschland nach einem Umzug erlangen. Die Kündigung vom 27.05.2014 sei offensichtlich rechtswidrig, sie gefährde seine berufliche Laufbahn sowie sein Ansehen im Unternehmen nachhaltig. Nach dem Versuch, ihn durch tagelange massive Nötigungen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu veranlassen, habe ihm die Beklagte im Mai 2014 ohne jede Begründung die Kündigung erklärt.

17

Die vermeintlichen Gründe für ihre Kündigung habe die Beklagte erstmals dem Betriebsrat mitgeteilt. Ihre Darlegungen seien völlig nebulös. Sämtliche Behauptungen seien nicht nur falsch, sondern unerheblich. Der Betriebsrat habe der Kündigung widersprochen, weil er keinerlei Berechtigung zur Kündigung sehe. Die Kündigung sei damit offensichtlich rechtswidrig. Es sei unbillig, ihn bei einem solchen Sachverhalt möglicherweise jahrelang auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits warten zu lassen.

18

Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 19.11.2014 im Kündigungsrechtsstreit erstmals die Kündigung mit vermeintlichem Fehlverhalten begründet sowie mündliche Abmahnungen behauptet. Das Vorbringen sei frei erfunden. Er sei niemals abgemahnt worden und habe das behauptete Fehlverhalten nicht an den Tag gelegt. Der Sachvortrag werde bestritten und könne von der Beklagten nicht bewiesen werden. Deren Beweisangebote seien untauglich. Die Beklagte trage wider besseres Wissen vor, um ihn nach ihrer gescheiterten Nötigung zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags noch irgendwie loszuwerden.

19

Der Hilfsantrag auf Freistellung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte sich im Arbeitsvertrag das Recht ausbedungen habe, ihn jederzeit freizustellen. Er könne also bei einem entsprechenden Einwand seine Beschäftigung im Betrieb nicht durchsetzen, dann aber jedenfalls die Weiterzahlung des vereinbarten Arbeitslohns einschließlich der monatlich zu zahlenden Jahresprämie bei unwiderruflicher Freistellung verlangen. Er könne sich ohne eine solche Klärung nicht anderweitig vertraglich verpflichten und auch noch nach Süddeutschland umziehen. Die Beklagte suche vollendete Tatsachen zu schaffen. Eine gerichtliche Entscheidung sei deshalb zwingend geboten. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 12.11.2014 und vom 29.12.2014 Bezug genommen.

20

Der Verfügungskläger beantragt zweitinstanzlich,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014, Az. 5 Ga 60/14, aufzuheben und
der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Arbeitsgericht Koblenz - 5 Ca 2268/14) gemäß Arbeitsvertrag vom 03.02.2009 mit Nachträgen vom 03.12.2010 und 11.01.2013 mit aktueller Stellenbeschreibung vom 01.01.2013 weiter zu beschäftigen,

22

hilfsweise,

23

der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Arbeitsgericht Koblenz - 5 Ca 2268/14) unwiderruflich bei Weiterzahlung des gesamten Arbeitslohns freizustellen.

24

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil sich der Kläger mit der angefochtenen Entscheidung nicht auseinandergesetzt habe. Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 04.12.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Der Betriebsrat habe der Kündigung nicht widersprochen. Die Kündigungsgründe habe sie im Kündigungsschutzprozess mit Schriftsatz vom 19.11.2014 zwischenzeitlich dargelegt. Ihr Personalleiter habe den Kläger in einem Gespräch vom 25.07.2013 ausdrücklich abgemahnt.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz ist mangels einer den Anforderungen der §§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung bereits unzulässig.

29

Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 11.11.2014 - 3 AZR 404/13 - Juris).

30

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vorliegend nicht. Eine argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung des erstinstanzlichen Urteils findet nicht statt. Die Berufungsbegründung enthält zu den Erwägungen des Arbeitsgerichts, auf die es seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, keine Ausführungen. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Daran fehlt es. Es reicht nicht aus, die vom Kläger für richtig gehaltene Rechtsauffassung darzustellen.

II.

31

Unabhängig davon ist die Berufung aber auch unbegründet. Nach § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG finden die Vorschriften der ZPO über die einstweilige Verfügung auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren Anwendung. Das Begehren des Klägers scheitert sowohl am Verfügungsgrund als auch am Verfügungsanspruch.

32

1. Es fehlt bereits an einem Verfügungsgrund, weil der Kläger die Dringlichkeit des vorliegenden Verfahrens durch seine widersprüchliche Antragstellung selbst widerlegt. Sein prozessuales Verhalten verfehlt die den §§ 935, 940 ZPO zu Grunde liegende gesetzliche Intension.

33

Die mangelnde Dringlichkeit des Begehrens wird bereits dadurch indiziert, dass Haupt- und Hilfsantrag in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander stehen. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen. Dieser Zielrichtung steht diametral entgegen, dass er hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn unwiderruflich freizustellen. Entweder ist es dringend erforderlich, dass die Beklagte den Kläger weiterbeschäftigt oder es ist dringend erforderlich, dass sie ihn unwiderruflich freistellt.

34

2. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung seiner Entscheidung vollkommen zutreffend ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Verfügungsanspruch auf Weiterbeschäftigung - hilfsweise auf Freistellung - bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Az. 5 Ca 2268/14) hat.

35

a) Ein Verfügungsanspruch des Klägers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2014 folgt nicht aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

36

Zwar hat der Kläger gegen die Kündigung vom 27.05.2014 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der Betriebsrat hat der Kündigung jedoch nicht iSd. § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen, sondern lediglich Bedenken geäußert. Das ergibt sich nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens des Betriebsrats vom 23.05.2014 an die Beklagte. Dies belegt bereits die Formulierung: "Der Betriebsrat hat gegen die beabsichtigte Kündigung Bedenken". Von einem Widerspruch im Rechtssinne kann vorliegend keine Rede sein.

37

b) Der Kläger kann sein Weiterbeschäftigungsbegehren auch nicht auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch stützen. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

38

Zwar hat der gekündigte Arbeitnehmer unter Umständen einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Dieser Anspruch kann jedoch nach Ausspruch einer Kündigung und nach Ablauf der Kündigungsfrist außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung erst dann durchgesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess ist nach Ablauf der Kündigungsfrist ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers anzuerkennen (vgl. BAG GS 27.02.1985 - GS 1/84 - Juris).

39

Bislang ist erstinstanzlich nicht festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 nicht aufgelöst worden ist. Der Kammertermin im Kündigungsprozess findet am 30.04.2015 statt. Damit kann ein überwiegendes Interesse des Klägers an seiner sofortigen Weiterbeschäftigung nicht festgestellt werden. Die Kündigung der Beklagten vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 ist nicht offensichtlich unwirksam. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt.

40

Eine offensichtlich unwirksame Kündigung liegt nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (vgl. BAG GS 27.02.1985, aaO). Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27.05.2014 drängt sich nicht auf, vielmehr besteht Anlass für eine Prüfung, ob verhaltensbedingte Kündigungsgründe vorliegen, die allerdings im Kündigungsschutzprozess (5 Ca 2268/14) erfolgen muss.

41

c) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung seiner Vergütung für die Dauer des Kündigungsprozesses. Für dieses Begehren besteht keine Anspruchsgrundlage. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Aus dem Umstand, dass sich die Beklagte im schriftlichen Arbeitsvertrag vorbehalten hat, den Kläger ggf. unter Fortzahlung der Vergütung von seiner Arbeitspflicht freizustellen, folgt nichts anderes. Der Kläger unterliegt nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2014 keiner Arbeitspflicht mehr, von der er freigestellt werden könnte.

42

Weshalb sich der Kläger daran gehindert sieht, eine Tätigkeit im süddeutschen Raum aufzunehmen, ist nicht nachvollziehbar. Wie die gesetzlichen Regelungen in §§ 11, 12 KSchG zeigen, ist ein Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits nicht daran gehindert, ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Er ist vielmehr verpflichtet, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.

III.

43

Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

44

Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Urteil nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.05.2014 nicht zum 31.08.2014 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2014 zu zahlen.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4 %, die Beklagte zu 96 %.

5. Der Streitwert wird auf 24.744,00 EUR festgesetzt.

6. Berufung wird nicht zugelassen, soweit nicht bereits kraft Gesetzes statthaft.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung nebst Ansprüchen dessen auf Schmerzensgeldzahlungen.

2

Der am ----- geborene Kläger war seit dem 01.03.2009 bei der Beklagten, einem zum ------Konzern gehörender Backformenhersteller, zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt von EUR 5.686,00 beschäftigt. Im Hause der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Zum 01.01.2011 wurde der Kläger zum Fertigungsleiter ernannt. In dieser Eigenschaft erhielt er ab dem 01. Januar 2013 zusätzliche Verantwortung für die Abteilungen Werkzeugbau, Instandhaltung, Industrial Engineering. Am 30.04.2014 kam der Kläger auf Bitten der Beklagten, da dieser in der Zeit vom 22.04. bis 02.05.2014 Urlaub hatte, in den Betrieb. Hintergrund war die Benötigung von Informationen zu der Beschaffung einer Etikettiermaschine. Im Rahmen dieses Gespräches wurde dem Kläger der schriftliche Entwurf eines Aufhebungsvertrages überreicht und ihm Bedenkzeit bis zum 05. Mai 2014 eingeräumt, dem ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub. Nachdem mehrere Kontakte hinsichtlich des Aufhebungsvertrages zu keinem Ergebnis führten, trat der Kläger am 09. Mai 2014 (tatsächlich) wieder seine Arbeit an. An diesem Tag wurde der Kläger seitens des Beklagten zu 2), nachdem er sich bei diesem gemeldet hatte, in den Konferenzraum II der Verwaltung geführt und angewiesen, nicht in die Fertigung zu gehen. Zuvor hatte der Beklagte zu 2) den Mitarbeiter ------ gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht in die Fertigung geht, was dieser ablehnte unter Hinweis darauf, dass der Kläger sein Chef sei und er ihm nichts sagen könne. Nachdem der Beklagte zu 2) den Kläger in den Konferenzraum begleitet hatte, entfernte der Beklagte zu 2) das dortige Telefon. Kurze Zeit später erschien der Kläger in Begleitung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ----- bei der Beklagten zu 2). Im Anschluss an das stattgefundene Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, erkrankte der Kläger arbeitsunfähig bis einschließlich 24.05.2014. Am Montag, den 26. Mai 2014, kehrte der Kläger zur Beklagten zurück, wo er sich bis zum Antritt seines Urlaubs am 01.06.2014 ein Büro in dem ihm zugewiesenen Konferenzraum einrichtete. Das dort befindliche Telefon war lediglich zur Inhousenutzung freigeschaltet. Mit Schreiben vom 14.05.2014 wurde der im Hause der Beklagten befindliche Betriebsrat zu der Kündigung des Klägers angehört (Bl. 94 - 97 d. A.). Mit Schreiben vom 27.05.2014, dem Kläger taggleich überreicht, sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2014 aus (s. Bl. 7 d. A.). Mit dem 17.06.2014 stellte die Beklagte den Kläger unwiderruflich und bezahlt unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei (Bl. 99 d. A.). Mit seiner am 12. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene ordentliche Kündigung und begehrt die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

3

Er trägt hierzu vor:

4

Nachdem er am 09.05.2014 bei der Beklagten zu 1) erschienen sei, habe der Beklagte zu 2) ihn in den dunklen Konferenzraum geführt, in dem sämtliche Jalousien geschlossen und das Licht abgeschaltet gewesen sei, im Übrigen unstreitig. Diese Vorgehensweise sei am Freitag zuvor seitens dessen gegenüber dem Kläger unterstellten Mitarbeitern angekündigt worden. Der Beklagte zu 2) habe ihm strikt untersagt, den Raum zu verlassen. Er habe nun Gelegenheit, sich seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag zu überlegen bzw. sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages klar zu werden, ebenfalls unbestritten. Entsetzt, verängstigt, verwirrt und ungläubig habe er zunächst dort verharrt, bis er mit seinem Handy den Betriebsratsvertreter angerufen habe mit dem er sodann den Beklagten zu 2) aufgesucht habe. Dieser habe ihn sodann angewiesen, sofort und weisungsgemäß in den abgedunkelten Raum zurückzukehren und dort zu bleiben. Die EDV-Abteilung habe die Weisung seitens des Beklagten zu 2) erhalten, ihn durch das fehlende Freischalten des Rechners am Arbeiten zu hindern. Ebenso sei ein Zugang zum firmeninternen Intranet gesperrt worden sowie den Zugang zu sämtlichen Emails. Im Übrigen habe ein Betretungsverbot für alle Räume des Unternehmens, insbesondere des gesamten Produktionsbereiches bestanden.

5

Er beantragt,

6

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 nicht aufgelöst worden ist.

7

2. Die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihn als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

8

3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes, das für den Fall der Säumnis beziffert wird auf EUR 2.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagten beantragen,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie tragen hierzu vor:

12

Verschiedene Fehlverhalten seien der Kündigung zugrunde zu legen. Zunächst sei der Kläger im März 2014 mit der Beschaffung einer Etikettiermaschine beauftragt gewesen mit einem Investitionsvolumen von EUR 18.000,00. Diese hätte er aufgrund des Volumens und der existierenden Unterschriftenregelung im Hause der Beklagten zu 1) über die Abteilung Einkauf abwickeln müssen, was er versäumt habe. Im Übrigen sei die Bearbeitung der Angelegenheit seitens des Klägers nur schleppend erfolgt, mit der Folge, dass die Maschine erst Ende Juni 2014 zur Verfügung gestanden habe. Ferner habe es der Kläger versäumt, für die Samstagsarbeit in den Kalenderwochen 19 bis 22/14 Mitarbeiter des Werkzeugbaus zur Verfügung zu stellen. Ein Antrag hierüber sei bei dem Betriebsrat nicht gestellt worden. Endgültig zu dem Entschluss, sich von ihm zu trennen, habe ein Gespräch geführt, das der Kläger mit den Fertigungsmeistern ----- und ----- am 17.04.2014 geführt habe. Im Rahmen dessen habe er diesen gegenüber wahrheitswidrig mitgeteilt, dass es zukünftig im Hause der Beklagten zu 1) keine Fertigungsmeister mehr geben werde und die Produktion zukünftig von dem Geschäftsführer und ihm geführt werde. Diese bewusste Falschinformation habe bei den Meistern zu großer Verunsicherung geführt und sei im Übrigen derart nie seitens des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) geäußert worden. Das Fehlverhalten sei zuvor auch einschlägig abgemahnt worden. Nachdem man mehrfach methodische und soziale Kompetenz des Klägers bemängelt habe, ebenso wie die Nichteinhaltung vereinbarter Termine und er diesbezüglich auch ein Einzelcoaching erhielt, sei die Situation Mitte 2013 eskaliert, woraufhin es am 25. Juni 2013 zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1), dem Beklagten zu 2) und dem Kläger gekommen sei. Eine Mitschrift über dieses Gespräch sei gefertigt worden (Bl. 131 f. d. A.). Dem Kläger wurden im Rahmen dieses Gespräches insbesondere die bestehenden Probleme bei den beiden Produkten Herdbackblech und Pizzablech vorgehalten. Bei dem Herdbackblech habe die Beklagte zu 1) den Auftrag für die Firma ----- über 2.000 Bleche absagen müssen, weil seit der Inbetriebnahme vor einem Jahr die Werkzeuge dafür nicht funktioniert hätten und zu keinem Zeitpunkt eine ausreichende Prozesssicherheit vorhanden gewesen sei. Ähnliche Probleme habe es mit dem Werkzeug für die Pizzaform gegeben, das ebenfalls nicht funktioniert habe, da es der Kläger versäumt habe, rechtzeitig genügend fachlich qualifiziertes Personal zu rekrutieren und auszubilden. Diese Situation habe der Kläger zu beantworten. Zu allem Überfluss hat er im Übrigen unstreitig den beiden Meistern in der Fertigung in der 31. Kalenderwoche 2013 zeitlich Urlaub gewährt. Dies habe zwangsläufig dazu führen müssen, dass er selber zu sehr durch das Tagesgeschäft in Anspruch genommen worden sei und ihm deshalb die Zeit für eine strategische Ausrichtung seines Verantwortungsbereiches gefehlt habe. Am Ende des Gespräches habe der Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger ausdrücklich erklärt, dass dies das letzte Gespräch wegen derartiger Vorfälle sei und die Beklagte sich von ihm trennen werde, sollte sich ähnliches wiederholen. Die Schilderungen des Klägers zu den Geschehnissen seit dem 05.05.2014 seien so nicht richtig. Der Beklagte zu 2) habe sich mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abgestimmt, dem Kläger den Konferenzraum II im Verwaltungsgebäude zuzuweisen und ihm zu untersagen, die Gebäude der Technik/Fertigung zu betreten, um unnötige Unruhe im Betrieb zu vermeiden. Zuvor habe man noch im Büro des Beklagten zu 2) über die Konditionen des angebotenen Aufhebungsvertrages verhandelt. Zwar seien die Rollos des Konferenzraumes nach unten gelassen gewesen und das Licht ausgeschaltet. Man sei jedoch davon ausgegangen, der Kläger wisse, wie man Licht an macht und Rollos nach oben ziehe. Das Telefon sei nur entfernt worden, um es so schalten zu lassen, dass nur Inhousegespräche möglich gewesen seien. Es sollte vermieden werden, dass der Kläger sich gegen den Willen der Beklagten zu 1) mit Lieferanten in Verbindung setzte. Auch bei dem Gespräch in Begleitung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ----- im Büro des Beklagten zu 2) sei lediglich auf die Frage, warum er zu ihm komme, seitens des Herrn ----- erklärt worden, dass es um den Kläger gehe, woraufhin der Kläger sofort erklärt habe, dass er sich nicht wohl fühle und zum Arzt müsse, woraufhin ihm seitens des Beklagten zu 2) gute Besserung gewünscht worden sei. Weitere Gespräche hätten nicht stattgefunden. Im Übrigen habe sich der Kläger im Verwaltungsbereich frei bewegen können. Auch ein Laptop und sonstige notwendige Arbeitsmittel seien ihm zur Verfügung gestellt worden, um ihn mit bis dato unerledigten Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich zu beschäftigen. Am Tag vor der Wiederaufnahme der Tätigkeit des Klägers am 09.05.2014 habe man den Mitarbeiter ----- gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht in die Fertigung gehe und ihn gebeten, ihn, den Beklagten zu 2) zu informieren, wenn der Kläger eintreffe. Er habe keine Anweisung gegeben, ihn in einen abgedunkelten Raum zu setzen.

13

Der Kläger trägt hierzu vor:

14

Eine mündliche Abmahnung habe er nie erhalten. Bei dem Gespräch am 25.07.2013 sei es lediglich um die Produktionsprobleme nicht aber um persönliches Fehlverhalten seinerseits gegangen. Die Mitschrift des Gesprächsprotokolls habe er nie gesehen, im Übrigen werde sein Inhalt bestritten. Auch sei der letzte Absatz, die angebliche Abmahnung, des Gesprächsprotokolls nachträglich ergänzt worden. Produktionsprobleme seien ihm nicht anzulasten. Er sei bezüglich der Herdbackbleche zu keinem Zeitpunkt, weder bei der Entwicklung, noch bei der Vergabe und Freigabe des Werkzeugs, einbezogen gewesen. Allein der Werkzeugbau von ----- habe Kontakt zum Hersteller gehabt. Auch bezüglich der Pizzaform sei ihm nichts vorzuwerfen. Nach tagelangem Ringen mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) habe er schließlich die Erlaubnis erhalten, eigens einen Mitarbeiter der Stanzerei zum Schichtleiter zu qualifizieren. Trotz wiederholter Beanstandungen habe der Geschäftsführer stets nur ständig wechselnde Leiharbeiter gestellt und qualifiziertes Personal verweigert. Die Probleme seien, wie so oft, allein auf diese Fehlentscheidung zurückzuführen. Zwar habe er tatsächlich zwei Meistern gleichzeitig Urlaub gegeben, dies habe jedoch den Mitarbeitern zur Motivation gedient, da dies auf drängendes Bitten derer geschehen sei. Auch hinsichtlich der Etikettiermaschine habe er sich korrekt verhalten und alles zeitnah und in Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) veranlasst und auch seine Kompetenzen nicht überschritten. Der Investitionsantrag sei, im Übrigen unstreitig, von dem Geschäftsführer selbst unterzeichnet worden. Das es zu Verzögerungen gekommen sei, habe allein an technischen Problemen des Herstellers ----- gelegen.

15

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle vom 04.09.2014 sowie 30.04.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

17

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 beendet. Die Beklagte zu 1) ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen. Die Beklagten zu 1) und 2) sind verpflichtet, gesamtschuldnerisch an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 nebst Zinsen zu zahlen.

I.

18

Die Kündigung vom 27.05.2014 ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Sie ist nicht durch Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Die von der Beklagten zu 1) vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen nicht den Schluss, es lägen verhaltensbedingte Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vor.

19

Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten einer Vertragspflicht, in der Regel schuldhaft, erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (ständige Rechtsprechung Bundesarbeitsgericht, vgl. BAG 13.12.2007, 2 AZR 818/06, Rz. 37, zitiert nach Juris).

20

Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt jedoch das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die begangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken (siehe BAG, 13.12.2007, Rz. 38 a.a.0.). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzten (BAG, 13.12.2007, a.a.O.). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Dies dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Bundesarbeitsgericht, 23.06.2009, 2 AZR 283/08 Rz. 14, zitiert nach Juris).

21

Eine Abmahnung hat eine Hinweis- und Warnfunktion zu enthalten. Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer auf Vertragsverletzung hin und droht für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen an. Er hat in der Abmahnung jeweils konkret die Tatbestände zu bezeichnen, in denen er eine Vertragspflichtverletzung sah und den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass bei wiederholtem Verhalten der gerügten Art mit einer Kündigung gerechnet werden müsse und damit der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei (BAG, 21.05.1987 2 AZR 313/86, Rz. 29, zitiert nach Juris).

22

Im vorliegenden Fall ist die Hinweisfunktion der Abmahnung nicht ausreichend erfüllt. Die Beklagte trägt vor, man habe dem Kläger am 25. Juli 2013 in dem Gespräch die Probleme bei den beiden Produktion Herdbackblech und Pizzablech vorgehalten. Bei dem Herdbackblech habe die Beklagte den Aktionsauftrag für die Firma ----- über 2.000 Bleche absagen müssen, weil von Beginn der Inbetriebnahme an vor einem Jahr die Werkzeuge dafür nicht funktioniert hätten und zu keinem Zeitpunkt eine Prozesssicherung vorhanden gewesen sei. Ihr sei ein Schaden von überschlägig rund 50.000,00 EUR entstanden. Ähnliche Probleme habe es mit dem Werkzeug für die Pizzaform gegeben. Hier habe es der Kläger versäumt, rechtzeitig genügend fachlich qualifiziertes Personal zu rekrutieren und auszubilden. Deshalb sei seinerzeit der Auftrag für -----  in Gefahr gewesen, weshalb der Beklagten ebenfalls ein wirtschaftlicher Schaden gedroht habe. Im Übrigen habe er den beiden Meistern in der 31. Kalenderwoche 2013, im Übrigen unstreitig, zeitgleich Urlaub gewährt. Man habe ihm vorgehalten, dass er trotz aller Fortbildungsmaßnahmen nach wie vor kurzsichtig agiere und ihm die Fähigkeit fehle, Engpässe und Probleme frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

23

Nach diesem Vortrag ist eine Vertragspflichtverletzung des Klägers bezüglich der Herdbackbleche und der Pizzableche nicht hinreichend nachvollziehbar. Zunächst ist hinsichtlich der Herdbackbleche ein Fehlverhalten des Klägers nicht erkennbar. Ein solches wird auch seitens der Beklagten nicht geschildert. Allein seine Stellung als Fertigungsleiter führt nicht dazu, dass ihm sämtliche Probleme der Produktion als auf ein Fehlverhalten seinerseits zurückgehend zugerechnet werden. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das Werkzeug offensichtlich zum Zeitpunkt des 25. Juli 2013 schon seit einem Jahr nicht funktioniert hat, der Kläger aber erst am 01.01.2013 die Zuständigkeit als Fertigungsleiter hierfür erhalten hat. Hinsichtlich des Werkzeuges für die Pizzaform wird dem Kläger vorgeworfen, er habe nicht rechtzeitig qualifiziertes Personal rekrutiert und ausgebildet. Dieser Vortrag allein hierfür ist auch nicht ausreichend, um ein Fehlverhalten nachvollziehen zu können. Im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers oblag es der Beklagten, substantiiert darzulegen, wieviel Mitarbeiter nötig gewesen seien, zu welchem Zeitpunkt und worin genau das Versäumnis des Klägers gelegen habe. Die Urlaubsgewährung der Meister in der 31. Kalenderwoche ist zwar unstreitig. Auch hierin ist ein Fehlverhalten nicht zu erkennen. Das dies zwangsläufig dazu führen musste, dass der Kläger selbst zu sehr durch das Tagesgeschäft in Anspruch genommen worden sei und ihm deshalb Zeit für eine strategische Ausrichtung seines Verantwortungsbereiches gefehlt habe, ist nicht nachvollziehbar. Es hat sich hier allenfalls um eine Woche gehandelt. Nicht nachvollziehbar sind eventuelle Auswirkungen dieser Entscheidung. Nach alldem kann nach dem Vorliegen einer wirksamen Abmahnung mangels Hinweisfunktion nicht ausgegangen werden. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob eine Warnfunktion tatsächlich erfüllt wurde, sei es, dass der Wortlaut, man werde sich trennen, ausreicht, um der Warnfunktion Genüge zu tun, sei es, dass diese Äußerung gar nicht gefallen sein soll, entsprechend dem Vortrag des Klägers.

24

Alles in allem fehlt es an einem zuvor als abschlägig abgemahnten Fehlverhalten seitens des Klägers. Dies führt vorliegend nach den oben genannten Grundsätzen zur Unwirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung.

25

Die in Rede stehende, dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzungen, der fehlerhaften Bearbeitung im Rahmen der Bestellung der Etikettiermaschine, das der Nichtabstellung der Mitarbeiter des Werkzeugbereiches für die Samstagsarbeit sowie das Gespräch am 17.04.2014 mit den beiden Meistern ----- und -----, wiegen auch, selbst wenn diese Vorwürfe bestätigt wären, nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grunde entbehrlich gewesen wäre. Entsprechendes trägt die Beklagte auch nicht vor.

26

Damit hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.08.2014 sein Ende gefunden.

II.

27

Die Beklagte zu 1) ist im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigung verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Fertigungsleiter zu beschäftigen.

28

Der gekündigte Arbeitnehmer hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an einer solchen Beschäftigung dem nicht entgegen stehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unwirksamkeit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dies überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Wie lange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen (BAG, Großer Senat, 27.02.1985, Gs 1/84, zitiert nach Juris).

29

Im Hinblick darauf war der Kläger bis zum Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens als Fertigungsleiter weiter zu beschäftigen.

III.

30

Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 nebst Zinsen zu zahlen.

31

Der Kläger hat gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch gegen die Beklagten auf Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00.

32

Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung geltend, muss geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene, in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bzw. ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet, noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes eines Arbeitnehmers führt (BAG 28.10.2010, 8 AZR 546/09, Rz. 17, zitiert nach Juris). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entscheidung seiner Persönlichkeit. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sogenannte Ehrenschutz, der unter anderem auch auf den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruches gerichtet ist. Er umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28.10.2010, Rz. 19). Hierzu gehört auch das Recht des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung. Wird dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit zugewiesen, die im Vergleich zur vereinbarten Beschäftigung geringer wertig ist, so kann der soziale Geltungsbereich dessen betroffen sein und dieser in seiner Wertschätzung abgewertet werden, so dass eine unterwertige Beschäftigung das Recht des Menschen auf Anerkennung und Wertschätzung seiner Persönlichkeit tangiert.

33

Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers zu bejahen.

34

Allein abstellend auf die zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalte, nämlich des Verbotes, die Fertigung zu betreten, dass dem Kläger ein Büro im Verwaltungsgebäude eingerichtet worden ist, und dass er keine Telefonate nach außen führen konnte, ist, all dies in Verbindung mit den unstreitigen Äußerungen des Beklagten, er habe nunmehr Gelegenheit, sich seine Zustimmung zur Vertragsaufhebung zu überlegen bzw. er habe nun genug Zeit, sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages klar zu werden, welcher Wortlaut auch immer gefallen sein soll, der Inhalt und Intension sind gleichwertig, sind geeignet, den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch herabzusetzen.

35

Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Fertigungsleiter für die komplette Fertigung beschäftigt. Zunächst wurde dieser Tätigkeitsbereich unstreitig räumlich und inhaltlich eingeschränkt. Die Beklagte trägt zwar vor, der Kläger habe die bis dato unerledigten Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich erledigen können. Dies ist jedoch kaum vorstellbar. Dem Kläger wurde als Fertigungsleiter verboten, die Fertigung zu betreten. Telefonate nach außen mit Kunden konnte er nicht führen. Welche Tätigkeiten im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers dies gewesen sein sollen, trägt sie nicht vor. Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass er nicht mehr gleichwertig als Fertigungsleiter tätig werden konnte. In Verbindung mit den Äußerungen des Beklagten zu 2) waren diese Maßnahmen geeignet, den Kläger unter Druck zu setzen, den ihm vorgelegten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Erschwerend kommt hinzu, dass seitens des Beklagten zu 2) der Mitarbeiter -----, ein Mitarbeiter des Klägers, angewiesen wurde, den Kläger die Fertigung betreten zu lassen. Damit wurde letztlich gegenüber Dritten, dem Kläger untergeordneten Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass dieser als Fertigungsleiter keine Beschäftigung mehr finden solle und durch sein Versetzen in den Verwaltungsbereich örtlich und sachlich ausgegrenzt werden sollte. Nach alldem war der Kläger damit in seinem sozialen Geltungsbereich als Fertigungsleiter betroffen. Die Maßnahmen waren geeignet, ihn in der Wertschätzung der Mitarbeiter seiner Fertigung abzuwerten. Die Tätigkeiten, mit denen der Kläger nunmehr beschäftigt war, können im Hinblick auf die Tätigkeitseingrenzung als Fertigungsleiter nur als minderwertig angesehen werden.

36

Nach alldem ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch die ergriffenen Maßnahmen seitens der Beklagten zu bejahen.

37

Dieser Eingriff war auch so schwerwiegend, dass es ein Ausgleich in Form einer Entschädigung vorlag (LAG Baden-Württemberg, 17.06.2014, 12 Sa 1/10, Rz. 193, zitiert nach Juris). Abgesehen von dem zeitlichen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen und der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Tatsache, dass sich dies über einen Zeitraum von weniger als einem Monat abgespielt hat, gewinnt die Verletzung jedoch an Gewicht durch die Äußerungen des Beklagten zu 2). Die Äußerungen verdeutlichen, dass die Maßnahmen überwiegend nur dazu dienten, den Kläger zum Unterzeichnen des Aufhebungsvertrages zu bringen. Auch berücksichtigt werden muss der Gesichtsverlust des Klägers vor der Belegschaft der Fertigung durch Einbeziehung derer, im Falle seiner Weiterbeschäftigung. Nach alldem hielt die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 für angemessen.

38

Das Verhalten des Beklagten zu 2) ist der Beklagten zu 1) nach § 278 BGB zuzurechnen(siehe hierzu LAG Meckenburg-Vorpommern, 05.07.2011, 5 Sa 86/11).

39

Damit war eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 1) und 2) hinsichtlich Schmerzensgeldanspruches zu bejahen.

40

Der Anspruch auf Zinszahlung ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 247 Abs. 1 BGB. Als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit wurde die Zustellung beim Beklagten zu 2) gewählt.

IV.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG. Dem Streitwert wurden vier Bruttomonatsgehälter á 5.686,00 EUR nebst EUR 2.000,00 für Schmerzensgeld zugrunde gelegt.

42

Soweit die Berufung nicht ohnehin kraft Gesetzes nach § 64 Abs. 2 Ziff. b-d statthaft ist, konnte sie nicht gemäß § 64 Abs. 2 Ziff. a ArbGG zugelassen werden, da Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes gemäß § 64 Abs. 3 Ziff. 1-3 ArbGG nicht gegeben sind. Diese Entscheidung war in den Tenor aufzunehmen (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG).

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.05.2014 nicht zum 31.08.2014 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2014 zu zahlen.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4 %, die Beklagte zu 96 %.

5. Der Streitwert wird auf 24.744,00 EUR festgesetzt.

6. Berufung wird nicht zugelassen, soweit nicht bereits kraft Gesetzes statthaft.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung nebst Ansprüchen dessen auf Schmerzensgeldzahlungen.

2

Der am ----- geborene Kläger war seit dem 01.03.2009 bei der Beklagten, einem zum ------Konzern gehörender Backformenhersteller, zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt von EUR 5.686,00 beschäftigt. Im Hause der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Zum 01.01.2011 wurde der Kläger zum Fertigungsleiter ernannt. In dieser Eigenschaft erhielt er ab dem 01. Januar 2013 zusätzliche Verantwortung für die Abteilungen Werkzeugbau, Instandhaltung, Industrial Engineering. Am 30.04.2014 kam der Kläger auf Bitten der Beklagten, da dieser in der Zeit vom 22.04. bis 02.05.2014 Urlaub hatte, in den Betrieb. Hintergrund war die Benötigung von Informationen zu der Beschaffung einer Etikettiermaschine. Im Rahmen dieses Gespräches wurde dem Kläger der schriftliche Entwurf eines Aufhebungsvertrages überreicht und ihm Bedenkzeit bis zum 05. Mai 2014 eingeräumt, dem ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub. Nachdem mehrere Kontakte hinsichtlich des Aufhebungsvertrages zu keinem Ergebnis führten, trat der Kläger am 09. Mai 2014 (tatsächlich) wieder seine Arbeit an. An diesem Tag wurde der Kläger seitens des Beklagten zu 2), nachdem er sich bei diesem gemeldet hatte, in den Konferenzraum II der Verwaltung geführt und angewiesen, nicht in die Fertigung zu gehen. Zuvor hatte der Beklagte zu 2) den Mitarbeiter ------ gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht in die Fertigung geht, was dieser ablehnte unter Hinweis darauf, dass der Kläger sein Chef sei und er ihm nichts sagen könne. Nachdem der Beklagte zu 2) den Kläger in den Konferenzraum begleitet hatte, entfernte der Beklagte zu 2) das dortige Telefon. Kurze Zeit später erschien der Kläger in Begleitung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ----- bei der Beklagten zu 2). Im Anschluss an das stattgefundene Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, erkrankte der Kläger arbeitsunfähig bis einschließlich 24.05.2014. Am Montag, den 26. Mai 2014, kehrte der Kläger zur Beklagten zurück, wo er sich bis zum Antritt seines Urlaubs am 01.06.2014 ein Büro in dem ihm zugewiesenen Konferenzraum einrichtete. Das dort befindliche Telefon war lediglich zur Inhousenutzung freigeschaltet. Mit Schreiben vom 14.05.2014 wurde der im Hause der Beklagten befindliche Betriebsrat zu der Kündigung des Klägers angehört (Bl. 94 - 97 d. A.). Mit Schreiben vom 27.05.2014, dem Kläger taggleich überreicht, sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2014 aus (s. Bl. 7 d. A.). Mit dem 17.06.2014 stellte die Beklagte den Kläger unwiderruflich und bezahlt unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei (Bl. 99 d. A.). Mit seiner am 12. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene ordentliche Kündigung und begehrt die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

3

Er trägt hierzu vor:

4

Nachdem er am 09.05.2014 bei der Beklagten zu 1) erschienen sei, habe der Beklagte zu 2) ihn in den dunklen Konferenzraum geführt, in dem sämtliche Jalousien geschlossen und das Licht abgeschaltet gewesen sei, im Übrigen unstreitig. Diese Vorgehensweise sei am Freitag zuvor seitens dessen gegenüber dem Kläger unterstellten Mitarbeitern angekündigt worden. Der Beklagte zu 2) habe ihm strikt untersagt, den Raum zu verlassen. Er habe nun Gelegenheit, sich seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag zu überlegen bzw. sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages klar zu werden, ebenfalls unbestritten. Entsetzt, verängstigt, verwirrt und ungläubig habe er zunächst dort verharrt, bis er mit seinem Handy den Betriebsratsvertreter angerufen habe mit dem er sodann den Beklagten zu 2) aufgesucht habe. Dieser habe ihn sodann angewiesen, sofort und weisungsgemäß in den abgedunkelten Raum zurückzukehren und dort zu bleiben. Die EDV-Abteilung habe die Weisung seitens des Beklagten zu 2) erhalten, ihn durch das fehlende Freischalten des Rechners am Arbeiten zu hindern. Ebenso sei ein Zugang zum firmeninternen Intranet gesperrt worden sowie den Zugang zu sämtlichen Emails. Im Übrigen habe ein Betretungsverbot für alle Räume des Unternehmens, insbesondere des gesamten Produktionsbereiches bestanden.

5

Er beantragt,

6

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 nicht aufgelöst worden ist.

7

2. Die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihn als Fertigungsleiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

8

3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes, das für den Fall der Säumnis beziffert wird auf EUR 2.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagten beantragen,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie tragen hierzu vor:

12

Verschiedene Fehlverhalten seien der Kündigung zugrunde zu legen. Zunächst sei der Kläger im März 2014 mit der Beschaffung einer Etikettiermaschine beauftragt gewesen mit einem Investitionsvolumen von EUR 18.000,00. Diese hätte er aufgrund des Volumens und der existierenden Unterschriftenregelung im Hause der Beklagten zu 1) über die Abteilung Einkauf abwickeln müssen, was er versäumt habe. Im Übrigen sei die Bearbeitung der Angelegenheit seitens des Klägers nur schleppend erfolgt, mit der Folge, dass die Maschine erst Ende Juni 2014 zur Verfügung gestanden habe. Ferner habe es der Kläger versäumt, für die Samstagsarbeit in den Kalenderwochen 19 bis 22/14 Mitarbeiter des Werkzeugbaus zur Verfügung zu stellen. Ein Antrag hierüber sei bei dem Betriebsrat nicht gestellt worden. Endgültig zu dem Entschluss, sich von ihm zu trennen, habe ein Gespräch geführt, das der Kläger mit den Fertigungsmeistern ----- und ----- am 17.04.2014 geführt habe. Im Rahmen dessen habe er diesen gegenüber wahrheitswidrig mitgeteilt, dass es zukünftig im Hause der Beklagten zu 1) keine Fertigungsmeister mehr geben werde und die Produktion zukünftig von dem Geschäftsführer und ihm geführt werde. Diese bewusste Falschinformation habe bei den Meistern zu großer Verunsicherung geführt und sei im Übrigen derart nie seitens des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) geäußert worden. Das Fehlverhalten sei zuvor auch einschlägig abgemahnt worden. Nachdem man mehrfach methodische und soziale Kompetenz des Klägers bemängelt habe, ebenso wie die Nichteinhaltung vereinbarter Termine und er diesbezüglich auch ein Einzelcoaching erhielt, sei die Situation Mitte 2013 eskaliert, woraufhin es am 25. Juni 2013 zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1), dem Beklagten zu 2) und dem Kläger gekommen sei. Eine Mitschrift über dieses Gespräch sei gefertigt worden (Bl. 131 f. d. A.). Dem Kläger wurden im Rahmen dieses Gespräches insbesondere die bestehenden Probleme bei den beiden Produkten Herdbackblech und Pizzablech vorgehalten. Bei dem Herdbackblech habe die Beklagte zu 1) den Auftrag für die Firma ----- über 2.000 Bleche absagen müssen, weil seit der Inbetriebnahme vor einem Jahr die Werkzeuge dafür nicht funktioniert hätten und zu keinem Zeitpunkt eine ausreichende Prozesssicherheit vorhanden gewesen sei. Ähnliche Probleme habe es mit dem Werkzeug für die Pizzaform gegeben, das ebenfalls nicht funktioniert habe, da es der Kläger versäumt habe, rechtzeitig genügend fachlich qualifiziertes Personal zu rekrutieren und auszubilden. Diese Situation habe der Kläger zu beantworten. Zu allem Überfluss hat er im Übrigen unstreitig den beiden Meistern in der Fertigung in der 31. Kalenderwoche 2013 zeitlich Urlaub gewährt. Dies habe zwangsläufig dazu führen müssen, dass er selber zu sehr durch das Tagesgeschäft in Anspruch genommen worden sei und ihm deshalb die Zeit für eine strategische Ausrichtung seines Verantwortungsbereiches gefehlt habe. Am Ende des Gespräches habe der Beklagte zu 2) gegenüber dem Kläger ausdrücklich erklärt, dass dies das letzte Gespräch wegen derartiger Vorfälle sei und die Beklagte sich von ihm trennen werde, sollte sich ähnliches wiederholen. Die Schilderungen des Klägers zu den Geschehnissen seit dem 05.05.2014 seien so nicht richtig. Der Beklagte zu 2) habe sich mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abgestimmt, dem Kläger den Konferenzraum II im Verwaltungsgebäude zuzuweisen und ihm zu untersagen, die Gebäude der Technik/Fertigung zu betreten, um unnötige Unruhe im Betrieb zu vermeiden. Zuvor habe man noch im Büro des Beklagten zu 2) über die Konditionen des angebotenen Aufhebungsvertrages verhandelt. Zwar seien die Rollos des Konferenzraumes nach unten gelassen gewesen und das Licht ausgeschaltet. Man sei jedoch davon ausgegangen, der Kläger wisse, wie man Licht an macht und Rollos nach oben ziehe. Das Telefon sei nur entfernt worden, um es so schalten zu lassen, dass nur Inhousegespräche möglich gewesen seien. Es sollte vermieden werden, dass der Kläger sich gegen den Willen der Beklagten zu 1) mit Lieferanten in Verbindung setzte. Auch bei dem Gespräch in Begleitung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ----- im Büro des Beklagten zu 2) sei lediglich auf die Frage, warum er zu ihm komme, seitens des Herrn ----- erklärt worden, dass es um den Kläger gehe, woraufhin der Kläger sofort erklärt habe, dass er sich nicht wohl fühle und zum Arzt müsse, woraufhin ihm seitens des Beklagten zu 2) gute Besserung gewünscht worden sei. Weitere Gespräche hätten nicht stattgefunden. Im Übrigen habe sich der Kläger im Verwaltungsbereich frei bewegen können. Auch ein Laptop und sonstige notwendige Arbeitsmittel seien ihm zur Verfügung gestellt worden, um ihn mit bis dato unerledigten Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich zu beschäftigen. Am Tag vor der Wiederaufnahme der Tätigkeit des Klägers am 09.05.2014 habe man den Mitarbeiter ----- gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht in die Fertigung gehe und ihn gebeten, ihn, den Beklagten zu 2) zu informieren, wenn der Kläger eintreffe. Er habe keine Anweisung gegeben, ihn in einen abgedunkelten Raum zu setzen.

13

Der Kläger trägt hierzu vor:

14

Eine mündliche Abmahnung habe er nie erhalten. Bei dem Gespräch am 25.07.2013 sei es lediglich um die Produktionsprobleme nicht aber um persönliches Fehlverhalten seinerseits gegangen. Die Mitschrift des Gesprächsprotokolls habe er nie gesehen, im Übrigen werde sein Inhalt bestritten. Auch sei der letzte Absatz, die angebliche Abmahnung, des Gesprächsprotokolls nachträglich ergänzt worden. Produktionsprobleme seien ihm nicht anzulasten. Er sei bezüglich der Herdbackbleche zu keinem Zeitpunkt, weder bei der Entwicklung, noch bei der Vergabe und Freigabe des Werkzeugs, einbezogen gewesen. Allein der Werkzeugbau von ----- habe Kontakt zum Hersteller gehabt. Auch bezüglich der Pizzaform sei ihm nichts vorzuwerfen. Nach tagelangem Ringen mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) habe er schließlich die Erlaubnis erhalten, eigens einen Mitarbeiter der Stanzerei zum Schichtleiter zu qualifizieren. Trotz wiederholter Beanstandungen habe der Geschäftsführer stets nur ständig wechselnde Leiharbeiter gestellt und qualifiziertes Personal verweigert. Die Probleme seien, wie so oft, allein auf diese Fehlentscheidung zurückzuführen. Zwar habe er tatsächlich zwei Meistern gleichzeitig Urlaub gegeben, dies habe jedoch den Mitarbeitern zur Motivation gedient, da dies auf drängendes Bitten derer geschehen sei. Auch hinsichtlich der Etikettiermaschine habe er sich korrekt verhalten und alles zeitnah und in Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) veranlasst und auch seine Kompetenzen nicht überschritten. Der Investitionsantrag sei, im Übrigen unstreitig, von dem Geschäftsführer selbst unterzeichnet worden. Das es zu Verzögerungen gekommen sei, habe allein an technischen Problemen des Herstellers ----- gelegen.

15

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle vom 04.09.2014 sowie 30.04.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

17

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 beendet. Die Beklagte zu 1) ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen. Die Beklagten zu 1) und 2) sind verpflichtet, gesamtschuldnerisch an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 nebst Zinsen zu zahlen.

I.

18

Die Kündigung vom 27.05.2014 ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Sie ist nicht durch Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Die von der Beklagten zu 1) vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen nicht den Schluss, es lägen verhaltensbedingte Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vor.

19

Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten einer Vertragspflicht, in der Regel schuldhaft, erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (ständige Rechtsprechung Bundesarbeitsgericht, vgl. BAG 13.12.2007, 2 AZR 818/06, Rz. 37, zitiert nach Juris).

20

Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt jedoch das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die begangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken (siehe BAG, 13.12.2007, Rz. 38 a.a.0.). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzten (BAG, 13.12.2007, a.a.O.). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Dies dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Bundesarbeitsgericht, 23.06.2009, 2 AZR 283/08 Rz. 14, zitiert nach Juris).

21

Eine Abmahnung hat eine Hinweis- und Warnfunktion zu enthalten. Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer auf Vertragsverletzung hin und droht für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen an. Er hat in der Abmahnung jeweils konkret die Tatbestände zu bezeichnen, in denen er eine Vertragspflichtverletzung sah und den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass bei wiederholtem Verhalten der gerügten Art mit einer Kündigung gerechnet werden müsse und damit der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei (BAG, 21.05.1987 2 AZR 313/86, Rz. 29, zitiert nach Juris).

22

Im vorliegenden Fall ist die Hinweisfunktion der Abmahnung nicht ausreichend erfüllt. Die Beklagte trägt vor, man habe dem Kläger am 25. Juli 2013 in dem Gespräch die Probleme bei den beiden Produktion Herdbackblech und Pizzablech vorgehalten. Bei dem Herdbackblech habe die Beklagte den Aktionsauftrag für die Firma ----- über 2.000 Bleche absagen müssen, weil von Beginn der Inbetriebnahme an vor einem Jahr die Werkzeuge dafür nicht funktioniert hätten und zu keinem Zeitpunkt eine Prozesssicherung vorhanden gewesen sei. Ihr sei ein Schaden von überschlägig rund 50.000,00 EUR entstanden. Ähnliche Probleme habe es mit dem Werkzeug für die Pizzaform gegeben. Hier habe es der Kläger versäumt, rechtzeitig genügend fachlich qualifiziertes Personal zu rekrutieren und auszubilden. Deshalb sei seinerzeit der Auftrag für -----  in Gefahr gewesen, weshalb der Beklagten ebenfalls ein wirtschaftlicher Schaden gedroht habe. Im Übrigen habe er den beiden Meistern in der 31. Kalenderwoche 2013, im Übrigen unstreitig, zeitgleich Urlaub gewährt. Man habe ihm vorgehalten, dass er trotz aller Fortbildungsmaßnahmen nach wie vor kurzsichtig agiere und ihm die Fähigkeit fehle, Engpässe und Probleme frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

23

Nach diesem Vortrag ist eine Vertragspflichtverletzung des Klägers bezüglich der Herdbackbleche und der Pizzableche nicht hinreichend nachvollziehbar. Zunächst ist hinsichtlich der Herdbackbleche ein Fehlverhalten des Klägers nicht erkennbar. Ein solches wird auch seitens der Beklagten nicht geschildert. Allein seine Stellung als Fertigungsleiter führt nicht dazu, dass ihm sämtliche Probleme der Produktion als auf ein Fehlverhalten seinerseits zurückgehend zugerechnet werden. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das Werkzeug offensichtlich zum Zeitpunkt des 25. Juli 2013 schon seit einem Jahr nicht funktioniert hat, der Kläger aber erst am 01.01.2013 die Zuständigkeit als Fertigungsleiter hierfür erhalten hat. Hinsichtlich des Werkzeuges für die Pizzaform wird dem Kläger vorgeworfen, er habe nicht rechtzeitig qualifiziertes Personal rekrutiert und ausgebildet. Dieser Vortrag allein hierfür ist auch nicht ausreichend, um ein Fehlverhalten nachvollziehen zu können. Im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers oblag es der Beklagten, substantiiert darzulegen, wieviel Mitarbeiter nötig gewesen seien, zu welchem Zeitpunkt und worin genau das Versäumnis des Klägers gelegen habe. Die Urlaubsgewährung der Meister in der 31. Kalenderwoche ist zwar unstreitig. Auch hierin ist ein Fehlverhalten nicht zu erkennen. Das dies zwangsläufig dazu führen musste, dass der Kläger selbst zu sehr durch das Tagesgeschäft in Anspruch genommen worden sei und ihm deshalb Zeit für eine strategische Ausrichtung seines Verantwortungsbereiches gefehlt habe, ist nicht nachvollziehbar. Es hat sich hier allenfalls um eine Woche gehandelt. Nicht nachvollziehbar sind eventuelle Auswirkungen dieser Entscheidung. Nach alldem kann nach dem Vorliegen einer wirksamen Abmahnung mangels Hinweisfunktion nicht ausgegangen werden. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob eine Warnfunktion tatsächlich erfüllt wurde, sei es, dass der Wortlaut, man werde sich trennen, ausreicht, um der Warnfunktion Genüge zu tun, sei es, dass diese Äußerung gar nicht gefallen sein soll, entsprechend dem Vortrag des Klägers.

24

Alles in allem fehlt es an einem zuvor als abschlägig abgemahnten Fehlverhalten seitens des Klägers. Dies führt vorliegend nach den oben genannten Grundsätzen zur Unwirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung.

25

Die in Rede stehende, dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzungen, der fehlerhaften Bearbeitung im Rahmen der Bestellung der Etikettiermaschine, das der Nichtabstellung der Mitarbeiter des Werkzeugbereiches für die Samstagsarbeit sowie das Gespräch am 17.04.2014 mit den beiden Meistern ----- und -----, wiegen auch, selbst wenn diese Vorwürfe bestätigt wären, nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grunde entbehrlich gewesen wäre. Entsprechendes trägt die Beklagte auch nicht vor.

26

Damit hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.08.2014 sein Ende gefunden.

II.

27

Die Beklagte zu 1) ist im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigung verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Fertigungsleiter zu beschäftigen.

28

Der gekündigte Arbeitnehmer hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an einer solchen Beschäftigung dem nicht entgegen stehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unwirksamkeit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dies überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Wie lange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen (BAG, Großer Senat, 27.02.1985, Gs 1/84, zitiert nach Juris).

29

Im Hinblick darauf war der Kläger bis zum Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens als Fertigungsleiter weiter zu beschäftigen.

III.

30

Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 nebst Zinsen zu zahlen.

31

Der Kläger hat gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch gegen die Beklagten auf Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00.

32

Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung geltend, muss geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene, in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bzw. ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet, noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes eines Arbeitnehmers führt (BAG 28.10.2010, 8 AZR 546/09, Rz. 17, zitiert nach Juris). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entscheidung seiner Persönlichkeit. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sogenannte Ehrenschutz, der unter anderem auch auf den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruches gerichtet ist. Er umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28.10.2010, Rz. 19). Hierzu gehört auch das Recht des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung. Wird dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit zugewiesen, die im Vergleich zur vereinbarten Beschäftigung geringer wertig ist, so kann der soziale Geltungsbereich dessen betroffen sein und dieser in seiner Wertschätzung abgewertet werden, so dass eine unterwertige Beschäftigung das Recht des Menschen auf Anerkennung und Wertschätzung seiner Persönlichkeit tangiert.

33

Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers zu bejahen.

34

Allein abstellend auf die zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalte, nämlich des Verbotes, die Fertigung zu betreten, dass dem Kläger ein Büro im Verwaltungsgebäude eingerichtet worden ist, und dass er keine Telefonate nach außen führen konnte, ist, all dies in Verbindung mit den unstreitigen Äußerungen des Beklagten, er habe nunmehr Gelegenheit, sich seine Zustimmung zur Vertragsaufhebung zu überlegen bzw. er habe nun genug Zeit, sich über die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages klar zu werden, welcher Wortlaut auch immer gefallen sein soll, der Inhalt und Intension sind gleichwertig, sind geeignet, den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch herabzusetzen.

35

Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Fertigungsleiter für die komplette Fertigung beschäftigt. Zunächst wurde dieser Tätigkeitsbereich unstreitig räumlich und inhaltlich eingeschränkt. Die Beklagte trägt zwar vor, der Kläger habe die bis dato unerledigten Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich erledigen können. Dies ist jedoch kaum vorstellbar. Dem Kläger wurde als Fertigungsleiter verboten, die Fertigung zu betreten. Telefonate nach außen mit Kunden konnte er nicht führen. Welche Tätigkeiten im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers dies gewesen sein sollen, trägt sie nicht vor. Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass er nicht mehr gleichwertig als Fertigungsleiter tätig werden konnte. In Verbindung mit den Äußerungen des Beklagten zu 2) waren diese Maßnahmen geeignet, den Kläger unter Druck zu setzen, den ihm vorgelegten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Erschwerend kommt hinzu, dass seitens des Beklagten zu 2) der Mitarbeiter -----, ein Mitarbeiter des Klägers, angewiesen wurde, den Kläger die Fertigung betreten zu lassen. Damit wurde letztlich gegenüber Dritten, dem Kläger untergeordneten Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass dieser als Fertigungsleiter keine Beschäftigung mehr finden solle und durch sein Versetzen in den Verwaltungsbereich örtlich und sachlich ausgegrenzt werden sollte. Nach alldem war der Kläger damit in seinem sozialen Geltungsbereich als Fertigungsleiter betroffen. Die Maßnahmen waren geeignet, ihn in der Wertschätzung der Mitarbeiter seiner Fertigung abzuwerten. Die Tätigkeiten, mit denen der Kläger nunmehr beschäftigt war, können im Hinblick auf die Tätigkeitseingrenzung als Fertigungsleiter nur als minderwertig angesehen werden.

36

Nach alldem ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch die ergriffenen Maßnahmen seitens der Beklagten zu bejahen.

37

Dieser Eingriff war auch so schwerwiegend, dass es ein Ausgleich in Form einer Entschädigung vorlag (LAG Baden-Württemberg, 17.06.2014, 12 Sa 1/10, Rz. 193, zitiert nach Juris). Abgesehen von dem zeitlichen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen und der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und der Tatsache, dass sich dies über einen Zeitraum von weniger als einem Monat abgespielt hat, gewinnt die Verletzung jedoch an Gewicht durch die Äußerungen des Beklagten zu 2). Die Äußerungen verdeutlichen, dass die Maßnahmen überwiegend nur dazu dienten, den Kläger zum Unterzeichnen des Aufhebungsvertrages zu bringen. Auch berücksichtigt werden muss der Gesichtsverlust des Klägers vor der Belegschaft der Fertigung durch Einbeziehung derer, im Falle seiner Weiterbeschäftigung. Nach alldem hielt die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 für angemessen.

38

Das Verhalten des Beklagten zu 2) ist der Beklagten zu 1) nach § 278 BGB zuzurechnen(siehe hierzu LAG Meckenburg-Vorpommern, 05.07.2011, 5 Sa 86/11).

39

Damit war eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 1) und 2) hinsichtlich Schmerzensgeldanspruches zu bejahen.

40

Der Anspruch auf Zinszahlung ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 247 Abs. 1 BGB. Als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit wurde die Zustellung beim Beklagten zu 2) gewählt.

