Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. März 2018 - 3 Sa 196/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2018:0326.3Sa196.17.00
bei uns veröffentlicht am26.03.2018

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.03.2017 - 11 Ca 3170/16 - wird mit der Maßgabe der Ziffer 2 dieses Urteils zurückgewiesen.

2. Ziffer 1. und 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.03.2017 - 11 Ca 3170/16 - werden wegen eines offenkundigen Schreib- und Rechenfehlers dahin abgeändert, dass es jeweils statt 89,33 € 53,33 € heißen muss.

3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob und inwieweit die Beklagte zur Betriebsrentenanpassung beginnend mit den Jahren 2015 und 2016 verpflichtet ist.

2

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der V. Lebensversicherungs AG, von 1977 bis zum 31.08.1994 beschäftigt. Seit dem 01.10.1998 erbringt die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an den Kläger.

3

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als „Betriebliches Versorgungswerk“ bezeichnet wird. Der Kläger gehört zum berechtigten Personenkreis. Unter dem 08.07.1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Betriebsvereinbarung „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (BVW). Die BVW gewährt den Anspruchsberechtigten eine Gesamtversorgung. Zunächst wird eine individuell erreichbare Gesamtversorgung ermittelt (höchstens 70% des pensionsfähigen Arbeitsentgelts), von der als anzurechnendes Einkommen die gesetzliche Rente sowie Rentenleistungen aus einer Versorgungskasse der V. VVaG (sog. VK-Rente) abgesetzt werden. Die Lücke zum erworbenen Gesamtversorgungsanspruch wird mit einer Pensionsergänzungszahlung (sog. Vofue-Rente) ausgeglichen.

4

In den Ausführungsbestimmungen des BVW (BVW-A) ist ua. folgendes geregelt:

5

„§ 6Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

6

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.

7

(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

8

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

9

3. Hält der Verstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

10

Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.

11

….

12

Bis zum Jahr 2015 passte die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin die Betriebsrente entsprechend dem Anstieg der gesetzlichen Renten an. Im Juli 2015 gewährte die Beklagte dementsprechend Vofue-Rente in Höhe von 648,42 EUR brutto und VK-Altersrente in Höhe von 305,42 EUR brutto, insgesamt 953,84 EUR brutto (vgl. Bl. 42 d. A.). Obwohl die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.07.2015 um 2,0972 % anstiegen, erhöhte die Beklagte die Vofue-Rente nur um 0,5 %. Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wurden zum 01.07.2016 um 4,24512 % angehoben, insoweit nahm die Beklagte lediglich eine Anhebung um weitere 0,5 % vor.

13

Mit seinen Zahlungsanträgen macht der Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 die Anpassung der Betriebsrente für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe des jeweiligen Anpassungssatzes der gesetzlichen Rente geltend.

14

Der Kläger hat vorgetragen,

15

§ 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen bVW sei unwirksam. Die Vorschrift sei nicht hinreichend transparent bzw. die Übertragung von Mitbestimmungsrechten auf den Arbeitgeber sei unzulässig. Der mit der Klage verfolgte Anspruch folge zudem aus betrieblicher Übung. Die seitens der Beklagten behauptete wirtschaftliche Notlage, die aus deren Sicht zur Anpassung lediglich für Erfolg berechtige, sei tatsächlich nicht gegeben. Das Geschäftsergebnis der Beklagten habe 2014 mit 236.000.000 EUR Jahresüberschuss geendet und 2015 noch 8,9 Millionen EURO Gewinn ausgemacht, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Auch die aktiven Mitarbeiter erhielten Lohnerhöhungen über dem Inflationsausgleich. Im Jahresbericht 2015 sei sogar eine Verstärkung der Wettbewerbsposition im deutschen Markt ausgeführt, und zwar dahin, führender Privatkundenversicherer zu werden.

16

Im Übrigen sie für die Anpassung zum 01.07.2015 die ausreichende Anhörung der örtlichen Betriebsräte, eine hinreichende Fassung von Vorstand und Aufsichtsrat mit den jeweiligen Argumenten zu bestreiten; hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellungen der Seite 5, 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 499, 500 d. A.).

17

Für die Anpassung zum 01.07.2016 sei gleichermaßen eine entsprechende ordnungsgemäße Beschlussfassung nebst vorheriger inhaltlicher umfassender Fassung mit den wechselseitigen Argumenten zu Bestreiten und zu dem, dass entsprechende Beschlussfassung überhaupt bereits vor dem 01.07.2016 zustande gekommen sei. hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das streitige Vorbringen des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug (S. 6, 7 der angefochtenen Entscheidung = Bl. 500, 501 d. A.), Bezug genommen.

18

Auch hinsichtlich der Anpassung zum 01.07.2016 beruft sich die Beklagte unzulässigerweise auf einen nur geringen Kaufkraftverlust und Gründe der Generationengerechtigkeit. Diese Gründe rechtfertigten - ebenso wenig wie für das Jahr 2015- die unterbliebene Anpassung der Betriebsrente entsprechend der Anpassungssteigerung der gesetzlichen Rentenversicherung.

