Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Nov. 2017 - 3 Sa 241/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1113.3Sa241.16.00
bei uns veröffentlicht am13.11.2017

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22.03.2016, Az.: 8 Ca 1564/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag für soziale Sicherung (TV SozSich) verpflichtet ist.

2

Der 1955 geborene Kläger war von 1976 bis 2013 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als Betriebsleiter in B-Stadt gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zumindest 5.654,06 Euro. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 104.000,00 Euro brutto und wechselte dann in eine Transfergesellschaft. Vom 01.11.2013 bis zum 13.04.2015 war er arbeitslos. Für die Zeit ab dem 01.05.2015 existiert ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit dem, in dem der Kläger als „stellvertretender Geschäftsführer" bezeichnet wird. Es ist dort eine Vergütung von 9,00 Euro je Stunde bei einer Arbeitszeit von 22 Stunden in der Woche vorgesehen. Der Kläger legte Arbeitszeitnachweise für Mai 2015 bis Oktober 2015 vor, die jeweils von ihm und der Inhaberin des „N.", Frau D., unterzeichnet sind. Verschiedene Abrechnungen, z. B. für Oktober 2015 (vgl. Bl. 24 d. A.) weisen eine Arbeitszeit von 88 Stunden bei einer Vergütung von 792,00 Euro aus. Hinsichtlich des Inhalts des schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 15 - 17 d. A., hinsichtlich der Zeitnachweise für Mai 2015 bis Oktober 2015 auf Bl. 18 - 23 d. A. sowie hinsichtlich der Lohn- und Gehaltsabrechnungen für Oktober 2015 auf Bl. 24 d. A. Bezug genommen.

3

Die Überbrückungsbeihilfe wird über die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle ausländischer Streitkräfte - abgewickelt. Sie stellte dem Kläger im Zusammenhang mit der Überbrückungsbeihilfe mit Schreiben vom 10.04.2015, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 35 d. A. Bezug genommen wird, Fragen zu der Beschäftigung im. Es folgten darauf hin weitere Fragen im Juli 2015, (Bl. 39 ff. d. A.) und im September 2015 (Bl. 43 d. A.).

4

Mit Wirkung vom 01.02.2016 schloss der Kläger sodann mit dem einen weiteren Arbeitsvertrag über 110 Stunden monatlich, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 124 ff. d. A. Bezug genommen wird.

5

Obwohl im Übrigen die allgemeinen Voraussetzungen zur Zahlung von Überbrückungsbeihilfe in der Person des Klägers gegeben sind, hat die Beklagte die Leistung von Überbrückungsbeihilfe ab Mai 2015 abgelehnt.

6

Der Kläger hat vorgetragen,

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auf den Entgeltabrechnungen ab Mai 2015 seien irrtümlich 88 Stunden angegeben, da der Kläger wie die Beklagtenseite auch laienhaft von 4 Wochen im Monat ausgegangen sei. Tatsächlich habe der Kläger aber durchschnittlich wöchentlich 22 abgeleistet. Der entsprechende Betrag werde von dem auch nachgezahlt. Der Kläger habe sich bemüht, eine adäquate Arbeitsstelle zu finden. Er habe ca. 15 Bewerbungen geschrieben, sei aber zu keinem Bewerbungsgespräch eingeladen worden. Er habe sich sogar bei der Transfergesellschaft selbst beworben. Nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis habe er sich zwar bei einer Vielzahl von Stellen beworben, sei aber zu keinem einzigen Bewerbungsgespräch eingeladen worden.

8

Den kenne der Kläger vom Tanzen mit seiner Frau. Im Übrigen habe er keine verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen zu der dortigen Inhaberin. Er habe im Frühjahr 2015 dort einen Aushang zur Kenntnis genommen, dass Mitarbeiter gesucht würden. Der Kläger habe allerdings nicht kellnern wollen. Die Bezeichnung „stellvertretender Geschäftsführer" sei lediglich gewählt worden, damit der Kläger für weitere Bewerbungen eine bessere Ausgangssituation aufweise. Die Inhaberin des Musikkellers „N." sei nicht Mitglied der DEHOGA. Neben ihm seien 3 weitere Arbeitnehmer beschäftigt mit ähnlicher Vergütung. Die Tätigkeiten entsprächen dem vereinbarten Umfang. Allerdings seien die Zeiten flexibel, ebenso wie die Öffnungszeiten. Die vom Kläger vorgelegten Zeitnachweise stimmten gleichwohl in der Summe, wenn auch nicht in den Anfangs- oder Endzeiten. Es handele sich um einen Saisonbetrieb. Es könne dann auch einmal bis morgens gearbeitet werden. Der Kläger kümmere sich um die Bestellung von Getränken, deren Anlieferung und ordnungsgemäße Abrechnung. Er mache auch persönliche Einkäufe im Globus und plane das Personal. Wenn die Inhaberin nicht anwesend sei, mache der Kläger auch die Kassenabrechnung. Wenn der DJ ausgefallen sei, dann habe er sich als DJ betätigt. Das habe er so gut gemacht, dass er jetzt regelmäßig als DJ arbeite und deshalb sei der Arbeitsvertrag auch im Stundenumfang auf 110 Stunden ausgeweitet worden.

9

Der Kläger sei von seiner Tätigkeit eher am ehesten in die Lohngruppe II des Gaststätten-Tarifvertrages einzugruppieren (angelernte Hilfskräfte). Dort sei ein Stundenverdienst von 9,00 Euro brutto vorgesehen. Seine derzeitige Tätigkeit bestehe im Wesentlichen aus Animation. Dafür gebe es keine Eingruppierung im Tarifvertrag. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Vergütung des Klägers für seine Tätigkeit und eine Vergütung nach dem Tarifvertrag bestehe nicht.

10

Der TV SozSich regele nicht, dass der Kläger zumutbare Arbeit annehmen müsse, wie das etwa im Sozialrecht ausdrücklich vorgesehen sei. Das von der Beklagtenseite in Anspruch genommene Merkblatt mit abweichendem Inhalt sei nicht Bestandteil des einschlägigen Tarifvertrages und folglich auch nicht rechtlich verbindlich. Auch sähe der Tarifvertrag keine Regelung für böswilliges Unterlassen des Erzielens einer höheren als der tatsächlich erzielten Vergütung vor. Selbst wenn ein Arbeitnehmer also zwischen mehreren Jobangeboten wählen könne, sei tarifvertraglich nicht vorgesehen, dass er das am besten bezahlte - im Interesse der Beklagten - annehmen müsse. Es gehe allein darum, ob er mehr als 21 Stunden in der Woche gearbeitet habe und das sei vorliegend gegeben. Es handele sich um einen kleinen Betrieb, in dem die Arbeitszeiten nicht aufgeschrieben würden. Sicher sei aber, dass er im Durchschnitt mehr als 22 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Keineswegs treffe es zu,, dass er nicht ausreichend mit der ADD zusammengearbeitet habe; deren Fragen habe er beantwortet. Er habe entsprechende Informationen an die ADD weitergeleitet und per E-Mail nachgefragt (vgl. Bl. 126 d. A.), ob denn nun alle Informationen zur Entscheidung vorhanden seien. Schließlich müsse hingenommen werden, dass der Kläger sein Recht auf freie Berufswahl so ausübe, dass er sich entscheide, lediglich in Teilzeit zu arbeiten. Wenn dies einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auslöse, dann sei das Konsequenz der Anwendung des Tarifvertrages und keineswegs auf ein unzulässiges und rechtlich zu missbilligendes Verhalten des Klägers zurückzuführen.

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Der Kläger hat beantragt,

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1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 37.261,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

13

4.657,67 Euro seit dem 30.06.2015,

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4.657,67 Euro seit dem 31.07.2015,

15

4.657,67 Euro seit dem 31.08.2015,

16

4.657,67 Euro seit dem 30.09.2015,

17

4.657,67 Euro seit dem 31.10.2015,

18

4.657,67 Euro seit dem 30.11.2015,

19

4.657,67 Euro seit dem 31.12.2015,

20

4.657,67 Euro seit dem 31.01.2016.

21

2. Die Beklagte zu verurteilen, für das Beitragsjahr 2015 einen Zuschuss zur Zusatzversicherung in Höhe von 685,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2015 zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

24

Die Beklagte hat vorgetragen,

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es sei auffallend, dass der Kläger genau zu dem Zeitpunkt, als der Bezug von Überbrückungsbeihilfe ohne eine Beschäftigung ausgelaufen sei, eine Arbeitsstelle gefunden habe. Es sei ein auffälliges Missverhältnis zwischen der erwarteten Überbrückungsbeihilfe und dem Verdienst des Klägers gegeben. Aus den Abrechnungen mit nur 88 Stunden ergebe sich bei zutreffender Teilung durch 4,33 gerade, dass der Kläger nicht mehr als 21 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Auf der anderen Seite habe der Kläger Zeitnachweise für Mai 2015 über 99 Stunden, für Juni 2015 über 90 Stunden und für Juli 2015 über 102 Stunden vorgelegt. Diese führten bei der abgerechneten Vergütung dazu, dass ein Stundenlohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liege. Desweiterhin falle auf, dass immer die gleiche Arbeitszeit, insbesondere bei der Endzeit angegeben werde. Das sei im Gastgewerbe sehr ungewöhnlich, zumal im Internet mit Veranstaltungen mit „open end" (Bl. 83. ff. d. A.) geworben werde. Es spreche vieles dafür, dass es sich bei den Bescheinigungen um Gefälligkeitsbescheinigungen handele. Auch die Auskünfte gegenüber der ADD seien nur unvollständig. Es sei z. B. unklar geblieben, ob der Arbeitgeber des Klägers Mitglied der DEHOGA sei.

26

Es gehe nicht um das Arbeitsverhältnis als Arbeitsverhältnis, sondern vielmehr allein um die Erreichung der Überbrückungsbeihilfe, die das 7,5fache des erzielten Arbeitslohns betrage. Es werde bestritten, dass der Kläger Bemühungen in Richtung einer Vollzeitbeschäftigung unternommen habe. Für einen stellvertretenden Geschäftsführer sei im Tarifvertrag zudem ein Stundenlohn von 13,00 Euro brutto vorgesehen. Diese Vergütung werde sittenwidrig für den Kläger unterschritten. Im Merkblatt zum Tarifvertrag soziale Sicherung sei ausdrücklich vorgesehen:

27

Die Überbrückungsbeihilfe setzt voraus, dass entlassene Arbeitnehmer alles tun, um ein möglichst gleichwertiges Arbeitsverhältnis wieder zu erlangen."

28

Die Direktversicherung von 685,71 Euro nach § 3 Tarifvertrag soziale Sicherung sei an die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe geknüpft.

29

Die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses mit mehr als 21 Stunden in der Woche sei folglich nicht rechtswirksam, da allein rechtsmissbräuchlich und nur darauf ausgerichtet, Überbrückungsbeihilfe zu erlangen. Der Kläger trage keine substantiierten Tatsachen vor, was er mehr als 21 Stunden in der Woche zu welchen Zeiten genau für den getan habe. Dafür trage der Kläger aber die Darlegungs- und Beweislast; er müsse substantiiert darlegen, dass die Voraussetzungen für die tariflich vertraglich vorgesehene Überbrückungsbeihilfe gegeben seien. Zwar trage für Scheinarbeitsverhältnisse derjenige die Beweislast, der sich auf das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses berufe. Diese Grundsätze seien vorliegend nicht anwendbar, weil sie die Fälle erfassten, in denen derjenige, der sich auf das Scheinarbeitsverhältnis beruft, selbst Vertragspartei sei. Darum gehe es vorliegend aber nicht. Vorliegend gehe es um ein Scheinarbeitsverhältnis mit einem Dritten, nämlich der Inhaberin des Musikkellers "N.". Wie bei Sozialleistungen auch müsse der Kläger deren Voraussetzungen darlegen und ggfs. beweisen. Insoweit gebe es einige Ansatzpunkte für das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses. Schließlich sei es nicht Sinn und Zweck des Tarifvertrages, sittenwidrig zu niedrig vergütete Arbeitsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt auch noch zu subventionieren, da die Höhe des Arbeitsverdienstes durch die Aufstockung durch die Überbrückungsbeihilfe letztlich gleichgültig sei. Der Kläger könne seine Arbeitskraft wesentlich wirksamer einsetzen als im . Vor diesem Hintergrund sei eine ganz ähnliche Fallgestaltung gegeben wie in den Fällen, in denen ein Arbeitsverhältnis nur abgeschossen werde, um einen Krankenversicherungsschutz zu erlangen.

30

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage darauf hin durch Urteil vom 22.03.2016 - 8 Ca 1564/15 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 132 - 140 d. A. Bezug genommen.

31

Gegen das ihm am 04.05.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 03.06.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 03.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 01.04.2016 auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 04.08.2016 einschließlich verlängert worden war.

32

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor maßgeblich könne nach der anzuwenden tarifvertraglichen Regelung allein sein, dass die durch den Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit über 21 Stunden pro Woche liegen müsse. Damit sei ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer vereinbarten Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden gemeint, nicht mehr oder nicht weniger. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich mehr als 21 Stunden arbeite oder die Arbeitgeberin ihn ggfs. nicht voll gemäß der Vereinbarung einsetzen könne oder wolle, sei für die tarifliche Voraussetzung nicht maßgeblich. Zunächst einmal könne es schon gar nicht darauf ankommen, ob der Kläger jede Woche tatsächlich mehr als 21 Stunden für die Arbeitgeberin seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt habe. Wenn der Kläger seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ebenfalls im Durchschnitt von 6 Monaten (§ 3 S. 2 ArbZG) erbringe, sei das nicht zu beanstanden. Selbst wenn er aber rein faktisch 21 oder weniger Wochenstunden eingesetzt worden wäre, berechtige dies die Beklagte nicht zur Verweigerung der Überbrückungsbeihilfe. Denn entscheidend sei, dass der Kläger auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitszeitverpflichtung von mehr als 21 Wochenstunden seine Arbeitszeit anbiete und ihm dafür die vertraglich geschuldete Vergütung gezahlt werde.

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Maßgeblich sei deshalb allein, dass er in Übereinstimmung mit Frau D. gemäß der vertraglichen Grundlage vom 02.04.2015 und 29.01.2016 in die Arbeitsabläufe des Tanzkellers "N." eingegliedert gewesen sei und dort Arbeitstätigkeiten nach Anweisung der Inhaberin Frau D. ausgeübt habe. Als Gegenleistung für die versprochene Vergütung habe er Arbeitsleistungen im Umfang von zunächst 22 Stunden pro Woche und später ab dem 01.02.2016 im Umfang von monatlich 110 Stunden zu erbringen gehabt. Die Monatsabrechnungen mit 88 Arbeitsstunden habe auf einem Berechnungsfehler beruht. Die anfänglichen Abrechnungen auf der Grundlage von 88 Stunden im Monat (von Mai bis Oktober 2015) seien offensichtlich falsch gewesen. Mit ihm - dem Kläger - sei vielmehr vereinbart gewesen, dass er 22 Arbeitsstunden wöchentlich und nicht 88 Stunden monatlich zu erbringen habe. Daraus ergebe sich im Durchschnitt eine Vergütung auf der Grundlage von 95,26 Stunden im Monat. Diesen Berechnungsfehler habe Frau D. auch akzeptiert und entsprechende Nachzahlung geleistet. Auch wenn sich die konkreten Arbeitszeiten wegen der Unterschiedlichkeit der Kundenfrequenz eines Tanzlokals, sehr abhängig insbesondere von den örtlichen Gegebenheiten einer Bäderstadt und eines Wohnortes, nach den täglichen Bedürfnissen gerichtet hätten, habe Frau D. doch darauf geachtet, dass der Kläger seine vertragliche Arbeitszeit in vollem Umfang erbracht habe. Seit dem 01.02.2016 habe die monatliche Arbeitszeit des Klägers dann 110 Stunden betragen. Er habe überwiegend seither die Tätigkeit eines Discjockeys ausgeübt. Daneben gehörten zu seinen Tätigkeiten die Organisation des Warenlagers, die Vorbereitung der täglichen Betriebsabläufe und die Vorbereitung und Organisation von Events. Zwischen dem Kläger und Frau D. habe es weder eine offene noch eine verdeckte Absprache des Inhalts gegeben, dass der Kläger berechtigt sein solle, weniger als 22 Wochenstunden zu arbeiten. Ebenso wenig des Inhalts, dass die im Vertrag festgelegten 22 Wochenstunden nur als Formalität und ohne rechtliche Verpflichtung für den Kläger formuliert worden seien, um ihm die Voraussetzungen auf den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu verschaffen. hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 03.08.2016 (Bl. 175 - 189 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 190 - Bl. 192 d. A.) sowie seine Schriftsätze vom 17.11.2016 (Bl. 235 - 243 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 244 - Bl. 247 d. A.), vom 27.07.2017 (Bl. 273 - 278 d. A.) sowie vom 21.09.2017 (Bl. 296 - 300 d. A.) Bezug genommen.

34

Der Kläger beantragt,

35

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22.03.2016 - Az.: 8 Ca 1564/15 - abzuändern.

36

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 56.289,11 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

37

€ 4.459,16 seit dem 01.07.2015

38

€ 4.459,16 seit dem 01.08.2015

39

€ 4.459,16 seit dem 01.09.2015

40

€ 4.459,16 seit dem 01.10.2015

41

€ 4.459,16 seit dem 01.11.2015

42

€ 4.459,16 seit dem 01.12.2015

43

€ 4.459,16 seit dem 01.01.2016

44

€ 4.459,16 seit dem 01.02.2016

45

€ 4.459,16 seit dem 01.03.2016

46

€ 4.398,91 seit dem 01.04.2016

47

€ 4.398,91 seit dem 01.05.2016

48

€ 4.398,91 seit dem 01.06.2016

49

€ 2.199,46 seit dem 01.07.2016

50

zu zahlen.

51

Die Beklagte beantragt,

52

die Berufung zurückzuweisen.

53

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, neben den bereits im erstinstanzlichen Rechtszug geäußerten grundsätzlichen rechtlichen Bedenken gegen die Berechtigung der Klageforderung habe der Kläger in beiden Rechtszügen nicht hinreichend dargelegt, dass das Arbeitsverhältnis auch vollzogen worden sei. Zwar habe der Kläger dargelegt, an welchen Tagen innerhalb welchen Zeitraums er gearbeitet haben wolle. Insoweit habe er Urkunden in den Prozess eingeführt. Er habe aber selbst später eingestanden, dass diese Stundenaufzeichnung frei erfunden gewesen seien. Ferner trage er vor, dass die Drittarbeitgeberin keinerlei Aufzeichnungen habe. Gleiches gelte für ihn selbst. Gleichwohl sei die im Arbeitsvertrag festgelegte Arbeitszeit eingehalten worden. Die Parteien hätten dafür gesorgt, dass Zeiten entsprechend vor- oder nachgearbeitet worden seien. Dieses Vorbringen sei mit Nichtwissen zu bestreiten. Auch im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers widersprüchlich. Er betone einerseits, dass er alle anfallenden Arbeiten im Gastronomiebereich verrichtet habe. Folglich habe er gerade nicht die im schriftlich vereinbarten Arbeitsvertrag vorgesehene Tätigkeit als "stellvertretender Geschäftsführer" ausgeübt. Hinsichtlich des Arbeitsumfanges stütze sich der Kläger andererseits primär auf den schriftlichen Arbeitsvertrag. Ein Parteivortrag zum konkreten Sachverhalt der Lage der Arbeitszeit vermeide er. Des Weiteren behaupte er unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig, die Drittarbeitgeberin habe hinsichtlich Arbeitsinhalt, Umfang und Lage per Direktionsrecht die Arbeitsleistung des Klägers im Einzelfall bestimmt. Dies stehe auch im Widerspruch zu seinem Vorbringen, er sei eingestellt worden, weil sich die Drittarbeitgeberin um ihre pflegebedürftige Mutter gekümmert habe. Denn dies lege doch gerade nahe, dass die Drittarbeitgeberin dann gerade nicht im Betrieb anwesend gewesen sei, um dem Kläger Anweisungen zu erteilen und die Arbeitszeit zu überprüfen. Widersprüchlich trage er auch vor, dass zwar keine Arbeitszeiten aufgezeichnet worden seien, dass aber auf die Einhaltung der 22 Wochenstunden penibel geachtet worden sei. Zwar seien durch die Entscheidung des BAG vom 26.11.2017 - 6 AZR 835/16 - in rechtlicher Hinsicht nicht zahlreiche von der Beklagten angesprochene Einzelpunkte in rechtlicher Hinsicht geklärt. Daran werde folglich nicht festgehalten. Allerdings berufe sich die Beklagte vorsorglich auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Tätigkeit als "stellvertretender Geschäftsführer" mit einer Vergütung von lediglich 9,00 € bzw. 9,50 € pro Stunde sei sittenwidrig niedrig. Der Kläger könne sich nicht mit einem sittenwidrig niedrigen Gehalt zufrieden geben, nur weil der Differenzbetrag durch die Beklagte im Rahmen der Überbrückungsbeihilfe ausgeglichen werde.

54

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 12.09.2016 (Bl.. 197 - 220 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 24.11.2016 (Bl. 250, 251 d. A.) und vom 18.08.2017 (Bl. 287 - 290 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 291, 292 d. A.) Bezug genommen.

55

Das Landesarbeitsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 13.11.2017 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin Frau D.. Hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.11.2017 (Bl. 306, 307 d. A.), hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf wiederum eben diese Sitzungsniederschrift (Bl. 307 - 310 d. A.) Bezug genommen.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

57

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 28.11.2016 und 13.11.2017.

Entscheidungsgründe

I.

58

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

59

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

60

Denn das Arbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage des Klägers in vollem Umfang unbegründet und folglich abzuweisen ist. Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers unterliegt daher der Zurückweisung.

61

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe.

62

Der Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 4 Ziff. 1 lit. a TV SozSich.

63

Danach wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte. Nach der Protokollnotiz zu Ziffer 1 a liegt eine "anderweitige Beschäftigung" in diesem Sinne nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.

64

Nach Maßgabe der Auslegung der insoweit im Gesamtzusammenhang einschlägigen Tarifnormen einerseits und der Anwendung auf den konkret zu entscheidenden Lebenssachverhalt nach Maßgabe des tatsächlichen Vorbringens der Parteien andererseits sowie der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme sind diese Voraussetzungen entgegen der Auffassung des Klägers im hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall vorliegend nicht gegeben. Insoweit enthält der TV SozSich vom 31.08.1971, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang, folgende Regelungen:

65

""§ 2 Anspruchsvoraussetzungen

66

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

67

1. wegen Personaleinschränkung

68

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke

69

b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes

70

entlassen werden, wenn sie

71

2. im Zeitpunkt der Entlassung

72

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,

73

b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,

74

c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,

75

d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

76

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV ALM angeboten worden ist. Als zumutbar gilt jede anderweitige Verwendung im Sinne des § 1 Ziffern 3ff. des Kündigungsschutztarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen und belgischen Stationierungsstreitkräften vom 16. Dezember 1966 - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des KSch TV fällt.

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§ 3 Eingliederung

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1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess  wieder eingegliedert werden.

79

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden.

80

Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (§§ 33ff. AFG: Berufliche Fortbildung und Umschulung) teilzunehmen.

81

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

82

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

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1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

84

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,

85

b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld),

86

c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.

87

2. a) (1) Die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) wird in den Fällen des § 44 Absatz 4, der §§115, 121, 123, 126, 233 Absatz2 AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld berechnet; entsprechendes gilt für die Arbeitslosenhilfe.

88

(2) Für Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosenhilfe nur deshalb nicht erfüllt, weil er im Sinne des § 134 Absatz 1 Nr. 3 AFG nicht bedürftig ist, wird die zuvor zum Arbeitslosengeld gezahlte Überbrückungsbeihilfe innerhalb des Anspruchszeitraumes nach Ziffer 5 insgesamt bis zur Dauer von 52 Wochen - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes - weitergezahlt.

89

b) Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Arbeitsunfall (Ziffer 1c) wird die Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld oder Verletztengeld innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt bis zur Dauer von 12 Wochen gezahlt - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes gemäß Ziffer 5.

90

3. a) (1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand (Umrechnungsformel: wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit x 13:3).

91

Für Arbeitnehmer, deren arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit in den letzten 6 Monaten vor der Entlassung unterschiedlich festgesetzt war, gilt als "arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung" der rechnerische Durchschnitt der letzten 26 Beschäftigungswochen.

92

(2) In den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren ist die Bemessungsgrundlage jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Absatz 2, § 1272 RVO) durch Gesetz angepasst werden.

93

b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) und der gesetzlichen Kranken oder Unfallversicherung (Ziffer 1c) ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen - jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen - auszugehen.

94

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

95

im 1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 v.H.

96

vom 2. Jahr an  90 v.H.

97

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziffer 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2.

98

Wird die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit oder der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt, so ist sie um den zur Deckung der Lohnsteuer erforderlichen Betrag aufzustocken.

99

5. a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung 20 Beschäftigungsjahre (§ 8 TVAL II oder TVB II) und das 55. Lebensjahr, oder 25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

100

b) Arbeitnehmer, die nicht unter Absatz a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung

101

nachzuweisenden Beschäftigungszeit (§ 8 TV ALU oder TV B II) von mindestens

und einem vollendeten Lebensalter von

bis zum Ablauf von

10 Jahren

40 Jahren

2 Jahren

10 Jahren

45 Jahren

3 Jahren

10 Jahren

50 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

40 Jahren

3 Jahren

15 Jahren

45 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

50 Jahren

5 Jahren

102

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

103

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

104

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

105

In Anwendung dieser auf die Streitparteien des Rechtsstreits anzuwendenden Vorschriften ergibt sich vorliegend, dass der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum die tarifvertraglichen Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Ergebnis der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme nicht erfüllt hat mit der Folge, dass die Klage voll umfänglich unbegründet ist.

106

Für die Auslegung von Tarifnormen gelten folgende Grundsätze:

107

Verstößt die Norm eines Tarifvertrags gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Tarifnorm nichtig. Das gilt grds. auch für gleichheitswidrige Tarifverträge. Die Gerichte für Arbeitssachen dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen i.S.v. Art. 100 Abs. 1GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG allerdings nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits. Die Arbeitsgerichte dürfen aber an sich nur die Nichtigkeit der gleichheitswidrigen Rechtsnorm feststellen. Sie dürfen den Tarifvertragsparteien keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489; 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Eine unbewusste Tariflücke darf durch die Gerichte nur dann geschlossen werden, wenn sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Regelung die Tarifvertragsparteien getroffen hätten. wenn sie die Lücke bemerkt hätten (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489). Ergibt die Auslegung eines Tarifvertrages, dass eine Regelungslücke besteht, so ist diese als unbewusst aufzufassen, wenn die fehlende Regelung dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages grds. widersprechen würde. Bewusste Regelungslücken dürften von den Gerichten nicht im Sinne einer ergänzenden Auslegung geschlossen werden (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/2014 S. 14 LS; s. BAG 3.7.2014 6 AZR 753/12 EzA-SD 19/2014 S. 8f. LS; 16.4.2015 - 6 AZR 142/14 - EzA-SD 15/2015 S. 7 LS).

108

Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben andererseits dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (BAG 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Zudem müssen insoweit auch unionsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden (BAG 20.3.2012 EzA § 10 AGG Nr. 5: diskriminierende Urlaubsstaffelung; s.a. BAG 8. 12. 2011 - 6 AZR 319/09; LAG SchlH 31.1.2013 - 5 Sa 248/12, ZTR 2013, 245).

109

Unbewusste Regelungslücken stehen also einer ergänzenden Auslegung durch die Arbeitsgerichte grds. offen. Die gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrages muss aber im Tarifwerk selbst hinreichend sichere Anhaltspunkte finden. Die Arbeitsgerichte dürfen jedoch andererseits nicht spekulativ oder nach eigenen Billigkeitsüberlegungen den nicht mehr erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ersetzen (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/20I4 S. 14 LS; vgl. Dörner / Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß; Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 1 Rnr. 338 ff.).

110

In Anwendung dieser Grundsätze ist das BAG (22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - NZA 1995, 1168) von Folgendem ausgegangen:

111

"1. Überbrückungsbeihilfe wird nach dieser Bestimmung zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1lit. a TV SozSich liegt eine "anderweitige Beschäftigung" nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen erfüllt die dem Kl. angebotene Tätigkeit. Sie liegt außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte und umfasst unstreitig eine wöchentliche Arbeitszeit von 22 Stunden. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht. Darauf, ob die Beschäftigung dem Kl. nach der Zumutbarkeits-Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit angeboten werden könnte, kommt es nicht an. Dafür enthält der Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte. Dies hat das LAG zutreffend angenommen. Ebenso wenig ist entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der dem Kl. angebotenen anderweitigen Beschäftigung ist. Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 lit. a TV   SozSich hat der Kl. einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass die "Beihilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere

112

Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis.

113

2. Auch dem wirklichen Willen der Tarifparteien und damit dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit sie in den Tarifnormen ihren Niederschlag gefunden haben, lässt sich - auch bei Beachtung des tariflichen Gesamtzusammenhangs - nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Das LAG hat zu Recht angenommen, dass die Fallgruppen des § 4 Nr. 1 TV SozSich unabhängig nebeneinander stehen und nicht den Schluss erlauben, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme widerspräche auch dem auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers tariflichen Regelungskonzept.