IV.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG. Dem Streitwert wurden vier Bruttomonatsgehälter á 5.686,00 EUR nebst EUR 2.000,00 für Schmerzensgeld zugrunde gelegt.

42

Soweit die Berufung nicht ohnehin kraft Gesetzes nach § 64 Abs. 2 Ziff. b-d statthaft ist, konnte sie nicht gemäß § 64 Abs. 2 Ziff. a ArbGG zugelassen werden, da Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes gemäß § 64 Abs. 3 Ziff. 1-3 ArbGG nicht gegeben sind. Diese Entscheidung war in den Tenor aufzunehmen (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG).

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Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014, Az. 5 Ga 60/14, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit einstweiliger Verfügung seine Weiterbeschäftigung, hilfsweise seine Freistellung, während eines laufenden Kündigungsprozesses.

2

Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.03.2009 zuletzt als Fertigungsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. € 6.800,- angestellt. Die Beklagte beschäftigt ca. 200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.05.2014 ordentlich zum 31.08.2014. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner am 12.06.2014 vor dem Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Kündigungsschutzklage (Az. 5 Ca 2268/14). Das Arbeitsgericht hat Kammertermin am 30.04.2015 bestimmt.

3

Der Betriebsrat hat auf die Anhörung der Beklagten zur ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 23.05.2014 reagiert, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

4

"Sehr geehrte Herren,
der Betriebsrat hat gegen die beabsichtigte Kündigung Bedenken und verweigert hiermit seine Zustimmung.
Begründung wie folgt: ..."

5

Mit Schriftsatz vom 05.09.2014 leitete der Kläger das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren ein. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014 Bezug genommen.

6

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich beantragt,

7

der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits gem. Arbeitsvertrag vom 03.02.2009 mit Nachträgen vom 03.12.2010 und 11.01.2013 mit aktueller Stellenbeschreibung vom 01.01.2013 weiter zu beschäftigen,

8

hilfsweise,

9

der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits unwiderruflich freizustellen.

10

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

11

die Anträge abzuweisen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Urteil vom 25.09.2014 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Verfügungsanspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Ein Anspruch folge nicht aus § 102 Abs. 5 BetrVG, denn der Betriebsrat habe der ordentlichen Kündigung nicht iSd. § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen, sondern lediglich Bedenken geäußert. Das Schreiben des Betriebsrats vom 23.05.2014 an die Beklagte enthalte keinen Widerspruch im Rechtssinne.

13

Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründe die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Rechtsstreits. Dieses überwiege in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergehe. Im Streitfall begründe die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsrechtsstreits ein schutzwertes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers, denn die ordentliche Kündigung vom 27.05.2014 sei nicht offensichtlich unwirksam. Eine offensichtliche Unwirksamkeit sei insb. nicht deshalb anzunehmen, weil der Kläger behaupte, er habe vier Monate nichts von den Kündigungsgründen erfahren, seine Karriere werde ein Ende finden für den Fall der Nichtweiterbeschäftigung, im Übrigen stünde eine familiäre Veränderung an, wenn er eine neue Arbeitsstelle im süddeutschen Raum antreten müsste.

14

Auch der Hilfsantrag auf unwiderrufliche Freistellung bis zum rechtskräftigen Ab-schluss des Kündigungsrechtsstreits sei unbegründet. Die ordentliche Kündigungsfrist sei am 31.08.2014 abgelaufen. In § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags sei zwar geregelt, dass die Beklagte den Kläger jederzeit bei Weiterzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freistellen könne. Hieraus könne der Kläger jedoch keinen Freistellungsanspruch herleiten. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 8 des erstinstanzlichen Urteils vom 25.09.2014 Bezug genommen.

15

Gegen das am 22.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 12.11.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

16

Er macht geltend, er habe bei eindeutig rechtswidriger Kündigung, der der Betriebsrat auch nachdrücklich widersprochen habe, sowie bei besonderem Beschäftigungsinteresse, einen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses. Er sei seit dem 01.09.2014 bis heute arbeitslos. Eine Beschäftigung in vergleichbarer Position könne er allenfalls in Süddeutschland nach einem Umzug erlangen. Die Kündigung vom 27.05.2014 sei offensichtlich rechtswidrig, sie gefährde seine berufliche Laufbahn sowie sein Ansehen im Unternehmen nachhaltig. Nach dem Versuch, ihn durch tagelange massive Nötigungen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu veranlassen, habe ihm die Beklagte im Mai 2014 ohne jede Begründung die Kündigung erklärt.

17

Die vermeintlichen Gründe für ihre Kündigung habe die Beklagte erstmals dem Betriebsrat mitgeteilt. Ihre Darlegungen seien völlig nebulös. Sämtliche Behauptungen seien nicht nur falsch, sondern unerheblich. Der Betriebsrat habe der Kündigung widersprochen, weil er keinerlei Berechtigung zur Kündigung sehe. Die Kündigung sei damit offensichtlich rechtswidrig. Es sei unbillig, ihn bei einem solchen Sachverhalt möglicherweise jahrelang auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits warten zu lassen.

18

Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 19.11.2014 im Kündigungsrechtsstreit erstmals die Kündigung mit vermeintlichem Fehlverhalten begründet sowie mündliche Abmahnungen behauptet. Das Vorbringen sei frei erfunden. Er sei niemals abgemahnt worden und habe das behauptete Fehlverhalten nicht an den Tag gelegt. Der Sachvortrag werde bestritten und könne von der Beklagten nicht bewiesen werden. Deren Beweisangebote seien untauglich. Die Beklagte trage wider besseres Wissen vor, um ihn nach ihrer gescheiterten Nötigung zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags noch irgendwie loszuwerden.

19

Der Hilfsantrag auf Freistellung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte sich im Arbeitsvertrag das Recht ausbedungen habe, ihn jederzeit freizustellen. Er könne also bei einem entsprechenden Einwand seine Beschäftigung im Betrieb nicht durchsetzen, dann aber jedenfalls die Weiterzahlung des vereinbarten Arbeitslohns einschließlich der monatlich zu zahlenden Jahresprämie bei unwiderruflicher Freistellung verlangen. Er könne sich ohne eine solche Klärung nicht anderweitig vertraglich verpflichten und auch noch nach Süddeutschland umziehen. Die Beklagte suche vollendete Tatsachen zu schaffen. Eine gerichtliche Entscheidung sei deshalb zwingend geboten. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 12.11.2014 und vom 29.12.2014 Bezug genommen.

20

Der Verfügungskläger beantragt zweitinstanzlich,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.09.2014, Az. 5 Ga 60/14, aufzuheben und
der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Arbeitsgericht Koblenz - 5 Ca 2268/14) gemäß Arbeitsvertrag vom 03.02.2009 mit Nachträgen vom 03.12.2010 und 11.01.2013 mit aktueller Stellenbeschreibung vom 01.01.2013 weiter zu beschäftigen,

22

hilfsweise,

23

der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft aufzugeben, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Arbeitsgericht Koblenz - 5 Ca 2268/14) unwiderruflich bei Weiterzahlung des gesamten Arbeitslohns freizustellen.

24

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil sich der Kläger mit der angefochtenen Entscheidung nicht auseinandergesetzt habe. Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 04.12.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Der Betriebsrat habe der Kündigung nicht widersprochen. Die Kündigungsgründe habe sie im Kündigungsschutzprozess mit Schriftsatz vom 19.11.2014 zwischenzeitlich dargelegt. Ihr Personalleiter habe den Kläger in einem Gespräch vom 25.07.2013 ausdrücklich abgemahnt.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz ist mangels einer den Anforderungen der §§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung bereits unzulässig.

29

Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 11.11.2014 - 3 AZR 404/13 - Juris).

30

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vorliegend nicht. Eine argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung des erstinstanzlichen Urteils findet nicht statt. Die Berufungsbegründung enthält zu den Erwägungen des Arbeitsgerichts, auf die es seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, keine Ausführungen. Zur Darlegung der Rechtsverletzung gehört die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt. Daran fehlt es. Es reicht nicht aus, die vom Kläger für richtig gehaltene Rechtsauffassung darzustellen.

II.

31

Unabhängig davon ist die Berufung aber auch unbegründet. Nach § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG finden die Vorschriften der ZPO über die einstweilige Verfügung auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren Anwendung. Das Begehren des Klägers scheitert sowohl am Verfügungsgrund als auch am Verfügungsanspruch.

32

1. Es fehlt bereits an einem Verfügungsgrund, weil der Kläger die Dringlichkeit des vorliegenden Verfahrens durch seine widersprüchliche Antragstellung selbst widerlegt. Sein prozessuales Verhalten verfehlt die den §§ 935, 940 ZPO zu Grunde liegende gesetzliche Intension.

33

Die mangelnde Dringlichkeit des Begehrens wird bereits dadurch indiziert, dass Haupt- und Hilfsantrag in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander stehen. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen. Dieser Zielrichtung steht diametral entgegen, dass er hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn unwiderruflich freizustellen. Entweder ist es dringend erforderlich, dass die Beklagte den Kläger weiterbeschäftigt oder es ist dringend erforderlich, dass sie ihn unwiderruflich freistellt.

34

2. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung seiner Entscheidung vollkommen zutreffend ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Verfügungsanspruch auf Weiterbeschäftigung - hilfsweise auf Freistellung - bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Az. 5 Ca 2268/14) hat.

35

a) Ein Verfügungsanspruch des Klägers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2014 folgt nicht aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

36

Zwar hat der Kläger gegen die Kündigung vom 27.05.2014 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der Betriebsrat hat der Kündigung jedoch nicht iSd. § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen, sondern lediglich Bedenken geäußert. Das ergibt sich nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens des Betriebsrats vom 23.05.2014 an die Beklagte. Dies belegt bereits die Formulierung: "Der Betriebsrat hat gegen die beabsichtigte Kündigung Bedenken". Von einem Widerspruch im Rechtssinne kann vorliegend keine Rede sein.

37

b) Der Kläger kann sein Weiterbeschäftigungsbegehren auch nicht auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch stützen. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

38

Zwar hat der gekündigte Arbeitnehmer unter Umständen einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Dieser Anspruch kann jedoch nach Ausspruch einer Kündigung und nach Ablauf der Kündigungsfrist außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung erst dann durchgesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess ist nach Ablauf der Kündigungsfrist ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers anzuerkennen (vgl. BAG GS 27.02.1985 - GS 1/84 - Juris).

39

Bislang ist erstinstanzlich nicht festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 nicht aufgelöst worden ist. Der Kammertermin im Kündigungsprozess findet am 30.04.2015 statt. Damit kann ein überwiegendes Interesse des Klägers an seiner sofortigen Weiterbeschäftigung nicht festgestellt werden. Die Kündigung der Beklagten vom 27.05.2014 zum 31.08.2014 ist nicht offensichtlich unwirksam. Auch dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt.

40

Eine offensichtlich unwirksame Kündigung liegt nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen (vgl. BAG GS 27.02.1985, aaO). Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27.05.2014 drängt sich nicht auf, vielmehr besteht Anlass für eine Prüfung, ob verhaltensbedingte Kündigungsgründe vorliegen, die allerdings im Kündigungsschutzprozess (5 Ca 2268/14) erfolgen muss.

41

c) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung seiner Vergütung für die Dauer des Kündigungsprozesses. Für dieses Begehren besteht keine Anspruchsgrundlage. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Aus dem Umstand, dass sich die Beklagte im schriftlichen Arbeitsvertrag vorbehalten hat, den Kläger ggf. unter Fortzahlung der Vergütung von seiner Arbeitspflicht freizustellen, folgt nichts anderes. Der Kläger unterliegt nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2014 keiner Arbeitspflicht mehr, von der er freigestellt werden könnte.

42

Weshalb sich der Kläger daran gehindert sieht, eine Tätigkeit im süddeutschen Raum aufzunehmen, ist nicht nachvollziehbar. Wie die gesetzlichen Regelungen in §§ 11, 12 KSchG zeigen, ist ein Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits nicht daran gehindert, ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Er ist vielmehr verpflichtet, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.

III.

43

Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

44

Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Urteil nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. November 2014 - 4 Sa 574/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Auflösungsantrag der Beklagten, die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses sah sie sich durch ihre Vorgesetzten wegen ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft diskriminiert.

3

In einer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten führte die Klägerin aus, seit einigen Jahren würden „Guerilla-Aktionen“ gegen sie geführt, sie habe eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden. Sie würde es als unfair erachten, wenn der Vorstandsvorsitzende davon aus der amerikanischen Presse oder der „Oprah-Winfrey-Show“ erführe. Bei ihrem „Chef“ handele es sich um einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“. Die Klägerin wies in der E-Mail darauf hin, dass sie drei unterhaltspflichtige Kinder habe.

4

Mit ebenfalls an den damaligen Vorstandsvorsitzenden gerichteter E-Mail vom 5. Februar 2009 teilte die Klägerin erneut mit, dass sie unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie verlangte, nicht mehr mit ihrem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen. In der E-Mail hieß es auszugsweise:

        

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird - das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz.“

5

Mit E-Mail vom 30. März 2009 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“ an ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Sie hielt ihm Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik sowie unsachliche und leere Bemerkungen vor, ferner, dass er seine Position nur innehabe, um einer intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Seine Fähigkeiten reichten offensichtlich nicht dazu, als Führungskraft zu fungieren. Er verstehe nicht einmal „den Unterschied zwischen Kosten und Preis“. Die Klägerin versandte die E-Mail an weitere zwölf Mitarbeiter der Beklagten.

6

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2009 darauf hin, dass ihre Äußerungen durch ihr Beschwerderecht und das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt seien. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die in der E-Mail vom 5. Februar 2009 enthaltenen Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schreiben lautete auszugsweise:

        

„Sie haben mit diesen Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert. Wir fordern Sie daher auf, alle von Ihnen gemachten Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den von Ihnen informierten Personen und der S AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, sich bei den betroffenen Personen schriftlich unter qualifizierter Zurücknahme der Behauptungen ebenfalls bis zum 17. April 2009 zu entschuldigen. Wir erwarten, dass Sie derartige Äußerungen künftig unterlassen.

        

Sollten derartige oder sinngemäß gleiche Äußerungen wiederholt werden oder sollte keine Rücknahme erfolgen, werden wir arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können.

        

Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges stellen wir Sie widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei.“

7

Die Klägerin nahm zu dem Schreiben mit E-Mail vom 16. April 2009 Stellung. Die Bezeichnung ihres Vorgesetzten als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ sei „auch für (ihren) Geschmack … ein wenig zu scharf geraten“, dessen frauenfeindliches Verhalten habe aber zur Verschärfung des Konflikts beigetragen. Sie habe den Ausdruck nicht zum Zwecke der Beleidigung oder Rufschädigung verwandt. Gegen den Vorwurf, den Abteilungsleiter als „Rassisten“ bezeichnet zu haben, verwahre sie sich.

8

Mit Schreiben vom 21. April 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 30. Juni 2009 zu kündigen. Dem Anhörungsschreiben - bestehend aus Deckblatt und Anhang - waren weitere Anlagen beigefügt. Ob auch die Anlagen „2a“ bis „2c“ dazu gehörten, ist zwischen den Parteien streitig gewesen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung unter dem 24. April 2009 zu.

9

Mit Schreiben ebenfalls vom 24. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009.

10

Hiergegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat außerdem die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die von ihr getätigten Äußerungen seien nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 3. April 2009 selbst zum Ausdruck gebracht, dass keine negative Zukunftsprognose bestehe, wenn sie, die Klägerin, bestimmte Verhaltensweisen richtigstelle. Eine Abmahnung sei daher nicht entbehrlich gewesen. Im Übrigen lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge außer Acht, die erst zur Störung des Betriebsfriedens geführt hätten. Überdies sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf dem Anhörungsbogen sei ihm mitgeteilt worden, dass sie eine Unterhaltsverpflichtung nur gegenüber einem Kind habe, obwohl die Beklagte positive Kenntnis davon gehabt habe, dass sie drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Das Zitat zum „Judenvergleich“ sei nicht vollständig und damit entstellt wiedergegeben worden. Die Anlagen „2a“ bis „2c“ seien dem Betriebsrat nicht zugeleitet worden. Der hierzu als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende habe sich widersprüchlich geäußert.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag vom 14. September 2001 geregelten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung als Stratege im Global Procurement in N bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

13

Die Beklagte hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Sie hat gemeint, die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. Sie habe ihre Führungskräfte beleidigt, in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten ihres Vorgesetzten in Frage gestellt und die Umstände im Unternehmen mit dem Leid der Juden während der NS-Zeit verglichen. Einer Abmahnung habe es nach dem Schreiben vom 3. April 2009 nicht mehr bedurft. Mit ihrer Stellungnahme vom 16. April 2009 habe die Klägerin ihre Pflichtverletzungen noch manifestiert und verstärkt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat behauptet, diesem sei die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin zum einen aus deren E-Mail vom 21. September 2008 bekannt gewesen, die dem Anhörungsschreiben als Anlage „2c“ beigefügt gewesen sei, zum anderen habe er von den persönlichen Verhältnissen der Klägerin ohnehin Kenntnis gehabt. Aus der Anlage „2c“ sei ihm auch der vollständige Inhalt des von der Klägerin angestellten „Judenvergleichs“ bekannt gewesen.

14

Zur Begründung des Auflösungsantrags hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe sie in zahlreichen Äußerungen gegenüber der Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Von ihrem „Judenvergleich“ habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert, sondern sie, die Beklagte, bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24. Februar 2010 habe die Klägerin eine Strafanzeige gegen sie gestellt. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gegen zwei ihrer Mitarbeiter erstattet. Die Klägerin habe die Namen der Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt sowie der Presse mitgeteilt und dadurch deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Sie habe zudem in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den sie auf ihrer Homepage veröffentlich habe, das Ansehen der Firma beschädigt. Dem Betriebsrat habe sie vorgeworfen, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

15

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag könnten nur Sachverhalte berücksichtigt werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden seien. Gründe für eine Auflösung seien im Übrigen nicht gegeben. Einem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere, sei es schon aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben verwehrt, von der Möglichkeit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Auf den Hilfsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung von 37.600,00 Euro brutto zum 30. Juni 2009 aufgelöst. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt für den Fall, dass die Revision der Beklagten zurückgewiesen wird, mit ihrer Revision ihr Klagebegehren - soweit dieses erfolglos geblieben ist - weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Über die Revision der Klägerin war nicht zu entscheiden.

18

I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht als sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ansehen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

19

1. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon deshalb unbegründet, weil ihre Berufung unzulässig gewesen wäre.

20

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(BAG 26. März 2013 - 3 AZR 101/11 - Rn. 12). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 11; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9 mwN).

21

b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 13). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13  - Rn. 18 ).

22

c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Sie stellt die Bewertung des Arbeitsgerichts in Frage, die Kündigung sei mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt. Eine Abmahnung sei vielmehr entbehrlich gewesen, weil die erheblichen Pflichtverletzungen der Klägerin einen irreparablen Vertrauensverlust begründet hätten und damit bereits eine negative Prognose vorgelegen habe. Damit hat die Beklagte Umstände bezeichnet, aus denen sich iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ergeben konnte. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe sich nicht hinreichend mit dem Prognoseprinzip auseinandergesetzt, auf welches das erstinstanzliche Urteil unter anderem gestützt sei, verkennt, dass die Beklagte sich hiermit durchaus befasst, eine negative Prognose aber anders als das Arbeitsgericht aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne vorherige Abmahnung als gegeben erachtet hat.

23

2. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 sei sozial ungerechtfertigt.

24

a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen(BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 20; zu § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 19; 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO mwN). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 39).

25

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42).

26

c) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.

27

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 3. April 2009 auf ein etwaiges Recht zur Kündigung wegen der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht verzichtet. Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige. Ein Rechtsfehler ist diesbezüglich weder aufgezeigt noch objektiv ersichtlich.

28

(1) Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer - außerordentlichen oder ordentlichen - Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 33; 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 11 f.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 24, BAGE 125, 208).

29

(2) Beim Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 handelt es sich um eine atypische Willenserklärung. Deren Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Revisionsgericht nur auf Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu prüfen.

30

(3) Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, sie lasse den Willen der Beklagten erkennen, sich eine endgültige rechtliche Bewertung des Sachverhalts bis zum Eingang der Stellungnahme der Klägerin vorzubehalten. Das Schreiben ist weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme dient erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung erfolgte lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ und ließ sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

31

bb) Hatte die Beklagte demnach nicht auf ein etwaiges Kündigungsrecht verzichtet, bleibt nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts unklar, inwiefern dem Umstand, dass sie ihre Erwartungen an die Klägerin nicht klar genug formuliert habe, für die soziale Rechtfertigung der Kündigung „entscheidende Bedeutung“ zukomme.

32

(1) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe durch eine unklare Formulierung dazu beigetragen, dass die Klägerin nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist die erwarteten Erklärungen abgegeben habe. Dies sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung zu würdigen.

33

(2) Wie es diese Würdigung vorgenommen, insbesondere welche weiteren Umstände es in seine Erwägungen einbezogen hat, lässt sich dem Berufungsurteil jedoch nicht entnehmen. Es bleibt sowohl offen, welche Äußerungen der Klägerin das Landesarbeitsgericht überhaupt als Pflichtverletzungen gewertet noch welche Schwere es ihnen ggf. beigemessen hat.

34

cc) Sollte der Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Vorstellung zugrunde gelegen haben, es sei ausreichend, dass die Beklagte eine Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage zunächst selbst für möglich gehalten habe, läge darin eine Verkennung der Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung „bedingt“, gilt ein objektiver Maßstab(für den wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; HK-ArbR/Griebeling 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 58; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 22). Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei einer außerordentlichen Kündigung vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349 ). An der danach erforderlichen Prüfung, ob im Zeitpunkt der Kündigung nach den objektiv gegebenen Umständen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses - auch ohne eine vorherige Abmahnung - gerechtfertigt war, fehlt es bislang.

35

3. Der Senat kann die Würdigung, ob die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, nicht selbst vornehmen. Hierfür bedarf es weiterer Feststellungen.

36

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, ggf. sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 43; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 f .; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 231 f.). Mit den E-Mails vom 21. September 2008 und 5. Februar 2009 kann eine solche an die Beklagte gerichtete Drohung verbunden gewesen sein, die Klägerin werde sich an die - amerikanischen - Medien wenden, falls die Beklagte ihre vermeintlichen Ansprüche - wie etwa den, nicht mehr mit dem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen - nicht erfülle. Für die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts bedarf es der Auslegung der E-Mails gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Begleitumstände. Daran fehlt es bisher. Dafür, dass die Einschaltung der fraglichen Medien im berechtigten Interesse der Klägerin gelegen haben könnte, ist bislang nichts ersichtlich. Den Parteien wird insofern Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.

37

b) In der Bezeichnung ihres „Chefs“ als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ in der E-Mail der Klägerin vom 21. September 2008 kann eine nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckte Beleidigung liegen. Dies gilt ebenso für die Charakterisierung und Herabwürdigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten in der E-Mail vom 30. März 2009. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe; zur ordentlichen Kündigung BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45).

38

c) Beim Vergleich ihrer seelischen Verfassung mit dem Leid der Juden in der NS-Zeit sowie beim Hinweis auf den Mafia-Film „Der Pate“ in der E-Mail der Klägerin vom 5. Februar 2009 wird durch Auslegung zu bestimmen sein, welcher Aussagegehalt den Äußerungen überhaupt beizumessen ist. Dass die Klägerin die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gleichgesetzt hätte (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 19), wie die Beklagte gemeint hat, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Die Klägerin hat ihre „seelischen Qualen“ mit denen der Juden verglichen und dabei darauf hingewiesen, es handele sich um ihr „Erleben und Empfinden“.

39

d) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch eine oder mehrere ihrer Äußerungen verletzt, wird es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Streitfalls zu prüfen haben, ob es der Beklagten dennoch objektiv zumutbar war, das Arbeitsverhältnis - ggf. nach Abmahnung - auf Dauer fortzusetzen.

40

aa) Hierbei kann zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein, wenn es für die von ihr erhobenen Vorwürfe gegenüber ihrem „Chef“ oder dem direkten Vorgesetzten eine Tatsachengrundlage gab, wie sie behauptet hat. Das wird das Landesarbeitsgericht ggf. näher aufzuklären haben. Die Äußerungen könnten auch dann weniger schwer wiegen, wenn sich die Klägerin - wie sie geltend gemacht hat - in einer Ausnahmesituation befunden hätte, weil sie den Eindruck hatte, ihre Beschwerden würden bei der Beklagten nicht in der gebotenen Weise bearbeitet.

41

bb) Bei der Würdigung, ob der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung - objektiv - unzumutbar war, kann außerdem der Stellungnahme der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 Bedeutung zukommen. Soweit die Klägerin darin ihr Bedauern bezüglich einzelner Äußerungen zum Ausdruck gebracht und mit Blick auf andere versucht haben sollte, Klarstellungen vorzunehmen, mag dies zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein. Andererseits hat sie die Erklärungen nicht von sich aus, sondern erst auf die Aufforderung der Beklagten hin abgegeben. Überdies hat sie sich von den beanstandeten Äußerungen nicht uneingeschränkt distanziert, sondern sie zum Teil sogar bekräftigt.

42

4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der Basis der bisherigen Feststellungen angenommen, die Kündigung sei nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

43

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gem. Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

44

aa) Der Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert(BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 14; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 16; 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 46).

45

bb) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - aaO; Raab GK-BetrVG 10. Aufl. § 102 Rn. 68 und 94). Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO).

46

b) Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. April 2009 ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet.

47

aa) Es fehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an einer ausreichenden Darstellung des Kündigungssachverhalts. In der dem Anhörungsschreiben unstreitig beigefügten Anlage mit Ausführungen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung hatte die Beklagte den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erläutert und auf die unter Beteiligung des Betriebsrats geführten Gespräche mit der Klägerin verwiesen. Die E-Mails der Klägerin wurden ebenso in Bezug genommen wie das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009. Die Beklagte teilte ihre Einschätzung mit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zu erwarten sei, nachdem diese ihre Äußerungen weder zurückgenommen noch sich für sie entschuldigt habe. Wegen des Inhalts der in Bezug genommenen E-Mails verwies die Beklagte auf die nummerierten weiteren Anlagen.

48

bb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme waren diese Anlagen - einschließlich der Anlage „2c“ - dem Anhörungsschreiben bei der Übergabe an den Betriebsrat beigefügt.

49

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle. Es ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Seine Würdigung muss in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich sein (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 37, BAGE 149, 355; 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 21).

50

(2) Das Landesarbeitsgericht hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, weshalb es für erwiesen hielt, dass dem Anhörungsschreiben sämtliche Anlagen beigefügt waren. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat berücksichtigt, dass sich die Aussagen des Zeugen E zum Teil widersprachen. Es hat dies nachvollziehbar auf eine Verunsicherung durch die dem Zeugen gestellten Zwischenfragen zurückgeführt. Maßgeblich war für das Landesarbeitsgericht, dass der Zeuge mit Verweis auf die auf den Unterlagen durchgängig aufgebrachten Eingangsvermerke vom 21. April 2009 sicher habe ausschließen können, dass dem Betriebsrat noch nachträglich Unterlagen zugeleitet worden seien. Es hat daraus widerspruchsfrei den Schluss gezogen, die Unterlagen seien dem Betriebsrat vollständig bereits mit dem Anhörungsschreiben zugegangen.

51

cc) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe einen von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis über die Dauer der Verlesung von 29 Textseiten übergangen, ist unzulässig. Die Klägerin hat die erforderliche Kausalität zwischen dem vermeintlichen Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils nicht aufgezeigt (zu diesem Erfordernis vgl.: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

52

(1) Die Klägerin macht geltend, das Sachverständigengutachten hätte die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden erschüttert, so dass das Landesarbeitsgericht ihre Glaubhaftigkeit deutlich zurückhaltender beurteilt hätte. Weder innerhalb der nur eine Stunde dauernden (ersten) Betriebsratssitzung noch unter Berücksichtigung einer Befassung in einer weiteren Sitzung hätten die gesamten Unterlagen verlesen werden können.

53

(2) Die Klägerin verkennt, dass für das Landesarbeitsgericht die zu veranschlagende Dauer für eine Verlesung der Anlagen nicht entscheidungserheblich war. Dieses hat lediglich angenommen, der Betriebsrat habe sich mit der Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung in zwei Sitzungen befasst. Es ist nicht davon ausgegangen, dass dabei die Anlagen verlesen worden seien. Auch der Zeuge E hat lediglich bekundet, nach seiner Erinnerung habe er alle Unterlagen vorgelesen.

54

dd) Die Anhörung des Betriebsrats war nicht wegen einer fehlerhaften Mitteilung der bestehenden Unterhaltspflichten der Klägerin unzureichend. Allerdings ist die Angabe in dem Anhörungsschreiben falsch gewesen. Die Klägerin war nicht einem, sondern drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Für das Landesarbeitsgericht stand aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Betriebsrat schon aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin über deren Unterhaltspflichten informiert war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst unrichtig oder irreführend unterrichtet hätte. Insofern bedarf keiner näheren Prüfung, ob der Beklagten Kenntnis von der zutreffenden Anzahl der Unterhaltspflichten der Klägerin jedenfalls aufgrund der Angabe in ihrer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden zuzurechnen war. Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass sich aus ihrer Lohnsteuerkarte nur ein zu berücksichtigendes Kind ergeben habe. Für den Betriebsrat, der die zutreffende Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin kannte, war ebenfalls erkennbar, dass es sich bei der Angabe in dem Anhörungsbogen nur um einen Irrtum bzw. um die aus der Lohnsteuerkarte ersichtliche Zahl unterhaltspflichtiger Kinder der Klägerin handeln konnte.

55

ee) Einer näheren Darlegung im Rahmen der Anhörung, wie die Beklagte die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen hatte, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, implizierte eine Abwägung zulasten der Klägerin (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

56

c) Die Beklagte hat die Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus ihrem Machtbereich herausgegeben, bevor ihr die Zustimmung und damit eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorlag.

57

II. Der Senat kann über die soziale Rechtfertigung der Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie über die Anträge der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Den Auflösungsantrag hat die Beklagte nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass der Kündigungsschutzantrag der Klägerin Erfolg hat. Der Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ausdrücklich nur für den Fall ihres Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt. Da er nur dann Erfolg haben kann, wenn außerdem der Auflösungsantrag abgewiesen wird, steht er konkludent auch unter dieser weiteren - innerprozessualen - Bedingung. Ebenso ist der auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Antrag zu verstehen, da die Klägerin mit ihm nach dem vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten und von ihr nicht beanstandeten Verständnis ein Zwischenzeugnis nur für den Fall des Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses begehrt.

58

III. Über die Revision der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, entsprechend der materiell- und prozessrechtlichen Lage nur für den Fall weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags, dass sie mit ihrem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, Erfolg hat. Diese - innerprozessuale - Bedingung ist nicht eingetreten. Von der Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der erfolgreichen Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag sind im Übrigen die Entscheidungen über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie die Anträge der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses bereits erfasst.

59

IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat - sollte das Landesarbeitsgericht wiederum über den Auflösungsantrag zu entscheiden haben - darauf hin, dass es diesem mit der bisherigen Begründung nicht stattgeben durfte.

60

1. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47). Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nicht. Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 3 b aa der Gründe; BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 d cc der Gründe; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 114, 362).

61

2. Das Landesarbeitsgericht hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu Recht angenommen, die Beklagte sei mit Gründen, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vorlagen, nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst in der Berufungsinstanz beantragt hat. Im Gesetzeswortlaut ist eine solche Beschränkung der für die Zukunftsprognose zu berücksichtigenden Gründe nicht angelegt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck der Norm. Nur aus einer umfassenden Gesamtschau der zum Zeitpunkt der Auflösungsentscheidung maßgeblichen Umstände kann eine gesicherte Prognose darüber getroffen werden, ob für die Zukunft noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu erwarten ist. Dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nicht weit zurückliegende Vorfälle ohne Aussagekraft für die zukünftig zu erwartende Zusammenarbeit als Auflösungsgründe heranzuziehen, ist dadurch Rechnung getragen, dass es auf die Beurteilung der objektiven Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe).

62

3. Die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgesehene Möglichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - verfassungskonform(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

63

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist trotz sozial ungerechtfertigter Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht zu erwarten ist. Die Bestimmung dient damit ebenso wie die übrigen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einer Fortsetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein über die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes hinausgehender Bestandsschutz ist durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht gefordert(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe). Bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung rechtfertigen kann, haben die Arbeitsgerichte die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - aaO).

64

b) Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschränkt nicht in grundrechtswidriger Art und Weise die Eigentumsrechte des Arbeitnehmers. Es handelt sich vielmehr - auch unter Berücksichtigung von § 10 KSchG - um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verzugslohn werden bei Erklärung einer sozial ungerechtfertigten Kündigung erst dann zu grundrechtlich geschützten Vermögenspositionen, wenn ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers durch das Gericht zurückgewiesen wird (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 3 der Gründe, BAGE 46, 42).

65

c) Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liegt nicht vor (BVerfG 13. August 1991 - 1 BvR 128/87 - zu II der Gründe; 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 4 der Gründe, BAGE 46, 42). Dem Gesetzgeber obliegt es, bei der Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Grundrechtsprinzipien angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Durch die §§ 9, 10 KSchG wird keiner dieser Grundsätze verletzt. Für den Arbeitnehmer ist im Kündigungsschutzprozess von Anfang an erkennbar, dass ein Verzugslohnanspruch von der Möglichkeit eines Auflösungsantrags beschränkt ist und dass dieses Gestaltungsinstrument bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung gegeben ist (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Die gesetzliche Vorgabe, den Auflösungszeitpunkt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses bei unterstellter Wirksamkeit der Kündigung zu bestimmen, liegt ebenfalls innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 2 der Gründe, aaO). Der Einwand der Klägerin, damit habe es allein der Arbeitgeber in der Hand, die Auflösung herbeizuführen, trifft nicht zu. Voraussetzung für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist neben einem Antrag des Arbeitgebers, dass die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nach Abwägung der wechselseitigen Grundrechtspositionen die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei nicht zu erwarten(BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

66

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei für die Zukunft nicht zu erwarten, wird jedoch von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen.

67

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das von der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten lasse nicht erwarten, dass künftige Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder aufträten, in der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen würden. Es hat die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten aufgrund der unter II 2 c cb der Entscheidungsgründe aufgeführten Umstände als gegeben erachtet. Dieses Ergebnis hat es - soweit ersichtlich - aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände gewonnen und nicht angenommen, jeder dieser Faktoren rechtfertige bereits für sich genommen die Auflösung.

68

b) Zumindest der Gesichtspunkt, der Klägerin sei es auch im Berufungsverfahren „nicht gelungen, von ihrem ‚Angriffsmodus’ abzukehren“, lässt nicht erkennen, welche Tatsachen das Landesarbeitsgericht insoweit zugrunde gelegt hat. Zudem wird aus dem Berufungsurteil nicht ersichtlich, ob und ggf. inwiefern das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung darauf Bedacht genommen hat, dass das Verhalten einer Partei in einem Gerichtsverfahren durch berechtigte Interessen gedeckt sein kann. Die Verfahrensbeteiligten dürfen zur Rechtsverteidigung alles vortragen, was rechtserheblich sein kann und sich dabei auch starker, eindringlicher Ausdrücke und Schlagworte bedienen, selbst wenn eine vorsichtigere Formulierung möglich gewesen wäre (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22).

69

c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Klägerin habe sich auch nach der Kündigung nicht in ausreichendem Maße mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 3. April 2009 auseinandergesetzt, bleibt unklar, weshalb es für sie noch nach Ausspruch der Kündigung Veranlassung gegeben habe, sich um eine „Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person“ zu bemühen, bzw. weshalb dies „nahegelegen“ habe. Das Landesarbeitsgericht hat auf die „Bildung“ der Klägerin und ihr „selbst in Anspruch genommene(s) internationale(s) Format(…)“ verwiesen. Es hat aber nicht gewürdigt, dass die Beklagte selbst durch die Erklärung der Kündigung zu verstehen gegeben hatte, dass sie für eine künftige Zusammenarbeit mit der Klägerin keine Grundlage mehr sah.

70

d) Mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Strafanzeige, die die Klägerin gegen Mitarbeiter der Beklagten erstattet habe, fehlt es an Feststellungen sowohl zu ihrem näheren Inhalt als auch zu den Umständen ihrer Erstattung.

71

e) Für die Beurteilung, ob der offene Brief an die Bundeskanzlerin einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegensteht, ist nicht unerheblich, welchen Kreisen von Lesern er zugänglich war und wie lange die Veröffentlichung zurückliegt. Dazu sind bislang keine Feststellungen getroffen. Bei der Würdigung der in dem Brief enthaltenen Aussagen ist überdies angemessen auf die Meinungsfreiheit der Klägerin Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 35).

72

f) Entsprechendes gilt für die Kritik der Klägerin am Betriebsrat.

73

aa) In der E-Mail vom 23. April 2009 hat die Klägerin es als bedauerlich bezeichnet, dass sich „die Arbeitnehmervertretung (…) derart dämlich verhält“. Insofern bedarf der Auslegung, ob dies für die Mitglieder des Betriebsrats als gegen sie - alle - persönlich gerichtete Kritik zu verstehen war. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Erklärung aber noch nicht zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der Person herabsetzen soll (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).

74

bb) Die E-Mail vom 31. August 2009 schließt „mit dem Anlass entsprechenden Grüßen diesmal von Goethe mit einem Götz-Zitat“. Die Klägerin hat darin aber auch die im Zusammenhang mit der Kündigung stehenden Ereignisse und die - vermeintliche - Rolle des Betriebsrats dabei aus ihrer Sicht dargestellt. Sie hat dem Betriebsrat in der Sache vorgeworfen, sowohl den ihrer Meinung nach unrechtmäßigen Zugriff auf ihr E-Mail-Konto gebilligt zu haben als auch eine gesetzeswidrige Öffnung der Büroschränke.

75

g) Hinsichtlich aller geltend gemachter Auflösungsgründe bedarf im Übrigen der Prüfung, ob und inwiefern ihnen, selbst wenn sie Jahre zurückliegen, weiterhin Bedeutung für eine zukünftige Zusammenarbeit der Parteien zukommt.

76

h) Ein Teil des Vorbringens der Beklagten zur Begründung des Auflösungsantrags ist bislang unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte hat sich auf „zahlreiche Äußerungen (der Klägerin) gegenüber der Presse“ berufen, was auch die Namen der Mitarbeiter, gegen die sie Strafanzeige gestellt habe, umfasse.

77

V. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Für den Senat stellen sich keine für seine Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht. Es bedarf auch keiner näheren Untersuchung, ob die von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen nicht nur die Anwendung, sondern die Auslegung von Unionsrecht betreffen. Bislang ist nicht festgestellt, dass die Beklagte auf Beschwerden der Klägerin, sie werde diskriminiert, nicht reagiert hätte.

        

    Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft
ist infolge seiner Versetzung in den Ruhestand
mit Ablauf des 31. Januar 2016 an der
Unterschriftsleistung verhindert.
Berger    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    K. Schierle    

        

    Niebler    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2008 - 5 Sa 174/05 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über den Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

2

Der im März 1940 geborene Kläger war seit 1. Dezember 1993 bei der Beklagten als Leiter des Rechts- und Ordnungsamts beschäftigt. Bei seinem Dienstantritt führte die Beklagte eine rechtliche Auseinandersetzung mit der R GmbH. Im Streit standen Verpflichtungen aus einem „Gestattungsvertrag“, der wechselseitige Ansprüche aus dem Betrieb von Bräunungsanlagen(Solarien) regelte, die in einem Hallenbad der Beklagten aufgestellt worden waren. Am 13. Dezember 1993 schrieben die von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälte an die R GmbH, hinsichtlich des bestehenden Gestattungsvertrags sei entschieden worden, diesen unverändert bis zu seiner Beendigung fortzuführen. Eine Vertragsverlängerung komme nicht in Betracht. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1993 nahm die R GmbH „das Angebot“ an. Am selben Tag kündigte der Kläger in Unkenntnis der vorstehenden Erklärungen namens der Beklagten den Gestattungsvertrag „vorsorglich fristlos“. Die R GmbH verklagte daraufhin die Beklagte beim Landgericht Koblenz auf Zahlung von Erlösen aus dem Betrieb der Bräunungsanlagen in Höhe von knapp 68.000,00 DM. In dem Rechtsstreit ließ sich die Beklagte durch andere Rechtsanwälte vertreten. Der Kläger wurde mit der internen Bearbeitung des Vorgangs beauftragt. Mit Schreiben vom 16. August 1994 legte er gegenüber den neu beauftragten Anwälten seine Auffassung zur Rechtslage dar. Im Dezember 1994 legten diese das Mandat nieder. Zur Begründung beriefen sie sich auf divergierende Rechtsauffassungen zwischen ihnen und dem Kläger sowie die Nichtzahlung eines angeforderten Vorschusses. Der Kläger schaltete nunmehr andere Rechtsanwälte ein. Im März 1995 unterrichtete er den inzwischen neu gewählten Oberbürgermeister über den Fortgang des Verfahrens und einen zu erwartenden ungünstigen Prozessausgang in erster Instanz.

3

Am 3. August 1995 gab das Landgericht der Klage der R GmbH weitgehend statt. Das Urteil wurde den Prozessvertretern der Beklagten laut deren Empfangsbekenntnis am 7. August 1995 zugestellt. Mit „Hausbrief“ vom 30. August 1995 unterrichtete der Kläger den Oberbürgermeister über den Sachstand und empfahl unter Hinweis auf die am 7. September 1995 ablaufende Rechtsmittelfrist, gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einzulegen. Mit Schreiben vom 5. September 1995 meldete er gegenüber den erstbeauftragten Rechtsanwälten, wie ebenfalls in seinem „Hausbrief“ empfohlen, Regressansprüche der Beklagten an. Außerdem fertigte er einen - vom Oberbürgermeister gebilligten - Entwurf für eine Klage gegen die als zweite beauftragten Rechtsanwälte, mit der das an diese bereits geleistete Honorar zurückgefordert werden sollte.

4

Mit Schreiben vom 11. September 1995 beanstandete der Kläger gegenüber einer Bürgerin deren Verhalten gegenüber einem Vollzugsbediensteten der Beklagten. Er kündigte an, bei erneuter Missachtung eines Halteverbots „über die Führerscheinstelle prüfen zu lassen“, ob sie die charakterliche Eignung „für die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr“ noch besitze. Auf eine Beschwerde der Betroffenen erteilte die Beklagte dem Kläger am 10. Oktober 1995 eine Ermahnung, mit der sie seine Ausführungen als überzogen beanstandete. Mit einer weiteren Ermahnung vom selben Tag hielt sie dem Kläger vor, einen ihm unterstellten Bediensteten weisungswidrig nicht als Sachgebietsleiter für Gewerbeangelegenheiten eingesetzt zu haben.

5

Am 11. Oktober 1995 erstellten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine gutachterliche Stellungnahme zu den Rechtsmittelaussichten in Sachen RML GmbH und dem Vorgehen des Klägers in dieser Angelegenheit. Sie veranlasste die Beklagte, ihre gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz eingelegte Berufung zurückzunehmen.

6

Durch „Hausbrief“ vom 12. Oktober 1995 und ergänzende mündliche Unterrichtung leitete die Beklagte gegenüber dem Personalrat das Mitwirkungsverfahren zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers ein. Am 19. Oktober 1995 äußerte der Personalrat Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 1995. Sie berief sich auf Schlechtleistungen des Klägers im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Falls R GmbH. Mit Schreiben vom 3. November 1995 entzog sie ihm mit sofortiger Wirkung seine Befugnisse als Amtsleiter und forderte ihn auf, diese Anordnung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Dienststelle bekannt zu geben.

8

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31. Dezember 1995 aufzulösen.

9

Mit Urteil vom 19. Februar 1999 hat das Arbeitsgericht der Klage ua. mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Zugleich hat es die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt und ihren Auflösungsantrag abgewiesen.

10

Mit ihrer Berufung hat sich die Beklagte nur noch gegen ihre Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers und gegen die Abweisung ihres Auflösungsantrags gewandt. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Mai 2000(- 10 Sa 247/99 -) der Berufung hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags stattgegeben, wegen des Auflösungsantrags hat es sie zurückgewiesen. Auf die nur für die Beklagte zugelassene Revision hat der Senat am 27. September 2001 (- 2 AZR 389/00 -) dieses Urteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über den Auflösungsantrag an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

11

Mit Urteil vom 4. September 2003(- 10 Sa 104/02 -) hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Ebenfalls zurückgewiesen hat es eine Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser ua. (erstmals) begehrt hatte festzustellen, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO unwirksam ist und(erneut) beantragt hatte, die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung zu verurteilen. Auf die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2005 das Berufungsurteil wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

12

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Auflösungsantrags geltend gemacht, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten gewesen. Der Kläger habe bei der Bearbeitung der Sache R GmbH seine Befugnisse als Amtsleiter überschritten und sei weiterhin nicht willens, dies einzugestehen. Er vertrete selbst abstruse Rechtsansichten kompromisslos. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Dialogfähigkeit und eine objektive Würdigung gegenteiliger Rechtspositionen voraussetze, sei angesichts seiner „an Verblendung grenzenden Selbstherrlichkeit“ ausgeschlossen. Beleg für seine Uneinsichtigkeit seien auch mehrere Ablehnungsgesuche gegenüber verfahrensbeteiligten Richtern, die der Kläger stets dann angebracht habe, wenn deutlich geworden sei, dass diese seine Rechtsansichten nicht teilten. Dadurch habe er sich für die Tätigkeit eines beratenden Juristen in der öffentlichen Verwaltung als ungeeignet erwiesen. Zudem sei das Vertrauensverhältnis zur Dienststellenleitung und anderen Mitarbeitern ihrer Verwaltung irreparabel zerstört. Der Kläger habe die Weisungsbefugnis ihres früheren Oberbürgermeisters in Frage gestellt und sich illoyal verhalten, als er im November 1995 eine „Petition“ mit teils beleidigendem Inhalt unter Umgehung des Dienstwegs - unstreitig - unmittelbar einzelnen Stadträten zugeleitet habe. Außerdem habe er den Oberbürgermeister laut eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 1997 öffentlich angegriffen, indem er - unstreitig - bei einer Veranstaltung geäußert habe, die Stadträte sollten sich vom Oberbürgermeister nicht „mit fünf Worten abspeisen lassen“, sondern ggf. Akteneinsicht verlangen. Mit seiner schriftsätzlichen Äußerung: „… Die Verletzung einer Verhaltensnorm der SächsGemO ist ebenso ein Bruch des geschriebenen Rechts wie die Wegnahme einer fremden Sache in Zueignungsabsicht oder das Entleeren von Fäkalien in ein Gewässer“ habe er den Oberbürgermeister sogar einer Straftat bezichtigt. Hinzu kämen außergerichtliche Schreiben des Klägers aus den Jahren 2005 und 2006, mit denen er versucht habe, Druck auf sie auszuüben. Sie enthielten ehrenrührige Behauptungen über ihren amtierenden Oberbürgermeister. Mit Verweis auf einen auf den 6. August 1995 datierten „Hausbrief“ habe der Kläger ferner wider besseres Wissen behauptet, den damaligen Oberbürgermeister bereits vor dem 30. August 1995 über das erstinstanzliche Obsiegen der R GmbH informiert zu haben. Er habe dadurch dessen Glaubwürdigkeit in Frage stellen wollen. Dies sei als versuchter Prozessbetrug zu werten.

13

Die Beklagte hat zuletzt beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 31. Dezember 1995 aufzulösen.

14

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Begehren scheitere schon daran, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam sei. Insbesondere habe die Beklagte es entgegen § 28 Abs. 3 SächsGemO versäumt, das im Fall einer Entlassung von Gemeindebediensteten zwingend erforderliche Einvernehmen mit dem Stadtrat herzustellen. Außerdem fehle es an einer objektiv ausreichenden Unterrichtung des Personalrats über die Kündigungsgründe; der Grundsatz der subjektiven Determiniertheit finde im Bereich der öffentlichen Verwaltung keine Anwendung. Die Kündigung sei zudem sittenwidrig. Ebenso wenig lägen Auflösungsgründe vor. Die ins Persönliche gehenden Beschimpfungen im Zusammenhang mit seiner beratenden Tätigkeit in Sachen R GmbH entbehrten jeder Grundlage. Mangels Rückfragen des Oberbürgermeisters zu seinen schriftlichen Ausführungen habe er davon ausgehen dürfen, dass kein weiterer Beratungsbedarf bestanden habe. Dem Hausbrief vom 30. August 1995 seien inhaltsgleiche Briefe vom 6. August 1995 an den Oberbürgermeister und an den Verwaltungsausschuss vorangegangen. Der Vorwurf des Prozessbetrugs sei unberechtigt.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Auflösungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Im Wege der Anschlussrevision hat er ferner den Antrag angekündigt, das Berufungsurteil möge „insoweit abgeändert (werden), als im Tenor der mit dem Berufungsantrag verfolgte Auflösungsantrag nach KSchG § 9 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wird“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er beantragt, den Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg.

17

A. Der Senat ist nicht an einer Überprüfung des Berufungsurteils gehindert. Der Einwand des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Revision zu Unrecht zugelassen, ist unbeachtlich. Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden(§ 72 Abs. 3 ArbGG).

18

B. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Recht zurückgewiesen. Ihr Auflösungsantrag ist unbegründet. Es liegen keine Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur mangels sozialer Rechtfertigung, sondern auch aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam ist, braucht daher nicht entschieden zu werden.

19

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und diesen zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zur verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

20

1. Eine Auflösung scheitert nicht schon daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - unstreitig - bereits beendet war.

21

a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis - sollte es nicht durch eine weitere ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. November 1995 schon zum 31. März 1996 aufgelöst worden sein - spätestens mit Ablauf des 31. März 2005 geendet hat. Der Kläger, der im März 2005 sein 65. Lebensjahr vollendete, ist mit Wirkung vom 1. April 2005 in den Ruhestand getreten und bezieht seither Regelaltersrente.

22

b) Nach § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung - hier der 31. Dezember 1995 - geendet hätte. Daraus folgt, dass ein Antrag auf Auflösung nicht mehr gestellt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen beendet war. Eine gerichtliche Auflösung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat. Andernfalls kann durch das Urteil nichts mehr gestaltet werden(BAG 20. März 1997 - 8 AZR 769/95 - zu B II 4 b der Gründe, BAGE 85, 330). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1995 geendet.

23

c) Hat das Arbeitsverhältnis zwar erst nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, aber schon vor Erlass des Auflösungsurteils geendet, steht dies einer gerichtlichen Auflösung nicht entgegen(BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 362; Senat 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 2 a der Gründe, RzK I 11a Nr. 16). Allerdings ist in einem solchen Fall ein anderer als der sonst vorgesehene Beurteilungszeitpunkt maßgeblich. Grundsätzlich ist die Begründetheit eines Auflösungsantrags nach den bei Erlass des Urteils vorliegenden Umständen zu beurteilen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Eine auf deren Grundlage anzustellende zukunftsgerichtete Prognose kann bei einer schon zuvor eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen. Daher ist die Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, wenn sie sozial gerechtfertigt gewesen wäre, und dem Beendigungszeitpunkt zu erstrecken (BAG 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 3 b der Gründe, aaO).

24

d) An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden hat(vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 88; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. 2010 Rn. 2102; aA Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 28), hält der Senat auch in Anbetracht der im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken fest.

25

aa) Das Landesarbeitsgericht meint, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor einer Entscheidung über den Auflösungsantrag fehle es schon deshalb an Auflösungsgründen, weil eine Zusammenarbeit der Parteien, anders als § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorausgesetzt, in keinem Fall mehr „zu erwarten“ sei. Die Auffassung des Senats sei mit der Zukunftsbezogenheit des Auflösungsantrags nicht vereinbar und führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung. Werde über den Auflösungsantrag noch kurz vor der Beendigung entschieden, sei ein Prognosezeitraum von ggf. nur wenigen Tagen zugrunde zu legen. Demgegenüber komme es bei einer Entscheidung nach dem Beendigungszeitpunkt ggf. auf einen Zeitraum von mehreren Jahren an.

26

bb) Dieser Einwand überzeugt nicht. Er berücksichtigt nicht, dass gerade der Ausschluss einer Auflösungsmöglichkeit wegen anderweitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unbilligen Ergebnissen führen kann. So bliebe der Arbeitgeber auch bei Vorliegen von Auflösungsgründen grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 615 BGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gehalt zu zahlen, während er andernfalls lediglich eine Abfindung in den Höchstgrenzen des § 10 KSchG zu zahlen hätte. Auch auf Seiten des Arbeitnehmers kann der Wegfall eines berechtigten Abfindungsanspruchs zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Dies könnte eine an der Vereitelung der Auflösung interessierte Partei dazu verleiten, den Prozess, soweit dies in ihrer Macht steht, über den Beendigungszeitpunkt hinaus zu verzögern, um daraus finanzielle Vorteile zu ziehen(vgl. Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - zu I 1 der Gründe, BAGE 17, 46). Dem kann durch die vom Senat bevorzugte Lösung begegnet werden. Sie trägt überdies dem gesetzlichen Sanktionszweck der nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung Rechnung(vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5) und entspricht der Methodik des Schadenersatzrechts (Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - aaO; Tschöpe FS Schwerdtner 217, 242 f.).

27

2. Gleichwohl war das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen. Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner das Urteil selbstständig tragenden(Hilfs-)Begründung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, auch bei einem Prognosezeitraum vom 1. Januar 1996 (Ablauf der Kündigungsfrist) bis zum 31. März 2005 (spätestes Ende des Arbeitsverhältnisses) fehle es an Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

28

a) Das KSchG ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An den Auflösungsgrund sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 13 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163). Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 65, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).

29

b) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (Senat 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52).

30

c) Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich von ihnen nicht distanziert (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45).

31

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte ist auch auf der Rechtsanwendungsebene zu gewährleisten, wenn im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen grundrechtlich geschützte Positionen berührt werden(BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 2008, 2424). Deshalb sind bei der Beurteilung, ob aufgrund von Äußerungen des Arbeitnehmers eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - zu II 2 a aa der Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 40; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 92, 266). Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre(Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Mit diesen muss es ggf. in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - mwN, aaO; BAG 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13).

32

Darüber hinaus ist gerade im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör(Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - aaO).

33

d) Die Würdigung, ob nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat(vgl. Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Dem hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.

34

aa) Zu Recht hat sich das Landesarbeitsgericht auf die Prüfung solcher Umstände beschränkt, die bis zum 31. März 2005 eingetreten waren. Erklärungen des Klägers, die dieser nach Beginn seines Ruhestands abgegeben hat, oder ihm insoweit zuzurechnende Äußerungen seiner Ehefrau sind ungeeignet, den Auflösungsantrag der Beklagten zu begründen. Das folgt daraus, dass die Begründetheit des Antrags in Fällen wie dem vorliegenden aus der Sicht des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen ist. Damit wäre eine - selbst eine nur unterstützende - Heranziehung von Vorfällen, die sich erst später ereignet haben, unvereinbar. Hinzu kommt, dass eine Verletzung nachvertraglicher Schutz- und Rücksichtnahmepflichten wegen einer nach Vertragsende veränderten Pflichtenstruktur keine sicheren Rückschlüsse auf die Möglichkeit einer gedeihlichen, an den Betriebszwecken orientierten Zusammenarbeit in einem noch aktiven Arbeitsverhältnis zuließe.

35

bb) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die interne Bearbeitung des Rechtsstreits mit der R GmbH der Beklagten keinen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gab.

36

(1) Der Beklagten war es nicht schon verwehrt, zur Begründung ihres Auflösungsantrags auf solche Umstände zurückzugreifen, die sie zur Rechtfertigung ihrer sozial ungerechtfertigten Kündigung vom 24. Oktober 1995 angeführt hatte. Derartige Sachverhalte können jedenfalls dann zur Begründung eines Auflösungsantrags herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber sich - wie hier - auch noch auf weitere Tatsachen beruft(Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 626 Nr. 218).