19

Der Kläger hat beantragt,

20

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger beginnend mit dem 01.10.2016 über den Betrag von 961,90 EUR brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 89,33 EUR brutto zu zahlen,

21

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 267,99 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 89,33 EUR brutto seit dem 02.07.2016, seit dem 02.08.2016, dem 02.09.2016 sowie dem 02.10.2016 zu zahlen,

22

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag von 201,12 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 16,76 EUR brutto seit dem 02.07.2015, dem 02.08.2015, dem 02.09.2015, dem 02.10.2005, dem 02.11.2015, dem 02.12.2015, dem 02.01.2016, dem 02.02.2016, dem 02.03.2016, dem 02.04.2016, dem 02.05.2016 sowie dem 02.06.2016 zu zahlen.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Die Beklagte hat vorgetragen,

26

2015 habe der Vorstand eingeschätzt, dass eine Bezügeanpassung nach der Rentenanhebungsformel nicht vertretbar sei. Sowohl der Gesamt- als auch Konzernbetriebsrat wie auch die örtlichen Betriebsräte seien ordnungsgemäß angehört worden (vgl. Bl. 207 ff. d. A.). Sie hätten jeweils ablehnend Stellung genommen (vgl. Bl. 211 ff. d. A.). Aufgrund anschließender Vorstandsvorlage zur gemeinsamen Beschlussfassung vom 26.08.2015 sei bis zum 09.10.2015 die gemeinsame Beschlussfassung mit dem Aufsichtsrat im Umlaufverfahren geschehen. Die Anpassung war auch unter Berücksichtigung von Kaufkraftentwicklung (Anstieg des Verbraucherindex 2015 um lediglich 0,28 % im Vergleich zum Vorjahr, nicht 2,1 % indes wie in der gesetzlichen Rentenentwicklung) und überdurchschnittlich hohem Rentenniveau nach dem betrieblichen Versorgungswerk die Grenzen billigen Ermessens; hinsichtlich der Einzelheiten im streitigen Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 503 d. A.) Bezug genommen.

27

Dies sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Den im Vorstand sei in der Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 6 Ziffer 3 bVW-A ein Abwanderungsrecht vorbehalten worden, wenn er die Regelanpassung der Betriebsrente "nicht für vertretbar" halte.

28

Der Vorstand der Holdinggesellschaft (G.AG) habe am 03.06.2015 beschlossen, dass eine Erhöhung der Betriebsrenten nach der BVW-A um mehr als 0,5 % nicht vertretbar sei. Er habe weiter beschlossen, eine entsprechende Beschlussfassung zur Rentenanpassung durch die Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte der betroffenen Konzerngesellschaften zu initiieren. Nachfolgend habe auch ihr Vorstand beschlossen, die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen. Mit E-Mail vom 15.06.2015 seien der Gesamtbetriebsrat und vorsorglich auch die örtlichen Betriebsräte angehört worden. In einem zweiten Schritt habe ihr Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Reduzierung der Anpassung auf 0,5 % zum 01.07.2015 beschlossen, wobei der Beitrag des Vorstands zur gemeinsamen Beschlussfassung am 26.08.2015 erfolgt sei. Der Beitrag des Aufsichtsrats sei im Umlaufverfahren am 09.10.2015 geleistet worden. Auch im Jahr 2016 habe sie auf Basis konzernweiter Entscheidung beschlossen, mit denselben Gründen wie im Jahr 2015 die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen. Dazu habe ihr Vorstand im Umlaufverfahren mit Ende der Stimmabgabe zum 17.05.2016 einstimmig beschlossen, dass die Erhöhung der Renten um mehr als 0,5 % nicht vertretbar sei. Mit E-Mail vom 17.05.2016 habe sie den Gesamtbetriebsrat sowie vorsorglich die örtlichen Betriebsräte angehört. Ihr Vorstand und der Aufsichtsrat hätten in einem zweiten Schritt gemeinsam die Reduzierung der Anpassung auf 0,5 % zum 01.07.2016 beschlossen. Der inhaltlich entsprechende Beitrag des Aufsichtsrats sei am 22.06.2016 erfolgt.