114

Nach § 3 Nr. 1 TV SozSich soll der entlassene Arbeitnehmer möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden. Demgemäß hat sich der Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 2 S. 1 TV SozSich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitssuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Nach § 4 Nr. llit. bTV SozSich wird in diesem Fall Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld) gezahlt. Der Arbeitnehmer erhält im Fall seiner Arbeitslosigkeit Überbrückungsbeihilfe also nur, wenn er selbst die Voraussetzungen im Sinne §§ 100, 105 AFG dafür schafft, dass er Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhält. Die Überbrückungsbeihilfe soll, sieht man einmal vom Fall des § 4 Nr 2 lit. a (2) TV SozSich ab, nicht die einzige Leistung an den Arbeitnehmer sein, sondern den Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglich bezogenen Arbeitsentgelt bei den Stationierungsstreitkräften und danach bezogenen Leistungen abdecken. Verschafft der Arbeitnehmer sich keine Leistungen nach § 4 Nrn. 1, 2 TV SozSich, erhält er grundsätzlich auch keine Überbrückungshilfe, Daraus wird deutlich, dass die Überbrückungsbelhilferegelung einen Anreiz darstellen soll, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§§ 100, 103 AFG). Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden.

115

Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses. Eher ist das Gegenteil der Fall, wenn man im Sinne des in der Grundsatznorm des § 3 Nr. 1 TV SozSich enthaltenen Wiedereingliederungsgebots die Reihenfolge der in § 4 Nr. 1 lit. a, b TV  SozSich genannten Fallgruppen für maßgebend hält. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kl. die in Buchstabe a genannte Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt verlangt hat.

116

3. Der Anspruch des Kl. entfällt nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Die Bekl. hat keine Tatsachen dafür behauptet, dass der Kl. treuwidrig, etwa durch Scheingeschäft oder, obwohl günstigere Angebote verfügbar sind, für die anderweitige Beschäftigung einen Lohn vereinbaren will, der unter der üblichen Vergütung liegt."

117

Weitere tatbestandliche Voraussetzungen nach Maßgabe der hier anzuwenden Tarifnorm musste der Kläger nicht einhalten; insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten aus der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013  (- 6 AZR 383/12 Beck RS 2014, 67022) nichts anderes. Das BAG (a. a. O.) hat in dieser Entscheidung lediglich angenommen, dass Entgelt, dass aus einem aus der Arbeitslosigkeit heraus erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten Arbeitsverhältnisses erzielt wird, nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen ist. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht Rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienensgrenzen des § 34 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 SGB VI überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Das BAG (a. a. O.) hat insoweit ausgeführt:

118

"3. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bisher vom Senat entschiedenen Fällen. Es geht nicht darum, ob der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe von Anfang an wegen einer Rentenberechtigung des ehemaligen Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte nicht entsteht (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d. TV SozSich) bzw. ob der auf unveränderter Grundlage zu erfüllende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erlischt, sobald der Arbeitnehmer rentenberechtigt ist (§ 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich). Streitentscheidend ist allein, ob der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auf einer neuen Rechtsgrundlage weiter besteht. Der Kläger begehrt für den streitbefangenen Zeitraum die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr wie bis zum Dezember 2010 als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich), sondern als Zuschuss zu einer anderweitigen Beschäftigung iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich, die er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Rentenberechtigung begründet hat. Entgelt, das aus einer solchen, erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten anderweitigen Beschäftigung erzielt wird, ist nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Die Überbrückungsbeihilfe soll, wie ausgeführt, nicht eine als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen, sondern den Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn absichern. Nach seinem Regelungszweck eröffnet der TV SozSich die vom Kläger in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkelt, ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch Überbrückungsbeihilfe zu ergänzendes Arbeitsverhältnis erst zu dem Zeitpunkt zu begründen, ab dem er ohne dieses Arbeitsverhältnis Rente hätte beantragen können und deshalb der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erloschen wäre, nicht. Das liefe auf ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Rente oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zum regulären Rentenbeginn hinaus. Ein solches Wahlrecht besteht jedoch nach der Konzeption der Tarifvertragsparteien gerade nicht (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 11, BAGE 118, 196).

119

4. Das vom Kläger zum 1. Januar 2011 begründete Arbeitsverhältnis war nach diesen Grundsätzen kein Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich. Das aus diesem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt war nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen …"

120

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die insoweit durch das BAG (a. a. O.) entschiedene Rechtsfrage in keinem Zusammenhang zum hier zu beurteilenden maßgeblichen Lebenssachverhalt. Denn dort endete der klägerische Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe deshalb, weil nach dem maßgeblichen Tarifnormen Rentenbezugsberechtigung bestand. Davon ist vorliegend für den streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - gerade nicht auszugehen. Irgendwelche Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich, um die es vorliegend geht, enthält diese Entscheidung nicht.

121

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, aufgrund einer Gesamtwürdigung der im Tatbestand wiedergegebenen Einzelumstände sei davon auszugehen, dass es sich nicht um ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis mit einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden handele, sei Sittenwidrigkeit gegeben, folgt die Kammer dem nicht. Das Vorbringen der Beklagten läuft insoweit letztlich darauf hinaus, über die Behauptungen einer Sittenwidrigkeit, eines Rechtsmissbrauchs im Einzelfall allgemeine anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien aber nicht normiert haben, und die letztlich zu einem verfassungswidrigen (Art. 9 Abs. 3 GG) Ausfüllen einer sicher nicht unbewussten, sondern allenfalls bewussten Regelungslücke durch die Kammer führen würde. Denn es handelt sich insoweit um tatsächliche Umstände, die die Beklagte seit der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (a. a. O.) gleichlautend in vergleichbar gelagerten Sachverhalten, also durchweg und generell - mit Nuancen im Einzelnen - vorbringt, um entsprechende Zahlungen nicht leisten zu müssen, auch wenn, wie vorliegend, in Kenntnis aller Umstände über Jahre hinweg die Zahlungen zuvor beanstandungsfrei geleistet worden sind. Abstrahiert lassen sich die von der Beklagten gewünschten allgemeinen Anforderungen dahin zusammenfassen, dass ein an sich anspruchsberechtigter Arbeitnehmer verpflichtet ist, nicht "unterwertig", also unterhalb seiner zuvor erlangten beruflichen Qualifikation und Berufserfahrung zu arbeiten, er eine langjährige Vergütung nach einer niedrigen tariflichen Lohngruppe nicht akzeptieren darf, insbesondere nicht verbunden mit einer Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen und Stufensteigerungen tarifvertraglicher Normen, er sich nicht auf sehr geringes Entgelt einlassen darf und er schließlich dafür Sorge zu tragen hat, dass gewisse Minimalbedingungen im Hinblick auf eine Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe gegeben sein müssen. Diese Vorstellungen der Beklagten laufen auf eine von ihr offenbar angenommene Verpflichtung des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers hinaus, sich um eine möglichst höchstbezahlte und ebenso möglichst Vollzeitstelle zu bemühen und stehen damit in diametralen Gegensatz zur durch Anwendung der Methoden zur Tarifauslegung gefundenen Rechtsauffassung des BAG (22.12.1994 a. a. O.). Denn danach ist Anspruchsvoraussetzungen gerade nicht eine Vollzeittätigkeit und danach ist es für die Anwendung der maßgeblichen Tarifnormen unerheblich, welche Höhe das Arbeitsentgelt erreicht. Noch weniger ist eine Verpflichtung zur arbeitsgerichtlichen Klärung einer tarifgerechten Entlohnung (vgl. nur § 12 a ArbGG) vorgesehen. Insgesamt ist es im Hinblick auf §§ 162 Abs. 1, 242 BGB nicht zu beanstanden, wenn sich ein vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffener Arbeitnehmer auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlässt, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen."

122

In Anwendung dieser Grundsätze war folglich streitentscheidend darauf abzustellen, ob der Kläger mit der von ihm dargestellten Beschäftigung die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers ist allerdings davon auszugehen, dass aufgrund des Ergebnisses der vor der Kammer im zweitinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme keineswegs nachgewiesen ist, dass der Kläger nicht nur einen schriftlichen, nach § 416 Abs. 1 ZPO zu würdigenden Arbeitsvertrag mit dem gebotenen Inhalt abgeschlossen hat, sondern auch tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 21 Wochenarbeitsstunden abgeleistet hat.

123

Mit den von den Parteien im vorliegenden Rechtsstreit in beiden Rechtszügen vorgelegten Unterlagen einerseits und der Aussage der Zeugin D. andererseits ist die volle Überzeugung der Berufungskammer i. S. d. § 286 Abs. 1 ZPO davon aber nach Maßgabe folgender Grundsätze nicht gegeben:

124

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

125

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

126

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

127

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

128

Die Kammer hat das insoweit entscheidungserhebliche Vorbringen des Klägers im Beweisbeschluss wie folgt zusammengefasst:

129

"Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptungen des Klägers:

130

1. Er sei in Übereinstimmung mit Frau D. gemäß der vertraglichen Grundlage vom 02.04.2015 und 29.01.2016 in die Arbeitsabläufe des Tanzkellers "N." eingegliedert gewesen und habe dort Arbeitstätigkeiten nach Anweisung der Inhaberin Frau D. ausgeübt;

131

2. Als Gegenleistung für die versprochene Vergütung habe der Kläger Arbeitsleistungen im Umfang von zunächst 22 Stunden pro Woche und später hin ab 01.02.2016 monatlich 110 Stunden zu erbringen gehabt;

132

3. Die Monatsabrechnung mit 88 Arbeitsstunden hätten auf einem Berechnungsfehler beruht; die anfänglichen Abrechnungen auf der Grundlage von 88 Stunden im Monat (Mai bis Oktober 2015) seien offenkundig falsch gewesen. Mit dem Kläger sei vereinbart gewesen, dass er 22 Arbeitsstunden wöchentlich und nicht 88 Stunden monatlich zu erbringen habe. Daraus ergebe sich im Durchschnitt eine Vergütung auf der Grundlage von 95,26 Stunden im Monat. Diesen Berechnungsfehler habe Frau D. akzeptiert und die entsprechende Nachzahlung geleistet.

133

4. Auch wenn sich die konkreten Arbeitszeiten wegen der Unterschiedlichkeit der Kundenfrequenz eines Tanzlokals - sehr abhängig insbesondere von den örtlichen Gegebenheiten einer Bäderstadt und eines Wohnortes - nach den täglichen Bedürfnissen gerichtet hätten, habe Frau D. darauf geachtet, dass der Kläger seine vertragliche Arbeitszeit in vollem Umfang erbracht habe.

134

5. Seit dem 01.02.2016 habe die monatliche Arbeitszeit des Klägers 110 Stunden betragen. Der Kläger habe überwiegend seit dem die Tätigkeit eines Discjockeys ausgeübt. Daneben gehörten weiterhin die Tätigkeit und Organisation des Warenlagers, Vorbereitung der täglichen Betriebsabläufe und die Vorbereitung und Organisation von Events zu seinen Aufgaben.

135

6. Zwischen dem Kläger und Frau D. habe es weder eine offene noch eine verdeckte Absprache des Inhalts gegeben, dass der Kläger berechtigt sein solle, weniger als 22 Wochenstunden zu arbeiten. Ebenso wenig des Inhalts, dass die im Vertrag festgelegten 22 Wochenstunden nur als Formalität und ohne rechtliche Verpflichtung für den Kläger formuliert würden, um ihm die Voraussetzungen auf den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu verschaffen."

136

Die vor der Kammer des Berufungsgerichts durchgeführte Beweisaufnahme hat aber nicht zu dem erforderlichen Ergebnis geführt, dass für die vom Kläger behaupteten Tatsachen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit spricht, so dass davon ausgegangen werden könnte, diese Tatsachen für wahr zu erachten. Vielmehr spricht dafür nicht einmal eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, so dass die Beweisaufnahme nicht zu einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit geführt hat, der Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie hier völlig auszuschließen.

137

Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung (S. 8 - 10 = Bl. 138 - 140 d. A.) seine diesbezüglichen Zweifel - wenn auch auf der Ebene des zu würdigenden tatsächlichen Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug - wie folgt dargestellt:

138

"Es ist ihm nicht gelungen substantiiert darzulegen, dass er die Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe erfüllt und er tatsächlich mehr als 21 Stunden in der Woche im tätig ist.

1.

139

Der Sachvortrag des Klägers zu dem Beschäftigungsumfang war in hohem Maße widersprüchlich. Das beginnt mit der Abrechnung von 88 Stunden, wodurch die 21 Stunden in der Woche nicht überschritten werden. Die vom Kläger selbst benannte Zeugin Frau D. hat die Stundennachweise abgezeichnet, deren Daten von den Anfangs- und Endzeiten her nach dem eigenen schriftsätzlichen Sachvortrag nicht zutreffend sein müssen. Falls die Summe der geleisteten Stunden auf den vorgelegten Arbeitszeitnachweisen zutreffen wären, hat es den Kläger in den Monaten nicht gestört, für weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zu arbeiten.

2.

140

Der Kläger hat hinsichtlich des Erreichens von mehr als 21 Stunden in der Woche auf das Zeugnis der Inhaberin, Frau D., verwiesen. Gleichzeitig hat er aber auch erklärt, dass die konkret vorgetragenen Zeiten, die von Frau D. mit ihrer Unterschrift als richtig bestätigt wurden, in den Anfangs- und Endzeiten nicht stimmen müssen. Es gebe überhaupt keine Aufzeichnung, weil es sich um einen Kleinbetrieb handele. Es stellt sich dann die Frage, auf welcher Grundlage die Zeugin D. die Arbeitszeiten gegenüber der ADD und für den Kläger bestätigte und woher dann sichergestellt sein soll, dass mehr als 21 Stunden in der Woche gearbeitet wurden. Ein solcher Sachvortrag ist einer Beweiserhebung nicht zugänglich. Der Beschäftigungsumfang müsste erst von der Zeugin D. erfragt werden, was auf einen zivilprozessual unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen wäre. Der Gegenseite würde außerdem ohne konkrete Angaben der Arbeitszeit mit Anfangs- und Endzeit auch die Möglichkeit genommen, einen Gegenbeweis anzutreten, denn es könnte immer über einen längeren Zeitraum behauptet werden, der Durchschnitt mit mehr als 21 Stunden sei aber erreicht. Daneben spricht auch einiges dafür, dass die Zeugin D. als Zeugin ungeeignet ist. Der Dokumentationspflicht der Arbeitsstunden nach § 17 Abs. 1 Mindestlohngesetz, § 2 a Abs. 1 Nr. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz scheint die Inhaberin des Musikkellers „N." nicht nachgekommen zu sein, denn dann wäre es einfach, die Daten konkret aus den Dokumenten vorzutragen. Ob sich die Zeugin an die konkreten Zeiten, die ja nicht vorgetragen wurden, jetzt noch erinnern kann, ist zweifelhaft".

141

Die Kammer ist insoweit zwar davon ausgegangen, dass das im Beweisbeschluss zusammengefasste Vorbringen des Klägers den an das substantiierte Vorbringen für eine schlüssige Klagebegründung zu stellenden Anforderungen genügt; die Beweisaufnahme hat aber keine volle Überzeugung der Kammer davon zu begründen vermocht, dass das tatsächliche Vorbringen des Klägers zutreffend ist. Vielmehr spricht deutlich mehr dafür, dass die Zeugin und der Kläger vorliegend zwar eine Vereinbarung getroffen haben, dass der Kläger für die Zeugin tätig sein sollte. Der schriftlich abgeschlossene und sodann wiederum schriftlich abgeänderte Arbeitsvertrag ist aber mit dem Inhalt, wie von der Zeugin und dem Kläger behauptet, zu keinem Zeitpunkt tatsächlich vollzogen worden; insofern sprechen die Gesamtumstände durchweg gegen eine derartige Annahme. Das gilt zunächst bereits im Hinblick darauf, dass die Zeugin ausgesagt hat, sie habe für ihr Lokal Unterstützung gesucht, weil sie zum damaligen Zeitpunkt eine pflegebedürftige Mutter zu betreuen hatte und ihr Mann als Lkw-Fahrer unterwegs war. Das spricht dafür, dass die Zeugin zu den Zeiten, zu denen der Kläger gearbeitet hat - um sie zu entlasten - von der Pflegetätigkeit - gar nicht im Lokal anwesend war. Wie die Zeugin dann festgestellt haben will, dass der Kläger die im Beweisbeschluss benannten Arbeitsstunden tatsächlich geleistet hat, erschließt sich nicht. Hinzu kommen die in den Abrechnungen ab Mai 2015 genannten Arbeitszeiten, und zwar sowohl im Hinblick auf deren Lage (Beginn und Ende der Arbeitszeit), als auch deren Umfang. Diese "Zeitnachweise" (Bl. 18 ff. d. A.) weisen einen Tätigkeitsbeginn 20.00 Uhr und Arbeitsende von stets 0:30 Uhr bzw. 1:30 Uhr aus, mit Ausnahme von 2 Stunden pro Woche für Buchhaltung, Warenlager und Einkauf. Dieser Regelmäßigkeit steht von vorneherein deutlich im Gegensatz zur Abhängigkeit der jeweiligen Öffnungszeiten zumindest im Hinblick auf die Schließung des Lokals und anfallenden Arbeitsbedarf. Dieser Gegensatz wird nicht nur nicht behoben sondern verstärkt durch die Aussage der Zeugin, die bekundet hat, dass der Kläger für sie gearbeitet hat, "so wie der Betrieb halt war". Diese Beschreibung ist nachvollziehbar, schließt aber die zuvor dargestellte Regelmäßigkeit der festgehaltenen Arbeitszeiten des Klägers gerade aus. Auch hat die Zeugin bekundet, dass Arbeitsbeginn so zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr war. Davon findet sich in den vorgelegten Aufzeichnungen für die Zeit ab Mai 2015 aber keinerlei Anhaltspunkt, dort ist als Arbeitsbeginn stets 20:00 Uhr festgehalten. Des Weiteren hat die Zeugin ausgesagt, dass bereits um 23:00 Uhr Feierabend sein kann, es aber auch sein kann, dass bis um 1:00 Uhr nachts geöffnet ist. Demgegenüber ist in den schriftlichen Aufzeichnungen zur Vorlage bei der ADD immer von 0.30 Uhr oder 1:30 Uhr die Rede. Des Weiteren hat die Zeugin ausgesagt, dass sie diese Angaben gemacht hat, weil sie von ihr abgefordert wurden, und zwar durch die ADD. Nach ihrer Aussage kommen die Angaben so hin. Sie hat die Zeiten persönlich eingetragen und lediglich eingeräumt, dass sich das manchmal um eine halbe Stunde verschiebt, aber letztlich immer auf dieselbe Zeit heraus läuft. Wie es möglich gewesen sein soll, dies festzustellen und sodann zu bekunden, erschließt sich der Kammer nicht. Denn wenn, wie dargelegt, der Zweck der Tätigkeit des Klägers darin bestand, die Zeugin bei ihrer Pflegetätigkeit zu entlasten, dann konnte das nur dadurch geschehen, dass der Kläger statt ihrer im Lokal anwesend war. Gleichwohl hat die Zeugin ausgesagt, dass der Kläger die Stunden tatsächlich geleistet habe und dies sei auch notwendig gewesen, weil sie ansonsten im Lokal alleine gewesen sei. Worin dann ihre Entlastung von der Pflegetätigkeit bestehen haben soll, erschließt sich nicht. Insgesamt verfestigt sich nach dem Eindruck der Zeugenvernehmung die Annahme, dass der Kläger und die Zeugin durch den schriftlichen Arbeitsvertrag, durch dessen inhaltlicher Änderung und die jeweiligen Arbeitszeitnachweise auf Anforderung der ADD lediglich das vollzogen haben, was erforderlich schien, um pro forma die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen. Nach dem tatsächlichen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen, den vorgelegten Unterlagen und der Zeugenvernehmung vermag es die Kammer aber nicht als wahr erachten, dass die Zeugin und der Kläger ein derartiges Arbeitsverhältnis auch tatsächlich inhaltlich vollzogen haben.

142

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

143

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

144

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Zivilprozessordnung - ZPO | § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung


Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 162 Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts


(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten. (2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 416 Beweiskraft von Privaturkunden


Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer


Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglic

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 9 Feststellung der Rechtswirksamkeit


Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrags ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwis

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Nov. 2017 - 3 Sa 241/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Nov. 2017 - 3 Sa 241/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Oktober 2013 - 5 Sa 81/13 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 03. Juli 2014 - 6 AZR 753/12

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Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juli 2012 - 2 Sa 340/11 - wird zurückgewiesen.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 08. Dez. 2011 - 6 AZR 319/09

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Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Februar 2009 - 8 Sa 1016/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 04. Mai 2010 - 9 AZR 181/09

bei uns veröffentlicht am 04.05.2010

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2009 - 26 Sa 1729/08 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrags ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2009 - 26 Sa 1729/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die tariflichen Aufstockungsbeträge für das Altersteilzeitentgelt anzurechnen sind.

2

Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis seit Januar 2007 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell. Die Arbeitsphase endete am 30. Juni 2009. Die Freistellungsphase soll am 31. Dezember 2011 enden. Die Parteien sind originär und durch vertragliche Bezugnahme an die Tarifverträge der Deutschen Post AG gebunden.

3

Der Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der Deutschen Post AG lautete in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung vom 2. April 1998 (TV ATZ aF) auszugsweise:

        

§ 5 Altersteilzeitentgelt, Aufstockung         

        

(1)     

Während der Altersteilzeit wird das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt auf 89 v. H. des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts unter Zugrundelegung der vor Beginn der Altersteilzeit arbeitsvertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit i. S. des Altersteilzeitgesetzes (Bemessungsgrundlage) aufgestockt (Aufstockungsbetrag).

        

(2)     

Grundlage für die Bemessungsgrundlage ist

                 

-       

das Monatsgrundentgelt in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs. 1 ETV-DP AG aus der Entgeltgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist

                 

-       

das Urlaubsgeld gem. § 7 ETV-DP AG

                 

-       

das 13. Monatsgehalt gem. § 8 ETV-DP AG

                 

-       

die vermögenswirksamen Leistungen

                 

-       

für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 1 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Lohn gem. Anhang 1 Teil A ETV-DP AG

                 

-       

für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 2 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Vergütung gem. Anhang 2 Teil A ETV-DP AG

                 

Ergibt sich für den Arbeitnehmer im Rahmen der arbeitsvertraglich vereinbarten Teilzeitbeschäftigung während der Altersteilzeitarbeit ein Zahlbetrag eines variablen Entgelts gem. Anhang 1 Teil A Abs. 12 bzw. Anhang 2 Teil A Abs. 11 ETV-DP AG, wird dieser Zahlbetrag neben dem Altersteilzeitentgelt und dem Aufstockungsbetrag gezahlt.

        

(3)     

Steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Überzeitarbeit werden nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

                 

Die unregelmäßigen Entgeltbestandteile werden entsprechend dem tatsächlichen Aufkommen gezahlt.“

4

Der Senat entschied mit Urteil vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 16 ff.), dass Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit unregelmäßige Entgeltbestandteile iSv. § 5 Abs. 3 Unterabs. 2 TV ATZ aF seien. Sie seien deshalb zusätzlich zum Altersteilzeitentgelt iSv. § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ aF zu gewähren. Die Beklagte hatte die Zuschläge damals in den monatlichen Entgeltabrechnungen als gesonderte Vergütungsbestandteile ausgewiesen. Sie hatte das effektive Nettoentgelt jedoch nicht erhöht, sondern den Aufstockungsbetrag gekürzt. In der Entscheidung vom 21. November 2006 wies der Senat ua. darauf hin, dass eine Auslegung des TV ATZ aF iSd. der Beklagten zu einem Verstoß der tariflichen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führe. Es sei nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine derartige sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gewollt hätten (- 9 AZR 623/05 - Rn. 19).

5

Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di schlossen am 27. Dezember 2006 den Tarifvertrag Nr. 132, durch den der TV ATZ geändert wurde. Sie vereinbarten dort, dass § 5 Abs. 3 des TV ATZ aF mit Wirkung vom 1. Januar 2007 neu gefasst werde. § 5 Abs. 3 lautet in der geänderten Fassung des Tarifvertrags Nr. 132(TV ATZ):

        

„Die Besitzstandszulage Zulagen/Zuschläge sowie die Zulagen und Zuschläge für tatsächlich erbrachte zulagen- und zuschlagsberechtigte Arbeiten werden nach den tarifvertraglichen Regelungen des ETV-DP AG im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung gezahlt und auf den Aufstockungsbetrag angerechnet.“

6

§ 38 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18. Juni 2003 (MTV-DP AG) bestimmt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

7

Der Kläger leistete von Januar bis Mai 2007 Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Beklagte wies hierfür in den Abrechnungen Zuschläge von insgesamt 470,66 Euro brutto aus und leistete die Zuschläge. Sie rechnete die Zuschläge auf die nach § 5 Abs. 1 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträge an.

8

Der Kläger machte mit Schreiben vom 26. Juni 2007 Ansprüche auf Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für Januar bis Mai 2007 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte wies unter dem 29. Juni 2007 darauf hin, dass die Auszahlung der Zuschläge in den einzelnen Bezügemitteilungen nachzuvollziehen sei.

9

Der Kläger meint, § 5 Abs. 3 TV ATZ sei nichtig, weil er gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der TV ATZ enthalte auch ohne die Anrechnungsregelung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung. Er bleibe in seinen übrigen Bestandteilen wirksam.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 470,66 Euro brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Anrechnung sei schon deshalb nicht gleichheitswidrig, weil keine Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandelt würden. Die Anrechnungsregelung treffe jeden Altersteilzeitarbeitnehmer, wenn er zuschlagspflichtige Leistungen erbringe. Die Anrechnung sei jedenfalls eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Entfernterer Leistungszweck des Aufstockungsbetrags sei es, ältere Arbeitnehmer zum Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen zu bewegen. Näherer Leistungszweck sei es, den bisherigen Lebensstandard des Altersteilzeitarbeitnehmers in etwa abzusichern. Entscheidend sei allein, ob der nähere Zweck die Ungleichbehandlung rechtfertige. Mit Blick auf die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien und nach gebotener Abwägung der Grundrechtspositionen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG sei es nicht zu beanstanden, zur Sicherung des Lebensstandards einen einheitlich errechneten Betrag für jeden Arbeitnehmer zugrunde zu legen. Selbst bei einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz müsse den Tarifvertragsparteien aufgegeben werden, innerhalb angemessener Frist eine Neuregelung zu treffen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 470,66 Euro nebst Zinsen. Der Anspruch ergibt sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ. Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die monatlich geleisteten Aufstockungsbeträge besteht keine Rechtsgrundlage. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist nichtig, weil sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

14

A. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ Anspruch auf Zahlung restlicher Aufstockungsbeträge in Höhe von insgesamt 470,66 Euro für Januar bis Mai 2007.

15

I. Die Beklagte war nach § 5 Abs. 1 TV ATZ verpflichtet, das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt des Klägers für Januar bis Mai 2007 auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(Bemessungsgrundlage) aufzustocken. Die Grundlage der Bemessung ist in § 5 Abs. 2 TV ATZ geregelt. Der Kläger leistete in den Monaten Januar bis Mai 2007 nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) zuschlagspflichtige Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Gesamtwert von 470,66 Euro. Die Beklagte zahlte die Zuschläge für diese Monate an den Kläger. Sie rechnete den Wert der Zuschläge jedoch zu Unrecht auf die monatlichen Aufstockungsbeträge an. Da diese rechtswidrige Berechnung den Anspruch auf Altersteilzeitentgelt nicht mindert, steht dem Kläger noch restliche Altersteilzeitvergütung von 470,66 Euro zu.

16

II. Die Beklagte war nicht berechtigt, auf die Aufstockungsbeträge aus § 5 Abs. 1 TV ATZ die Zuschläge für Januar bis Mai 2007 von insgesamt 470,66 Euro anzurechnen. Dieses Vorgehen entspricht § 5 Abs. 3 TV ATZ. Die tarifliche Anrechnungsbestimmung verstößt aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist nach § 134 Alt. 1 BGB nichtig.

17

1. Nach § 5 Abs. 3 TV ATZ in der zum 1. Januar 2007 geänderten Fassung haben Arbeitnehmer in der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Anspruch auf Zahlung der Zuschläge nach § 15 des Entgelttarifvertrags für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG(ETV-DP AG).

18

a) Die Zuschläge werden nach § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Danach ist die Höhe des Aufstockungsbetrags unabhängig von den jeweiligen Ansprüchen des Arbeitnehmers auf Zahlung von Zuschlägen zu ermitteln. § 5 Abs. 3 TV ATZ bestimmt in der Folge jedoch, dass die nach dem ETV-DP AG gezahlten Zuschläge auf den Aufstockungsbetrag angerechnet werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Zuschläge nicht neben den nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträgen zu leisten sind. Ein Teil der Aufstockungsbeträge wird durch die gezahlten Zuschläge ersetzt. Ansprüche auf Aufstockungsleistungen aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ werden im Ergebnis in Höhe der Zuschläge gekürzt.

19

b) Angesichts der eindeutigen Formulierung in § 5 Abs. 3 TV ATZ und der Tarifgeschichte des vorangegangenen Senatsurteils vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 13 ff.) kommt eine andere Auslegung der Anrechnungsbestimmung nicht in Betracht. Die verfassungskonforme Auslegung einer Tarifnorm ist nur möglich, soweit der im Wortsinn zum Ausdruck kommende Wille der Tarifvertragsparteien sie zulässt. Sie scheidet aus, wenn sie dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien widerspräche (vgl. zur verfassungskonformen Gesetzesauslegung BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 29, EzA BUrlG § 13 Nr. 59).