37

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten des Klägers in Teilen als vertragswidrig angesehen. So hat es angenommen, der Kläger habe vor Kündigung des Gestattungsvertrags mit der R GmbH Rücksprache mit den bereits beauftragten Rechtsanwälten halten müssen. Außerdem habe er seine Kompetenzen überschritten, als er anschließend Rechtsanwälte selbst mandatiert habe. Ferner habe er den Oberbürgermeister verspätet über das Urteil des Landgerichts vom 3. August 1995 unterrichtet und in seinem „Hausbrief“ Bedenken des Gerichts gegen die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung nicht hinreichend Rechnung getragen.

38

(3) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass solcherart Pflichtverletzungen einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der Parteien deshalb nicht entgegenstanden, weil sie sich durch geeignete Weisungen der Beklagten hätten steuern lassen.

39

(4) Auch der vom Kläger in Sachen R GmbH eingenommene Rechtsstandpunkt als solcher und die Konsequenz, mit der der Kläger ihn vertreten hat, sind kein Auflösungsgrund. Die von der Beklagten beauftragten Gutachter haben in ihrer Stellungnahme die Rechtslage als „kompliziert“ bezeichnet und gemeint, die Auffassung des Klägers könne jedenfalls nicht als „völlig abwegig“ bezeichnet werden. Das hat das Berufungsgericht mit nachvollziehbaren Argumenten ebenso gesehen. Die Erhebung einer Klage auf Rückzahlung von Honorar gegen die zweitbeauftragten Rechtsanwälte war nicht völlig fernliegend. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass diese bei Mandatsniederlegung ihren Vorschuss bereits erhalten hatten. Ein „überzogenes Vorgehen“ des Klägers kann ebenso wenig in der Erhebung von Schadensersatzforderungen gegenüber den ursprünglich beauftragten Rechtsanwälten gesehen werden. Immerhin war deren Schreiben vom 13. Dezember 1993 ein Grund, der aus Sicht des Landgerichts Koblenz zum Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit mit der R GmbH führte. Zudem waren die betreffenden Schritte mit dem Oberbürgermeister der Beklagten abgestimmt.

40

cc) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war nicht mit Rücksicht auf das sonstige Verhalten des Klägers geboten. Zwar hat das Berufungsgericht dieses Verhalten als teilweise unverhältnismäßig, beleidigend oder illoyal qualifiziert. Auch hat es erkannt, dass es nicht ohne jede Auswirkung auf die Zusammenarbeit der Parteien im Prognosezeitraum geblieben wäre. Dennoch durfte es davon ausgehen, dass die Parteien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls - etwa des teilweise fehlenden Bezugs zur Tätigkeit des Klägers und des Umstands, dass der Konflikt durch ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Beklagten selbst mit hervorgerufen worden war - zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit hätten zurückfinden können.

41

(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Schreiben des Klägers vom 11. September 1995 an eine Bürgerin sei unangemessen und überzogen gewesen. Ferner sei es als Ausdruck einer illoyalen Haltung gegenüber dem Oberbürgermeister zu bewerten, dass der Kläger zwar ständig seine Verpflichtungen gegenüber Stadtrat und Gemeinde betont, bei seiner Anhörung durch den Personalrat aber erklärt habe, Weisungen des Oberbürgermeisters nur unter dem Vorbehalt ihrer gerichtlichen Prüfung befolgen zu wollen. Entsprechendes gelte für die Äußerungen des Klägers, mit denen er in einem Zeitungsartikel zitiert worden sei. Es sei überzogen und unsachlich, wenn er das Vorgehen des Oberbürgermeisters mit dem Wort „abspeisen“ würdige und durch den Hinweis auf ein Verlangen nach Akteneinsicht Misstrauen säe. Auch habe er durch die Nichtbeachtung des Verwaltungswegs bei Einreichung seiner Petition im November 1995 versucht, über die Mitglieder des Stadtrats in unlauterer Weise Druck auf die Verwaltung auszuüben. Unangemessen seien seine Ausführungen, mit denen er den dem Oberbürgermeister angelasteten Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO ohne Not mit Straftaten verglichen habe. Das belege, dass der Kläger nicht immer das rechte Maß finde, angemessen auf möglicherweise zu Recht von ihm beanstandete Situationen zu reagieren. Aus seinem Prozessverhalten, insbesondere der Begründung von Ablehnungsgesuchen gegenüber zuständigen Richtern aus dem März und Mai 2003 werde seine Eigenschaft deutlich, einem Anliegen in unverhältnismäßiger, teils aggressiver und beleidigender Art Ausdruck zu verleihen.

42

(2) Ob diese Würdigung dem Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung(Art. 5 Abs. 1 GG) und/oder seinem Petitionsrecht (Art. 17 GG und Art. 35 SächsVerf iVm. § 12 SächsGemO) ausreichend Rechnung trägt, kann dahinstehen. Auch wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, musste das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag nicht stattgeben.

43

(a) Das fragliche Schreiben vom 11. September 1995 hat die Beklagte zum Anlass genommen, dem Kläger eine Ermahnung auszusprechen. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass dieser Vorfall aus ihrer Sicht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht entgegen steht. Äußerungen des Klägers anlässlich prozessualer Ablehnungsgesuche hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine fallübergreifende Bedeutung beigemessen. Das gilt ebenso für eine in der rechtlichen Argumentation des Klägers mitschwingende „Überheblichkeit“. Aus der Art und Weise der Prozessführung eines als beratender Jurist beschäftigten Arbeitnehmers in einem eigenen Kündigungsrechtsstreit lässt sich nicht ohne Weiteres auf dessen Auftreten in Rechtsstreitigkeiten schließen, die er für seinen Arbeitgeber zu führen hat. Umstände, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Das Landesarbeitsgericht hat sich - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - auch mit einem Brief des Klägers an die Prozessbevollmächtigten in Sachen R GmbH auseinandergesetzt und - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre - gemeint, ihm komme kein zu verallgemeinerndes Gewicht zu. Auch die Vielzahl der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten und der Vorwurf der Revision, der Kläger habe selbst in aussichtsloser Lage Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vorinstanzen eingelegt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es steht dem Kläger frei, den Rechtsweg auszuschöpfen.

44

(b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, zu Lasten der Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass diese mit der Kündigung und den sie begleitenden Umständen maßgeblich zu den Spannungen zwischen den Parteien beigetragen habe, ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass es dem Arbeitgeber nicht gestattet ist, sich auf von ihm selbst herbeigeführte Auflösungsgründe zu berufen(vgl. Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 234/04 - zu II 2 e aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 51 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 51; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56, 59). Unter diesem Gesichtspunkt ist es vertretbar, dass das Landesarbeitsgericht die Kündigung - auch im Hinblick auf die umfangreichen Unterhaltspflichten des Klägers - als „rigide“ bewertet und dies damit begründet hat, weder habe der Kläger Kritik hinsichtlich seiner beratenden und prozessbegleitenden Tätigkeit erfahren, noch sei ihm ausreichend Gelegenheit zur Verhaltensänderung gegeben worden. Auch die Würdigung, in der Entbindung des Klägers von seiner Stellung als Amtsleiter liege eine unverhältnismäßige Reaktion, ist nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere angesichts des Verlangens, der Kläger möge seine Absetzung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Verwaltung bekannt geben. Zu Unrecht rügt die Beklagte, das Landesarbeitsgericht sei hinsichtlich dieser Erwägung der Verpflichtung zur Neubewertung des Sachverhalts nach der Aufhebung seines ersten Urteils durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof nicht ausreichend gerecht geworden. Auch wenn es Passagen aus dem aufgehobenen Urteil zu großen Teilen wörtlich wiederholt und lediglich eine vom Verfassungsgerichtshof bemängelte Passage ausgelassen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es habe den Sachverhalt keiner erneuten und eigenständigen rechtlichen Überprüfung unterzogen. Im Übrigen hat auch die Beklagte den Rechtsstreit nicht mit der gebotenen Sachlichkeit geführt, soweit sie dem langjährig als Rechtsanwalt tätigen Kläger die fachliche Kompetenz abgesprochen und behauptet hat, er habe im Rechtsstreit mit der R GmbH „abstruse“ Rechtsauffassungen vertreten.

45

(c) Die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts, angesichts der Möglichkeit der Beklagten, auf das Verhalten des Klägers durch eindeutige Regelungen und sachliche Anweisungen steuernd einzuwirken, sei durchaus eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien zu erwarten gewesen, ist vertretbar. Ihr steht nicht entgegen, dass es bestimmte Verhaltensauffälligkeiten des Klägers dessen Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat. Darin läge allenfalls dann ein Widerspruch, wenn es von einer mangelnden Steuerbarkeit des beanstandeten Verhaltens ausgegangen wäre. Das ist nicht der Fall. Ebenso wenig kann den Äußerungen des Klägers zum Weisungsrecht des Oberbürgermeisters entnommen werden, er sei nicht(mehr) gewillt, diese zu befolgen. Seine Äußerung, er werde künftige Weisungen ggf. gerichtlich überprüfen lassen, war erkennbar durch die unerwartete Konfrontation mit der Kündigungsabsicht der Beklagten bedingt und berechtigt nicht zu der Annahme, er werde sich auch bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eindeutigen Regelungen und Anweisungen verschließen. Das entsprach im Übrigen der Einschätzung des Personalrats, der die Äußerung und Begleitumstände unmittelbar wahrgenommen hatte.

46

dd) Das Landesarbeitsgericht hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen oder fehlerhaft gewichtet.

47

(1) Zu Unrecht rügt die Revision, es habe sich nicht mit der Beleidigung eines seinerzeit zuständigen Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt. Die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung ist nicht zu erkennen.

48

(2) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe eine im Schriftsatz des Klägers vom 10. April 2003 enthaltene Äußerung über ihren Oberbürgermeister übergangen, derzufolge dieser „seine Kommunalerfahrung in einem Rechtssystem erworben hatte, bei dem die sogenannte sozialistische Gesetzlichkeit eine Nachgiebigkeit des Rechts für politische Ziele erforderte“, hat sie es versäumt darzulegen, wann und wo sie diese Äußerung zum Gegenstand ihres Auflösungsbegehrens gemacht hatte.

49

(3) Auf Äußerungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. April 2006 und in einer Eingabe an den Regierungspräsidenten vermag die Beklagte ihren Auflösungsantrag schon deshalb nicht zu stützen, weil sie die Zeit nach dem 31. März 2005, dem Ende des Prognosezeitraums, betreffen.

50

(4) Das Landesarbeitsgericht hat nicht den Regelungsgehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG als einer neben § 626 BGB bestehenden Lösungsmöglichkeit des Arbeitgebers verkannt, soweit es dem am 16. März 2005 verfassten Schreiben des Klägers wegen der alsbaldigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Bedeutung mehr beigemessen hat. Das Schreiben war unmittelbar an den amtierenden Oberbürgermeister gerichtet. Eine Außenwirkung kam ihm nicht zu. Der Kläger befasste sich darin überwiegend mit aus seiner Sicht vorliegenden Amtspflichtverletzungen des Amtsvorgängers. Eine Mitverantwortung des Adressaten stellte er allenfalls unter dem Aspekt unterbliebener Mitarbeiterverantwortung „in den Raum“. Anders als die Beklagte meint, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, das Schreiben habe sie trotz des unmittelbar bevorstehenden Endes des Arbeitsverhältnisses zu einer fristlosen Kündigung berechtigt und müsse daher erst recht als Auflösungsgrund taugen.

51

Unschädlich ist, dass sich das Landesarbeitsgericht nicht näher mit der Frage befasst hat, ob die Äußerungen des Klägers sein vorangegangenes Verhalten in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Kläger hat das Schreiben mit dem Hinweis darauf eingeleitet, dass er „am letzten Tag, an dem mich der Arbeitsvertrag den Bürgern dieser Stadt zum Einsatz für das Gemeinwohl verpflichtet, … das Résumée ziehen (könne)“. Dies spricht dafür, dass er sich seiner Mäßigungspflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis durchaus bewusst war und sie auch bei tatsächlicher Beschäftigung beachtet hätte.

52

(5) Ein Auflösungsgrund ergibt sich ebenso wenig aus dem Vorbringen des Klägers zur Erstellung des „Hausbriefs“ vom 30. August 1995, von dem er unter Vorlage einer bereits auf den 6. August 1995 datierten Ausfertigung behauptete, ihn schon Anfang August dem Oberbürgermeister zugeleitet zu haben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, insoweit fehle es an hinreichenden Indiztatsachen für einen vorsätzlich falschen Prozessvortrag des Klägers. Dem Gericht sei aus eigener Erfahrung bekannt, dass es seinerzeit(1995) bei der Verwendung einer bestimmten, auch von der Beklagten genutzten Software häufig zu programmtechnisch bedingten Fehlern bei Formatierungen und Datierungen gekommen sei. Dem Kläger habe - zumal sehr viel später - die (richtige) Datierung des Briefs auf den 30. August 1995 nicht mehr bewusst sein müssen. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe diesen Gesichtspunkt nur nach einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis berücksichtigen dürfen, ist unbegründet. Die Beklagte übersieht, dass sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Juni 2006 auf mögliche programmtechnische Fehler bei der automatischen Erzeugung des Datums im „Hausbrief“ berufen hatte, ohne dass sie dem entgegen getreten wäre. Unter diesen Umständen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Landesarbeitsgericht das klägerische Vorbringen mit eigenem Wissen vergleicht. Seine Würdigung lässt nicht erkennen, dass es dabei die ausdrückliche Behauptung des Klägers, das Dokument am 6. August 1995 und nicht erst am 30. August 1995 erstellt zu haben, übergangen hätte. Es brauchte in den Entscheidungsgründen nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens der Parteien einzugehen, zumal die Behauptung des Klägers einen Irrtum auf seiner Seite nicht ausschließt. Die Beklagte führt im Übrigen selbst an, der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 20. August 2003 „klarstellend“ erklärt, seine Angaben zu einer „vermuteten Absendung des Hausbriefs nahe bei dem 6. August 1995“ seien „ein für Jedermann erkennbarer Irrtum“ gewesen. Der späteren Modifizierung dieses Vorbringens ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Möglichkeit eines Irrtums nunmehr gänzlich ausschließen wollte.

53

II. Fehlt es an einem Auflösungsgrund iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, kann offen bleiben, ob der Beklagten ein Auflösungsantrag überhaupt zu Gebote stand. Darauf, ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 aus sonstigen Gründen unwirksam war, wie der Kläger gemeint hat, kommt es nicht an.

54

1. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommt nur in Betracht, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist(Senat 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Dabei führt das Vorliegen eines anderen Unwirksamkeitsgrundes iSv. § 13 Abs. 3 KSchG nicht zur Unzulässigkeit des Auflösungsbegehrens wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung. Es mangelt dem Begehren vielmehr an einer materiellen Voraussetzung des § 9 Abs. 1 KSchG wie beim Fehlen von Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch. Auf eine bestimmte Prüfungsreihenfolge sind die Gerichte gesetzlich nicht festgelegt. Liegt nur eine der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG nicht vor, ist der Auflösungsantrag des Arbeitgebers unbegründet. Einer Erörterung weiterer Voraussetzungen bedarf es dann nicht.

55

2. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Kläger beantragt hat, die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass ihr Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ abgewiesen werde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abweisung des Auflösungsantrags aus einem bestimmten rechtlichen Grund. Der Streitgegenstand bestimmt sich durch den Antrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt(vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18 mwN, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1). In diesem Rahmen sind die Gerichte in der rechtlichen Beurteilung frei und nicht an die von den Parteien vorgebrachte rechtliche Begründung gebunden. Im Übrigen hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit bereits entschieden, dass die von § 28 Abs. 3 SächsGemO geforderte Herstellung des Einvernehmens mit dem Stadtrat keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung gegenüber einem Gemeindebediensteten darstellt(Urteil vom 27. September 2001 - 2 AZR 389/00 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13).

56

C. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert.

57

I. Die Anschlussrevision stellt, obwohl nicht Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, ein Angriffsmittel dar, mit dem der Anschlussrevisionskläger eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten erstrebt (BGH 11. März 1981 - GSZ 1/80 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 80, 146). Dies setzt eine Beschwer des Anschlussrevisionsklägers durch das angefochtene Berufungsurteil voraus (zB Senat 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B IV der Gründe, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu I 2 der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155; BGH 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - zu II der Gründe mwN, LM ZPO § 556 Nr. 29).

58

II. Die Beschwer eines sich gegen den Auflösungsantrag des Arbeitgebers verteidigenden Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Beschwer einer beklagten Partei gelten. Es kommt darauf an, ob das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach für ihn nachteilig ist, er also mit dem Rechtsmittel eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann(vgl. BGH 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99 - zu I 3 der Gründe mwN, BGHZ 144, 242). Das bestimmt sich allein nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH 16. April 1996 - XI ZR 302/95 - zu II 3 der Gründe, NJW-RR 1996, 828). An einer Beschwer fehlt es, wenn sich das Rechtsmittel allein gegen die Urteilsbegründung wendet und die Partei dieselbe Entscheidung nur mit einer anderen Begründung erstrebt (BGH 17. Dezember 2003 - IV ZR 28/03 - zu II 1 der Gründe mwN, NJW-RR 2004, 724; 2. Dezember 1982 - IVb ZR 638/80 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 82, 246).

59

III. Danach liegt auf Seiten des Klägers eine Beschwer nicht vor.

60

1. Der Kläger strebt zwar, wie er vor dem Senat klargestellt hat, mit der begehrten Abweisung des Auflösungsantrags als „unzulässig“ nicht etwa - zu seinen eigenen Lasten - ein bloßes Prozessurteil an. Er will vielmehr erreichen, dass das Auflösungsbegehren der Beklagten aus einem bestimmten Grund - wegen „sonstiger Unwirksamkeit“ der Kündigung vom 24. Oktober 1995 und insoweit va. wegen eines Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO - abgewiesen wird. Hinsichtlich der Wirkung seiner materiellen Rechtskraft unterscheidet sich das angefochtene von dem erstrebten Urteil jedoch nicht. Die Gründe für die Abweisung eines Auflösungsantrags nehmen an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil. Noch weniger sind sie etwa im Tenor des Urteils auszusprechen. Der Kläger hat mit der Abweisung des gegnerischen Auflösungsantrags durch das Landesarbeitsgericht voll obsiegt. Mehr könnte er mit seiner Revision nicht erreichen.

61

2. Der Kläger kann eine Beschwer durch das angefochtene Urteil nicht aus der Zurückweisung seiner Anschlussberufung durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2003 herleiten. Dieses Urteil ist insoweit rechtskräftig.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 iVm. § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    K. Schierle    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 2008 - 3 Sa 781/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Klägers das Prozessverhalten seines Anwalts berücksichtigt werden darf.

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 Euro brutto beschäftigt. Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung, die seit dem Jahre 2003 auch zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen ua. über die Rechtswirksamkeit von Versetzungen führten, war der Kläger seit Mitte Juni 2006 als „Leiter internes Help Desk“ tätig.

3

Mit Schreiben vom 22. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 2007 und stellte den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei.

4

Das Arbeitsgericht hat der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte hilfsweise beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis durch Urteil des Gerichts gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen.

5

Diesen Antrag hat sie damit begründet, der Kläger habe ihr fortwährend zu Unrecht rechtswidriges und gesetzwidriges Verhalten unterstellt. Seinem früheren Vorgesetzten habe er unterstellt, dieser werde im Prozess die Unwahrheit sagen, nur um seine Kündigung zu erreichen. Der Kläger habe unter anderem behauptet, sie habe seine „Degradierung“ betrieben, ihn in ein „Sterbezimmer“ versetzt, versucht ihn mit „Kettenversetzungen“ „mürbe zu machen“ und insgesamt ein typisches Muster des „Weichkochens“ mit ihm betrieben. Alles gipfele in der vom Klägervertreter selbst als solche bezeichneten „rhetorischen“ Frage, „ob überhaupt irgend ein Vortrag der Beklagten der Wahrheit entspreche“. Schließlich habe der Kläger durch seinen Anwalt aus dem erstinstanzlichen Urteil eine Zwangsvollstreckung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung betrieben, ohne dass ein derartiger Anspruch tituliert gewesen sei.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen. Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen nicht vor. Sein prozessualer Vortrag sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einzelne, von der Beklagten gerügte Formulierungen seien der besonderen Emotionalität geschuldet, mit der der Rechtsstreit von beiden Seiten geführt werde, und müssten daher auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.

7

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten einschließlich des Auflösungsantrags zurückgewiesen. Mit der vom Senat für den Auflösungsantrag zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte diesen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung steht zwar mit § 9 KSchG nicht in vollem Einklang. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich aber auch bei Beachtung der vom Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als richtig (II.).

9

I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers liegen, das letzterer nicht veranlasst hat.

10

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

11

a) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - mwN; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

12

b) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. So hat der Senat etwa die schriftsätzliche Äußerung eines Klägers, ihm sei „ganz erhebliches Unrecht geschehen durch eine als betriebsbedingt vorgeschobene Kündigung“, als regelmäßig durch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers gedeckt angesehen (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 -; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58).

13

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene Ergebnis.

14

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unternommenen Zwangsvollstreckungsversuch als „rein prozessuales Verhalten“ des Anwalts dem Kläger von vornherein nicht zurechnen zu dürfen. Diese Begründung beachtet nicht ausreichend, dass nach der Rechtsprechung des Senats auch prozessuales Verhalten seines Anwalts dem Arbeitnehmer im Rahmen des § 9 KSchG zugerechnet werden kann. Vom Prozessverhalten ein „rein prozessuales“ Verhalten des Bevollmächtigten abzuschichten, ist nicht gerechtfertigt. Es mag zwar prozessuale Bereiche geben, deren Funktionsweise der juristische Laie schwer nachvollziehen kann. Indes zeigt § 85 Abs. 2 ZPO, dass eine Aufteilung des Prozessrechts in solche Gebiete, für die eine Zurechnung des anwaltlichen Handelns geboten ist, und solche, für die eine Zurechnung zu unterbleiben hat, nicht mit der Vorstellung des Gesetzgebers übereinstimmt.

15

b) Was die Prozessführung im Übrigen betrifft, hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Emotionalisierung des Klägers sei möglicherweise auf seinen Prozessbevollmächtigten „übergesprungen“ und dafür könne der Kläger nicht verantwortlich gemacht werden. Da es auf die objektive Lage ankommt, berechtigt jedoch auch eine besondere Gefühlslage des Prozessbevollmächtigten nicht dazu, die Zurechnung seiner etwaigen verbalen Entgleisungen im Rahmen von § 9 KSchG von vornherein auszuschließen.

16

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine längere Betriebszugehörigkeit falle bei der Gewichtung des Auflösungsgrundes ohne Weiteres in die Waagschale, ist unzutreffend. Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen.

17

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich aus anderen Gründen dennoch als richtig. Der Auflösungsantrag ist unbegründet. Tatsachen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen, liegen nicht vor.

18

1. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angestrengte Vollstreckungsversuch kommt als Auflösungsgrund nicht in Betracht. Der Kläger hatte in erster Instanz keinen Beschäftigungsantrag gestellt. Folglich enthielt das Urteil des Arbeitsgerichts keinen Beschäftigungstitel. Der Versuch, einen nicht vorhandenen Titel - unter Vorlage des Urteils, aus dem sich dessen Fehlen ergab - zu vollstrecken, war daher von Anfang an und offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Er konnte die Beklagte nicht im Ernst berühren, sondern allenfalls dem Kläger finanziellen Schaden und seinem Prozessbevollmächtigten eine Beeinträchtigung seines juristischen Rufs eintragen. Irgendeinen Rückschluss auf eine zu erwartende Störung des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien lässt diese anwaltliche Fehlleistung nicht zu. Zu einer solchen Störung der Zusammenarbeit hat die Beklagte auch nichts vorgetragen.

19

2. Die übrigen von der Beklagten benannten Tatsachen scheiden schon deshalb als Auflösungsgründe aus, weil es sich insoweit um Prozessvortrag handelt, der durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt ist. Die Formulierungen des Klägervertreters sind zwar an einigen Stellen zugespitzt und weisen einen beißenden und scharfen Ton auf. Sie stehen aber stets in einem sachlich nachvollziehbaren Bezug zu den maßgeblichen rechtlichen Fragen und übertreten weder im Inhalt noch in der Form die Grenze zu persönlicher Schmähung, Gehässigkeit oder Lüge.

20

a) Zu beachten ist, dass der vorliegende Prozess vor dem Hintergrund einer bei Kündigung schon seit etwa vier Jahren auch gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung (drei Versetzungen, vier Abmahnungen) um das Arbeitsverhältnis geführt wurde. Dabei hatte eine Kammer des Arbeitsgerichts bereits im Rechtsstreit über die erste Versetzung die Einschätzung geäußert, der Kläger solle offenbar von der Beklagten „weichgekocht“ werden. Diesen Ausdruck hat der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 31. Januar 2008 in Anführungszeichen zitiert. Er hat ihn jedenfalls auf den ersten Blick dadurch als plausibel erscheinen lassen, dass er vortrug, der Kläger sei mit der damals streitigen Versetzung vom Abteilungsleiter zum Sachbearbeiter degradiert und in ein Praktikantenbüro umgesetzt worden. Der Klägervertreter hat dieses sodann als öffentliches „Sterbezimmer“ apostrophiert. Diese Ausdrucksweise ist zwar bildhaft und polemisch, aber weder beleidigend noch ungehörig. Vor dem Hintergrund des Eindrucks, der sich dem Bevollmächtigten durch die Vorgehensweise der Beklagten offenbar aufdrängte, überschreitet sie nicht die Grenzen erlaubter Härte. Sowohl die Ausdrücke „weichkochen“ und „Sterbezimmer“ als auch der Ausdruck „mürbe machen“ sind erkennbar nicht wörtlich gemeinte, sondern bildhafte, umgangssprachlich geläufige Wendungen, mit denen dem Arbeitgeber anschaulich eine gewisse Unnachgiebigkeit bei der Verfolgung seines Ziels zugeschrieben wird. Dabei geht es hier nicht darum, ob die geäußerten Einschätzungen zutreffen, sondern allein, ob sie geäußert werden durften.

21

b) Soweit der Klägervertreter den Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Beklagten angezweifelt hat, ist dies - abgesehen davon, dass auch die Beklagte dem Kläger wiederholt unwahren Vortrag vorhielt - nicht zu beanstanden. Er hat sich dabei in den Grenzen des § 138 ZPO gehalten. Der Bevollmächtigte durfte auch die - dem Kläger nicht aus eigener Beobachtung bekannten - Behauptungen der Beklagten zum Zustandekommen der unternehmerischen Entscheidung in Zweifel ziehen. Solche Zweifel lagen aus seiner Sicht deshalb besonders nahe, weil die Beklagte den Kläger erst im Frühjahr 2006 auf eben die Stelle versetzt hatte, deren Wegfall sie kurze Zeit später, nämlich im Herbst 2006 zunächst einleitete, dann aber bis Mitte 2007 verschob. In diesem Zusammenhang und unter dem Eindruck der seit 2003 andauernden zähen Auseinandersetzungen ist es dem Klägervertreter nicht vorzuwerfen, dass er die - bei betriebsbedingten Kündigungen vom Arbeitnehmer zu begründende - Möglichkeit des Missbrauchs der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ansprach. Dazu mag er sich aus anwaltlicher Vorsorge sogar gehalten gesehen haben. In ähnlicher Weise durfte der Klägervertreter auch Zweifel des Gerichts an der von der Beklagten behaupteten Möglichkeit wecken oder bereits geweckte Zweifel wach halten, der betreffende Kollege sei in der Lage, die vorher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in dem von der Beklagten behaupteten Umfang alleine zu verrichten.

22

c) Entgegen der Darstellung der Beklagten hat der Kläger weder ihr noch den von ihr benannten Zeugen unterstellt, sie hätten die Absicht zu „lügen“. Er hat - bezogen auf einzelne Personen - lediglich in freilich süffisanten Wendungen darauf hingewiesen, dass sie - gleichsam im Lager der Beklagten stehend - an deren Auseinandersetzungen mit dem Kläger beteiligt seien. Dies ist ein möglicherweise unhöflicher, aber doch nicht verleumderischer oder ehrabschneidender Hinweis an das Gericht, im Falle einer Beweisaufnahme Bedacht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu nehmen.

23

d) Ebenso fügt sich in das Bild eines von Seiten des Klägervertreters zwar hart, aber nicht ungehörig geführten Rechtsstreits die von ihm selbst als rhetorisch apostrophierte und erkennbar nicht ernst gemeinte Formulierung, es frage sich, ob überhaupt etwas Wahres am Vortrag der Beklagten sei.

24

e) Alle diese Umstände lassen keine negativen Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis und gedeihliche Zusammenwirken der Parteien zu. Die Beklagte hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwiefern sich die Prozessführung, soweit sie sie beanstandet hat, auf den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis negativ auswirken soll. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 20, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Davon kann hier nach dem Vortrag der Beklagten und den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Rede sein. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; zumindest haben sie sich nicht in greifbaren Tatsachen niedergeschlagen.

25

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. November 2014 - 4 Sa 574/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Auflösungsantrag der Beklagten, die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses sah sie sich durch ihre Vorgesetzten wegen ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft diskriminiert.

3

In einer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten führte die Klägerin aus, seit einigen Jahren würden „Guerilla-Aktionen“ gegen sie geführt, sie habe eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden. Sie würde es als unfair erachten, wenn der Vorstandsvorsitzende davon aus der amerikanischen Presse oder der „Oprah-Winfrey-Show“ erführe. Bei ihrem „Chef“ handele es sich um einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“. Die Klägerin wies in der E-Mail darauf hin, dass sie drei unterhaltspflichtige Kinder habe.

4

Mit ebenfalls an den damaligen Vorstandsvorsitzenden gerichteter E-Mail vom 5. Februar 2009 teilte die Klägerin erneut mit, dass sie unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie verlangte, nicht mehr mit ihrem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen. In der E-Mail hieß es auszugsweise:

        

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird - das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz.“

5

Mit E-Mail vom 30. März 2009 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“ an ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Sie hielt ihm Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik sowie unsachliche und leere Bemerkungen vor, ferner, dass er seine Position nur innehabe, um einer intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Seine Fähigkeiten reichten offensichtlich nicht dazu, als Führungskraft zu fungieren. Er verstehe nicht einmal „den Unterschied zwischen Kosten und Preis“. Die Klägerin versandte die E-Mail an weitere zwölf Mitarbeiter der Beklagten.

6

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2009 darauf hin, dass ihre Äußerungen durch ihr Beschwerderecht und das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt seien. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die in der E-Mail vom 5. Februar 2009 enthaltenen Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schreiben lautete auszugsweise:

        

„Sie haben mit diesen Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert. Wir fordern Sie daher auf, alle von Ihnen gemachten Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den von Ihnen informierten Personen und der S AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, sich bei den betroffenen Personen schriftlich unter qualifizierter Zurücknahme der Behauptungen ebenfalls bis zum 17. April 2009 zu entschuldigen. Wir erwarten, dass Sie derartige Äußerungen künftig unterlassen.

        

Sollten derartige oder sinngemäß gleiche Äußerungen wiederholt werden oder sollte keine Rücknahme erfolgen, werden wir arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können.

        

Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges stellen wir Sie widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei.“

7

Die Klägerin nahm zu dem Schreiben mit E-Mail vom 16. April 2009 Stellung. Die Bezeichnung ihres Vorgesetzten als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ sei „auch für (ihren) Geschmack … ein wenig zu scharf geraten“, dessen frauenfeindliches Verhalten habe aber zur Verschärfung des Konflikts beigetragen. Sie habe den Ausdruck nicht zum Zwecke der Beleidigung oder Rufschädigung verwandt. Gegen den Vorwurf, den Abteilungsleiter als „Rassisten“ bezeichnet zu haben, verwahre sie sich.

8

Mit Schreiben vom 21. April 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 30. Juni 2009 zu kündigen. Dem Anhörungsschreiben - bestehend aus Deckblatt und Anhang - waren weitere Anlagen beigefügt. Ob auch die Anlagen „2a“ bis „2c“ dazu gehörten, ist zwischen den Parteien streitig gewesen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung unter dem 24. April 2009 zu.

9

Mit Schreiben ebenfalls vom 24. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009.

10

Hiergegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat außerdem die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die von ihr getätigten Äußerungen seien nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 3. April 2009 selbst zum Ausdruck gebracht, dass keine negative Zukunftsprognose bestehe, wenn sie, die Klägerin, bestimmte Verhaltensweisen richtigstelle. Eine Abmahnung sei daher nicht entbehrlich gewesen. Im Übrigen lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge außer Acht, die erst zur Störung des Betriebsfriedens geführt hätten. Überdies sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf dem Anhörungsbogen sei ihm mitgeteilt worden, dass sie eine Unterhaltsverpflichtung nur gegenüber einem Kind habe, obwohl die Beklagte positive Kenntnis davon gehabt habe, dass sie drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Das Zitat zum „Judenvergleich“ sei nicht vollständig und damit entstellt wiedergegeben worden. Die Anlagen „2a“ bis „2c“ seien dem Betriebsrat nicht zugeleitet worden. Der hierzu als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende habe sich widersprüchlich geäußert.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag vom 14. September 2001 geregelten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung als Stratege im Global Procurement in N bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

13

Die Beklagte hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Sie hat gemeint, die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. Sie habe ihre Führungskräfte beleidigt, in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten ihres Vorgesetzten in Frage gestellt und die Umstände im Unternehmen mit dem Leid der Juden während der NS-Zeit verglichen. Einer Abmahnung habe es nach dem Schreiben vom 3. April 2009 nicht mehr bedurft. Mit ihrer Stellungnahme vom 16. April 2009 habe die Klägerin ihre Pflichtverletzungen noch manifestiert und verstärkt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat behauptet, diesem sei die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin zum einen aus deren E-Mail vom 21. September 2008 bekannt gewesen, die dem Anhörungsschreiben als Anlage „2c“ beigefügt gewesen sei, zum anderen habe er von den persönlichen Verhältnissen der Klägerin ohnehin Kenntnis gehabt. Aus der Anlage „2c“ sei ihm auch der vollständige Inhalt des von der Klägerin angestellten „Judenvergleichs“ bekannt gewesen.

14

Zur Begründung des Auflösungsantrags hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe sie in zahlreichen Äußerungen gegenüber der Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Von ihrem „Judenvergleich“ habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert, sondern sie, die Beklagte, bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24. Februar 2010 habe die Klägerin eine Strafanzeige gegen sie gestellt. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gegen zwei ihrer Mitarbeiter erstattet. Die Klägerin habe die Namen der Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt sowie der Presse mitgeteilt und dadurch deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Sie habe zudem in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den sie auf ihrer Homepage veröffentlich habe, das Ansehen der Firma beschädigt. Dem Betriebsrat habe sie vorgeworfen, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

15

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag könnten nur Sachverhalte berücksichtigt werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden seien. Gründe für eine Auflösung seien im Übrigen nicht gegeben. Einem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere, sei es schon aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben verwehrt, von der Möglichkeit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Auf den Hilfsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung von 37.600,00 Euro brutto zum 30. Juni 2009 aufgelöst. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt für den Fall, dass die Revision der Beklagten zurückgewiesen wird, mit ihrer Revision ihr Klagebegehren - soweit dieses erfolglos geblieben ist - weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Über die Revision der Klägerin war nicht zu entscheiden.

18

I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht als sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ansehen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

19

1. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon deshalb unbegründet, weil ihre Berufung unzulässig gewesen wäre.

20

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(BAG 26. März 2013 - 3 AZR 101/11 - Rn. 12). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 11; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9 mwN).

21

b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 13). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13  - Rn. 18 ).

22

c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Sie stellt die Bewertung des Arbeitsgerichts in Frage, die Kündigung sei mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt. Eine Abmahnung sei vielmehr entbehrlich gewesen, weil die erheblichen Pflichtverletzungen der Klägerin einen irreparablen Vertrauensverlust begründet hätten und damit bereits eine negative Prognose vorgelegen habe. Damit hat die Beklagte Umstände bezeichnet, aus denen sich iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ergeben konnte. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe sich nicht hinreichend mit dem Prognoseprinzip auseinandergesetzt, auf welches das erstinstanzliche Urteil unter anderem gestützt sei, verkennt, dass die Beklagte sich hiermit durchaus befasst, eine negative Prognose aber anders als das Arbeitsgericht aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne vorherige Abmahnung als gegeben erachtet hat.

23

2. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 sei sozial ungerechtfertigt.

24

a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen(BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 20; zu § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 19; 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO mwN). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 39).

25

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42).

26

c) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.

27

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 3. April 2009 auf ein etwaiges Recht zur Kündigung wegen der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht verzichtet. Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige. Ein Rechtsfehler ist diesbezüglich weder aufgezeigt noch objektiv ersichtlich.

28

(1) Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer - außerordentlichen oder ordentlichen - Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 33; 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 11 f.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 24, BAGE 125, 208).

29

(2) Beim Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 handelt es sich um eine atypische Willenserklärung. Deren Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Revisionsgericht nur auf Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu prüfen.

30

(3) Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, sie lasse den Willen der Beklagten erkennen, sich eine endgültige rechtliche Bewertung des Sachverhalts bis zum Eingang der Stellungnahme der Klägerin vorzubehalten. Das Schreiben ist weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme dient erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung erfolgte lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ und ließ sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

31

bb) Hatte die Beklagte demnach nicht auf ein etwaiges Kündigungsrecht verzichtet, bleibt nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts unklar, inwiefern dem Umstand, dass sie ihre Erwartungen an die Klägerin nicht klar genug formuliert habe, für die soziale Rechtfertigung der Kündigung „entscheidende Bedeutung“ zukomme.

32

(1) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe durch eine unklare Formulierung dazu beigetragen, dass die Klägerin nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist die erwarteten Erklärungen abgegeben habe. Dies sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung zu würdigen.

33

(2) Wie es diese Würdigung vorgenommen, insbesondere welche weiteren Umstände es in seine Erwägungen einbezogen hat, lässt sich dem Berufungsurteil jedoch nicht entnehmen. Es bleibt sowohl offen, welche Äußerungen der Klägerin das Landesarbeitsgericht überhaupt als Pflichtverletzungen gewertet noch welche Schwere es ihnen ggf. beigemessen hat.

34

cc) Sollte der Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Vorstellung zugrunde gelegen haben, es sei ausreichend, dass die Beklagte eine Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage zunächst selbst für möglich gehalten habe, läge darin eine Verkennung der Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung „bedingt“, gilt ein objektiver Maßstab(für den wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; HK-ArbR/Griebeling 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 58; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 22). Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei einer außerordentlichen Kündigung vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349 ). An der danach erforderlichen Prüfung, ob im Zeitpunkt der Kündigung nach den objektiv gegebenen Umständen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses - auch ohne eine vorherige Abmahnung - gerechtfertigt war, fehlt es bislang.

35

3. Der Senat kann die Würdigung, ob die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, nicht selbst vornehmen. Hierfür bedarf es weiterer Feststellungen.

36

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, ggf. sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 43; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 f .; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 231 f.). Mit den E-Mails vom 21. September 2008 und 5. Februar 2009 kann eine solche an die Beklagte gerichtete Drohung verbunden gewesen sein, die Klägerin werde sich an die - amerikanischen - Medien wenden, falls die Beklagte ihre vermeintlichen Ansprüche - wie etwa den, nicht mehr mit dem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen - nicht erfülle. Für die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts bedarf es der Auslegung der E-Mails gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Begleitumstände. Daran fehlt es bisher. Dafür, dass die Einschaltung der fraglichen Medien im berechtigten Interesse der Klägerin gelegen haben könnte, ist bislang nichts ersichtlich. Den Parteien wird insofern Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.

37

b) In der Bezeichnung ihres „Chefs“ als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ in der E-Mail der Klägerin vom 21. September 2008 kann eine nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckte Beleidigung liegen. Dies gilt ebenso für die Charakterisierung und Herabwürdigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten in der E-Mail vom 30. März 2009. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe; zur ordentlichen Kündigung BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45).

38

c) Beim Vergleich ihrer seelischen Verfassung mit dem Leid der Juden in der NS-Zeit sowie beim Hinweis auf den Mafia-Film „Der Pate“ in der E-Mail der Klägerin vom 5. Februar 2009 wird durch Auslegung zu bestimmen sein, welcher Aussagegehalt den Äußerungen überhaupt beizumessen ist. Dass die Klägerin die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gleichgesetzt hätte (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 19), wie die Beklagte gemeint hat, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Die Klägerin hat ihre „seelischen Qualen“ mit denen der Juden verglichen und dabei darauf hingewiesen, es handele sich um ihr „Erleben und Empfinden“.

39

d) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch eine oder mehrere ihrer Äußerungen verletzt, wird es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Streitfalls zu prüfen haben, ob es der Beklagten dennoch objektiv zumutbar war, das Arbeitsverhältnis - ggf. nach Abmahnung - auf Dauer fortzusetzen.

40

aa) Hierbei kann zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein, wenn es für die von ihr erhobenen Vorwürfe gegenüber ihrem „Chef“ oder dem direkten Vorgesetzten eine Tatsachengrundlage gab, wie sie behauptet hat. Das wird das Landesarbeitsgericht ggf. näher aufzuklären haben. Die Äußerungen könnten auch dann weniger schwer wiegen, wenn sich die Klägerin - wie sie geltend gemacht hat - in einer Ausnahmesituation befunden hätte, weil sie den Eindruck hatte, ihre Beschwerden würden bei der Beklagten nicht in der gebotenen Weise bearbeitet.

41

bb) Bei der Würdigung, ob der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung - objektiv - unzumutbar war, kann außerdem der Stellungnahme der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 Bedeutung zukommen. Soweit die Klägerin darin ihr Bedauern bezüglich einzelner Äußerungen zum Ausdruck gebracht und mit Blick auf andere versucht haben sollte, Klarstellungen vorzunehmen, mag dies zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein. Andererseits hat sie die Erklärungen nicht von sich aus, sondern erst auf die Aufforderung der Beklagten hin abgegeben. Überdies hat sie sich von den beanstandeten Äußerungen nicht uneingeschränkt distanziert, sondern sie zum Teil sogar bekräftigt.

42

4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der Basis der bisherigen Feststellungen angenommen, die Kündigung sei nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

43

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gem. Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

44

aa) Der Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert(BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 14; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 16; 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 46).

45

bb) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - aaO; Raab GK-BetrVG 10. Aufl. § 102 Rn. 68 und 94). Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO).

46

b) Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. April 2009 ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet.

47

aa) Es fehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an einer ausreichenden Darstellung des Kündigungssachverhalts. In der dem Anhörungsschreiben unstreitig beigefügten Anlage mit Ausführungen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung hatte die Beklagte den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erläutert und auf die unter Beteiligung des Betriebsrats geführten Gespräche mit der Klägerin verwiesen. Die E-Mails der Klägerin wurden ebenso in Bezug genommen wie das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009. Die Beklagte teilte ihre Einschätzung mit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zu erwarten sei, nachdem diese ihre Äußerungen weder zurückgenommen noch sich für sie entschuldigt habe. Wegen des Inhalts der in Bezug genommenen E-Mails verwies die Beklagte auf die nummerierten weiteren Anlagen.

48

bb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme waren diese Anlagen - einschließlich der Anlage „2c“ - dem Anhörungsschreiben bei der Übergabe an den Betriebsrat beigefügt.

49

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle. Es ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Seine Würdigung muss in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich sein (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 37, BAGE 149, 355; 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 21).

50

(2) Das Landesarbeitsgericht hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, weshalb es für erwiesen hielt, dass dem Anhörungsschreiben sämtliche Anlagen beigefügt waren. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat berücksichtigt, dass sich die Aussagen des Zeugen E zum Teil widersprachen. Es hat dies nachvollziehbar auf eine Verunsicherung durch die dem Zeugen gestellten Zwischenfragen zurückgeführt. Maßgeblich war für das Landesarbeitsgericht, dass der Zeuge mit Verweis auf die auf den Unterlagen durchgängig aufgebrachten Eingangsvermerke vom 21. April 2009 sicher habe ausschließen können, dass dem Betriebsrat noch nachträglich Unterlagen zugeleitet worden seien. Es hat daraus widerspruchsfrei den Schluss gezogen, die Unterlagen seien dem Betriebsrat vollständig bereits mit dem Anhörungsschreiben zugegangen.

51

cc) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe einen von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis über die Dauer der Verlesung von 29 Textseiten übergangen, ist unzulässig. Die Klägerin hat die erforderliche Kausalität zwischen dem vermeintlichen Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils nicht aufgezeigt (zu diesem Erfordernis vgl.: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

52

(1) Die Klägerin macht geltend, das Sachverständigengutachten hätte die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden erschüttert, so dass das Landesarbeitsgericht ihre Glaubhaftigkeit deutlich zurückhaltender beurteilt hätte. Weder innerhalb der nur eine Stunde dauernden (ersten) Betriebsratssitzung noch unter Berücksichtigung einer Befassung in einer weiteren Sitzung hätten die gesamten Unterlagen verlesen werden können.

53

(2) Die Klägerin verkennt, dass für das Landesarbeitsgericht die zu veranschlagende Dauer für eine Verlesung der Anlagen nicht entscheidungserheblich war. Dieses hat lediglich angenommen, der Betriebsrat habe sich mit der Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung in zwei Sitzungen befasst. Es ist nicht davon ausgegangen, dass dabei die Anlagen verlesen worden seien. Auch der Zeuge E hat lediglich bekundet, nach seiner Erinnerung habe er alle Unterlagen vorgelesen.

54

dd) Die Anhörung des Betriebsrats war nicht wegen einer fehlerhaften Mitteilung der bestehenden Unterhaltspflichten der Klägerin unzureichend. Allerdings ist die Angabe in dem Anhörungsschreiben falsch gewesen. Die Klägerin war nicht einem, sondern drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Für das Landesarbeitsgericht stand aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Betriebsrat schon aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin über deren Unterhaltspflichten informiert war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst unrichtig oder irreführend unterrichtet hätte. Insofern bedarf keiner näheren Prüfung, ob der Beklagten Kenntnis von der zutreffenden Anzahl der Unterhaltspflichten der Klägerin jedenfalls aufgrund der Angabe in ihrer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden zuzurechnen war. Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass sich aus ihrer Lohnsteuerkarte nur ein zu berücksichtigendes Kind ergeben habe. Für den Betriebsrat, der die zutreffende Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin kannte, war ebenfalls erkennbar, dass es sich bei der Angabe in dem Anhörungsbogen nur um einen Irrtum bzw. um die aus der Lohnsteuerkarte ersichtliche Zahl unterhaltspflichtiger Kinder der Klägerin handeln konnte.

55

ee) Einer näheren Darlegung im Rahmen der Anhörung, wie die Beklagte die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen hatte, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, implizierte eine Abwägung zulasten der Klägerin (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

56

c) Die Beklagte hat die Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus ihrem Machtbereich herausgegeben, bevor ihr die Zustimmung und damit eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorlag.

57

II. Der Senat kann über die soziale Rechtfertigung der Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie über die Anträge der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Den Auflösungsantrag hat die Beklagte nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass der Kündigungsschutzantrag der Klägerin Erfolg hat. Der Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ausdrücklich nur für den Fall ihres Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt. Da er nur dann Erfolg haben kann, wenn außerdem der Auflösungsantrag abgewiesen wird, steht er konkludent auch unter dieser weiteren - innerprozessualen - Bedingung. Ebenso ist der auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Antrag zu verstehen, da die Klägerin mit ihm nach dem vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten und von ihr nicht beanstandeten Verständnis ein Zwischenzeugnis nur für den Fall des Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses begehrt.

58

III. Über die Revision der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, entsprechend der materiell- und prozessrechtlichen Lage nur für den Fall weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags, dass sie mit ihrem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, Erfolg hat. Diese - innerprozessuale - Bedingung ist nicht eingetreten. Von der Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der erfolgreichen Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag sind im Übrigen die Entscheidungen über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie die Anträge der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses bereits erfasst.

59

IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat - sollte das Landesarbeitsgericht wiederum über den Auflösungsantrag zu entscheiden haben - darauf hin, dass es diesem mit der bisherigen Begründung nicht stattgeben durfte.

60

1. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47). Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nicht. Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 3 b aa der Gründe; BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 d cc der Gründe; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 114, 362).

61

2. Das Landesarbeitsgericht hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu Recht angenommen, die Beklagte sei mit Gründen, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vorlagen, nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst in der Berufungsinstanz beantragt hat. Im Gesetzeswortlaut ist eine solche Beschränkung der für die Zukunftsprognose zu berücksichtigenden Gründe nicht angelegt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck der Norm. Nur aus einer umfassenden Gesamtschau der zum Zeitpunkt der Auflösungsentscheidung maßgeblichen Umstände kann eine gesicherte Prognose darüber getroffen werden, ob für die Zukunft noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu erwarten ist. Dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nicht weit zurückliegende Vorfälle ohne Aussagekraft für die zukünftig zu erwartende Zusammenarbeit als Auflösungsgründe heranzuziehen, ist dadurch Rechnung getragen, dass es auf die Beurteilung der objektiven Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe).

62

3. Die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgesehene Möglichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - verfassungskonform(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

63

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist trotz sozial ungerechtfertigter Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht zu erwarten ist. Die Bestimmung dient damit ebenso wie die übrigen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einer Fortsetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein über die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes hinausgehender Bestandsschutz ist durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht gefordert(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe). Bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung rechtfertigen kann, haben die Arbeitsgerichte die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - aaO).

64

b) Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschränkt nicht in grundrechtswidriger Art und Weise die Eigentumsrechte des Arbeitnehmers. Es handelt sich vielmehr - auch unter Berücksichtigung von § 10 KSchG - um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verzugslohn werden bei Erklärung einer sozial ungerechtfertigten Kündigung erst dann zu grundrechtlich geschützten Vermögenspositionen, wenn ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers durch das Gericht zurückgewiesen wird (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 3 der Gründe, BAGE 46, 42).

65

c) Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liegt nicht vor (BVerfG 13. August 1991 - 1 BvR 128/87 - zu II der Gründe; 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 4 der Gründe, BAGE 46, 42). Dem Gesetzgeber obliegt es, bei der Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Grundrechtsprinzipien angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Durch die §§ 9, 10 KSchG wird keiner dieser Grundsätze verletzt. Für den Arbeitnehmer ist im Kündigungsschutzprozess von Anfang an erkennbar, dass ein Verzugslohnanspruch von der Möglichkeit eines Auflösungsantrags beschränkt ist und dass dieses Gestaltungsinstrument bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung gegeben ist (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Die gesetzliche Vorgabe, den Auflösungszeitpunkt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses bei unterstellter Wirksamkeit der Kündigung zu bestimmen, liegt ebenfalls innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 2 der Gründe, aaO). Der Einwand der Klägerin, damit habe es allein der Arbeitgeber in der Hand, die Auflösung herbeizuführen, trifft nicht zu. Voraussetzung für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist neben einem Antrag des Arbeitgebers, dass die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nach Abwägung der wechselseitigen Grundrechtspositionen die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei nicht zu erwarten(BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

66

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei für die Zukunft nicht zu erwarten, wird jedoch von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen.

67

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das von der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten lasse nicht erwarten, dass künftige Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder aufträten, in der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen würden. Es hat die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten aufgrund der unter II 2 c cb der Entscheidungsgründe aufgeführten Umstände als gegeben erachtet. Dieses Ergebnis hat es - soweit ersichtlich - aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände gewonnen und nicht angenommen, jeder dieser Faktoren rechtfertige bereits für sich genommen die Auflösung.

68

b) Zumindest der Gesichtspunkt, der Klägerin sei es auch im Berufungsverfahren „nicht gelungen, von ihrem ‚Angriffsmodus’ abzukehren“, lässt nicht erkennen, welche Tatsachen das Landesarbeitsgericht insoweit zugrunde gelegt hat. Zudem wird aus dem Berufungsurteil nicht ersichtlich, ob und ggf. inwiefern das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung darauf Bedacht genommen hat, dass das Verhalten einer Partei in einem Gerichtsverfahren durch berechtigte Interessen gedeckt sein kann. Die Verfahrensbeteiligten dürfen zur Rechtsverteidigung alles vortragen, was rechtserheblich sein kann und sich dabei auch starker, eindringlicher Ausdrücke und Schlagworte bedienen, selbst wenn eine vorsichtigere Formulierung möglich gewesen wäre (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22).

69

c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Klägerin habe sich auch nach der Kündigung nicht in ausreichendem Maße mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 3. April 2009 auseinandergesetzt, bleibt unklar, weshalb es für sie noch nach Ausspruch der Kündigung Veranlassung gegeben habe, sich um eine „Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person“ zu bemühen, bzw. weshalb dies „nahegelegen“ habe. Das Landesarbeitsgericht hat auf die „Bildung“ der Klägerin und ihr „selbst in Anspruch genommene(s) internationale(s) Format(…)“ verwiesen. Es hat aber nicht gewürdigt, dass die Beklagte selbst durch die Erklärung der Kündigung zu verstehen gegeben hatte, dass sie für eine künftige Zusammenarbeit mit der Klägerin keine Grundlage mehr sah.

70

d) Mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Strafanzeige, die die Klägerin gegen Mitarbeiter der Beklagten erstattet habe, fehlt es an Feststellungen sowohl zu ihrem näheren Inhalt als auch zu den Umständen ihrer Erstattung.

71

e) Für die Beurteilung, ob der offene Brief an die Bundeskanzlerin einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegensteht, ist nicht unerheblich, welchen Kreisen von Lesern er zugänglich war und wie lange die Veröffentlichung zurückliegt. Dazu sind bislang keine Feststellungen getroffen. Bei der Würdigung der in dem Brief enthaltenen Aussagen ist überdies angemessen auf die Meinungsfreiheit der Klägerin Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 35).

72

f) Entsprechendes gilt für die Kritik der Klägerin am Betriebsrat.

73

aa) In der E-Mail vom 23. April 2009 hat die Klägerin es als bedauerlich bezeichnet, dass sich „die Arbeitnehmervertretung (…) derart dämlich verhält“. Insofern bedarf der Auslegung, ob dies für die Mitglieder des Betriebsrats als gegen sie - alle - persönlich gerichtete Kritik zu verstehen war. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Erklärung aber noch nicht zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der Person herabsetzen soll (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).

74

bb) Die E-Mail vom 31. August 2009 schließt „mit dem Anlass entsprechenden Grüßen diesmal von Goethe mit einem Götz-Zitat“. Die Klägerin hat darin aber auch die im Zusammenhang mit der Kündigung stehenden Ereignisse und die - vermeintliche - Rolle des Betriebsrats dabei aus ihrer Sicht dargestellt. Sie hat dem Betriebsrat in der Sache vorgeworfen, sowohl den ihrer Meinung nach unrechtmäßigen Zugriff auf ihr E-Mail-Konto gebilligt zu haben als auch eine gesetzeswidrige Öffnung der Büroschränke.

75

g) Hinsichtlich aller geltend gemachter Auflösungsgründe bedarf im Übrigen der Prüfung, ob und inwiefern ihnen, selbst wenn sie Jahre zurückliegen, weiterhin Bedeutung für eine zukünftige Zusammenarbeit der Parteien zukommt.

76

h) Ein Teil des Vorbringens der Beklagten zur Begründung des Auflösungsantrags ist bislang unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte hat sich auf „zahlreiche Äußerungen (der Klägerin) gegenüber der Presse“ berufen, was auch die Namen der Mitarbeiter, gegen die sie Strafanzeige gestellt habe, umfasse.

77

V. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Für den Senat stellen sich keine für seine Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht. Es bedarf auch keiner näheren Untersuchung, ob die von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen nicht nur die Anwendung, sondern die Auslegung von Unionsrecht betreffen. Bislang ist nicht festgestellt, dass die Beklagte auf Beschwerden der Klägerin, sie werde diskriminiert, nicht reagiert hätte.

        

    Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft
ist infolge seiner Versetzung in den Ruhestand
mit Ablauf des 31. Januar 2016 an der
Unterschriftsleistung verhindert.
Berger    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    K. Schierle    

        

    Niebler    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 2008 - 3 Sa 781/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Klägers das Prozessverhalten seines Anwalts berücksichtigt werden darf.