29

Die Entscheidungen von Aufsichtsrat und Vorstand seien unter Berücksichtigung der Argumente der angehörten Betriebsräte und aller entscheidungsrelevanten Grundlagen im Rahmen einer Interessenabwägung erfolgt. Die BVW gewähre ein Versorgungniveau, das weit überdurchschnittlich hoch sei. So betrage die durchschnittliche Jahresrente aus der Pensionsergänzung € 10.664,00 und aus der Versorgungskasse € 5.284,00. Im Vergleich dazu fielen am Hauptsitz des Konzerns Versorgungsleistungen nur im Durchschnitt von € 7.486,00 an. Grundlage der Beschlussfassung des Vorstands und des Aufsichtsrats seien widrige Rahmenbedingungen am Markt, die eine zukunftsfähige Neuaufstellung erforderlich machten. Der Konzern habe auf diese Umstände mit einem Zukunftsprogramm reagiert, dessen wesentlicher Baustein das Konzept "Simpler, Smarter for You (SSY)" bilde. Dieses Konzept stütze sich nicht auf eine aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern solle vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfelds die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Konzernes sichern. Das schwierige Marktumfeld werde vordringlich geprägt durch ein historisch niedriges Zins- und Inflationsniveau sowie eine schwache Konjunktur im Versicherungsmarkt. Insbesondere für Lebensversicherer sei es immer schwieriger, das Geld ihrer Kunden lukrativ anzulegen. Aus der angespannten Situation an den Kapitalmärkten resultiere ein erhöhtes Risikopotenzial für die Geschäftsentwicklung. Auch die demographische Entwicklung der Bevölkerung, die zusehends älter werde, erhöhe das sog. Langlebigkeitsrisiko der Versicherer. Weiterhin stelle der zunehmende regulatorische Druck die Versicherungswirtschaft vor neue Herausforderungen. Am 07.08.2014 sei das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) in Kraft getreten, das neben der Absenkung des Höchstrechnungszinses zum 01.01.2015 von 1,75 auf 1,25 % und der Maßstäbe für die Berechnung der verschiedenen Bewertungssätze im Versicherungsmarkt den Verwaltungs- und Finanzierungsaufwand deutlich erhöhe. Darüber hinaus verschlechtere Solvency II, ein Projekt der EU-Kommission zur Reform des Versicherungsrechts in Europa, die Anforderungen an die Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen, da Änderungen der Bewertungsmaßstäbe und der Geschäftsorganisation eine höhere Kapitaldecke zur Risikoabdeckung erforderten. Ebenfalls seien steigende Kundenanforderungen zu berücksichtigen, insbesondere infolge hoher Preissensitivität und sinkender Loyalität. Darüber hinaus sei sie gehalten, auf Umstrukturierungen im Branchenumfeld seitens der Wettbewerber zu reagieren. Das SSY-Konzept sehe strategisch vor, den Ansatz im (Lebens-)Versicherungsgeschäft neu zu erfinden. Die Komplexität innerer Strukturen solle reduziert werden, organisatorische Verschlankungen sollen vorgenommen und die Effektivität und Effizienz erhöht werden. Der Fokus solle auf die Kunden und den Vertrieb gerichtet werden. In finanzieller Hinsicht ziele das SSY-Konzept auf eine konzernweite Einsparung von € 160 bis 190 Mio. jährlich durch Neuordnung von Strukturen und Einsparungen, insbesondere von Personalkosten. Es sollen Standorte geschlossen oder verlegt werden, kundenferne Stabsstellen reduziert und Dopplungen von Funktionen vermieden werden. In diesem Zusammenhang stehe auch der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigung im Raum. Die aktive Belegschaft müsse mit signifikanten monetären Einschnitten bis hin zu im alltäglichen Arbeitsleben spürbaren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen rechnen. So habe ihr Vorstand am 03.06.2015 auf unbestimmte Zeit einen Einstellungsstopp beschlossen, der zu einer spürbaren Arbeitsverdichtung und damit zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Arbeitsleistung und Vergütung der betroffenen Mitarbeiter führe. Gleiches folge aus dem konzernweiten Verbot der Entfristung befristeter Arbeitsverträge. Zugleich sei ein grundsätzlicher Beförderungsstopp auf unbestimmte Zeit beschlossen worden. Außerdem sei das Budget für Sachkosten um ca. € 15 Mio. gekürzt und eine restriktivere Regelung für Fort- und Weiterbildung eingeführt worden. Auch die Reisekosten seien auf ein Minimum beschränkt worden. Darüber hinaus sehe das SSY-Konzept vor, dass auch die Führungsebene einen signifikanten Beitrag zur Zukunftssicherung leiste, in dem die Leistungszusagen zur betrieblicher Altersversorgung für Neueintritte auf Vorstandsebene und der Ebene der leitenden Angestellten um die Hälfte gekürzt worden sei. Nach der derzeitigen Planung sollen im Zuge des SSY-Konzepts in Deutschland zunächst bis ins Jahr 2018 tausend Vollzeitarbeitsplätze abgebaut werden. Fast jeder zehnte der rund 13.000 Mitarbeiter des G.-Konzerns in Deutschland sei betroffen. Falls die G. Gruppe in den laufenden Gerichtsverfahren (bundesweit ca. 700) wegen der geringer ausgefallenen Rentenerhöhung unterliege sollte, müsse die aktive Belegschaft mit weiteren Einschränkungen rechnen.

30

Für die Realisierung des SSY-Konzepts müssten auch die Betriebsrentner ihren Beitrag leisten. Eine Entscheidung, die aktive Belegschaft (stärker) zu belasten, um die Betriebsrentner von Eingriffen auszusparen, begegne im Rahmen der Gerechtigkeit des Generationenvertrags rechtlichen Bedenken. Im Verhältnis zu den Einschnitten, die die aktive Belegschaft in Kauf nehmen müsse, sei die Belastung des Klägers verhältnismäßig gering. Er habe schon derzeit ein überdurchschnittlich hohes Versorgungsniveau, weitaus höher als das der anderen Versorgungsempfänger im G.-Konzern. Diese hätten gem. § 16 BetrAVG im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2015 lediglich eine Erhöhung um 0,28 % (Verbraucherpreisindex) erhalten. Der Kaufkraftverlust des Klägers sei bei ihren Entscheidungen jeweils berücksichtigt worden. Dieser sei auch ohne die von ihm begehrte Anpassung insgesamt ausgeglichen. Der Kläger habe auch kein schutzwürdiges Vertrauen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 3 BVW-A angelegt. Er habe damit rechnen müssen, dass sie von der in der Betriebsvereinbarung eröffneten Möglichkeit im Rahmen des billigen Ermessens Gebrauch mache.