20

2. Die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung der Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die Aufstockungsbeträge verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifbestimmung ist nichtig.

21

a) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder sie dessen Grundsätze nur mittelbar beachten müssen(für eine lediglich mittelbare Grundrechtsbindung durch die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zB BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26; offengelassen von der st. Senatsrspr., vgl. nur 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 43 mwN). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung bedeutungslos (vgl. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - aaO mwN).

22

b) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normgebung tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen(st. Rspr., vgl. nur BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34; Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Der Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zu der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 56, BVerfGE 122, 210; 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 23, BVerfGE 115, 381).

23

aa) Die gerichtliche Kontrolle wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit der tatsächliche Regelungsbedarf und insbesondere die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie haben bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung einen Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (vgl. für die st. Rspr. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 44; BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, jeweils mwN). Es genügt regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - aaO mwN).

24

bb) Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. nur BVerfG 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 71, 39; BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34). Entsprechendes gilt, wenn Gruppen von Normadressaten gleichbehandelt werden, obwohl zwischen ihnen erhebliche Unterschiede bestehen.

25

c) Gemessen daran ist § 5 Abs. 3 TV ATZ gleichheitswidrig. Durch die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ wird eine Gruppe von Normadressaten ohne sachlichen Grund mit einer nicht vergleichbaren anderen Gruppe gleichbehandelt. Arbeitnehmer im Altersteilzeitarbeitsverhältnis, die während der Arbeitsphase Anspruch auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nach dem ETV-DP AG haben, werden durch die Anrechnung der Zuschlagszahlungen auf die Aufstockungsbeträge mit der Gruppe von Altersteilzeitarbeitnehmern gleichbehandelt, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten versehen (vgl. Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Zwischen den beiden Gruppen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die es nicht rechtfertigen, dass beiden Gruppen in der Summe dieselbe Altersteilzeitvergütung zusteht. Die Anrechnung der geleisteten Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nach § 5 Abs. 3 TV ATZ verringert sach- und gleichheitswidrig das mit bestimmten Erschwernissen erarbeitete Entgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer.

26

aa) Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase, die zuschlagspflichtige Tätigkeiten ausüben, erhalten im Ergebnis denselben auf 89 % des Nettoentgelts aufgestockten Betrag wie nicht zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase (§ 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ). Die beiden Arbeitnehmergruppen werden durch § 5 Abs. 3 TV ATZ hinsichtlich der Aufstockung auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(§ 5 Abs. 1 TV ATZ) ohne sachliche Rechtfertigung gleichbehandelt. Die Zuschläge werden bei der Berechnung des Entgelts zunächst berücksichtigt, dann aber auf die Aufstockungsbeträge angerechnet. Die besondere Erschwernis der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wird damit im Zahlbetrag des Altersteilzeitentgelts nicht abgebildet.

27

bb) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Gruppenbildung nicht deshalb aus, weil Arbeitnehmer in einem Monat zu der Gruppe der Zuschlagsberechtigten und in einem anderen Monat zu der Gruppe der nicht Zuschlagsberechtigten gehören können. Wer Normadressat ist, richtet sich nach den in der Regelung festgelegten Kriterien. Die Aufstockungsleistungen sind monatlich zu zahlende Beträge. Entscheidend ist, ob bestimmte Arbeitnehmer nach der tariflichen Vorschrift innerhalb des monatlichen Abrechnungszeitraums gleichheitswidrig behandelt werden.

28

cc) Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die Aufstockungsbeträge besteht kein sachlicher Grund. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist willkürlich(vgl. zu § 5 Abs. 3 TV ATZ aF Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Der Umstand, dass die Gruppe der betroffenen Altersteilzeitarbeitnehmer anders als die Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer Ansprüche auf Zuschläge gegen die Beklagte hat, ist kein Grund, das Altersteilzeitentgelt dieser Gruppe auf dasselbe Niveau wie das der Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu senken.

29

(1) Eine Gleichbehandlung der beiden Gruppen, deren Verhältnis von dem wesentlichen Unterschied der erschwerten Arbeit der einen Gruppe gekennzeichnet ist, ist nur gerechtfertigt, wenn sich der Grund aus dem Leistungszweck ergibt. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, den Zweck der tariflichen Leistung in Ausübung ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht zu bestimmen. Der Leistungszweck ist der ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder durch Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Auf den Leistungszweck kann mithilfe der Anspruchsvoraussetzungen, der Ausschluss- oder Kürzungstatbestände geschlossen werden (vgl. nur BAG 5. August 2009 - 10 AZR 634/08 - Rn. 32 mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 21; 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 a der Gründe).

30

(2) Der sich aus der Auslegung von § 5 TV ATZ ergebende Zweck der Sicherung des ungefähren Lebensstandards der Altersteilzeitarbeitnehmer führt nicht dazu, dass es sachlich gerechtfertigt ist, das Altersteilzeitentgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer in Höhe der Altersteilzeitvergütung der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu „kappen“.

31

(a) Auf die tariflichen Aufstockungsleistungen werden Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge angerechnet. Mit den Zuschlägen werden jedoch andere Zwecke verfolgt als mit den Aufstockungsbeträgen, die durch die Anrechnung gekürzt werden. Die von § 15 ETV-DP AG begründeten Ansprüche auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit werden gezahlt, weil der Arbeitnehmer die Arbeit unter erschwerten Umständen leisten muss. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer erhalten eine zusätzliche Vergütung als Ausgleich für die sozialen und gesundheitlichen Erschwernisse aufgrund von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ geregelten Aufstockungsbeträge gleichen im Unterschied dazu Verdienstverluste aus, die ein Arbeitnehmer erleidet, weil er seine Arbeitszeit durch Altersteilzeit reduziert. Mit den Aufstockungsbeträgen soll der Übergang in den gleitenden Ruhestand attraktiv gemacht und zugleich in etwa der bisherige Lebensstandard gesichert werden. Die Aufstockungsbeträge orientieren sich aus diesem Grund nicht allein an dem Verdienst, den der Altersteilzeitarbeitnehmer ohne Verringerung der Arbeitszeit hätte beanspruchen können (vgl. zum Zweck von Aufstockungsleistungen Senat 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - Rn. 52 mwN, BAGE 118, 1).

32

(b) Der Bedarf eines Altersteilzeitarbeitnehmers, den Verdienst trotz der verringerten Arbeitszeit in etwa aufrechtzuerhalten, verringert sich nicht deswegen, weil ihm ein finanzieller Ausgleich für die unter erschwerten Bedingungen erbrachte Arbeitsleistung zusteht. Die Zuschläge für die Arbeit unter erschwerten Bedingungen sollen allein die damit verbundenen Nachteile ausgleichen und nicht die Verdienstverluste aufgrund der Arbeitszeitverringerung kompensieren. Zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer erzielen insgesamt eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten ausüben. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer richten ihren Lebensstandard an dem höheren Verdienst aus. Dieser Umstand ist für die Tarifvertragsparteien typisiert betrachtet erkennbar und in der zuschlagsberechtigten Arbeitnehmergruppe nicht auf besondere Fälle beschränkt (vgl. zu der zulässigen typisierenden und generalisierenden Gruppenbildung durch die Tarifvertragsparteien BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28).

33

d) Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die in § 5 Abs. 3 TV ATZ geregelte Anrechnung der Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nicht durch eine Budgetvorgabe für die Finanzierung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen gerechtfertigt werden kann. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien nur einen bestimmten finanziellen Rahmen für Aufstockungsbeträge zur Verfügung stellen wollen, dürfen sie diese Mittel nicht unter Berufung auf ihren Gestaltungsspielraum willkürlich verteilen. Sie müssen die Schutzpflichten beachten, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben. Die Tarifvertragsparteien dürfen ihre Verhandlungspositionen nicht erweitern, indem sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzen(vgl. BAG 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 c bb der Gründe).

34

3. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG führt nach § 134 Alt. 1 BGB zur Nichtigkeit der tariflichen Anrechnungsnorm für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge. § 134 BGB gilt nicht nur für Individualverträge, sondern auch für Tarifverträge(Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 31, AP TVG § 1 Vorruhestand Nr. 33 = EzA SGB IX § 81 Nr. 18). Die übrigen Bestimmungen des TV ATZ bleiben wirksam. Das trifft insbesondere auf § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu, aber auch auf die Regelung in § 5 Abs. 3 TV ATZ, soweit darin auf die Zahlung der Zuschläge nach dem ETV-DP AG verwiesen wird. § 5 Abs. 3 TV ATZ schränkt die Anwendung des ETV-DP AG nicht ein, sondern trifft lediglich eine deklaratorische Verweisungsregelung.

35

a) Verstößt eine Tarifnorm gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Norm nichtig. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auch für gleichheitswidrige Tarifverträge (vgl. 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 25, 42 f.; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 19, 35 f., AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13). Verstöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lösen bei Tarifverträgen und Gesetzen dieselben Rechtsfolgen aus. Soweit den tariflichen Normgebern ein Regelungsspielraum verbleibt, haben die Gerichte für Arbeitssachen ihn zu respektieren (vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 36, aaO).

36

b) Die Arbeitsgerichte dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen iSv. Art. 100 Abs. 1 GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG nur die Parteien, zwischen denen die Rechtskraft bezogen auf den konkreten prozessualen Streitgegenstand wirkt.

37

c) Der Lösungsweg einer Unvereinbarkeitserklärung ist den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich verschlossen (vgl. ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 56; aA Wiedemann/Wiedemann TVG 7. Aufl. Einl. Rn. 248). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der festgestellten Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt verfassungsgemäß umzugestalten(vgl. 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 88, BVerfGE 122, 210). Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 iVm. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG). Eine Unvereinbarkeitserklärung setzt regelmäßig voraus, dass dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 33, BVerfGE 115, 381). Die Arbeitsgerichte dürfen den Tarifvertragsparteien demgegenüber keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (vgl. BAG 13. November 1985 - 4 AZR 234/84 - BAGE 50, 137).

38

d) Der Senat kann offenlassen, ob bei einer gleichheitswidrigen Tarifnorm in bestimmten Sachverhaltsgestaltungen eine befristete Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits in Betracht kommt, um den Tarifvertragsparteien Gelegenheit zu einer tariflichen Neuregelung zu geben (vgl. dazu ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 59 mwN zu der Kontroverse). Der Gleichheitssatz kann im Streitfall auch unter Berücksichtigung der von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nur gewahrt werden, wenn es im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Nichtigkeit der in § 5 Abs. 3 TV ATZ getroffenen Anrechnungsregelung bleibt.

39

aa) Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 43 mwN). Für den streitigen Zeitraum von Januar bis Mai 2007 besteht für die Tarifvertragsparteien keine andere dem Gleichheitssatz genügende Möglichkeit, als an die zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer die ungekürzten Aufstockungsbeträge zu leisten, die sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ ergeben.

40

(1) Tarifnormen unterliegen als Rechtsnormen den rechtsstaatlichen Grenzen der Rückwirkung. Wie bei Gesetzen kommt die rückwirkende Änderung eines Tarifvertrags in Betracht. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tariflicher Regelungen ist aber durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen beschränkt. Es gelten die gleichen Regeln, wie sie das Bundesverfassungsgericht für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitet(vgl. nur Senat 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 24 mwN, EzTöD 600 TV-V § 14 Zusatzurlaub Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 1; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 678/02 - zu A II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 31).

41

(2) Eine Änderung der Regelungen in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ für den Zeitraum von Januar bis Mai 2007 gegenüber nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmern, die ungekürzte Aufstockungsbeträge erhielten, führte zu einer echten Rückwirkung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ließe eine rückwirkende Kürzung nur zu, wenn diese Arbeitnehmer schon im streitgegenständlichen Zeitraum mit einer Änderung des Tarifvertrags hätten rechnen müssen. Das trifft nicht zu. Die Tarifvertragsparteien kündigten damals keine Änderung des Tarifvertrags hinsichtlich der Aufstockungsleistungen an.

42

bb) Die Tarifvertragsparteien vereinbarten die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ erst nach der Senatsentscheidung vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 -). Sie trafen bis heute keine Neuregelung, obwohl sie aufgrund des genannten Senatsurteils damit rechnen mussten, dass die seit 1. Januar 2007 geltende Fassung des § 5 Abs. 3 TV ATZ Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass die Beklagte sich um eine Neuregelung bemüht hätte. Der Rechtsfolge der Nichtigkeit der Anrechnungsvorschrift in § 5 Abs. 3 TV ATZ steht daher auch nicht entgegen, dass die unterbleibende Anrechnung den Kostenrahmen für die Beklagte erweitert. Vertrauensschutz kommt der Beklagten aus denselben Gründen nicht zu.

43

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleibt die Nichtigkeit einzelner Tarifnormen regelmäßig auf die zu beanstandenden Regelungen beschränkt. § 139 BGB ist nicht auf Tarifverträge anzuwenden. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Bestimmung noch eine sinnvolle in sich geschlossene Regelung enthält. Die Nichtigkeit des gesamten Tarifvertrags kann bei Nichtigkeit einzelner Tarifvorschriften nur ausnahmsweise angenommen werden (vgl. zB BAG 12. Dezember 2007 - 4 AZR 996/06 - Rn. 21 mwN, BAGE 125, 169). Auch ohne die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung enthalten der TV ATZ und insbesondere § 5 TV ATZ sinnvolle und in sich geschlossene Regelungen. Die Teilnichtigkeit lässt keine Tariflücke entstehen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ.

44

III. Der Kläger machte die streitgegenständlichen Ansprüche mit Schreiben vom 26. Juni 2007 innerhalb der sechsmonatigen tariflichen Ausschlussfrist des § 38 Abs. 1 MTV-DP AG geltend. Er verlangte zwar die Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für die Monate Januar bis Mai 2007. Für die Beklagte war aber erkennbar, dass es dem Kläger darum ging, eine Altersteilzeitvergütung zu erlangen, die sowohl die ungekürzten Aufstockungsbeträge als auch die Zuschläge umfasste.

45

IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

46

B. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    Pfelzer    

        

    Neumann    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2012 - 10 Sa 199/12 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus Tarifvertrag.

2

Die am 18. März 1970 geborene Klägerin war seit dem 15. September (richtig wohl: Dezember) 2000 bei der Beklagten in deren Betrieb in F beschäftigt. Als Teilzeit-Angestellte verdiente sie zuletzt monatlich brutto 2.059,69 Euro.

3

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 2009 fristgemäß zum 30. Juni 2010. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar (richtig wohl: Juli) 2010 in H an, da sie entschieden hatte, ihren Geschäftssitz dorthin zu verlegen. Die Klägerin nahm dieses Änderungsangebot nicht an. Im nachfolgenden Kündigungsrechtsstreit wurde durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. März 2011 - 10 Sa 1290/10 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30. Juni 2010 beendet worden ist.

4

Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme fanden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für das private Bankgewerbe Anwendung (§ 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 4. Dezember 2000). Zu den anzuwendenden Tarifverträgen gehörten auch die für das private Bankgewerbe vereinbarten Rationalisierungsschutzabkommen (RSchABK). Zwischen den Parteien ist in der Revisionsinstanz nicht mehr streitig, dass die Verlegung des Geschäftssitzes von F nach H eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der Rationalisierungsschutzabkommen darstellt, wohl aber, ob das tarifvertragliche Rationalisierungsschutzabkommen in der ab dem 8. Juli 2004 geltenden Fassung - so die Beklagte - oder in der ab dem 10. Juni 2010 - so die Klägerin - geltenden Fassung Anwendung findet. Die spätere Fassung übernimmt zwar in § 9 RSchABK, der die Abfindungen bei Rationalisierungen regelt, die Anspruchsvoraussetzungen der früheren Fassung, sieht aber ab vollendetem 40. Lebensjahr höhere Abfindungen vor.

5

§ 9 Ziff. 3 RSchABK idF vom 10. Juni 2010 lautet wie folgt:

        

„Führen Rationalisierungsmaßnahmen - auch in Form eines Auflösungsvertrages - zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung. Sie beträgt:

        
        

Betriebszuge-

Alter 

        
        

hörigkeit

40    

44    

48    

52    

56    

        
                 

Monatsgehälter

        
        

10    

4,5     

5       

5,5     

6       

6,5     

        
        

14    

5,5     

6,25   

7       

7,75   

8,5     

        
        

18    

6,5     

7,5     

8,5     

9,5     

10,5   

        
        

22    

7,5     

8,75   

10    

11,25 

12,5   

        
        

26    

-       

10    

11,5   

13    

14,5   

        
                          
        

Für Arbeitnehmer vor Vollendung des 40. Lebensjahres beträgt die Abfindung:

        
        

-       

bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit

1 Monatsgehalt,

        

-       

bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit

2 Monatsgehälter,

        

-       

bei 15-jähriger Betriebszugehörigkeit

3 Monatsgehälter.

        

Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter ist der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgebend.“

        
6

Der Anspruch auf die Abfindung ruht, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt (§ 9 Ziff. 5 RSchABK).

7

Die Klägerin meint, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der ab dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden, da ihr Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 2010 beendet worden sei. Daher habe sie einen Anspruch auf Abfindung iHv. 4,5 Monatsgehältern oder 9.268,61 Euro. Sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen, da sie im Zeitpunkt ihres Ausscheidens am 30. Juni 2010 ihr 40. Lebensjahr vollendet und im 10. Jahr der Betriebszugehörigkeit zur Beklagten gestanden habe. Bei richtiger Auslegung von § 9 Ziff. 3 RSchABK müsse die Betriebszugehörigkeit keine vollen zehn Jahre betragen. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sollten ältere Arbeitnehmer, beginnend mit vollendetem 40. Lebensjahr, gegenüber jüngeren höhere Ansprüche haben. Daher müsse es genügen, wenn sie sich bei Ausscheiden im 10. Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit befunden habe.

8

Unter Berücksichtigung des Berufungsurteils beantragt die Klägerin,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine weitere Abfindung in Höhe von 3,5 Gehältern oder 7.208,92 Euro brutto zu zahlen.

9

Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vertritt die Beklagte zum einen die Auffassung, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der Fassung 2004 anzuwenden, da es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ankomme. Jedenfalls erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine Abfindung in der von ihr verlangten Höhe nicht. Sie sei keine zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen. § 9 Ziff. 3 RSchABK könne nicht so ausgelegt werden, dass bei vollendetem 40. Lebensjahr eine Betriebszugehörigkeit „bis zu 10 Jahren“ oder „im 10. Jahr“ der Betriebszugehörigkeit ausreiche. Es bestehe, soweit eine tarifliche Regelungslücke anzunehmen sei, allenfalls ein Abfindungsanspruch iHv. einem Monatsgehalt.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 4,5 Monatsgehältern stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und eine Abfindung iHv. 2.059,69 Euro brutto, dh. in Höhe eines Monatsgehaltes zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Nach § 9 Ziff. 3 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Rationalisierungsschutzabkommens steht der Klägerin keine höhere Abfindung zu, als ihr insoweit rechtskräftig vom Berufungsgericht zuerkannt wurde.

12

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte schulde der Klägerin eine Abfindung nach § 9 Ziff. 3 Satz 2 iVm. § 3 RSchABK in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Das Arbeitsverhältnis sei durch eine Rationalisierungsmaßnahme beendet worden. Es könne dahinstehen, in welcher Fassung das Rationalisierungsschutzabkommen zur Anwendung komme. Die Klägerin erfülle die in beiden Fassungen gleichen Voraussetzungen für eine Abfindung iHv. 4 oder 4,5 Monatsgehältern nicht. Die für Arbeitnehmer im Alter ab 40 Jahren in § 9 Ziff. 3 RSchABK vorgesehenen höheren Abfindungsbeträge entstünden erst ab einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren. Die tabellarische Angabe „10“ könne nicht iSv. „bis zu 10“ Jahren der Betriebszugehörigkeit ausgelegt werden. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sei es auszuschließen, dass ein Arbeitnehmer mit Vollendung des 40. oder eines höheren Lebensjahres bereits mit dem ersten Tag seiner Betriebszugehörigkeit die erhöhte Abfindung verlangen könne, sofern ihm rationalisierungsbedingt gekündigt werde. Allerdings enthalte das Rationalisierungsschutzabkommen eine unbewusste Regelungslücke für Arbeitnehmer wie die Klägerin. Diese könne durch die Gerichte ohne unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie geschlossen werden, soweit sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergäben, wie die Tarifvertragsparteien nach ihrem mutmaßlichen Willen die nicht berücksichtigte Fallkonstellation geregelt hätten, wenn sie denn die Lückenhaftigkeit erkannt hätten. In den Rationalisierungsschutzabkommen hätten die Tarifvertragsparteien zu erkennen gegeben, dass im Falle des rationalisierungsbedingten Verlustes von Arbeitsplätzen immer Abfindungen gezahlt werden sollten, wenn bestimmte Mindestzeiten an Betriebszugehörigkeit erreicht worden sind. Daher sei nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die erst deutlich nach Vollendung des 40. Lebensjahres in ein Arbeitsverhältnis eintreten, oder sich darin ohne 10-jährige Betriebszugehörigkeit befinden, von jeglicher Abfindungszahlung ausnehmen wollten. Insoweit könne unterstellt werden, dass in solchen Fällen die „normale“ Abfindung des § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK zu zahlen sei. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses noch keine 10-jährige, jedoch eine 5-jährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen habe, stehe ihr ein Monatsgehalt als Abfindungszahlung zu.

13

B. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

14

I. Zu Recht konnte das Landesarbeitsgericht es dahinstehen lassen, welche Fassung des Rationalisierungsschutzabkommens Anwendung findet. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, ihr Fall beurteile sich nach dem höhere Abfindungsbeträge vorsehenden Rationalisierungsschutzabkommen in der Fassung vom 10. Juni 2010, ist die Revision unbegründet. Denn die Klägerin erfüllt die in beiden Rationalisierungsschutzabkommen gleichlautenden Voraussetzungen für eine erhöhte Abfindung nicht.

15

II. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die erstinstanzliche Auslegung der Ziffer „10“ in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK iSv. „im 10. Jahr“ oder „bis zu 10 Jahren“ Betriebszugehörigkeit die zulässigen Grenzen der Auslegung überschritt. Die Ziffer „10“ bedeutet, dass zehn Jahre der Betriebszugehörigkeit am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 9 Ziff. 3 Satz 4 RSchABK) vollendet sein müssen.

16

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, die folgende Tarifgeschichte und ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden, dies ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge. Es gibt nämlich weder einen allgemeinen Erfahrungssatz, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien jeweils den mit einer Tarifnorm verfolgten Sinn und Zweck zum Ausdruck bringen, noch gebietet die juristische Methodenlehre hier eine bestimmte Reihenfolge der Auslegungskriterien (BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14). Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 514/10 - Rn. 26, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 228; 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - Rn. 16, AP BGB § 613a Nr. 392; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 3; 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131 = AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30; 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - zu B II 1 a aa der Gründe, BAGE 73, 364 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 28).

17

2. Der „Wortlaut“ der tabellarischen Ziffernangabe „10“ in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ist allerdings für sich genommen nicht eindeutig und daher grundsätzlich einer Auslegung zugänglich. Bereits die Angabe in einer tarifvertraglichen Tabelle lässt aber systematischen Auslegungsgesichtspunkten besondere Bedeutung zukommen. Gegen die von der Klägerin vertretene und vom Arbeitsgericht übernommene Auslegung spricht zum einen, dass auch die weiteren Steigerungsstufen in der Tabelle von § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK „14, 18, 22 und 26“ ohne jeglichen Zusatz aufgeführt werden. Dass es sich bei den Ziffernangaben um „Jahre“ handeln soll, die nach einem Stichtag, dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, berechnet werden sollen, ergibt sich aus § 9 Ziff. 3 Satz 3 und Satz 4 RSchABK. Aus Satz 3 ergibt sich zudem, dass es sich jeweils um volle Jahre der Betriebszugehörigkeit handeln soll, weil es dort ausdrücklich heißt: „bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit“ usw. Dies verbietet ein Verständnis von „bis zu 5-jähriger Betriebszugehörigkeit“ ebenso wie bis zu 14- oder bis zu 22-jähriger Betriebszugehörigkeit in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK. Eine Auslegung im Sinne von „im 10. Jahr“ oder „im 15. Jahr“ der Betriebszugehörigkeit ist noch ferner liegend und findet weder in Wortlaut noch Systematik des Tarifvertrages eine Stütze. § 9 Ziff. 3 RSchABK stellt erkennbar die Betriebszugehörigkeit als Regelungskriterium an die erste und das Lebensalter, darauf aufbauend, an die zweite Stelle der tariflichen Regelungstechnik. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es dieser tariflichen Struktur widerspräche, wenn ein am Tage der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses über 40-jähriger Arbeitnehmer mit einer nur kurzen Betriebszugehörigkeit („bis zu 10 Jahren“) eine Abfindung von 4 oder 4,5 Bruttomonatsgehältern beanspruchen könnte. Im Übrigen wird im Tarifvertrag hinsichtlich des Lebensalters ausdrücklich von „Vollendung“ der entsprechenden Altersstufen gesprochen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK.

18

III. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass das Rationalisierungsschutzabkommen 2010 ebenso wie die vorhergehende Fassung eine Regelungslücke enthält. Nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift ist eine Abfindung für Arbeitnehmer, die zwar das 40. Lebensjahr schon vollendet haben, jedoch nicht auf mindestens zehn Jahre Betriebszugehörigkeit verweisen können, nicht vorgesehen. Das Landesarbeitsgericht ist rechtlich ebenso zutreffend von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen, wie es diese der Tarifstruktur folgend geschlossen hat.

19

1. Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrages scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht(BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 29). Eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung hat zu unterbleiben, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 30).

20

2. Von einer bewussten Regelungslücke ist nicht auszugehen. Die Tarifvertragsparteien haben eine Abfindung für Arbeitnehmer unter 40 Jahren, die jedoch schon eine 5-jährige Betriebszugehörigkeit aufweisen, in Höhe eines Monatsgehaltes vorgesehen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK. Dass sie demgegenüber eine Abfindung für Arbeitnehmer, die älter als 40 Jahre sind, aber ebenfalls schon eine mindestens 5-jährige Betriebszugehörigkeit vorweisen können, ausschließen wollten, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil sie das Lebensalter ab 40 in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ausdrücklich als abfindungserhöhenden Faktor anerkannt haben. Zudem wäre die bewusste Versagung jeglicher Abfindung für über 40-jährige Arbeitnehmer, die noch nicht zehn Jahre Betriebszugehörigkeit zurückgelegt haben, eine Anknüpfung allein an das Lebensalter, für die ein legitimes Ziel zur Rechtfertigung im Rationalisierungsschutzabkommen nicht erkennbar ist, § 10 Satz 1 AGG.

21

3. Auch die Schließung der unbewussten Tariflücke durch das Berufungsgericht hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

22

a) Eine tarifvertragliche Lücke ist in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge und Systematik des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (vgl. für den Fall der ergänzenden Vertragsauslegung: BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281; BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, BAGE 134, 283 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48). Hierfür ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung.

23

b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht im Fall der Klägerin auf eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes erkannt hat. Für die Höhe der Abfindung haben die Tarifvertragsparteien im Rationalisierungsschutzabkommen die Dauer der Betriebszugehörigkeit als grundlegende Voraussetzung gewählt. Bei einer Betriebszugehörigkeit, die unter fünf Jahren liegt, soll es keine Abfindung geben. Bei (vollendeter) 5-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Monatsgehalt und bei vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit weitere Gehälter, je nach dem, ob das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht oder vollendet ist. Die Klägerin hat eine über 5-jährige Betriebszugehörigkeit, wenn auch noch nicht eine von zehn Jahren vorzuweisen. Sie war am 18. März 2010 40 Jahre alt geworden und ist am 30. Juni 2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Da ihr das höhere Lebensalter am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien nach keine Nachteile einbringen sollte, ist es nach der Struktur und den Wertungen des Tarifvertrages konsequent, ihr ebenfalls ein Monatsgehalt aufgrund ihrer über 5-jährigen Betriebszugehörigkeit zuzusprechen. Dagegen ist anders als nach der Auffassung der Revision weder die auf 4,5 Bruttomonatseinkommen gesteigerte Abfindung zuzusprechen, weil die Klägerin eben noch keine Betriebszugehörigkeit von vollendeten zehn Jahren aufzuweisen hat, noch eine Abfindung „zwischen“ einem Monatsgehalt und 4,5 Monatsgehältern. Dafür bietet das Tarifwerk keine hinreichenden Anhaltspunkte. In § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK wird für unter 40-jährige Arbeitnehmer die Abfindung ebenfalls erst bei „10-jähriger Betriebszugehörigkeit“ auf zwei Monatsgehälter erhöht. Eine solche Betriebszugehörigkeit liegt im Fall der Klägerin gerade nicht vor. Was die Tarifvertragsparteien bei einer „fast 10-jährigen“ Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers mit vollendetem 40. Lebensjahr geregelt hätten, kann dem Tarifwerk nicht entnommen werden und bliebe eine unzulässige, in die Tarifautonomie eingreifende Spekulation der Gerichte. Da an die Stufe der erreichten Betriebszugehörigkeit angeknüpft wird und insofern die unter und über 40-Jährigen gleichbehandelt werden, liegt keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vor. Für eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG sind weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der Klägerin Anhaltspunkte zu entnehmen.