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 Euro brutto beschäftigt. Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung, die seit dem Jahre 2003 auch zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen ua. über die Rechtswirksamkeit von Versetzungen führten, war der Kläger seit Mitte Juni 2006 als „Leiter internes Help Desk“ tätig.

3

Mit Schreiben vom 22. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 2007 und stellte den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei.

4

Das Arbeitsgericht hat der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte hilfsweise beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis durch Urteil des Gerichts gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen.

5

Diesen Antrag hat sie damit begründet, der Kläger habe ihr fortwährend zu Unrecht rechtswidriges und gesetzwidriges Verhalten unterstellt. Seinem früheren Vorgesetzten habe er unterstellt, dieser werde im Prozess die Unwahrheit sagen, nur um seine Kündigung zu erreichen. Der Kläger habe unter anderem behauptet, sie habe seine „Degradierung“ betrieben, ihn in ein „Sterbezimmer“ versetzt, versucht ihn mit „Kettenversetzungen“ „mürbe zu machen“ und insgesamt ein typisches Muster des „Weichkochens“ mit ihm betrieben. Alles gipfele in der vom Klägervertreter selbst als solche bezeichneten „rhetorischen“ Frage, „ob überhaupt irgend ein Vortrag der Beklagten der Wahrheit entspreche“. Schließlich habe der Kläger durch seinen Anwalt aus dem erstinstanzlichen Urteil eine Zwangsvollstreckung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung betrieben, ohne dass ein derartiger Anspruch tituliert gewesen sei.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen. Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen nicht vor. Sein prozessualer Vortrag sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einzelne, von der Beklagten gerügte Formulierungen seien der besonderen Emotionalität geschuldet, mit der der Rechtsstreit von beiden Seiten geführt werde, und müssten daher auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.

7

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten einschließlich des Auflösungsantrags zurückgewiesen. Mit der vom Senat für den Auflösungsantrag zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte diesen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung steht zwar mit § 9 KSchG nicht in vollem Einklang. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich aber auch bei Beachtung der vom Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als richtig (II.).

9

I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers liegen, das letzterer nicht veranlasst hat.

10

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

11

a) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - mwN; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

12

b) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. So hat der Senat etwa die schriftsätzliche Äußerung eines Klägers, ihm sei „ganz erhebliches Unrecht geschehen durch eine als betriebsbedingt vorgeschobene Kündigung“, als regelmäßig durch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers gedeckt angesehen (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 -; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58).

13

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene Ergebnis.

14

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unternommenen Zwangsvollstreckungsversuch als „rein prozessuales Verhalten“ des Anwalts dem Kläger von vornherein nicht zurechnen zu dürfen. Diese Begründung beachtet nicht ausreichend, dass nach der Rechtsprechung des Senats auch prozessuales Verhalten seines Anwalts dem Arbeitnehmer im Rahmen des § 9 KSchG zugerechnet werden kann. Vom Prozessverhalten ein „rein prozessuales“ Verhalten des Bevollmächtigten abzuschichten, ist nicht gerechtfertigt. Es mag zwar prozessuale Bereiche geben, deren Funktionsweise der juristische Laie schwer nachvollziehen kann. Indes zeigt § 85 Abs. 2 ZPO, dass eine Aufteilung des Prozessrechts in solche Gebiete, für die eine Zurechnung des anwaltlichen Handelns geboten ist, und solche, für die eine Zurechnung zu unterbleiben hat, nicht mit der Vorstellung des Gesetzgebers übereinstimmt.

15

b) Was die Prozessführung im Übrigen betrifft, hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Emotionalisierung des Klägers sei möglicherweise auf seinen Prozessbevollmächtigten „übergesprungen“ und dafür könne der Kläger nicht verantwortlich gemacht werden. Da es auf die objektive Lage ankommt, berechtigt jedoch auch eine besondere Gefühlslage des Prozessbevollmächtigten nicht dazu, die Zurechnung seiner etwaigen verbalen Entgleisungen im Rahmen von § 9 KSchG von vornherein auszuschließen.

16

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine längere Betriebszugehörigkeit falle bei der Gewichtung des Auflösungsgrundes ohne Weiteres in die Waagschale, ist unzutreffend. Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen.

17

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich aus anderen Gründen dennoch als richtig. Der Auflösungsantrag ist unbegründet. Tatsachen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen, liegen nicht vor.

18

1. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angestrengte Vollstreckungsversuch kommt als Auflösungsgrund nicht in Betracht. Der Kläger hatte in erster Instanz keinen Beschäftigungsantrag gestellt. Folglich enthielt das Urteil des Arbeitsgerichts keinen Beschäftigungstitel. Der Versuch, einen nicht vorhandenen Titel - unter Vorlage des Urteils, aus dem sich dessen Fehlen ergab - zu vollstrecken, war daher von Anfang an und offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Er konnte die Beklagte nicht im Ernst berühren, sondern allenfalls dem Kläger finanziellen Schaden und seinem Prozessbevollmächtigten eine Beeinträchtigung seines juristischen Rufs eintragen. Irgendeinen Rückschluss auf eine zu erwartende Störung des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien lässt diese anwaltliche Fehlleistung nicht zu. Zu einer solchen Störung der Zusammenarbeit hat die Beklagte auch nichts vorgetragen.

19

2. Die übrigen von der Beklagten benannten Tatsachen scheiden schon deshalb als Auflösungsgründe aus, weil es sich insoweit um Prozessvortrag handelt, der durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt ist. Die Formulierungen des Klägervertreters sind zwar an einigen Stellen zugespitzt und weisen einen beißenden und scharfen Ton auf. Sie stehen aber stets in einem sachlich nachvollziehbaren Bezug zu den maßgeblichen rechtlichen Fragen und übertreten weder im Inhalt noch in der Form die Grenze zu persönlicher Schmähung, Gehässigkeit oder Lüge.

20

a) Zu beachten ist, dass der vorliegende Prozess vor dem Hintergrund einer bei Kündigung schon seit etwa vier Jahren auch gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung (drei Versetzungen, vier Abmahnungen) um das Arbeitsverhältnis geführt wurde. Dabei hatte eine Kammer des Arbeitsgerichts bereits im Rechtsstreit über die erste Versetzung die Einschätzung geäußert, der Kläger solle offenbar von der Beklagten „weichgekocht“ werden. Diesen Ausdruck hat der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 31. Januar 2008 in Anführungszeichen zitiert. Er hat ihn jedenfalls auf den ersten Blick dadurch als plausibel erscheinen lassen, dass er vortrug, der Kläger sei mit der damals streitigen Versetzung vom Abteilungsleiter zum Sachbearbeiter degradiert und in ein Praktikantenbüro umgesetzt worden. Der Klägervertreter hat dieses sodann als öffentliches „Sterbezimmer“ apostrophiert. Diese Ausdrucksweise ist zwar bildhaft und polemisch, aber weder beleidigend noch ungehörig. Vor dem Hintergrund des Eindrucks, der sich dem Bevollmächtigten durch die Vorgehensweise der Beklagten offenbar aufdrängte, überschreitet sie nicht die Grenzen erlaubter Härte. Sowohl die Ausdrücke „weichkochen“ und „Sterbezimmer“ als auch der Ausdruck „mürbe machen“ sind erkennbar nicht wörtlich gemeinte, sondern bildhafte, umgangssprachlich geläufige Wendungen, mit denen dem Arbeitgeber anschaulich eine gewisse Unnachgiebigkeit bei der Verfolgung seines Ziels zugeschrieben wird. Dabei geht es hier nicht darum, ob die geäußerten Einschätzungen zutreffen, sondern allein, ob sie geäußert werden durften.

21

b) Soweit der Klägervertreter den Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Beklagten angezweifelt hat, ist dies - abgesehen davon, dass auch die Beklagte dem Kläger wiederholt unwahren Vortrag vorhielt - nicht zu beanstanden. Er hat sich dabei in den Grenzen des § 138 ZPO gehalten. Der Bevollmächtigte durfte auch die - dem Kläger nicht aus eigener Beobachtung bekannten - Behauptungen der Beklagten zum Zustandekommen der unternehmerischen Entscheidung in Zweifel ziehen. Solche Zweifel lagen aus seiner Sicht deshalb besonders nahe, weil die Beklagte den Kläger erst im Frühjahr 2006 auf eben die Stelle versetzt hatte, deren Wegfall sie kurze Zeit später, nämlich im Herbst 2006 zunächst einleitete, dann aber bis Mitte 2007 verschob. In diesem Zusammenhang und unter dem Eindruck der seit 2003 andauernden zähen Auseinandersetzungen ist es dem Klägervertreter nicht vorzuwerfen, dass er die - bei betriebsbedingten Kündigungen vom Arbeitnehmer zu begründende - Möglichkeit des Missbrauchs der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ansprach. Dazu mag er sich aus anwaltlicher Vorsorge sogar gehalten gesehen haben. In ähnlicher Weise durfte der Klägervertreter auch Zweifel des Gerichts an der von der Beklagten behaupteten Möglichkeit wecken oder bereits geweckte Zweifel wach halten, der betreffende Kollege sei in der Lage, die vorher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in dem von der Beklagten behaupteten Umfang alleine zu verrichten.

22

c) Entgegen der Darstellung der Beklagten hat der Kläger weder ihr noch den von ihr benannten Zeugen unterstellt, sie hätten die Absicht zu „lügen“. Er hat - bezogen auf einzelne Personen - lediglich in freilich süffisanten Wendungen darauf hingewiesen, dass sie - gleichsam im Lager der Beklagten stehend - an deren Auseinandersetzungen mit dem Kläger beteiligt seien. Dies ist ein möglicherweise unhöflicher, aber doch nicht verleumderischer oder ehrabschneidender Hinweis an das Gericht, im Falle einer Beweisaufnahme Bedacht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu nehmen.

23

d) Ebenso fügt sich in das Bild eines von Seiten des Klägervertreters zwar hart, aber nicht ungehörig geführten Rechtsstreits die von ihm selbst als rhetorisch apostrophierte und erkennbar nicht ernst gemeinte Formulierung, es frage sich, ob überhaupt etwas Wahres am Vortrag der Beklagten sei.

24

e) Alle diese Umstände lassen keine negativen Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis und gedeihliche Zusammenwirken der Parteien zu. Die Beklagte hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwiefern sich die Prozessführung, soweit sie sie beanstandet hat, auf den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis negativ auswirken soll. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 20, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Davon kann hier nach dem Vortrag der Beklagten und den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Rede sein. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; zumindest haben sie sich nicht in greifbaren Tatsachen niedergeschlagen.

25

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2008 - 5 Sa 174/05 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über den Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

2

Der im März 1940 geborene Kläger war seit 1. Dezember 1993 bei der Beklagten als Leiter des Rechts- und Ordnungsamts beschäftigt. Bei seinem Dienstantritt führte die Beklagte eine rechtliche Auseinandersetzung mit der R GmbH. Im Streit standen Verpflichtungen aus einem „Gestattungsvertrag“, der wechselseitige Ansprüche aus dem Betrieb von Bräunungsanlagen(Solarien) regelte, die in einem Hallenbad der Beklagten aufgestellt worden waren. Am 13. Dezember 1993 schrieben die von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälte an die R GmbH, hinsichtlich des bestehenden Gestattungsvertrags sei entschieden worden, diesen unverändert bis zu seiner Beendigung fortzuführen. Eine Vertragsverlängerung komme nicht in Betracht. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1993 nahm die R GmbH „das Angebot“ an. Am selben Tag kündigte der Kläger in Unkenntnis der vorstehenden Erklärungen namens der Beklagten den Gestattungsvertrag „vorsorglich fristlos“. Die R GmbH verklagte daraufhin die Beklagte beim Landgericht Koblenz auf Zahlung von Erlösen aus dem Betrieb der Bräunungsanlagen in Höhe von knapp 68.000,00 DM. In dem Rechtsstreit ließ sich die Beklagte durch andere Rechtsanwälte vertreten. Der Kläger wurde mit der internen Bearbeitung des Vorgangs beauftragt. Mit Schreiben vom 16. August 1994 legte er gegenüber den neu beauftragten Anwälten seine Auffassung zur Rechtslage dar. Im Dezember 1994 legten diese das Mandat nieder. Zur Begründung beriefen sie sich auf divergierende Rechtsauffassungen zwischen ihnen und dem Kläger sowie die Nichtzahlung eines angeforderten Vorschusses. Der Kläger schaltete nunmehr andere Rechtsanwälte ein. Im März 1995 unterrichtete er den inzwischen neu gewählten Oberbürgermeister über den Fortgang des Verfahrens und einen zu erwartenden ungünstigen Prozessausgang in erster Instanz.

3

Am 3. August 1995 gab das Landgericht der Klage der R GmbH weitgehend statt. Das Urteil wurde den Prozessvertretern der Beklagten laut deren Empfangsbekenntnis am 7. August 1995 zugestellt. Mit „Hausbrief“ vom 30. August 1995 unterrichtete der Kläger den Oberbürgermeister über den Sachstand und empfahl unter Hinweis auf die am 7. September 1995 ablaufende Rechtsmittelfrist, gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einzulegen. Mit Schreiben vom 5. September 1995 meldete er gegenüber den erstbeauftragten Rechtsanwälten, wie ebenfalls in seinem „Hausbrief“ empfohlen, Regressansprüche der Beklagten an. Außerdem fertigte er einen - vom Oberbürgermeister gebilligten - Entwurf für eine Klage gegen die als zweite beauftragten Rechtsanwälte, mit der das an diese bereits geleistete Honorar zurückgefordert werden sollte.

4

Mit Schreiben vom 11. September 1995 beanstandete der Kläger gegenüber einer Bürgerin deren Verhalten gegenüber einem Vollzugsbediensteten der Beklagten. Er kündigte an, bei erneuter Missachtung eines Halteverbots „über die Führerscheinstelle prüfen zu lassen“, ob sie die charakterliche Eignung „für die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr“ noch besitze. Auf eine Beschwerde der Betroffenen erteilte die Beklagte dem Kläger am 10. Oktober 1995 eine Ermahnung, mit der sie seine Ausführungen als überzogen beanstandete. Mit einer weiteren Ermahnung vom selben Tag hielt sie dem Kläger vor, einen ihm unterstellten Bediensteten weisungswidrig nicht als Sachgebietsleiter für Gewerbeangelegenheiten eingesetzt zu haben.

5

Am 11. Oktober 1995 erstellten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine gutachterliche Stellungnahme zu den Rechtsmittelaussichten in Sachen RML GmbH und dem Vorgehen des Klägers in dieser Angelegenheit. Sie veranlasste die Beklagte, ihre gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz eingelegte Berufung zurückzunehmen.

6

Durch „Hausbrief“ vom 12. Oktober 1995 und ergänzende mündliche Unterrichtung leitete die Beklagte gegenüber dem Personalrat das Mitwirkungsverfahren zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers ein. Am 19. Oktober 1995 äußerte der Personalrat Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 1995. Sie berief sich auf Schlechtleistungen des Klägers im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Falls R GmbH. Mit Schreiben vom 3. November 1995 entzog sie ihm mit sofortiger Wirkung seine Befugnisse als Amtsleiter und forderte ihn auf, diese Anordnung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Dienststelle bekannt zu geben.

8

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31. Dezember 1995 aufzulösen.

9

Mit Urteil vom 19. Februar 1999 hat das Arbeitsgericht der Klage ua. mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Zugleich hat es die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt und ihren Auflösungsantrag abgewiesen.

10

Mit ihrer Berufung hat sich die Beklagte nur noch gegen ihre Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers und gegen die Abweisung ihres Auflösungsantrags gewandt. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Mai 2000(- 10 Sa 247/99 -) der Berufung hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags stattgegeben, wegen des Auflösungsantrags hat es sie zurückgewiesen. Auf die nur für die Beklagte zugelassene Revision hat der Senat am 27. September 2001 (- 2 AZR 389/00 -) dieses Urteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über den Auflösungsantrag an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

11

Mit Urteil vom 4. September 2003(- 10 Sa 104/02 -) hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Ebenfalls zurückgewiesen hat es eine Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser ua. (erstmals) begehrt hatte festzustellen, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO unwirksam ist und(erneut) beantragt hatte, die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung zu verurteilen. Auf die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2005 das Berufungsurteil wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

12

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Auflösungsantrags geltend gemacht, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten gewesen. Der Kläger habe bei der Bearbeitung der Sache R GmbH seine Befugnisse als Amtsleiter überschritten und sei weiterhin nicht willens, dies einzugestehen. Er vertrete selbst abstruse Rechtsansichten kompromisslos. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Dialogfähigkeit und eine objektive Würdigung gegenteiliger Rechtspositionen voraussetze, sei angesichts seiner „an Verblendung grenzenden Selbstherrlichkeit“ ausgeschlossen. Beleg für seine Uneinsichtigkeit seien auch mehrere Ablehnungsgesuche gegenüber verfahrensbeteiligten Richtern, die der Kläger stets dann angebracht habe, wenn deutlich geworden sei, dass diese seine Rechtsansichten nicht teilten. Dadurch habe er sich für die Tätigkeit eines beratenden Juristen in der öffentlichen Verwaltung als ungeeignet erwiesen. Zudem sei das Vertrauensverhältnis zur Dienststellenleitung und anderen Mitarbeitern ihrer Verwaltung irreparabel zerstört. Der Kläger habe die Weisungsbefugnis ihres früheren Oberbürgermeisters in Frage gestellt und sich illoyal verhalten, als er im November 1995 eine „Petition“ mit teils beleidigendem Inhalt unter Umgehung des Dienstwegs - unstreitig - unmittelbar einzelnen Stadträten zugeleitet habe. Außerdem habe er den Oberbürgermeister laut eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 1997 öffentlich angegriffen, indem er - unstreitig - bei einer Veranstaltung geäußert habe, die Stadträte sollten sich vom Oberbürgermeister nicht „mit fünf Worten abspeisen lassen“, sondern ggf. Akteneinsicht verlangen. Mit seiner schriftsätzlichen Äußerung: „… Die Verletzung einer Verhaltensnorm der SächsGemO ist ebenso ein Bruch des geschriebenen Rechts wie die Wegnahme einer fremden Sache in Zueignungsabsicht oder das Entleeren von Fäkalien in ein Gewässer“ habe er den Oberbürgermeister sogar einer Straftat bezichtigt. Hinzu kämen außergerichtliche Schreiben des Klägers aus den Jahren 2005 und 2006, mit denen er versucht habe, Druck auf sie auszuüben. Sie enthielten ehrenrührige Behauptungen über ihren amtierenden Oberbürgermeister. Mit Verweis auf einen auf den 6. August 1995 datierten „Hausbrief“ habe der Kläger ferner wider besseres Wissen behauptet, den damaligen Oberbürgermeister bereits vor dem 30. August 1995 über das erstinstanzliche Obsiegen der R GmbH informiert zu haben. Er habe dadurch dessen Glaubwürdigkeit in Frage stellen wollen. Dies sei als versuchter Prozessbetrug zu werten.

13

Die Beklagte hat zuletzt beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 31. Dezember 1995 aufzulösen.

14

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Begehren scheitere schon daran, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam sei. Insbesondere habe die Beklagte es entgegen § 28 Abs. 3 SächsGemO versäumt, das im Fall einer Entlassung von Gemeindebediensteten zwingend erforderliche Einvernehmen mit dem Stadtrat herzustellen. Außerdem fehle es an einer objektiv ausreichenden Unterrichtung des Personalrats über die Kündigungsgründe; der Grundsatz der subjektiven Determiniertheit finde im Bereich der öffentlichen Verwaltung keine Anwendung. Die Kündigung sei zudem sittenwidrig. Ebenso wenig lägen Auflösungsgründe vor. Die ins Persönliche gehenden Beschimpfungen im Zusammenhang mit seiner beratenden Tätigkeit in Sachen R GmbH entbehrten jeder Grundlage. Mangels Rückfragen des Oberbürgermeisters zu seinen schriftlichen Ausführungen habe er davon ausgehen dürfen, dass kein weiterer Beratungsbedarf bestanden habe. Dem Hausbrief vom 30. August 1995 seien inhaltsgleiche Briefe vom 6. August 1995 an den Oberbürgermeister und an den Verwaltungsausschuss vorangegangen. Der Vorwurf des Prozessbetrugs sei unberechtigt.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Auflösungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Im Wege der Anschlussrevision hat er ferner den Antrag angekündigt, das Berufungsurteil möge „insoweit abgeändert (werden), als im Tenor der mit dem Berufungsantrag verfolgte Auflösungsantrag nach KSchG § 9 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wird“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er beantragt, den Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg.

17

A. Der Senat ist nicht an einer Überprüfung des Berufungsurteils gehindert. Der Einwand des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Revision zu Unrecht zugelassen, ist unbeachtlich. Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden(§ 72 Abs. 3 ArbGG).

18

B. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Recht zurückgewiesen. Ihr Auflösungsantrag ist unbegründet. Es liegen keine Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur mangels sozialer Rechtfertigung, sondern auch aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam ist, braucht daher nicht entschieden zu werden.

19

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und diesen zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zur verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

20

1. Eine Auflösung scheitert nicht schon daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - unstreitig - bereits beendet war.

21

a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis - sollte es nicht durch eine weitere ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. November 1995 schon zum 31. März 1996 aufgelöst worden sein - spätestens mit Ablauf des 31. März 2005 geendet hat. Der Kläger, der im März 2005 sein 65. Lebensjahr vollendete, ist mit Wirkung vom 1. April 2005 in den Ruhestand getreten und bezieht seither Regelaltersrente.

22

b) Nach § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung - hier der 31. Dezember 1995 - geendet hätte. Daraus folgt, dass ein Antrag auf Auflösung nicht mehr gestellt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen beendet war. Eine gerichtliche Auflösung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat. Andernfalls kann durch das Urteil nichts mehr gestaltet werden(BAG 20. März 1997 - 8 AZR 769/95 - zu B II 4 b der Gründe, BAGE 85, 330). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1995 geendet.

23

c) Hat das Arbeitsverhältnis zwar erst nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, aber schon vor Erlass des Auflösungsurteils geendet, steht dies einer gerichtlichen Auflösung nicht entgegen(BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 362; Senat 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 2 a der Gründe, RzK I 11a Nr. 16). Allerdings ist in einem solchen Fall ein anderer als der sonst vorgesehene Beurteilungszeitpunkt maßgeblich. Grundsätzlich ist die Begründetheit eines Auflösungsantrags nach den bei Erlass des Urteils vorliegenden Umständen zu beurteilen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Eine auf deren Grundlage anzustellende zukunftsgerichtete Prognose kann bei einer schon zuvor eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen. Daher ist die Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, wenn sie sozial gerechtfertigt gewesen wäre, und dem Beendigungszeitpunkt zu erstrecken (BAG 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 3 b der Gründe, aaO).

24

d) An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden hat(vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 88; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. 2010 Rn. 2102; aA Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 28), hält der Senat auch in Anbetracht der im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken fest.

25

aa) Das Landesarbeitsgericht meint, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor einer Entscheidung über den Auflösungsantrag fehle es schon deshalb an Auflösungsgründen, weil eine Zusammenarbeit der Parteien, anders als § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorausgesetzt, in keinem Fall mehr „zu erwarten“ sei. Die Auffassung des Senats sei mit der Zukunftsbezogenheit des Auflösungsantrags nicht vereinbar und führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung. Werde über den Auflösungsantrag noch kurz vor der Beendigung entschieden, sei ein Prognosezeitraum von ggf. nur wenigen Tagen zugrunde zu legen. Demgegenüber komme es bei einer Entscheidung nach dem Beendigungszeitpunkt ggf. auf einen Zeitraum von mehreren Jahren an.

26

bb) Dieser Einwand überzeugt nicht. Er berücksichtigt nicht, dass gerade der Ausschluss einer Auflösungsmöglichkeit wegen anderweitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unbilligen Ergebnissen führen kann. So bliebe der Arbeitgeber auch bei Vorliegen von Auflösungsgründen grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 615 BGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gehalt zu zahlen, während er andernfalls lediglich eine Abfindung in den Höchstgrenzen des § 10 KSchG zu zahlen hätte. Auch auf Seiten des Arbeitnehmers kann der Wegfall eines berechtigten Abfindungsanspruchs zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Dies könnte eine an der Vereitelung der Auflösung interessierte Partei dazu verleiten, den Prozess, soweit dies in ihrer Macht steht, über den Beendigungszeitpunkt hinaus zu verzögern, um daraus finanzielle Vorteile zu ziehen(vgl. Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - zu I 1 der Gründe, BAGE 17, 46). Dem kann durch die vom Senat bevorzugte Lösung begegnet werden. Sie trägt überdies dem gesetzlichen Sanktionszweck der nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung Rechnung(vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5) und entspricht der Methodik des Schadenersatzrechts (Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - aaO; Tschöpe FS Schwerdtner 217, 242 f.).

27

2. Gleichwohl war das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen. Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner das Urteil selbstständig tragenden(Hilfs-)Begründung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, auch bei einem Prognosezeitraum vom 1. Januar 1996 (Ablauf der Kündigungsfrist) bis zum 31. März 2005 (spätestes Ende des Arbeitsverhältnisses) fehle es an Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

28

a) Das KSchG ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An den Auflösungsgrund sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 13 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163). Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 65, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).

29

b) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (Senat 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52).

30

c) Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich von ihnen nicht distanziert (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45).

31

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte ist auch auf der Rechtsanwendungsebene zu gewährleisten, wenn im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen grundrechtlich geschützte Positionen berührt werden(BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 2008, 2424). Deshalb sind bei der Beurteilung, ob aufgrund von Äußerungen des Arbeitnehmers eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - zu II 2 a aa der Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 40; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 92, 266). Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre(Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Mit diesen muss es ggf. in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - mwN, aaO; BAG 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13).

32

Darüber hinaus ist gerade im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör(Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - aaO).

33

d) Die Würdigung, ob nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat(vgl. Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Dem hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.

34

aa) Zu Recht hat sich das Landesarbeitsgericht auf die Prüfung solcher Umstände beschränkt, die bis zum 31. März 2005 eingetreten waren. Erklärungen des Klägers, die dieser nach Beginn seines Ruhestands abgegeben hat, oder ihm insoweit zuzurechnende Äußerungen seiner Ehefrau sind ungeeignet, den Auflösungsantrag der Beklagten zu begründen. Das folgt daraus, dass die Begründetheit des Antrags in Fällen wie dem vorliegenden aus der Sicht des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen ist. Damit wäre eine - selbst eine nur unterstützende - Heranziehung von Vorfällen, die sich erst später ereignet haben, unvereinbar. Hinzu kommt, dass eine Verletzung nachvertraglicher Schutz- und Rücksichtnahmepflichten wegen einer nach Vertragsende veränderten Pflichtenstruktur keine sicheren Rückschlüsse auf die Möglichkeit einer gedeihlichen, an den Betriebszwecken orientierten Zusammenarbeit in einem noch aktiven Arbeitsverhältnis zuließe.

35

bb) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die interne Bearbeitung des Rechtsstreits mit der R GmbH der Beklagten keinen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gab.

36

(1) Der Beklagten war es nicht schon verwehrt, zur Begründung ihres Auflösungsantrags auf solche Umstände zurückzugreifen, die sie zur Rechtfertigung ihrer sozial ungerechtfertigten Kündigung vom 24. Oktober 1995 angeführt hatte. Derartige Sachverhalte können jedenfalls dann zur Begründung eines Auflösungsantrags herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber sich - wie hier - auch noch auf weitere Tatsachen beruft(Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 626 Nr. 218).

37

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten des Klägers in Teilen als vertragswidrig angesehen. So hat es angenommen, der Kläger habe vor Kündigung des Gestattungsvertrags mit der R GmbH Rücksprache mit den bereits beauftragten Rechtsanwälten halten müssen. Außerdem habe er seine Kompetenzen überschritten, als er anschließend Rechtsanwälte selbst mandatiert habe. Ferner habe er den Oberbürgermeister verspätet über das Urteil des Landgerichts vom 3. August 1995 unterrichtet und in seinem „Hausbrief“ Bedenken des Gerichts gegen die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung nicht hinreichend Rechnung getragen.

38

(3) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass solcherart Pflichtverletzungen einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der Parteien deshalb nicht entgegenstanden, weil sie sich durch geeignete Weisungen der Beklagten hätten steuern lassen.

39

(4) Auch der vom Kläger in Sachen R GmbH eingenommene Rechtsstandpunkt als solcher und die Konsequenz, mit der der Kläger ihn vertreten hat, sind kein Auflösungsgrund. Die von der Beklagten beauftragten Gutachter haben in ihrer Stellungnahme die Rechtslage als „kompliziert“ bezeichnet und gemeint, die Auffassung des Klägers könne jedenfalls nicht als „völlig abwegig“ bezeichnet werden. Das hat das Berufungsgericht mit nachvollziehbaren Argumenten ebenso gesehen. Die Erhebung einer Klage auf Rückzahlung von Honorar gegen die zweitbeauftragten Rechtsanwälte war nicht völlig fernliegend. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass diese bei Mandatsniederlegung ihren Vorschuss bereits erhalten hatten. Ein „überzogenes Vorgehen“ des Klägers kann ebenso wenig in der Erhebung von Schadensersatzforderungen gegenüber den ursprünglich beauftragten Rechtsanwälten gesehen werden. Immerhin war deren Schreiben vom 13. Dezember 1993 ein Grund, der aus Sicht des Landgerichts Koblenz zum Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit mit der R GmbH führte. Zudem waren die betreffenden Schritte mit dem Oberbürgermeister der Beklagten abgestimmt.

40

cc) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war nicht mit Rücksicht auf das sonstige Verhalten des Klägers geboten. Zwar hat das Berufungsgericht dieses Verhalten als teilweise unverhältnismäßig, beleidigend oder illoyal qualifiziert. Auch hat es erkannt, dass es nicht ohne jede Auswirkung auf die Zusammenarbeit der Parteien im Prognosezeitraum geblieben wäre. Dennoch durfte es davon ausgehen, dass die Parteien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls - etwa des teilweise fehlenden Bezugs zur Tätigkeit des Klägers und des Umstands, dass der Konflikt durch ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Beklagten selbst mit hervorgerufen worden war - zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit hätten zurückfinden können.

41

(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Schreiben des Klägers vom 11. September 1995 an eine Bürgerin sei unangemessen und überzogen gewesen. Ferner sei es als Ausdruck einer illoyalen Haltung gegenüber dem Oberbürgermeister zu bewerten, dass der Kläger zwar ständig seine Verpflichtungen gegenüber Stadtrat und Gemeinde betont, bei seiner Anhörung durch den Personalrat aber erklärt habe, Weisungen des Oberbürgermeisters nur unter dem Vorbehalt ihrer gerichtlichen Prüfung befolgen zu wollen. Entsprechendes gelte für die Äußerungen des Klägers, mit denen er in einem Zeitungsartikel zitiert worden sei. Es sei überzogen und unsachlich, wenn er das Vorgehen des Oberbürgermeisters mit dem Wort „abspeisen“ würdige und durch den Hinweis auf ein Verlangen nach Akteneinsicht Misstrauen säe. Auch habe er durch die Nichtbeachtung des Verwaltungswegs bei Einreichung seiner Petition im November 1995 versucht, über die Mitglieder des Stadtrats in unlauterer Weise Druck auf die Verwaltung auszuüben. Unangemessen seien seine Ausführungen, mit denen er den dem Oberbürgermeister angelasteten Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO ohne Not mit Straftaten verglichen habe. Das belege, dass der Kläger nicht immer das rechte Maß finde, angemessen auf möglicherweise zu Recht von ihm beanstandete Situationen zu reagieren. Aus seinem Prozessverhalten, insbesondere der Begründung von Ablehnungsgesuchen gegenüber zuständigen Richtern aus dem März und Mai 2003 werde seine Eigenschaft deutlich, einem Anliegen in unverhältnismäßiger, teils aggressiver und beleidigender Art Ausdruck zu verleihen.

42

(2) Ob diese Würdigung dem Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung(Art. 5 Abs. 1 GG) und/oder seinem Petitionsrecht (Art. 17 GG und Art. 35 SächsVerf iVm. § 12 SächsGemO) ausreichend Rechnung trägt, kann dahinstehen. Auch wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, musste das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag nicht stattgeben.

43

(a) Das fragliche Schreiben vom 11. September 1995 hat die Beklagte zum Anlass genommen, dem Kläger eine Ermahnung auszusprechen. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass dieser Vorfall aus ihrer Sicht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht entgegen steht. Äußerungen des Klägers anlässlich prozessualer Ablehnungsgesuche hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine fallübergreifende Bedeutung beigemessen. Das gilt ebenso für eine in der rechtlichen Argumentation des Klägers mitschwingende „Überheblichkeit“. Aus der Art und Weise der Prozessführung eines als beratender Jurist beschäftigten Arbeitnehmers in einem eigenen Kündigungsrechtsstreit lässt sich nicht ohne Weiteres auf dessen Auftreten in Rechtsstreitigkeiten schließen, die er für seinen Arbeitgeber zu führen hat. Umstände, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Das Landesarbeitsgericht hat sich - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - auch mit einem Brief des Klägers an die Prozessbevollmächtigten in Sachen R GmbH auseinandergesetzt und - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre - gemeint, ihm komme kein zu verallgemeinerndes Gewicht zu. Auch die Vielzahl der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten und der Vorwurf der Revision, der Kläger habe selbst in aussichtsloser Lage Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vorinstanzen eingelegt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es steht dem Kläger frei, den Rechtsweg auszuschöpfen.

44

(b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, zu Lasten der Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass diese mit der Kündigung und den sie begleitenden Umständen maßgeblich zu den Spannungen zwischen den Parteien beigetragen habe, ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass es dem Arbeitgeber nicht gestattet ist, sich auf von ihm selbst herbeigeführte Auflösungsgründe zu berufen(vgl. Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 234/04 - zu II 2 e aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 51 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 51; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56, 59). Unter diesem Gesichtspunkt ist es vertretbar, dass das Landesarbeitsgericht die Kündigung - auch im Hinblick auf die umfangreichen Unterhaltspflichten des Klägers - als „rigide“ bewertet und dies damit begründet hat, weder habe der Kläger Kritik hinsichtlich seiner beratenden und prozessbegleitenden Tätigkeit erfahren, noch sei ihm ausreichend Gelegenheit zur Verhaltensänderung gegeben worden. Auch die Würdigung, in der Entbindung des Klägers von seiner Stellung als Amtsleiter liege eine unverhältnismäßige Reaktion, ist nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere angesichts des Verlangens, der Kläger möge seine Absetzung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Verwaltung bekannt geben. Zu Unrecht rügt die Beklagte, das Landesarbeitsgericht sei hinsichtlich dieser Erwägung der Verpflichtung zur Neubewertung des Sachverhalts nach der Aufhebung seines ersten Urteils durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof nicht ausreichend gerecht geworden. Auch wenn es Passagen aus dem aufgehobenen Urteil zu großen Teilen wörtlich wiederholt und lediglich eine vom Verfassungsgerichtshof bemängelte Passage ausgelassen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es habe den Sachverhalt keiner erneuten und eigenständigen rechtlichen Überprüfung unterzogen. Im Übrigen hat auch die Beklagte den Rechtsstreit nicht mit der gebotenen Sachlichkeit geführt, soweit sie dem langjährig als Rechtsanwalt tätigen Kläger die fachliche Kompetenz abgesprochen und behauptet hat, er habe im Rechtsstreit mit der R GmbH „abstruse“ Rechtsauffassungen vertreten.

45

(c) Die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts, angesichts der Möglichkeit der Beklagten, auf das Verhalten des Klägers durch eindeutige Regelungen und sachliche Anweisungen steuernd einzuwirken, sei durchaus eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien zu erwarten gewesen, ist vertretbar. Ihr steht nicht entgegen, dass es bestimmte Verhaltensauffälligkeiten des Klägers dessen Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat. Darin läge allenfalls dann ein Widerspruch, wenn es von einer mangelnden Steuerbarkeit des beanstandeten Verhaltens ausgegangen wäre. Das ist nicht der Fall. Ebenso wenig kann den Äußerungen des Klägers zum Weisungsrecht des Oberbürgermeisters entnommen werden, er sei nicht(mehr) gewillt, diese zu befolgen. Seine Äußerung, er werde künftige Weisungen ggf. gerichtlich überprüfen lassen, war erkennbar durch die unerwartete Konfrontation mit der Kündigungsabsicht der Beklagten bedingt und berechtigt nicht zu der Annahme, er werde sich auch bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eindeutigen Regelungen und Anweisungen verschließen. Das entsprach im Übrigen der Einschätzung des Personalrats, der die Äußerung und Begleitumstände unmittelbar wahrgenommen hatte.

46

dd) Das Landesarbeitsgericht hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen oder fehlerhaft gewichtet.

47

(1) Zu Unrecht rügt die Revision, es habe sich nicht mit der Beleidigung eines seinerzeit zuständigen Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt. Die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung ist nicht zu erkennen.

48

(2) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe eine im Schriftsatz des Klägers vom 10. April 2003 enthaltene Äußerung über ihren Oberbürgermeister übergangen, derzufolge dieser „seine Kommunalerfahrung in einem Rechtssystem erworben hatte, bei dem die sogenannte sozialistische Gesetzlichkeit eine Nachgiebigkeit des Rechts für politische Ziele erforderte“, hat sie es versäumt darzulegen, wann und wo sie diese Äußerung zum Gegenstand ihres Auflösungsbegehrens gemacht hatte.

49

(3) Auf Äußerungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. April 2006 und in einer Eingabe an den Regierungspräsidenten vermag die Beklagte ihren Auflösungsantrag schon deshalb nicht zu stützen, weil sie die Zeit nach dem 31. März 2005, dem Ende des Prognosezeitraums, betreffen.

50

(4) Das Landesarbeitsgericht hat nicht den Regelungsgehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG als einer neben § 626 BGB bestehenden Lösungsmöglichkeit des Arbeitgebers verkannt, soweit es dem am 16. März 2005 verfassten Schreiben des Klägers wegen der alsbaldigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Bedeutung mehr beigemessen hat. Das Schreiben war unmittelbar an den amtierenden Oberbürgermeister gerichtet. Eine Außenwirkung kam ihm nicht zu. Der Kläger befasste sich darin überwiegend mit aus seiner Sicht vorliegenden Amtspflichtverletzungen des Amtsvorgängers. Eine Mitverantwortung des Adressaten stellte er allenfalls unter dem Aspekt unterbliebener Mitarbeiterverantwortung „in den Raum“. Anders als die Beklagte meint, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, das Schreiben habe sie trotz des unmittelbar bevorstehenden Endes des Arbeitsverhältnisses zu einer fristlosen Kündigung berechtigt und müsse daher erst recht als Auflösungsgrund taugen.

51

Unschädlich ist, dass sich das Landesarbeitsgericht nicht näher mit der Frage befasst hat, ob die Äußerungen des Klägers sein vorangegangenes Verhalten in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Kläger hat das Schreiben mit dem Hinweis darauf eingeleitet, dass er „am letzten Tag, an dem mich der Arbeitsvertrag den Bürgern dieser Stadt zum Einsatz für das Gemeinwohl verpflichtet, … das Résumée ziehen (könne)“. Dies spricht dafür, dass er sich seiner Mäßigungspflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis durchaus bewusst war und sie auch bei tatsächlicher Beschäftigung beachtet hätte.

52

(5) Ein Auflösungsgrund ergibt sich ebenso wenig aus dem Vorbringen des Klägers zur Erstellung des „Hausbriefs“ vom 30. August 1995, von dem er unter Vorlage einer bereits auf den 6. August 1995 datierten Ausfertigung behauptete, ihn schon Anfang August dem Oberbürgermeister zugeleitet zu haben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, insoweit fehle es an hinreichenden Indiztatsachen für einen vorsätzlich falschen Prozessvortrag des Klägers. Dem Gericht sei aus eigener Erfahrung bekannt, dass es seinerzeit(1995) bei der Verwendung einer bestimmten, auch von der Beklagten genutzten Software häufig zu programmtechnisch bedingten Fehlern bei Formatierungen und Datierungen gekommen sei. Dem Kläger habe - zumal sehr viel später - die (richtige) Datierung des Briefs auf den 30. August 1995 nicht mehr bewusst sein müssen. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe diesen Gesichtspunkt nur nach einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis berücksichtigen dürfen, ist unbegründet. Die Beklagte übersieht, dass sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Juni 2006 auf mögliche programmtechnische Fehler bei der automatischen Erzeugung des Datums im „Hausbrief“ berufen hatte, ohne dass sie dem entgegen getreten wäre. Unter diesen Umständen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Landesarbeitsgericht das klägerische Vorbringen mit eigenem Wissen vergleicht. Seine Würdigung lässt nicht erkennen, dass es dabei die ausdrückliche Behauptung des Klägers, das Dokument am 6. August 1995 und nicht erst am 30. August 1995 erstellt zu haben, übergangen hätte. Es brauchte in den Entscheidungsgründen nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens der Parteien einzugehen, zumal die Behauptung des Klägers einen Irrtum auf seiner Seite nicht ausschließt. Die Beklagte führt im Übrigen selbst an, der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 20. August 2003 „klarstellend“ erklärt, seine Angaben zu einer „vermuteten Absendung des Hausbriefs nahe bei dem 6. August 1995“ seien „ein für Jedermann erkennbarer Irrtum“ gewesen. Der späteren Modifizierung dieses Vorbringens ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Möglichkeit eines Irrtums nunmehr gänzlich ausschließen wollte.

53

II. Fehlt es an einem Auflösungsgrund iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, kann offen bleiben, ob der Beklagten ein Auflösungsantrag überhaupt zu Gebote stand. Darauf, ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 aus sonstigen Gründen unwirksam war, wie der Kläger gemeint hat, kommt es nicht an.

54

1. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommt nur in Betracht, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist(Senat 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Dabei führt das Vorliegen eines anderen Unwirksamkeitsgrundes iSv. § 13 Abs. 3 KSchG nicht zur Unzulässigkeit des Auflösungsbegehrens wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung. Es mangelt dem Begehren vielmehr an einer materiellen Voraussetzung des § 9 Abs. 1 KSchG wie beim Fehlen von Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch. Auf eine bestimmte Prüfungsreihenfolge sind die Gerichte gesetzlich nicht festgelegt. Liegt nur eine der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG nicht vor, ist der Auflösungsantrag des Arbeitgebers unbegründet. Einer Erörterung weiterer Voraussetzungen bedarf es dann nicht.

55

2. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Kläger beantragt hat, die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass ihr Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ abgewiesen werde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abweisung des Auflösungsantrags aus einem bestimmten rechtlichen Grund. Der Streitgegenstand bestimmt sich durch den Antrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt(vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18 mwN, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1). In diesem Rahmen sind die Gerichte in der rechtlichen Beurteilung frei und nicht an die von den Parteien vorgebrachte rechtliche Begründung gebunden. Im Übrigen hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit bereits entschieden, dass die von § 28 Abs. 3 SächsGemO geforderte Herstellung des Einvernehmens mit dem Stadtrat keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung gegenüber einem Gemeindebediensteten darstellt(Urteil vom 27. September 2001 - 2 AZR 389/00 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13).

56

C. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert.

57

I. Die Anschlussrevision stellt, obwohl nicht Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, ein Angriffsmittel dar, mit dem der Anschlussrevisionskläger eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten erstrebt (BGH 11. März 1981 - GSZ 1/80 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 80, 146). Dies setzt eine Beschwer des Anschlussrevisionsklägers durch das angefochtene Berufungsurteil voraus (zB Senat 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B IV der Gründe, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu I 2 der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155; BGH 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - zu II der Gründe mwN, LM ZPO § 556 Nr. 29).

58

II. Die Beschwer eines sich gegen den Auflösungsantrag des Arbeitgebers verteidigenden Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Beschwer einer beklagten Partei gelten. Es kommt darauf an, ob das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach für ihn nachteilig ist, er also mit dem Rechtsmittel eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann(vgl. BGH 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99 - zu I 3 der Gründe mwN, BGHZ 144, 242). Das bestimmt sich allein nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH 16. April 1996 - XI ZR 302/95 - zu II 3 der Gründe, NJW-RR 1996, 828). An einer Beschwer fehlt es, wenn sich das Rechtsmittel allein gegen die Urteilsbegründung wendet und die Partei dieselbe Entscheidung nur mit einer anderen Begründung erstrebt (BGH 17. Dezember 2003 - IV ZR 28/03 - zu II 1 der Gründe mwN, NJW-RR 2004, 724; 2. Dezember 1982 - IVb ZR 638/80 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 82, 246).

59

III. Danach liegt auf Seiten des Klägers eine Beschwer nicht vor.

60

1. Der Kläger strebt zwar, wie er vor dem Senat klargestellt hat, mit der begehrten Abweisung des Auflösungsantrags als „unzulässig“ nicht etwa - zu seinen eigenen Lasten - ein bloßes Prozessurteil an. Er will vielmehr erreichen, dass das Auflösungsbegehren der Beklagten aus einem bestimmten Grund - wegen „sonstiger Unwirksamkeit“ der Kündigung vom 24. Oktober 1995 und insoweit va. wegen eines Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO - abgewiesen wird. Hinsichtlich der Wirkung seiner materiellen Rechtskraft unterscheidet sich das angefochtene von dem erstrebten Urteil jedoch nicht. Die Gründe für die Abweisung eines Auflösungsantrags nehmen an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil. Noch weniger sind sie etwa im Tenor des Urteils auszusprechen. Der Kläger hat mit der Abweisung des gegnerischen Auflösungsantrags durch das Landesarbeitsgericht voll obsiegt. Mehr könnte er mit seiner Revision nicht erreichen.

61

2. Der Kläger kann eine Beschwer durch das angefochtene Urteil nicht aus der Zurückweisung seiner Anschlussberufung durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2003 herleiten. Dieses Urteil ist insoweit rechtskräftig.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 iVm. § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    K. Schierle    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. November 2014 - 4 Sa 574/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Auflösungsantrag der Beklagten, die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses sah sie sich durch ihre Vorgesetzten wegen ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft diskriminiert.

3

In einer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten führte die Klägerin aus, seit einigen Jahren würden „Guerilla-Aktionen“ gegen sie geführt, sie habe eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden. Sie würde es als unfair erachten, wenn der Vorstandsvorsitzende davon aus der amerikanischen Presse oder der „Oprah-Winfrey-Show“ erführe. Bei ihrem „Chef“ handele es sich um einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“. Die Klägerin wies in der E-Mail darauf hin, dass sie drei unterhaltspflichtige Kinder habe.

4

Mit ebenfalls an den damaligen Vorstandsvorsitzenden gerichteter E-Mail vom 5. Februar 2009 teilte die Klägerin erneut mit, dass sie unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie verlangte, nicht mehr mit ihrem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen. In der E-Mail hieß es auszugsweise:

        

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird - das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz.“

5

Mit E-Mail vom 30. März 2009 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“ an ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Sie hielt ihm Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik sowie unsachliche und leere Bemerkungen vor, ferner, dass er seine Position nur innehabe, um einer intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Seine Fähigkeiten reichten offensichtlich nicht dazu, als Führungskraft zu fungieren. Er verstehe nicht einmal „den Unterschied zwischen Kosten und Preis“. Die Klägerin versandte die E-Mail an weitere zwölf Mitarbeiter der Beklagten.

6

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2009 darauf hin, dass ihre Äußerungen durch ihr Beschwerderecht und das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt seien. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die in der E-Mail vom 5. Februar 2009 enthaltenen Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schreiben lautete auszugsweise:

        

„Sie haben mit diesen Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert. Wir fordern Sie daher auf, alle von Ihnen gemachten Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den von Ihnen informierten Personen und der S AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, sich bei den betroffenen Personen schriftlich unter qualifizierter Zurücknahme der Behauptungen ebenfalls bis zum 17. April 2009 zu entschuldigen. Wir erwarten, dass Sie derartige Äußerungen künftig unterlassen.

        

Sollten derartige oder sinngemäß gleiche Äußerungen wiederholt werden oder sollte keine Rücknahme erfolgen, werden wir arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können.

        

Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges stellen wir Sie widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei.“

7

Die Klägerin nahm zu dem Schreiben mit E-Mail vom 16. April 2009 Stellung. Die Bezeichnung ihres Vorgesetzten als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ sei „auch für (ihren) Geschmack … ein wenig zu scharf geraten“, dessen frauenfeindliches Verhalten habe aber zur Verschärfung des Konflikts beigetragen. Sie habe den Ausdruck nicht zum Zwecke der Beleidigung oder Rufschädigung verwandt. Gegen den Vorwurf, den Abteilungsleiter als „Rassisten“ bezeichnet zu haben, verwahre sie sich.

8

Mit Schreiben vom 21. April 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 30. Juni 2009 zu kündigen. Dem Anhörungsschreiben - bestehend aus Deckblatt und Anhang - waren weitere Anlagen beigefügt. Ob auch die Anlagen „2a“ bis „2c“ dazu gehörten, ist zwischen den Parteien streitig gewesen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung unter dem 24. April 2009 zu.

9

Mit Schreiben ebenfalls vom 24. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009.

10

Hiergegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat außerdem die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die von ihr getätigten Äußerungen seien nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 3. April 2009 selbst zum Ausdruck gebracht, dass keine negative Zukunftsprognose bestehe, wenn sie, die Klägerin, bestimmte Verhaltensweisen richtigstelle. Eine Abmahnung sei daher nicht entbehrlich gewesen. Im Übrigen lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge außer Acht, die erst zur Störung des Betriebsfriedens geführt hätten. Überdies sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf dem Anhörungsbogen sei ihm mitgeteilt worden, dass sie eine Unterhaltsverpflichtung nur gegenüber einem Kind habe, obwohl die Beklagte positive Kenntnis davon gehabt habe, dass sie drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Das Zitat zum „Judenvergleich“ sei nicht vollständig und damit entstellt wiedergegeben worden. Die Anlagen „2a“ bis „2c“ seien dem Betriebsrat nicht zugeleitet worden. Der hierzu als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende habe sich widersprüchlich geäußert.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag vom 14. September 2001 geregelten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung als Stratege im Global Procurement in N bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

13

Die Beklagte hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Sie hat gemeint, die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. Sie habe ihre Führungskräfte beleidigt, in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten ihres Vorgesetzten in Frage gestellt und die Umstände im Unternehmen mit dem Leid der Juden während der NS-Zeit verglichen. Einer Abmahnung habe es nach dem Schreiben vom 3. April 2009 nicht mehr bedurft. Mit ihrer Stellungnahme vom 16. April 2009 habe die Klägerin ihre Pflichtverletzungen noch manifestiert und verstärkt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat behauptet, diesem sei die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin zum einen aus deren E-Mail vom 21. September 2008 bekannt gewesen, die dem Anhörungsschreiben als Anlage „2c“ beigefügt gewesen sei, zum anderen habe er von den persönlichen Verhältnissen der Klägerin ohnehin Kenntnis gehabt. Aus der Anlage „2c“ sei ihm auch der vollständige Inhalt des von der Klägerin angestellten „Judenvergleichs“ bekannt gewesen.

14

Zur Begründung des Auflösungsantrags hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe sie in zahlreichen Äußerungen gegenüber der Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Von ihrem „Judenvergleich“ habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert, sondern sie, die Beklagte, bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24. Februar 2010 habe die Klägerin eine Strafanzeige gegen sie gestellt. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gegen zwei ihrer Mitarbeiter erstattet. Die Klägerin habe die Namen der Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt sowie der Presse mitgeteilt und dadurch deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Sie habe zudem in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den sie auf ihrer Homepage veröffentlich habe, das Ansehen der Firma beschädigt. Dem Betriebsrat habe sie vorgeworfen, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

15

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag könnten nur Sachverhalte berücksichtigt werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden seien. Gründe für eine Auflösung seien im Übrigen nicht gegeben. Einem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere, sei es schon aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben verwehrt, von der Möglichkeit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Auf den Hilfsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung von 37.600,00 Euro brutto zum 30. Juni 2009 aufgelöst. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt für den Fall, dass die Revision der Beklagten zurückgewiesen wird, mit ihrer Revision ihr Klagebegehren - soweit dieses erfolglos geblieben ist - weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Über die Revision der Klägerin war nicht zu entscheiden.

18

I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht als sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ansehen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

19

1. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon deshalb unbegründet, weil ihre Berufung unzulässig gewesen wäre.

20

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(BAG 26. März 2013 - 3 AZR 101/11 - Rn. 12). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 11; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9 mwN).

21

b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 13). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13  - Rn. 18 ).

22

c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Sie stellt die Bewertung des Arbeitsgerichts in Frage, die Kündigung sei mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt. Eine Abmahnung sei vielmehr entbehrlich gewesen, weil die erheblichen Pflichtverletzungen der Klägerin einen irreparablen Vertrauensverlust begründet hätten und damit bereits eine negative Prognose vorgelegen habe. Damit hat die Beklagte Umstände bezeichnet, aus denen sich iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ergeben konnte. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe sich nicht hinreichend mit dem Prognoseprinzip auseinandergesetzt, auf welches das erstinstanzliche Urteil unter anderem gestützt sei, verkennt, dass die Beklagte sich hiermit durchaus befasst, eine negative Prognose aber anders als das Arbeitsgericht aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne vorherige Abmahnung als gegeben erachtet hat.

23

2. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 sei sozial ungerechtfertigt.

24

a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen(BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 20; zu § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 19; 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO mwN). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 39).

25

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42).

26

c) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.

27

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 3. April 2009 auf ein etwaiges Recht zur Kündigung wegen der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht verzichtet. Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige. Ein Rechtsfehler ist diesbezüglich weder aufgezeigt noch objektiv ersichtlich.

28

(1) Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer - außerordentlichen oder ordentlichen - Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 33; 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 11 f.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 24, BAGE 125, 208).

29

(2) Beim Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 handelt es sich um eine atypische Willenserklärung. Deren Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Revisionsgericht nur auf Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu prüfen.

30

(3) Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, sie lasse den Willen der Beklagten erkennen, sich eine endgültige rechtliche Bewertung des Sachverhalts bis zum Eingang der Stellungnahme der Klägerin vorzubehalten. Das Schreiben ist weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme dient erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung erfolgte lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ und ließ sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

31

bb) Hatte die Beklagte demnach nicht auf ein etwaiges Kündigungsrecht verzichtet, bleibt nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts unklar, inwiefern dem Umstand, dass sie ihre Erwartungen an die Klägerin nicht klar genug formuliert habe, für die soziale Rechtfertigung der Kündigung „entscheidende Bedeutung“ zukomme.

32

(1) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe durch eine unklare Formulierung dazu beigetragen, dass die Klägerin nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist die erwarteten Erklärungen abgegeben habe. Dies sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung zu würdigen.

33

(2) Wie es diese Würdigung vorgenommen, insbesondere welche weiteren Umstände es in seine Erwägungen einbezogen hat, lässt sich dem Berufungsurteil jedoch nicht entnehmen. Es bleibt sowohl offen, welche Äußerungen der Klägerin das Landesarbeitsgericht überhaupt als Pflichtverletzungen gewertet noch welche Schwere es ihnen ggf. beigemessen hat.

34

cc) Sollte der Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Vorstellung zugrunde gelegen haben, es sei ausreichend, dass die Beklagte eine Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage zunächst selbst für möglich gehalten habe, läge darin eine Verkennung der Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung „bedingt“, gilt ein objektiver Maßstab(für den wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; HK-ArbR/Griebeling 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 58; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 22). Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei einer außerordentlichen Kündigung vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349 ). An der danach erforderlichen Prüfung, ob im Zeitpunkt der Kündigung nach den objektiv gegebenen Umständen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses - auch ohne eine vorherige Abmahnung - gerechtfertigt war, fehlt es bislang.

35

3. Der Senat kann die Würdigung, ob die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, nicht selbst vornehmen. Hierfür bedarf es weiterer Feststellungen.

36

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, ggf. sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 43; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 f .; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 231 f.). Mit den E-Mails vom 21. September 2008 und 5. Februar 2009 kann eine solche an die Beklagte gerichtete Drohung verbunden gewesen sein, die Klägerin werde sich an die - amerikanischen - Medien wenden, falls die Beklagte ihre vermeintlichen Ansprüche - wie etwa den, nicht mehr mit dem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen - nicht erfülle. Für die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts bedarf es der Auslegung der E-Mails gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Begleitumstände. Daran fehlt es bisher. Dafür, dass die Einschaltung der fraglichen Medien im berechtigten Interesse der Klägerin gelegen haben könnte, ist bislang nichts ersichtlich. Den Parteien wird insofern Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.