31

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin die Beklagte durch Urteil vom 01.03.2017 - 11 Ca 3170/16 - verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 267,99 EUR brutto nebst Zinsen, des Weiteren einen Betrag in Höhe von 201,12 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen und darüber hinaus die Beklagte verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01.10.2016 über den Betrag von 961,90 EUR hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 89,33 EUR brutto zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 496 - 516 d. A. Bezug genommen.

32

Gegen das ihr am 29.03.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 02.05.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 29.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf den begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 16.05.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 29.06.2017 einschließlich verlängert worden war.

33

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, ihre Entscheidung zur Rentenanpassung in den Jahren 2015 und 2016 seien von § 6 Ziffer 3 bVW-A gedeckt.

34

Sie habe nach gewissenhafter und sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte im Rahmen billigen Ermessens ihr Interesse an einer gedeihlichen Fortentwicklung des Unternehmens mit den gegenläufigen Interesse der einzelnen Betriebsrentner an einem Teuerungsausgleich angemessen zum Ausgleich gebracht. Sie habe bereits erstinstanzlich das SSY-Konzept im Einzelnen dargelegt, dass die wesentliche Grundlage des Programms zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Unternehmens darstelle. Dieses Konzept habe sie auch umgesetzt. Es sei zu einem konzernweiten Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. Allein im Jahr 2016 sei der Mitarbeiterbestand von 13.000 im deutschen G.-Konzern um ca. 1.135 Personen reduziert worden. Bislang seien ca. 442 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. "Überbrückungsmodell" unterzeichnet worden. Die dargestellten Zahlen könnten noch leicht variieren, weil noch nicht alle Informationen erfasst seien und unterzeichnete Aufhebungsverträge zum Teil erst im Jahr 2017 als Austritt erfasst werden. Einstellungsstopp und Personalabbau würden fortgeführt. Das Provisionsmodell für die Außendienstler im Vertrieb sei aufgrund der durch das LVRG bedingten Umstellung der Produkte massiv angepasst worden, um Risiken für den Konzern zu verringern. Gleichzeitig werde gerade der angestellte Außendienst reduziert. Der Vertrieb werde damit ebenfalls am Sparprogramm beteiligt. Im Konzern gebe es verschiedenste weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Budgetkürzungen bei Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten um ca. € 15 Mio., Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene, Nullrunde bei den Gehaltserhöhungen der außertariflichen Angestellten im Jahr 2016). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2016 zu Einsparungen von € 2,7 Mio. sowie zu einer Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Mio. geführt. Von den € 2,7 Mio. entfielen auf sie (die Beklagte) im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 Einsparungen iHv. gerundet € 61.628 monatlich, mithin € 739.536, und im Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 Einsparungen iHv. gerundet € 203.266 monatlich, mithin € 1.219.596. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es gelungen, für die Unternehmen der G.-Gruppe Gewinn zu erwirtschaften.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 29.06.2017 (Bl. 620 - 682 d. A.) nebst Anlagen 8Bl. 683 - 810 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 02.12.2017 (Bl. 1216 - 1228 d. A.) und vom 12.03.2018 (Bl. 1347 - 1387 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.03.2017 -11 Ca 3170/16- aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

38

Der Kläger beantragt,

39

die Berufung zurückzuweisen, mit dem hilfsweisen Hinweis auf die vorgeschlagene Neutenorierung aus dem Schriftsatz vom 06.03.2018 (Bl. 1256 d. A.)

40

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, dass bis zum Jahr 2015 die betriebliche Altersversorgung immer entsprechend der gesetzlichen Renten und somit entsprechend der Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerks angepasst worden seien bzw. in den Jahren, in denen keine Anpassung der gesetzlichen Rente erfolgt sei, auch nicht angepasst worden seien. Bereits die ordnungsgemäße Beteiligung der örtlichen Betriebsräte müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Gleiches gelte für die ordnungsgemäße Beschlussfassung durch die Beklagte. Zudem habe die Beklagte keinen Sachverhalt vorgetragen, der sie berechtigen würde, von der grundsätzlichen Verpflichtung, die Rente entsprechend der gesetzlichen Rente anzupassen, abzuweichen. Das Vorbringen der Beklagten als zutreffend unterstellt, gehe sie offenbar davon aus, dass nahezu jeder Sachverhalt sie zu einer Abweichung von der grundsätzlichen Verpflichtung berechtigen könne. Demgegenüber könne von der Ausnahmevorschrift der Ziffer 4 aber nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn eine wirtschaftliche Notlage gegeben sei bzw. gravierende Veränderungen der wirtschaftlichen Unternehmensdaten dies zwingend erforderlich machten. Dies sei offensichtlich nicht der Fall. Es könne nicht zugelassen werden, dass die Beklagte jegliche gesamtwirtschaftliche oder versicherungswirtschaftliche, ihre eigene Lage jedoch nicht betreffende Problematik für eine Kürzung der Regelanpassung nutzen könne. Im Übrigen entziehe es sich der Kenntnis des Klägers als Betriebsrentner, was im Tagesgeschäft der Versorgungsschuldnerin passiere. Weder der Hinweis auf ein vermeintlich hohes Versorgungsniveau der Betriebsrentner, noch auf die gesamtwirtschaftliche Lage bzw. die Lage der Versicherungsbranche, die beabsichtigte strategische Ausrichtung der Beklagten sowie die behauptete regulatorische Herausforderung seien insoweit belastbare Kriterien, um sich den vertraglichen Bindungen im Verhältnis zum Kläger auch nur teilweise zu entziehen.