24

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    Wroblewski    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juli 2012 - 2 Sa 340/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung nach einer Herabgruppierung bei vorheriger Vergütung aus einer individuellen Endstufe.

2

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land langjährig als Lehrerin an einer Förderschule beschäftigt. Ausweislich § 2 des Arbeitsvertrags in der Fassung vom 8. Juli/1. August 1992 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechtes - manteltarifrechtliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Nach § 3 dieses Vertrags richtete sich die Eingruppierung nach Abschnitt E der Richtlinien der TdL über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1a zum BAT-O erfassten Angestellten vom 24. Juni 1991. Demnach war die Klägerin in die Vergütungsgruppe IVa BAT-O eingruppiert.

3

Mit Änderungsvertrag vom 1. August 1997 wurde der Klägerin die Funktion der ständigen Vertreterin des Schulleiters einer Förderschule auf Dauer übertragen. § 1 dieses Änderungsvertrags lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Die Eingruppierung bestimmt sich nach § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 08.05.1991 in Verbindung mit den landesbesoldungsrechtlichen Einstufungen vergleichbarer Beamter und erfolgt mit Wirkung vom 01.08.1997 nach Vergütungsgruppe Ib BAT-O.

        

Die Eingruppierung erfolgt nach Maßgabe der für die entsprechende besoldungsrechtliche Einstufung zu beachtenden Schülerzahl. Soweit diese Schülerzahl nach Maßgabe der jährlich amtlichen Schulstatistik unterschritten wird, besteht Einvernehmen, daß die Eingruppierung unter Beachtung der sonst für eine ordentliche Änderungskündigung zu beachtenden Frist entsprechend der dann besoldungsrechtlich vorgesehenen Einstufung angepaßt wird.“

4

Seit dem 1. November 2006 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006. Entsprechend der Anlage 2 Teil B zu § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder erfolgte eine Überleitung von der Vergütungsgruppe Ib BAT-O in die Entgeltgruppe 14 TV-L. Ausgehend von dem nach § 5 TVÜ-Länder zu bildenden Vergleichsentgelt wurde gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder eine Zuordnung der Klägerin zu einer individuellen Endstufe der Entgeltgruppe 14 TV-L vorgenommen. Im November 2006 führte dies zu einer Differenz von 264,98 Euro brutto gegenüber der Endstufe der Entgeltgruppe 14 TV-L.

5

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 teilte das Staatliche Schulamt der Klägerin mit, dass sich ausweislich der amtlichen Schulstatistik die Schülerzahl an der Schule der Klägerin auf 162 verringert habe. Entsprechend der besoldungsrechtlichen Vorgaben erhalte sie deshalb mit Wirkung vom 1. Juli 2010 Vergütung nach „Entgeltgruppe 13 gD TV-L“. Mit Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 vereinbarten die Parteien unter § 1 auszugsweise Folgendes:

        

„Für die Eingruppierung gelten die Abschnitte A und B der Richtlinie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte-Ost (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) in der jeweiligen Fassung in Verbindung mit Anlage 2 Teil B/Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder und den landesbesoldungsrechtlichen Einstufungen vergleichbarer Beamter.

        

Die Eingruppierung erfolgt in die Entgeltgruppe E 13 gD TV-L mit Wirkung vom 01.07.2010.“

6

Bis Juli 2010 erhielt die Klägerin zuletzt 5.131,93 Euro brutto. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem Entgelt nach Entgeltgruppe 14 TV-L in der Stufe 5 iHv. 4.718,19 Euro brutto monatlich. Hinzu kamen für ein Kind der „Besitzstand Ortszuschlag“ iHv. 97,15 Euro brutto sowie als sog. Zulage die auf 316,59 Euro angestiegene individuelle Endstufe. Im Juli 2010 bezog die Klägerin ein Entgelt nach Entgeltgruppe 13 Stufe 5 TV-L iHv. 4.428,29 Euro brutto sowie unverändert einen „Besitzstand Ortszuschlag“ für ein Kind iHv. 97,15 Euro brutto. Es ergab sich ein Betrag von 4.525,44 Euro brutto. Irrtümlich leistete das beklagte Land im Monat Juli 2010 zudem noch die bisherige Zulage iHv. 316,59 Euro, korrigierte dies jedoch durch Aufrechnung in den Folgemonaten. Bezogen auf die bisherige Vergütung von 5.131,93 Euro brutto hatte die Klägerin daher für den Juli 2010 letztlich eine Verminderung iHv. 606,49 Euro brutto zu verzeichnen.

7

Mit ihrer am 3. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Reduzierung ihrer Vergütung gewandt. Die individuelle Endstufe sei auch nach der Herabgruppierung beizubehalten. Sie stehe in keinem Zusammenhang mit gesunkenen Schülerzahlen, sondern sei eine Besitzstandssicherung im Rahmen der Überleitung in den TV-L. Der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 habe nur die Eingruppierung zum Gegenstand. Da der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24. März 2011 erstmals die Auffassung vertreten habe, dass sie (die Klägerin) mit Abschluss dieses Änderungsvertrags unabhängig von einer Tarifautomatik einzelvertraglich in den Wegfall der individuellen Endstufe eingewilligt habe, habe sie noch in dieser Verhandlung - und damit unverzüglich - ihr Einverständnis zum Abschluss dieses Änderungsvertrags wegen Erklärungsirrtums angefochten. Sie sei lediglich mit einer Neueingruppierung einverstanden gewesen.

8

Erstinstanzlich hat die Klägerin deshalb mit vier bezifferten Leistungsanträgen die unveränderte Fortzahlung der bisherigen Vergütung verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin die bisherigen Anträge zurückgenommen und ab dem 1. Juli 2010 eine Vergütung verlangt, die einer Überleitung aus der Vergütungsgruppe IIa BAT-O in die Entgeltgruppe 13 TV-L einschließlich einer individuellen Zwischen- oder Endstufe entspricht.

9

Nach Auffassung der Klägerin ergibt sich dies aus § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L, wonach bei einer Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe die oder der Beschäftige der in der höheren Entgeltgruppe erreichten Stufe zuzuordnen ist. Für den Fall der Überleitung in eine Entgeltgruppe mit einer individuellen Endstufe müsse bei einer späteren Herabgruppierung wiederum eine individuelle Zwischen- oder Endstufe gebildet werden. Die „erreichte Stufe“ iSd. § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L sei die individuelle Endstufe. Anderenfalls sei eine stufengleiche Zuordnung nicht möglich und es liege eine Tariflücke vor. Im Fall einer bewussten Regelungslücke hätten die Tarifvertragsparteien gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn die Herabgruppierung bei einer individuellen Endstufe eine Reduzierung des Einkommens zur Folge hätte. Dies zeige sich durch den Vergleich mit der Vergütung einer Kollegin, welche nicht als ständige Vertreterin des Schulleiters fungiert. Bei einer Überleitung in die Entgeltgruppe 13 TV-L mit einer individuellen Endstufe behalte diese Kollegin die Endstufe. Eine Herabgruppierung wegen sinkender Schülerzahlen finde nicht statt. Demgegenüber führe die Herabgruppierung für sie (die Klägerin) zu einem Verlust der individuellen Endstufe mit der Folge eines im Verhältnis zu ihrer Kollegin um 126,67 Euro brutto monatlich niedrigeren Einkommens. Hierfür habe sie zusätzlich die Belastung als Mitglied der Schulleitung zu tragen. Für diese Schlechterstellung bestehe kein ausreichendes Differenzierungskriterium.

10

Im Fall einer unbewussten Regelungslücke sei diese durch die entsprechende Anwendung der für Herabgruppierungen bis zum 1. November 2008 geltenden Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder zu schließen. Danach werden Beschäftigte bei Herabgruppierungen in der niedrigeren Entgeltgruppe derjenigen individuellen Zwischenstufe zugeordnet, die sich bei einer Herabgruppierung im Oktober 2006 ergeben hätte. In entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder sei in ihrem Fall die individuelle Zwischen- oder Endstufe maßgeblich, die sich bei einer fiktiven Herabgruppierung von der Vergütungsgruppe Ib BAT-O in die Vergütungsgruppe IIa BAT-O im Oktober 2006 und der daraus folgenden Überleitung in die Entgeltgruppe 13 TV-L ergeben würde.

11

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 1. Juli 2010 eine Vergütung zu zahlen, die einer Überleitung aus der Vergütungsgruppe IIa BAT-O am 1. November 2006 in die Entgeltgruppe 13 TV-L einschließlich einer individuellen Zwischen- oder Endstufe entspricht.

12

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag mit dem Fehlen einer Anspruchsgrundlage begründet. Die wegen reduzierter Schülerzahlen erfolgte Herabgruppierung führe nach den tariflichen Vorgaben zum Verlust der individuellen Endstufe. § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder gelte nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für Herabgruppierungen vor dem 1. November 2008. Die vorliegend im Jahr 2010 erfolgte Herabgruppierung führe folglich zu einer Stufenzuordnung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L. Danach sei die Zuordnung zu einer individuellen Zwischen- oder Endstufe nicht mehr vorgesehen. Die Zahlung der individuellen Endstufe nach § 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder gelte nur für die Dauer des Verbleibs in dieser Entgeltgruppe.

13

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Der zuletzt gestellte Antrag setzt eine wirksame Herabgruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L und hinsichtlich der Stufenzuordnung eine Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder voraus. Die Parteien haben mit dem Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 zwar eine solche Herabgruppierung wirksam vereinbart. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung entsprechend einer fiktiven Überleitung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder.

15

I. Die Parteien vereinbarten in § 1 des Änderungsvertrags vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 wirksam eine Herabgruppierung von der Entgeltgruppe 14 TV-L in die Entgeltgruppe 13 TV-L. Hiervon geht nach Änderung des Klageantrags nunmehr auch die Klägerin aus.

16

1. Wegen der vereinbarten Anwendbarkeit beamtenrechtlicher Regelungen bedurfte es zur Wirksamkeit einer Herabgruppierung einer Vertragsänderung.

17

a) Nach § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 sind die angestellten Lehrkräfte in diejenige Vergütungsgruppe des BAT-O eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Auf diese Tarifvorschrift nehmen die Richtlinien der TdL über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) in Abschnitt A Nr. 1 Bezug (zu deren Fortgeltung ab dem 1. Januar 2012 vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 7 Satz 2 TVÜ-Länder).

18

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt bei Anwendbarkeit des § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 in der dauerhaften Übertragung einer Schulleiterstelle zugleich die Begründung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf die der übertragenen Stelle entsprechende Vergütung (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 21). Dies entspricht der Gleichstellung mit den beamteten Lehrkräften. Im Grundsatz ist daher auch bei einem Absinken der Schülerzahlen unter den für die Eingruppierung maßgeblichen Schwellenwert die mit der ursprünglich übertragenen Funktion verbundene Vergütung fortzuzahlen. Eine Herabgruppierung erfordert eine Änderungsvereinbarung oder eine sozial gerechtfertigte Änderungskündigung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass dem für die beamteten Lehrkräfte maßgeblichen Beamtenrecht eine Tarifautomatik fremd ist (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 21; 12. März 2008 - 4 AZR 93/07 - Rn. 19 ff., BAGE 126, 149).

19

c) Der Klägerin wurde mit dem Änderungsvertrag vom 1. August 1997 formell die Funktion der ständigen Vertreterin des Schulleiters auf Dauer übertragen. Zudem wurde in diesem Vertrag § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 in Bezug genommen und die Eingruppierung der Klägerin an beamtenrechtliche Regelungen gekoppelt. Folglich bedurfte es für eine wirksame Herabgruppierung wegen gesunkener Schülerzahlen einer Änderungsvereinbarung oder einer sozial gerechtfertigten Änderungskündigung.

20

2. In § 1 des Änderungsvertrags vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 haben die Parteien mit Wirkung ab dem 1. Juli 2010 ausdrücklich eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L und damit ausgehend von der Entgeltgruppe 14 TV-L eine Herabgruppierung vereinbart. Auch die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag den Änderungsvertrag dahingehend verstanden, dass ab dem 1. Juli 2010 eine Änderung der Eingruppierung erfolgen soll.

21

3. Der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 ist nicht aufgrund der Anfechtung der Klägerin als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB). Die auf § 119 Abs. 1 BGB gestützte Anfechtungserklärung erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24. März 2011 und damit nicht mehr unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB.

22

a) Nach dieser Vorschrift muss die Anfechtung unverzüglich - dh. ohne schuldhaftes Zögern - vorgenommen werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu erklären (vgl. BVerwG 10. März 2010 - 6 C 15.09 - Rn. 21; BGH 15. März 2005 - VI ZB 74/04 - zu II 1 a der Gründe).

23

b) Das war hier nicht der Fall. Die Klägerin erlangte von dem Wegfall der individuellen Endstufe in Folge der neuen Eingruppierung spätestens mit Erhalt der Lohnabrechnung für den Monat August 2010 Kenntnis. Nach der aus Sicht des beklagten Landes versehentlichen Weiterzahlung der individuellen Endstufe im Juli 2010 erfolgte im August 2010 nicht nur die Reduzierung um die individuelle Endstufe, sondern auch der erste Teil der Aufrechnung wegen der Überzahlung im Vormonat. Die Klägerin konnte dies anhand der Höhe der bezahlten Beträge feststellen. Soweit sie die Anfechtung darauf gestützt hat, dass der Vertreter des beklagten Landes erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24. März 2011 von einem vertraglich vereinbarten Wegfall der individuellen Endstufe ausging, stellt dies nicht die Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund dar. Das beklagte Land hatte bereits mit der Klageerwiderung vom 8. Februar 2011 deutlich gemacht, dass es den Wegfall der individuellen Endstufe auf die vertraglich vereinbarte Herabgruppierung mit der Folge einer Vergütung nach Entgeltgruppe 13 Stufe 5 TV-L zurückführt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Entfall der individuellen Endstufe unmittelbar auf die vertragliche Vereinbarung oder auf die vertraglich festgelegte Herabgruppierung in Verbindung mit den tariflichen Vorgaben zur Stufenzuordnung zurückzuführen ist. Die Grundlage ist in beiden Fällen der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010. Dies ist klar erkennbar, weshalb eine entschuldbare Verzögerung der Anfechtung wegen Rechtsirrtums nicht in Betracht kommt.

24

c) Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Wirkung ihrer Anfechtungserklärung durch einen konkludent erklärten Widerruf im Rahmen der Antragsänderung beseitigen konnte oder ob die Anfechtungserklärung wegen ihrer gemäß § 142 Abs. 1 BGB rechtsgestaltenden Wirkung grundsätzlich unwiderruflich ist(vgl. MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 143 Rn. 5; BeckOK BGB/Wendtland Stand 1. Mai 2014 BGB § 143 Rn. 2; Palandt/Ellenberger BGB 73. Aufl. § 143 Rn. 2, Überbl. vor § 104 Rn. 17; zur Unwiderruflichkeit einer Gestaltungserklärung vgl. BAG 21. März 2013 - 6 AZR 618/11 - Rn. 15).

25

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung entsprechend einer fiktiven Überleitung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder.

26

1. Ein solcher Anspruch lässt sich den einzelvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht entnehmen. Der Änderungsvertrag vom 14. Dezember 2009/19. April 2010 enthält ebenso wie die im Übrigen weitergeltenden Regelungen der Verträge vom 1. August 1997 und 8. Juli/1. August 1992 keine Regelungen zur Stufenzuordnung. Eine sonstige individuelle Zusage bezüglich einer (übertariflichen) Stufenzuordnung ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

27

2. Auch die durch Bezugnahme zum Vertragsinhalt gewordenen LehrerRichtlinien-O der TdL enthalten bezüglich der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L keine Regelungen zur Stufenzuordnung.

28

3. Die Stufenzuordnung richtet sich daher nach den Vorgaben der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden tariflichen Regelungen des TVÜ-Länder und des TV-L. Der geltend gemachte Anspruch kann aber nicht auf tarifliche Normen gestützt werden.

29

a) Der gestellte Antrag entspricht einer fiktiven Überleitung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder. Diese Tarifnorm gilt ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts jedoch nur für Herabgruppierungen vor dem 1. November 2008, so dass ihre direkte Anwendung auf die zum 1. Juli 2010 erfolgte Herabgruppierung der Klägerin nicht in Betracht kommt. Davon geht auch die Revision aus.

30

b) Entgegen der Revision kann die begehrte fiktive Überleitung entsprechend § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder nicht auf § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L gestützt werden.

31

aa) Diese Regelung gilt für Herabgruppierungen nach dem 1. November 2008 (Sponer/Steinherr TV-L Stand Januar 2007 § 6 TVÜ-L zu 6.6). In einem solchen Fall ist der oder die Beschäftigte der in der höheren Entgeltgruppe erreichten Stufe zuzuordnen.

32

bb) Für Herabgruppierungen aus einer individuellen Endstufe enthält § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L keine Regelung(Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand November 2013 Teil II § 17 Rn. 63 iVm. Rn. 205a zu TVÜ-Länder Stand Dezember 2009 Teil IV/3 6.8; Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 69). Der Begriff der „Stufe“ in § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L kann nicht als individuelle Endstufe verstanden werden mit der Folge, dass der Beschäftigte in der niedrigeren Entgeltgruppe unverändert seiner individuellen Endstufe zugeordnet bliebe. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L und seinem systematischen Zusammenhang. § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L sichert die Beibehaltung der „erreichten“ Stufe. Die Verwendung dieses Begriffes entspricht § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L und macht deutlich, dass § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L die Stufenzuordnung innerhalb des Systems des TV-L regelt. Die individuelle Endstufe ist demgegenüber ein „Instrument des Überleitungstarifrechts zur Sicherung des materiellen Besitzstands von Beschäftigten“ (so Felix in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L Stand Juni 2013 Bd. I § 17 Rn. 61a). Sie wurde nicht nach § 16 Abs. 3 TV-L erreicht, sondern im Rahmen der Überleitung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 iVm. § 5 TVÜ-Länder gebildet. § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L stellt keinen Bezug zu Überleitungsvorschriften des TVÜ-Länder her, sondern nimmt eine stufengleiche Zuordnung nach den Stufen der Entgelttabelle gemäß § 16 Abs. 3 TV-L vor.

33

cc) Dies hat zur Konsequenz, dass nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L der oder die Beschäftigte auch im Fall der Herabgruppierung aus einer individuellen Endstufe höchstens der Endstufe der neuen niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist(so auch Bredemeier/Neffke/Zimmermann TVöD/TV-L 4. Aufl. § 17 Rn. 28). Folglich kann - wie im Fall der Klägerin - eine Herabgruppierung aus einer Entgeltgruppe mit einer individuellen Endstufe in eine niedrigere Entgeltgruppe bei einer Vergütung nach deren höchster regulärer Stufe zu einem durch die neue Stufenzuordnung verstärkten Einkommensverlust führen.

34

dd) Dem steht die von der Revision angeführte Entscheidung des Senats vom 14. April 2011 - 6 AZR 726/09 - nicht entgegen. Sie befasst sich bezogen auf den Fall einer Herabgruppierung nur mit dem Anspruch auf Strukturausgleich gemäß § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005 und dabei insbesondere mit der Stichtagsregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund.

35

ee) Zur wortgleichen Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 5 TVöD-AT hat das Bundesministerium des Innern mit Rundschreiben vom 22. Juli 2010 (Az. - D 5 - 220 210 - 2/17 -) unter 3.1 festgestellt, dass Beschäftigte in einer individuellen Endstufe nach Herabgruppierung der Endstufe der neuen niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet werden. Bei Herabgruppierung im Einvernehmen mit dem Beschäftigten aus einer individuellen Endstufe werde aber übertariflich eine persönliche, abbaubare Besitzstandszulage in Höhe der Differenz zwischen der individuellen Endstufe der bisherigen Entgeltgruppe und der regulären Endstufe der neuen niedrigeren Entgeltgruppe gewährt. Damit wurde für die betroffenen Beschäftigten des Bundes ein übertariflicher Ausgleich geschaffen. Das beklagte Land hat eine solche Zusage nicht gegeben.

36

c) Eine ergänzende Auslegung des § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L im Sinne der Revision durch eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder ist dem Senat nicht möglich.

37

aa) Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 59; 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 29 mwN; vgl. auch BVerfG 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08 - Rn. 29, BVerfGK 17, 203 ).

38

bb) Es ist schon nicht erkennbar, ob bezüglich der Stufenzuordnung bei einer Herabgruppierung aus einer Entgeltgruppe mit einer individuellen Endstufe eine unbewusste Regelungslücke besteht.

39

(1) In der Literatur wird angenommen, dass eine solche Lücke vorliege, weil in allen tariflichen Überleitungsregeln des TVÜ-Länder mindestens der bisherige finanzielle Besitzstand eines aus dem alten Tarifrecht übergeleiteten Beschäftigten abgesichert werde (vgl. §§ 8, 9, 11 TVÜ-Länder). Ein sachlicher Grund, warum gerade die Herabgruppierung aus einer individuellen Endstufe nicht mit einer Besitzstandsregelung tariflich geregelt worden ist, sei bei der Fülle der tariflichen Besitzstandsregelungen nicht zu erkennen. Die unbewusste Regelungslücke sei durch die Zahlung einer nicht dynamischen Besitzstandszulage zu schließen (so Felix in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TV-L Stand Juni 2013 Bd. I § 17 Rn. 61d, 61g).

40

(2) Der Blick auf die ausgeprägte Besitzstandssicherung durch den TVÜ-Länder ist kein zwingendes Argument für die Annahme einer unbewussten Regelungslücke in § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L. Ebenso denkbar wäre, dass die Tarifvertragsparteien des TV-L gerade keine Besitzstandssicherung vornehmen wollten. Nach dem Auslaufen der Übergangsvorschriften ist der spezifische Zweck der Absicherung der Beschäftigten anlässlich der Überleitung in den TV-L entfallen. Die Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe im System des TV-L kann auch als Zäsur verstanden werden, welche bewusst zu einem Wegfall der individuellen Endstufe führen soll. § 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder begründet den Anspruch auf Vergütung nach einer individuellen Endstufe nur, solange sich die Eingruppierung nicht ändert(vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Juni 2013 Teil B 3 § 6 TVÜ-Länder Rn. 28).

41

cc) Sollten die Tarifvertragsparteien für den Fall einer Herabgruppierung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L bewusst keine Besitzstandsregelung zur Abmilderung des Verlustes einer individuellen Endstufe getroffen haben, würde dies nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

42

(1) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58). Verfassungsrechtlich erheblich ist nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 28). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60).

43

(2) Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die Klägerin nach dem Verlust der individuellen Endstufe nunmehr im Ergebnis weniger verdient als eine Lehrerin, welche nicht als Stellvertreterin des Schulleiters fungiert und ohne Herabgruppierung unverändert nach einer individuellen Endstufe in der Entgeltgruppe 13 TV-L vergütet wird. Dies begründet aber keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Wegen der Herabgruppierung sind unterschiedliche Sachverhalte gegeben. Die Herabgruppierung stellt einen vergütungsrechtlichen Einschnitt dar, welcher das Erfordernis einer erneuten Stufenzuordnung mit sich bringt. In diesem Zusammenhang ist es grundsätzlich Aufgabe der Tarifvertragsparteien darüber zu befinden, ob der mit einer Herabgruppierung zwangsläufig zu verzeichnende Einkommensverlust durch die Stufenzuordnung teilweise kompensiert oder verstärkt wird. Durch die mit § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L vorgenommene stufengleiche Zuordnung haben sich die Tarifvertragsparteien für eine beschränkte Besitzstandswahrung bzgl. der „erreichten“ Stufe entschieden.Die finanziellen Folgen der Herabgruppierung sollen damit abgemildert werden (vgl. BVerwG 13. Oktober 2009 - 6 P 15.08 - Rn. 55). Es wäre nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien keine weitere Besitzstandswahrung bezüglich einer individuellen Endstufe vornehmen wollten. Dies würde der in § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder zum Ausdruck kommenden zeitlichen Begrenzung des Schutzes einer individuellen Endstufe bei einer Herabgruppierung entsprechen.

44

(3) Der Gleichheitssatz ist auch nicht verletzt, weil bei einer Höhergruppierung die Stufenzuordnung nicht stufengleich erfolgt, sondern sich gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 TV-L an der Höhe des bisherigen Entgelts orientiert(vgl. zu § 17 Abs. 4 TVöD-AT BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 18). Die Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe stellt einen anderen Sachverhalt dar als die Eingruppierung in eine niedrigere Entgeltgruppe. Die Entgeltsicherung bei der Höhergruppierung soll den Verlust der in der niedrigeren Entgeltgruppe erreichten Stufenzuordnung und Stufenlaufzeit ausgleichen. Bei einem Einkommensverlust wäre anderenfalls die Bereitschaft geeigneter Beschäftigter, eine höher eingruppierte Tätigkeit zu übernehmen, beeinträchtigt. Die Situation ist nicht vergleichbar mit der einer ohnehin mit einer Vergütungsabsenkung behafteten Herabgruppierung.

45

dd) Der Verlust einer individuellen Endstufe würde auch unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die individuelle Endstufe ist - wie dargelegt - ein Element der Besitzstandswahrung des Überleitungsrechts. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die vergleichbaren Überleitungsregelungen in den TVöD als angemessen und erforderlich angesehen, weil es sich dabei um Regelungen mit Übergangscharakter handelt und die Fortwirkung der wegen der Vergütung nach Lebensaltersstufen im BAT/BAT-O gegebenen Altersdiskriminierung schrittweise nach Maßgabe der Entwicklung der Vergütung der Angestellten verschwinden werde (vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 25, BAGE 140, 83; 19. Februar 2013 - 6 AZN 2338/12 - Rn. 3; EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 96, 99, Slg. 2011, I-7965; zum Besoldungsrecht EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 53 f.). Der Verlust der individuellen Endstufe bei einer Herabgruppierung nach dem 1. November 2008 entspricht diesem Ansatz.

46

ee) Sollte § 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L eine unbewusste Regelungslücke im Hinblick auf das Schicksal einer individuellen Endstufe bei einer Herabgruppierung enthalten, könnte diese nicht - wie von der Revision angenommen - durch die analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder geschlossen werden. Eine tarifliche Regelung wäre vielmehr wegen mehrerer Möglichkeiten der Lückenschließung den Tarifvertragsparteien vorbehalten.

47

(1) Die Tarifvertragsparteien könnten den durch die Kombination von Herabgruppierung und Wegfall der individuellen Endstufe verstärkten Einkommensverlust durch die Gewährung einer Besitzstandszulage ausgleichen. In diesem Fall hätten sie darüber zu entscheiden, ob die Zulage zeitlich begrenzt werden soll. Hinsichtlich der Höhe der Zulage wäre ferner zu bedenken, ob eine Dynamisierung oder ein Abschmelzen durch Anrechnung auf Tariferhöhungen stattfinden soll.

48

(2) Denkbar wäre auch der von der Revision vorgeschlagene Weg der entsprechenden Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Länder. Bezogen auf den hier vorliegenden Fall der Herabgruppierung eines Mitglieds der Schulleitung wegen gesunkener Schülerzahlen läge kein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung wegen ungerechtfertigter Fortführung der Vergütungsregelungen, welche auf die diskriminierenden Lebensaltersstufen des BAT/BAT-O zurückzuführen sind, vor (vgl. zu dieser Problematik Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 70). Es würde sich um eine eigenständige Form der Besitzstandswahrung im TV-L handeln, die in keinem Zusammenhang mit dem Lebensalter steht. Maßgeblich für die Herabgruppierung als Anlass der neuen Stufenzuordnung ist letztlich die mit der Schülerzahl gesunkene dienstliche Belastung.

49

(3) Schließlich könnten sich die Tarifvertragsparteien auch erstmals bewusst gegen eine Besitzstandsregelung zur Abmilderung des Verlustes einer individuellen Endstufe entscheiden. Bezüglich der Vereinbarkeit einer solchen Entscheidung mit höherrangigem Recht wird auf die vorstehenden Ausführungen Rn. 41 bis 45 verwiesen.

50

4. Der geltend gemachte Anspruch kann auch nicht aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangt werden.

51

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird unabhängig von seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt. Er verbietet die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage und die sachfremde Gruppenbildung durch den Arbeitgeber (vgl. nur BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 72; 16. Mai 2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 42). Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung mit anderen Worten für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung willkürlich ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 62). Der Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass die gleichheitswidrig benachteiligten Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die vorenthaltene Leistung verlangen können, von der sie ohne sachlichen Grund ausgeschlossen wurden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 145/12 - Rn. 42; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 606; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 112 Rn. 31).

52

b) Die Klägerin hat keine Arbeitnehmer benannt, die in vergleichbarer Lage, dh. bei einer Herabgruppierung, eine Vergütung entsprechend der im Antrag vorgesehenen fiktiven Überleitung erhalten. Sie vergleicht sich vielmehr mit einer Kollegin, die keine Einkommenseinbußen in Folge einer Herabgruppierung zu verzeichnen hat und deren Vergütung seit der Überleitung hinsichtlich Eingruppierung und Stufenzuordnung unverändert blieb. Soweit die Klägerin in der Verhandlung vor dem Senat behauptet hat, dass Beschäftigte, die einer Herabgruppierung nicht zugestimmt haben, unverändert vergütet werden, hat das Landesarbeitsgericht dies nicht festgestellt. Hiergegen gerichtete Verfahrensrügen sind nicht erhoben. Dessen ungeachtet könnte dieser Vortrag keine gleichheitswidrige Benachteiligung begründen, denn solche Arbeitnehmer wären mangels Vereinbarung einer Herabgruppierung nicht in einer vergleichbaren Lage.