37

b) In der Bezeichnung ihres „Chefs“ als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ in der E-Mail der Klägerin vom 21. September 2008 kann eine nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckte Beleidigung liegen. Dies gilt ebenso für die Charakterisierung und Herabwürdigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten in der E-Mail vom 30. März 2009. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe; zur ordentlichen Kündigung BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45).

38

c) Beim Vergleich ihrer seelischen Verfassung mit dem Leid der Juden in der NS-Zeit sowie beim Hinweis auf den Mafia-Film „Der Pate“ in der E-Mail der Klägerin vom 5. Februar 2009 wird durch Auslegung zu bestimmen sein, welcher Aussagegehalt den Äußerungen überhaupt beizumessen ist. Dass die Klägerin die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gleichgesetzt hätte (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 19), wie die Beklagte gemeint hat, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Die Klägerin hat ihre „seelischen Qualen“ mit denen der Juden verglichen und dabei darauf hingewiesen, es handele sich um ihr „Erleben und Empfinden“.

39

d) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch eine oder mehrere ihrer Äußerungen verletzt, wird es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Streitfalls zu prüfen haben, ob es der Beklagten dennoch objektiv zumutbar war, das Arbeitsverhältnis - ggf. nach Abmahnung - auf Dauer fortzusetzen.

40

aa) Hierbei kann zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein, wenn es für die von ihr erhobenen Vorwürfe gegenüber ihrem „Chef“ oder dem direkten Vorgesetzten eine Tatsachengrundlage gab, wie sie behauptet hat. Das wird das Landesarbeitsgericht ggf. näher aufzuklären haben. Die Äußerungen könnten auch dann weniger schwer wiegen, wenn sich die Klägerin - wie sie geltend gemacht hat - in einer Ausnahmesituation befunden hätte, weil sie den Eindruck hatte, ihre Beschwerden würden bei der Beklagten nicht in der gebotenen Weise bearbeitet.

41

bb) Bei der Würdigung, ob der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung - objektiv - unzumutbar war, kann außerdem der Stellungnahme der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 Bedeutung zukommen. Soweit die Klägerin darin ihr Bedauern bezüglich einzelner Äußerungen zum Ausdruck gebracht und mit Blick auf andere versucht haben sollte, Klarstellungen vorzunehmen, mag dies zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein. Andererseits hat sie die Erklärungen nicht von sich aus, sondern erst auf die Aufforderung der Beklagten hin abgegeben. Überdies hat sie sich von den beanstandeten Äußerungen nicht uneingeschränkt distanziert, sondern sie zum Teil sogar bekräftigt.

42

4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der Basis der bisherigen Feststellungen angenommen, die Kündigung sei nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

43

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gem. Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

44

aa) Der Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert(BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 14; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 16; 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 46).

45

bb) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - aaO; Raab GK-BetrVG 10. Aufl. § 102 Rn. 68 und 94). Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO).

46

b) Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. April 2009 ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet.

47

aa) Es fehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an einer ausreichenden Darstellung des Kündigungssachverhalts. In der dem Anhörungsschreiben unstreitig beigefügten Anlage mit Ausführungen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung hatte die Beklagte den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erläutert und auf die unter Beteiligung des Betriebsrats geführten Gespräche mit der Klägerin verwiesen. Die E-Mails der Klägerin wurden ebenso in Bezug genommen wie das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009. Die Beklagte teilte ihre Einschätzung mit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zu erwarten sei, nachdem diese ihre Äußerungen weder zurückgenommen noch sich für sie entschuldigt habe. Wegen des Inhalts der in Bezug genommenen E-Mails verwies die Beklagte auf die nummerierten weiteren Anlagen.

48

bb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme waren diese Anlagen - einschließlich der Anlage „2c“ - dem Anhörungsschreiben bei der Übergabe an den Betriebsrat beigefügt.

49

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle. Es ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Seine Würdigung muss in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich sein (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 37, BAGE 149, 355; 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 21).

50

(2) Das Landesarbeitsgericht hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, weshalb es für erwiesen hielt, dass dem Anhörungsschreiben sämtliche Anlagen beigefügt waren. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat berücksichtigt, dass sich die Aussagen des Zeugen E zum Teil widersprachen. Es hat dies nachvollziehbar auf eine Verunsicherung durch die dem Zeugen gestellten Zwischenfragen zurückgeführt. Maßgeblich war für das Landesarbeitsgericht, dass der Zeuge mit Verweis auf die auf den Unterlagen durchgängig aufgebrachten Eingangsvermerke vom 21. April 2009 sicher habe ausschließen können, dass dem Betriebsrat noch nachträglich Unterlagen zugeleitet worden seien. Es hat daraus widerspruchsfrei den Schluss gezogen, die Unterlagen seien dem Betriebsrat vollständig bereits mit dem Anhörungsschreiben zugegangen.

51

cc) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe einen von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis über die Dauer der Verlesung von 29 Textseiten übergangen, ist unzulässig. Die Klägerin hat die erforderliche Kausalität zwischen dem vermeintlichen Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils nicht aufgezeigt (zu diesem Erfordernis vgl.: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

52

(1) Die Klägerin macht geltend, das Sachverständigengutachten hätte die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden erschüttert, so dass das Landesarbeitsgericht ihre Glaubhaftigkeit deutlich zurückhaltender beurteilt hätte. Weder innerhalb der nur eine Stunde dauernden (ersten) Betriebsratssitzung noch unter Berücksichtigung einer Befassung in einer weiteren Sitzung hätten die gesamten Unterlagen verlesen werden können.

53

(2) Die Klägerin verkennt, dass für das Landesarbeitsgericht die zu veranschlagende Dauer für eine Verlesung der Anlagen nicht entscheidungserheblich war. Dieses hat lediglich angenommen, der Betriebsrat habe sich mit der Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung in zwei Sitzungen befasst. Es ist nicht davon ausgegangen, dass dabei die Anlagen verlesen worden seien. Auch der Zeuge E hat lediglich bekundet, nach seiner Erinnerung habe er alle Unterlagen vorgelesen.

54

dd) Die Anhörung des Betriebsrats war nicht wegen einer fehlerhaften Mitteilung der bestehenden Unterhaltspflichten der Klägerin unzureichend. Allerdings ist die Angabe in dem Anhörungsschreiben falsch gewesen. Die Klägerin war nicht einem, sondern drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Für das Landesarbeitsgericht stand aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Betriebsrat schon aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin über deren Unterhaltspflichten informiert war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst unrichtig oder irreführend unterrichtet hätte. Insofern bedarf keiner näheren Prüfung, ob der Beklagten Kenntnis von der zutreffenden Anzahl der Unterhaltspflichten der Klägerin jedenfalls aufgrund der Angabe in ihrer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden zuzurechnen war. Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass sich aus ihrer Lohnsteuerkarte nur ein zu berücksichtigendes Kind ergeben habe. Für den Betriebsrat, der die zutreffende Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin kannte, war ebenfalls erkennbar, dass es sich bei der Angabe in dem Anhörungsbogen nur um einen Irrtum bzw. um die aus der Lohnsteuerkarte ersichtliche Zahl unterhaltspflichtiger Kinder der Klägerin handeln konnte.

55

ee) Einer näheren Darlegung im Rahmen der Anhörung, wie die Beklagte die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen hatte, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, implizierte eine Abwägung zulasten der Klägerin (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

56

c) Die Beklagte hat die Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus ihrem Machtbereich herausgegeben, bevor ihr die Zustimmung und damit eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorlag.

57

II. Der Senat kann über die soziale Rechtfertigung der Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie über die Anträge der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Den Auflösungsantrag hat die Beklagte nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass der Kündigungsschutzantrag der Klägerin Erfolg hat. Der Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ausdrücklich nur für den Fall ihres Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt. Da er nur dann Erfolg haben kann, wenn außerdem der Auflösungsantrag abgewiesen wird, steht er konkludent auch unter dieser weiteren - innerprozessualen - Bedingung. Ebenso ist der auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Antrag zu verstehen, da die Klägerin mit ihm nach dem vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten und von ihr nicht beanstandeten Verständnis ein Zwischenzeugnis nur für den Fall des Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses begehrt.

58

III. Über die Revision der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, entsprechend der materiell- und prozessrechtlichen Lage nur für den Fall weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags, dass sie mit ihrem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, Erfolg hat. Diese - innerprozessuale - Bedingung ist nicht eingetreten. Von der Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der erfolgreichen Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag sind im Übrigen die Entscheidungen über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie die Anträge der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses bereits erfasst.

59

IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat - sollte das Landesarbeitsgericht wiederum über den Auflösungsantrag zu entscheiden haben - darauf hin, dass es diesem mit der bisherigen Begründung nicht stattgeben durfte.

60

1. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47). Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nicht. Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 3 b aa der Gründe; BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 d cc der Gründe; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 114, 362).

61

2. Das Landesarbeitsgericht hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu Recht angenommen, die Beklagte sei mit Gründen, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vorlagen, nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst in der Berufungsinstanz beantragt hat. Im Gesetzeswortlaut ist eine solche Beschränkung der für die Zukunftsprognose zu berücksichtigenden Gründe nicht angelegt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck der Norm. Nur aus einer umfassenden Gesamtschau der zum Zeitpunkt der Auflösungsentscheidung maßgeblichen Umstände kann eine gesicherte Prognose darüber getroffen werden, ob für die Zukunft noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu erwarten ist. Dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nicht weit zurückliegende Vorfälle ohne Aussagekraft für die zukünftig zu erwartende Zusammenarbeit als Auflösungsgründe heranzuziehen, ist dadurch Rechnung getragen, dass es auf die Beurteilung der objektiven Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe).

62

3. Die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgesehene Möglichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - verfassungskonform(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

63

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist trotz sozial ungerechtfertigter Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht zu erwarten ist. Die Bestimmung dient damit ebenso wie die übrigen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einer Fortsetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein über die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes hinausgehender Bestandsschutz ist durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht gefordert(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe). Bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung rechtfertigen kann, haben die Arbeitsgerichte die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - aaO).

64

b) Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschränkt nicht in grundrechtswidriger Art und Weise die Eigentumsrechte des Arbeitnehmers. Es handelt sich vielmehr - auch unter Berücksichtigung von § 10 KSchG - um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verzugslohn werden bei Erklärung einer sozial ungerechtfertigten Kündigung erst dann zu grundrechtlich geschützten Vermögenspositionen, wenn ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers durch das Gericht zurückgewiesen wird (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 3 der Gründe, BAGE 46, 42).

65

c) Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liegt nicht vor (BVerfG 13. August 1991 - 1 BvR 128/87 - zu II der Gründe; 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 4 der Gründe, BAGE 46, 42). Dem Gesetzgeber obliegt es, bei der Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Grundrechtsprinzipien angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Durch die §§ 9, 10 KSchG wird keiner dieser Grundsätze verletzt. Für den Arbeitnehmer ist im Kündigungsschutzprozess von Anfang an erkennbar, dass ein Verzugslohnanspruch von der Möglichkeit eines Auflösungsantrags beschränkt ist und dass dieses Gestaltungsinstrument bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung gegeben ist (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Die gesetzliche Vorgabe, den Auflösungszeitpunkt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses bei unterstellter Wirksamkeit der Kündigung zu bestimmen, liegt ebenfalls innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 2 der Gründe, aaO). Der Einwand der Klägerin, damit habe es allein der Arbeitgeber in der Hand, die Auflösung herbeizuführen, trifft nicht zu. Voraussetzung für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist neben einem Antrag des Arbeitgebers, dass die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nach Abwägung der wechselseitigen Grundrechtspositionen die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei nicht zu erwarten(BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

66

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei für die Zukunft nicht zu erwarten, wird jedoch von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen.

67

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das von der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten lasse nicht erwarten, dass künftige Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder aufträten, in der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen würden. Es hat die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten aufgrund der unter II 2 c cb der Entscheidungsgründe aufgeführten Umstände als gegeben erachtet. Dieses Ergebnis hat es - soweit ersichtlich - aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände gewonnen und nicht angenommen, jeder dieser Faktoren rechtfertige bereits für sich genommen die Auflösung.

68

b) Zumindest der Gesichtspunkt, der Klägerin sei es auch im Berufungsverfahren „nicht gelungen, von ihrem ‚Angriffsmodus’ abzukehren“, lässt nicht erkennen, welche Tatsachen das Landesarbeitsgericht insoweit zugrunde gelegt hat. Zudem wird aus dem Berufungsurteil nicht ersichtlich, ob und ggf. inwiefern das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung darauf Bedacht genommen hat, dass das Verhalten einer Partei in einem Gerichtsverfahren durch berechtigte Interessen gedeckt sein kann. Die Verfahrensbeteiligten dürfen zur Rechtsverteidigung alles vortragen, was rechtserheblich sein kann und sich dabei auch starker, eindringlicher Ausdrücke und Schlagworte bedienen, selbst wenn eine vorsichtigere Formulierung möglich gewesen wäre (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22).

69

c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Klägerin habe sich auch nach der Kündigung nicht in ausreichendem Maße mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 3. April 2009 auseinandergesetzt, bleibt unklar, weshalb es für sie noch nach Ausspruch der Kündigung Veranlassung gegeben habe, sich um eine „Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person“ zu bemühen, bzw. weshalb dies „nahegelegen“ habe. Das Landesarbeitsgericht hat auf die „Bildung“ der Klägerin und ihr „selbst in Anspruch genommene(s) internationale(s) Format(…)“ verwiesen. Es hat aber nicht gewürdigt, dass die Beklagte selbst durch die Erklärung der Kündigung zu verstehen gegeben hatte, dass sie für eine künftige Zusammenarbeit mit der Klägerin keine Grundlage mehr sah.

70

d) Mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Strafanzeige, die die Klägerin gegen Mitarbeiter der Beklagten erstattet habe, fehlt es an Feststellungen sowohl zu ihrem näheren Inhalt als auch zu den Umständen ihrer Erstattung.

71

e) Für die Beurteilung, ob der offene Brief an die Bundeskanzlerin einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegensteht, ist nicht unerheblich, welchen Kreisen von Lesern er zugänglich war und wie lange die Veröffentlichung zurückliegt. Dazu sind bislang keine Feststellungen getroffen. Bei der Würdigung der in dem Brief enthaltenen Aussagen ist überdies angemessen auf die Meinungsfreiheit der Klägerin Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 35).

72

f) Entsprechendes gilt für die Kritik der Klägerin am Betriebsrat.

73

aa) In der E-Mail vom 23. April 2009 hat die Klägerin es als bedauerlich bezeichnet, dass sich „die Arbeitnehmervertretung (…) derart dämlich verhält“. Insofern bedarf der Auslegung, ob dies für die Mitglieder des Betriebsrats als gegen sie - alle - persönlich gerichtete Kritik zu verstehen war. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Erklärung aber noch nicht zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der Person herabsetzen soll (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).

74

bb) Die E-Mail vom 31. August 2009 schließt „mit dem Anlass entsprechenden Grüßen diesmal von Goethe mit einem Götz-Zitat“. Die Klägerin hat darin aber auch die im Zusammenhang mit der Kündigung stehenden Ereignisse und die - vermeintliche - Rolle des Betriebsrats dabei aus ihrer Sicht dargestellt. Sie hat dem Betriebsrat in der Sache vorgeworfen, sowohl den ihrer Meinung nach unrechtmäßigen Zugriff auf ihr E-Mail-Konto gebilligt zu haben als auch eine gesetzeswidrige Öffnung der Büroschränke.

75

g) Hinsichtlich aller geltend gemachter Auflösungsgründe bedarf im Übrigen der Prüfung, ob und inwiefern ihnen, selbst wenn sie Jahre zurückliegen, weiterhin Bedeutung für eine zukünftige Zusammenarbeit der Parteien zukommt.

76

h) Ein Teil des Vorbringens der Beklagten zur Begründung des Auflösungsantrags ist bislang unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte hat sich auf „zahlreiche Äußerungen (der Klägerin) gegenüber der Presse“ berufen, was auch die Namen der Mitarbeiter, gegen die sie Strafanzeige gestellt habe, umfasse.

77

V. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Für den Senat stellen sich keine für seine Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht. Es bedarf auch keiner näheren Untersuchung, ob die von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen nicht nur die Anwendung, sondern die Auslegung von Unionsrecht betreffen. Bislang ist nicht festgestellt, dass die Beklagte auf Beschwerden der Klägerin, sie werde diskriminiert, nicht reagiert hätte.

        

    Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft
ist infolge seiner Versetzung in den Ruhestand
mit Ablauf des 31. Januar 2016 an der
Unterschriftsleistung verhindert.
Berger    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    K. Schierle    

        

    Niebler    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. November 2012 - 14 Sa 1178/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betrieb bis April 2013 Handel mit Kfz-Ersatzteilen. Im Jahr 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Der 1963 geborene Kläger war bei ihr seit August 1988 tätig, zuletzt als Leiter der Finanzbuchhaltung. Sein Bruttomonatsverdienst betrug rund 3.900,00 Euro.

3

Im Juni 2011 übernahm eine Gesellschafterin der Beklagten Aufgaben im Bereich Buchhaltung. Daraus erwuchsen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Eine dem Kläger am 3. Januar 2012 erteilte Abmahnung wegen behaupteter Arbeitsverweigerung hielt die Beklagte unter Hinweis auf Beweisschwierigkeiten nicht aufrecht.

4

Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2012. Zur Begründung gab sie an, ihre Gesellschafterin habe zwischenzeitlich die Arbeitsaufgaben des Klägers vollständig übernommen. Dessen Arbeitsplatz sei weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung Klage erhoben. Nachdem die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht erfolglos geblieben war, fertigte sein Prozessbevollmächtigter unter dem 9. Mai 2012 eine Replik auf die Klageerwiderung der Beklagten. Darin heißt es, die Kündigung sei willkürlich erfolgt. Der Beklagten sei es lediglich darum gegangen, den Kläger als „lästigen Mitwisser“ zweifelhafter Geschäfte loszuwerden. Sie habe private Aufwendungen ihres Gesellschafters und seiner Ehefrau sowie des Lebensgefährten einer Gesellschafterin als Betriebsausgaben verbucht. Die Kündigung sei erfolgt, nachdem der Kläger nicht bereit gewesen sei, diese Handlungen zu dulden und/oder mit zu tragen. Der Schriftsatz ging der Beklagten zunächst außergerichtlich als Entwurf zu. In einem Begleitschreiben vom 14. Mai 2012 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, absprachegemäß sollten „nochmal“ die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung „erörtert werden“. Falls „in den nächsten Tagen“ keine Rückäußerung erfolge, werde die Replik bei Gericht eingereicht.

6

Der Kläger verfuhr, nachdem eine Antwort der Beklagten ausgeblieben war, wie angekündigt. Mit Schreiben vom 23. Mai 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, „hilfsweise“ ordentlich. Der Kläger hat auch diese Kündigung im Wege einer Klageerweiterung fristgerecht angegriffen.

7

Nach - rechtskräftiger - Abweisung der Klage gegen die Kündigung vom 24. Februar 2012 hat sich der Kläger nur noch gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB liege nicht vor. Im Schriftsatz vom 9. Mai 2012 habe er den Sachverhalt lediglich aus seiner Sicht dargelegt. Mit dem Begleitschreiben habe er keinen unzulässigen Druck auf die Beklagte ausgeübt.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe mit der unüblichen und nicht abgesprochenen Vorabübersendung seines Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 das Ziel verfolgt, sie hinsichtlich der angestrebten gütlichen Einigung „gefügig zu machen“. In der Ankündigung einer Offenbarung angeblicher „Unregelmäßigkeiten“ liege der Versuch einer Erpressung oder Nötigung. Zudem habe der Kläger die Unterlagen, die dem Schriftsatz beigefügt gewesen seien, unbefugt kopiert, um ein Druckmittel gegen sie zu haben. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei ihr unzumutbar gewesen.

10

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage auch insoweit abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist. Es hat bis zum Termin der ordentlichen Kündigung vom 24. Februar 2012, dh. bis zum 30. September 2012 fortbestanden.

12

I. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittelverfahren ist gegeben.

13

1. Neben der Beschwer stellt das Rechtsschutzinteresse im Allgemeinen keine besonders zu prüfende Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels dar; typischerweise folgt es aus ihr (vgl. BAG 2. März 1982 - 1 AZR 694/79 - zu I 1 der Gründe, BAGE 38, 85; BLAH 70. Aufl. Grundz. § 511 Rn. 14, 16 mwN). Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn sich etwa die Einlegung des Rechtsmittels trotz Vorliegens einer Beschwer als unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich erweist (BAG 2. März 1982 - 1 AZR 694/79 - aaO).

14

2. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Zwar hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich für die Zeit bis zum 30. September 2012 abgerechnet und den sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettoverdienst an den Kläger ausgekehrt. Damit hat sie aber nicht - auch nicht konkludent - erklärt, sie werde aus der fristlosen Kündigung gegenüber dem Kläger keine Rechte mehr herleiten. In ihrem Verhalten liegt auch kein - konkludenter - Verzicht auf die Revision. Darauf, ob die Beklagte bei einer Klageabweisung die Rückzahlung überschießender Vergütung beanspruchen will und kann, kommt es nicht an.

15

II. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Klage gegen die fristlose Kündigung vom 23. Mai 2012 ist begründet. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

17

2. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14 mwN). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

18

3. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten war es weder aufgrund der Erklärungen im anwaltlichen Schreiben vom 14. Mai 2012 und der Übersendung des Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 im Entwurf, noch wegen des Fotokopierens betrieblicher Unterlagen durch den Kläger unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 2012 - dem Termin der vorausgegangenen ordentlichen Kündigung - fortzusetzen.

19

a) Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54; 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72).

20

b) Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408). Entsprechendes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachteilige Folgen mit dem Ziel androht, dieser solle von einer beabsichtigten oder bereits erklärten Kündigung Abstand nehmen (ähnlich BAG 11. März 1999 - 2 AZR 507/98 - zu II 1 b aa der Gründe; 30. März 1984 - 2 AZR 362/82 - zu B I der Gründe; jeweils zur Androhung von Presseveröffentlichungen). Eine auf ein solches Verhalten gestützte Kündigung setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

21

c) Hier hat der Kläger seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme durch die Erklärungen im Schreiben vom 14. Mai 2012 selbst dann nicht verletzt, wenn er sich die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten aufgrund der erteilten Prozessvollmacht (§ 81 ZPO) uneingeschränkt nach § 85 Abs. 1 ZPO zurechnen lassen muss(zur Problematik vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13 ff.; 28. März 1963 - 2 AZR 379/62 - BAGE 14, 147; Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 85 Rn. 7). Das Ansinnen einer gütlichen Einigung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 24. Februar 2012 war auch in Anbetracht der Ankündigung, im Falle der Nichtäußerung den im Entwurf beigefügten Schriftsatz vom 9. Mai 2012 bei Gericht einzureichen, nicht widerrechtlich. Darauf, ob sich die Parteien zuvor über das Procedere verständigt hatten, kommt es nicht an.

22

aa) Eine Drohung setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 418/10 - Rn. 14). Sie muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Die Drohung kann auch versteckt erfolgen, beispielsweise durch eine Warnung oder einen Hinweis auf nachteilige Folgen (vgl. BAG 9. März 1995 - 2 AZR 644/94 - zu 2 der Gründe; BGH 22. November 1995 - XII ZR 227/94 - zu 2 der Gründe). Als Übel genügt jeder Nachteil. Das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels ist widerrechtlich, wenn entweder das Mittel, dh. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, dh. die erwartete Willenserklärung, oder jedenfalls der Einsatz des fraglichen Mittels zu dem fraglichen Zweck von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (vgl. BAG 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - zu I 4 d bb der Gründe).

23

bb) Die Einführung des Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 in den laufenden Kündigungsschutzprozess mag für die Beklagte ein empfindliches Übel gewesen sein. Das Vorgehen des Klägers war aber nicht widerrechtlich. Es war ihm - ebenso wie seine Ankündigung - erlaubt.

24

(1) Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37 mwN). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt jedenfalls so lange, wie er die Grenzen der Wahrheitspflicht achtet (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12).

25

(a) Dass der Kläger in dem der Beklagten vorab übermittelten Schriftsatz vom 9. Mai 2012 leichtfertig unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat sein Vorbringen zur Verbuchung privater Aufwendungen und Erstattungsleistungen einer Versicherung mangels ausreichenden Bestreitens der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden angesehen. Die Würdigung wird von der Beklagten nicht angegriffen. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar.

26

(b) Der Kläger hat nicht in rechtswidriger Weise gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende, durch § 17 UWG ergänzte Verpflichtung verstoßen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einschließlich der ihm aufgrund seiner Tätigkeit bekannt gewordenen privaten Geheimnisse der Beklagten zu wahren(zur Eignung solcher Verstöße als wichtiger Grund vgl. BAG 18. März 1982 - 2 AZR 940/79 - zu A IV 1 der Gründe). Es kommt nicht darauf an, ob sich die Beklagte hinsichtlich der in Rede stehenden „Betriebsinterna“ überhaupt auf ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse berufen könnte (zur Problematik vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb 15. Aufl. § 53 Rn. 55). Der Kläger war jedenfalls im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits zur Offenlegung der betreffenden Tatsachen gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten und dem Gericht befugt. Er handelte in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Er wollte auf diese Weise unlautere Motive der Beklagten für die angeblich betriebsbedingte Kündigung dartun. Dass er die Informationen an andere Personen oder Stellen weitergegeben hätte, ist nicht dargetan.

27

(2) Der bezweckte Erfolg - eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits - war ebenso wenig widerrechtlich. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten oder die Zahlung einer Abfindung anstrebte. Durch einen Vergleich sollen der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden (§ 779 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sein Abschluss ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten - vorbehaltlich eines sittenwidrigen Inhalts der Einigung - grundsätzlich erlaubt (vgl. BAG 20. November 1969 - 2 AZR 51/69 - zu I der Gründe).

28

(3) Das Vorgehen des Klägers stellt sich auch nicht wegen eines zwischen dem Inhalt des eingereichten Schriftsatzes und der angestrebten Einigung hergestellten Zusammenhangs - der Zweck-Mittel-Relation - als widerrechtlich dar.

29

(a) Wer sich bei zweifelhafter Rechtslage seinem Vertragspartner gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, handelt nicht rechtswidrig, wenn er damit den Gegner zum Einlenken veranlassen will. Das gilt auch dann, wenn für den Fall der Nichteinigung eine bestimmte Verteidigungsstrategie angekündigt wird. Eine solche Offenlegung eines beabsichtigten Prozessverhaltens ist - sowohl im Vorfeld einer Klageerhebung als auch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens - jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie weder mutwillig erfolgt, noch zu einer über die Erhebung oder das Bestreiten bestimmter Ansprüche hinausgehenden Belastung des anderen Teils führt (vgl. BGH 19. April 2005 - X ZR 15/04 - zu II 5 a der Gründe). Anders als die Beklagte meint, reicht es für die Widerrechtlichkeit der Verknüpfung von Mittel und Zweck nicht aus, dass eine Partei auf den Abschluss eines Vergleichs keinen Rechtsanspruch hat (so schon RG 11. Dezember 1925 - VI 406/25 - RGZ 112, 226).

30

(b) Die Ankündigung des Klägers, bei einer Nichteinigung einen dem Entwurf der Replik entsprechenden Schriftsatz bei Gericht einzureichen, wäre allenfalls dann widerrechtlich, wenn sein darin ausgedrückter rechtlicher Standpunkt gänzlich unvertretbar wäre. Das ist nicht der Fall. Der Kläger musste nicht von der Wirksamkeit der Kündigung vom 24. Februar 2012 ausgehen. Er durfte sich mit der Behauptung verteidigen, die angestrebte Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruhe auf seiner ablehnenden Haltung gegenüber bestimmten buchhalterischen Vorgängen. Seine Anregung, sich vor diesem Hintergrund auf eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits zu verständigen, erfolgte im Vertrauen auf eine nicht etwa gänzlich aussichtslose Rechtsposition.

31

d) Die Beklagte war nicht deshalb zur fristlosen Kündigung berechtigt, weil der Kläger Fotokopien von Geschäftsunterlagen hergestellt und diese bei Gericht eingereicht hatte. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, insoweit liege keine Verletzung vertraglicher Pflichten vor. Zumindest sei es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen, die Kündigungsfrist einzuhalten. Die Würdigung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

32

aa) Dem Arbeitnehmer ist es aufgrund der dem Arbeitsvertrag immanenten Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Betreffen die Unterlagen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, ist die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) UWG sogar strafbewehrt, wenn dies zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht geschieht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen. Verstößt der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen diese Vorgaben, kann darin ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegen. Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (vgl. BAG 18. März 1982 - 2 AZR 940/79 - zu A IV 1 der Gründe).

33

bb) Im Streitfall hat der Kläger ohne Einverständnis der Beklagten Fotokopien verschiedener, den Geschäftsbetrieb der Beklagten betreffender Rechnungen und Schecks hergestellt, ohne dass hierfür ein dienstliches Bedürfnis bestanden hätte. Selbst wenn er die Kopien ausschließlich zu seiner Rechtsverteidigung hat verwenden wollen und verwandt hat, durfte das Landesarbeitsgericht daraus nicht ohne Weiteres auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen schließen. Dem Rechtsschutzinteresse einer Partei, die sich nicht im Besitz prozessrelevanter Urkunden befindet, trägt das Gesetz mit den Regelungen zur Vorlagepflicht in § 142 ZPO und § 424 ZPO Rechnung. Besondere Umstände, aufgrund derer der Kläger hätte annehmen dürfen, ein entsprechendes prozessuales Vorgehen sei von vorneherein aussichtslos, sind nicht festgestellt.

34

cc) Es kann dahinstehen, ob sich der Kläger für die Rechtfertigung seines Verhaltens auf eine Beweisnot berufen könnte (zur Eignung eines solchen Sachverhalts als Rechtfertigungsgrund vgl. Haller BB 1997, 202, 203). Sein Verhalten wiegt den Umständen nach jedenfalls nicht so schwer, dass der Beklagten - auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen - ein Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre.

35

(1) Das Berufungsgericht hat bei der Interessenabwägung einen gewissen Beurteilungsspielraum. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz (nur) daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Verfahrensgrundsätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).

36

(2) Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Beklagte nicht auf.

37

(a) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers dessen Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als zwanzig Jahren berücksichtigt. Von dieser hat es angenommen, sie sei beanstandungsfrei verlaufen. Die Würdigung ist angesichts der „Rücknahme“ einer vorausgehenden Abmahnung des Klägers nachvollziehbar. Sonstige Beanstandungen sind nicht dargetan. Die Berücksichtigung des Lebensalters zugunsten des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung begründet. Es durfte außerdem bedenken, dass der Kläger die fraglichen Fotokopien nicht zu Wettbewerbszwecken oder zu dem Zweck hergestellt hat, der Beklagten zu schaden. Er hat sie - soweit ersichtlich - nur an seinen Rechtsanwalt und damit an eine ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtete Person mit dem Ziel weitergegeben, sie bei Gericht einzureichen. Auf diese Weise wollte er sein Vorbringen zur Unsachlichkeit der Kündigung verdeutlichen und ihm stärkeres Gewicht verleihen. Diese Umstände schließen - wie aufgezeigt - die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zwar nicht aus. Sie lassen es aber in einem milderen Licht erscheinen. Hinzu kommt, dass es sich um eine singuläre Pflichtverletzung handelte, der erkennbar die - irrige - Vorstellung des Klägers zugrunde lag, zur Selbsthilfe berechtigt zu sein.

38

(b) Aufgrund dieser Erwägungen war es ohne Weiteres vertretbar, dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses - zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist - Vorrang vor dem Beendigungsinteresse der Beklagten einzuräumen.

39

III. Das Landesarbeitsgericht hat unausgesprochen angenommen, die ordentliche Kündigung vom 23. Mai 2012 gehe ins Leere, da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits anderweitig zum 30. September 2012 aufgelöst worden sei. Dagegen erhebt die Beklagte keine Einwände. Ein Rechtsfehler ist nicht ersichtlich.

40

IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 15/04 Verkündet am:
19. April 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wer in einer privatrechtlichen Auseinandersetzung, um den Gegner zur Erfüllung
eines in vertretbarer Weise für berechtigt gehaltenen Anspruchs zu bewegen
, damit droht, die Presse zu informieren, handelt nicht widerrechtlich, wenn
der angedrohte Pressebericht seinerseits nicht rechtswidrig wäre. So weit die
Pressefreiheit reicht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), ist auch das Informieren der
Presse durch die Meinungsäußerungsfreiheit des Informanten geschützt (Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG).
BGH, Urt. v. 19. April 2005 - X ZR 15/04 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und die Richter Asendorf und
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Dezember 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die einen Pflege-, Säuberungs- und Wartungsdienst für Trabrennbahnen betreibt, nimmt den beklagten Verein, der Inhaber der Trabrennbahn … und ist, sieben Personen, die zur Zeit der streitigen Vorfälle Vorstandsmitglieder des Vereins waren, wegen der vorzeitigen Beendigung eines Wartungsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin und der beklagte Verein (Beklagter zu 1) schlossen am 8. August 1988 einen bis zum 31. Dezember 1999 befristeten Wartungsvertrag, nach dem die Klägerin sämtliche laufenden Pflege-, Säuberungs- und Wartungsarbeiten auf dem Gelände der Trabrennbahn … eine für - später erhöhte - Vergütung von 100.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer pro Monat sowie Sonderhonorare für die Bereitstellung und den Einsatz von Maschinen und Fahrzeugen durchführen sollte. Bei Abschluß dieses Vertrages war der Geschäftsführer der Klägerin zugleich Vorstandsmitglied des beklagten Vereins. Am 30. Juni 1993 wurde ein neuer Vereinsvorstand gewählt, dem die Beklagten zu 2-8 angehörten; der Geschäftsführer der Klägerin schied aus dem Vorstand aus. Am 9. August 1993 schlossen aufgrund von Verhandlungen der Beklagten zu 2 und 3 mit dem Geschäftsführer der Klägerin diese und der Beklagte zu 1 einen Aufhebungsvertrag, durch den der Vertrag vom 1. August 1988 vorzeitig, nämlich zum 2. Januar 1994, beendet wurde. Infolgedessen mußte die Klägerin ihren Betrieb, der von dem Wartungsvertrag mit dem Beklagten zu 1 abhängig war, auflösen. Durch Anwaltsschreiben vom 17. Februar 1994 focht sie den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an. Der Anfechtung liegt folgender unstreitiger Sachverhalt zugrunde, der dem Abschluß des Aufhebungsvertrages vorausgegangen war: Der Beklagte zu 1 ließ einen der Klägerin ausgehändigten Scheck sperren und bezahlte die Monatsabrechnungen für Juni und Juli 1993 nicht. Der Beklagte zu 2 kündigte an, die Klägerin werde überhaupt kein Geld mehr bekommen, wenn sie der Vertragsaufhebung nicht zustimme. Der Beklagte zu 3 drohte unstreitig mit einem Zeitungsbericht über die Rechnungen der Klägerin und nach deren Behauptung auch über den ganzen Pflege- und Wartungsvertrag im "Traber-Journal". Dann könne der Geschäftsführer der Klägerin sich auf der Rennbahn nicht mehr sehen lassen. Außerdem werde der Beklagte zu 1 die vom Geschäftsführer der Klägerin gemieteten Stallungen kündigen, ihm Rennbahnverbot erteilen, ihn aus dem Verein ausschließen und ihm ein Berufsverbot erteilen lassen sowie gegen
jedes Schadensersatzbegehren mit angeblichen Gegenforderungen aufrechnen und einen eventuellen Rechtsstreit so lange in die Länge ziehen, bis die Klägerin in den Konkurs getrieben sei. Die Klägerin behauptet außerdem, die Beklagten zu 2 und 3 hätten angekündigt, bei Ablehnung des Aufhebungsvertrages könne sich der Geschäftsführer der Klägerin nicht mehr auf die Straße trauen, da für ihn dann ernsthafte Gefahren für Leib und Leben bestehen würden.
Die Klägerin verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Geschäftsführers Ersatz des ihr und ihm durch die vorzeitige Vertragsauflösung entstandenen Schadens (Gesellschaftsgewinn und Geschäftsführergehalt bis 1999) in Höhe von 2.600.000,-- DM nebst Zinsen. Sie trägt vor, die Beklagten hätten sie durch ihre rechtswidrigen Drohungen in eine wirtschaftliche Zwangslage versetzt, die ihr keinen anderen Weg offengelassen habe, als zunächst den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben und zu erfüllen, der unter anderem die Vereinbarung enthielt, daß der Beklagte zu 1 die Zahlungsrückstände zur Hälfte alsbald, zur anderen Hälfte aber erst bezahlen werde, wenn die Klägerin ihre beim Beklagten zu 1 genutzten Räume und Flächen geräumt habe, was bis zum 16. Januar 1994 geschehen sollte. Nur mit Hilfe dieser Zahlungen habe sie ihren Betrieb geordnet abwickeln können. Erst nach Wegfall der Zwangslage am 16. Januar 1994 sei sie wieder in der Lage gewesen, ohne weitere Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen gegen den Aufhebungsvertrag vom 9. August 1993 vorzugehen.
Die Beklagten haben vorgetragen, der Verein sei sanierungsbedürftig gewesen und habe insbesondere die Kosten für Pflege und Wartung erheblich reduzieren müssen. Zahlreiche Mitglieder hätten dem Geschäftsführer der Klägerin Mißwirtschaft, persönliche Bereicherung und Ausbeutung des Vereins vorgeworfen. Der Vorstand habe den Pflege- und Wartungsvertrag mit der Klägerin fristlos kündigen und gerichtlich überprüfen lassen wollen. Aus diesem
Grund hätten die Beklagten zu 2 und 3 versucht, eine gütliche Einigung in Gestalt der einvernehmlichen Vertragsaufhebung herbeizuführen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Schadensersatzanträge weiter.
Die Beklagten zu 5, 7 und 8 haben sich in der Revisionsverhandlung nicht vertreten lassen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Klageansprüche mit der Begründung verneint , die Klägerin habe keine widerrechtliche Drohung bewiesen. Es sei nicht zu verkennen, daß auf die Klägerin Druck ausgeübt worden sei, jedoch seien die Drohungen nicht rechtswidrig gewesen beziehungsweise nicht durch die Klägerin nachgewiesen. Wenn Vertreter des Beklagten zu 1 damit gedroht hätten , den Wartungsvertrag zu veröffentlichen, sei dies nicht rechtswidrig gewesen. Die Drohungen mit Stallkündigung, Rennbahnverbot und Vereinsausschluß seien für den Fall, daß der Wartungsvertrag rechtlich angreifbar gewesen sei, ebenfalls nicht rechtswidrig gewesen. Falls der Wartungsvertrag aber rechtlich einwandfrei gewesen sei, hätte die Klägerin gegen die angekündigten Maßnahmen gerichtlich vorgehen können und den Ausgang des Prozesses nicht zu fürchten brauchen. Bei der Gesamtschau dieser Drohungen sei von Bedeutung, daß der Beklagte zu 1 zum Ende der Vorstandstätigkeit des Ge-
schäftsführers der Klägerin Schulden in zweistelliger Millionenhöhe gehabt habe , daß der Vorstand 1992 nicht entlastet worden sei, daß der Geschäftsführer der Klägerin und der Vorstandsvorsitzende, die den Wartungsvertrag von 1988 geschlossen hätten, beide ab Mitte 1993 dem Vorstand des Beklagten zu 1 nicht mehr angehört hätten und daß schließlich dem nicht unglaubhaften Vorbringen der Beklagten zufolge in der Jahresmitgliederversammlung vom 1. Juli 1993 Vereinsmitglieder dem Geschäftsführer der Klägerin Mißwirtschaft, persönliche Bereicherung und Ausbeutung des Vereins vorgeworfen hätten. Möge die gegebene Situation auch auf Verdächtigungen und Vermutungen beruhen, so sei es doch den Vertretern des Beklagten zu 1 nicht verwehrt gewesen, auf den Geschäftsführer der Klägerin Druck auszuüben. Dieser Druck habe seine Wurzeln im Tun des Geschäftsführers der Klägerin und in dem Vertrag vom 1. August 1988 gehabt, dessen gerichtliche Überprüfung möglicherweise nicht zwingend den Fortbestand gewährleistet hätte. In dem vorgesehenen Kündigungsschreiben des Beklagten zu 1 sei dieser von Mehrfachfakturierung, vertragswidriger Erhöhung der Pauschalvergütung und weiteren Abrechnungsunstimmigkeiten ausgegangen und habe wegen überzahlter Pauschalen 1.434.809,80 DM zurückverlangen wollen. Auch die Drohungen, ohne Aufhebungsvertrag werde die Klägerin überhaupt kein Geld mehr erhalten und der Beklagte zu 1 gegen ihre Forderungen mit Schadensersatzansprüchen in Höhe von 3 Mio. DM aufrechnen, seien zwar unschön, aber nicht widerrechtlich gewesen. Die Klägerin hätte ihr zustehende Forderungen im Gerichtsweg realisieren können; sollten die Gegenforderungen des Beklagten zu 1 ins Blaue hinein und ohne Erfolgsaussicht erhoben worden sein, habe die Klägerin das Gerichtsverfahren nicht fürchten müssen. Daß der Geschäftsführer der Klägerin mit Gefahr für Leib und Leben bedroht sei, habe die Klägerin nicht nachweisen können. Die Zeugin B. , die dies bekundet habe, sei nicht glaubwürdig. Der Klägerin stehe demnach kein Schadensersatzanspruch wegen Erpressung oder Nötigung oder wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Als Anspruchsgrundlagen kommen für den eigenen Anspruch der Klägerin auf Ersatz des ihr entgangenen Gewinns gegen den Beklagten zu 1 eine Verletzung des Wartungsvertrages und Delikt (§ 823 Abs. 1 wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; § 823 Abs. 2 i.V.m. § 253 StGB; § 826 BGB), gegen die übrigen Beklagten nur Delikt in Betracht. Der Straftatbestand der Erpressung (§ 253 StGB) ist ein Schutzgesetz nicht nur zugunsten der genötigten natürlichen Person, sondern auch zugunsten der von ihr vertretenen juristischen Person. Für den abgetretenen Anspruch des Geschäftsführers auf Ersatz für sein entgangenes Gehalt kommt ein deliktischer Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Frage (§ 826 BGB). Die Beklagten wußten, daß der Geschäftsführer der Klägerin deren Alleingesellschafter war und daß deren Gewinn - teils in der Gestalt des Geschäftsführergehalts, teils als Reingewinn - letztlich ihm zugute kam. Den Beklagten war also bewußt, daß sie bei wirtschaftlicher Betrachtung den hinter der Klägerin stehenden Geschäftsführer schädigten; ihr etwaiger Schädigungsvorsatz bezog sich daher auch auf den Geschäftsführer.
Diese Anspruchsgrundlagen scheiden indessen aus, wenn der Aufhebungsvertrag wirksam geblieben ist. Denn dann war die vorzeitige Beendigung des Wartungsvertrages mitsamt dem daraus resultierenden Gewinn Folge des Aufhebungsvertrages und somit nicht rechtswidrig. Deshalb hat sich das Berufungsgericht zu Recht auf die Prüfung beschränkt, ob der Klägerin ein Grund zur Anfechtung des Aufhebungsvertrages in Gestalt einer widerrechtlichen Drohung zu Gebote stand (§§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB).
2. Aus dem Erfordernis einer von den Beklagten stammenden Drohung ergibt sich, daß die Klage gegen die Beklagten zu 5-8 - das Verfahren gegen den verstorbenen Beklagten zu 4 ist ausgesetzt - unabhängig von der Frage, ob überhaupt Drohungen stattgefunden haben und ob diese rechtswidrig waren, unbegründet ist. Denn die von der Klägerin als Drohungen gewerteten Ankündigungen sind nach ihrem Vortrag nur von den Beklagten zu 2 und 3 ausgesprochen worden. Der beklagte Verein muß sich das Verhalten dieser seiner Vorstandsmitglieder und vertraglichen Erfüllungsgehilfen zwar zurechnen lassen (§§ 31, 278 BGB). Ein Rechtsgrund, weshalb sich auch die Vorstandsmitglieder persönlich das Verschulden eines anderen Vorstandsmitglieds zurechnen lassen müßten, besteht jedoch nicht. Auch eine strafrechtliche Teilnahme der Beklagten zu 5-8 an der behaupteten Erpressung kommt nicht in Betracht, da die Klägerin nicht dargelegt hat, daß sie die Äuße rungen der Beklagten zu 2 und 3 angeregt, gebilligt oder auch nur davon gewußt hätten. Auf die Verteidigung der Beklagten zu 4-8, die Klage gegen sie sei mangels Vortrags eines Anspruchsgrundes offensichtlich rechtsmißbräuchlich, weil erkennbar nur zu dem Zweck erhoben, sie als Zeugen auszuschließen, hat die Klägerin lediglich erwidert, die Beklagten zu 4-8 seien im Zeitpunkt der Nötigungshandlung Vorstandsmitglieder des Beklagten zu 1 gewesen. Da die Beklagten zu 2 und 3 im Auftrag des gesamten Vorstandes gehandelt hätten, sei ihr Handeln den Beklagten zu 4-8 voll zuzurechnen (GA 54 I). Hierin liegt kein substantiierter Vortrag des Inhalts, die Beklagten zu 2 und 3 hätten nicht nur mit ihrem Vorschlag eines Aufhebungsvertrages, sondern auch hinsichtlich der von ihnen ausgesprochenen Drohungen im Auftrag der übrigen Vorstandsmitglieder gehandelt. Dafür reicht auch nicht die unter Beweis gestellte weitere Behauptung der Klägerin aus, die Beklagten zu 2 und 3 hätten die Frage des Geschäftsführers, ob auch die anderen Vorstandmitglieder von den Drohungen für Leib und Leben wüßten und sie billigten, bejaht. Da somit die Klägerin eine Beteiligung der Beklagten zu 5-8 an den behaupteten Drohungen nicht schlüssig dargelegt hat,
war die Klage gegen sie schon aus diesem Grunde abzuweisen. Die von dem Beklagten zu 6 im Revisionsverfahren geltend gemachte Einrede der kurzen deliktischen Verjährung brauchte daher nicht geprüft zu werden.
3. Für die Klageansprüche gegen die Beklagten zu 1-3 kommt es hingegen darauf an, ob die Beklagten zu 2 und 3 den Geschäftsführer der Klägerin widerrechtlich bedroht haben. Dies war nicht der Fall. Auch auf die Verjährungseinrede der Beklagten zu 2 und 3 kommt es daher nicht an.
4. Die behaupteten Drohungen für Leib und Leben, die widerrechtlich gewesen wären, hat das Berufungsgericht als nicht bewiesen angesehen. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Revision will, revisionsrechtlich unzulässig , lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts setzen, ohne daß sie Rechtsfehler der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts aufzeigt.
5. Die Drohung der Beklagten zu 2 und 3, der Beklagte zu 1 werde keine Zahlungen mehr leisten und in einem etwa von der Klägerin angestrengten Zahlungsprozeß mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen, verbunden mit der Warnung, daß die Klägerin durch die lange Prozeßdauer insolvent werden könne , hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend als nicht widerrechtlich beurteilt. Die Beklagten zu 2 und 3 durften die Verteidigungsstrategie, die der Beklagte zu 1 im etwaigen Zahlungsprozeß der Klägerin eingeschlagen hätte, schon im vorgerichtlichen Stadium der Auseinandersetzung ankündigen.

a) Die Widerrechtlichkeit einer Drohung kann sich aus dem angedrohten Mittel, dem erstrebten Zweck oder der Inadäquanz von Zweck und Mittel (Zweck/Mittel-Relation) ergeben. In Rechtsprechung und Literatur ist unbestritten , daß die Androhung von Rechten und Rechtsbehelfen, welche die Rechts-
ordnung für die Wahrnehmung der Interessen des Drohenden zur Verfügung stellt, z.B. die Drohung mit Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, Klageerhebung , Zwangsvollstreckung, Arrest, Konkursantrag oder berechtigter Selbsthilfe , erlaubte Mittel betrifft (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.05.1972 - VII ZR 191/72, WM 1972, 946; Flume, BGB AT, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl., § 28 Nr. 2 b, S. 535 f.; MünchKomm./Kramer, BGB, 4. Aufl., § 123 Rdn. 47; Staudinger/ Singer-v. Finckenstein, BGB (2004), § 123 Rdn. 68). Ferner ist die Verfolgung von Rechten selbst dann ein erlaubter Zweck, wenn das verfolgte Recht nicht wirklich besteht. Für die Rechtmäßigkeit des Zwecks kommt es nicht darauf an, ob der Drohende einen Anspruch auf die erstrebte Handlung des Bedrohten hat. Es genügt bereits der gute Glaube bzw. ein berechtigtes Interesse an dem erstrebten Erfolg (BGH, Urt. v. 16.01.1997 - IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980; BAG NJW 1999, 2059; Staudinger/Singer-v. Finckenstein, aaO Rdn. 69). Schließlich ist auch die Zweck-Mittel-Relation nicht zu beanstanden, wenn der Drohende ein vermeintliches Recht mit den Mitteln verfolgt, die die Rechtsordnung zur Durchsetzung eines solchen Anspruchs vorsieht. Wer sich bei zweifelhafter Rechtslage seinem Geschäftspartner gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, handelt nicht rechtswidrig, wenn er damit den Gegner zum Einlenken und zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung veranlassen will (vgl. BGH, BGHZ 2, 287, 296 f.; BGHZ 25, 217, 219 f.; Urt. v. 20.06.1962 - VIII ZR 249/61, JZ 1963, 318; Urt. v. 06.05.1982 - VII ZR 208/81, NJW 1982, 2301; BAG, Urt. v. 20.11.1969 - 2 AZR 51/69, NJW 1970, 775).
Dies gilt insbesondere, wenn, wie hier, lediglich für den Fall einer von der Klägerin erhobenen Zahlungsklage eine bestimmte Verteidigungsstrategie angekündigt wird. Eine solche Offenlegung beabsichtigter Verteidigungsmittel schon im Vorfeld des Prozesses ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, weder mutwillig erfolgt noch zu einer über das
Bestreiten geltend gemachten Ansprüche hinausgehenden Belastung des anderen Teils führt. Ein Schuldner, der in vertretbarer Weise vom Nichtbestehen seiner Verpflichtung ausgeht, darf deshalb, wie es die Beklagten zu 1-3 getan haben, damit drohen, daß er nicht freiwillig leisten werde, sondern sein Gläubiger ihn verklagen müsse und daß er im Prozeß Gegenrechte geltend machen werde.

b) Die Drohung der Beklagten zu 1-3 hätte deshalb allenfalls dann widerrechtlich sein können, wenn ihr Standpunkt, daß der Beklagte zu 1 den Wartungsvertrag von 1988 ohnehin fristlos kündigen könne und daß ihm aufrechenbare Gegenansprüche zustünden, nicht vertretbar gewesen wäre. Daran fehlt es hier.
aa) Die Darlegungslast dafür, daß der Rechtsstandpunkt des Beklagten zu 1 vertretbar war, trifft die Beklagten zu 1-3. Im Prinzip ist zwar der Anfechtende für die Tatsachen, die die Widerrechtlichkeit der Drohung begründen, darlegungs - und beweispflichtig (Palandt/Heinrichs, § 123 Rdn. 19, 30). Demnach müßte hier die Klägerin die Unvertretbarkeit des Rechtsstandpunkts der Beklagten darlegen. Wenn aber, wie hier, mit der Nichterfüllung eines Anspruchs gedroht wird, der klar aus dem Vertrag hervorgeht, so daß er nur durch Gegenrechte des Schuldners, insbesondere Einwendungen und Einreden, zu Fall gebracht werden kann, dann läuft die Beweislast des Anfechtenden auf einen Negativbeweis des Inhalts hinaus, daß der Anfechtungsgegner nicht in vertretbarer Weise davon ausgehen durfte, daß ihm Einreden oder Einwendungen zustünden. Wegen der Schwierigkeiten des Negativbeweises kann vom Prozeßgegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast das substantiierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positive sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urt. v. 08.10.1992 - I ZR 220/90, NJW-RR 1993, 746, 747). Nur diese vom Gegner vorgetragenen
Umstände braucht der Beweispflichtige dann zu widerlegen. Im vorliegenden Fall war es also zunächst Sache der Beklagten, darzulegen, daß ihr Standpunkt , sie hätten den Wartungsvertrag ohnehin fristlos kündigen und mit Gegenansprüchen aufrechnen dürfen, objektiv vertretbar war.
bb) Die Beklagten zu 2 und 3 sind ihrer Darlegungslast nachgekommen. Diese vom Berufungsgericht offengelassene Frage kann der Senat selbst entscheiden , weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. BGHZ 122, 309, 316).
Die Beklagten haben zwar ihren Verdacht, daß der Wartungsvertrag von Anfang an auf Übervorteilung des Vereins angelegt war und durch Kollusion des Geschäftsführers der Klägerin mit dem damaligen Vereinspräsidenten zustande kam, nicht näher begründet. Der Umstand, daß der Geschäftsführer der Klägerin bei Abschluß des Vertrages zugleich dem Vorstand des Beklagten zu 1 angehörte, genügt dafür nicht. Wohl aber haben sie zu der späteren Erhöhung der Vergütung folgenden Sachverhalt substantiiert vorgetragen, der zu rechtlichen Bedenken Anlaß gibt: Die im Wartungsvertrag von 1988 vorgesehene Lohnpauschale von 100.000,-- DM monatlich sei am 19. August 1991 durch einen Nachtrag mit einer Gleitklausel versehen worden, wonach, wenn das arithmetische Mittel der Lohnsummen (Gesamtlohnsumme geteilt durch Anzahl der Arbeitnehmer) um mehr als 1 % steige, die Klägerin berechtigt sein sollte, eine dementsprechende Erhöhung des Pauschalentgelts zu verlangen. Nach dem Sinn dieses Nachtrags habe eine finanzielle Mehrbelastung der Klägerin durch Lohnzahlungen vom Verein ausgeglichen werden sollen. Am nächsten Tag habe die Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 1991 eine Erhöhung der Lohnpauschale auf 150.000,-- DM monatlich geltend gemacht. Dem habe ein rechnerischer "Trick" zugrunde gelegen. Die Klägerin habe ihren Mitarbeiterbestand von 25 Personen im Jahre 1989 auf etwa 15 Personen im Jahre 1991
abgebaut und dadurch ihren Lohnaufwand von ursprünglich 100.000,-- DM auf ca. 90.000,-- DM monatlich gesenkt. Teile man jedoch die Lohnsumme durch die Anzahl der Mitarbeiter, so ergebe sich eine Erhöhung von 50 %. Die damals vom Beklagten zu 1 beigezogene Rechtsanwaltskanzlei sowie der neue Vorstand hätten in dieser ungerechtfertigten Erhöhung der Lohnpauschale einen Betrug gesehen. Die Anwaltskanzlei habe dem Vorstand geraten, die Überzahlungen in Höhe von insgesamt 1.434.809,80 DM bis zum 31. Mai 1993 von der Klägerin zurückzufordern. Die Rechtsanwälte seien auch überzeugt gewesen, daß eine fristlose Kündigung des Vertrages Erfolg haben werde, und hätten dazu geraten. - Von diesem Vortrag der Beklagten hat die Klägerin nur die anwaltliche Überzeugung und den anwaltlichen Rechtsrat bestritten, nicht aber den zugrundeliegenden Sachverhalt als solchen. Dieser Sachverhalt genügt aber, um die Ansicht der Beklagten, der Wartungsvertrag sei fristlos kündbar und die erhöhten Zahlungen könnten zurückgefordert werden, als jedenfalls vertretbar erscheinen zu lassen. Ob sie richtig war - was von dem durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Zweck der Gleitklausel abhängen dürfte -, kann dahingestellt bleiben.
6. Auch die Bedrohung des Geschäftsführers der Klägerin mit Stallkündigung , Vereinsausschluß und Rennbahnverbot hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht als nicht widerrechtlich beurteilt.