41

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 29.08.2017 (Bl. 875 - 922 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 923 - 1038 d.A.) sowie den Schriftsatz vom 06.03.2018 (Bl. 1255 - 1265 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 1266 - 1305 d. A.) Bezug genommen.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

43

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 26.03.2018.

Entscheidungsgründe

I.

44

Die nach & 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

45

Die Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

46

Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis wie auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 rückständige Erhöhungsbeträge in Höhe von 201,12 EUR (12 x 16,76 EUR) und für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 30.09.2016 in Höhe von 267,99 EUR brutto (89,33 EUR x 3) zu zahlen.

47

Dem Kläger stehen gestaffelte Verzugszinsen auf die geltend gemachten rückständigen Erhöhungsbeträge zu.

48

Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1). Er ist auf Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge - hier ab 01.02.2018 - eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (vgl. etwa BAG 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 19 mwN).

49

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Antrag zu 2) um fällig gewordene monatliche Beträge bis zum 30.06.2017 erweitert hat und künftige Leistungen ab 01.02.2018 verlangt. Es liegt ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor. Bei den veränderten Klageanträgen handelt es sich - wenn überhaupt - lediglich um Erweiterungen bzw. Beschränkungen der Klageanträge in der Hauptsache iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Es bestehen keine prozessualen Bedenken dagegen, dass der Kläger seinen Antrag auf wiederkehrende Leistungen zum Teil in einen Antrag auf Zahlung rückständiger Leistungen geändert hat (vgl. BAG 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 29).

50

Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten mit dem Arbeitsgericht auch vollumfänglich begründet. Denn das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 entsprechend der Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern anzupassen. Dies folgt aus § 6 Ziffer 1, 2 bVW-A. Da sie die Rente zum Stichtag 01.07. nicht um 2,0972 %, sondern nur um 0,5 % und zum Stichtag 01.07.2016 nicht um 4,2451 %, sondern erneut nur um 0,5 % angepasst hat, schuldet sie dem Kläger die geltend gemachten Differenzbeträge.

51

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung folgendes ausgeführt:

52

"1. Auch bei unterstellter Wirksamkeit der Vorschrift lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen der – jedenfalls nach dem Verständnis der Beklagten so zu verstehenden – Anpassungsregel § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW nicht vor.

53

a.) Es konnte dahinstehen, ob § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW mangels ausreichender Transparenz bzw. Bestimmtheit unwirksam ist.

54

Anders als nach Auffassung des Klägers kann die Unwirksamkeit nicht aus der Anwendung der §§ 305 ff. BGB folgen. Eine Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen in Anwendung dieser Vorschriften scheidet aus (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB; BAG 16.2.2010 - 3 AZR 181/08 - Rn. 45, NZA 2011, 42).

55

Zweifel im Hinblick auf die Wirksamkeit der Bestimmung bestehen indes aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen das auch für Betriebsvereinbarungen zu beachtende, aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gebot der Normenklarheit (vgl. hierzu Herrmann, NZA-Beil 2000,14, 20). Den Arbeitnehmern im Anwendungsbereich einer Betriebsvereinbarung muss aus dieser heraus mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar sein, wann dort niedergelegte Regelungen greifen und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben (vgl. LAG Hamm 1.8.2012 – 5 Sa 27/12 – NZA-RR 2013, 244).

56

Es sprechen gewichtige Anzeichen dafür, dass es § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmung bVW jedenfalls auf Rechtsfolgenseite an hinreichender Bestimmtheit in diesem Sinne fehlt (vgl. ArbG Hamburg 5.1.2017 – 5 Ca 383/15, n. v.); letztlich konnte die Frage aber mangels Vorliegen der Voraussetzungen der Anpassungsregel bei unterstellter Wirksamkeit dahinstehen.