53

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lorenz    

        

    M. Geyer     

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Oktober 2013 - 5 Sa 81/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung der Klägerin nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf den Beklagten als zugelassenen kommunalen Träger gemäß § 6c SGB II.

2

Die Klägerin war nach Beendigung ihrer Ausbildung seit Juli 2005 für die BA tätig. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom 28. März 2006 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin erhielt seit Beendigung ihrer Ausbildung stets ein Entgelt der Tätigkeitsebene V und war in dieser Ebene zuletzt der Entwicklungsstufe 4 zugeordnet. Seit 2007 bis zum 31. Dezember 2011 war sie im Jobcenter des Landkreises N in der Leistungsabteilung als Fachassistentin Beratungsservice eingesetzt, ohne dass sich ihre Tätigkeit dadurch inhaltlich änderte. In den Jahren 2008/2009 befand sie sich zwölf Monate in Elternzeit.

3

Zum 1. Januar 2012 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin - wie das von rund 200 weiteren Beschäftigten der BA - gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den beklagten Landkreis über, der zum Kreis der zugelassenen kommunalen Träger zählt und ua. das Gebiet des ehemaligen Landkreises N umfasst. Dies führte zu keiner inhaltlichen Änderung der Tätigkeit der Klägerin.

4

Im SGB II ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelt. Zur Trägerschaft der Leistungen des SGB II und der Kostentragung für diese Leistungen heißt es darin:

        

§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende

        

(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:

        

1.    

die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,

        

2.    

die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld, soweit Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, die Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2, § 27 Absatz 3 sowie für die Leistungen nach § 28, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger).

        

…       

        
        

§ 6a Zugelassene kommunale Träger

        

…       

        

(2) Auf Antrag wird eine begrenzte Zahl weiterer kommunaler Träger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Träger im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zugelassen, wenn sie

        

1.    

geeignet sind, die Aufgaben zu erfüllen,

        

2.    

sich verpflichten, eine besondere Einrichtung nach Absatz 5 zu schaffen,

        

3.    

sich verpflichten, mindestens 90 Prozent der Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die zum Zeitpunkt der Zulassung mindestens seit 24 Monaten in der im Gebiet des kommunalen Trägers gelegenen Arbeitsgemeinschaft oder Agentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung im Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Satz 1 tätig waren, vom Zeitpunkt der Zulassung an, dauerhaft zu beschäftigen,

        

…       

        
        

(5) Zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur errichten und unterhalten die zugelassenen kommunalen Träger besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch.

        

…       

        

§ 6b Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger

        

(1) 1Die zugelassenen kommunalen Träger sind anstelle der Bundesagentur im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 …2Sie haben insoweit die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit.

        

(2) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. …

        

…       

        

§ 6c Personalübergang bei Zulassung weiterer kommunaler Träger und bei Beendigung der Trägerschaft

        

(1) Die … Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die am Tag vor der Zulassung eines weiteren kommunalen Trägers nach § 6a Absatz 2 und mindestens seit 24 Monaten Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, treten zum Zeitpunkt der Neuzulassung kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers über. …

        

(2) Endet die Trägerschaft eines kommunalen Trägers nach § 6a, treten die … Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des kommunalen Trägers, die am Tag vor der Beendigung der Trägerschaft Aufgaben anstelle der Bundesagentur als Träger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 durchgeführt haben, zum Zeitpunkt der Beendigung der Trägerschaft kraft Gesetzes in den Dienst der Bundesagentur über. …

        

(3) … 2Treten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund des Absatzes 1 oder 2 kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers über, tritt der neue Träger unbeschadet des Satzes 3 in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein, die im Zeitpunkt des Übertritts bestehen. 3Vom Zeitpunkt des Übertritts an sind die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden. …

        

…       

        

(5) 1Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nach Absatz 1 oder 2 kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers übertreten, soll grundsätzlich eine tarifrechtlich gleichwertige Tätigkeit übertragen werden. 2Wenn eine derartige Verwendung im Ausnahmefall nicht möglich ist, kann ihnen eine niedriger bewertete Tätigkeit übertragen werden. 3Verringert sich das Arbeitsentgelt nach den Sätzen 1 und 2, ist eine Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Arbeitsentgelt bei dem abgebenden Träger zum Zeitpunkt des Übertritts und dem jeweiligen Arbeitsentgelt bei dem aufnehmenden Träger zu zahlen.

        

§ 6d Jobcenter

        

Die … zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a führen die Bezeichnung Jobcenter.

        

…       

        

§ 46 Finanzierung aus Bundesmitteln

        

(1) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten, soweit die Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. …“

5

Der Beklagte gruppierte die Klägerin zum 1. Januar 2012 in die Entgeltgruppe 8 der für ihn geltenden Durchgeschriebenen Fassung des TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) ein. Diese Eingruppierung steht zwischen den Parteien ebenso wenig im Streit wie die Höhe der Ausgleichszulage gemäß § 6c Abs. 5 SGB II, die die Klägerin erhält. Streitbefangen ist allein die Zuordnung der Klägerin zur Stufe 3 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V, die der Beklagte vornahm. Mit ihrer im Juli 2012 erhobenen Klage begehrt die Klägerin - soweit für die Revision noch von Relevanz - ihre Zuordnung zur Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe seit dem 1. Juli 2012.

6

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht neu eingestellt worden. Vielmehr habe der Beklagte ihr Arbeitsverhältnis zur BA gemäß § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II in seinem Bestand übernommen. Darum sei sie so zu behandeln, als sei sie schon seit Juli 2005 bei dem beklagten Landkreis beschäftigt gewesen und dort entsprechend dem TVöD-V eingruppiert gewesen.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass sie seit dem 1. Juli 2012 nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 4 TVöD-V zu vergüten ist.

8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, gemäß § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II entfalteten die Tarifverträge des neuen Trägers erst ab dem Übergang des Arbeitsverhältnisses Wirkung. Das schließe eine in die Vergangenheit gehende Wirkung, wie sie die Klägerin begehre, aus. Durch § 6c Abs. 5 SGB II sei lediglich die im Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bestehende Entgelthöhe als Besitzstand gewährleistet. Die Ansicht der Klägerin widerspreche dem Grundgedanken des § 16 Abs. 2 TVöD-V (= § 16 TVöD-AT (VKA)), mit dem sich die Tarifvertragsparteien von der Einheit des öffentlichen Dienstes verabschiedet hätten, und führe zu einem übermäßigen Eingriff in die Tarifautonomie.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 stattgegeben. Soweit die Klägerin die Zuordnung zur Stufe 4 ursprünglich bereits ab dem 1. Januar 2012 begehrt hat, hat es die Klage abgewiesen, weil die Elternzeit für die Stufenlaufzeit nicht zu berücksichtigen sei. Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision sein Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, dass die Klägerin seit dem 1. Juli 2012 der Stufe 4 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V zuzuordnen war. Die Stufenlaufzeit in der Stufe 3 dieser Entgeltgruppe begann nicht erst am 1. Januar 2012, sondern schon im Arbeitsverhältnis mit der BA zu laufen. Dies folgt unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben in § 6c SGB II aus einer analogen Anwendung des § 16 Abs. 3 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V. Die Klage ist deshalb im zuletzt noch rechtshängigen Umfang begründet.

11

I. Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 91e GG, auf der § 6c SGB II beruht, ist verfassungskonform(BVerfG 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -). Mit §§ 6 ff. SGB II ist der Bundesgesetzgeber dem umfassend und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag des Art. 91e Abs. 3 GG nachgekommen.

12

II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zum 1. Januar 2012 auf den Beklagten übergegangen. Die Klägerin ist damit kraft Gesetzes aus dem Arbeitsverhältnis mit der BA ausgeschieden und dem Beklagten als neuem Arbeitgeber zugewiesen worden (vgl. zu dieser Rechtsfolge BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 22).

13

Der Beklagte ist zum 1. Januar 2012 als weiterer kommunaler Träger iSv. § 6a Abs. 2 SGB II zugelassen worden. Die Klägerin hat auch, wie von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verlangt, vor dem 1. Januar 2012 mindestens 24 Monate Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende in dem Gebiet des beklagten Landkreises wahrgenommen. Sie hat derartige Aufgaben unstreitig seit Juli 2005 ausgeübt, unterbrochen lediglich von einer zwölfmonatigen Elternzeit in den Jahren 2008/2009. Selbst wenn die Elternzeit bis zum Jahresende 2009 angedauert haben sollte, wäre die erforderliche Einsatzzeit von 24 Monaten am 31. Dezember 2011 erfüllt gewesen. Daher kann dahinstehen, ob die Stichtagsregelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zwingend voraussetzt, dass die Tätigkeit ununterbrochen ausgeübt worden ist(zweifelnd: Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 2; Münder in Münder SGB II 5. Aufl. § 6c Rn. 2 sieht nur Unterbrechungen als schädlich an, die so erheblich sind, dass von einem Vorhandensein von Fachkenntnissen nicht mehr gesprochen werden könne). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts umfasst das Gebiet des Beklagten auch das des früheren Landkreises N, für den die Klägerin bis zur Kreisgebietsreform durch Art. 1 des Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 366) tätig war.

14

III. Der Senat hat davon abgesehen, den Rechtsstreit im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungskonformität des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II anhängige abstrakte Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG - 1 BvL 1/14 -(Vorlage BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) -) in analoger Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen(vgl. zu einer solchen Möglichkeit BGH 17. Juli 2013 - IV ZR 150/12 -; 25. März 1998 - VIII ZR 337/97 -). Die Entscheidung über die Aussetzung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (BAG 22. Januar 2013 - 6 AZR 392/11 - Rn. 15). Die Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht sachgerecht, weil das Interesse der Klägerin an einer Sachentscheidung überwiegt.

15

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts beruhen allein darauf, dass dem Arbeitnehmer ein neuer Arbeitgeber aufgezwungen werde, ohne dass er einen Fortbestand des alten Arbeitsverhältnisses, sei es durch ein Rückkehrrecht, sei es durch ein Widerspruchsrecht, erreichen könne. Die Klägerin reklamiert solche Rechte jedoch nicht, obwohl ihr, wie die Revisionserwiderung zeigt, die Vorlage bekannt ist. Sie stellt lediglich die Rechtsansicht des Beklagten, zwischen den Parteien sei rechtsgeschäftlich ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, in Abrede. Im Übrigen will sie, solange sie bei dem Beklagten beschäftigt ist, ausdrücklich so gestellt werden, wie sie bei einer Wirksamkeit des gesetzlich angeordneten Betriebsübergangs zu stellen wäre. Damit hat sie zumindest für die Zeit bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihr durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht, privatautonom zu entscheiden, welches Arbeitsverhältnis ihr mehr Vorteile bietet, und ihren Vertragspartner zu wählen(vgl. BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 98, 69, BVerfGE 128, 157), ausgeübt und sich für den Beklagten als Arbeitgeber entschieden.

16

IV. Der TVöD-V findet seit dem 1. Januar 2012 uneingeschränkt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

17

1. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II ordnet die „ausschließliche“ Anwendung der für die weiteren zugelassenen kommunalen Träger jeweils geltenden Tarifverträge an. Damit gilt ab Übergang des Arbeitsverhältnisses ua. der TVöD-V dynamisch (ohne Problematisierung: BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 41; für den TV Sonderzahlung 2011 BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 777/12 - Rn. 10).

18

2. Der gesetzlichen Anordnung der (sofortigen) Geltung des TVöD-V steht die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16 - künftig RL 2001/23/EG) nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob § 6c SGB II ein eigenständiges, § 613a BGB vorgehendes Umsetzungsgesetz ist. Selbst wenn es an einer innerstaatlichen Umsetzung fehlte, könnte die Richtlinie unmittelbar Anwendung finden, weil der Regelungsbereich des § 6c SGB II ausschließlich öffentliche Arbeitgeber betrifft(vgl. zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien gegenüber dem Staat EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 33; zur Eigenschaft öffentlicher Arbeitgeber als Staat im Sinne des Unionsrechts Sagan in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht § 1 Rn. 133). Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist jedoch nicht eröffnet. Darum kommt es nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, auf welcher Rechtsgrundlage der TV-BA bis zum 31. Dezember 2011 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der BA Anwendung gefunden hat. Dahinstehen kann auch, welche Rechtsfolgen sich aus Art. 3 Abs. 1 bzw. Abs. 3 RL 2001/23/EG für die Weitergeltung kollektiv vereinbarter Normen im Hinblick auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2011 (- C-108/10 - [Scattolon] Slg. 2011, I-7491) und vom 18. Juli 2013 (- C-426/11 - [Alemo-Herron]) ergeben (vgl. dazu die Problemübersicht bei Grau/Hartmann in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht § 11 Rn. 108 ff.).

19

a) Der Anwendung der Richtlinie steht allerdings nicht entgegen, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses unmittelbar durch Gesetz erfolgte (vgl. EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [ Scattolon ] Rn. 63 f., Slg. 2011, I-7491).

20

b) Als Teil der Übertragung hoheitlicher Befugnisse von einer Behörde auf eine andere ist der von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II angeordnete Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer von der BA auf den zugelassenen kommunalen Träger jedoch gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. c RL 2001/23/EG von der Betriebsübergangsrichtlinie nicht erfasst.

21

aa) Die RL 2001/23/EG ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben sowie Unternehmens- und Betriebsteilen anzuwenden. „Unternehmen“ in diesem Sinne sind nur solche wirtschaftlichen Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Darunter ist jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Waren oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Dazu zählen auch Dienste, die in allgemeinem Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit den Diensten von Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden, die einen Erwerbszweck verfolgen. Dagegen sind Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse grundsätzlich nicht als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 42 bis 44, Slg. 2011, I-7491).

22

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bisher nicht im Einzelnen ausgeführt, was unter hoheitlichen Tätigkeiten im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie zu verstehen ist. Er hat jedoch im Zusammenhang mit dem Vergaberecht klargestellt, dass Tätigkeiten, die unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, als „Ausübung öffentlicher Gewalt“ iSv. Art. 45 Abs. 1 iVm. Art. 55 EG anzusehen sind. Erforderlich dafür ist eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen (EuGH 29. April 2010 - C-160/08 - [Kommission/Deutschland] Rn. 78 f., Slg. 2010, I-3713). Solche Tätigkeiten fallen nicht in den Schutzbereich von Bestimmungen des Unionsrechts, die der Durchführung der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr dienen. Diese Definition kann zweifellos für das Verständnis, welche Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen und auf die deshalb die RL 2001/23/EG keine Anwendung findet, herangezogen werden. Dies folgt bereits daraus, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union in Rn. 44 seiner Entscheidung vom 6. September 2011 (- C-108/10 - [Scattolon] Slg. 2011, I-7491) in Bezug genommene Entscheidung vom 1. Juli 2008 (- C-49/07 - [MOTOE] Slg. 2008, I-4863) nicht die RL 2001/23/EG, sondern das Wettbewerbsrecht betrifft (zur Heranziehung von Auslegungsergebnissen aus Urteilen zum Wettbewerbsrecht für die Auslegung von Begriffen der RL 2001/23/EG vgl. auch EuGH 14. September 2000 - C-343/98 - [Collino und Chiappero] Rn. 33, Slg. 2000, I-6659; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 34 bis 36).

23

cc) Die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die zum 1. Januar 2012 auf den Beklagten übergegangen ist, ist nach diesem Begriffsverständnis eine hoheitliche Tätigkeit iSd. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c RL 2001/23/EG. Die Jobcenter sind darum keine Unternehmen im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie.

24

(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Verwaltungsaufgabe im Sinne des Grundgesetzes. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden die Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen und konkretisiert so die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG(BVerfG 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 77, 101).

25

(2) Mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe für den vom SGB II erfassten Personenkreis zusammengeführt (BVerfG 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 - Rn. 2). Zentrales Ziel des SGB II ist es, durch Fördermaßnahmen die Leistungsberechtigten zu einer Lebensführung unabhängig von der Grundsicherung zu befähigen (Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 16). Hinter diesem Gedanken steht das Konzept des aktivierenden Sozialstaats. Der Leistungsberechtigte soll aktiv dabei unterstützt werden, vom passiven Objekt staatlicher Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden (Stölting in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 1 Rn. 3).

26

(a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Basisabsicherung für die Personen, die objektiv noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, weil sie nicht voll erwerbsgemindert sind (vgl. BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 2, BVerfGE 125, 175; Sauer in Sauer SGB II Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel Rn. 2; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand September 2013 E 010 Rn. 225). Sie stellt die materielle Versorgung und Eingliederung erwerbsfähiger Leistungsberechtigter und der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sicher (Voelzke aaO Rn. 234).

27

(b) Zugleich hat der Gesetzgeber mit den Leistungen nach dem SGB II den von Art. 1 Abs. 1 GG dem Grunde nach vorgegebenen Leistungsanspruch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gesetzlich gesichert und als subsidiäres System ausgestaltet, das nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen soll(BVerfG 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 ua. - Rn. 136, 138, 147, BVerfGE 125, 175). Dieses überragende Ziel des Leistungsrechts des SGB II macht § 1 Abs. 1 SGB II deutlich(vgl. Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 1 Rn. 8, 29; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 8).

28

(c) Im Gegensatz zu dem im SGB III geregelten Recht der Arbeitsförderung verfolgt das SGB II keine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung. Vielmehr steht rein programmatisch der erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Mittelpunkt des Gesetzes. Er soll von den Transferleistungen des SGB II vollständig oder mindestens teilweise unabhängig werden (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 18; Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 1 Rn. 14). Gelingt dies nicht, werden (ausschließlich) staatliche Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Leistungsberechtigten gewährt (Meyerhoff aaO Rn. 20). Damit gehört das SGB II wie die im SGB XII geregelte Sozialhilfe zum Recht der Fürsorge. Die Leistungen des SGB II werden unabhängig von einer Vorleistung des Leistungsberechtigten aus Steuermitteln gezahlt. Dies gilt gemäß § 6b Abs. 2 iVm. § 46 SGB II auch für die von den zugelassenen kommunalen Trägern betriebenen Jobcenter. Die Höhe der Leistungen richtet sich nicht nach dem zuvor erzielten Arbeitsentgelt im Sinne einer Lebensstandardsicherung, sondern maßgebend nach dem individuellen Bedarf (Voelzke aaO Stand September 2013 E 010 Rn. 234, 278; Sauer in Sauer SGB II Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel Rn. 3). Als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten Alleinstehende und Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, soweit sie das 15. Lebensjahr vollendet haben und iSv. § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähig sind, Arbeitslosengeld II iSv. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Arbeitslosengeldes II nicht vor, erhalten Leistungsberechtigte Sozialgeld iSv. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II, sofern kein Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII besteht. Dieser Zielsetzung und Ausgestaltung entspricht es, dass die Grundsicherung im Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. EU L 166 vom 30. April 2004 S. 1) als „beitragsunabhängige Geldleistung“ iSv. Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung aufgeführt ist.

29

(d) Verletzen die nach dem SGB II Leistungsberechtigten die ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Verhaltenspflichten, führt dies zu den in §§ 31 ff. SGB II geregelten Sanktionen, soweit dadurch nicht das Existenzminimum unterschritten wird (vgl. BVerfG 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 28 f., BVerfGK 5, 237). In diesem Rahmen ziehen die in § 31 SGB II aufgeführten Pflichtverletzungen, wie zB die Nichterfüllung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten oder die Weigerung, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, stufenweise Sanktionen nach sich. Das Arbeitslosengeld II wird nach den Maßgaben des § 31a SGB II und für den Hinderungszeitraum des § 31b SGB II, der grundsätzlich drei Monate beträgt, gekürzt. Meldeversäumnisse iSd. § 32 SGB II führen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II oder des Sozialgeldes von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs.

30

(3) Mit dieser Ausgestaltung ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende - anders als die in Form von Beratung und Vermittlung erbrachte Arbeitsvermittlung (zu deren Einstufung als wirtschaftliche Tätigkeit s. EuGH 23. April 1991 - C-41/90 - [Höfner und Elser] Rn. 20 ff., Slg. 1991, I-1979; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 37 ff.) - keine wirtschaftliche Tätigkeit. Es handelt sich vielmehr um eine originäre, unmittelbar aus dem Grundgesetz erwachsende Aufgabe des Staats, die nicht im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die einen Erwerbszweck verfolgen, erbracht wird und auch nicht erbracht werden kann. Zur Wahrnehmung und Durchsetzung dieser staatlichen Aufgabe stehen den Trägern der Grundsicherung iSd. § 6 Abs. 1 SGB II, zu denen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 6a Abs. 2 und § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die zugelassenen weiteren kommunalen Träger und die von diesen betriebenen Jobcenter gehören, die in §§ 31 ff. SGB II geregelten Sanktionen zur Verfügung. Diese Befugnisse weichen vom allgemeinen Recht ab und haben eine solche Intensität, dass sie als „hinreichend qualifiziert“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingestuft werden können (vgl. zu diesem Kriterium Schlussanträge vom 11. Februar 2010 in der Sache - C-160/08 - Rn. 57 f., Slg. 2010, I-3713).

31

(4) In der Gesamtschau erfolgt die Tätigkeit der Jobcenter bei der ihnen obliegenden Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Wesen, Gegenstand und den dabei geltenden Regeln in Ausübung hoheitlicher Befugnisse und weist keinen wirtschaftlichen Charakter auf (vgl. EuGH 19. Januar 1994 - C-364/92 - [SAT Fluggesellschaft] Rn. 30, Slg. 1994, I-43).

32

V. Der TVöD-V regelt den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Wege des (gesetzlichen) Übergangs nicht und enthält darum auch keine ausdrückliche Bestimmung zur Stufenzuordnung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf einen zugelassenen kommunalen Träger übergeht. Insoweit liegt eine unbewusste Regelungslücke vor.

33

1. Die Klägerin ist nicht (fiktiv) nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Überleitungsrechts (TVÜ-VKA) in den TVöD-V übergeleitet worden. Der Anwendungsbereich des Überleitungsrechts ist für gesetzlich angeordnete Übergänge grundsätzlich nicht eröffnet (vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 32 ff. für einen Übergang nach § 613a BGB). § 6 TVÜ-VKA sieht keine Ausnahme von diesem Grundsatz für den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.

34

2. Ein gesetzlicher Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen dem TVöD-V unterfallenden Arbeitgeber führt nicht zu einer Einstellung iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-V(noch offengelassen von BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 34 ff.).

35

a) Der Begriff „Einstellung“ bringt zum Ausdruck, dass ein Arbeitnehmer angestellt bzw. in ein Arbeitsverhältnis genommen wird. Maßgeblich ist, welche Bedeutung die Tarifvertragsparteien diesem Begriff im jeweiligen Regelungszusammenhang geben wollen (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 9, BAGE 144, 263). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine Einstellung, die eine Stufenzuordnung iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-AT (VKA) oder TV-L oder § 16 Abs. 2 bzw. Abs. 3 TVöD-AT (Bund) erforderlich macht, bei jeder, auch wiederholten Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 11, aaO; 27. Januar 2011 - 6 AZR 382/09 - Rn. 17 ff.). Eine solche Einstellung setzt also voraus, dass durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags rechtlich ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber begründet wird (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 382/09 - Rn. 19).

36

b) An dieser Voraussetzung fehlt es im Falle eines gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses. Dieser führt lediglich zu einem gesetzlich angeordneten Schuldnerwechsel (Schaub/Koch ArbR-HdB 15. Aufl. § 118 Rn. 1). Das zwischen dem Arbeitnehmer und dem früheren Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis bleibt im Ausgangspunkt unverändert (vgl. allgemein zum Arbeitgeberwechsel bei einem gesetzlichen Übergang: ErfK/Preis 15. Aufl. § 613a BGB Rn. 66; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 77; zum Arbeitgeberwechsel nach § 6c SGB II BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 22).

37

3. Im Sonderfall des gesetzlichen Übergangs nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist die Regelungslücke in § 16 TVöD-V unbewusst(offengelassen für den Betriebsübergang nach § 613a BGB hinsichtlich der mit § 16 TVöD-V inhaltsgleichen Bestimmung in Nr. 3 Abs. 2 der Anlage D.12 zum TVöD-V von BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 60). § 6c SGB II hat erst durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112) seine aktuelle Bedeutung erhalten. Bis dahin eröffnete der durch das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) eingefügte § 6c SGB II als sogenannte „Experimentierklausel“ lediglich die Möglichkeit, die Wahrnehmung der Aufgaben durch zugelassene kommunale Träger im Vergleich zur Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesagentur zu untersuchen. Die Tarifvertragsparteien konnten bei Abschluss des TVöD im September 2005 und der im Februar 2006 erfolgten Erstellung des TVöD-V diese gesetzliche Entwicklung und damit den Übergang der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der Jobcenter auf die kommunalen Träger nicht voraussehen und damit für diesen Fall keine Regelung treffen. Der regelungsbedürftige Fall ist erst nach Vereinbarung der Tarifbestimmung entstanden.

38

VI. Die unbewusste Regelungslücke in § 16 TVöD-V ist dahin zu schließen, dass die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis aufgrund der Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II von der BA auf einen zugelassenen kommunalen Träger übergeht, jedenfalls dann bei der Stufenzuordnung so zu stellen sind, als hätte das Arbeitsverhältnis von seinem Beginn an mit dem kommunalen Träger bestanden, wenn sie weiterhin Tätigkeiten im Bereich der Grundsicherung verrichten. § 16 Abs. 3 und § 17 Abs. 3 TVöD-V sind darum jedenfalls für diesen Personenkreis analog anzuwenden(zur Analogie als Mittel der Lückenschließung vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 423/09 - Rn. 16). Die bei der BA erworbene Berufserfahrung ist dann bei der Stufenzuordnung nach der Überleitung uneingeschränkt zu berücksichtigen. Das gilt auch für angebrochene Stufenlaufzeiten (im Ergebnis ebenso LAG Hamm 2. Juli 2013 - 12 Sa 451/13 - Rn. 44 ff.) und unabhängig davon, ob der TV-BA einzelvertraglich vereinbart war oder normativ galt. Nur ein solches Verständnis entspricht § 6c SGB II als höherrangigem Recht und deckt sich mit der Rechtsauffassung des BMAS, wie sie in A V Ziff. 7 des Frage-Antwort-Katalogs des BMAS zum gesetzlichen Personalübergang nach § 6c SGB II (Stand 25. November 2011) wiedergegeben ist, wonach bei der Stufenzuordnung nach dem TVöD-V die Erfahrungszeiten bei der BA zu berücksichtigen sind.

39

1. Zwar verbleibt den Tarifpartnern zur Schließung der bei § 16 TVöD-V für den Fall des gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB bestehenden Tariflücke grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum, der es den Arbeitsgerichten verbietet, die bestehende Lücke zu schließen(vgl. BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 58 ff.). Es ist den Tarifvertragsparteien, insbesondere auch bei einem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses, grundsätzlich nicht verwehrt, der (einschlägigen) Berufserfahrung, die die Beschäftigten unmittelbar bei ihrem Arbeitgeber erworben haben, größere Bedeutung beizumessen als der Erfahrung, die sie bei anderen Arbeitgebern, insbesondere solchen außerhalb des öffentlichen Dienstes, erworben haben (vgl. für § 613a BGB BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 61, BAGE 124, 240; vgl. zur Differenzierungsmöglichkeit der Tarifvertragsparteien hinsichtlich der innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbenen Berufserfahrung BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 1088/12 - Rn. 22; zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer solchen Differenzierung mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV und dessen besonderer Ausprägung in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union [ABl. EU L 141 vom 27. Mai 2011 S. 1] allerdings ArbG Berlin 18. März 2015 - 60 Ca 4638/14 - unter Bezug auf EuGH 5. Dezember 2013 - C-514/12 - [Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH]).

40

2. Im Sonderfall des gesetzlichen Übergangs der Arbeitsverhältnisse der im Jobcenter beschäftigten Arbeitnehmer nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II von der BA auf den zugelassenen kommunalen Träger trägt jedoch allein die uneingeschränkte Anrechnung der bei der BA erworbenen Berufserfahrung der gesetzlichen Regelung hinreichend Rechnung. Das gilt jedenfalls dann, wenn der übernommene Beschäftigte weiterhin Tätigkeiten der Grundsicherung verrichtet. Ein Regelungsspielraum verbleibt den Tarifvertragsparteien insoweit nicht, so dass der Senat die Regelungslücke des § 16 TVöD-V selbst schließen kann.

41

a) Die zugelassenen kommunalen Träger sind in den von ihnen geführten Jobcentern gemäß § 6b Abs. 1 SGB II anstelle der BA Träger der Grundsicherung und haben insoweit die Rechte und Pflichten der BA. Die hoheitliche Aufgabe der Grundsicherung wird von ihnen (weiter-)geführt.