a) Bei der Stallkündigung, dem Vereinsausschluß und dem Rennbahnverbot handelt es sich gleichfalls um im Zivilrecht grundsätzlich vorgesehene Maßnahmen und damit um erlaubte Mittel (Staudinger/Singer-v. Finckenstein, aaO Rdn. 68), deren Einsatz nur unter besonderen Umständen rechtswidrig ist, insbesondere dann, wenn der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist. So ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Kündigungsdrohung eines
Arbeitgebers nur dann rechtswidrig, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (vgl. nur NJW 2004, 2401; str., a.A. z.B. Staudinger/Singer-v. Finckenstein, aaO Rdn. 74; Karakatsanes, Die Widerrechtlichkeit in § 123 BGB, S. 160 f.). Die für die Rechtswidrigkeit der Drohung darlegungs- und beweispflichtige Klägerin mußte deshalb vortragen, daß der Beklagte zu 1 keine Gründe annehmen durfte, die eine Fortsetzung der Vertragsverhältnisse mit dem Geschäftsführer der Klägerin unzumutbar machten und deshalb seinen Ausschluß rechtfertigten. Da es sich dabei wiederum um einen Negativbeweis handelt, genügte eine entsprechende pauschale Behauptung. Demgegenüber mußten die Beklagten zu 1-3 substantiiert darlegen und erforderlichenfalls beweisen, daß sie in vertretbarer Weise einen Ausschlußgrund annehmen durften. Dies haben sie jedenfalls hinsichtlich der ihrer Ansicht nach vertragswidrigen Erhöhung der Pauschalvergütung getan. Hierzu kann auf die Ausführungen zur fehlenden Widerrechtlichkeit der Drohung, den Wartungsvertrag nicht länger zu erfüllen, verwiesen werden (s.o. II 4 b bb). Somit ist auch für die Drohung mit Stallkündigung, Vereinsausschluß und Rennbahnverbot die Widerrechtlichkeit zu verneinen.

b) Entgegen der Ansicht der Revision weicht das Berufungsurteil in der Frage der Rechtswidrigkeit dieser Drohungen auch nicht von dem Urteil des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 1998 ab (KZR 19/97, WuW/E DE-R 222-223), mit dem das der Räumungsklage des Beklagten zu 1 gegen den Kläger stattgebende Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wurde, weil ein Verein, der als einziger in einem bestimmten Großraum ansässiger Veranstalter Trabrennen veranstaltet und über ein Rennbahngelände mit Einrichtungen verfügt, die ein tägliches Training von Rennpferden ermöglichen, verpflichtet sein kann, einem Berufstrainer wie anderen Trabertrainern Boxen zu vermieten. Der Kartellsenat hat sich nur damit befaßt, ob der Beklagte zu 1 als marktstarkes Unternehmen Normadressat des § 26
Abs. 2 GWB ist. Hingegen hat er sich nicht dazu geäußert, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beklagte zu 1, auch wenn er Normadressat ist, den Geschäftsführer der Klägerin wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses gleichwohl ausschließen durfte.
7. Auch die behauptete Ankündigung des Beklagten zu 3, das Vertragswerk mit der Klägerin und ihre Rechnungen im "Traber-Journal" veröffentlichen zu lassen, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend als nicht rechtswidrig beurteilt.

a) Ohne abschließende Prüfung kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß der Beklagte zu 3 der Klägerin mit der Veröffentlichung ein künftiges Übel in Aussicht stellte und es sich bei seiner Ankündigung um eine Drohung handelte.
aa) Als Übel kommt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Geschäftsführers (Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 1 BGB) bzw. des Gewerbebetriebs der Klägerin in Frage (§ 823 Abs. 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hat den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf juristische Personen ausgedehnt, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (vgl. nur Urt. v. 08.02.1994 - VI ZR 286/93, NJW 1994, 1281, 1282). Dies ist der Fall, wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Unternehmensinterna gelenkt wird, die zu kritischen Wertungen Anlaß geben können (BGH, aaO). Eine kritische Bewertung des Unternehmens mag zu befürchten sein, wenn ein Vertrag des Unternehmens veröffentlicht wird, der, wie hier die Beklagten vortragen, einen wucherischen bzw. betrügerischen Charakter hat, oder auch, wenn der Öffentlichkeit ersichtlich überhöhte Rechnungen des Unternehmens unterbreitet werden. Die Rufschädigung könnte dann auch in den Gewerbebetrieb eingreifen.

bb) Der für den Beklagten zu 1 auftretende Beklagte zu 3 erfüllte auch die weitere Voraussetzung für eine Drohung, daß nämlich der Drohende auf den Eintritt des künftigen Übels einwirken zu können behauptet und es für den Fall ankündigt, daß der Bedrohte nicht die gewünschte Willenserklärung abgibt (BGHZ 2, 287, 295). Daß der Beklagte zu 3 einen Einfluß des Beklagten zu 1 auf die Presseveröffentlichung behauptete, ergibt sich nicht nur aus dem Vortrag der Klägerin, wonach der Beklagte zu 3 erklärte, daß der Beklagte zu 1 den Vertrag und die Rechnungen auf fünf Seiten im "Traber-Journal" abdrucken "lassen" wolle, sondern auch aus der demgegenüber abgeschwächten eigenen Darstellung der Beklagten, wonach der Beklagte zu 3 den Geschäftsführer der Klägerin lediglich darauf hinwies, daß im Falle einer gerichtlichen Überprüfung seine Einnahmen aus dem Vertrag und seine Rechnungen publik werden würden und hierüber im "Traber-Journal" berichtet werde. Auch einen solchen Hinweis mußte der Geschäftsführer der Klägerin dahin verstehen, daß der Beklagte zu 1 das "Traber-Journal" auf den Prozeß aufmerksam machen und dieser Zeitung detaillierte Sachverhaltsinformationen liefern werde.

b) Die Drohung mit einem Bericht im "Traber-Journal" war jedoch nicht widerrechtlich.
aa) Das Mittel der Drohung war, für sich betrachtet, nicht rechtswidrig. Eine Information der Presse durch den Beklagten zu 1 wäre durch dessen Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt gewesen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).
(1) Die Veranlassung einer Presseveröffentlichung unterliegt dem Schutzbereich der Meinungsäußerungs-, nicht der Pressefreiheit. Die Meinungsäußerungsfreiheit schützt Äußerungen in ihrer Verbr eitungs- und Wirkungsdimension. Vom Schutz umfaßt ist das Recht des Äußernde n, das
Verbreitungsmedium frei zu bestimmen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur Beschl. v. 17.12.2002, NJW 2003, 1109). Deshalb muß auch die Frage, ob der mit der Information der Presse Drohende sich eines rechtmäßigen oder eines rechtswidrigen Mittels bedient, im Lichte dieses Grundrechts beurteilt werden.
(2) Die Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten zu 1 ist allerdings gegen das allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und ihres Geschäftsführers und das Recht der Klägerin an ihrem Gewerbebetrieb abzuwägen. Der angedrohte Artikel hätte, wie bereits dargelegt, wegen seines nach der Ankündigung zu erwartenden Inhalts das Unternehmenspersönlichkeitsrecht bzw. den Gewerbebetrieb der Klägerin (zur parallelen Schutzrichtung dieser beiden Rechtsgüter vgl. Staudinger/Hager, BGB (1999), § 823 Rdn. C 28), zu dem ihr guter wirtschaftlicher Ruf gehört, sowie auch das Persönlichkeitsrecht des sie beherrschenden Geschäftsführers beeinträchtigt. Die Meinungsäußerungsfreiheit findet in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und im Recht der persönlichen Ehre ihre Schranken (Art. 5 Abs. 2 GG). Das bedeutet aber nicht, daß die Veranlassung von Presseberichten, die den sozialen Geltungsanspruch des Betroffenen verletzen, in jedem Fall unzulässig ist. Die allgemeinen Gesetze müssen vielmehr in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte und in der Bedeutung der Grundrechte gesehen und so interpretiert werden , daß der besondere Wertgehalt dieser Rechte auf jeden Fall gewahrt bleibt. Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und allgemeinem Gesetz ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts aufzufassen ; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die allgemeinen Gesetze ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung der Grundrechte im freiheitlich-demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer die Grundrechte begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (sogenannte Wechselwirkung; BVerfG seit BVerfGE 7, 198, 207 f.). Notwendig ist eine fallbezogene Güterabwägung zwischen dem beein-
trächtigten Kommunikationsgrundrecht und den Interessen, die mit den allgemeinen Gesetzen verfolgt werden (BVerfGE 35, 202, 224 f.). Dieselben Grundsätze gelten für eine Kollision des Rechts der persönlichen Ehre (Art. 2 Abs. 1 GG) mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Gebot der Interessenabwägung greift gleich doppelt ein, wenn die Meinungsäußerungsfreiheit mit dem zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder dem zivilrechtlichen Recht am Gewerbebetrieb konkurriert. Denn letztere Rechte sind sogenannte offene oder Rahmentatbestände , bei denen der Eingriff nicht die Rechtswidrigkeit indiziert, sondern in jedem Einzelfall durch eine Güterabwägung ermittelt werden muß, ob der Eingriff durch ein konkurrierendes anderes Interesse gerechtfertigt ist oder nicht (BGH, Urt. v. 12.10.1993 - VI ZR 23/93, NJW 1994, 124; BGHZ 138, 311, 319; Staudinger/Hager, aaO Rdn. C 17).
(3) Hier ergibt diese Abwägung, bei der der überragende Rang der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist (BVerfGE 71, 206, 219 f.), daß die Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten zu 1 schwerer wiegt.
(a) Soweit der Beklagte zu 3 (nur) die Veröffentlichung des Vertragswerks und der Rechnungen ankündigte, folgt dies schon aus dem Grundsatz, daß wahre Äußerungen, auch wenn sie für den Betroffe nen nachteilig sind, jedenfalls dann hinzunehmen sind, wenn sie, wie hier, nicht die Intim-, Privat-, oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betreffen (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2002, aaO). Eine vertragliche Nebenpflicht des Beklagten zu 1, die Vertragsdokumente oder vertragliche Streitigkeiten vertraulich zu behandeln , ist nicht ersichtlich. Es ist auch nicht etwa allgemein unzulässig, mit einem privaten Rechtsstreit an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn interne Einigungsversuche scheitern. Eine Medienkampagne im Vorfeld oder am Rande einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist in den Grenzen des Ehrenschutzes erlaubt (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2002, aaO; BGH, Urt. v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03,
NJW 2005, 279). Wahre Tatsachen, auch wenn sie einen privaten Rechtsstreit betreffen, darf die Presse also veröffentlichen. Man darf sie daher auch der Presse mitteilen. Ein Informant der Presse kann grundsätzlich nicht mit negativen Sanktionen bedroht werden, wenn die Presse selbst von Haftung frei ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2002, aaO). Auch die bloße Drohung, die Presse zu informieren, ist dann, für sich betrachtet, erlaubt.
Die Veröffentlichung wahrer Tatsachen ist allerdings nur zulässig, sofern dabei nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Das ist aber nicht der Fall, soweit es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt (vgl. BVerfGE 93, 266, 294; BGH, Urt. v. 12.10.1993, aaO; Staudinger/Hager, aaO Rdn. C 64). Hier kann zumindest der lokalen Öffentlichkeit - deren Informationsbedürfnis genügt (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2002, aaO) - ein legitimes Interesse am Streit der Parteien nicht abgesprochen werden. Denn der Ausgang dieses Streits berührte einen größeren Kreis dritter Personen. Wenn ein Sportverein wie der Beklagte zu 1 eine Auseinandersetzung von erheblicher finanzieller Tragweite führt, die sich auf Art und Umfang seiner künftigen Vereinstätigkeit oder gar auf seinen Fortbestand auswirken kann und die zudem den Vorwurf einer - möglicherweise strafbaren - Kollusion zwischen dem Vereinspräsidenten und einem Vorstandsmitglied enthält, so sind daran zum einen alle Vereinsmitglieder, darüber hinaus aber auch diejenigen Bevölkerungskreise interessiert, die als Besucher der Sportveranstaltungen des Vereins oder auch nur als Konsumenten der Medienberichte über dessen Veranstaltungen am Vereinsleben Anteil nehmen. Die Veröffentlichung des Vertragswerks und der Rechnungen wäre daher grundsätzlich zulässig gewesen.
(b) Dasselbe gilt für einen etwaigen kritischen Kommentar der Zeitung zum Inhalt der veröffentlichten Unterlagen. Die Klägerin mußte die Drohung des
Beklagten zu 3 dahin verstehen, daß der Beklagte zu 1 nicht nur den kommentarlosen Abdruck der Urkunden, sondern auch einen negativ wertenden Begleitartikel im "Traber-Journal" anstoßen wolle. Wenn es sich, wie hier, um einen Beitrag zu einer die lokale Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt, spricht aber selbst bei scharfer Kritik eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfG, BVerfGE 93, 266, 294; Beschl. v. 17.12.2002, aaO; BGH, Urt. v. 12.10.1993 - VI ZR 23/93, aaO).
(c) Bei der Abwägung ist weiter zugunsten des Beklagten zu 1 zu berücksichtigen , daß die angedrohte Berichterstattung nicht den privaten Lebenskreis des Geschäftsführers der Klägerin, sondern ihre und ihres Geschäftsführers wirtschaftliche Betätigung betroffen hätte. Die Persönlichkeit wird im geschäftlichen Bereich geringer geschützt als im privaten. Ein Gewerbetreibender hat es daher grundsätzlich hinzunehmen, daß sein Geschäftsgebaren auch in der Presse erörtert wird. Er muß kritische Berichte ertragen, solange diese der Wahrheit entsprechen (BGHZ 36, 77, 80 ff.; BGH, Urt. v. 25.11.1986 - VI ZR 269/85, NJW 1987, 2746; BGHZ 138, 311, 320). Eine etwa damit verbundene Beeinträchtigung der Privatsphäre muß in Kauf genommen werden, solange der Angriff nicht gegen die Privatperson, sondern gegen die Person in ihrer Eigenschaft als Verantwortungsträger des Unternehmens gerichtet ist (BGH, Urt. v. 12.10.1993, aaO). Eine Auseinandersetzung mit der in der Literatur überwiegend kritisch beurteilten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 08.02.1994 - VI ZR 286/93, NJW 1994, 1281), daß der Veranstalter eines steuerrechtlichen Seminars nicht auf die negativen Punkte in der veröffentlichten Jahresabschlußbilanz eines Unternehmens hinweisen dürfe, ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung maßgeblich auf die eigenerwerbswirtschaftlichen Zwecke des Verletzers abgestellt hat, die im vorliegenden Fall fehlen.
(d) Die Meinungsäußerungsfreiheit findet allerdings ihre Grenze an der sogenannten Schmähkritik, die nur dazu dient, den Betroffenen zu diffamieren und an den Pranger zu stellen (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2002, aaO). Grundsätzlich ist indes davon auszugehen, daß ein Presseorgan, dem Informationen über einen die Öffentlichkeit interessierenden Privatrechtsstreit zugetragen werden, zunächst unter Beachtung seiner presserechtlichen Sorgfaltspflichten recherchiert, insbesondere dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, und sodann möglicherweise kritisch, dabei aber sachbezogen und nicht etwa diffamierend berichtet. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, daß der Beklagte zu 3 damit drohte, das "Traber-Journal" werde seinen Kommentar diffamierend gestalten und die Klägerin und ihren Geschäftsführer - unter Verletzung seiner presserechtlichen Sorgfaltspflichten - an den Pranger stellen. Eine derartige Drohung kann insbesondere nicht der angeblichen Äußerung des Beklagten zu 3 entnommen werden, der Geschäftsführer der Klägerin könne sich nach der Berichterstattung im "Traber-Journal" auf der Rennbahn nicht mehr sehen lassen. Da der Beklagte zu 3 den Vertrag und die Rechnungen der Klägerin für anstößig hielt, wäre eine derartige Äußeru ng vielmehr als Ausdruck seiner Überzeugung zu verstehen, daß allein die - nicht diffamierend gestaltete - Aufdeckung der objektiven Fakten den Lesern ein so negatives Bild des Klägers vermitteln werde, daß sich seine Rennbahnbekannten von ihm abwenden würden.
Nach alledem war die angedrohte Veranlassung einer Berichterstattung im "Traber-Journal" kein rechtswidriges Mittel.
bb) Ebensowenig war der Zweck der Drohung rechtswidrig. Wie bereits dargelegt, ist der Zweck der Drohung nicht schon dann rechtswidrig, wenn dem Drohenden kein Anspruch auf den erstrebten Erfolg zusteht, sondern genügt es für die Rechtmäßigkeit des erstrebten Erfolgs, daß der Drohende in vertretbarer
Weise an die Berechtigung seines Standpunktes glaubt (s.o. II 4 a). Dies war hier der Fall, weil der Beklagte zu 3 in vertretbarer Weise annehmen durfte, daß der Beklagte zu 1 den Wartungsvertrag, wenn dieser nicht ohnehin nichtig sei, jedenfalls vorzeitig kündigen und gegenüber den Restforderungen der Klägerin mit Schadensersatzansprüchen wegen Überzahlung aufrechnen könne.
cc) Schließlich war auch die Mittel-Zweck-Relation nicht rechtswidrig. Eine Drohung ist auch dann widerrechtlich, wenn Mittel und Zweck zwar für sich allein betrachtet nicht rechtswidrig sind, ihre Verbindung aber - die Benutzung dieses Mittels zu diesem Zweck - gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden oder gegen Treu und Glauben verstößt, d.h. wenn die Drohung kein angemessenes Mittel zur Erreichung des erstrebten Erfolgs ist (st. Rspr. d. BGH, vgl. nur Urt. v. 06.05.1982 - VII ZR 208/81, NJW 1982, 2301). So lag es hier indessen nicht. Die Drohung, die Presse zu informieren, ähnelt der Drohung mit einer Strafanzeige. Diese ist nach überwiegender Meinung adäquat , wenn der Verletzte den Täter zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens veranlassen will (BGHZ 25, 217, 220 f.; BGH, Urt. v. 06.02.1963 - VIII ZR 158/62, WM 1963, 511; Urt. v. 16.03.1973 - V ZR 38/71, WM 1973, 574; BAG, NJW 1999, 2059 m.w.N.; Staudinger/Singer-v. Finckenstein , BGB (2004), § 123 Rdn. 71). Sowenig demjenigen, der sich durch eine Straftat geschädigt glaubt, die Strafanzeige verwehrt werden kann, sowenig ist - wie bereits dargelegt - das vermeintliche Opfer zivilrechtlichen Unrechts gehindert , die Presse zu informieren, wenn ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. In beiden Fällen erscheint es aber andererseits nicht anstößig , wenn der Geschädigte dem Straftäter bzw. dem zivilrechtlichen Schädiger erklärt, daß er im Falle der Erfüllung seiner zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche auf die Strafanzeige bzw. die Information der Presse verzichten werde. Denn die sich darin ausdrückende Betrachtung des Geschädigten, daß durch die Anspruchserfüllung eine Wiedergutmachung des Unrechts erfolgt, die es
unnötig macht, den Täter strafrechtlich zu verfolgen oder ihn durch einen Pressebericht dem negativen Urteil der Öffentlichkeit auszuliefern, ist nicht zu beanstanden. Eine solche Entwicklung und Beendigung des Konflikts ist vielmehr sozialadäquat.
Somit war auch die Drohung des Beklagten zu 3 mit einer Berichterstattung im "Traber-Journal" nicht rechtswidrig.
Da nach alledem die Klägerin den Aufhebungsvertrag mangels widerrechtlicher Drohung nicht mit Erfolg anfechten konnte, kann sie aus der Erfüllung dieses Vertrages auch keine Schadensersatzansprüche herleiten.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Asendorf Kirchhoff

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 12. April 2011 - 1 Sa 36/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte erbringt mit mehreren hundert Arbeitnehmern bundesweit industrielle Dienstleistungen. Der 1962 geborene Kläger war seit Juni 1990 bei ihr beschäftigt, seit April 2004 als Leiter der Außenstelle B. Diese war zuständig für die Auftragsabwicklung im Werk B der D. Die Beklagte führte dort Reinigungsarbeiten aus. Dem Kläger oblag ua. die Pflege der Kundenkontakte. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Rahmentarifvertrag für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk in der jeweiligen Fassung Anwendung.

3

Nach der Gehaltsvereinbarung für das Geschäftsjahr 2005/2006 erhielt der Kläger zuletzt ein Grundgehalt in Höhe von 3.666,67 Euro. Darüber hinaus war eine variable Vergütung vereinbart, die zu 80 vH ergebnisabhängig war und zu 20 vH vom Wachstumszuwachs zum 30. September 2006 im Verhältnis zum Umsatz per 30. September 2005 abhing. Der Kläger erhielt auf die variable Vergütung monatliche Vorauszahlungen.

4

Vorgesetzter des Klägers war der Leiter der Niederlassung B. Dies war seit Februar 2005 Herr W. Leiter des verantwortlichen Geschäftsbereichs N war zuletzt Herr S.

5

In der Niederlassung B führte die Beklagte in der Zeit vom 11. bis 15. Juli 2005 eine sog. Standard-Innenrevision durch. Deren Ergebnisse waren Gegenstand eines Gesprächs am 2. August 2005 zwischen dem Leiter der Revision - Herrn M -, den Herren S und W sowie dem Kläger.

6

Am 17. November 2005 erhielt der Kläger vom Leiter der Revision eine E-Mail, in der auf eine Richtlinie der Beklagten mit dem Titel „Zuwendungen an Kundenmitarbeiter“ hingewiesen wurde. Außerdem wurde auf die Konzernrichtlinie Nr. 03/05 - Antikorruption - vom 7. Juli 2002 Bezug genommen.

7

Im Jahre 2006 veranlasste D wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten bei der Vertragsabwicklung durch die Beklagte ein sog. Joint Audit. In dessen Rahmen fand in der Außenstelle B in der Zeit vom 19. bis 23. Juni 2006 eine Revision statt. Dabei fielen vom Kläger erstellte Eigenbelege für Auszahlungen mit dem Vermerk „Auftragsunterstützung“ auf. Sie reichten bis zum 28. Februar 2005 zurück. Der Kläger hatte gegen sie von der dafür zuständigen Mitarbeiterin Bargeld in Höhe von insgesamt 23.700,00 Euro erhalten. Als Empfänger waren auf den Belegen einzelne - insgesamt 29 - D-Mitarbeiter genannt. Die Belege waren in die Kasse gelegt und im Kassenbuch als „Auftragsunterstützung“ eingetragen worden. Der Leiter der Niederlassung B hatte die Kassenbücher monatlich geprüft.

8

Unter dem 27. Juni 2006 fertigte der Leiter der Revision eine Aktennotiz über die vorläufigen Erkenntnisse zu den Eigenbelegen. Er brachte sie am 29. Juni 2006 dem damaligen Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zur Kenntnis. Den Kläger befragte er am 7. Juli 2006. Am 12. Juli 2006 führte er Telefonate mit den Herren W und S und dem Kläger. Dieser gab an, die Eigenbelege zur „Auftragsunterstützung“ hätten Barauszahlungen betroffen, welche er in Wirklichkeit nur an vier verschiedene, namentlich benannte Mitarbeiter von D weitergegeben habe. Am 14. Juli 2006 konfrontierte der Geschäftsführer den Kläger mit dem Verdacht, dieser habe sich Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Veruntreuung, Unterschlagung, jedenfalls aber eine grobe Verletzung seiner arbeitsvertraglicher Pflichten zuschulden kommen lassen.

9

Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Nach abschließender Stellungnahme des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. Juli 2006 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2006.

10

Der Kläger hat rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es liege kein Kündigungsgrund vor. Er habe nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Er hat behauptet, die Zuwendungen an die Mitarbeiter von D seien mit Wissen und Wollen der Beklagten erfolgt. Seit dem 28. Februar 2005 habe er auf Anweisung des Leiters seines Geschäftsbereichs die bereits vorher geübte Praxis der „Auftragsunterstützung“ übernommen und fortgeführt. Er habe das Geld aus der Kasse entnehmen und dazu Eigenbelege erstellen sollen, wobei die Beträge in einzelne Belege aufgesplittet und einzelnen Namen hätten zugeordnet werden sollen. Der Geschäftsbereichsleiter habe ausdrücklich erklärt, St „wisse Bescheid“, er könne das Geld verwenden, wie er wolle. Das Geld sei dafür bestimmt gewesen, Mitarbeitern von D, welche für die Vergabe von Aufträgen und deren Abnahme zuständig seien, kleinere Aufmerksamkeiten zukommen zu lassen. Er habe Geschenke verteilt, Beiträge für Jubiläen, Kaffeekassen, Verabschiedungen von Kollegen und Frühstücke geleistet, Eintrittskarten für Fußballspiele und Tennisturniere vergeben, Alkoholika verteilt und eine Geburtstagskasse aufgefüllt. In einzelnen Fällen sei auch Geld gezahlt worden, allerdings nicht zur persönlichen Verwendung an einzelne Mitarbeiter, sondern als Spende, etwa an Gemeinschaftskassen. An Wochenenden habe er gelegentlich die eigenen Gabelstapler zu kleineren Reparaturen in die Werkstatt gefahren und für die Benutzung der Bühne 10,00 bis 20,00 Euro gezahlt. Seine beiden Mitarbeiter hätten die Kunden ebenfalls betreut und dafür Geld von ihm erhalten. Die Richtlinien zu Zuwendungen seien ihm nicht bekannt gewesen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine Bestechung im geschäftlichen Verkehr liege nicht vor, weil die Gewährung von kleinen Vorteilen nicht strafbar und sozialadäquat sei. Da die Beklagte auf die Benennung der Empfänger verzichtet habe, sei es ihm nicht anzulasten, wenn er sich nicht mehr im Einzelnen erinnern könne, an wen welche Geschenke erfolgt seien. Der Kläger hat behauptet, er habe nichts für sich verwendet. Er hat ferner gemeint, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten, auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

11

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass die außerordentliche fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 27. Juli 2006 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wird.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen. Widerklagend hat sie beantragt,

        

1.    

den Kläger zu verurteilen, an sie 2.483,93 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2006 zu zahlen;

        

2.    

den Kläger zu verurteilen, an sie 23.700,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2006 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat gemeint, es bestehe der dringende Verdacht, dass sich der Kläger entweder selbst bereichert oder Mitarbeitern von D unerlaubte Vorteile verschafft habe. Dies berechtige sie zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorgesetzten des Klägers hätten nicht gewusst, dass dieser Mitarbeitern von D Geld oder Sachleistungen habe zukommen lassen. Sie hätten ihn nicht angewiesen, für die Vergabe und Kontrolle von Reinigungsaufgaben verantwortliche Mitarbeiter und deren Abteilungen durch Geschenke oder Bewirtungen „bei Laune zu halten“. Es sei auch keine Anweisung erfolgt, fiktive Namen und Verwendungszwecke anzugeben. Der Kläger sei wie alle Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, jede Ausgabe, die er für sie tätige, durch Rechnungsbelege nachzuweisen, auf denen erkennbar sei, wieviel Geld für welche Ausgaben und für welchen Zweck wer aus der Kasse erhalten habe. Das Verhalten des Klägers sei auch nicht aufgrund der Gegenzeichnung der Kasse durch Niederlassungs- und Geschäftsbereichsleiter gerechtfertigt. Sie könne zudem nicht ausschließen, dass der Kläger die Barauszahlungen für sich selbst vereinnahmt habe. Sie habe nicht aufklären können, ob er das in den Eigenbelegen aufgeführte Geld für sich verwendet oder Dritten übergeben habe.

14

Das Verhalten des Klägers sei von der Revision im Jahr 2005 nicht etwa gebilligt worden. Die Revision könne Kassenfälschungen nicht immer feststellen. Sie habe keine Anhaltspunkte oder Veranlassung gehabt, Zweifel im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit der Eigenbelege zu hegen und diese zu überprüfen. Mangels Angaben auf den Belegen von März bis Juli 2005 hätten die Revisoren nicht erkennen können, dass die entsprechenden Beträge nicht ordnungsgemäß verwendet worden seien. Der Fokus der Prüfung im Jahre 2005 habe nicht auf einem möglichen Fehlverhalten des Klägers gelegen. Trotz der Beanstandungen in dem Revisionsbericht sei dieser mit der Erstellung von Eigenbelegen fortgefahren. Erst durch die Revision im Juni 2006 seien die Belege mit Pflichtverletzungen des Klägers in Verbindung gebracht worden. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Zwei-Wochen-Frist für den Ausspruch der fristlosen Kündigung habe erst am 14. Juli 2006 zu laufen begonnen. Hilfsweise sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

15

Was ihr Zahlungsbegehren betreffe, sei der Kläger im Hinblick auf den variablen Teil seiner Vergütung um die mit der Widerklage verlangten 2.483,93 Euro überzahlt, die er ihr zurückzuerstatten habe. Der Kläger schulde auch den weiteren Betrag von 23.700,00 Euro, der sich aus den Kassenentnahmen zusammensetze. Es sei nicht aufgeklärt, wie er das entnommene Geld verwendet habe. Wenn er in kollusivem Tun mit seinen Vorgesetzten gehandelt habe, könne dies sein Verhalten nicht rechtfertigen. Falls er das Geld für Zuwendungen an Mitarbeiter von D ausgegeben habe, so habe dies jedenfalls nicht in ihrem Interesse gelegen.

16

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der variablen Vergütung bestehe nicht. Die angebliche Überzahlung sei nicht nachvollziehbar. Zudem benachteilige ihn die vertragliche Rückzahlungsklausel unangemessen. Ein Schadensersatzanspruch über 23.700,00 Euro stehe der Beklagten nicht zu. Er habe die Gelder weder gestohlen noch veruntreut oder unterschlagen. Durch die Zahlungen an die Mitarbeiter von D sei kein Schaden entstanden. Er habe die Gelder bestimmungsgemäß und im Interesse der Beklagten für Geschenke und andere Vorteile zu Zwecken der Verkaufsförderung verwendet.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Januar 2007 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 50.462,53 Euro aufgelöst. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und der Widerklage stattzugeben.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist unbegründet. Sowohl die außerordentliche als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten sind unwirksam (I.). Der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst worden ist, und die Höhe der Abfindung halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand (II.). Die Widerklage hat keinen Erfolg (III.).

19

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder durch die außerordentliche, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2006 aufgelöst worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die Bestimmungen des § 626 Abs. 1 BGB und des § 1 KSchG ohne Rechtsfehler auf den Streitfall angewandt.

20

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

21

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 -  2 AZR 474/07  - Rn. 51, BAGE 131, 155). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft ( vgl. BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - aaO; 12. Mai 2010 -  2 AZR 587/08  - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Dabei ist für die arbeitsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, ob das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtigt wird, Straftatbestände erfüllt. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349).

22

3. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

23

4. Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle sowohl an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB als auch an einem im Verhalten liegenden Grund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, weder bestehe ein hinreichender Verdacht, der Kläger habe sich unerlaubt selbst bereichert oder doch mit dem aus der Kasse erhaltenen Geld Mitarbeitern von D unerlaubte Vorteile verschafft, noch habe der Kläger dadurch, dass er die Empfänger der Leistungen nicht zutreffend auf den Eigenbelegen angegeben habe, in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Darauf, ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten und der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden ist, kommt es nicht mehr an.

24

a) Vereinnahmt ein Arbeitnehmer Geld des Arbeitgebers unerlaubt für sich oder wendet er Kundenmitarbeitern unerlaubt Vorteile zu, besteht insoweit zumindest ein dringender Verdacht, ist dies „an sich“ geeignet, eine (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (etwa nach §§ 246, 266, 299 Abs. 2 StGB). Der Arbeitnehmer verletzt mit solchen Handlungen in jedem Falle in erheblichem Maße seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB.

25

b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, die Beklagte habe keine hinreichenden Umstände vorgetragen, aufgrund derer der dringende Verdacht berechtigt wäre, der Kläger habe die auf den fraglichen Eigenbelegen ausgewiesenen Gelder entweder für sich behalten oder pflichtwidrig Mitarbeitern von D zugewendet.

26

aa) Unstreitig hat der Kläger die entsprechenden Gelder aus der Kasse erhalten. Hingegen ist nicht aufgeklärt, ob er sie (teilweise) für sich vereinnahmt bzw. sonst pflichtwidrig verwendet hat. Der Kläger hat behauptet, er habe die Beträge zum Zwecke der ihm obliegenden Pflege von Kundenkontakten in zulässiger Weise ausgegeben. Die Beklagte bestreitet dies zwar, hat aber nicht etwa geltend gemacht, die vom Kläger benannten Mitarbeiter hätten in Wirklichkeit keine Zuwendungen erhalten.

27

bb) Ein hinreichender Verdacht der Selbstbereicherung oder pflichtwidrigen Verwendung der Gelder ergibt sich nicht schon daraus, dass der Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen hat, welche Beträge er welchen Mitarbeitern von DC in welcher Weise zugewendet hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn er im Einzelnen weder darlegen noch nachweisen könne, wo die von ihm vereinnahmten Beträge geblieben seien. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist die Behauptung des Klägers nicht widerlegt, die Beklagte habe ihn davon befreit, die Verwendung der auf die Eigenbelege ausgezahlten Beträge im Einzelnen nachweisen zu müssen.

28

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung kann durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüft werden. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob es den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob diese Würdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

29

(2) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Es hat umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründet, warum nach seiner Überzeugung die Behauptung des Klägers nicht widerlegt sei, die Beklagte habe ihn davon befreit, die Verwendung der ausgezahlten Beträge im Einzelnen nachweisen zu müssen. Der Kläger habe die Beträge, wie sie sich aus den Eigenbelegen ergäben, so zur Kundenbetreuung verwenden dürfen, wie er es für richtig gehalten habe. Aufgrund der Äußerungen des Leiters des Geschäftsbereichs habe bei ihm der Eindruck entstehen können, dass es nicht so genau darauf ankomme, welchen Empfänger und welchen Grund für die Ausgaben er angäbe. Entscheidend sei gewesen, dass überhaupt etwas angegeben werde. Der Kläger habe den Geschäftsbereichsleiter so verstehen können, dass er freie Hand bei der Ausgabe der Beträge habe und es nicht auf den Wahrheitsgehalt der Angaben auf den Belegen ankomme. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

30

(a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger später - im November 2005 - auf die Richtlinie „Zuwendungen an Kundenmitarbeiter“ und die Konzernrichtlinie Nr. 03/05 - Antikorruption - vom Juli 2002 hingewiesen wurde. Es hat angenommen, dass es darauf nicht ankomme, da der Geschäftsbereichsleiter das den Richtlinien widersprechende Verhalten des Klägers abgesegnet und der Niederlassungsleiter die Praxis der Eigenbelege geduldet habe. Darin liegt kein Rechtsfehler. Es ist nicht etwa nach allgemeinen Erfahrungssätzen ausgeschlossen, dass einem Arbeitnehmer von seinen Vorgesetzten ein den eigenen Antikorruptions-Richtlinien möglicherweise widersprechendes Verhalten gestattet wird.

31

(b) Das Landesarbeitsgericht hat auch die Ergebnisse der im Jahr 2005 durchgeführten Innenrevision nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat angenommen, die Beklagte habe den Belegen für „Auftragsunterstützung“ mehr Augenmerk schenken müssen. Das schließt die Annahme ein, dass dies anlässlich der fraglichen Revision unterblieben sei. Das wiederum entspricht dem eigenen Vortrag der Beklagten. Danach hatten sich bei der Revision im Juli 2005 noch keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den Eigenbelegen ergeben. Soweit der Kläger, wie die Beklagte mit der Revision geltend macht, in dem Gespräch am 2. August 2005 angewiesen worden sein sollte, „die Verwendungsempfänger“ zu benennen, musste sich dies folglich nicht notwendig auf die Eigenbelege für Barentnahmen beziehen.

32

c) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger falle eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung auch nicht deshalb zur Last, weil ihm ein kollusives Handeln mit seinen Vorgesetzten vorzuwerfen wäre. Auch diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es fehlt an einer schuldhaften Pflichtverletzung, wenn der Arbeitnehmer aus vertretbaren Gründen annehmen durfte, er handele nicht pflichtwidrig (vgl. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 214 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 22). So war es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hier.

33

aa) Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund der Aussage des von ihm als Zeuge vernommenen Geschäftsbereichsleiters davon ausgegangen, die Vorgehensweise bei den Eigenbelegen sei auch in anderen Niederlassungen üblich gewesen. Die Beklagte treffe angesichts dieses Umstands ein Organisationsverschulden. Sie habe durch effektive Kontrollen dafür sorgen müssen, dass diese Praxis nicht jahrelang habe fortgeführt werden können, dass sie ihr zumindest zeitnah gemeldet werde.

34

bb) Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte ein Organisationsverschulden traf. Jedenfalls hatte der Kläger unter den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umständen keine Veranlassung anzunehmen, die Praxis bei der Erstellung der Eigenbelege werde lediglich von seinen Vorgesetzten gebilligt, ohne dass die Beklagte selbst, dh. ihre gesetzlichen Vertreter davon Kenntnis hätten und dies akzeptierten. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass sich beim Kläger entsprechende Zweifel weder nach dem Ergebnis der Innenrevision 2005 noch aufgrund des Hinweises auf die Antikorruptions-Richtlinien in der E-Mail vom November 2005 aufdrängen mussten. Eine eindeutige Anweisung, die bisherige Praxis bei den Eigenbelegen einzustellen, ist ihm auch nach dem Vorbringen der Beklagten selbst zu keiner Zeit erteilt worden.

35

II. Das Landesarbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Antrag der Beklagten zum 31. Januar 2007 gegen Zahlung einer Abfindung von 50.462,53 Euro aufgelöst. Da der Kläger dagegen kein Rechtsmittel eingelegt hat, steht die Auflösung als solche rechtskräftig fest. Die Beklagte wendet sich gegen den Zeitpunkt der Auflösung und die Höhe der Abfindung. Sie hält den 30. November 2006 für den rechtlich gebotenen Termin und die Abfindung für zu hoch. Beides trifft nicht zu. Richtig ist der vom Landesarbeitsgericht festgesetzte Auflösungszeitpunkt; die Abfindungshöhe ist rechtlich unbedenklich.

36

1. Gem. § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem dieses bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die maßgebliche Kündigungsfrist abgelaufen wäre (Schwarze in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 9 Rn. 73). Zugrunde zu legen ist die objektiv zutreffende Kündigungsfrist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber sie nicht eingehalten hat (Bauer DB 1985, 1180, 1181; APS/Biebl 4. Aufl. KSchG § 9 Rn. 84; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 82; KR/Spilger 9. Aufl. KSchG § 9 Rn. 31, Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 72). Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist im Rechtsstreit gerügt hat. Ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, ist sie in jeder Hinsicht unwirksam. Es gibt deshalb iSv. § 9 Abs. 2 KSchG keinen anderen als den sich unter Berücksichtigung der rechtlich zutreffenden Frist ergebenden Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Dazu muss nicht neben der Sozialwidrigkeit der Kündigung ein Verstoß gegen die ordnungsgemäße Kündigungsfrist geltend gemacht worden sein.

37

2. Danach hat das Landesarbeitsgericht mit dem 31. Januar 2007 den zutreffenden Auflösungszeitpunkt festgesetzt. Die Kündigung vom 27. Juli 2006 ist dem Kläger am 28. Juli 2006 zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt war er mehr als 16 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug damit sowohl nach § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB als auch nach § 14 Nr. 2 des regional einschlägigen Rahmentarifvertrags sechs Monate zum Ende des Kalendermonats.

38

3. Die Festsetzung der Höhe der Abfindung durch das Landesarbeitsgericht lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

39

a) Die Festsetzung der Abfindungssumme liegt im Ermessen des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht ist nicht befugt, dessen Ermessen durch eigenes zu ersetzen. Es kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens beachtet oder stattdessen den Rechtsbegriff der angemessenen Entschädigung verkannt, wesentliche Umstände nicht berücksichtigt oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstoßen hat (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 60 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 56).

40

b) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht festgesetzte Abfindungshöhe nicht zu beanstanden. Es hat alle wesentlichen Umstände des Streitfalls widerspruchsfrei berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der beruflichen Situation des Klägers, der ab 15. Februar 2008 eine neue Arbeit mit etwa vergleichbarem Verdienst gefunden habe, einerseits und dem als nicht übermäßig schwerwiegend eingeschätzten Grad der Sozialwidrigkeit der Kündigung andererseits hat es als Abfindung gem. § 10 KSchG ein halbes Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr für angemessen gehalten. Dies ist frei von Ermessensfehlern.

41

aa) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie das Arbeitsverhältnis am 24. September 2009 wegen Verstoßes gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot vorsorglich erneut gekündigt habe, ist unzulässig. Die Beklagte hat nicht dargelegt, an welcher Stelle welchen Schriftsatzes sie im vorliegenden Rechtsstreit auf diese Kündigung hingewiesen und zu deren Rechtfertigung näher vorgetragen hat. Die Rüge wäre zudem unbegründet. Zwar kann auch die voraussichtliche weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Höhe der Abfindung von Bedeutung sein (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 60 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 56). Das Landesarbeitsgericht hat aber der Bemessung der Abfindung schon für die Zeit nach dem 15. Februar 2008 keinen Verdienstausfall mehr zugrunde gelegt.

42

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch gewürdigt, dass die Beklagte nach seiner Beurteilung keine grob sozialwidrige Kündigung ausgesprochen hat. Es hat aus diesem Grund nur die von ihm so genannte „Regelabfindung“ festgesetzt. Es kann dahinstehen, ob es die Regelung des § 10 KSchG erlaubt, eine Abfindung in Höhe von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als die „in der Regel“ festzusetzende Abfindung anzusehen. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts lässt erkennen, dass es diesen Wert auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Streitfalls als angemessen erachtet hat.

43

III. Die Widerklage ist unbegründet.

44

1. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von 2.483,93 Euro. Ein solcher Anspruch folgt weder aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien noch aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger durch die Vorauszahlungen auf seine variablen Bezüge in Höhe von 2.483,93 Euro brutto überzahlt sei, ist frei von Rechtsfehlern.

45

a) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob im Falle der Überzahlung ein Rückzahlungsanspruch bestünde. Die Beklagte habe ihrem Anspruch lediglich die Geschäftsergebnisse bis zum tatsächlichen Ausscheiden des Klägers Ende Juli 2006 zugrunde gelegt. Zum Geschäftsverlauf im verbleibenden Rest des Geschäftsjahrs, insbesondere zu dem von ihr behaupteten negativen Ergebnis im August und September 2006 fehle es an näheren Darlegungen. Der Anspruch sei damit nicht schlüssig.

46

b) Dies ist rechtlich zutreffend. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat bis zum 31. Januar 2007 und damit auch während der restlichen Monate des Geschäftsjahrs 2005/2006 fortbestanden. Für die schlüssige Darlegung einer Überzahlung hätte es vollständiger Angaben für das gesamte Geschäftsjahr bedurft (vgl. BAG 3. Juni 1958 - 2 AZR 406/55 - zu I der Gründe, BAGE 5, 317). Daran fehlte es nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Die Beklagte hat insoweit keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie hat insbesondere nicht geltend gemacht, das Landesarbeitsgericht habe in einem bestimmten Schriftsatz gehaltenen konkreten Sachvortrag übergangen.

47

2. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Zahlung von 23.700,00 Euro.

48

a) Ein solcher Anspruch folgt nicht als Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat weder im Einzelnen dargelegt noch gar bewiesen, dass der Kläger die aus der Kasse erhaltenen Beträge oder doch einen Teil davon für sich selbst vereinnahmt oder nicht bestimmungsgemäß verwendet hat.

49

aa) Die Beklagte als Gläubigerin des Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger das Geld aus den Barentnahmen nicht pflichtgemäß verwendet und damit seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat(vgl. BGH 23. Oktober 2007 - XI ZR 423/06 - Rn. 18 mwN, ZIP 2008, 168). Dies gilt für sie als Arbeitgeberin gem. § 619a BGB auch für die weitere Voraussetzung, dass der Kläger als Arbeitnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat(vgl. nur ErfK/Preis 12. Aufl. § 619a BGB Rn. 2).

50

bb) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Kläger das Geld aus den Barentnahmen pflichtwidrig verwendet und es für sich behalten oder in unzulässiger Weise Kundenmitarbeitern zugewendet hätte. Der Kläger hat zwar eingeräumt, die entnommenen Gelder für Zahlungen oder Geschenke an Mitarbeiter von D verwendet zu haben, hat aber nicht etwa eingeräumt, dies pflichtwidrig getan zu haben.

51

cc) Obwohl der Kläger seinerseits die pflichtgemäße Verwendung der Gelder ebenso wenig im Einzelnen dargelegt hat, ist ihre pflichtwidrige Verwendung nicht als zugestanden iSv. § 138 Abs. 3 ZPO anzusehen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass den Kläger keine (sekundäre) Darlegungslast mit Blick auf den Verbleib des Geldes trifft.

52

(1) Eine sekundäre Darlegungslast der nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung durch nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehende Darlegungsbelastete, die wesentlichen Tatsachen kennt (BGH 23. Oktober 2007 - XI ZR 423/06 - Rn. 19 mwN, ZIP 2008, 168).

53

(2) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gleichwohl nicht zu einer näheren Darlegung des Verbleibs der Gelder verpflichtet, ist rechtlich unbedenklich. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts nicht widerlegt, dass die Beklagte den Kläger davon befreit habe, die Verwendung der Beträge im Einzelnen nachweisen zu müssen. Unter diesen Umständen kann eine solche Darlegung vom Kläger auch prozessual nicht verlangt werden.

54

dd) Zur Annahme einer Pflichtverletzung reicht es nicht aus, dass der Kläger überhaupt Bargeld zur Zuwendung an Kundenmitarbeiter gegen Eigenbelege entnommen hat. Die Beklagte behauptet nicht, dass dies schlechthin pflichtwidrig gewesen sei. Soweit sie stattdessen geltend macht, der Kläger sei gehalten gewesen, zutreffende Angaben zu Empfängern und Grund der Zuwendungen zu machen, ist diese Vorgabe nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts gerade nicht erwiesen.

55

b) Ein Schadensersatzanspruch folgt nicht aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. §§ 246, 266 oder 299 Abs. 2 StGB bzw. aus § 826 BGB. Die Beklagte hat auch insoweit die Voraussetzungen nicht dargelegt. Eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich eines pflichtgemäßen Verhaltens trifft den Kläger aus den dargestellten Gründen auch in diesem Rahmen nicht.

56

c) Ein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 ff. BGB ist nicht gegeben. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Kläger die erhaltenen Gelder für sich behalten hat. Auch insoweit trifft diesen keine sekundäre Darlegungslast. Soweit er die entnommenen Gelder nach seinem eigenen Vorbringen Kundenmitarbeitern zugewendet hat, hat er die Leistungen für die Beklagte erbracht. Einen Bereicherungsanspruch könnte die Beklagte daher allenfalls gegen die Leistungsempfänger geltend machen. Sie hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass der Kläger in Wirklichkeit im eigenen Namen gehandelt und dadurch etwa eigene Aufwendungen erspart habe.

57

IV. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Juli 2013 - 11 Sa 312/13 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Juli 2013 - 11 Sa 312/13 - wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin wegen einer Observation durch einen Detektiv eine Geldentschädigung zu zahlen.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen und später mit einem Bandscheibenvorfall. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls und beauftragte zwecks Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit eine Detektei mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden ua. ihr Wohnhaus, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der abschließende Observationsbericht, der der Beklagten übergeben worden ist, enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen.

3

Der Rechtsstreit der Parteien betraf zuerst eine Kündigungsschutzklage der Klägerin und die Forderung der Beklagten betreffend die Erstattung von Detektivkosten. In diesem Rahmen berief sich die Beklagte auf den Observationsbericht und führte ihn in das Verfahren ein. Die Kündigungsschutzklage war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich, nicht dagegen die Widerklage der Beklagten auf Erstattung von Detektivkosten. Betreffend beides wurde das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig, nicht aber bezogen auf einen zwischenzeitlich erhobenen Geldentschädigungsanspruch der Klägerin wegen einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.

4

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe eine Entschädigung zu, da die durch die Beklagte beauftragte Observation einschließlich der Videoaufnahmen rechtswidrig gewesen sei und ihr Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Das habe bei ihr zu erheblichen, eine psychotherapeutische Behandlung erfordernden psychischen Beeinträchtigungen geführt. Der Höhe nach stelle sie die Entschädigung in das Ermessen des Gerichts, wobei ein dreifaches Bruttomonatsgehalt, also 10.500,00 Euro, angemessen sei.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2012 zu zahlen.

6

Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, sie sei berechtigt gewesen, die Klägerin überwachen zu lassen um zu erfahren, ob die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit vortäusche oder sich zumindest genesungswidrig verhalte. Dahin gehende Anhaltspunkte hätten vorgelegen, insbesondere weil die Klägerin sich kurz nach einer Meinungsverschiedenheit zuerst mit Erkältung, Bronchitis und Rippenfellentzündung arbeitsunfähig gemeldet habe, jeweils unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für kurze Zeiträume. Dann sei ein Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit bezogen auf einen von der Klägerin angegebenen Bandscheibenvorfall zunächst nur durch eine Folgebescheinigung eines Hausarztes attestiert worden. Erst bei Auslaufen des Entgeltfortzahlungszeitraums habe die Klägerin eine Erstbescheinigung einer Orthopädin vorgelegt. Nach allem liege eine Rechtfertigung für einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch Überwachung vor. Jedenfalls sei ein Schmerzensgeld nicht erforderlich, insbesondere nicht in der zugesprochenen Höhe. Es seien ausschließlich Bewegungen der Klägerin im öffentlichen Raum beobachtet worden, die Videoaufnahmen seien nicht in der Öffentlichkeit verbreitet und von der Detektei nicht an den Arbeitgeber herausgegeben worden.

7

Das Arbeitsgericht hat die Entschädigungsklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte insoweit Erfolg als das Landesarbeitsgericht ihr in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zugesprochen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Ziel einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit ihrer Anschlussrevision die Abweisung der Klage begehrt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision und die Anschlussrevision sind unbegründet. Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war rechtswidrig. Die Beklagte hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin könne eine Entschädigung beanspruchen, da sie durch die heimliche Beobachtung und Fertigung von Videoaufnahmen rechtswidrig iSv. § 32 Abs. 1 BDSG und schwerwiegend in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Für den Beobachtungszeitraum habe eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegen, der ein hoher Beweiswert zukomme. Die Observation sei zu dem Zweck erfolgt, ein (vermutetes) Fehlverhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit aufzudecken. Die Beklagte habe keine begründeten Gesichtspunkte für ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit genannt. Die Rechtsverletzung habe mit den heimlichen Videoaufzeichnungen im privaten Lebensbereich der Klägerin die Grenze zur entschädigungspflichtigen Persönlichkeitsverletzung überschritten. Sei bereits die Krankenkontrolle als solche nicht durch § 32 BDSG gedeckt, komme erschwerend hinzu, dass das gewählte Mittel heimlicher Videoaufzeichnung auch unabhängig davon nicht erforderlich sei, also auch in einem Fall gerechtfertigter Krankenkontrolle unverhältnismäßig wäre. Insgesamt habe die Überwachung eine Intensität erreicht, die nicht in anderer Weise befriedigend habe ausgeglichen werden können. Dies sei auch bei der Bemessung der Höhe einer Entschädigung zu berücksichtigen gewesen. Dabei sei einzubeziehen gewesen, dass die Bildaufzeichnungen nicht die Intim- oder Privatsphäre der Klägerin beträfen und nicht an beliebige andere Personen weitergegeben worden seien, sondern von der Detektei vertraulich aufbewahrt würden; allerdings seien Auszüge daraus dem Observationsbericht beigefügt worden und die Beklagte habe Videosequenzen im Kündigungsschutzprozess als Beweismittel angeboten. Der Hinweis der Klägerin auf eine noch andauernde psychotherapeutische Behandlung beziehe sich auf mehrere Umstände einer Therapiebedürftigkeit, nicht nur auf die Observation.

10

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

11

I. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig. Für die Revision der Klägerin ist die erforderliche Beschwer gegeben, obwohl die Höhe der beantragten Geldentschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt worden ist. Der Klägerin ist weniger zugesprochen worden als sie nach ihrem Klagevorbringen erkennbar erwartet hatte.

12

II. Die Revision und die Anschlussrevision sind unbegründet.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte durch die von ihr in Auftrag gegebene Überwachung mit Videoaufzeichnungen rechtswidrig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt hat und die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben sind.

14

a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Privatrechtsverkehr und insbesondere auch im Arbeitsverhältnis zu beachten(vgl. ua. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30, BAGE 142, 176; 16. November 2010 - 9 AZR 573/09 - Rn. 37 ff., BAGE 136, 156; BGH 8. Februar 2011 - VI ZR 311/09 - Rn. 12; 20. Dezember 2011 - VI ZR 262/10 - Rn. 10; BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 34, 269). Ein auf § 823 Abs. 1 BGB gestützter Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung - nur eine solche kommt dafür in Betracht - setzt voraus, dass die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann(BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 29, BAGE 142, 143; vgl. BGH 5. März 1963 - VI ZR 55/62 - zu II der Gründe, BGHZ 39, 124; BVerfG 23. September 2009 - 1 BvR 1681/09, 1 BvR 1 BvR 1742/09 - Rn. 2 mwN; 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C III der Gründe, aaO). Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (BGH 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 160, 298).

15

Soweit das BDSG eingreift, stellt die Schadensersatzregelung in § 7 BDSG keine ausschließliche Regelung dar, sie verdrängt den auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht(allgemeine und zutreffende Auffassung, vgl. ua. Gola/Schomerus BDSG 12. Aufl. § 7 Rn. 16 ff.; Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 7 Rn. 33; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 191 mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. § 7 BDSG Rn. 1; Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 7 Rn. 1 mwN, Rn. 26 ff.; Taeger/Gabel/Gabel § 7 BDSG Rn. 23, 25 ff.).

16

Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind in gebotener Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (ua. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 69; 18. Dezember 1984 - 3 AZR 389/83 - zu III der Gründe; BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - Rn. 38 mwN, BGHZ 199, 237; 24. November 2009 - VI ZR 219/08 - Rn. 11, BGHZ 183, 227).

17

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise verwendet werden dürfen (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 44, BAGE 146, 303). Die Verwertung von personenbezogenen Daten greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (vgl. BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 EMRK(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14). Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (näher BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 45, aaO).

18

b) Eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt vor.

19

aa) Vorliegend ist, wovon das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, an § 32 Abs. 1 BDSG (Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) zu messen, ob ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt. Sensitive Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG, die von § 28 Abs. 6 BDSG erfasst wären(vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 26 ff., BAGE 140, 350), sind ersichtlich hier nicht betroffen. Maßgebend ist § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Danach dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten - in Betracht kommt die Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils durch Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit, § 263 StGB(ua. BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - Rn. 23) - nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Nach § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Erheben ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen, § 3 Abs. 3 BDSG.

20

bb) Diese Vorgaben sind unionsrechtskonform unter Beachtung der Richtlinie 95/46/EG auszulegen, die nach ihrem Art. 3 Abs. 1 für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gilt, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Als eine solche Datei mit personenbezogenen Daten gilt jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, gleichgültig ob diese Sammlung zentral, dezentralisiert oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten aufgeteilt geführt wird, Art. 2 Buchst. c Richtlinie 95/46/EG.

21

Art. 7 der Richtlinie 95/46/EG sieht eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle vor, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann(EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [ASNEF] Rn. 30, Slg. 2011, I-12181). Im vorliegenden Fall ist Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG zu berücksichtigen, wonach die Verarbeitung der Daten (wozu bereits die Erhebung gehört, Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG wie auch § 3 Abs. 2 BDSG)zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erfolgen darf, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG) überwiegen. Der Schutz des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechts auf Privatleben verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen(EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 28 f. mwN). Einschränkungen des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten können gerechtfertigt sein, wenn sie denen entsprechen, die im Rahmen von Art. 8 EMRK geduldet werden(EuGH 9. November 2010 - C-92/09 und C-93/09 - [Volker und Markus Schecke] Rn. 52, Slg. 2010, I-11063).