57

b) Ebenso dahinstehen konnte, ob es sich bei der Vorbehaltsregelung in § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW um eine Ausgestaltung für die als soziale Einrichtung ausgeführte Versorgungskasse handelte, deren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ggf. auch bei Einschränkungen in der Durchführung durchgreifen könnte (vgl. etwa BAG 10.3.1992 - 3 AZR 221/91 - zu B III der Gründe, NZA 1992, 949). Insofern dürfte der Einwand des Klägers, bei der getroffenen Vereinbarung handele es sich um eine unwirksame Delegation von Mitbestimmungsrechten, jedoch nicht verfangen. Die Ausgestaltung von Versorgungszusagen in sog. Versorgungswerken sollte zwar der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen (vgl. nur etwa Richardi/ Richardi BetrVG 12. Aufl. § 87 Rn. 837 ff.). Die Regelungskompetenzen von Betriebsräten gelten jedoch nicht mehr für bloße Ruhestandsverhältnisse. Schon deshalb gelten Anpassungsprüfungen entsprechend § 16 BetrAVG als nicht mehr betrieblich mitbestimmt (Blomeyer/ Rolfs/ Otto BetrAVG 4. Aufl. § 16 Rn. 258).

58

c) Der Beklagten war weiter auch nicht verwehrt, sich auf § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW zu berufen. Soweit der Kläger unter Vorhalt einer betrieblichen Übung anderes annehmen wollte, war allein aus dem bloßen Normenvollzug i.S.v. § 6 Abs. 1 Ausführungsbestimmungen bVW noch nichts zu folgern (zum Ausschluss des Entstehens etwaiger betriebliche Übungen bei auch nur vermeintlichem Normenvollzug etwa BAG 27.4.2016 - 5 AZR 311/15 - Rn. 30, juris). Für einen durchgreifenden Verwirkungstatbestand waren keine greifbaren Vertrauensschutzumstände ausgeführt. Der pauschale Klägerverweis auf die Kurzfassung des betrieblichen Versorgungswerks und der Versorgungskasse der V.  VVaG führte insofern nicht weiter.

59

d) Entgegen der Beklagtenansicht ließ sich mit § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW jedoch keine freie Unternehmerentscheidung verbinden, die ihr die Anpassung der Betriebsrente (lediglich) in der erfolgten Höhe ermöglichen könnte. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung. Die Kammer schließt sich insofern nach eingehender Beratung den ausführlichen, überzeugenden und auch für den vorliegenden Fall zutreffenden Erwägungen der 2. Kammer (Urt. v. 14.12.2016, 2 Ca 1367/16) an:

60

aa) Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen stellt auf den vom Bestimmungswortlaut vermittelten Wortsinn, bei Unbestimmtheit auf den darin niedergeschlagenen Willen oder beabsichtigten Zweck, ferner den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelung ab, wobei im Zweifel die Auslegung gewollt ist, die zu einem zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis führt (zuletzt etwa BAG 15.4.2014 - 3 AZR 83/12 - Rn. 12, NZA-RR 2014, 373).

61

bb) Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW handelt nicht von einem überprüfungsfesten oder auch nur eingeschränkt überprüfbaren Vorgaberahmen, sondern lediglich von einer "Ersetzung" der üblichen, am gesetzlichen Rentensteigerungswert orientierten Anpassung. Gegen willkürlich eröffnete Spielräume sprach demgegenüber schon die - für die Auslegung zu beachtende (zuletzt etwa BAG 14.6.2016 - 9 AZR 409/15 - Rn. 15, juris) - Regelungsüberschrift: "Anpassung ... an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse". Die Wendung "wirtschaftliche Verhältnisse" LAG nahe bei der Begrifflichkeit "wirtschaftliche Lage" aus § 16 Abs. 1 BetrAVG (die abstrakten Wendungen "Verhältnis" und "Lage" sind synonym; vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch Stichwort Verhältnis Wortbedeutung 1). Gewährungsumfänge waren nach dem betrieblichen Versorgungswerk auch im Übrigen nicht gerichtsprüfungsfest gestaltet, wie - pars pro toto - schon § 5 Satz 2 Grundbestimmungen betriebliches Versorgungswerk zeigte, wonach selbst die Vorbefassung des (internen) Rentenausschusses den "üblichen Rechtsweg" nicht ausschloss. § 6 Abs. 3 Satz 1 Ausführungsbestimmungen bVW enthielten im Übrigen wesentlich nur Verfahrens- und Anlassvorgaben: Bei Nichtvertretbarkeitseinschätzung durch den Vorstand sollten nach Anhörung der Betriebsratsgremien auf Vorstandsvorschlag Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam befinden, "was nach seiner Auffassung geschehen soll". Die subjektive Wendung "nach seiner Auffassung" kennzeichnete nicht Exklusivität, sondern allenfalls Vorabeinschäntzungsrechte, wie sich im Umkehrschluss aufdrängte, dass es nicht etwa hieß: "... was überhaupt/ generell/ allseits bindend/ etc. geschehen soll". Ferner gilt, ob sich Eingriffe in Versorgungswerke im Hinblick auf versprochene Dynamiken rechtmäßig verhalten, namentlich zur wirtschaftlichen Lage im Verhältnis stehen, schon seit jeher - d.h. also gerade auch in Anwendung von Altregelungen, wie vorliegend - als justiziabel (vgl. etwa BAG 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 - Rn. 18, NZA 2007, 39). Nichts Anderes sollte auch zweckentsprechendem und gesetzeskonformem Verständnis entsprechen. Anpassungsrechte des Arbeitgebers dienen im Betriebsrentenrecht nicht dazu, Versorgungsordnungen umzustrukturieren oder gar einseitig veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen zu verwirklichen (BAG 13.11.2007 - 3 AZR 455/06 - Rn. 31, NZA-RR 2008, 520). Ledigliche Anhörungs- und nicht mitgestaltende Beteiligungen des Betriebsrats legten zusätzlich nah, dass es wesentlich nur um rechtsgebundene Einschätzungen, nicht jedoch um Regelungsfragen gehen sollte (vgl. etwa Fitting/ Engels/ Schmidt/ Trebinger/ Linsenmaier BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 456).