42

b) § 6c Abs. 1 SGB II trägt dem Prinzip „Personal folgt der Aufgabe“ Rechnung. Die Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass die Funktionsfähigkeit der Grundsicherung auch in den nunmehr von den zugelassenen kommunalen Trägern allein betriebenen Jobcentern gewährleistet bleibt. Er hat erkannt, dass die kommunalen Träger dafür auf personelle Kontinuität sowie die Erfahrung und Fachkompetenz der Beschäftigten der BA angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund soll die Stichtagsregelung, wonach die Arbeitnehmer der BA mindestens 24 Monate vor dem Zeitpunkt der Zulassung Aufgaben der Grundsicherung wahrgenommen haben müssen, gewährleisten, dass die übertretenden Beschäftigten eine hinreichende Berufserfahrung aufweisen (BT-Drs. 17/1555 S. 19 f.; vgl. auch BAG 26. September 2013 - 8 AZR 775/12 (A) - Rn. 27). Es soll nur objektiv qualifiziertes Personal übergehen, das gründlich eingearbeitet ist (Sauer in Sauer SGB II § 6c Rn. 6). Zugleich macht § 6c SGB II deutlich, dass der tarifvertragliche Status der übergegangenen Beschäftigten abgesichert werden soll(Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 1; Luthe in Hauck/Noftz SGB II Stand Januar 2013 K § 6c Rn. 4). Durch den Übergang sollen den Beschäftigten grundsätzlich keine Nachteile entstehen (Sauer aaO Rn. 3).

43

c) Zu dem durch § 6c SGB II nach dem Willen des Gesetzgebers geschützten Besitzstand gehört damit auch und gerade die bei der BA erworbene Berufserfahrung, die es den zugelassenen kommunalen Trägern überhaupt erst ermöglicht, die von ihnen übernommene hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, und damit auch das an diese Erfahrung im abgelösten Entgeltsystem anknüpfende höhere Entgelt. Zwar begründet Berufserfahrung als solche kein Recht, das der übernommene Beschäftigte gegenüber seinem neuen Arbeitgeber geltend machen könnte. Ein Besitzstandsschutz kommt insoweit nur in Betracht, wenn die Erfahrung bereits gegenüber dem früheren Arbeitgeber Rechte begründete und diese Erfahrung dem neuen Arbeitgeber weiterhin zugutekommt (vgl. für § 613a BGB: BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 62, BAGE 124, 240; 1. Juni 1995 - 6 AZR 792/94 - zu II 3 der Gründe). Das war gemäß §§ 18, 19 TV-BA der Fall. § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II soll die Beschäftigten auch vor dem Verlust der finanziellen Honorierung erworbener Berufserfahrung schützen. Dem widerspräche es, wenn die vorhandene Berufserfahrung der auf die zugelassenen kommunalen Träger übergegangenen Beschäftigten, die dem Träger unmittelbar zugutekam, bei der Bemessung ihres Entgelts nicht uneingeschränkt berücksichtigt würde, obwohl die Höhe dieses Entgelts sowohl im alten als auch im neuen Entgeltsystem wesentlich von der Berufserfahrung abhing bzw. abhängt und diese Erfahrung dem neuen Arbeitgeber weiterhin zugutekommt (vgl. für die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen EuGH 11. November 2004 - C-425/02 - [Delahaye] Rn. 34, Slg. 2004, I-10823).

44

d) Die nach § 6c Abs. 5 SGB II zu gewährende Ausgleichszulage allein schützt diesen Besitzstand nicht hinreichend.

45

aa) Die Ausgleichszulage ist zwar bei Entgelteinbußen der übernommenen Beschäftigten auch zu gewähren, wenn diesen eine tariflich gleichwertige Tätigkeit übertragen wird (Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 12; Münder in Münder SGB II 5. Aufl. § 6c Rn. 8; aA Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 6c Rn. 33; Sauer in Sauer SGB II § 6c Rn. 45 f.; ablehnend wohl auch - jedoch nicht tragend - BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 777/12 - Rn. 19). Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II, der ausdrücklich auch auf § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB II verweist. Satz 1 erfasst wiederum den Regelfall, in dem dem Arbeitnehmer eine tariflich gleichwertige Tätigkeit übertragen wird.

46

bb) Ungeachtet dessen wird die Zahlung der Zulage nach § 6c Abs. 5 SGB II weder isoliert betrachtet noch in Kombination mit der von der VKA empfohlenen(vgl. Ziff. 4.2 der Anlage zum Rundschreiben R 248/2011 vom 22. September 2011) und von dem Beklagten letztlich vorgenommenen analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V dem gesetzlichen Regelungsanliegen gerecht. Die Ausgleichszulage sichert das vor dem gesetzlichen Übergang gezahlte Arbeitsentgelt nur statisch. Spätere Erhöhungen des Grundgehalts beim aufnehmenden kommunalen Träger sind anzurechnen (BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 777/12 - Rn. 19). Die Ausgleichszulage kann den Verlust, der durch eine Stufenzuordnung eintritt, die die erworbene Berufserfahrung nicht vollständig abbildet, darum nicht dauerhaft ausgleichen. Demgegenüber kommt diese Erfahrung dem kommunalen Träger weiterhin uneingeschränkt zugute. Die Folgen der Aufzehrung der Zulage macht folgendes Beispiel deutlich: Wird auf die Stufenzuordnung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis auf einen kommunalen Träger übergeht und der acht Jahre einschlägiger Berufserfahrung aufweist, § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V analog angewendet, so wird dieser Arbeitnehmer der Stufe 3 zugeordnet. Damit werden im Ergebnis lediglich drei der acht Jahre Berufserfahrung berücksichtigt. Zudem beginnt die Stufenlaufzeit am Tag des gesetzlichen Übergangs neu zu laufen. Der Arbeitnehmer steigt darum nach drei Jahren in die Stufe 4 seiner Entgeltgruppe auf, die eine Berufserfahrung von lediglich sechs Jahren abbildet, während dieser Arbeitnehmer mittlerweile eine (einschlägige) Berufserfahrung von elf Jahren aufweist. Gleichwohl wird seine Ausgleichszulage, sofern sie nicht bereits durch tarifliche Entgelterhöhungen aufgezehrt ist, durch den Stufenaufstieg (weiter) abgeschmolzen. Die Zulage trägt damit dem gesetzlichen Regelungsziel, den Besitzstand auch hinsichtlich der Berufserfahrung zu sichern, nicht hinreichend Rechnung.

47

e) Das Entgeltsystem des TVöD-V weist in §§ 16 f. TVöD-V Einstufungskriterien auf, die mit der Entgeltstruktur des TV-BA hinreichend vergleichbar sind und es aufnehmenden kommunalen Trägern ermöglichen, die in einer Tätigkeit in der Grundsicherung bei der BA erworbene Berufserfahrung auch im Arbeitsverhältnis mit dem zugelassenen kommunalen Träger uneingeschränkt abzubilden. In beiden Tarifsystemen wird Berufserfahrung finanziell honoriert. Darum sind die von einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB II übernommenen Arbeitnehmer im TVöD-V der Stufe zuzuordnen, die ihrer Berufserfahrung entspricht. Dabei sind die Stufen und -laufzeiten zugrunde zu legen, die sich bei analoger Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 17 Abs. 3 TVöD-V ergeben. Eine „Deckelung“ auf die Stufe 3, wie sie § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V bei der Einstellung vorsieht(vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 964/11 - Rn. 18), erfolgt nicht. Wie ausgeführt, liegt keine Einstellung vor. Vielmehr wird die erworbene Berufserfahrung in dem nach wie vor, wenn auch mit einem anderen Arbeitgeber, bestehenden Arbeitsverhältnis uneingeschränkt honoriert und fortgeschrieben. Im Ergebnis sind die übergegangenen Arbeitnehmer bei der Stufenzuordnung jedenfalls dann so zu stellen, als habe ihr Arbeitsverhältnis von Beginn an mit dem aufnehmenden kommunalen Träger bestanden und als hätten sie seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten dieser Entgeltgruppe ununterbrochen verrichtet, wenn sie nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses weiterhin Tätigkeiten der Grundsicherung verrichten. Das entspricht der Regelung, die die Tarifvertragsparteien des TV-BA in der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 18 Abs. 3 TV-BA für den umgekehrten Fall der Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses mit der BA gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II getroffen haben. Danach sind die Beschäftigten, die spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung wieder von der BA eingestellt werden müssen, weil die Kommune nur 90 % der übergeleiteten Beschäftigten endgültig übernimmt, bei der Entwicklungsstufenzuordnung und -laufzeit so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis mit der BA ununterbrochen bestanden.

48

VII. Nach vorstehenden Maßstäben war die Klägerin im Zeitpunkt des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten am 1. Januar 2012 in analoger Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen. Am 1. Juli 2012 stieg sie in die Stufe 4 dieser Entgeltgruppe auf. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

49

1. Die Klägerin war bereits seit Abschluss ihrer Ausbildung stets der Tätigkeitsebene V zugeordnet und hat eine inhaltsgleiche Tätigkeit ausgeübt. Maßgeblich für die Stufenzuordnung ist darum die Zeit seit Juli 2005. Das hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass die Revision dagegen Rügen erhebt.

50

2. Die zwölfmonatige Elternzeit der Klägerin führte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V - ebenso wie gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 TV-BA - zur Hemmung der Stufenlaufzeit. Rechtliche Bedenken gegen diese Hemmung bestehen nicht (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - BAGE 137, 80).

51

3. Am 1. Januar 2012 wies die Klägerin damit eine maßgebliche Berufserfahrung von 66 Monaten auf (78 Monate vom Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2011 abzüglich zwölf Monate Elternzeit). Darum war sie bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten zunächst der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen, wobei eine angebrochene Stufenlaufzeit von 30 Monaten zu berücksichtigen war. Nach weiteren sechs Monaten und damit nach dem Erwerb von insgesamt weiteren drei Jahren Berufserfahrung stieg die Klägerin am 1. Juli 2012 gemäß § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 1 TVöD-V in die Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe auf. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass nach dem 1. Januar 2012 weitere Tatbestände, die zur Hemmung, Unterbrechung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit geführt hätten, eingetreten sind. Auch insoweit erhebt die Revision keine Rügen.

52

VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Krumbiegel    

        

    Biebl    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Uwe Zabel    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Januar 2009 - 26 Sa 1729/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die tariflichen Aufstockungsbeträge für das Altersteilzeitentgelt anzurechnen sind.

2

Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis seit Januar 2007 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell. Die Arbeitsphase endete am 30. Juni 2009. Die Freistellungsphase soll am 31. Dezember 2011 enden. Die Parteien sind originär und durch vertragliche Bezugnahme an die Tarifverträge der Deutschen Post AG gebunden.

3

Der Tarifvertrag Nr. 37d über die Altersteilzeit bei der Deutschen Post AG lautete in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung vom 2. April 1998 (TV ATZ aF) auszugsweise:

        

§ 5 Altersteilzeitentgelt, Aufstockung         

        

(1)     

Während der Altersteilzeit wird das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt auf 89 v. H. des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts unter Zugrundelegung der vor Beginn der Altersteilzeit arbeitsvertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit i. S. des Altersteilzeitgesetzes (Bemessungsgrundlage) aufgestockt (Aufstockungsbetrag).

        

(2)     

Grundlage für die Bemessungsgrundlage ist

                 

-       

das Monatsgrundentgelt in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs. 1 ETV-DP AG aus der Entgeltgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist

                 

-       

das Urlaubsgeld gem. § 7 ETV-DP AG

                 

-       

das 13. Monatsgehalt gem. § 8 ETV-DP AG

                 

-       

die vermögenswirksamen Leistungen

                 

-       

für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 1 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Lohn gem. Anhang 1 Teil A ETV-DP AG

                 

-       

für Arbeitnehmer, die unter § 30 Abs. 2 ETV-DP AG fallen, die Besitzstandszulage Vergütung gem. Anhang 2 Teil A ETV-DP AG

                 

Ergibt sich für den Arbeitnehmer im Rahmen der arbeitsvertraglich vereinbarten Teilzeitbeschäftigung während der Altersteilzeitarbeit ein Zahlbetrag eines variablen Entgelts gem. Anhang 1 Teil A Abs. 12 bzw. Anhang 2 Teil A Abs. 11 ETV-DP AG, wird dieser Zahlbetrag neben dem Altersteilzeitentgelt und dem Aufstockungsbetrag gezahlt.

        

(3)     

Steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltbestandteile sowie Zuschläge für Überzeitarbeit werden nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

                 

Die unregelmäßigen Entgeltbestandteile werden entsprechend dem tatsächlichen Aufkommen gezahlt.“

4

Der Senat entschied mit Urteil vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 16 ff.), dass Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit unregelmäßige Entgeltbestandteile iSv. § 5 Abs. 3 Unterabs. 2 TV ATZ aF seien. Sie seien deshalb zusätzlich zum Altersteilzeitentgelt iSv. § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ aF zu gewähren. Die Beklagte hatte die Zuschläge damals in den monatlichen Entgeltabrechnungen als gesonderte Vergütungsbestandteile ausgewiesen. Sie hatte das effektive Nettoentgelt jedoch nicht erhöht, sondern den Aufstockungsbetrag gekürzt. In der Entscheidung vom 21. November 2006 wies der Senat ua. darauf hin, dass eine Auslegung des TV ATZ aF iSd. der Beklagten zu einem Verstoß der tariflichen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führe. Es sei nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine derartige sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gewollt hätten (- 9 AZR 623/05 - Rn. 19).

5

Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di schlossen am 27. Dezember 2006 den Tarifvertrag Nr. 132, durch den der TV ATZ geändert wurde. Sie vereinbarten dort, dass § 5 Abs. 3 des TV ATZ aF mit Wirkung vom 1. Januar 2007 neu gefasst werde. § 5 Abs. 3 lautet in der geänderten Fassung des Tarifvertrags Nr. 132(TV ATZ):

        

„Die Besitzstandszulage Zulagen/Zuschläge sowie die Zulagen und Zuschläge für tatsächlich erbrachte zulagen- und zuschlagsberechtigte Arbeiten werden nach den tarifvertraglichen Regelungen des ETV-DP AG im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung gezahlt und auf den Aufstockungsbetrag angerechnet.“

6

§ 38 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18. Juni 2003 (MTV-DP AG) bestimmt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

7

Der Kläger leistete von Januar bis Mai 2007 Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Beklagte wies hierfür in den Abrechnungen Zuschläge von insgesamt 470,66 Euro brutto aus und leistete die Zuschläge. Sie rechnete die Zuschläge auf die nach § 5 Abs. 1 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträge an.

8

Der Kläger machte mit Schreiben vom 26. Juni 2007 Ansprüche auf Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für Januar bis Mai 2007 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte wies unter dem 29. Juni 2007 darauf hin, dass die Auszahlung der Zuschläge in den einzelnen Bezügemitteilungen nachzuvollziehen sei.

9

Der Kläger meint, § 5 Abs. 3 TV ATZ sei nichtig, weil er gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der TV ATZ enthalte auch ohne die Anrechnungsregelung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung. Er bleibe in seinen übrigen Bestandteilen wirksam.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 470,66 Euro brutto nebst Zinsen aus dem Nettobetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Anrechnung sei schon deshalb nicht gleichheitswidrig, weil keine Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandelt würden. Die Anrechnungsregelung treffe jeden Altersteilzeitarbeitnehmer, wenn er zuschlagspflichtige Leistungen erbringe. Die Anrechnung sei jedenfalls eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Entfernterer Leistungszweck des Aufstockungsbetrags sei es, ältere Arbeitnehmer zum Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen zu bewegen. Näherer Leistungszweck sei es, den bisherigen Lebensstandard des Altersteilzeitarbeitnehmers in etwa abzusichern. Entscheidend sei allein, ob der nähere Zweck die Ungleichbehandlung rechtfertige. Mit Blick auf die Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien und nach gebotener Abwägung der Grundrechtspositionen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG sei es nicht zu beanstanden, zur Sicherung des Lebensstandards einen einheitlich errechneten Betrag für jeden Arbeitnehmer zugrunde zu legen. Selbst bei einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz müsse den Tarifvertragsparteien aufgegeben werden, innerhalb angemessener Frist eine Neuregelung zu treffen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 470,66 Euro nebst Zinsen. Der Anspruch ergibt sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ. Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die monatlich geleisteten Aufstockungsbeträge besteht keine Rechtsgrundlage. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist nichtig, weil sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

14

A. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ Anspruch auf Zahlung restlicher Aufstockungsbeträge in Höhe von insgesamt 470,66 Euro für Januar bis Mai 2007.

15

I. Die Beklagte war nach § 5 Abs. 1 TV ATZ verpflichtet, das jeweilige monatliche Netto-Teilzeitarbeitsentgelt des Klägers für Januar bis Mai 2007 auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(Bemessungsgrundlage) aufzustocken. Die Grundlage der Bemessung ist in § 5 Abs. 2 TV ATZ geregelt. Der Kläger leistete in den Monaten Januar bis Mai 2007 nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) zuschlagspflichtige Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Gesamtwert von 470,66 Euro. Die Beklagte zahlte die Zuschläge für diese Monate an den Kläger. Sie rechnete den Wert der Zuschläge jedoch zu Unrecht auf die monatlichen Aufstockungsbeträge an. Da diese rechtswidrige Berechnung den Anspruch auf Altersteilzeitentgelt nicht mindert, steht dem Kläger noch restliche Altersteilzeitvergütung von 470,66 Euro zu.

16

II. Die Beklagte war nicht berechtigt, auf die Aufstockungsbeträge aus § 5 Abs. 1 TV ATZ die Zuschläge für Januar bis Mai 2007 von insgesamt 470,66 Euro anzurechnen. Dieses Vorgehen entspricht § 5 Abs. 3 TV ATZ. Die tarifliche Anrechnungsbestimmung verstößt aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist nach § 134 Alt. 1 BGB nichtig.

17

1. Nach § 5 Abs. 3 TV ATZ in der zum 1. Januar 2007 geänderten Fassung haben Arbeitnehmer in der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Anspruch auf Zahlung der Zuschläge nach § 15 des Entgelttarifvertrags für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG(ETV-DP AG).

18

a) Die Zuschläge werden nach § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Danach ist die Höhe des Aufstockungsbetrags unabhängig von den jeweiligen Ansprüchen des Arbeitnehmers auf Zahlung von Zuschlägen zu ermitteln. § 5 Abs. 3 TV ATZ bestimmt in der Folge jedoch, dass die nach dem ETV-DP AG gezahlten Zuschläge auf den Aufstockungsbetrag angerechnet werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Zuschläge nicht neben den nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu zahlenden Aufstockungsbeträgen zu leisten sind. Ein Teil der Aufstockungsbeträge wird durch die gezahlten Zuschläge ersetzt. Ansprüche auf Aufstockungsleistungen aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ werden im Ergebnis in Höhe der Zuschläge gekürzt.

19

b) Angesichts der eindeutigen Formulierung in § 5 Abs. 3 TV ATZ und der Tarifgeschichte des vorangegangenen Senatsurteils vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 - Rn. 13 ff.) kommt eine andere Auslegung der Anrechnungsbestimmung nicht in Betracht. Die verfassungskonforme Auslegung einer Tarifnorm ist nur möglich, soweit der im Wortsinn zum Ausdruck kommende Wille der Tarifvertragsparteien sie zulässt. Sie scheidet aus, wenn sie dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien widerspräche (vgl. zur verfassungskonformen Gesetzesauslegung BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 29, EzA BUrlG § 13 Nr. 59).

20

2. Die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung der Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf die Aufstockungsbeträge verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifbestimmung ist nichtig.

21

a) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind oder sie dessen Grundsätze nur mittelbar beachten müssen(für eine lediglich mittelbare Grundrechtsbindung durch die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zB BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26; offengelassen von der st. Senatsrspr., vgl. nur 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 43 mwN). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung bedeutungslos (vgl. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - aaO mwN).

22

b) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normgebung tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen(st. Rspr., vgl. nur BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34; Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Der Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zu der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 56, BVerfGE 122, 210; 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 23, BVerfGE 115, 381).

23

aa) Die gerichtliche Kontrolle wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit der tatsächliche Regelungsbedarf und insbesondere die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie haben bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung einen Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (vgl. für die st. Rspr. Senat 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 44; BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, jeweils mwN). Es genügt regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. Senat 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - aaO mwN).

24

bb) Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. nur BVerfG 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 71, 39; BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34). Entsprechendes gilt, wenn Gruppen von Normadressaten gleichbehandelt werden, obwohl zwischen ihnen erhebliche Unterschiede bestehen.

25

c) Gemessen daran ist § 5 Abs. 3 TV ATZ gleichheitswidrig. Durch die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ wird eine Gruppe von Normadressaten ohne sachlichen Grund mit einer nicht vergleichbaren anderen Gruppe gleichbehandelt. Arbeitnehmer im Altersteilzeitarbeitsverhältnis, die während der Arbeitsphase Anspruch auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nach dem ETV-DP AG haben, werden durch die Anrechnung der Zuschlagszahlungen auf die Aufstockungsbeträge mit der Gruppe von Altersteilzeitarbeitnehmern gleichbehandelt, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten versehen (vgl. Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Zwischen den beiden Gruppen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die es nicht rechtfertigen, dass beiden Gruppen in der Summe dieselbe Altersteilzeitvergütung zusteht. Die Anrechnung der geleisteten Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nach § 5 Abs. 3 TV ATZ verringert sach- und gleichheitswidrig das mit bestimmten Erschwernissen erarbeitete Entgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer.

26

aa) Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase, die zuschlagspflichtige Tätigkeiten ausüben, erhalten im Ergebnis denselben auf 89 % des Nettoentgelts aufgestockten Betrag wie nicht zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer in der Arbeitsphase (§ 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ). Die beiden Arbeitnehmergruppen werden durch § 5 Abs. 3 TV ATZ hinsichtlich der Aufstockung auf 89 % des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge geminderten jeweiligen monatlichen Bruttoentgelts(§ 5 Abs. 1 TV ATZ) ohne sachliche Rechtfertigung gleichbehandelt. Die Zuschläge werden bei der Berechnung des Entgelts zunächst berücksichtigt, dann aber auf die Aufstockungsbeträge angerechnet. Die besondere Erschwernis der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wird damit im Zahlbetrag des Altersteilzeitentgelts nicht abgebildet.

27

bb) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet eine Gruppenbildung nicht deshalb aus, weil Arbeitnehmer in einem Monat zu der Gruppe der Zuschlagsberechtigten und in einem anderen Monat zu der Gruppe der nicht Zuschlagsberechtigten gehören können. Wer Normadressat ist, richtet sich nach den in der Regelung festgelegten Kriterien. Die Aufstockungsleistungen sind monatlich zu zahlende Beträge. Entscheidend ist, ob bestimmte Arbeitnehmer nach der tariflichen Vorschrift innerhalb des monatlichen Abrechnungszeitraums gleichheitswidrig behandelt werden.

28

cc) Für die Anrechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge auf die Aufstockungsbeträge besteht kein sachlicher Grund. Die Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ ist willkürlich(vgl. zu § 5 Abs. 3 TV ATZ aF Senat 21. November 2006 - 9 AZR 623/05 - Rn. 19). Der Umstand, dass die Gruppe der betroffenen Altersteilzeitarbeitnehmer anders als die Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer Ansprüche auf Zuschläge gegen die Beklagte hat, ist kein Grund, das Altersteilzeitentgelt dieser Gruppe auf dasselbe Niveau wie das der Gruppe der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu senken.

29

(1) Eine Gleichbehandlung der beiden Gruppen, deren Verhältnis von dem wesentlichen Unterschied der erschwerten Arbeit der einen Gruppe gekennzeichnet ist, ist nur gerechtfertigt, wenn sich der Grund aus dem Leistungszweck ergibt. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, den Zweck der tariflichen Leistung in Ausübung ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht zu bestimmen. Der Leistungszweck ist der ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder durch Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Auf den Leistungszweck kann mithilfe der Anspruchsvoraussetzungen, der Ausschluss- oder Kürzungstatbestände geschlossen werden (vgl. nur BAG 5. August 2009 - 10 AZR 634/08 - Rn. 32 mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 21; 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 a der Gründe).

30

(2) Der sich aus der Auslegung von § 5 TV ATZ ergebende Zweck der Sicherung des ungefähren Lebensstandards der Altersteilzeitarbeitnehmer führt nicht dazu, dass es sachlich gerechtfertigt ist, das Altersteilzeitentgelt der zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer in Höhe der Altersteilzeitvergütung der nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer zu „kappen“.

31

(a) Auf die tariflichen Aufstockungsleistungen werden Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge angerechnet. Mit den Zuschlägen werden jedoch andere Zwecke verfolgt als mit den Aufstockungsbeträgen, die durch die Anrechnung gekürzt werden. Die von § 15 ETV-DP AG begründeten Ansprüche auf Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit werden gezahlt, weil der Arbeitnehmer die Arbeit unter erschwerten Umständen leisten muss. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer erhalten eine zusätzliche Vergütung als Ausgleich für die sozialen und gesundheitlichen Erschwernisse aufgrund von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ geregelten Aufstockungsbeträge gleichen im Unterschied dazu Verdienstverluste aus, die ein Arbeitnehmer erleidet, weil er seine Arbeitszeit durch Altersteilzeit reduziert. Mit den Aufstockungsbeträgen soll der Übergang in den gleitenden Ruhestand attraktiv gemacht und zugleich in etwa der bisherige Lebensstandard gesichert werden. Die Aufstockungsbeträge orientieren sich aus diesem Grund nicht allein an dem Verdienst, den der Altersteilzeitarbeitnehmer ohne Verringerung der Arbeitszeit hätte beanspruchen können (vgl. zum Zweck von Aufstockungsleistungen Senat 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - Rn. 52 mwN, BAGE 118, 1).

32

(b) Der Bedarf eines Altersteilzeitarbeitnehmers, den Verdienst trotz der verringerten Arbeitszeit in etwa aufrechtzuerhalten, verringert sich nicht deswegen, weil ihm ein finanzieller Ausgleich für die unter erschwerten Bedingungen erbrachte Arbeitsleistung zusteht. Die Zuschläge für die Arbeit unter erschwerten Bedingungen sollen allein die damit verbundenen Nachteile ausgleichen und nicht die Verdienstverluste aufgrund der Arbeitszeitverringerung kompensieren. Zuschlagsberechtigte Altersteilzeitarbeitnehmer erzielen insgesamt eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die keine zuschlagspflichtigen Tätigkeiten ausüben. Zuschlagsberechtigte Arbeitnehmer richten ihren Lebensstandard an dem höheren Verdienst aus. Dieser Umstand ist für die Tarifvertragsparteien typisiert betrachtet erkennbar und in der zuschlagsberechtigten Arbeitnehmergruppe nicht auf besondere Fälle beschränkt (vgl. zu der zulässigen typisierenden und generalisierenden Gruppenbildung durch die Tarifvertragsparteien BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28).

33

d) Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die in § 5 Abs. 3 TV ATZ geregelte Anrechnung der Zuschläge auf die Aufstockungsbeträge nicht durch eine Budgetvorgabe für die Finanzierung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen gerechtfertigt werden kann. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien nur einen bestimmten finanziellen Rahmen für Aufstockungsbeträge zur Verfügung stellen wollen, dürfen sie diese Mittel nicht unter Berufung auf ihren Gestaltungsspielraum willkürlich verteilen. Sie müssen die Schutzpflichten beachten, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben. Die Tarifvertragsparteien dürfen ihre Verhandlungspositionen nicht erweitern, indem sie Art. 3 Abs. 1 GG verletzen(vgl. BAG 15. Juli 2004 - 6 AZR 25/03 - zu II 6 c bb der Gründe).

34

3. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG führt nach § 134 Alt. 1 BGB zur Nichtigkeit der tariflichen Anrechnungsnorm für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge. § 134 BGB gilt nicht nur für Individualverträge, sondern auch für Tarifverträge(Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 31, AP TVG § 1 Vorruhestand Nr. 33 = EzA SGB IX § 81 Nr. 18). Die übrigen Bestimmungen des TV ATZ bleiben wirksam. Das trifft insbesondere auf § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ zu, aber auch auf die Regelung in § 5 Abs. 3 TV ATZ, soweit darin auf die Zahlung der Zuschläge nach dem ETV-DP AG verwiesen wird. § 5 Abs. 3 TV ATZ schränkt die Anwendung des ETV-DP AG nicht ein, sondern trifft lediglich eine deklaratorische Verweisungsregelung.

35

a) Verstößt eine Tarifnorm gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Norm nichtig. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auch für gleichheitswidrige Tarifverträge (vgl. 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 25, 42 f.; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 19, 35 f., AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13). Verstöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lösen bei Tarifverträgen und Gesetzen dieselben Rechtsfolgen aus. Soweit den tariflichen Normgebern ein Regelungsspielraum verbleibt, haben die Gerichte für Arbeitssachen ihn zu respektieren (vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 36, aaO).

36

b) Die Arbeitsgerichte dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen iSv. Art. 100 Abs. 1 GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG nur die Parteien, zwischen denen die Rechtskraft bezogen auf den konkreten prozessualen Streitgegenstand wirkt.

37

c) Der Lösungsweg einer Unvereinbarkeitserklärung ist den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich verschlossen (vgl. ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 56; aA Wiedemann/Wiedemann TVG 7. Aufl. Einl. Rn. 248). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der festgestellten Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt verfassungsgemäß umzugestalten(vgl. 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2 BvL 2/08 - [Pendlerpauschale] Rn. 88, BVerfGE 122, 210). Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 iVm. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG). Eine Unvereinbarkeitserklärung setzt regelmäßig voraus, dass dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 - 1 BvR 1484/99 - Rn. 33, BVerfGE 115, 381). Die Arbeitsgerichte dürfen den Tarifvertragsparteien demgegenüber keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (vgl. BAG 13. November 1985 - 4 AZR 234/84 - BAGE 50, 137).