22

cc) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Observation der Klägerin einschließlich der Bildaufnahmen und Videoaufzeichnungen als personenbezogene Datenerhebung eingeordnet.

23

Durch Privatdetektive erhobene Daten, die bestimmte oder bestimmbare natürliche Personen betreffen, sind personenbezogene Daten iSv. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG und Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG. Ihre Erhebung, Aufbewahrung und Übermittlung durch einen Auftraggeber oder durch Privatdetektive, die auf eigene Rechnung handeln, ist eine „Verarbeitung personenbezogener Daten“ iSv. Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG (EuGH 7. November 2013 - C-473/12 - [IPI] Rn. 26; 16. Dezember 2008 - C-524/06 - [Huber] Rn. 43, Slg. 2008, I-9705). Auch das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt unter den Begriff der personenbezogenen Daten iSv. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (EuGH 11. Dezember 2014 - C-212/13 - [Ryneš] Rn. 22). Das ist hier der Fall.

24

dd) Die Observation der Klägerin einschließlich personenbezogener Datenerhebung war rechtswidrig. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten iSv. Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG, das nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG in der Aufdeckung einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis liegen kann, zur Erhebung personenbezogener Daten im Wege der Observation der Klägerin einschließlich der Bildaufnahmen und Videoaufzeichnungen lag nicht vor.

25

(1) Im Hinblick auf das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit als überwachungsrechtfertigende Straftat müssen angesichts des hohen Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zumindest begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung aufgezeigt werden, um den Beweiswert der Bescheinigung zu erschüttern (ua. BAG 11. Oktober 2006 - 5 AZR 755/05 - Rn. 35; 26. Februar 2003 - 5 AZR 112/02 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 105, 171).

26

(2) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zur beschränkten Revisibilität der nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnenen tatrichterlichen Überzeugung ua. BAG 11. Dezember 2014 - 8 AZR 1010/13 - Rn. 28 mwN; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 42 mwN) hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Beklagte keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen aufgezeigt hat. Weder hat die Klägerin beispielsweise im Rahmen einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz eine nachfolgende Arbeitsunfähigkeit angekündigt, noch war der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Auch sonstige, begründete Zweifel zeigende Umstände lagen nicht vor.

27

(3) Angesichts eines von vornherein fehlenden berechtigten Interesses an einer Erhebung personenbezogener Daten der Klägerin kommt es auf eine Rechtfertigungs- und Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht mehr an. Es war auch nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen in einem Fall zu beurteilen wären, in dem ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

28

ee) Die vorliegende rechtswidrige Datenerhebung stellt eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wegen der das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zusteht.

29

Ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin liegt bereits in der durch die Beklagte veranlassten Observation der Klägerin(vgl. auch BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b der Gründe, BAGE 105, 356 im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG). Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, intensivieren die im Zusammenhang mit der Observation gefertigten Videoaufnahmen die Stärke des Eingriffs erheblich. Hinzu kommt die Heimlichkeit der Aufzeichnungen. Sie erfolgten im öffentlichen Raum und ohne eine Kenntlichmachung gemäß § 6b Abs. 1 und Abs. 2 BDSG. Auch eine Einwilligung der Klägerin (§ 4 BDSG) lag nicht vor.

30

Im Einklang mit der Rechtsprechung (BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - Rn. 40 mwN, BGHZ 199, 237) hat das Landesarbeitsgericht die Zubilligung einer Geldentschädigung nicht von einer kausal mit der Persönlichkeitsrechtsverletzung zusammenhängenden psychischen Behandlungsbedürftigkeit abhängig gemacht. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um eine Zahlung, die auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht.

31

2. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

32

a) Die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung obliegt in erster Linie tatrichterlicher Entscheidung und ist revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbar (zur beschränkten Revisibilität ua. BGH 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - Rn. 46 mwN, BGHZ 199, 237; BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 97, zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB).

33

b) Das Landesarbeitsgericht hat alle maßgeblichen Umstände des Falles angemessen gewürdigt. Es hat zutreffend als einen der wichtigen Bemessungsfaktoren die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung (BGH 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 160, 298; 15. November 1994 - VI ZR 56/94 - zu IV 2 der Gründe, BGHZ 128, 1) berücksichtigt und dabei einbezogen, dass der Detektiv die Klägerin nicht nur beobachtete, sondern von ihr darüber hinaus in Situationen, denen er besondere Bedeutung beimaß, heimliche Videoaufnahmen gemacht hat. Es hat weiter zutreffend sowohl bedacht, dass die Videoaufnahmen „im privaten Lebensbereich der Klägerin die Grenze zur entschädigungspflichtigen Persönlichkeitsverletzung überschritten“, jedoch die „Bildaufzeichnungen nicht die Intim- oder Privatsphäre“ der Klägerin betrafen, sondern sich auf Geschehnisse in der Öffentlichkeitssphäre (Straße und Waschsalon) beschränkten; weiter hat es berücksichtigt, dass eine vertrauliche Aufbewahrung und grundsätzliche Nichtweitergabe an Dritte erfolgten, wobei jedoch Auszüge der Beklagten zugänglich gemacht wurden, die diese vor Gericht präsentierte. Unbedenklich ist, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung den Hinweis der Klägerin auf eine psychotherapeutische Behandlung, die allerdings auf multikausaler Verursachung beruht, einbezogen hat. Den Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers, der ebenfalls, wie auch der der Prävention, einer der wichtigen Bemessungsfaktoren der Geldentschädigung ist, die sich je nach Lage des Einzelfalles unterschiedlich auswirken können (vgl. BGH 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03 - aaO), hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls ausdrücklich einbezogen, so dass die Höhe der Entschädigung revisionsrechtlich noch nicht zu beanstanden war.

34

3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen zur weiteren Aufklärung und ggf. Beweiserhebung sind unzulässig (zu den Anforderungen ua. BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 912/07 - Rn. 11; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145), da weder das konkrete Beweisthema angegeben, noch ausgeführt worden ist, welches (mutmaßliche) Ergebnis die Beweisaufnahme erbracht hätte.

35

III. Wegen der Erfolglosigkeit der Revision und der Anschlussrevision sind die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Wein    

        

    Stefan Soost    

                 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Januar 2009 - 5 Sa 112/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche, die der Kläger wegen „Mobbings“ geltend macht.

2

Der Kläger war als Diplomjurist in der DDR seit 1976 Staatsanwalt. Seit 1993 ist er beim beklagten Land angestellt und wird nach BAT VergGr. II a vergütet. Als stellvertretender Dezernatsleiter war er beim Landeskriminalamt mit der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik in den Bereichen Kriminalitätsanalyse, Kriminalstrategie, Kriminalitätsprävention und Kriminalstatistik befasst. Zudem hat sich der Kläger in der Kriminalforschung engagiert, auch im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben.

3

Im Mai 2000 führte das beklagte Land ein System von Zielvereinbarungen für den Polizeibereich ein. Dies führte zu einem Konflikt zwischen dem Kläger und dem Direktor des Landeskriminalamtes W über die richtige Führung der Polizeistatistik, insbesondere über die Frage, ob die Zielvereinbarungen die Kriminalstatistik schädigen oder beeinflussen können oder dies schon getan haben. Der Kläger hat Zielvereinbarungen ua. wegen eines Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip für rechtswidrig gehalten. Seine Kritik veröffentlichte er im September 2000 in einer Fachzeitschrift, was zu weiteren Auseinandersetzungen auch mit anderen LKA-Mitarbeitern führte. 2002 wurde ein Antrag des Klägers auf Höhergruppierung abschlägig beschieden, was der Kläger erfolglos arbeitsgerichtlich überprüfen ließ.

4

Am 5. März 2004 erhielt der Kläger den Auftrag, eine vergleichende Stellungnahme zu einer aus Polen stammenden Kriminalstatistik abzugeben. Diese Stellungnahme legte der Kläger am 11. März 2004 vor. Der Leiter des Leitungsstabes im LKA M brachte auf der Ausarbeitung des Klägers den handschriftlichen Vermerk an:

        

„1.     

(Thema verfehlt): Aufgabe war nicht der Vergleich Stettin-MV;

        

2.    

auch noch verspätet vorgelegt.“

5

Nachdem der Kläger wiederholt aus kriminalwissenschaftlichen Gründen die Mitarbeit an bestimmten Projekten abgelehnt hatte, wurde er im Jahr 2004 von dem Kriminaldirektor W zu dem Eindruck angehört, er verhalte sich zunehmend destruktiv, sei nicht mehr gewillt, seine Aufgaben als Dezernent ordnungsgemäß wahrzunehmen und es sei zu überlegen, ob er noch geeignet sei, den ihm übertragenen Dienstposten auszufüllen. Der Kläger wies die Vorwürfe in der Sache zurück und kündigte an, sich gegen eine Fortsetzung solchen „Mobbings“ mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zur Wehr zu setzen. Im Dezember 2004 wurde der Kläger wegen eines Verstoßes gegen seine Verschwiegenheits- und seine Wohlverhaltenspflicht abgemahnt. Die von ihm dagegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Schon seit dem Spätsommer 2004 war der Kläger zunehmend von Forschungsprojekten, die er bis dahin im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit mit verfolgte, ausgeschlossen worden.

6

Im Mai 2005 wurde der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem kritischen Artikel des Magazins „Focus“ zu dem Zielvereinbarungssystem für die Polizei Mecklenburg-Vorpommerns zum 1. Juni 2005 an das Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz abgeordnet und schließlich zum 1. Dezember 2005 dorthin dauerhaft versetzt, wobei ihm der höher bewertete Dienstposten eines Dezernatsleiters übertragen wurde. Ein gegen die Abordnung und Versetzung eingeleitetes arbeitsgerichtliches Verfahren wurde rechtskräftig zu Lasten des Klägers entschieden.

7

Nach Vorerkrankungen ist der Kläger seit dem 2. Januar 2007 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, seit dem 1. September 2008 erhält er - befristet - eine Erwerbsminderungsrente. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nur er habe innerhalb des LKA wie des Landesdienstes überhaupt die Fachkompetenz, darüber zu entscheiden, wie die Polizeistatistik zu führen sei. Die Führung des LKA wie auch das Innenministerium hätten diese seine Entscheidungskompetenz missachtet und wegen seiner kritischen Haltung zu Zielvereinbarungen für den Polizeidienst beschlossen, ihn aus dem Dienst zu drängen. Dieser feindlichen Einstellung zu seiner Person sei seine Versetzung an das Amt für Brand- und Katastrophenschutz des Landes geschuldet, was sich schon aus dem zeitlichen Zusammenhang mit dem ebenfalls kritischen Focus-Artikel ergebe.

8

Neben einem Schmerzensgeld begehrt der Kläger ua. auch Ersatz für Verdienstausfall für die Zeit seiner Erkrankung in rechnerisch nicht streitiger Höhe von 5.951,80 Euro.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, welches 35.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.951,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Januar 2008 die Differenz zwischen dem ihm von der Deutschen Angestellten Krankenkasse gezahlten Krankengeld und seinem monatlichen Nettoverdienst, welches er bis zum 7. September 2006 von der Beklagten bzw. der Abrechnungsstelle der Beklagten erhalten hat, zu zahlen;

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen hat, der ihm aufgrund des Mobbings der Beklagten bzw. des von der Beklagten gegenüber dem Kläger geduldeten Mobbings durch Angestellte und Mitarbeiter der Beklagten in der Zeit von 1997 bis 2006 entstanden ist und entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

10

Das beklagte Land hat die Abweisung der Klage beantragt und die Mobbingvorwürfe des Klägers bestritten. Anfeindungen, Beleidigungen oder Ausgrenzungen des Klägers habe es nicht gegeben.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, da es bei seiner Entscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Teilaufgabe „Kriminalforschung/Teilnahme an Forschungsprojekten“ habe das beklagte Land dem Kläger in der achtmonatigen Schwebephase zwischen dem gescheiterten Personalgespräch im Herbst 2004 und der Abordnung des Klägers zum 1. Juni 2005 entzogen, indem es dem Kläger die Teilnahme an drei in diesen Zeitraum fallenden Veranstaltungen/Projekten verweigert habe. Da es dafür an einer sachlichen Rechtfertigung fehle, müsse gefolgert werden, dass der Kläger wegen seiner fehlenden Eingliederungsbereitschaft in den Dienstbetrieb bestraft werden sollte, was ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletze und insoweit auf eine feindliche Einstellung der Hausspitze des LKA gegenüber dem Kläger schließen lasse. Es liege ein Missbrauch der Vorgesetztenstellung vor, durch den der Kläger in seinem sozialen Geltungsbereich empfindlich verletzt worden sei. Dagegen könne in den weiteren vom Kläger dargelegten Vorfällen keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gesehen werden, auch fehle es an den erforderlichen Indizien für die bewusste Schaffung eines feindlichen Umfeldes.

14

Die handschriftlichen Vermerke M auf dem Bericht des Klägers vom 11. März 2004 zur Vergleichbarkeit der polnischen und der deutschen Kriminalstatistik hätten zwar einen deutlich personenbezogenen Schwerpunkt, da der Eindruck einer Beurteilung der persönlichen Leistung des Klägers vermittelt werde, die jedenfalls mit der sachlichen Bewertung des Berichts nichts mehr zu tun habe. Die Vermerke „Thema verfehlt“ und „auch noch verspätet vorgelegt“ hätten allenfalls in die Personalakte des Klägers gehört, nicht jedoch in die Sachakte, der sie zugeführt worden seien. Dort hätten auch solche Personen von den Vermerken Kenntnis nehmen können, denen ein Zugriff auf die Personalakte des Klägers verwehrt gewesen sei. Aus dem Erfahrungshorizont des Gerichts sei aber festzuhalten, dass es heute nicht ungewöhnlich sei, dass sich Vorgesetzte im Rahmen ihrer Vermerke auf Berichte von Untergebenen solche ins Persönliche gehende Bemerkungen erlaubten. Mit dem Vermerk komme daher keine Sonderbehandlung gegenüber dem Kläger zum Ausdruck.

15

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung zeige der lange Konfliktzeitraum von 2000 bis 2005, dass die Auseinandersetzungen nicht als auf einem einheitlichen Plan beruhend begriffen werden könnten. Darauf weise auch die Vielzahl der handelnden Personen hin, die, wenn auch nicht nachweisbar bewusst, ihren Beitrag zu dem Konflikt geleistet hätten. Die drei festzustellenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen seit Herbst 2004 müssten als so geringfügig eingeschätzt werden, dass sie die aufgetretenen ernsthaften gesundheitlichen Probleme des Klägers nicht ausgelöst haben könnten. Die Ursachen dürften zwar im Arbeitsumfeld des Klägers zu suchen sein, könnten aber nicht auf Handlungen der Dienststelle zurückgeführt werden. Der Kläger habe zu seiner Außenseiterposition in eigener Verantwortung beigetragen. Ihm sei auch mehrfach ärztlicherseits die Unfähigkeit zur Anpassung an die neue Arbeitssituation bescheinigt worden. Könne somit eine schuldhaft verursachte Schädigung der Gesundheit des Klägers durch das beklagte Land in der Gesamtschau nicht festgestellt werden, so brauche es für einen Schmerzensgeldanspruch eine schwere, unmittelbare Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Zwar sei der Kläger ab 2004 daran gehindert worden, auch dienstlich an Projekten und Tagungen zur Kriminalforschung teilzunehmen. Dies stelle aber keine schwere Persönlichkeitsverletzung dar.

16

B. Das landesarbeitsgerichtliche Urteil hält wegen eines Verstoßes gegen § 139 ZPO, der den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 5 ArbGG). In der Sache selbst kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, weswegen die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist, § 563 Abs. 3 ZPO.

17

I. „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 Abs. 3 AGG erfolgten Definition des Begriffes „Belästigung“, die eine Benachteiligung iSd. § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - aaO; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8).

18

II. Das beklagte Land hat als Arbeitgeber gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies verbietet auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet ( BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 ).

19

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 2 GG Rn. 48, 84). Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 ).

20

III. Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung. Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss von den Tatsachengerichten aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Diese Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen werden ( BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6 ). Daher kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles beachtet und hinreichend gewürdigt hat und ob es in die vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles in nachvollziehbarer Weise mit einbezogen hat, sowie ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - aaO ).

21

1. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die Vorgesetzten des Klägers hätten beim Aufgabenbereich „Kriminalforschung“ das Persönlichkeitsrecht des Klägers von Herbst 2004 bis zu seiner Abordnung am 1. Juni 2005 in drei Fällen verletzt, ihm für diesen Zeitraum in Ermangelung anderer Aufgaben diesen Tätigkeitsbereich komplett entzogen und ihre Vorgesetztenstellung missbraucht, um den Kläger wegen seiner fehlenden Eingliederungsbereitschaft in den Dienstbetrieb zu bestrafen, werden diesen Anforderungen gerecht und sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

2. Soweit das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht durch die handschriftlichen Vermerke des Vorgesetzten M auf dem Bericht des Klägers vom 11. März 2004 zur Vergleichbarkeit der polnischen und deutschen Kriminalstatistik verletzt worden ist, hat es den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es der Entscheidung seinen eigenen Erfahrungshorizont zugrunde gelegt hat, ohne diesen zuvor offen zu legen.

23

a) Der Kläger hat eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt, da es das Landesarbeitsgericht unterlassen habe, ihm einen nach § 139 Abs. 2 ZPO gebotenen Hinweis zu erteilen. Das Landesarbeitsgericht hätte darauf hinweisen müssen, dass es aufgrund eines eigenen Erfahrungshorizonts davon ausgehe, derartige Bemerkungen in einem Vermerk brächten keine Sonderbehandlung gegenüber dem Kläger zum Ausdruck und dass es aufgrund seines eigenen Erfahrungshorizonts auch nicht unüblich erscheine, dass sich Vorgesetzte im Rahmen ihrer Vermerke auf Berichten von Untergebenen derart ins Persönliche gehende Bemerkungen erlaubten. Auch hat der Kläger gerügt, dass der eigene Erfahrungshorizont vom Landesarbeitsgericht weder offen gelegt worden sei, noch dargelegt worden sei, aus welchen Erfahrungswerten dieser resultiere.

24

Der Kläger hat ausgeführt, dass er im Falle der gebotenen Hinweise durch das Landesarbeitsgericht vorgebracht hätte, derartige Bemerkungen entsprächen gerade nicht der Üblichkeit. Hierzu wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten worden, aus dem sich ergeben hätte, dass es sich vielmehr um eine Sonderbehandlung des Klägers durch den Zeugen Mager handele. Das Landesarbeitsgericht wäre sodann zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich gerade nicht um eine im Arbeitsleben übliche Konfliktsituation gehandelt habe und es hätte das Vorhandensein einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen. Diese schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung hätte in Verbindung mit den festgestellten Persönlichkeitsrechtsverletzungen das Landesarbeitsgericht zu der Entscheidung gebracht, dass gegenüber dem Kläger tatsächlich Mobbinghandlungen ausgeführt worden seien und das Urteil wäre zu Gunsten des Klägers ausgefallen.

25

b) Neben dem Parteivorbringen darf das Gericht bei seiner Entscheidung auch offenkundige Tatsachen iSv. § 291 ZPO verwerten. Offenkundig ist eine Tatsache dann, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde - auch durch Information aus allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen - wahrnehmbar ist. Offenkundig kann eine Tatsache auch dann sein, wenn der Richter sie aus seiner jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit kennt („gerichtskundige Tatsachen“), allerdings nur dann, wenn die zur Entscheidung berufenen Richter sich nicht erst durch Vorlegung von Akten uä. informieren müssen. Keine Gerichtskundigkeit begründet die Sachkunde, die das Gericht aus ähnlichen Verfahren gewonnen haben will (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 291 Rn. 1).

26

Solche offenkundigen oder gerichtskundigen Tatsachen sind seitens des Gerichts in die mündliche Verhandlung einzuführen, um den in Art. 103 Abs. 1 GG normierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht zu sichern. Nur solche Tatsachen, Beweisergebnisse und Äußerungen anderer dürfen zugrunde gelegt werden, zu denen die Streitbeteiligten Stellung nehmen konnten (BAG 11. September 1997 - 8 AZR 4/96 - BAGE 86, 278 = AP Einigungsvertrag § 38 Nr. 7 = EzA Einigungsvertrag Art. 20 Soziale Auswahl Nr. 5; BVerfG 14. April 1959 - 1 BvR 109/58 - BVerfGE 9, 261; 7. Oktober 1980 - 2 BvR 1581/79 - BVerfGE 55, 95).

27

c) Das Landesarbeitsgericht hat seinen „Erfahrungshorizont“ in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt und dem Kläger die Möglichkeit genommen, sich damit auseinanderzusetzen und ihn gegebenenfalls zu widerlegen. Dabei handelt es sich bei dem Umstand, derartige ins Persönliche gehende Bemerkungen auf Sachberichten seien in der Verwaltung des Landeskriminalamts üblich, weder um eine offenkundige noch um eine gerichtskundige Tatsache, unabhängig davon, dass sie in die mündliche Verhandlung hätte eingeführt werden müssen. Auf diesem Verfahrensfehler kann die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch beruhen, da bei korrektem Verfahren das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden hätte (BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1).

28

d) Bei einer erneuten Prüfung dieser Frage wird das Landesarbeitsgericht zudem klarzustellen haben, ob es eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers hier verneint oder bejaht. Im letzteren Fall könnte diese für die Gesamtbeurteilung nicht deswegen als unerheblich angesehen werden, weil sie womöglich, was sich nach weiterer Sachaufklärung herausstellen könnte, im Bereich des LKA des beklagten Landes „nicht ungewöhnlich“ ist. Auch übliche Persönlichkeitsverletzungen bleiben solche.

29

e) Der Verstoß ist auch entscheidungserheblich. Da es dem Senat verwehrt ist, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen, erweist das Urteil sich nicht aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO. Ob Rechte des Arbeitnehmers verletzt worden sind, muss stets von den Tatsachengerichten aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, die dem Berufungsgericht nicht entzogen werden darf (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 609/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6).

30

Zwar sind die übrigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der vom Kläger bezeichneten Vorfälle revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind nicht mit dem Thüringer Landesarbeitsgericht (10. April 2001 - 5 Sa 403/2000 - LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 2) Beweiserleichterungen für den Arbeitnehmer anzunehmen, weil es keine unwiderlegbare Vermutung für die Kausalität zwischen „mobbing-typischem“ medizinischen Befund und den behaupteten Mobbinghandlungen gibt. Vielmehr werden mit der Annahme einer solchen „Konnexität“ Vermutungsfolge und Voraussetzungen des Vermutungstatbestands unzulässig vermengt (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; Bennecke Mobbing Rn. 328). Das Landesarbeitsgericht ist auch von zutreffenden rechtlichen Grundlagen und Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen und hat - ausgehend von drei persönlichkeitsrechtsverletzenden Handlungen - die Güter und Interessen unter Würdigung der maßgebenden Umstände sorgfältig abgewogen. Sollte aber eine weitere Persönlichkeitsrechtsverletzung hinzutreten, bedürfte es einer neuerlichen gründlichen Auseinandersetzung mit der Frage, ob nunmehr eine schwere Persönlichkeitsverletzung anzuerkennen und damit ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegeben ist.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Burr    

        

    F. Avenarius    

                 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 03.09.2013 - 4 Ca 1175/12 - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen in Ziff. 1 b des Urteilstenors wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird der Klageantrag zu 2) abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 03.09.2013 - 4 Ca 1175/12 - abgeändert, soweit es die Klageanträge zu 4 g und 4 h abgewiesen hat:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen,

welcher Zielbonus für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils mit dem aktuellen "Manager Logistics", d.h. Herrn H. F., vereinbart war,

welcher Zielbonus mit den vergleichbaren Mitarbeitern K. S., Sch. und H. H. für die Jahre 2009 bis 2012 vereinbart war.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Abmahnung sowie über Beschäftigungs-, Restlohn-, Schmerzensgeld- und Auskunftsansprüche.

2

Der Kläger wurde von der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 27. September 2004 (Bl. 13 bis 17 d. A.) zum 01. Oktober 2004 als Manager Logistics eingestellt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"§ 1Tätigkeit und Aufgabengebiet

4

Der Arbeitnehmer wird als Manager Logistics in der Abteilung OP eingestellt und nimmt seine Tätigkeit 2004 auf.

5

Der Arbeitnehmer ist dem Manufacturing Services Director, z. Z. Herrn B., unterstellt.

6

Die Bereitschaft zur Schichtarbeit ist wesentlicher Bestandteil des Anstellungsvertrages. Der Arbeitnehmer erklärt sich damit einverstanden, auch in anderen Schichtmodellen (Normalschicht, Wechselschicht, Nachtschicht, Kontischicht, usw.…) zu arbeiten.

7

A. hat das Recht, ihm auch andere zumutbare Aufgaben oder Arbeitsgebiete zu übertragen.
(…)

8

§ 4Bezüge

9

Das Arbeitsentgelt beträgt € 6.070,00 brutto monatlich,
(in Worten: € sechstausendsiebzig)
zahlbar jeweils zum Ende des Monats.

10

Der Arbeitnehmer nimmt darüber hinaus als zusätzlichen variablen Gehaltsbestandteil an dem sogenannten Profit Sharing Incentive Program (PSIP) mit einem Zielbonus von 5 % seines Jahresbruttos teil.

11

Eine Überprüfung der Höhe des Arbeitsentgelts findet in regelmäßigen zeitlichen Abständen statt.

12

(…)"
Am 31. August 2007 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2007 und stellte ihn vor der Arbeitsleistung frei. Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben (Arbeitsgericht Trier - 1 Ca 1367/07 - LAG Rheinland-Pfalz - 2 Sa 47/08 -). Während dieses Kündigungsschutzverfahrens versetzte die Beklagte den bei ihr seit dem 25. April 1988 beschäftigten Manager in der Qualitätskontrolle, Herrn F., auf die vom Kläger zuvor eingenommene Position des Managers Logistics. Mit Urteil vom 19. Dezember 2007 - 1 Ca 1367/07 - hat das Arbeitsgericht Trier der vom Kläger gegen die Kündigung vom 31. August 2007 gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben, den Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen und das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Im Januar 2008 entschloss sich die Beklagte, infolge erhöhten Arbeitsanfalls das Tätigkeitsfeld des Managers Logistics in zwei Positionen aufzuspalten, und zwar in die des "Managers Logistics" und die des "Process Managers Logistics". Mit Urteil vom 21. August 2008 - 2 Sa 47/08 - hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz die Berufung der Beklagten gegen das der Kündigungsschutzklage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 19. Dezember 2007 zurückgewiesen und in teilweiser Abänderung dieses Urteils auf die Berufung des Klägers den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Manager Logistics verurteilt. Ab 03. November 2008 übertrug die Beklagte dem Kläger die Tätigkeit des Process Managers Logistics. Der daraufhin vom Kläger in einem weiteren Vorprozess der Parteien geltend gemachte Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Manager Logistics ist vom Arbeitsgericht Trier mit - insoweit rechtskräftigem - Urteil vom 08. Oktober 2009 - 2 Ca 1648/08 - abgewiesen worden. Mit Schreiben vom 25. Mai 2009 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis erneut ordentlich zum 30. September 2009. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers hat das Arbeitsgericht Trier mit - rechtskräftigem - Urteil stattgegeben (- 2 Ca 755/09 -).

13

Im Oktober 2010 teilte der Vorgesetzte des Klägers, Herr G., diesem mit, dass seine Position als Process Manager Logistics Ende 2010 in Wegfall gerate. Ungeachtet dessen, dass dem Kläger danach seit Anfang 2011 kein konkreter Aufgabenbereich mehr zugewiesen war, wurde seine tägliche Anwesenheit im Betrieb von Seiten der Beklagten angeordnet. Nachdem seine per E-Mail vom 10. November 2010 und 30. November 2010 (Bl. 22 d. A.) an den Personalleiter der Beklagten, Herrn N., gerichteten Nachfragen bezüglich seiner künftigen Position im neuen Jahr unbeantwortet geblieben waren, wies er den Personalleiter der Beklagten per E-Mail - und in Kopie (cc) Herrn J. R. - vom 04. März 2011 und 04. April 2011 (Bl. 100, 101 d. A.) darauf hin, dass er seit Beginn des Jahres 2011 ohne Aufgabe sei, und bat erneut um eine entsprechende Beschäftigung. Darauf antwortete der Personalleiter der Beklagten, Herr N., per E-Mail - mit Kopie (cc) an Herrn Jürgen R. - vom 08. April 2011 (Bl. 26 d. A.) wie folgt:

14

"Sehr geehrter Herr C.,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht.

Die Unzufriedenheit über Ihre Situation kann ich sehr gut verstehen.
Ich kann Sie nur ermutigen, weiterhin aufmerksam den JTI internen Arbeitsmarkt für Deutschland sowie die internationalen Job postings zu beobachten und sich auf Stellen zu bewerben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es eine Zeit lang dauert, bis etwas Passendes im Angebot ist. Doch gerade in den letzten 14 Tagen wurden 4 neue Managerstellen veröffentlicht, die besetzt werden müssen.

In unseren Gesprächen am habe ich immer auf die entsprechenden Seiten für ausgeschriebene Positionen auf O. hingewiesen.
Sicherheitshalber sende ich Ihnen nochmals den Link:

http://o/Hr/S./def.htm

Prüfen Sie bitte sorgfältig, welche Stellen zu Ihrem Profil passen bzw. was Sie sich zutrauen.

Wie in den vergangenen Monaten mehrfach von Ihnen genutzt, steht Ihnen mein Team (Fr. K. für die Fabrik, Fr. M. für die globalen Funktionen; Hr. C. für R.) weiterhin mit Rat und Tat zu Seite! Die Tipps zu Ihren Anschreiben bzw. Lebenslauf haben Sie bereits toll umgesetzt. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Fragen bezogen auf die aktuellen Ausschreibungen direkt an die genannten Personen zu stellen.

Sollten Sie weiteren Gesprächsbedarf mit mir haben, lassen Sie mich das wissen. Meine Assistentin wird sich dann mit Ihnen in Verbindung setzen."

15

Mit weiteren E-Mails vom 16. Mai 2011 (Bl. 102 d. A.) und 06. Januar 2012 (Bl. 103 d. A.) wies der Kläger den Personalleiter der Beklagten - und in Kopie (cc) Herrn J. R. - erneut auf seine unveränderte Situation hin. Seine Bewerbungen auf verschiedene Stellen bei der Beklagten in den Jahren 2010 bis 2012 blieben erfolglos. Seinerseits lehnte er verschiedene ihm von Seiten der Beklagten in den Jahren 2010 bis 2012 angebotene Positionen ab. Ab Januar 2013 versetzte die Beklagte den Kläger nach Widerspruch des Betriebsrates vorläufig gemäß § 100 BetrVG auf die Stelle des "Destruction Managers" (Bl. 165 d. A.).

16

Mit Schreiben vom 06. Juni 2012 (Bl. 18 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:

17

"Sehr geehrter Herr C.,

Sie sind verpflichtet sich während der regulären Arbeitszeit von 37,5 Stunden in der Woche an Ihrem Arbeitsplatz aufzuhalten und dadurch Ihre Arbeitskraft anzubieten.

Im Monat Februar waren Sie von 157,5 Stunden lediglich 43,08 Stunden anwesend, der Rosenmontag mit 7,5 Stunden war frei. Somit haben Sie im Monat Februar insgesamt 106,92 Stunden unentschuldigt gefehlt.
Im Monat März waren Sie von 165 Stunden lediglich 20,1 Stunden anwesend. Ferner waren Sie 3 Tage, insgesamt 22,5 Stunden krank und hatten an 6 Tagen, insgesamt 45 Stunden, Urlaub. Somit haben Sie im Monat März insgesamt 77,4 Stunden unentschuldigt gefehlt.
Im Monat April waren Sie von 157,5 Stunden lediglich 14,54 Stunden anwesend. Ferner fielen in den Monat April zwei Feiertage, insgesamt 15 Stunden. Somit haben Sie im Monat April insgesamt 127,96 Stunden gefehlt.
Im Monat Mai waren Sie von 172,5 Stunden lediglich 53,78 Stunden anwesend. Ferner fallen in den Monat Mai 3 Feiertage, insgesamt 22,5 Stunden, außerdem hatten sie zur Betreuung einer Gruppe in Firmlingen anlässlich der E. Springprozession einen Tag Sonderurlaub nach dem Landesgesetz zur Stärkung des Ehrenamtes in der Jugendarbeit, 7,5 Stunden. Somit haben Sie im Monat Mai an insgesamt 83,78 Stunden unentschuldigt gefehlt.

Im genannten Zeitraum haben Sie sich auch nicht bei ihrem disziplinarischen Vorgesetzten, Herrn N. G., gemeldet, um Ihre Arbeitskraft anzubieten.

Sie habe somit ihre oben genannte Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis in eklatanter Weise verletzt. Auch wenn Sie der Ansicht sein mögen, Sie hätte nichts zu tun bekommen und deshalb von der Arbeit fernbleiben können, haben Sie es verabsäumt, Ihre Arbeitsleistung in der vorgeschriebenen Form anzubieten. Hierdurch haben Sie ebenfalls Ihre vertraglichen Pflichten in eklatanter Weise verletzt.

Wir sind nicht gewillt, die von Ihnen begangenen Vertragsverletzungen weiter hinzunehmen und fordern Sie hiermit letztmalig auf, Ihr vertragswidriges Verhalten abzustellen.

Sollten Sie Ihren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch künftig nicht nachkommen, weisen wir Sie darauf hin, dass wir weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung des mit Ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses ergreifen werden."

18

Wegen der von ihr angeführten Fehlzeiten des Klägers in den Monaten März, April und Mai 2012 brachte die Beklagte mit den Lohnabrechnungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 7.013,45 EUR netto in Abzug.

19

Bei der Beklagten existiert auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung ein von der Firma H. ausgearbeitetes Jobbewertungssystem für außertarifliche Mitarbeiter, zu denen auch der Kläger zählt. Danach werden konkret beschriebenen Tätigkeiten bzw. Stellen Punktzahlen in den drei Dimensionen Wissen, Denkleistung und Verantwortung zugeordnet. Die sich aus diesen drei Dimensionen ergebende Gesamtpunktzahl beschreibt die Wertigkeit einer Stelle für das Unternehmen, wobei die Bewertung immer nur auf die jeweilige Stelle bzw. Funktion bezogen ist und nicht auf die Person, die die Stelle einnimmt. Nach Ermittlung der Wertigkeit der jeweiligen Stelle wird diese sodann nach einem feststehenden Schlüssel verschiedenen Gehaltsbandbreiten, den sog. Anchor Bands zugeordnet. Diese Gehaltsbandbreiten sind in vier Work Groups unterteilt. Der Kläger unterfällt als Manager der Work Group 3, in der ca. 270 verschiedene Stellenprofile beschrieben sind, die von ca. 300 Stelleninhabern mit der Dienstbezeichnung Manager bekleidet werden.

20

Mit seiner beim Arbeitsgericht Trier erhobenen Klage begehrt der Kläger die Entfernung der ihm erteilten Abmahnung vom 06. Juni 2012 aus der Personalakte, die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 36.000,00 EUR sowie die Nachzahlung des in Abzug gebrachten Betrags in Höhe von 7.013,45 EUR netto und macht im Wege der Stufenklage Gehaltsdifferenzansprüche geltend.

21

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, ihn vertragsgerecht als Manager Logistics zu beschäftigen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie seine Position während des geführten Kündigungsschutzverfahrens mit einem anderen Mitarbeiter besetzt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müsse die Position wieder für die bisherige Stelle freigemacht werden, sofern es keine anderweitige vergleichbare Stelle gebe, auf der er vertragsgerecht weiterbeschäftigt werden könne. Im Anschluss an die beiden Kündigungsschutzverfahren habe die Beklagte mit der Position des Process Managers Logistics eine derartige anderweitige Stelle künstlich geschaffen und so versucht, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu umgehen. Hilfsweise sei die Beklagte verpflichtet, ihn vertragsgerecht auf der Ebene des Managers Logistics zu beschäftigen. Soweit § 1 des Arbeitsvertrages vorsehe, dass die Beklagte ihm auch andere zumutbare Aufgaben oder Arbeitsgebiete übertragen könne, setze die Wirksamkeit dieser Direktionsklausel voraus, dass gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch die neue Position gleichwertig sei und die gleiche Bewertung habe wie die Position des Managers Logistics. Die Beklagte habe seine Bewerbungen auf aus seiner Sicht vergleichbare Positionen jeweils zurückgewiesen und ihm umgekehrt nur Positionen angeboten, die sie ihm nicht kraft Direktionsrechts zuweisen könne, weil die Position entweder nicht gleichwertig mit seinen bisherigen Aufgaben gewesen sei oder er hierfür nicht die notwendigen fachlichen Qualifikationen habe. Die ihm im Januar 2010 angebotene Position als "Project Engineer" habe er zugunsten des nahezu parallel erfolgten Antritts der Position als Process Manager Logistics abgelehnt, weil für diese Stelle nach Rücksprache mit dem zuständigen Vorgesetzten, Herrn F., vor dem Hintergrund des rückläufigen Investitionsvolumens kein Bedarf bestanden habe und dementsprechend die Stelle weder ausgeschrieben noch anderweitig besetzt worden sei. Für die ihm angebotenen Positionen eines "Enviromental Engineers" und eines "Quality Management System Engineers" besitze er nicht die hierfür notwendigen Qualifikationen. Die Position des "Destruction Managers" sei nicht vertragsgerecht. Im Übrigen habe es keine weiteren direkten Stellenangebote durch die Beklagte gegeben. Vielmehr handele es sich lediglich um Positionen, die intern ausgeschrieben worden seien. Auch die Position des "Leaf Inbound Shipping Managers" sei ihm nicht durch die Beklagte angeboten worden. Vielmehr habe er sich selbst zunächst auf diese Stelle beworben und dann nach Rücksprache mit der Personalabteilung seine Bewerbung wieder zurückgezogen, weil ihm mitgeteilt worden sei, dass diese Position sein Gehalt nicht rechtfertigen würde. Im Übrigen habe die Beklagte ihm trotz seiner wiederholten Nachfragen und Bemühungen keine Aufgaben durch Ausübung ihres Direktionsrechtes zugewiesen. Soweit die Beklagte ihm die von ihr angeführten Positionen nicht kraft Direktionsrechts zugewiesen habe, müsse davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Positionen weder um vertragsgerechte Tätigkeiten handele noch um Tätigkeiten, für die er tatsächlich fachlich geeignet sei. Wegen der als Mobbing zu qualifizierenden Nichtbeschäftigung über mehr als zwei Jahre (2011 und 2012) begehre er ein Schmerzensgeld in Höhe eines Mindestbetrages von 36.000,00 EUR, das er mit monatlich 2.000,00 EUR für die im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehende Nichtbeschäftigung über 1 ½ Jahre errechnet habe und das sich für seine dann mehr als zwei Jahre dauernde Nichtbeschäftigung letztendlich sogar nach der von ihm angegebenen Rechengröße auf 48.000,00 EUR belaufen würde. Die Beklagte habe nach ihrem eigenen Sachvortrag von ihm verlangt, dass er jeden Tag während der regulären Arbeitszeit im Betrieb anwesend sei, ohne dass sie ihm über einen Zeitraum von zwei Jahren Aufgaben zugewiesen habe. Darin liege ein schwerwiegender Vertragsverstoß der Beklagten, der als Mobbing zu qualifizieren sei und das geltend gemachte Schmerzensgeld rechtfertige. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte ihm keinerlei Aufgaben zugewiesen habe, könne sie auch nicht verlangen, dass er im Betrieb anwesend sei und dort 37,5 Stunden pro Woche tatenlos herumsitze. Im Übrigen habe er mit Herrn G. im Januar 2012 abgestimmt, dass er ab und zu in Ermangelung jeglicher Aufgaben früher gehen könne, dies aber nicht "an die große Glocke" hängen solle. Dementsprechend seien sowohl die von der Beklagten vorgenommenen Gehaltskürzungen als auch die Abmahnung vom 06. Juni 2012 mangels einer von ihm begangenen Pflichtverletzung ungerechtfertigt. Weiterhin habe er einen Anspruch darauf, dass ihm die Bewertungen nach dem H.-System bei der Beklagten offen gelegt würden, weil er nur so überprüfen könne, ob er in den letzten drei Jahren vertragsgerecht vergütet worden sei. Er gehe davon aus, dass die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen habe und ihn sowohl hinsichtlich der Festvergütung als auch hinsichtlich der variablen Vergütung ohne sachlichen Grund gegenüber vergleichbaren Kollegen benachteiligt habe. Nach dem bei der Beklagten bestehenden Bonussystem erhielten die Mitarbeiter einen Bonus, dessen prozentualer Wert von der Einstufung der Position im Unternehmen abhänge. Während er einen Zielbonus von 5 % habe, betrage der Zielbonus bei den mit ihm vergleichbaren Mitarbeitern mindestens 10 %. Ihm dürften keine Nachteile dadurch entstehen, dass die Beklagte ihn vertragswidrig nicht beschäftigt und mit ihm keine Zielvereinbarung getroffen habe. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass ihr Vergütungssystem und die darin enthaltenen Bewertungen vertraulich seien, weil es ihm ebenso wie seinen Kollegen möglich sein müsse, die eigene Bewertung und Einordnung zu überprüfen. Auf Ausschlussfristen könne sich die Beklagte nicht berufen, weil in den Fällen, in denen Vergütungsansprüche von einer Bewertung des Arbeitgebers abhingen, diese erst mit Vorlage der Bewertung beginnen würden und die Beklagte eine solche bzw. deren Grundsätze nicht offen lege.

22

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23

1. die ihm mit Schreiben vom 06.06.2012 erteilte Abmahnung zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen,

24

2. an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 36.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

25

3. an ihn einen Betrag in Höhe von 7.013,45 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.06.2012 zu zahlen,

26

4. a) ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche H.-Punktzahl in den Jahren 2009 bis 2012 nach dem Bewertungssystem der Beklagten der Position des "Process Manager Logistics" zugewiesen war,

27

d) ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche H.-Punktzahl die Beklagte der Position des "Manager Logistics" in den Jahren 2009 bis 2012 zugewiesen hatte,

28

e) ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche H.-Punktzahl die Beklagte in den Jahren 2009 bis 2012 den Stellen "Einkaufsmanager", "Produktionsmanager" und "Manager Arbeitsvorbereitung" zugewiesen hatte,

29

g) ihm Auskunft darüber zu erteilen, welcher Zielbonus für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils mit dem aktuellen "Manager Logistics", d. h. Herrn H. F., vereinbart war,

30

h) ihm Auskunft zu erteilen, welcher Zielbonus mit den vergleichbaren Mitarbeitern K. S., Sch. und H. H. für die Jahre 2009 bis 2012 vereinbart war,

31

5. an Eides statt zu versichern, dass die Auskunft gemäß Ziffer 4 nach bestem Wissen erfolgte,

32

6. an ihn den sich aus der Auskunft ergebenden Gehaltsdifferenzbetrag nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen,

33

7. ihn vertragsgerecht als Manager Logistics zu beschäftigen,

34

8. hilfsweise, ihn vertragsgerecht auf der Hierarchieebene des Managers Logistics zu beschäftigen.

35

Die Beklagte hat beantragt,

36

die Klage abzuweisen.

37

Sie hat erwidert, sie habe sich aufgrund des entstandenen erheblichen Mehraufwandes im Januar 2008 entschlossen, den Tätigkeitsbereich des Managers Logistics in zwei gleichwertige Manager Positionen aufzuspalten, nämlich in die Position des Managers Logistics, verantwortlich für das operative Tagesgeschäft, und die Position des Process Managers Logistics, verantwortlich für den konzeptionell-strategischen Bereich innerhalb der Logistik. Da sich der durch die neuen Projekte und Prozesse entstandene zusätzliche Arbeitsaufwand durch die Umsetzung der Projekte und Prozesse im Jahr 2010 reduziert habe und insbesondere der erwartete und strategisch eingeplante Zuwachs an Produktionsvolumen sich nicht realisiert habe, sei die Position des Process Managers Logistics nicht in die Planung für das Jahr 2011 übernommen worden und Ende 2010 in Wegfall geraten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beschäftigung als Manager Logistics, weil ihm am 03. November 2008 die Position des Process Managers Logistics übertragen worden sei und seine hiergegen erhobene Klage mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 08. Oktober 2009 insoweit abgewiesen worden sei. Allein die Tatsache, dass die Position des Process Managers Logistics Ende 2010 in Wegfall geraten sei, begründe keinen Anspruch des Klägers darauf, wieder als Manager Logistics beschäftigt zu werden, zumal diese Position mit Herrn F. besetzt sei. Um ihrer Verpflichtung zur vertragsgerechten Beschäftigung des Klägers dauerhaft nachzukommen, habe sie ihm in der Zeit vom Januar 2010 bis Juli 2012 mehrere Positionen angeboten, die auf der Hierarchieebene eines Managers Logistics angesiedelt gewesen seien und für die er aufgrund seiner Ausbildung und Qualifikation ohne weiteres geeignet gewesen wäre; hinsichtlich der von der Beklagten im Einzelnen angeführten Stellenangebote wird auf ihre Ausführungen in den Schriftsätzen vom 14. Dezember 2012 und 26. Februar 2013 verwiesen. Da der Kläger sich seit Januar 2010 geweigert habe, jedwede ihm angebotene, auf seiner betrieblichen Hierarchieebene angesiedelte Position anzunehmen, und er andererseits für die Stellen, auf welche er sich beworben habe, mangels der geforderten Qualifikation keine Berücksichtigung gefunden habe, sei er seit Anfang 2011 ohne einen ihm konkret zugewiesenen Aufgabenbereich gewesen. Deshalb habe ihre Geschäftsführung Anfang September 2012 beschlossen, den Kläger auf die Position des Destruction Managers zu versetzen. Im Hinblick darauf, dass sie dem Kläger über einen Zeitraum von zwei Jahren insgesamt acht Stellenangebote unterbreitet habe, die er ohne weiteres hätte annehmen können, sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Rechtsgrund sie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sein solle. Da der Kläger entgegen der ihm erteilten Anweisung in der Zeit von Februar bis Mai 2012 während der Arbeitszeit unentschuldigt gefehlt und sich auch nicht bei seinem Vorgesetzten für die jeweiligen Fehlzeiten abgemeldet habe, seien sowohl die Abmahnung vom 06. Juni 2012 als auch die von ihr vorgenommenen Gehaltsabzüge gerechtfertigt. Entgegen der Darstellung des Klägers habe Herr G. ihm nicht gestattet, früher zu gehen, sondern vielmehr mit dem Kläger lediglich vereinbart, dass dieser bei familiären Verpflichtungen im Einzelfall nach vorheriger Absprache mit ihm früher nach Hause gehen könne. Der Kläger habe auch keinen Anspruch darauf, dass ihm die Bewertungen nach dem H.-System offen gelegt würden. Die Gesamtpunktzahlen der einzelnen Stellen nach dem H.-Bewertungssystem unterlägen der Geheimhaltung. Die Gehaltsbandbreiten würden ebenfalls strikt vertraulich behandelt, weil es sich hierbei um ein Betriebsgeheimnis handele. Grund hierfür sei, dass es ihren Wettbewerbern nicht ermöglicht werden solle, qualifizierte Führungskräfte dadurch abwerben zu können, dass sie die jeweiligen Gehaltsbrandbreiten kennen würden und ihnen dadurch die Abwerbung von Spitzenkräften erleichtert werde. Im Übrigen könne der Kläger aus der Vergütung der von ihm angeführten Mitarbeiter ohnehin keine Rückschlüsse auf die ihm zustehende Vergütung ziehen, weil er deren Positionen nicht innehabe und bei der Ansiedlung in den einzelnen Gehaltsbandbreiten immer die individuellen Stärken und Umstände des jeweiligen Stelleninhabers berücksichtigt würden. Dementsprechend habe der Kläger auch keinen Anspruch auf eine entsprechende Auskunft. Im Hinblick darauf, dass der Kläger seit Anfang 2011 keine Stelle mehr innegehabt habe und damit auch für keinen Aufgabenbereich mehr zuständig gewesen sei, habe mit ihm seit 2011 auch keine Zielvereinbarung vereinbart werden können. Im Übrigen seien gemäß § 15 Ziff. 1 a MTV alle finanziellen Ansprüche, die vor dem 01. April 2012 fällig geworden seien, verfallen, weil der Kläger seine Ansprüche erstmalig mit Schreiben vom 10. Juli 2012 geltend gemacht habe.

38

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Teil-Urteil vom 03. September 2013 - 4 Ca 1175/12 - die Beklagte verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 06. Juni 2012 erteilte Abmahnung zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 48.000,00 EUR zu zahlen, an den Kläger 7.013,45 EUR netto zu zahlen, den Kläger als Manager Logistics zu beschäftigen und ihm die mit den Anträgen zu 4 a), d) und e) begehrten Auskünfte über die jeweilige H.-Punktzahl zu erteilen, während es die Klageanträge zu 4 g) und 4 h) auf Auskunftserteilung über den für die Jahre 2009 bis 2012 mit den aufgeführten Mitarbeitern jeweils vereinbarten Zielbonus abgewiesen hat. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

39

Gegen das ihr am 12. September 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. September 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 30. September 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 07. Oktober 2013 eingegangen, begründet. Der Kläger hat ebenfalls gegen das ihm am 13. September 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 30. September 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02. Dezember 2013 mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Die Parteien haben im Berufungsverfahren den Rechtsstreit in Bezug auf die Klageanträge zu 4 a), d) und e) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

40

Die Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestehe kein Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Manager Logistics nach dem Arbeitsvertrag der Parteien. Sie sei gemäß § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrages im Rahmen ihres Direktionsrechtes berechtigt, dem Kläger auch andere zumutbare Aufgaben oder Arbeitsgebiete zu übertragen. Von diesem Recht habe sie mit der Versetzung des Klägers auf die Position des Destruction Managers Gebrauch gemacht. Mit seiner Annahme, dass der Kläger nach § 1 Satz 1 seines Arbeitsvertrages als Manager Logistics zu beschäftigen sei, nehme das Arbeitsgericht die Entscheidung in dem von ihr - aufgrund der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Klägers - eingeleiteten Beschlussverfahren vorweg, weil es nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger im Falle eines Ausgangs dieses Beschlussverfahrens zu ihren Gunsten rechtswirksam auf die Position des Destruction Managers versetzt worden sei. Darüber hinaus stehe die wirksame Versetzung des Klägers auf die Stelle des Process Managers Logistics der Weiterbeschäftigung des Klägers als Manager Logistics entgegen. Das Arbeitsgericht habe sich mit den Auswirkungen der rechtskräftigen Abweisung des Antrags des Klägers auf Weiterbeschäftigung als Manager Logistics im Verfahren 2 Ca 1648/08 nicht auseinandergesetzt und keine Erklärung dafür abgegeben, weshalb der Kläger nach Wegfall der Position des Process Managers Logistics Anspruch auf Übertragung der Position des Managers Logistics haben sollte. Im Hinblick darauf, dass die Position des Process Managers Logistics zusätzlich zur Position des Managers Logistics eingeführt worden sei, begründe der Wegfall von einem der beiden getrennt entstandenen Arbeitsplätze keinen Anspruch des Stelleninhabers auf Weiterbeschäftigung auf dem anderen der beiden Arbeitsplätze. Weiterhin sei auch die Auffassung des Arbeitsgerichts falsch, dass die Besetzung der Stelle des Managers Logistics mit Herrn F. dem Beschäftigungsanspruch des Klägers nicht entgegenstehe. Sie sei aufgrund der ausgesprochenen Kündigung vom 31. August 2007 und der erfolgten Freistellung des Klägers berechtigt gewesen, den vakanten Arbeitsplatz des Klägers im Oktober 2007 durch die mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrates erfolgte Versetzung von Herrn F. zu besetzen. Erst mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 2008 habe festgestanden, dass ihre Kündigung unwirksam gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung beziehe sich auf die hier nicht vorliegende Fallgestaltung, dass der Arbeitgeber bereits vor Kündigung des abwesenden Arbeitnehmers eine eigentlich von diesem besetzte Stelle mit einer anderen Person besetze, um dem wieder zurückkehrenden Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zu kündigen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei dem Kläger rechtswirksam eine andere gleichwertige Tätigkeit zugewiesen worden. Allein die Tatsache, dass sie eine Versetzung des Klägers vor 2013 nicht gegen dessen Willen durchgeführt habe, führe nicht dazu, dass sie auf ihr vertragliches Direktionsrecht dauerhaft verzichtet habe. Sie habe dem Kläger keineswegs nach Belieben nicht näher bezeichnete Aufgaben, sondern gleichwertige und zumutbare Positionen angeboten, die auf der Manager-Ebene angesiedelt gewesen seien und den Kenntnissen und Fertigkeiten des Klägers entsprochen hätten. Dem Kläger stehe auch kein Schmerzensgeld zu. Sie habe den Kläger zu keinem Zeitpunkt und insbesondere nicht in der Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2012 in irgendeiner Form gemobbt. Vielmehr habe sie den Kläger rechtswirksam auf die Position des Process Managers Logistics versetzt und ihm im Anschluss an den Wegfall dieser Position insgesamt acht andere neue Stellen angeboten, die er hätte ausüben können. Die Eingrenzung der vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers auf die Position des Managers Logistics entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien und stehe in klarem Widerspruch zum vertraglichen Direktionsrecht. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht ohne jeglichen Bezug zum vorliegenden Verfahren sämtliche zwischen den Parteien ausgetragenen Rechtsstreitigkeiten aufgelistet und diese einseitig aus Sicht des Klägers bewertet. Dabei sei völlig unberücksichtigt geblieben, dass der Kläger ohne nachvollziehbare Gründe die jeweiligen Stellenangebote ausnahmslos abgelehnt und damit ihr gegenüber eine Verweigerungshaltung eingenommen habe, die maßgeblich zu seiner Nichtbeschäftigung beigetragen habe. Im Übrigen sei die Höhe des unzulässig verhängten Schmerzensgeldes unverhältnismäßig. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Entfernung der ihm mit Schreiben vom 06. Juni 2012 erteilten Abmahnung. Entgegen den für sie nicht nachvollziehbaren Ausführungen des Gerichts ergebe sich aus der Abmahnung nicht mehr und nicht weniger, als dass der Kläger während der in der Abmahnung aufgeführten Zeiträume unentschuldigt nicht in ihrem Betrieb anwesend gewesen sei. Dementsprechend bestehe auch kein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 7.013,45 EUR netto. Im Hinblick darauf, dass der Kläger unstreitig in den von ihr angeführten Zeiträumen unentschuldigt während der Arbeitszeit im Betrieb gefehlt habe, obwohl er hierzu aufgrund der Anweisung seines Vorgesetzten verpflichtet gewesen sei, sei die von ihr vorgenommene Lohnkürzung berechtigt. Das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts sei hingegen insoweit nicht zu beanstanden, als die vom Kläger gestellten Anträge zu 4 g) und 4 h) abgewiesen worden seien. Es fehle an jeglichem Vortrag des Klägers, woraus sich ein Anspruch auf Auskunftsteilung darüber ergeben solle, welcher Zielbonus jeweils mit den von ihm benannten Mitarbeitern in den Jahren 2009 bis 2012 vereinbart worden sei. Ob eine Steigerung des Zielbonus, der bei außertariflichen Mitarbeitern der Gehaltsstufe Manager grundsätzlich 5 % betrage, vereinbart werde, hänge von der sog. individuellen Performance ab, d. h. von der einzelnen Leistungsbeurteilung des jeweiligen Stelleninhabers. Dementsprechend sei die Tatsache, welcher Zielbonus mit anderen Mitarbeitern, welche auf derselben betrieblichen Hierarchieebene wie der Kläger angesiedelt seien, vereinbart worden sei bzw. werde, für die Höhe des mit dem Kläger vereinbarten Zielbonus völlig unerheblich. Im Übrigen sei die Annahme des Klägers unrichtig, dass für den Fall, dass die von ihm benannten Mitarbeiter einen Zielbonus von 10 % haben sollten, hiermit gleichzeitig ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege. Entgegen der Vermutung des Klägers gebe es in diesem Fall durchaus Gründe, ihm die Anhebung seines vertraglich auf 5 % festgeschriebenen Bonus zu versagen, insbesondere weil seine individuelle Performance die Anhebung des Zielbonus von 5 % auf einen höheren Prozentsatz nicht rechtfertige. Ihr System für die variable Vergütung ordne den Zielbonus entgegen der Behauptung des Klägers keineswegs nach Hierarchieebenen. Vielmehr sei lediglich der Zielbonus von 5 % festgelegt, der sodann im Laufe der Jahre individuellen Steigerungen unterliege oder unverändert bleibe, wenn die individuelle Performance des jeweiligen Mitarbeiters dies nicht hergebe.