62

e) Aus den Darlegungen der Beklagten ergab sich nicht, dass die Anpassungsentscheidungen für 2015 und für 2016 jeweils im Rahmen dessen blieben, was aufgrund veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse angemessen und geboten war.

63

aa) Bei Veränderungen innerhalb von Versorgungsordnungen nach Eintritt des Versorgungsfalls gelten die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Auch in laufende Versorgungsleistungen darf daher nur eingegriffen werden, wenn tragfähige Gründe vorliegen. Für geringfügige Eingriffe bedarf es zwar nur sachlich nachvollziehbarer, Willkür ausschließender Gründe. Liegt jedoch ein mehr als geringfügiger Eingriff vor, müssen darüberhinausgehende Gründe bestehen, die die konkrete Verschlechterung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erworbenen Bestandsinteresses einerseits und der Schwere des Eingriffs andererseits aufgrund ganz erheblich überwiegender Interessen des Arbeitgebers tragen. Auch Eingriffe in eine Anpassungsregelung können die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Sie sind mehr als geringfügig, wenn der Versorgungsempfänger - hätte er mit ihnen gerechnet - während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise Anlass zur weitergehenden privaten Ausgleichsabsicherung gehabt hätte. Eine Anpassung nach der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers - und um die ging und geht es vorliegend gerade - ist nicht nur geringfügig. Der Versorgungsberechtigte wird nämlich damit dem Risiko ausgesetzt, dass der Wert seiner Betriebsrente aufgrund einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers unangepasst bleibt und sinkt. Ein derartiges, nicht langfristig vorhersehbares und einschätzbares Risiko könnte einen aktiven Arbeitnehmer veranlassen, den potenziellen zusätzlichen Versorgungsbedarf anderweitig abzusichern (BAG 28.6.2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 38 f, 44 f., NZA 2012, 1229).

64

bb) Dem Kläger war zuzugeben, dass die Ausführungen der Beklagten weder zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2015 noch zu dem des 1. Juli 2016 hinreichendes ergaben.

65

(1) Für die Tragfähigkeit einseitige Leistungsbestimmungen zur Anpassung gilt die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers (vgl. BAG 13.11.2007 - 3 AZR 455/06 - Rn. 31 und 38, NZA-RR 2008, 520). Für die wirtschaftliche Entwicklung des Arbeitgebers ist auf die Begebenheiten in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag abzustellen, denen gegenüber allenfalls noch prognosebestätigend oder -entkräftend wirtschaftlicher Daten bis zur letzten mündlichen Verhandlung angeführt werden können (BAG 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 - Rn. 17 ff., NZA 2007, 39).

66

(2) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. August 2016 für die Anpassung in 2015 allgemein auf die Kapitalmarktkrise und / oder eine etwaige Niedrigzinsphase abstellte, ließen sich damit konkrete Bezüge zu der sie selbst betreffenden Lage nicht ziehen, erst recht nicht mit Bezug auf etwaige Belastungen nach dem Versorgungswerk. Weder war ausgeführt, wie sich die vermeintlich schwierigen Umgebungssituationen im zurückliegenden (Bezugs-) Jahr (2014/ 15) ergebnisträchtig ausgewirkt hatten, noch inwiefern solches für die unmittelbare Zukunft zahlenmäßig belastend zu befürchten stand.

67

(3) Ähnlich verhielt es sich mit dem Verweis auf strategische Neuausrichtungen im Konzern, namentlich in Gestalt des sog. SSY-Konzepts. Wie weit dieses in der vorausliegenden Referenzphase (2014/ 15) oder in der maßgeblichen künftigen Anpassungszeit erkennbar kostenrelevante Umsetzungsschritte durchlaufen hatte bzw. durchlaufen sollte, war angesichts der für Februar bis Mai 2015 überhaupt erst geschehenen Konzeptionierung desselben nichts weiter zu ersehen. Auch die zur Umsetzung bezeichneten Übergangstermine 1. Januar 2017 bis 1. Januar 2018 ließen für den maßgeblichen Zeitraum keinerlei Rückschlüsse zu.

68

(4) Auch soweit weiter auf vermeintlich regulatorische Herausforderungen in Gestalt des Lebensversicherungsreformgesetzes oder auch des Solvency-II-Projekts der EU-Kommission abgestellt war, ließen sich konkrete Rückbezüge auf die wirtschaftliche Leistungsstärke der Beklagten nicht ziehen. Zudem blieb schon fraglich, ob in der zurückliegenden Referenzzeit (2014/ 15) das erst unterjährig zum 1. Januar 2015 überhaupt in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz Auswirkungen schon gezeitigt hatte bzw. der Umsetzungstermin für Solvency II (1. Januar 2016) sich aktuell bereits irgendwie wirtschaftsbelastend niederschlug.