38

d) Der Senat kann offenlassen, ob bei einer gleichheitswidrigen Tarifnorm in bestimmten Sachverhaltsgestaltungen eine befristete Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits in Betracht kommt, um den Tarifvertragsparteien Gelegenheit zu einer tariflichen Neuregelung zu geben (vgl. dazu ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 59 mwN zu der Kontroverse). Der Gleichheitssatz kann im Streitfall auch unter Berücksichtigung der von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nur gewahrt werden, wenn es im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Nichtigkeit der in § 5 Abs. 3 TV ATZ getroffenen Anrechnungsregelung bleibt.

39

aa) Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 43 mwN). Für den streitigen Zeitraum von Januar bis Mai 2007 besteht für die Tarifvertragsparteien keine andere dem Gleichheitssatz genügende Möglichkeit, als an die zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmer die ungekürzten Aufstockungsbeträge zu leisten, die sich aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ ergeben.

40

(1) Tarifnormen unterliegen als Rechtsnormen den rechtsstaatlichen Grenzen der Rückwirkung. Wie bei Gesetzen kommt die rückwirkende Änderung eines Tarifvertrags in Betracht. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tariflicher Regelungen ist aber durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen beschränkt. Es gelten die gleichen Regeln, wie sie das Bundesverfassungsgericht für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitet(vgl. nur Senat 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 24 mwN, EzTöD 600 TV-V § 14 Zusatzurlaub Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 1; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 678/02 - zu A II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 31).

41

(2) Eine Änderung der Regelungen in § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ für den Zeitraum von Januar bis Mai 2007 gegenüber nicht zuschlagsberechtigten Altersteilzeitarbeitnehmern, die ungekürzte Aufstockungsbeträge erhielten, führte zu einer echten Rückwirkung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ließe eine rückwirkende Kürzung nur zu, wenn diese Arbeitnehmer schon im streitgegenständlichen Zeitraum mit einer Änderung des Tarifvertrags hätten rechnen müssen. Das trifft nicht zu. Die Tarifvertragsparteien kündigten damals keine Änderung des Tarifvertrags hinsichtlich der Aufstockungsleistungen an.

42

bb) Die Tarifvertragsparteien vereinbarten die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Anrechnungsbestimmung in § 5 Abs. 3 TV ATZ erst nach der Senatsentscheidung vom 21. November 2006 (- 9 AZR 623/05 -). Sie trafen bis heute keine Neuregelung, obwohl sie aufgrund des genannten Senatsurteils damit rechnen mussten, dass die seit 1. Januar 2007 geltende Fassung des § 5 Abs. 3 TV ATZ Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass die Beklagte sich um eine Neuregelung bemüht hätte. Der Rechtsfolge der Nichtigkeit der Anrechnungsvorschrift in § 5 Abs. 3 TV ATZ steht daher auch nicht entgegen, dass die unterbleibende Anrechnung den Kostenrahmen für die Beklagte erweitert. Vertrauensschutz kommt der Beklagten aus denselben Gründen nicht zu.

43

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleibt die Nichtigkeit einzelner Tarifnormen regelmäßig auf die zu beanstandenden Regelungen beschränkt. § 139 BGB ist nicht auf Tarifverträge anzuwenden. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Bestimmung noch eine sinnvolle in sich geschlossene Regelung enthält. Die Nichtigkeit des gesamten Tarifvertrags kann bei Nichtigkeit einzelner Tarifvorschriften nur ausnahmsweise angenommen werden (vgl. zB BAG 12. Dezember 2007 - 4 AZR 996/06 - Rn. 21 mwN, BAGE 125, 169). Auch ohne die von § 5 Abs. 3 TV ATZ vorgesehene Anrechnung enthalten der TV ATZ und insbesondere § 5 TV ATZ sinnvolle und in sich geschlossene Regelungen. Die Teilnichtigkeit lässt keine Tariflücke entstehen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ.

44

III. Der Kläger machte die streitgegenständlichen Ansprüche mit Schreiben vom 26. Juni 2007 innerhalb der sechsmonatigen tariflichen Ausschlussfrist des § 38 Abs. 1 MTV-DP AG geltend. Er verlangte zwar die Auszahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge für die Monate Januar bis Mai 2007. Für die Beklagte war aber erkennbar, dass es dem Kläger darum ging, eine Altersteilzeitvergütung zu erlangen, die sowohl die ungekürzten Aufstockungsbeträge als auch die Zuschläge umfasste.

45

IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

46

B. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    Pfelzer    

        

    Neumann    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Februar 2009 - 8 Sa 1016/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision einschließlich des Zwischenstreits vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auswirkungen der Altersdiskriminierung im Vergütungssystem des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) auf die Stufenzuordnung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).

2

Die 1962 geborene Klägerin ist seit 1. Februar 2004 als Bauingenieurin bei dem beklagten Amt beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung. Die bei ihrer Einstellung 41 Jahre alte Klägerin wurde in die Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1a zum BAT eingruppiert und aufgrund der Regelung in § 27 Abschn. A Abs. 2 Satz 2 BAT der Lebensaltersstufe 35 zugeordnet. Zum 1. Oktober 2005 wurde die Klägerin in den TVöD übergeleitet. Ihr Vergleichsentgelt bemaß sich nach der Lebensaltersstufe 37. Die Klägerin profitierte dabei von der Regelung in § 5 Abs. 4 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Bund). Danach werden Beschäftigte, die im Oktober 2005 bei Fortgeltung des bisherigen Rechts die Grundvergütung der nächsthöheren Lebensaltersstufe erhalten hätten, bei der Berechnung des Vergleichsentgelts so behandelt, als hätten sie die nächste Lebensaltersstufe schon im September 2005 erreicht. Ohne diese Regelung wäre die Klägerin mit der Grundvergütung der Lebensaltersstufe 35 in den TVöD übergeleitet worden. Das Vergleichsentgelt der Klägerin betrug unter Berücksichtigung des Ortszuschlags der Stufe 2 3.185,33 Euro brutto. Damit wurde sie in der Entgeltgruppe 11 einer individuellen Zwischenstufe zwischen der Entwicklungsstufe 3 (2.900,00 Euro) und der Entwicklungsstufe 4 (3.200,00 Euro) zugeordnet. Zum 1. Oktober 2007 stieg sie daraus zunächst in die reguläre Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 auf. Im Juni 2009 wurde die Klägerin rückwirkend zum 1. Juni 2007 in die Entgeltgruppe 12 höhergruppiert und darin der Stufe 3, seit dem 1. Juni 2010 der Stufe 4 zugeordnet. Zwischenzeitlich übt sie Tätigkeiten der Entgeltgruppe 13 aus und erhält dafür die Zulage nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TVöD.

3

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 5. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage eine Vergütung, die dazu führt, dass sie in der Entgeltgruppe 12 der Stufe 5 zuzuordnen war. Sie hat geltend gemacht, die nach Lebensaltersstufen differenzierende Grundvergütung im Vergütungssystem des BAT sei altersdiskriminierend gewesen. Das Vergleichsentgelt sei auf der Grundlage dieser diskriminierenden Regelung ermittelt worden. Das habe sich auch bei der Stufenzuordnung zum 1. Oktober 2007 noch ausgewirkt, so dass sich die Altersdiskriminierung im BAT bis in den streitbefangenen Zeitraum fortgesetzt habe.

4

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Klägerin zum 1. Oktober 2007 in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 TVöD einzugruppieren war;

        

2.    

festzustellen, dass die Klägerin zum 1. Juni 2008 in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 12 TVöD einzugruppieren war.

5

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

6

Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Mai 2010 den Rechtsstreit ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV angerufen. Dieser hat mit Urteil vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -) entschieden, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) sowie Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(GRC) der Überleitung in den TVöD unter Wahrung des im BAT erreichten Besitzstands nicht entgegenstehen.

7

Die Parteien haben erst nach dem Vorabentscheidungsverfahren dem Senat die Höhergruppierung der Klägerin mitgeteilt.

8

Die Klägerin macht im Nachgang zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union geltend, für sie wirkten sich die von ihr durch die Überleitung erlittenen finanziellen Verluste bis zu ihrem Ruhestand und durch die daraus folgende Rentenminderung auch noch darüber hinaus aus. Bei ihr baue sich die Altersdiskriminierung aus dem BAT nicht, wie vom Gerichtshof der Europäischen Union angenommen, binnen vier Jahren ab. Die Überleitungsvorschriften seien in ihrer konkreten Anwendung auf sie, die Klägerin, nicht zur Besitzstandswahrung geeignet gewesen. Ihr Gehalt habe sich zum 1. Oktober 2007 im Vergleich zu dem ihr bei Fortbestand des BAT zu zahlenden Gehalt um monatlich 72,73 Euro verringert. Ebenso habe sie im Jahr 2007 weniger als im Jahr 2006 verdient. Demgegenüber sei ein Beschäftigter, der mit gleicher Eingruppierung ein Jahr nach ihr im Alter von 47 Jahren eingestellt worden sei, aus der Lebensaltersstufe 39 in den TVöD übergeleitet worden und am 1. Oktober 2007 in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 aufgestiegen. Dadurch habe sich sein monatliches Gehalt zum 1. Oktober 2007 erheblich erhöht. Gleichwohl erhalte dieser Angestellte bereits zum 1. Oktober 2007 einen Strukturausgleich von 70,00 Euro monatlich, während bei ihr, der Klägerin, diese Zahlung erst für die Zeit ab dem 1. Oktober 2009 vorgesehen gewesen wäre. Diese Bevorzugung des Arbeitnehmers der Lebensaltersstufe 39 wirke sich auch noch nach ihrem Aufstieg in die Entgeltgruppe 12 TVöD aus.

9

Auch ein gleichaltriger, verheirateter Beschäftigter, der ein Jahr nach ihr in die Vergütungsgruppe IV a BAT, allerdings nicht wie sie mit ausstehendem Bewährungsaufstieg, sondern ohne einen solchen eingestellt worden sei, habe am 1. Oktober 2007 ein höheres Entgelt erzielt. In ihrem Einzelfall werde sie also für eine höherwertige Tätigkeit ungeachtet einer längeren Beschäftigung bei dem beklagten Amt und damit größerer Berufserfahrung aufgrund der diskriminierenden Regelungen im BAT geringer vergütet als ein Beschäftigter, der bis zur Stufenzuordnung am 1. Oktober 2007 das gleiche Geld für eine niedriger bewertete Tätigkeit erhalten habe.

10

Darüber hinaus sieht sich die Klägerin gegenüber einem ansonsten völlig mit ihr vergleichbaren Beschäftigten benachteiligt, der aus taktischen Gründen vier Jahre in der Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 verblieben sei. Dieser erhalte einen Strukturausgleich ab dem Jahr 2009 und werde damit besser gestellt als sie, die ein Jahr zuvor in die Entgeltgruppe 12 höhergruppiert worden sei. Außerdem sei ein solcher Beschäftigter im Jahr 2011 in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 höhergestuft worden. Er erziele daraus ein höheres Entgelt als sie aus der Stufe 4 der Entgeltgruppe 12 TVöD.

11

Bei den Überleitungsregelungen in den TVöD sei schließlich unberücksichtigt geblieben, dass die Lebensaltersstufen nach den Regeln des BAT beim Übergang in den höheren Dienst neu berechnet worden seien. Insoweit fehle es an einer Besitzstandsregelung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

13

A. Die Feststellungsklage ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung.

14

I. Die Klägerin war aufgrund ihrer rückwirkenden Höhergruppierung zum 1. Juni 2007 bereits zu Beginn des streitbefangenen Zeitraums nicht mehr in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund erhielten Angestellte, die vor dem 1. Oktober 2007 höhergruppiert wurden, in der höheren Entgeltgruppe Tabellenentgelt nach der regulären Stufe, deren Betrag mindestens der Vergütung aus der individuellen Zwischenstufe entsprach. Aufgrund ihres Vergleichsentgelts von 3.185,33 Euro war die Klägerin der Stufe 3 der Entgeltgruppe 12 mit einem Entgelt von 3.200,00 Euro zuzuordnen. Am allgemeinen Stufenaufstieg nahm sie infolge ihrer Höhergruppierung nicht mehr teil (BAG 13. August 2009 - 6 AZR 244/08 - AP TVÜ § 6 Nr. 1 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 6 Nr. 1).

15

II. Die Anträge der Klägerin sind jedoch im Hinblick auf ihre rechtliche Argumentation und den Umstand, dass das Tabellenentgelt der Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 identisch ist mit dem der Stufe 3 der Entgeltgruppe 12 TVöD, dahin auszulegen, dass sie eine Vergütung begehrt, die der Höhe nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 5 TVöD entspricht mit den sich daraus seit dem 1. Oktober 2007 für die Klägerin ergebenden vorteilhaften vergütungsrechtlichen Folgen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Das sollte mit den zuletzt gestellten Anträgen zum Ausdruck gebracht werden, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Dezember 2011 klargestellt hat.

16

III. Bei dieser Auslegung liegt das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) vor. Die streitbefangene Frage hat nach wie vor Bedeutung für die Höhe der Vergütung der Klägerin. Hätte diese bei ihrer Höhergruppierung zum 1. Juni 2007 das von ihr begehrte Entgelt bezogen, wäre sie gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund nicht der Stufe 3, sondern der Stufe 5 der Entgeltgruppe 12 TVöD zugeordnet worden. Sie würde dann aktuell unter Berücksichtigung der Zulage nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TVöD im Ergebnis eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 13 Stufe 5 TVöD und nicht lediglich eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 13 Stufe 4 TVöD erhalten.

17

B. Die Klägerin hat keinen aus der altersdiskriminierenden Bemessung der Grundvergütung in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen folgenden Anspruch auf eine höhere Stufenzuordnung seit dem 1. Oktober 2007.

18

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs] ZTR 2011, 664) entschieden, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG sowie Art. 28 der GRC der durch den allgemeinen Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund erfolgten endgültigen Eingliederung der übergeleiteten Angestellten in den TVöD unter Wahrung des im BAT erreichten Besitzstands nicht entgegenstehen. Damit steht fest, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund an sich nicht altersdiskriminierend ist, auch wenn diese Bestimmung noch an die altersbezogene Grundvergütung im BAT anknüpft, die wiederum nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstieß. Für die Zuordnung zu einer regulären Stufe infolge einer Höhergruppierung nach dem Inkrafttreten des AGG und vor dem 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund gilt nichts anderes. Auch in einem solchen Fall wie dem der Klägerin ist das unter dem Gedanken der Besitzstandswahrung gebildete Vergleichsentgelt maßgeblich für die Stufenzuordnung, ohne dass dadurch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen wird. Das zieht auch die Klägerin nicht in Zweifel, die ausdrücklich weder den TVöD noch das Überleitungssystem als solches in Frage stellt.

19

II. Die Klägerin war zum 1. Oktober 2007 auch nicht so zu stellen, als wäre sie aus der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe einer regulären Entwicklungsstufe des TVöD zugeordnet worden.

20

1. Die Klägerin macht geltend, sie sei erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 einer regulären Stufe des TVöD zugeordnet worden. Diese Zuordnung sei auf der Grundlage des altersdiskriminierenden Vergütungssystems des BAT erfolgt. Sie begehrt mit Wirkung zum 1. Oktober 2007 eine Gleichstellung mit den Meistbegünstigten im Sinne einer „Anpassung nach oben“ und damit im Ergebnis die Zuordnung zu einer regulären Stufe im TVöD unter Berücksichtigung eines Entgelts aus der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe im BAT.

21

2. Mit einem Vergleichsentgelt aus der höchsten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe IV a BAT von 3.533,71 Euro wäre die Klägerin - wenn sie nicht rückwirkend befördert worden wäre - im Rahmen des allgemeinen Stufenaufstiegs am 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund in der Entgeltgruppe 11 der Stufe 5 zugeordnet worden. Daraus wäre sie bei einer Höhergruppierung nach dem 1. Oktober 2007 gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD in die Entgeltgruppe 12 Stufe 5 eingruppiert worden. Infolge der rückwirkenden Höhergruppierung zum 1. Juni 2007 wäre sie gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund mit einem Vergleichsentgelt von 3.533,71 Euro der Stufe 4 der Entgeltgruppe 12 zugeordnet worden. Seit dem 1. Juni 2011 würde sie dann - unter Zugrundelegung der Regelstufenlaufzeit - eine Vergütung aus der Stufe 5 der Entgeltgruppe 12 erhalten.

22

3. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch darauf, seit ihrer Eingliederung in das reguläre Stufensystem des TVöD, die mit ihrer Höhergruppierung zum 1. Juni 2007 erfolgt ist, bzw. entsprechend ihrem Antrag seit dem 1. Oktober 2007 so gestellt zu werden, als wäre sie unter Zugrundelegung einer Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe IV a BAT einer regulären Stufe des TVöD zugeordnet worden.

23

a) Zwar war die lebensaltersbezogene Grundvergütung im BAT seit Inkrafttreten des AGG altersdiskriminierend, so dass, wie der Senat am 10. November 2011 (- 6 AZR 481/09 - und - 6 AZR 148/09 -) entschieden hat, bis zur Einführung eines diskriminierungsfreien Vergütungssystems eine „Anpassung nach oben“ erfolgen musste. Demzufolge war den diskriminierten jüngeren Arbeitnehmern eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe zu zahlen. Diese Pflicht endet jedoch mit der Ablösung eines altersdiskriminierenden Vergütungssystems durch ein diskriminierungsfreies (vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - Rn. 40 und - 6 AZR 148/09 - Rn. 35; vgl. auch EuGH 22. Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Rn. 51; 26. Januar 1999 - C-18/95 - [Terhoeve] Rn. 57, Slg. 1999, I-345).

24

b) Das Entgeltsystem des TVöD ist als solches diskriminierungsfrei (EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs] Rn. 81, 99, ZTR 2011, 664; vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - Rn. 34 für den TV-H und - 6 AZR 148/09 - Rn. 29 für den TV-L). In dieses neue, diskriminierungsfreie System sollten die Beschäftigten unter Wahrung der gemäß § 27 Abschn. A (Bund und Länder) BAT erreichten Lebensaltersstufe als tarifgerechter Grundlage übergeleitet und spätestens zum 1. Oktober 2007 endgültig in die neue Entgeltstruktur eingegliedert werden. Diese Anknüpfung an den nach den tariflichen Regelungen des BAT erreichten Besitzstand ist mit dem Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar (EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs] Rn. 90 ff., ZTR 2011, 664). Eine vorübergehende Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe des BAT hat ausschließlich zur Beseitigung der Diskriminierung innerhalb des diskriminierenden Systems zu erfolgen (vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 481/09 - aaO und - 6 AZR 148/09 - aaO). Als Anknüpfungspunkt für die endgültige Eingliederung in das diskriminierungsfreie Entgeltsystem des TVöD durch Zuordnung zu einer der regulären Entgeltstufen dieses Tarifvertrags kann eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe des BAT deshalb nicht dienen.

25

III. Die Klägerin macht weiter geltend, der Gerichtshof der Europäischen Union sei maßgeblich davon ausgegangen, dass sich die Auswirkungen der über den Überleitungszeitpunkt hinaus andauernden Altersdiskriminierung schrittweise abbauen. Sie nimmt an, dass dies innerhalb von vier Jahren der Fall sein müsse und rügt, für sie führe das Überleitungsrecht zu einer Perpetuierung der Altersdiskriminierung bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand und darüber hinaus. Sie missversteht insoweit die Argumentation des Gerichtshofs der Europäischen Union, in der sich die von ihr genannte Vier-Jahres-Grenze ohnehin nicht wiederfindet. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Überleitungsregelungen in den TVöD als angemessen und erforderlich angesehen, weil es sich dabei um Regelungen mit Übergangscharakter handele und die Fortwirkung der Altersdiskriminierung schrittweise nach Maßgabe der Entwicklung der Vergütung der Angestellten verschwinden werde. Er hat dabei darauf abgestellt, dass sich die Vergütung der Angestellten nach dem 1. Oktober 2007 allein anhand der im TVöD vorgesehenen Kriterien und damit nicht mehr anhand des Alters entwickeln werde (EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs] Rn. 96 f., ZTR 2011, 664). Mit ihrer Höhergruppierung zum 1. Juni 2007 war die Klägerin vollständig in das reguläre Entgeltsystem des TVöD integriert. Alle weiteren vergütungsrechtlichen Folgen, die zu den von der Klägerin angeführten Nachteilen gegenüber anderen Beschäftigtengruppen führten, ergaben sich seitdem ausschließlich aus dem nicht altersdiskriminierenden Entgeltsystem des TVöD. Gerade darauf hat der Gerichtshof der Europäischen Union abgestellt.

26

C. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die begehrte höhere Stufenzuordnung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit anderen Beschäftigtengruppen.

27

I. Die Regelungen zur Stufenzuordnung in § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund stehen als solche im Einklang mit Art. 3 GG und § 3 Abs. 2 AGG als spezialgesetzlicher Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Den Tarifvertragsparteien war ein angemessener Spielraum zur Überleitung der bereits Beschäftigten vom alten in das neue Vergütungssystem zuzubilligen. Das Ziel, das neue Entgeltsystem unter Wahrung sozialer Besitzstände einzuführen, rechtfertigt bei Beachtung der Tarifautonomie ungeachtet der altersdiskriminierenden Wirkung der Vergütungsregelung des BAT das Anknüpfen an die in diesem Tarifvertrag erreichte Vergütung (vgl. für den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 2. August 2006 - 10 AZR 572/05 - Rn. 30 mwN, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 3; zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch den Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Bestandssicherung s. BVerfG 24. September 1997 - 1 BvR 647/91 ua. - EuGRZ 1998, 36). Das stellt die Klägerin grundsätzlich nicht in Abrede.

28

II. Die Klägerin begehrt jedoch unter Berufung auf die vom Gerichtshof der Europäischen Union ihrer Auffassung nach unterlassene Angemessenheitskontrolle die Prüfung ihres Einzelfalls und macht dabei geltend, ihren Fall hätten die Tarifvertragsparteien nicht gerecht geregelt. Sie rügt, andere Alters- und Beschäftigtengruppen, insbesondere die Angestellten der Lebensaltersstufe 39, wären ihr gegenüber bevorzugt und durch ihre Einkommensentwicklung im TVöD überproportional begünstigt. Damit macht sie eine Ungleichbehandlung iSd. Art. 3 Abs. 1 GG geltend. Auch dies verhilft der Klage nicht zum Erfolg.

29

1. Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht (BAG 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 21, BAGE 129, 93).

30

2. An diesem Maßstab gemessen ist entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Schaffung der Entgeltstruktur des TVöD ebenso wenig wie bei der Eingliederung der Klägerin in die regulären Stufen dieses Tarifvertrags eine gleichheitswidrige Gruppenbildung erfolgt.

31

a) Bei der Bewertung der von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Regelungen zur Überleitung der Angestellten aus dem BAT in den TVöD sowie zu deren endgültiger Eingliederung in die neue Entgeltstruktur sowie der Entgeltstruktur des TVöD selbst ist zu berücksichtigen, dass die Findung des nach dem TVöD zu zahlenden Entgelts und die Überleitung der bereits Beschäftigten in das neue Vergütungssystem ein überaus komplexer Vorgang war. Im TVöD ist nicht nur das bisherige Vergütungssystem mit seinen an die beamtenrechtliche Alimentation angelehnten, vom Lebensalter, vom Familienstand und von der Kinderzahl abhängigen Vergütungsbestandteilen, das zudem einen Aufstieg in die nächsthöhere Lohn-/Vergütungsgruppe auch ohne Tätigkeitswechsel vorsah, aufgegeben und durch eine Leistungsaustauschbeziehung ersetzt worden, die ausschließlich von der wahrgenommenen Aufgabe, Berufserfahrung und individuellen Leistungen abhängt. Zugleich wurden auch die bisher unterschiedlich ausgestalteten Vergütungsstrukturen von Arbeitern und Angestellten aufgelöst. Dafür mussten die bisher 17 Lohngruppen der Arbeiter und 18 Vergütungsgruppen der Angestellten, insgesamt also 35 Gruppen, in den 15 Entgeltgruppen des TVöD zusammengefasst werden. Das unterschiedlich hohe Entgeltniveau von Arbeitern und Angestellten musste dabei ebenso vereinheitlicht werden wie die unterschiedlich hohe Vergütung der Angestellten im Bereich der VKA und des Bundes. Aus den bis zu 15 Lebensaltersstufen der Grundvergütung wurden fünf bis sechs an Berufserfahrung anknüpfende Entgeltstufen. Schließlich wurde auch eine Vielzahl von Tarifverträgen, die das Entgelt einzelner Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes höchst differenziert und mit vielen Verästelungen bis ins Detail regelten, zusammengeführt. Schlussendlich wurde das Vergütungsniveau strukturell verändert: Das Entgeltniveau jüngerer Arbeitnehmer wurde angehoben, das älterer abgesenkt. Die neue Entgelttabelle des TVöD ist dabei das Ergebnis von Einzelberechnungen für jede Entgeltgruppe, ohne dass sich ihr eine systematische Struktur entnehmen ließe (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 665/08 - Rn. 21, AP TVÜ § 4 Nr. 1 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 4 Nr. 3; zum Ganzen vgl. auch Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand November 2010 § 15 Rn. 50 bis 84; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Mai 2010 Teil II § 15 Rn. 6 bis 11).

32

b) Angesichts dieser Komplexität der von den Tarifvertragsparteien gewählten Regelungsaufgabe war es unmöglich, eine Entgeltstruktur zu schaffen, die keine Nachteile für einzelne Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen gegenüber dem bisherigen Tarifrecht mit sich brachte. Ebenso wenig war es möglich zu verhindern, dass einzelne Beschäftigtengruppen nach der Überleitung in den TVöD von der neuen Entgeltstruktur mehr oder zu früheren Zeitpunkten profitierten als andere Gruppen. Die Tarifvertragsparteien mussten bei der Schaffung der neuen Entgeltstruktur ebenso wie bei der Überleitung in das neue System sowie deren Abschluss spätestens am 1. Oktober 2007 generalisieren, pauschalieren und typisieren, ohne dabei jeder Besonderheit des Einzelfalls gerecht werden zu können. Bei der Regelung von Massenerscheinungen, wie es die Schaffung der neuen Entgeltstruktur, die Überleitung der Beschäftigten in den TVöD und deren endgültige Eingliederung in die neue Struktur war, liegt es in der Natur der Sache, dass es zu Randunschärfen kommt und die Regelung nicht jedem Einzelfall gerecht werden kann (BAG 14. April 2011 - 6 AZR 734/09 - Rn. 22, ZTR 2011, 498; vgl. zur Typisierungsbefugnis von Tarifvertragsparteien bei der Regelung von Massenerscheinungen auch BVerfG 18. April 2008 - 1 BvR 759/05 - Rn. 72, BVerfGK 13, 455). Derart komplexe Sachverhalte lassen sich nur unter gewissen Brüchen in der Systematik und unter Hinnahme vorübergehender Unstimmigkeiten regeln (vgl. BVerfG 13. Juni 1979 - 1 BvL 27/76 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 51, 257).

33

c) Die Tarifvertragsparteien haben zur Bewältigung der dargestellten Regelungsaufgabe in Wahrnehmung ihrer Tarifautonomie eine Entgeltstruktur ausgehandelt, die von stark unterschiedlichen Gehaltssteigerungen zwischen den verschiedenen Entgeltgruppen und Stufen gekennzeichnet ist.

34

aa) Der Klägerin ist zuzugeben, dass Angestellte, die wie sie im Monat vor ihrer Überleitung in den TVöD in die Vergütungsgruppe IV a BAT mit ausstehendem Bewährungsaufstieg eingruppiert und der Lebensaltersstufe 37 im BAT zugeordnet waren, unter Umständen von der neuen Tarifstruktur deutlich weniger profitieren als Angestellte, die in dieser Vergütungsgruppe zuletzt aus der Lebensaltersstufe 39 des BAT vergütet wurden. Dies beruht darauf, dass Letztere, sofern sie mit dem Ortszuschlag der Stufe 2 übergeleitet worden waren, mit einem Vergleichsentgelt von 3.272,73 Euro bei der Überleitung bereits einer Zwischenstufe zwischen den Stufen 4 und 5 der Entgeltgruppe 11 zugeordnet worden sind, weil ihr Vergleichsentgelt knapp über dem der Stufe 4 (3.200,00 Euro) lag. Angestellte der Lebensaltersstufe 37 wie die Klägerin, in deren Vergleichsentgelt ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 eingeflossen war, wurden dagegen mit einem Vergleichsentgelt von 3.185,33 Euro einer Stufe zwischen den Stufen 3 und 4 der Entgeltgruppe 11 zugeordnet, weil ihr Vergleichsentgelt knapp unter dem Entgelt der Stufe 4 lag. Aus dieser unterschiedlichen Zuordnung ergaben sich alle weiteren aus Sicht der Klägerin einseitig die Angestellten der Lebensaltersstufe 39 begünstigenden Folgen.

35

bb) Die Klägerin berücksichtigt bei ihrer Argumentation nicht, dass die Entgeltstruktur des TVöD nicht alle Angestellten, die im September 2005 der Lebensaltersstufe 39 angehörten, gegenüber den Angehörigen der Lebensaltersstufe 37 derselben Vergütungsgruppe begünstigte. Die von der Klägerin ihrer Rüge des Art. 3 GG zugrunde gelegten Vorteile für die Angestellten der Lebensaltersstufe 39 finden sich im Gegenteil in anderen Konstellationen nicht. Eine Systemwidrigkeit, dh. eine in allen Fällen oder jedenfalls der Mehrzahl der Fälle gegebene Bevorzugung der Angestellten der Lebensaltersstufe 39 gegenüber denen der Lebensaltersstufe 37, die einen Gleichheitsverstoß indizierte (vgl. BVerfG 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 - zu C I 3 a der Gründe, BVerfGE 68, 237), liegt damit nicht vor.