41

Die Beklagte beantragt,

42

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 03. September 2013 - 4 Ca 1175/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

43

Der Kläger beantragt,

44

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

45

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 3. September 2013 - 4 Ca 1175/12 - abzuändern, soweit es die Klageanträge zu 4 g) und 4 h) abgewiesen hat, und die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen,

46

welcher Zielbonus für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils mit dem aktuellen "Manager Logistics", d. h. Herrn H. F., vereinbart war,

47

welcher Zielbonus mit den vergleichbaren Mitarbeitern K. S., Sch. und H. H. für die Jahre 2009 bis 2012 vereinbart war.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

50

Der Kläger erwidert, entgegen der Ansicht der Beklagten habe er einen Anspruch auf Beschäftigung als Manager Logistics, weil im Arbeitsvertrag genau diese Position vertraglich vereinbart sei. Nachdem die künstlich geschaffene Stelle des Process Managers Logistics spätestens zum 31. Dezember 2010 entfallen sei, habe er dort auch nicht mehr vertragsgerecht beschäftigt werden können, so dass nur die vertraglich vereinbarte Stelle des Managers Logistics bleibe. Die von der Beklagten zwischenzeitlich angeführte Position des Destruction Managers sei nicht einmal ansatzweise vertragsgerecht. Während er als Manager Logistics umfangreiche Personal- und Budgetverantwortung gehabt habe, beinhalte die Position des Destruction Managers diesbezüglich keinerlei Verantwortung und sei allenfalls eine Sachbearbeiterfunktion. Seiner Weiterbeschäftigung in der Funktion des Managers Logistics stehe aufgrund des von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts herangezogenen Rechtsgedankens aus § 162 BGB auch nicht entgegen, dass die Beklagte im Oktober 2007 diese Stelle mit Herrn F. neu besetzt habe und seither alles versuche, um seine Rückkehr auf die vertraglich vereinbarte Position zu verhindern. Das vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld sei angemessen. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte über mehr als zwei Jahre seine diversen Bitten nach Zuweisung von Arbeit ignoriert habe, stelle dies Mobbing dar und löse richtigerweise den im Urteil zutreffend begründeten Schmerzensgeldanspruch von 2.000,00 EUR pro Monat der Nichtbeschäftigung aus. Hätte die Beklagte eine vertragsgerechte und fachlich für ihn geeignete freie Stelle gehabt, hätte sie diese Stelle ihm kraft Direktionsrechts zuweisen können und müssen. Soweit die Beklagte das Schmerzensgeld als Strafe ansehe, habe sie verkannt, dass das Schmerzensgeld nicht ihrer Bestrafung diene, sondern seinen immateriellen Schaden ausgleichen solle, den er durch die Herabwürdigung seiner Person und die Vorführung im Betrieb durch die Nichtbeschäftigung erlitten habe. Die ihm erteilte Abmahnung sei aus der Personalakte zu entfernen, weil die Beklagte ihn nicht abmahnen könne, wenn er sich zumindest vorübergehend dem Mobbing entziehe, indem er an einzelnen Tagen nicht die gesamte geschuldete Arbeitszeit tatenlos im Betrieb herumsitze und sich so zum Gespött seiner Kollegen mache. Dementsprechend habe das Arbeitsgericht auch zu Recht ihm die von der Beklagten gekürzte Vergütung zugesprochen. Entgegen der Beurteilung des Arbeitsgerichts sei die Beklagte auch verpflichtet, ihm Auskunft darüber zu geben, welcher Zielbonus in den Jahren 2009 bis 2012 mit dem aktuellen Manager Logistics, Herrn F., sowie mit den weiteren der von ihm angeführten hierarchisch vergleichbaren Mitarbeitern vereinbart gewesen sei. Nach den ihm vorliegenden Informationen betrage der Zielbonus der mit ihm vergleichbaren Mitarbeiter mindestens 10 %. Im Falle der Richtigkeit seiner Annahme hätte auch sein Zielbonus auf mindestens 10 % angehoben werden müssen. Er begehre zunächst nur die Auskunft, wie die mit ihm vergleichbaren Mitarbeiter im Vergütungssystem hinsichtlich der variablen Vergütung im Betrieb eingeordnet seien. Sein Anspruch auf Gleichbehandlung und somit auf Gewährung des gleichen Zielbonus, d. h. der gleichen Zielgröße wie seine Kollegen, resultiere aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Festlegung des Zielbonus erfolge aufgrund des internen variablen Vergütungssystems der Beklagten. Wenn ein Arbeitgeber den Zielbonus für bestimmte Hierarchieebenen festsetze, dann dürfe er ohne sachliche Begründung nicht einzelne Arbeitnehmer von diesem Zielbonus ausnehmen. Welcher Bonus dann tatsächlich ihm für die Jahre 2009 bis 2012 zu zahlen sei, hänge wiederum vom Zielerreichungsgrad ab, der nach erfolgter Auskunft noch geklärt werden müsse. Ohne die Auskunft über die Einordnung der mit ihm vergleichbaren Manager im Rahmen des variablen Vergütungssystems der Beklagten könne er nicht feststellen, wo er mit seinem Zielbonus einzuordnen sei. Das Arbeitsgericht sei erkennbar davon ausgegangen, dass der Zielbonus durch jeden Mitarbeiter individuell ausgehandelt werde, was aufgrund des im Bereich der variablen Vergütung bestehenden allgemeinen Bonussystems falsch sei. So wie die Beklagte ihn bei den Zielvereinbarungen als solche unberücksichtigt gelassen habe, habe sie ihn auch bei der Erhöhung des Zielbonus unberücksichtigt gelassen. Es gebe keine sachlichen Gründe dafür, ihn von der Anhebung des Zielbonus auszunehmen. Ohne seine Kündigung hätte er die zuvor innegehabte Position des Managers Logistics weiterhin ausgeübt und damit den gleichen Zielbonus wie Herr F. erreicht. Dabei gehe es ihm nur um den Zielbonus und nicht um den konkreten individuellen Bonus, der von der Höhe des Gehaltes und vom Zielerreichungsgrad abhängig sei. Die Beklagte habe insofern gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, als die allgemeine Anhebung des Zielbonus entsprechend dem System der variablen Vergütung bei ihm nicht vorgenommen worden sei.

51

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthaften Berufungen beider Parteien sind zulässig. Sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Berufung des Klägers sind jeweils form- sowie fristgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

53

In der Sache hat die Berufung der Beklagten nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Höhe des vom Arbeitsgericht zuerkannten Schmerzensgeldes wendet, das nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Höhe von 48.000,00 EUR, sondern lediglich in Höhe von 25.000,00 EUR als angemessen erscheint. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf die Klageanträge zu 4 a), d) und e) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Teil-Urteil hinsichtlich Ziffer 1 e) des Urteilstenors entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden, ohne dass es insoweit seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zu Recht der Klage teilweise stattgegeben.

54

Die gegen die Abweisung der Klageanträge zu 4 g) und h) gerichtete Berufung des Klägers ist hingegen begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die begehrte Auskunft über die prozentuale Höhe des mit den angeführten Mitarbeitern vereinbarten Zielbonus für die Jahre 2009 bis 2012 verlangen.

I.

55

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Klägers auf Beschäftigung als Manager Logistics zu Recht stattgegeben.

56

Die Beklagte ist nach § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags der Parteien verpflichtet, den Kläger als Manager Logistics zu beschäftigen.

57

1. Die Parteien haben in § 1 Satz 1 des zwischen ihnen geschlossenen Anstellungsvertrags vom 27. September 2004 festgelegt, dass der Kläger als "Manager Logistics" eingestellt wird. Danach haben die Parteien einen bestimmten Tätigkeitsinhalt vereinbart bzw. jedenfalls die Art der vom Kläger geschuldeten Tätigkeit auf eine Managertätigkeit im Logistikbereich vertraglich festgelegt.

58

Aus der in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelung folgt nichts anderes. Darin hat sich die Beklagte das Recht vorbehalten, dem Kläger auch andere zumutbare Aufgaben oder Arbeitsgebiete zu übertragen. Zwar kommt in Betracht, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten konkret benannt sind (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1355). Im Hinblick darauf, dass im Arbeitsvertrag der Parteien weder alternative Tätigkeiten genannt noch weitergehende Tätigkeitsbeschreibungen enthalten sind, kommt eine Auslegung dahingehend, dass die Parteien überhaupt keinen bestimmten Tätigkeitsinhalt festgelegt haben, nicht in Betracht. Vielmehr ergibt die Auslegung, dass der Arbeitsvertrag nach seinem eindeutigen Wortlaut und seiner Systematik in § 1 Satz 1 eine nähere Festlegung hinsichtlich des Inhalts bzw. der Art der Tätigkeit und daneben in § 1 Satz 4 einen sog. Versetzungsvorbehalt enthält.

59

2. Der Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrags der Parteien ist nach § 307 Abs. 1 unwirksam mit der Folge, dass es bei der vertraglichen Festlegung des Tätigkeitsinhalts in § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages verbleibt.

60

a) Bei der streitgegenständlichen Regelung in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB; ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 33, NZA 2010, 1355). Nach der Erklärung des Personalleiters der Beklagten im Termin vom 05. Juni 2014 handelt es sich bei dem Anstellungsvertrag des Klägers um einen Standardvertrag der Beklagten. Die im Formulararbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel unterliegt mithin einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.

61

b) Der Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 4 des Anstellungsvertrages hält der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle nicht stand.

62

Die Erweiterung des Direktionsrechts dahingehend, dass die Beklagte das Recht hat, dem Kläger abweichend von dem in § 1 Satz 1 vereinbarten Tätigkeitsinhalt auch alle anderen zumutbaren Aufgaben oder Arbeitsgebiete zu übertragen, benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

63

Eine vorformulierte Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch die einseitige Gestaltung eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (BAG 09. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 19, NZA 2007, 145).

64

Nach der vorliegenden Versetzungsklausel soll die Beklagte berechtigt sein, den Inhalt und die Art der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Manager Logistics dadurch zu ändern, dass sie dem Kläger auch andere zumutbare Aufgaben oder Arbeitsgebiete übertragen kann. Dabei geht es nicht um die Frage, ob im Rahmen der vertraglich geschuldeten Tätigkeit der Arbeitgeber eine Konkretisierung der Arbeitspflichten durch Zuweisung eines anderen Aufgabengebiets vornehmen darf. Falls die in § 1 Satz 4 des Vertrages enthaltene Klausel so gefasst wäre, dass die Beklagte dem Kläger nur im Rahmen der vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Manager im Bereich Logistik andere Aufgaben oder Arbeitsgebiete übertragen darf, würde der Versetzungsvorbehalt (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entsprechen und deshalb nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keiner Angemessenheitskontrolle unterliegen. Nach Auffassung der Beklagten soll die Klausel aber gemäß dem Wortlaut des § 1 Satz 4 des Vertrages ihr das erweiterte Direktionsrecht einräumen, dem Kläger nicht nur andere Aufgaben bzw. Arbeitsgebiete als Manager im Logistikbereich, sondern auch andere Tätigkeiten zu übertragen, die von dem in § 1 Satz 1 des Vertrages festgelegten Tätigkeitsinhalt abweichen. Bei der Anlegung des vom Einzelfall losgelösten Maßstabs enthält die Klausel in § 1 Satz 4 des Vertrags keine Einschränkungen dahingehend, dass eine einseitige Übertragung anderer zumutbarer Aufgaben oder Arbeitsgebiete nur dann zugelassen werden soll, wenn diese in der Zuweisung einer anderen gleichwertigen Tätigkeit besteht. Allein die in der Klausel enthaltene Voraussetzung, dass die anderen Aufgaben oder Arbeitsgebiete zumutbar sein müssen, gewährleistet nicht, dass die Übertragung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 04. November 2010 - 5 Sa 354/10 - Rn. 47, PflR 2011, 347). Die vorliegende Klausel lässt nicht einmal erkennen, dass die Interessen des Arbeitnehmers bei Übertragung anderer zumutbarer Aufgaben oder Arbeitsgebiete überhaupt zu berücksichtigen sind. Ergibt sich - wie hier - aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung nicht deutlich, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten vorbehält, ist eine vorformulierte Klausel, nach welcher ein Arbeitgeber ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit dem Arbeitnehmer übertragen kann, nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 307 Abs. 1 BGB als unangemessene Benachteiligung anzusehen (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 25 und 28, NZA 2010, 1355; BAG 09. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 23, NZA 2007, 145; LAG Rheinland-Pfalz 04. November 2010 - 5 Sa 354/10 - PflR 2011, 347). Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, dass dem Kläger mit der Position als "Destruction Manager" tatsächlich eine gleichwertige Tätigkeit übertragen worden sei, ist das unerheblich. Die zu weit gefasste Versetzungsklausel ist nicht mit dem Inhalt aufrechtzuer-halten, dass eine einseitige Änderung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nur dann zulässig sein soll, wenn damit die Zuweisung einer anderen zumutbaren gleichwertigen Tätigkeit verbunden ist. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Klausel scheidet aus (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 30, NZA 2010, 1355; BAG 09. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 23, NZA 2007, 145). Aufgrund der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts bleibt es bei der in § 1 Satz 1 des Vertrages vertraglich festgelegten Tätigkeit des Klägers als Manager Logistics (vgl. hierzu BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 30 und 37, NZA 2010, 1355).

65

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsgericht zu Recht das zwischen ihr und dem Betriebsrat anhängige Beschlussverfahren wegen der vom Betrieb verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Klägers auf die Position des Destruction Managers nicht berücksichtigt.

66

Selbst eine rechtskräftige Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG zur Versetzung des Klägers entfaltet keine präjudizielle Wirkung zulasten des von der personellen Maßnahmen im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG betroffenen Klägers. Deshalb ist die Rechtswirksamkeit der Versetzung als Vorfrage für den vom Kläger geltend gemachten Beschäftigungsanspruch ohne Bindung an das Zustimmungsersetzungsverfahren zu beurteilen (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 28, AP BGB § 307 Nr. 26).

67

4. Dem Anspruch des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung als Manager Logistics steht auch nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht im Vorprozess der Parteien den Antrag des Klägers auf Beschäftigung als Manager Logistics aufgrund seiner damaligen Versetzung auf die Position des Process Managers Logistics rechtskräftig abgewiesen hat.

68

Die zwischenzeitlich zugewiesene Position als Process Manager Logistics ist unstreitig zum Ende des Jahres 2010 wieder in Wegfall geraten, womit sich die seinerzeitige Aufgabenübertragung erledigt hat. Der Kläger hat nach § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages einen Anspruch darauf, als Manager Logistics beschäftigt zu werden. Es ist Sache der Beklagten, dem Kläger im Rahmen des in § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarten Tätigkeitsinhalts entsprechende Aufgaben zu übertragen.

69

5. Die Beklagte kann sich gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sich die Berufungskammer anschließt, auch nicht darauf berufen, dass sie während des damals geführten Kündigungsschutzverfahrens im Oktober 2007 die zuvor vom Kläger eingenommene Position einem anderen Mitarbeiter übertragen hat.

70

Nach der vom Arbeitsgericht angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 01. Februar 2007 - 2 AZR 710/05 - Rn. 19 AP BGB § 162 Nr. 6) beansprucht der in § 162 Abs. 1 und 2 BGB niedergelegte Rechtsgedanke als übergreifendes Rechtsprinzip allgemeine Bedeutung. Die Beklagte hätte die vom Kläger zuvor eingenommene Position Herrn F. vorläufig für die Dauer des zwischen den Parteien geführten Kündigungsschutzverfahrens übertragen können und müssen, um im Falle eines Unterliegens den Beschäftigungsanspruch des Klägers erfüllen zu können. Anderenfalls vermag dies entsprechend § 162 BGB den Beschäftigungsanspruch des Klägers nicht zu beseitigen. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Herrn F. nach dem mit ihm geschlossenen Arbeitsvertrag nicht anderweitig einsetzen kann. Auch ist nicht erkennbar, dass der Beklagten eine Beschäftigung des Klägers als Manager Logistics tatsächlich nicht möglich sein könnte. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, ob und ggf. welche Versuche sie überhaupt unternommen haben will, um den Kläger anstelle von Herrn F. als Manager Logistics wieder vertragsgerecht zu beschäftigen.

71

6. Selbst wenn man im Streitfall davon ausgeht, dass der in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrages enthaltene Versetzungsvorbehalt nur die Zuweisung einer gleich-wertigen Tätigkeit umfasst und mit diesem Inhalt wirksam ist, kann der Kläger von der Beklagten gemäß der Begründung des Arbeitsgerichts (Ziffer A. 1. der Entscheidungsgründe), die sich das Berufungsgericht hilfsweise zu eigen macht, seine Beschäftigung als Manager Logistics verlangen, weil sich auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten nicht feststellen lässt, dass die dem Kläger zugewiesene Stelle als "Destruction Manager" mit der in § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarten Tätigkeit als Manager Logistics gleichwertig ist.

72

Im Hinblick darauf, dass die Parteien in § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages einen bestimmten Tätigkeitsinhalt vertraglich vereinbart haben, trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie dem Kläger aufgrund des in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Versetzungsvorbehalts eine gleichwertige andere Tätigkeit zugewiesen hat. Die zwischenzeitlich erfolgte Übertragung der Position des Process Managers Logistics ist unstreitig bereits Ende 2010 in Wegfall geraten. In der Folgezeit hat die Beklagte bis zur Versetzung des Klägers auf die Position des "Destruction Managers" von ihrem Direktionsrecht keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass der Kläger als Manager Logistics bzw. Process Manager Logistics Personalverantwortung für 160 bis 170 Mitarbeiter und Budgetverantwortung von 13 bis 15 Millionen Euro gehabt habe und die Beklagte eine entsprechende Gleichwertigkeit ihrer Angebote nicht dargelegt habe. In Bezug auf die Stelle als "Destruction Manager", die dem Kläger von der Beklagten in Ausübung des Direktionsrechtes zugewiesen worden ist, hat die Beklagte nicht nachvollziehbar begründet, aufgrund welcher Umstände diese Position inhaltlich - im Vergleich zu welchen Befugnissen eines Managers Logistics bzw. Process Managers Logistics - als gleichwertig zu qualifizieren sein soll, insbesondere welche Personal- und Budgetverantwortung bzw. welche Kompetenzen mit welchem Stellenwert hiermit verbunden sein sollen. Auch wenn man davon ausgeht, dass der in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrages enthaltene Versetzungsvorbehalt nur die Zuweisung gleichwertiger Tätigkeiten zulässt und mit diesem Inhalt wirksam ist, lässt sich mithin nicht feststellen, dass die Beklagte dem Kläger durch wirksame Ausübung des Direktionsrechts eine andere gleichwertige Tätigkeit übertragen hat, so dass dem Kläger auch dann gemäß § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages ein Anspruch auf Beschäftigung mit dem vertraglich festgelegten Tätigkeitsinhalt zusteht. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte dem Kläger zwischenzeitlich in Ausübung des Direktionsrechtes mit der neu geschaffenen Position als Process Manager Logistics ein anderes Arbeitsgebiet als Manager im Logistikbereich zugewiesen hatte, weil diese Aufgabenübertragung aufgrund des zwischenzeitlichen Wegfalls dieser Position Ende 2010 gegenstandslos geworden ist.

II.

73

Der Kläger hat gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR.

74

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der u.a. auch den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Er umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 19, NZA-RR 2011, 378). Ob das Persönlichkeitsrecht im Einzelfall verletzt ist, lässt sich nur aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände beurteilen, da das Persönlichkeitsrecht ein sog. offenes Recht ist. Die Rechtswidrigkeit muss durch Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall festgestellt werden. Dabei ist zunächst zu fragen, ob der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers gegenübersteht und dann, ob das Persönlichkeitsrecht deutlich überwiegt. Insbesondere werden Maßnahmen des Arbeitgebers dann durch ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse motiviert sein, wenn ihnen sachliche Erwägungen zugrunde liegen. Dies kann unter Umständen auch bei rechtswidrigen Maßnahmen, z.B. rechtswidrigen Weisungen, der Fall sein. Andererseits kann bei an sich rechtmäßigen Maßnahmen die Persönlichkeitsrechtsverletzung aus den Modalitäten folgen, so z.B. bei Maßnahmen in der gezielten Betriebsöffentlichkeit. Ein Entschädigungsanspruch wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht hat darüber hinausgehend zur Voraussetzung, dass zum einen eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, was von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund sowie Grad des Verschuldens abhängt, und zum anderen die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 122 und 123, NZA 2007, 1154).

75

2. Die Nichterfüllung des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers stellt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, die im Einzelfall je nach Schwere des Eingriffs einen Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Geldentschädigung auslösen kann (vgl. LAG Baden-Württemberg 12. Juni 2006 - 4 Sa 68/05 - juris, LAG Hamburg 13. September 2007 - 8 Sa 35/07 - juris, LAG Köln 12. Juli 2010 - 5 Sa 890/09 - juris, LAG Baden-Württemberg 17. Juni 2011 - 12 Sa 1/10 - juris). Gemäß den obigen Ausführungen hat der Kläger nach § 1 Satz 1 seines Arbeitsvertrages einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung als Manager Logistics, den die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum ab Januar 2011 nicht erfüllt hat. Vielmehr hat die Beklagte dem Kläger unstreitig in der Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2012 überhaupt keine Aufgaben zugewiesen. Soweit sie sich auf die von ihr angeführten acht Stellenangebote berufen hat, war der Kläger nicht gehalten, einer Änderung der in § 1 Satz 1 seines Arbeitsvertrages festgelegten Tätigkeit zuzustimmen. Selbst wenn man entgegen der obigen Annahme von einer Wirksamkeit des in § 1 Satz 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Versetzungsvorbehalts ausgeht, wäre es Sache der Beklagten gewesen, dem Kläger durch Ausübung ihres Direktionsrechts eine vertragsgemäße Tätigkeit zuzuweisen. Trotz der mehrfachen schriftlichen Anfragen und Aufforderungen des Klägers hat die Beklagte dem Kläger über zwei Jahre keinerlei Tätigkeit zugewiesen. Die besondere Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ergibt sich im Streitfall daraus, dass die Beklagte den Kläger unstreitig angewiesen hat, dass er jeden Arbeitstag für die gesamte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden im Betrieb anwesend zu sein habe, obwohl ihm seit Anfang 2011 unstreitig kein Aufgabenbereich mehr zugewiesen war. Darin liegt eine im Betrieb offen zu Tage tretende Ausgrenzung und Herabwürdigung des Klägers, die als rechtswidrige Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bewerten ist. Insbesondere steht der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten gegenüber. Der Anweisung der Beklagten, dass der Kläger ungeachtet der seit Januar 2011 nicht mehr erfolgten Aufgabenzuweisung gleichwohl während der gesamten Dauer seiner Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein habe, liegen keine sachlichen Erwägungen zugrunde. Die Vorgehensweise der Beklagten hat der Kläger zu Recht als Herabwürdigung seiner Person und Vorführung im Betrieb empfunden. Wegen der hierin liegenden schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, die in anderer Weise nicht mehr ausgeglichen werden kann, erachtet das Berufungsgericht unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falls ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR für angemessen. Im Streitfall fällt insbesondere ins Gewicht, dass die Beklagte dem Kläger über einen langen Zeitraum von zwei Jahren überhaupt keine Aufgaben mehr zugewiesen und ihn gleichwohl zur täglichen Anwesenheit im Betrieb angewiesen hat, womit sie beharrlich und schwerwiegend das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hat. Weiterhin sind die hiermit verbundenen immateriellen Nachteile für die berufliche Entwicklung des Klägers im Hinblick auf seine herausgehobene Managerposition, wie sie in § 1 Satz 1 seines Arbeitsvertrages vereinbart ist, zu berücksichtigen. Unter Würdigung aller angeführten Umstände ist das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass eine Geldentschädigung in Höhe von 25.000,00 EUR als angemessen, aber auch ausreichend erscheint und hiermit dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Prävention hinreichend Rechnung getragen ist.

III.

76

Weiterhin ist die Beklagte verpflichtet, die dem Kläger erteilte Abmahnung vom 06. Juni 2012 aus der Personalakte zu entfernen.

77

Die Abmahnung enthält die unzutreffende rechtliche Bewertung, dass der Kläger unentschuldigt gefehlt habe. Die Anweisung der Beklagten, dass der Kläger jeden Arbeitstag während seiner Arbeitszeit im Betrieb anwesend sein müsse, obwohl ihm in den angeführten Monaten Februar bis Mai 2012 ohnehin keine Aufgaben zugewiesen waren und in diesem Zeitraum auch nicht etwa zugewiesen werden sollten, ist vom Direktionsrecht nicht gedeckt. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 Satz 1 GewO) dient der näheren Bestimmung der im Arbeitsvertrag beschriebenen Verpflichtung zur Arbeitsleistung und gilt auch hinsichtlich der Ordnung sowie des Verhaltens des Arbeitnehmers im Betrieb (§ 106 Satz 2 GewO). Entgegen der in der Abmahnung enthaltenen rechtlichen Bewertung muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aber nicht im Betrieb anbieten, wenn der Arbeitgeber trotz mehrfacher Nachfragen des Arbeitnehmers überhaupt keine Aufgabenzuweisung vornehmen will. Gemäß den obigen Ausführungen hat die Anweisung der Beklagten vielmehr eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers bewirkt. Mangels zulässiger Weisung der Beklagten liegt ein unentschuldigtes Fehlen des Klägers nicht vor.

IV.

78

Dementsprechend ist die Beklagte gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB verpflichtet, an den Kläger die zu Unrecht einbehaltene Vergütung in Höhe von insgesamt 7.013,45 EUR netto nachzuzahlen. Die Beklagte hat die vom Kläger mehrfach angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen und ihm im streitgegenständlichen Zeitraum keine Aufgaben durch Ausübung ihres Direktionsrechts zugewiesen, so dass sie gemäß §§ 293 ff. BGB in Annahmeverzug geraten ist.

V.

79

Der Kläger hat Anspruch auf die mit den Klageanträgen zu 4 g) und h) begehrte Auskunft.

80

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 01. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 21 ff., NZA 2005, 289) können Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch auch die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Im Arbeitsverhältnis wird der Inhalt dieser Nebenpflicht durch eine besondere persönliche Bindung der Vertragspartner geprägt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, z. B. weil sie zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, kann sie verlangt werden, soweit die Verpflichtung keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleibt, die nicht durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden darf.

81

2. Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger die begehrte Auskunft zu.

82

a) Der Kläger benötigt die beantragte Auskunft, um sich die erforderlichen Informationen über das Bestehen eines Zahlungsanspruchs aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes dem Grunde nach zu verschaffen. Er ist über Bestehen und Umfang eines solchen Anspruchs im Ungewissen, während die Beklagte hierüber unschwer Auskunft erteilen kann. Die Verpflichtung zur Auskunft liegt im Interesse einer transparenten und gerechten Gehaltsentwicklung und stelle keine übermäßige Belastung für die Beklagte dar. Die Beklagte soll den Kläger nicht über die betragsmäßige Höhe des jeweiligen Zielbonus der genannten Mitarbeiter oder über deren individuelle Leistungsbeurteilungen unterrichten, sondern allein über die prozentuale Höhe des mit diesen Mitarbeitern vereinbarten Zielbonus.

83

b) Im Falle einer unterschiedlichen Behandlung des Klägers gegenüber den mit ihm vergleichbaren Mitarbeitern erscheint ein Zahlungsanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung als möglich.

84

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. In jedem Fall setzt die Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer voraus. Im Bereich der Vergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Allein die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt allerdings noch nicht den Schluss, diese Arbeitnehmer bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt deshalb nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch immer dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen. In unterschiedlichen, nach Leistungsgesichtspunkten bemessenen Lohn- und Gehaltserhöhungen kann angesichts eines Anstiegs der Preise und der Tarifgehälter eine lineare Komponente enthalten sein. Von einem derartigen Grundbetrag darf der Arbeitnehmer nur unter Beachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgeschlossen werden. Ein Gleichbehandlungsanspruch kann sich allerdings auch dann ergeben, wenn Gehaltserhöhungen ausschließlich nach leistungsbezogenen Gesichtspunkten vorgenommen werden und keine "lineare Komponente" enthalten. Zum einen wird die individuelle Leistung gerade nach bestimmten Regeln bemessen. Zum anderen muss das Ergebnis dieser Bemessung in Verhältnis zu den Leistungsbemessungen der anderen Arbeitnehmer gesetzt werden. Der Arbeitgeber muss sich zum Beispiel im Klaren darüber sein, welche Differenzierungen er vornimmt und welche Folgen sich daraus ergeben sollen (BAG 01. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 27 bis 30, NZA 2005, 289).

85

bb) Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts handelt es sich bei der jeweils vereinbarten prozentualen Höhe des Zielbonus nicht um eine individuell vereinbarte variable Vergütung, die nicht dem Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes unterfällt.

86

Vielmehr wird der als zusätzlicher variabler Gehaltsbestandteil vereinbarte Zielbonus gemäß § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien nach Maßgabe des sog. Profit Sharing Incentive Program (PSIP) gezahlt. Zwar beträgt der Zielbonus außertariflicher Mitarbeiter der Gehaltsstufe Manager grundsätzlich 5 %. Dieser Bonus kann sich aber dann je nach der Leistungsbeurteilung des Mitarbeiters im Rahmen des von der Beklagten angewandten variablen Vergütungssystems steigern. Die Beklagte hat sich zwar darauf berufen, dass auch im Falle eines höheren Zielbonus der vom Kläger genannten Mitarbeiter nicht gleichzeitig ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, weil es auch dann durchaus Gründe geben würde, dem Kläger die Anhebung seines vertraglich auf 5 % festgeschriebenen Bonus zu versagen, nämlich weil seine individuelle Performance die Anhebung des Zielbonus von 5 % auf einen höheren Prozentsatz nicht rechtfertige. Ob und ggf. nach welchen Kriterien bei den anderen mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeitern eine Anhebung des Zielbonus erfolgt ist, hat die Beklagte aber nicht dargelegt. Der Umfang der Auskunftspflicht bestimmt sich danach, inwieweit die Regeln für die Erhöhungen des Zielbonus für den Kläger erheblich sein können. Dies richtet sich nicht nach der Beurteilung der Beklagten, sondern nach objektiven Gesichtspunkten. Ein Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Leistung des Klägers erscheint nach dem Vorbringen der Parteien möglich, falls mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer in den Jahren 2009 bis 2012 eine Erhöhung des mit ihnen vereinbarten Zielbonus erhalten haben. Erst auf einer weiteren Stufe des Rechtsstreits wird der Kläger ggf. im Einzelnen begründen müssen, welcher Zielerreichungsgrad aus welchen Gründen maßgeblich sein soll und welcher Bonusanspruch sich daraus ergeben soll (vgl. hierzu BAG 01. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 30, NZA 2005, 289).

87

cc) Der Auskunftsanspruch ist auch nicht deshalb unbegründet, weil der damit verfolgte Hauptanspruch ohnehin aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen verfallen wäre.

88

Vielmehr können besondere Umstände dazu führen, dass Entstehens- und Fälligkeitszeitpunkt des Anspruchs nicht übereinstimmen. Solche liegen vor, wenn es dem Gläubiger praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit seinem Entstehen geltend zu machen. Das ist insbesondere der Fall, wenn - wie hier - die rechtsbegründenden Tatsachen in der Sphäre des Schuldners liegen und der Gläubiger es nicht durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 19, NZA 2008, 478; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis 14. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 52). Solange die Beklagte dem Kläger nicht die beantragten Auskünfte erteilt hat, die zur Beurteilung des Bestehens und ggf. einer Bezifferung des verfolgten Zahlungsanspruchs notwendig sind, können die an die Fälligkeit des Anspruchs anknüpfenden tariflichen Ausschlussfristen nicht in Lauf gesetzt werden.

89

c) Die Darlegungs- und Beweislast wird durch den Auskunftsanspruch nicht in unzulässiger Weise zulasten der Beklagten verschoben.

90

Aufgrund der im Gleichbehandlungsprozess geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast müsste die Beklagte die Regeln für die Steigerung des Zielbonus bei ihren außertariflichen Angestellten nach dem von ihr angewandten variablen Vergütungssystem auch in einem Zahlungsprozess darlegen. Die Berücksichtigung der individuellen Leistung steht der Regelhaftigkeit dabei nicht entgegen (vgl. BAG 01. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 33, NZA 2005, 289).

91

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

92

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Juli 2009 - 9 Sa 348/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund einer vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 durchgeführten Bearbeitung asbestbelasteter Bauteile erleiden sollte.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1992 bei der Beklagten als Angestellter tätig. Von 1994 bis Mai 1995 war er bei dem Sozialamt der Beklagten in der Abteilung Obdachlosenhilfe beschäftigt und als Betreuer für Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge im Asylbewerberheim A in D eingesetzt. Dieses Gebäude war bis Januar 1990 als Kindereinrichtung genutzt worden. Zum 1. Februar 1990 war diese Nutzung wegen der möglichen Freisetzung von Asbestfasern in einer die Gesundheit gefährdenden Konzentration eingestellt worden. Die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes infolge der Verwendung des Baustoffes Sokalit war dem Bürgermeister der beklagten Stadt aufgrund eines Schreibens des Hochbauamtes vom 11. November 1991 bekannt.

3

Die Beklagte beabsichtigte, Anfang des Jahres 1995 das Gebäude des Asylbewerberheims grundlegend zu sanieren. Der Kläger führte mit drei weiteren Angestellten der Beklagten, drei Zivildienstleistenden sowie 12 bis 15 Asylbewerbern auf Weisung des Abteilungsleiters des Sozialamtes S sowie des Heimleiters Sch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 dort folgende Sanierungsarbeiten durch:

        

-       

Demontage der Rippenheizkörper,

        

-       

Abspachteln der aufgeblühten Wandoberflächen,

        

-       

Entfernen vorhandener Tapetenreste,

        

-       

Aufbringen der Klebemasse,

        

-       

Anbringen von Gipskartonplatten auf den Wänden,

        

-       

Verspachteln der Fugen zum Aufbringen eines Farbanstrichs.

4

Insgesamt leisteten die eingesetzten Personen etwa 800 Arbeitsstunden. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht.

5

Anfang Mai 1995 wies ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der Folgearbeiten abstimmen sollte, den Kläger darauf hin, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt werde und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürften. Der Kläger leitete diese Information an den zuständigen Abteilungsleiter S weiter. Dieser erklärte, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt und drängte auf die Fortsetzung der Arbeiten.

6

Einer der beteiligten Zivildienstleistenden schaltete daraufhin das staatliche Gewerbeaufsichtsamt D ein. Dieses stellte fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei. Materialproben der Sokalitplatten ergaben einen Fasergehalt von bis zu 40 % Chrysotilasbest. Das Gewerbeaufsichtsamt verfügte am 5. Mai 1995 die sofortige Einstellung der Arbeiten und die Versiegelung des Gebäudes.

7

Anlässlich einer Erkrankung des Klägers im Jahre 2006 vermutete der behandelnde Arzt das Vorhandensein von Krebserregern als Auslöser. Dieser Verdacht, der sich letztlich nicht bestätigte, veranlasste den Kläger, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob die damaligen Sanierungsarbeiten, während derer er Asbestfasern eingeatmet hatte, für ihn das Risiko einer Krebserkrankung erhöht haben oder in Zukunft zum Ausbruch einer Krebserkrankung führen könnten.

8

Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihre uneingeschränkte Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aufgrund der in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 geleisteten Sanierungsarbeiten im Asylbewerberheim D, A, entstanden sind und noch entstehen werden, anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine Haftung unter Hinweis auf den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ab.

9

Der Kläger meint, die die Sanierung anordnenden leitenden Mitarbeiter der Beklagten hätten seine gesundheitliche Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen. Da die eingeatmeten Staubfasern dauerhaft in seinem Körper verblieben, sei durch die Sanierungsarbeiten das Risiko einer zukünftigen Erkrankung an Asbestose sowie der Ausbildung von Brustfell- und Lungentumoren begründet worden. Ein das Risiko einer Krebserkrankung ausschließender staubanalytischer Grenzwert bezüglich der Anzahl der Asbestkörperchen pro Kubikzentimeter Lungengewebe könne wissenschaftlich nicht definiert werden. Bereits eine einzige Asbestfaser im Lungengewebe könne ausreichen, den Krebs zu erzeugen.

10

Der Kläger ist der Ansicht, das Einatmen gesundheitsgefährdender, insbesondere krebserregender Stoffe aus asbesthaltigen Materialien für die Dauer von etwa drei Monaten stelle unabhängig von einem darauf beruhenden tatsächlichen Ausbruch einer Krebserkrankung bzw. Begünstigung einer anderweitigen Krankheit eine Gesundheitsverletzung iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar. Bei dem eingeatmeten Chrysotilasbest handele es sich um einen körperfremden Giftstoff. Die Asbestfasern hakten sich im Lungengewebe ein. Bereits dies stelle einen vom normalen und gesunden Organzustand abweichenden Zustand dar. Körpereigene Zellen - sogenannte Fresszellen - versuchten die Fasern zu entfernen und würden hierbei überstrapaziert und zerstört. Hierdurch komme es zu einer schnellen Zellvermehrung, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Zellmutationen und damit die Entstehung von Krebszellen erheblich gesteigert werde. Da es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen durchschnittlich 34,5 Jahre dauere, bis nach einer Asbestbelastung ein Tumor entstehe, wäre ihm zum Zeitpunkt eines eventuellen Erkrankungsausbruches eine Beweisführung zu den Umständen seines Arbeitseinsatzes und zur Intensität der Asbestbelastung nicht mehr oder nur noch unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich. Daher gebiete die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsschutzgarantie eine Feststellung der Schadensersatzpflicht bereits ohne konkrete Anzeichen einer asbestbedingten Krebserkrankung.

11

Letztlich meint der Kläger, es lägen auch die Voraussetzungen einer körperlichen Misshandlung iSv. § 223 StGB vor.

12

Der Kläger hat in der Revisionsinstanz beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der nach Weisung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim in D, A, ausgeführten Arbeiten erleidet, unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, die die Sanierungsarbeiten anordnenden Mitarbeiter S und Sch hätten mit der Anordnung ihre Befugnisse überschritten. Zwar habe dem Abteilungsleiter S die Dienstaufsicht und der konkrete Einsatz der Mitarbeiter des Sozialamtes oblegen, die Anordnung der Durchführung von Sanierungsarbeiten habe aber nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört. Wegen der Befugnisüberschreitung seien auch arbeitsrechtliche Schritte gegen die handelnden Mitarbeiter ergriffen worden.

14

Die Beklagte bestreitet, dass die anordnenden Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt haben. So habe insbesondere auch niemand den Eintritt eines Gesundheitsschadens bei dem Kläger billigend in Kauf genommen. Daher stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers bereits der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII entgegen. Außerdem lägen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Kläger als Folge des Umstandes, dass er asbesthaltiger Luft ausgesetzt gewesen sei, ein Gesundheitsschaden eingetreten sei. Auch habe der Kläger keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den behaupteten Gesundheitsschäden und den im Jahre 1995 durchgeführten Sanierungsarbeiten dargelegt.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

17

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Voraussetzung für den deliktischen Anspruch sei, dass der Kläger darlege und beweise, dass ein Personenschaden (Gesundheitsschaden) durch ein schuldhaft pflichtverletzendes Handeln der Beklagten bzw. einer für diese betrieblich tätigen Person zumindest fahrlässig verursacht worden sei. Der Kläger habe zwar ein zumindest fahrlässiges Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten dargelegt, welches diese sich nach § 831 BGB zurechnen lassen müsse. Dieses könnte auch zu einer Gesundheitsverletzung bei ihm führen. Für eine solche Gesundheitsverletzung im Sinne einer Störung der physischen, psychischen oder mentalen Befindlichkeit mit Krankheitscharakter gebe es jedoch keine begründeten Anhaltspunkte. Es fehle an einem medizinischen Untersuchungsergebnis, aus dem auf eine physische oder psychische Krankheit des Klägers geschlossen werden könne. Die Ansicht des Klägers, dass jeder, der über eine gewisse Zeit asbesthaltige Raumluft einatme, unweigerlich eine Gesundheitsverletzung erleide, überzeuge nicht. Allein die subjektive Vermutung bzw. Befürchtung des Klägers, bei ihm hätten sich Asbestfasern im Lungengewebe verhakt, genüge nicht, um auf das Vorliegen eines Gesundheitsschadens bei ihm schließen zu können. Die Feststellung, ob der Straftatbestand des § 223 StGB erfüllt sei, falle nicht in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

18

II. Die Revision des Klägers ist zulässig.

19

Sie ist gemäß § 74 Abs. 1 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

20

1. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am 20. August 2009 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 18. September 2009, eingegangen an demselben Tag, hat der Kläger unter Beifügung der erforderlichen Anlagen die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren nebst der Beiordnung von Rechtsanwalt H beantragt. Mit Beschluss des Senats vom 21. Oktober 2009, dem Kläger am 2. November 2009 zugestellt, ist dem Kläger für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H beigeordnet worden.

21

Die Revisionsschrift des Klägers vom 10. November 2009 ist am 11. November 2009 eingegangen. Sie enthält den Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

22

2. Dem Kläger war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden verhindert, die einmonatige Revisionsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG(Notfrist, § 548 ZPO) und die zweimonatige (§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) Frist zur Begründung der Revision einzuhalten. Als unverschuldete Verhinderung ist die Bedürftigkeit der Partei anzusehen, wenn diese innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag stellt (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

23

III. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob dem Kläger der geltend gemachte Feststellungsanspruch zusteht, konnte der Senat aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen allerdings nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden.

24

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das nach § 256 ZPO für Feststellungsklagen erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

25

a) Das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens und auch noch in der Revisionsinstanz gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4).

26

Dieses besondere Feststellungsinteresse ist bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden grundsätzlich dann gegeben, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich sind, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind. Es muss allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bestehen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 249/03 - mwN, AP SGB VII § 104 Nr. 4).

27

Das bedeutet, dass ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO wegen eines erst künftig aus einem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadens angenommen werden kann, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist(BGH 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92 - mwN, NJW 1993, 648).

28

b) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist ein Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dass eine Gesundheitsverletzung des Klägers derzeit nicht vorliegt, stehen dem nicht entgegen.

29

aa) Ausweislich der Feststellungen des Arbeitsgerichts im Tatbestand, auf welche im Berufungsurteil ausdrücklich verwiesen wird, ist unstreitig, dass der Kläger bei seiner Beteiligung an den Sanierungsarbeiten Asbestfasern eingeatmet hat, dass das Einatmen asbesthaltiger Raumluft für die Dauer von ca. 100 Stunden zu Ablagerungen von Asbestfasern im Lungengewebe führt und dass hierdurch die Risiken einer chronischen Entzündung in der Lunge und der Ausbildung von Krebszellen erhöht werden. Weiterhin ist ausweislich der Feststellungen unstreitig, dass ein staubanalytischer Grenzwert für die Anzahl der eine Asbesterkrankung auslösenden Asbestpartikel nicht definiert werden kann, dass aber das Risiko einer solchen Erkrankung mit der Intensität und der Dauer der Einatmung asbesthaltiger Luft ansteigt.

30

bb) Damit steht zwar nicht fest, dass beim Kläger durch die Asbestbelastung bereits eine Gesundheitsschädigung eingetreten ist. Allerdings besteht nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine gewisse, dh. hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer solchen. Dies folgt zum einen daraus, dass nach § 1 iVm. Anlage 1 Nr. 4103, 4104 und 4105 der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt sind und somit auch der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass Asbestbelastungen Erkrankungen hervorrufen können. Zum anderen ist auch die Schließung der Kindereinrichtung und die durch das Gewerbeaufsichtsamt angeordnete Einstellung der Arbeiten an dem fraglichen Gebäude in D, A, wegen Asbestbelastung ein Anhaltspunkt für das erhebliche Gesundheitsrisiko von dort zu verrichtenden Arbeiten unter Asbeststaubbelastung. Letztlich war die Tätigkeit des Klägers im Asylbewerberheim vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 auch nicht von solch kurzer Dauer, dass eine Gesundheitsschädigung nach allgemeiner Lebenserfahrung als unwahrscheinlich anzusehen wäre.

31

2. Ob eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen ihre arbeitsvertraglichen Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 618 Abs. 1 BGB) wegen des Haftungsausschlusses nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

32

a) Entgegen der Auffassung der Parteien ist hinsichtlich eines Haftungsausschlusses § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht anwendbar. Diese Bestimmung ist erst zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten. Für vor diesem Zeitpunkt liegendes Unfallgeschehen kann sich ein Haftungsausschluss deshalb nur aus §§ 636 ff. RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung (im Folgenden nur: RVO) ergeben.

33

b) Gemäß § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten zum Ersatz des durch einen Arbeitsunfall erlittenen Personenschadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.

34

aa) Die beklagte Stadt ist Unternehmer (vgl. BGH 22. Februar 1989 - III ZR 234/88 - VersR 1990, 404; OLG Dresden 14. Oktober 1998 - 6 U 1485/98 - NJW-RR 1999, 902; LG Fulda 9. April 1987 - 2 O 389/86 - NJW-RR 1987, 1438). Der Kläger ist ein im Unternehmen der Beklagten tätiger Versicherter iSd. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO.

35

bb) Ob ein Arbeitsunfall anzuerkennen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gelten Berufskrankheiten als Arbeitsunfälle. Berufskrankheiten sind allerdings nur solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet hat. Nach § 1 iVm. Anlage 1 Nr. 4103, 4104 und 4105 der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 sind als Berufskrankheiten ua. anerkannt:

        

- Nr. 4103

Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura,

        

- Nr. 4104

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs

                          

-       

in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose),

                          

-       

in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder

                          

-       

bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]),

        

- Nr. 4105

durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells oder des Perikards.

36

Die vom Kläger dargelegten befürchteten asbeststaubbedingten Erkrankungen entsprechen den Erkrankungen der Nr. 4103 bis 4105 der Anlage 1 zu § 1 der Berufskrankheitenverordnung und sind somit Berufskrankheiten iSv. § 551 Abs. 1 RVO.

37

cc) Der Ausschluss der Haftung entfällt lediglich im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Unternehmer (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO).

38

Die Beklagte als Gebietskörperschaft kann als juristische Person des öffentlichen Rechts Arbeitsunfälle nicht selbst verursachen. Eine solche Verursachung kann nur durch die für sie handelnden Personen erfolgen. Als solche kommen für eine juristische Person deren Organe, gesetzlichen Vertreter sowie Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfen in Betracht.

39

Die Regelungen des Unfallversicherungsrechts bezwecken zum einen den Schutz des Arbeitnehmers. Diesem steht bei einem Arbeitsunfall stets ein leistungsfähiger Schuldner gegenüber. Er ist in der Lage, schnell und wirksam die zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und der wirtschaftlichen Sicherung des Arbeitnehmers erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Ansprüche des Arbeitnehmers werden ohne Verzögerung durch langwierige Streitigkeiten über Verschulden und Mitverschulden und ohne Prozessrisiko von Amts wegen festgestellt. Zum anderen dient der Haftungsausschluss nach §§ 636 ff. RVO auch dem Arbeitgeber. Dieser soll von der zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht freigestellt werden, weil allein die Arbeitgeber die Aufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen haben. Durch die Haftungsersetzung wird das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber kalkulierbar. Weiterhin soll der Haftungsausschluss sicherstellen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Haftung aus Arbeitsunfällen nicht den Betriebsfrieden gefährden. Wenn der Haftungsausschluss auch nicht schlechthin den Frieden zwischen den Arbeitsvertragsparteien garantieren kann, so ist er doch geeignet, Anlässe zu Konflikten im Betrieb einzuschränken. Dass der Haftungsausschluss Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Verletzung des Arbeitnehmers nicht erfasst, rechtfertigt sich aus der Rücksicht auf den Unrechtsgehalt der Tat (vgl. BVerfG 7. November 1972 - 1 BvL 4/71, 1 BvL 17/71, 1 BvL 10/72, 1 BvR 355/71 - BVerfGE 34, 118 = AP RVO § 636 Nr. 6).

40

Dem Arbeitnehmer ist ein Ausschluss von den Schadensersatzansprüchen nicht mehr zuzumuten, wenn er durch ein vorsätzliches Verhalten des Unternehmers, also durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten, geschädigt worden ist. Eine Privilegierung des Unternehmers muss deshalb gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer in einem solchen Falle ausscheiden.

41

dd) Der Unternehmer hat nach § 278 Satz 1 BGB allerdings das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber dem Arbeitnehmer bedient(Erfüllungsgehilfen), in gleichem Umfange zu vertreten, wie eigenes Verschulden.

42

Dies widerspricht nicht dem Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO. Der Grund dafür, dass nach § 278 Satz 1 BGB der Schuldner, der sich bei der Erbringung seiner Leistung der Hilfe eines Dritten bedient, für dessen Verschulden einzustehen hat, liegt darin, dass der Geschäftskreis des Schuldners und damit sein eigener Risikobereich durch die Einschaltung einer solchen Hilfsperson eine Erweiterung erfährt(BGH 8. Februar 1974 - V ZR 21/72 - BGHZ 62, 119). § 278 BGB will den Gläubiger vor möglichen haftungsausschließenden Folgen einer arbeitsteiligen Wirtschaft schützen. Der Schuldner soll sich der Haftung für Leistungsstörungen nicht dadurch entziehen können, dass er Gehilfen einsetzt (BGH 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84 - BGHZ 95, 128). Für die Haftung des Schuldners nach § 278 Satz 1 BGB ist es insbesondere nicht von Bedeutung, ob er bei der Auswahl, Anleitung, Unterweisung oder Beaufsichtigung des Dritten die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt oder gelassen hat. Er muss das Risiko eines fehlerhaften Verhaltens seines Erfüllungsgehilfen deshalb tragen, weil dieser objektiv eine Aufgabe übernimmt, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (BGH 8. Februar 1974 - V ZR 21/72 - aaO). Dieser, das gesamte Vertragsrecht beherrschende Grundsatz erfährt durch § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO nur insoweit eine Einschränkung, als der Unternehmer nicht für die fahrlässige Verursachung eines Arbeitsunfalls durch ihn selbst oder durch seinen Erfüllungsgehilfen haftet. Ist allerdings der Arbeitsunfall des Versicherten (dh. des Arbeitnehmers) durch ein vorsätzliches Verhalten, also ein besonders zu missbilligendes Verhalten eines Erfüllungsgehilfen verursacht worden, gebieten Sinn und Zweck des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht, zugunsten des Unternehmers, der nicht in persona tätig geworden ist, weil er dies nicht wollte oder nicht konnte(zB bei einer juristischen Person als Unternehmer), die Haftungszurechnungsnorm des § 278 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. Eine solche, im Übrigen auch durch den Gesetzeswortlaut nicht gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 278 Satz 1 BGB wäre dem geschädigten Arbeitnehmer auch aufgrund des Unrechtsgehalts der Tat nicht zumutbar.

43

Auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 1970 (- 1 AZR 81/70 - AP RVO § 636 Nr. 4 = EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 6) keine Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 278 BGB im Rahmen des § 636 RVO bei der Verursachung eines Arbeitsunfalls durch einen Erfüllungsgehilfen erkennen lassen(ebenso: LAG Rheinland-Pfalz 8. September 2004 - 10 Sa 263/04 -; LAG Schleswig-Holstein 2. Juni 2009 - 5 Sa 41/09 - LAGE § 104 SGB VII Nr. 2 zu §§ 104 f. SGB VII).

44

ee) Die Beklagte bediente sich zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger ua. des Abteilungsleiters S. Diesem oblag die Dienstaufsicht und der konkrete Einsatz der Mitarbeiter des Sozialamtes. Damit war er Vorgesetzter des Klägers. Ob er sich im konkreten Streitfalle bei der Anweisung des Arbeitseinsatzes des Klägers innerhalb der ihm zustehenden Befugnisse gehalten hat, ist für seinen Status als Erfüllungsgehilfe der Beklagten ohne Belang. Die Stellung als Erfüllungsgehilfe erlischt nämlich nicht dadurch, dass der durch den Arbeitgeber mit gegenüber dem Arbeitnehmer unbeschränkter Weisungsbefugnis ausgestattete Vorgesetzte die ihm im Innenverhältnis eingeräumten Befugnisse überschreitet. Eine solche Überschreitung wird im Regelfalle immer vorliegen, wenn der Vorgesetzte Weisungen erteilt, durch welche der Arbeitnehmer Schäden erleidet, da nicht anzunehmen ist, dass solche Weisungen sich im Rahmen der dem Vorgesetzten vom Arbeitgeber eingeräumten Befugnisse halten.

45

ff) Nach § 278 BGB hat die Beklagte das Verschulden des Abteilungsleiters wie eigenes zu vertreten.

46

Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen(allgemeine Meinung; vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert bzw. wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - aaO).

47

Die Beklagte hatte die sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebende arbeitsvertragliche Verpflichtung, die unter ihrer Anordnung vom Kläger vorzunehmenden Dienstleistungen so zu regeln, dass dieser gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt war, als es die Natur der Dienstleistung gestattete. Daraus ergab sich für die Beklagte die Pflicht, den Kläger nicht mit Tätigkeiten zu beauftragen, bei denen er mit Asbestfasern in Kontakt kam, so dass für ihn die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bestand. Da die Beklagte den Arbeitseinsatz des Klägers durch dessen Abteilungsleiter S, der auch die Dienstaufsicht über den Kläger besaß, anordnen ließ, hat sie sich dessen Verschulden zurechnen zu lassen, wenn dieser den Kläger zu arbeitsvertraglich unzulässigen Arbeiten mit asbesthaltigen Materialien angewiesen hat.

48

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dem Abteilungsleiter S das Vorhandensein asbesthaltigen Materials im Asylbewerberheim bekannt. Dennoch drängte er auf die Fortsetzung der Sanierungsarbeiten durch den Kläger. Deshalb steht fest, dass der Abteilungsleiter den Kläger vorsätzlich mit Tätigkeiten betraut hat, bei denen er mit gesundheitsgefährdenden Materialien in Berührung kam.

49

Damit ist aber noch nicht zwingend davon auszugehen, dass der Abteilungsleiter als Erfüllungsgehilfe der Beklagten und damit letztlich die Beklagte einen möglicherweise noch eintretenden Arbeitsunfall in Form eines Gesundheitsschadens des Klägers aufgrund der Asbestbelastung vorsätzlich iSd. § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO verschuldet hat.

50

Allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten indiziert keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls iSd. § 636 Abs. 1 RVO. Ein solcher ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt, wenn dieser gewollt war (dolus directus) oder sein Eintritt billigend in Kauf genommen wurde (dolus eventualis, vgl. BAG 31. Oktober 1991 - 8 AZR 637/90 - EzB RVO §§ 636, 637 Nr. 5). Der Vorsatz des Schädigers muss nämlich nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Demnach verbietet es sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall gleichzubehandeln (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Diese Rechtsprechung zu §§ 636, 637 RVO ist auch entsprechend auf die Haftungsfreistellung nach §§ 104, 105 SGB VII erstreckt worden(vgl. BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2; 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - aaO).

51

gg) Ob eine vorsätzliche Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls des Klägers in Form einer Gesundheitsschädigung aufgrund der angeordneten Arbeiten unter Asbestbelastung durch den Abteilungsleiter des Klägers im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung vorgelegen hat, kann der Senat nicht feststellen. Dies ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz. Aus diesem Grunde war die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schulz    

        

    Wroblewski    

                 

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.