36

(1) Ein lediger Angestellter der Lebensaltersstufe 39, der in dieselbe Vergütungsgruppe wie die Klägerin eingruppiert war, wurde mit einem Vergleichsentgelt von 3.165,83 Euro in den TVöD übergeleitet, weil in sein Vergleichsentgelt nur der Ortszuschlag der Stufe 1 eingeflossen war. Er kam damit wie die Klägerin in eine Zwischenstufe zwischen den Stufen 3 und 4 der Entgeltgruppe 11. Sein Einkommen hätte sich deshalb in der neuen Entgeltstruktur des TVöD ebenso wie das der Klägerin entwickelt.

37

(2) In zahlreichen anderen Konstellationen wurden die Angestellten der Lebensaltersstufe 37 und 39 nach ihrer Eingliederung in die Entgeltstruktur des TVöD aus derselben Stufe vergütet. Beispielhaft seien hier genannt (die Beispiele sind sämtlich für Angestellte gebildet, bei denen der Ortszuschlag der Stufe 2 ins Vergleichsentgelt eingeflossen war):

-       

Angestellte der Vergütungsgruppe III ohne ausstehenden Bewährungsaufstieg wurden im TVöD der Entgeltgruppe 11 zugeordnet. Angestellte der Lebensaltersstufe 37 wurden mit einem Vergleichsentgelt von 3.432,04 Euro am 1. Oktober 2007 ebenso wie Angestellte der Lebensaltersstufe 39, die ein Vergleichsentgelt von 3.527,57 Euro erhielten, der Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 mit einem Entgelt von 3.635,00 Euro zugeordnet.

-       

Angestellte der Vergütungsgruppe III mit ausstehendem Bewährungsaufstieg wurden im TVöD der Entgeltgruppe 12 zugeordnet. Angestellte der Lebensaltersstufe 37 wurden mit einem Vergleichsentgelt von 3.432,04 Euro am 1. Oktober 2007 ebenso wie Angestellte der Lebensaltersstufe 39, die ein Vergleichsentgelt von 3.527,57 Euro erhielten, der Stufe 4 der Entgeltgruppe 12 mit einem Entgelt von 3.550,00 Euro zugeordnet.

-       

Angestellte der Vergütungsgruppe IV a ohne ausstehenden Bewährungsaufstieg wurden im TVöD der Entgeltgruppe 10 zugeordnet. Angestellte der Lebensaltersstufe 37 wurden mit einem Vergleichsentgelt von 3.185,33 Euro am 1. Oktober 2007 ebenso wie Angestellte der Lebensaltersstufe 39, die ein Vergleichsentgelt von 3.272,73 Euro erhielten, der Stufe 5 der Entgeltgruppe 10 mit einem Entgelt von 3.380,00 Euro zugeordnet.

-       

Angestellte der Vergütungsgruppe IV b mit ausstehendem Bewährungsaufstieg wurden im TVöD der Entgeltgruppe 10 zugeordnet. Angestellte der Lebensaltersstufe 37 wurden mit einem Vergleichsentgelt von 2.889,82 Euro am 1. Oktober 2007 ebenso wie Angestellte der Lebensaltersstufe 39, die ein Vergleichsentgelt von 2.959,13 Euro erhielten, der Stufe 4 der Entgeltgruppe 10 mit einem Entgelt von 3.000,00 Euro zugeordnet.

-       

Angestellte der Vergütungsgruppe IV b ohne ausstehenden Bewährungsaufstieg wurden im TVöD der Entgeltgruppe 9 zugeordnet. Angestellte der Lebensaltersstufe 37 wurden mit einem Vergleichsentgelt von 2.889,82 Euro am 1. Oktober 2007 ebenso wie Angestellte der Lebensaltersstufe 39, die ein Vergleichsentgelt von 2.959,13 Euro erhielten, der Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 mit einem Entgelt von 2.980,00 Euro zugeordnet.

38

cc) Allerdings lassen sich Beispiele, in denen seit der Zuordnung zu einer regulären Stufe einer Entgeltgruppe im TVöD erhebliche Entgeltdifferenzen vorlagen, die deutlich über die bis zur Einführung des TVöD vorliegenden hinausgingen, zahlreich finden.

39

(1) Zu derartigen Differenzen in der Einkommensentwicklung im TVöD kam es insbesondere immer dann, wenn das Vergleichsentgelt des einen Angestellten bei der Überleitung knapp unter der nächsthöheren regulären Stufe einer Entgeltgruppe lag, während ein Angestellter mit anderem Familienstand oder einer anderen Lebensaltersstufe einer individuellen Zwischenstufe derselben Entgeltgruppe zugeordnet war, aus der er eine Vergütung erhielt, die zumindest geringfügig über dem nach der nächstniedrigeren regulären Stufe zu zahlenden Entgelt lag. In diesen Fällen wurden die beiden Angestellten unterschiedlichen Stufen ihrer Entgeltgruppe zugeordnet (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 6 AZR 682/07 - BAGE 128, 210, dort führte allein die Berechnung des Vergleichsentgelts mit dem Ortszuschlag der Stufe 1 statt dem gekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 seit dem 1. Oktober 2007 zu einer monatlichen Entgeltdifferenz von 450,00 Euro). Diese Differenzen konnten sich, wie der Fall der Klägerin zeigt, bei Höhergruppierungen fortsetzen oder sogar vergrößern.

40

(2) Vorübergehende Entgeltnachteile konnten sich auch in den Fällen ergeben, in denen die Tarifvertragsparteien bei der Zuordnung zu den Entgeltgruppen nach der Anlage 2 zum TVÜ-Bund danach differenziert hatten, ob noch ein Bewährungsaufstieg möglich war. In diesen Fällen wurden die Angestellten bei identischen persönlichen Verhältnissen mit einem gleich hohen Vergleichsentgelt verschiedenen Entgeltgruppen zugeordnet. Aufgrund der Tabellenstruktur des TVöD konnte dies bei der Zuordnung zu den regulären Stufen der Entgelttabelle dazu führen, dass ein Angestellter, der einer niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet worden war, vorübergehend ein höheres Entgelt erhielt als der Angestellte einer höheren Entgeltgruppe. Zu derartigen Nachteilen kam es immer dann, wenn der Angestellte in der niedrigeren Entgeltgruppe in eine Stufe gekommen war, der die Tarifvertragsparteien ein höheres Entgelt zugeordnet hatten als der nächstniedrigeren Stufe in der höheren Entgeltgruppe. Das war zB, wie die Klägerin zutreffend anführt, in der Vergütungsgruppe IV a BAT der Fall. Ein Angestellter, der in eine Fallgruppe dieser Vergütungsgruppe eingruppiert war, aus der kein Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe III BAT möglich war, wurde in die Entgeltgruppe 10 eingruppiert, während der Angestellte, der noch einen Bewährungsaufstieg vor sich hatte, in die Entgeltgruppe 11 eingeordnet wurde. Beide Angestellten waren mit einem Vergleichsentgelt von 3.185,33 Euro in den TVöD übergeleitet worden, sofern der Ortszuschlag der Stufe 2 in dieses eingeflossen war. Mit diesem Vergleichsentgelt wurde der Angestellte in der Entgeltgruppe 10 am 1. Oktober 2007 der Stufe 5 dieser Entgeltgruppe mit einem Entgelt von 3.380,00 Euro zugeordnet, während der Angestellte in der Entgeltgruppe 11 in die Stufe 4 dieser Entgeltgruppe kam und daraus ein Entgelt von 3.200,00 Euro erhielt. Erst mit dem weiteren Aufstieg in die Entgeltgruppe 11 Stufe 5 erzielte dieser Angestellte einen höheren Verdienst (zu vergleichbaren Konstellationen bei Höhergruppierungen im TVöD vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 244/08 - AP TVÜ § 6 Nr. 1 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 6 Nr. 1; zum TV-V vgl. 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - EzTöD 600 TV-V § 5 Stufenzuordnung Nr. 4).

41

dd) Derartige Entgeltnachteile, wie sie auch die Klägerin erlitten hat, folgen jedoch nicht mehr aus der lebensaltersbezogenen Grundvergütung im BAT, sondern aus den von den Tarifvertragsparteien den einzelnen Stufen der unterschiedlichen Entgeltgruppen des TVöD zugeordneten Beträgen. Die Rügen der Klägerin zielen damit im Ergebnis auf das tarifliche Entgeltgefüge. Den staatlichen Gerichten ist wegen der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie ein Eingriff in dieses Entgeltgefüge jedoch weitgehend verwehrt. Die autonome vergütungsrechtliche Bewertung einzelner Tätigkeiten ist integraler Bestandteil der Tarifautonomie. Der Möglichkeit staatlicher Gewalt einschließlich der Judikative, den Tarifvertragsparteien in diesem Bereich Vorgaben zu machen, sind enge Grenzen gezogen. Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts grundsätzlich den Tarifvertragsparteien übertragen. Das schließt auch die Befugnis zu Entgeltregelungen ein, die Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 45, EzTöD 600 TV-V § 5 Stufenzuordnung Nr. 4).

42

(1) Die Grenzen der autonomen Entgeltfindung der Tarifvertragsparteien sind hier trotz der erheblichen nachteiligen finanziellen Folgen der neuen Entgeltstruktur für die Klägerin noch nicht überschritten. Eine systematische Bevorzugung einzelner Beschäftigtengruppen lässt sich nicht feststellen. Insbesondere wird die von der Klägerin herangezogene Lebensaltersstufe 39 des BAT, wie ausgeführt, nicht durchgehend gegenüber den Angestellten der Lebensaltersstufe 37 begünstigt.

43

(2) Die von den Tarifvertragsparteien den einzelnen Entgeltgruppen und -stufen zugeordneten Entgeltbeträge entfalten mit ihrer Absolutheit letztlich dieselbe Wirkung wie Stichtagsregelungen: Die Arbeitnehmer stiegen mit der im BAT erreichten Vergütung in das Entgeltsystem des TVöD ein. Ausgehend von dieser Basis entwickelte sich ihr Einkommen in der neuen Struktur. Ohne derartige Grenzziehungen ist die Umstellung eines Vergütungssystems aber nicht denkbar und nicht durchführbar (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 244/08 - Rn. 22, AP TVÜ § 6 Nr. 1 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 6 Nr. 1). Solche Grenzen bringen unvermeidbar Härten für solche Arbeitnehmer mit sich, die wie die Klägerin die Voraussetzungen für eine Vergütung aus höheren Stufen wiederholt knapp verfehlen. Solche Härten sind jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Grenzziehung notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfG 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - zu C II 3 der Gründe, BVerfGE 117, 272). Dies ist vorliegend aus den genannten Gründen der Fall.

44

ee) Hätten die Tarifvertragsparteien die geschilderten Härten in der Einkommensentwicklung auch bei Vergütungen, die im Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD gleich hoch waren oder nur geringfügig differierten, vermeiden wollen, wäre dies nur durch ein noch komplizierteres, noch ausdifferenzierteres und noch schwerer zu handhabendes Regelungswerk möglich gewesen. Abgesehen davon, dass auch ein solches Regelungswerk wiederum Härten, wenn auch für andere Personengruppen, entfaltet hätte, durften die Tarifvertragsparteien bei der Schaffung des TVöD die Handhabbarkeit des neuen Entgeltsystems bedenken. Sie durften deshalb von Differenzierungen absehen, die ihrem Ziel, ein neues, von den bisherigen für die Vergütung maßgeblichen Kriterien losgelöstes Entgeltsystem zu schaffen, entgegenstanden (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 244/08 - Rn. 29 f., AP TVÜ § 6 Nr. 1 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 6 Nr. 1; BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 22/93 - zu B I 4 a der Gründe, BVerfGE 97, 186). Auch eine Härtefallregelung für Fälle wie den der Klägerin mussten die Tarifvertragsparteien nicht treffen (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 244/08 - Rn. 34, AP TVÜ § 6 Nr. 1 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 6 Nr. 1).

45

III. Die Rüge, die Klägerin werde gegenüber den Arbeitnehmern benachteiligt, die aus „taktischen Gründen“ so lange in der Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 „verblieben“, bis sie in die Stufe 5 dieser Entgeltgruppe aufstiegen und damit einen Entgeltvorteil erzielten, der noch dadurch vergrößert werde, dass sie den Strukturausgleich (weiterhin) erhielten, verfängt nicht. Der Entgeltnachteil erwächst aus den Beträgen, die die Tarifvertragsparteien den einzelnen Stufen der Entgeltgruppen zugeordnet haben. Diese Zuordnung ist, wie ausgeführt, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Im übrigen ergeben sich die angeführten Entgeltnachteile aus einer freiwilligen Entscheidung der Klägerin, der es nicht verwehrt gewesen wäre, ebenso zu „taktieren“ wie die von ihr angeführten Arbeitnehmer.

46

IV. Auch die Rüge, die Tarifvertragsparteien hätten eine Besitzstandsregelung hinsichtlich der Regelung in § 27 Abschn. A Abs. 3 Satz 1 BAT treffen müssen, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Nach dieser Bestimmung war bei bestimmten Höhergruppierungen zu prüfen, ob sich eine günstigere Lebensaltersstufe ergab, wenn davon ausgegangen wurde, dass der Angestellte seit seiner Einstellung in die höhere Vergütungsgruppe eingruppiert gewesen war. Mit ihrer Argumentation strebt die Klägerin den Fortbestand von für sie vorteilhaften Teilen des altersbezogenen Vergütungssystems des BAT an, dessen altersdiskriminierende Wirkung sie andererseits geltend macht. Dies ist widersprüchlich.

47

V. Soweit die Klägerin Nachteile beim Strukturausgleich angesprochen hat, sind diese vom Streitgegenstand nicht umfasst.

48

D. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision einschließlich des Zwischenverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Uwe Zabel    

        

    Matiaske    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2012 - 10 Sa 199/12 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus Tarifvertrag.

2

Die am 18. März 1970 geborene Klägerin war seit dem 15. September (richtig wohl: Dezember) 2000 bei der Beklagten in deren Betrieb in F beschäftigt. Als Teilzeit-Angestellte verdiente sie zuletzt monatlich brutto 2.059,69 Euro.

3

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 2009 fristgemäß zum 30. Juni 2010. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar (richtig wohl: Juli) 2010 in H an, da sie entschieden hatte, ihren Geschäftssitz dorthin zu verlegen. Die Klägerin nahm dieses Änderungsangebot nicht an. Im nachfolgenden Kündigungsrechtsstreit wurde durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. März 2011 - 10 Sa 1290/10 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30. Juni 2010 beendet worden ist.

4

Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme fanden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für das private Bankgewerbe Anwendung (§ 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 4. Dezember 2000). Zu den anzuwendenden Tarifverträgen gehörten auch die für das private Bankgewerbe vereinbarten Rationalisierungsschutzabkommen (RSchABK). Zwischen den Parteien ist in der Revisionsinstanz nicht mehr streitig, dass die Verlegung des Geschäftssitzes von F nach H eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der Rationalisierungsschutzabkommen darstellt, wohl aber, ob das tarifvertragliche Rationalisierungsschutzabkommen in der ab dem 8. Juli 2004 geltenden Fassung - so die Beklagte - oder in der ab dem 10. Juni 2010 - so die Klägerin - geltenden Fassung Anwendung findet. Die spätere Fassung übernimmt zwar in § 9 RSchABK, der die Abfindungen bei Rationalisierungen regelt, die Anspruchsvoraussetzungen der früheren Fassung, sieht aber ab vollendetem 40. Lebensjahr höhere Abfindungen vor.

5

§ 9 Ziff. 3 RSchABK idF vom 10. Juni 2010 lautet wie folgt:

        

„Führen Rationalisierungsmaßnahmen - auch in Form eines Auflösungsvertrages - zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung. Sie beträgt:

        
        

Betriebszuge-

Alter 

        
        

hörigkeit

40    

44    

48    

52    

56    

        
                 

Monatsgehälter

        
        

10    

4,5     

5       

5,5     

6       

6,5     

        
        

14    

5,5     

6,25   

7       

7,75   

8,5     

        
        

18    

6,5     

7,5     

8,5     

9,5     

10,5   

        
        

22    

7,5     

8,75   

10    

11,25 

12,5   

        
        

26    

-       

10    

11,5   

13    

14,5   

        
                          
        

Für Arbeitnehmer vor Vollendung des 40. Lebensjahres beträgt die Abfindung:

        
        

-       

bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit

1 Monatsgehalt,

        

-       

bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit

2 Monatsgehälter,

        

-       

bei 15-jähriger Betriebszugehörigkeit

3 Monatsgehälter.

        

Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter ist der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgebend.“

        
6

Der Anspruch auf die Abfindung ruht, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt (§ 9 Ziff. 5 RSchABK).

7

Die Klägerin meint, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der ab dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden, da ihr Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 2010 beendet worden sei. Daher habe sie einen Anspruch auf Abfindung iHv. 4,5 Monatsgehältern oder 9.268,61 Euro. Sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen, da sie im Zeitpunkt ihres Ausscheidens am 30. Juni 2010 ihr 40. Lebensjahr vollendet und im 10. Jahr der Betriebszugehörigkeit zur Beklagten gestanden habe. Bei richtiger Auslegung von § 9 Ziff. 3 RSchABK müsse die Betriebszugehörigkeit keine vollen zehn Jahre betragen. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sollten ältere Arbeitnehmer, beginnend mit vollendetem 40. Lebensjahr, gegenüber jüngeren höhere Ansprüche haben. Daher müsse es genügen, wenn sie sich bei Ausscheiden im 10. Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit befunden habe.

8

Unter Berücksichtigung des Berufungsurteils beantragt die Klägerin,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine weitere Abfindung in Höhe von 3,5 Gehältern oder 7.208,92 Euro brutto zu zahlen.

9

Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vertritt die Beklagte zum einen die Auffassung, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der Fassung 2004 anzuwenden, da es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ankomme. Jedenfalls erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine Abfindung in der von ihr verlangten Höhe nicht. Sie sei keine zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen. § 9 Ziff. 3 RSchABK könne nicht so ausgelegt werden, dass bei vollendetem 40. Lebensjahr eine Betriebszugehörigkeit „bis zu 10 Jahren“ oder „im 10. Jahr“ der Betriebszugehörigkeit ausreiche. Es bestehe, soweit eine tarifliche Regelungslücke anzunehmen sei, allenfalls ein Abfindungsanspruch iHv. einem Monatsgehalt.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 4,5 Monatsgehältern stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und eine Abfindung iHv. 2.059,69 Euro brutto, dh. in Höhe eines Monatsgehaltes zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Nach § 9 Ziff. 3 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Rationalisierungsschutzabkommens steht der Klägerin keine höhere Abfindung zu, als ihr insoweit rechtskräftig vom Berufungsgericht zuerkannt wurde.

12

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte schulde der Klägerin eine Abfindung nach § 9 Ziff. 3 Satz 2 iVm. § 3 RSchABK in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Das Arbeitsverhältnis sei durch eine Rationalisierungsmaßnahme beendet worden. Es könne dahinstehen, in welcher Fassung das Rationalisierungsschutzabkommen zur Anwendung komme. Die Klägerin erfülle die in beiden Fassungen gleichen Voraussetzungen für eine Abfindung iHv. 4 oder 4,5 Monatsgehältern nicht. Die für Arbeitnehmer im Alter ab 40 Jahren in § 9 Ziff. 3 RSchABK vorgesehenen höheren Abfindungsbeträge entstünden erst ab einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren. Die tabellarische Angabe „10“ könne nicht iSv. „bis zu 10“ Jahren der Betriebszugehörigkeit ausgelegt werden. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sei es auszuschließen, dass ein Arbeitnehmer mit Vollendung des 40. oder eines höheren Lebensjahres bereits mit dem ersten Tag seiner Betriebszugehörigkeit die erhöhte Abfindung verlangen könne, sofern ihm rationalisierungsbedingt gekündigt werde. Allerdings enthalte das Rationalisierungsschutzabkommen eine unbewusste Regelungslücke für Arbeitnehmer wie die Klägerin. Diese könne durch die Gerichte ohne unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie geschlossen werden, soweit sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergäben, wie die Tarifvertragsparteien nach ihrem mutmaßlichen Willen die nicht berücksichtigte Fallkonstellation geregelt hätten, wenn sie denn die Lückenhaftigkeit erkannt hätten. In den Rationalisierungsschutzabkommen hätten die Tarifvertragsparteien zu erkennen gegeben, dass im Falle des rationalisierungsbedingten Verlustes von Arbeitsplätzen immer Abfindungen gezahlt werden sollten, wenn bestimmte Mindestzeiten an Betriebszugehörigkeit erreicht worden sind. Daher sei nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die erst deutlich nach Vollendung des 40. Lebensjahres in ein Arbeitsverhältnis eintreten, oder sich darin ohne 10-jährige Betriebszugehörigkeit befinden, von jeglicher Abfindungszahlung ausnehmen wollten. Insoweit könne unterstellt werden, dass in solchen Fällen die „normale“ Abfindung des § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK zu zahlen sei. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses noch keine 10-jährige, jedoch eine 5-jährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen habe, stehe ihr ein Monatsgehalt als Abfindungszahlung zu.

13

B. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

14

I. Zu Recht konnte das Landesarbeitsgericht es dahinstehen lassen, welche Fassung des Rationalisierungsschutzabkommens Anwendung findet. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, ihr Fall beurteile sich nach dem höhere Abfindungsbeträge vorsehenden Rationalisierungsschutzabkommen in der Fassung vom 10. Juni 2010, ist die Revision unbegründet. Denn die Klägerin erfüllt die in beiden Rationalisierungsschutzabkommen gleichlautenden Voraussetzungen für eine erhöhte Abfindung nicht.

15

II. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die erstinstanzliche Auslegung der Ziffer „10“ in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK iSv. „im 10. Jahr“ oder „bis zu 10 Jahren“ Betriebszugehörigkeit die zulässigen Grenzen der Auslegung überschritt. Die Ziffer „10“ bedeutet, dass zehn Jahre der Betriebszugehörigkeit am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 9 Ziff. 3 Satz 4 RSchABK) vollendet sein müssen.

16

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, die folgende Tarifgeschichte und ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden, dies ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge. Es gibt nämlich weder einen allgemeinen Erfahrungssatz, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien jeweils den mit einer Tarifnorm verfolgten Sinn und Zweck zum Ausdruck bringen, noch gebietet die juristische Methodenlehre hier eine bestimmte Reihenfolge der Auslegungskriterien (BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14). Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 514/10 - Rn. 26, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 228; 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - Rn. 16, AP BGB § 613a Nr. 392; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 3; 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131 = AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30; 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - zu B II 1 a aa der Gründe, BAGE 73, 364 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 28).

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2. Der „Wortlaut“ der tabellarischen Ziffernangabe „10“ in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ist allerdings für sich genommen nicht eindeutig und daher grundsätzlich einer Auslegung zugänglich. Bereits die Angabe in einer tarifvertraglichen Tabelle lässt aber systematischen Auslegungsgesichtspunkten besondere Bedeutung zukommen. Gegen die von der Klägerin vertretene und vom Arbeitsgericht übernommene Auslegung spricht zum einen, dass auch die weiteren Steigerungsstufen in der Tabelle von § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK „14, 18, 22 und 26“ ohne jeglichen Zusatz aufgeführt werden. Dass es sich bei den Ziffernangaben um „Jahre“ handeln soll, die nach einem Stichtag, dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, berechnet werden sollen, ergibt sich aus § 9 Ziff. 3 Satz 3 und Satz 4 RSchABK. Aus Satz 3 ergibt sich zudem, dass es sich jeweils um volle Jahre der Betriebszugehörigkeit handeln soll, weil es dort ausdrücklich heißt: „bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit“ usw. Dies verbietet ein Verständnis von „bis zu 5-jähriger Betriebszugehörigkeit“ ebenso wie bis zu 14- oder bis zu 22-jähriger Betriebszugehörigkeit in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK. Eine Auslegung im Sinne von „im 10. Jahr“ oder „im 15. Jahr“ der Betriebszugehörigkeit ist noch ferner liegend und findet weder in Wortlaut noch Systematik des Tarifvertrages eine Stütze. § 9 Ziff. 3 RSchABK stellt erkennbar die Betriebszugehörigkeit als Regelungskriterium an die erste und das Lebensalter, darauf aufbauend, an die zweite Stelle der tariflichen Regelungstechnik. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es dieser tariflichen Struktur widerspräche, wenn ein am Tage der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses über 40-jähriger Arbeitnehmer mit einer nur kurzen Betriebszugehörigkeit („bis zu 10 Jahren“) eine Abfindung von 4 oder 4,5 Bruttomonatsgehältern beanspruchen könnte. Im Übrigen wird im Tarifvertrag hinsichtlich des Lebensalters ausdrücklich von „Vollendung“ der entsprechenden Altersstufen gesprochen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK.

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III. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass das Rationalisierungsschutzabkommen 2010 ebenso wie die vorhergehende Fassung eine Regelungslücke enthält. Nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift ist eine Abfindung für Arbeitnehmer, die zwar das 40. Lebensjahr schon vollendet haben, jedoch nicht auf mindestens zehn Jahre Betriebszugehörigkeit verweisen können, nicht vorgesehen. Das Landesarbeitsgericht ist rechtlich ebenso zutreffend von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen, wie es diese der Tarifstruktur folgend geschlossen hat.

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1. Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrages scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht(BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 29). Eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung hat zu unterbleiben, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 30).

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2. Von einer bewussten Regelungslücke ist nicht auszugehen. Die Tarifvertragsparteien haben eine Abfindung für Arbeitnehmer unter 40 Jahren, die jedoch schon eine 5-jährige Betriebszugehörigkeit aufweisen, in Höhe eines Monatsgehaltes vorgesehen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK. Dass sie demgegenüber eine Abfindung für Arbeitnehmer, die älter als 40 Jahre sind, aber ebenfalls schon eine mindestens 5-jährige Betriebszugehörigkeit vorweisen können, ausschließen wollten, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil sie das Lebensalter ab 40 in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ausdrücklich als abfindungserhöhenden Faktor anerkannt haben. Zudem wäre die bewusste Versagung jeglicher Abfindung für über 40-jährige Arbeitnehmer, die noch nicht zehn Jahre Betriebszugehörigkeit zurückgelegt haben, eine Anknüpfung allein an das Lebensalter, für die ein legitimes Ziel zur Rechtfertigung im Rationalisierungsschutzabkommen nicht erkennbar ist, § 10 Satz 1 AGG.

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3. Auch die Schließung der unbewussten Tariflücke durch das Berufungsgericht hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

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a) Eine tarifvertragliche Lücke ist in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge und Systematik des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (vgl. für den Fall der ergänzenden Vertragsauslegung: BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281; BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, BAGE 134, 283 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48). Hierfür ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung.

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b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht im Fall der Klägerin auf eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes erkannt hat. Für die Höhe der Abfindung haben die Tarifvertragsparteien im Rationalisierungsschutzabkommen die Dauer der Betriebszugehörigkeit als grundlegende Voraussetzung gewählt. Bei einer Betriebszugehörigkeit, die unter fünf Jahren liegt, soll es keine Abfindung geben. Bei (vollendeter) 5-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Monatsgehalt und bei vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit weitere Gehälter, je nach dem, ob das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht oder vollendet ist. Die Klägerin hat eine über 5-jährige Betriebszugehörigkeit, wenn auch noch nicht eine von zehn Jahren vorzuweisen. Sie war am 18. März 2010 40 Jahre alt geworden und ist am 30. Juni 2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Da ihr das höhere Lebensalter am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien nach keine Nachteile einbringen sollte, ist es nach der Struktur und den Wertungen des Tarifvertrages konsequent, ihr ebenfalls ein Monatsgehalt aufgrund ihrer über 5-jährigen Betriebszugehörigkeit zuzusprechen. Dagegen ist anders als nach der Auffassung der Revision weder die auf 4,5 Bruttomonatseinkommen gesteigerte Abfindung zuzusprechen, weil die Klägerin eben noch keine Betriebszugehörigkeit von vollendeten zehn Jahren aufzuweisen hat, noch eine Abfindung „zwischen“ einem Monatsgehalt und 4,5 Monatsgehältern. Dafür bietet das Tarifwerk keine hinreichenden Anhaltspunkte. In § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK wird für unter 40-jährige Arbeitnehmer die Abfindung ebenfalls erst bei „10-jähriger Betriebszugehörigkeit“ auf zwei Monatsgehälter erhöht. Eine solche Betriebszugehörigkeit liegt im Fall der Klägerin gerade nicht vor. Was die Tarifvertragsparteien bei einer „fast 10-jährigen“ Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers mit vollendetem 40. Lebensjahr geregelt hätten, kann dem Tarifwerk nicht entnommen werden und bliebe eine unzulässige, in die Tarifautonomie eingreifende Spekulation der Gerichte. Da an die Stufe der erreichten Betriebszugehörigkeit angeknüpft wird und insofern die unter und über 40-Jährigen gleichbehandelt werden, liegt keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vor. Für eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG sind weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der Klägerin Anhaltspunkte zu entnehmen.

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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    Wroblewski    

                 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten.

(2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.