69

(5) Auch soweit schließlich im vorgenannten Beklagtenschriftsatz ein Vergleich des betrieblichen Versorgungswerkes mit anderen im Konzern vorhandenen Versorgungswerken gezogen wurde, verband sich damit keine substantiell belastbare Rückberechnungsaussage für gerade eben die Beklagte.

70

(6) Dem Kläger war hingegen zuzugeben, dass keines der zuletzt durchlaufenen Wirtschaftsjahre besonders belastend verlaufen sein sollte, hatte es 2014 mit 246 Mio. Jahresüberschuss abgeschlossen und 2015 noch einen Gewinn von 8,9 Mio. EUR gegeben. Weiter sprach für seinen Anspruch auch, dass die Zinsrahmenbedingungen, Lebenserwartungsumstände 2014/ 15 gegenüber den Vorjahren nicht wesentlich anders ausfielen, während derer die Beklagte etwaige Steigerungen in der Sozialversicherungsrente gleichwohl durchgehend noch weitergegeben hatte. Auch der vom Kläger ergänzend angebrachte Hinweis auf die im Jahresbericht der Beklagten 2015 publizierte Zielrichtung zur Geschäftsneuausrichtung, nämlich die Wettbewerbsposition im deutschen Markt so zu verstärken, dass man führender Privatkontenversicherer werde, sprach weder für prekäre Verhältnisse, noch ließ sie sich in ein zwingendes Verhältnis zu vermeintlich fragilen wirtschaftlichen Allgemeinverhältnissen setzen bzw. als tragfähiger Grund ausmachen, den Ruhegeldempfängern vorgreifend schon Versorgungseinschnitte abzuverlangen. Dass die aktiven Beschäftigten namentlich einkommensrelevante "Opfer" in der maßgeblichen Referenzzeit erbracht hatten bzw. innerhalb der nächstvorausliegende Zeit würden bringen müssen, war vom Kläger ausdrücklich bezweifelt und erschloss sich aus den nur pauschalen konzeptionellen Darstellungen der Beklagten auch nicht irgendwie weiter. Wenn das Regel-Ausnahme-Schema in § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW zudem schon nicht an der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Unternehmen ausgerichtet, sondern in Orientierung am volkswirtschaftlichen Produktivitätszuwachs an der Dynamisierung der Sozialversicherungsrenten gestaltet war (vgl. BAG 11.8.1981 - 3 AZR 395/80 - zu III 1 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 11), erschloss sich bei hier wie dort guten Bedingungen erst recht keine Belastungsnotwendigkeit.

71

(7) Die aus Sicht der Beklagten für. Juli 2016 aus gleichen Erwägungen wie vorjährig geschehene Anpassungsabweichung unterlag sodann denselben Bedenken.

72

(a) Soweit hier maßgeblich allein noch auf das so genannte SSY-Konzept abgestellt war, ergab sich nichts Anderes als vorstehend. Allein die Selbstbindung an vermeintlich effektivere oder effizientere Neustrukturen ergab aus sich heraus keinerlei Aufschluss für etwaigen Wirtschaftsaufwand bzw. perspektivisch damit zu verbindenden Mehr- oder Minderertrag.

73

(b) Allein auch, dass der Beklagte konzeptionellen Kosteneinsparungen von 160 Mio. bis 190 Mio. EUR pro Jahr vor allem im Personalkostenbereich bei nichtkundennahen Funktionen bis 1. Januar 2018 (mit Übergang anscheinend ab 1. Januar 2017) vorschwebten, erschloss keinen irgendwie belastbaren Rückschluss für ein (ergebnisbezogenes) Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Mochten anfangs auch strukturbedingte Mehraufwendungen erforderlich sein, müssten sich diese doch bei betriebswirtschaftlich erfolgreichem Modellvollzug zwangsläufigerweise und ergebnisbezogenen zeitnah amortisieren, d.h. in quantifizierbaren Mehrwerten niedergeschlagen. Wenn die Beklagte sich hierzu "ausschwieg" und selbst noch einräumte, die Einsparungen mit verringerten Ruhegeldanpassungen seien in absoluten Zahlen gering, erschloss sich auch weiter nichts für eine Anpassungsnotwendigkeit überhaupt bzw. im gerade vorgenommenen Umfang bei geschehener Zeit.

74

(c) Auch bei dem, was die Beklagte als vermeintliche Belastungen in der aktiven Belegschaft - "nichtkundennaher" Funktionsbereich - ausführte (vermeintlich verschlechterte Arbeitsbedingungen angesichts Einstellungs-/ Beförderungsstopp, mittelfristigem Abbau von Arbeitskapazitäten, ggf. auch veränderte Urlaubsansprüche und Zuschlags- bzw. Arbeitszeitbedingungen), ließ sich zeitlich allenfalls mit Einstellungs- oder Beförderungssperren auf einen geringen Teil der Referenzzeit (hier: nach Juni 2015) beziehen, ohne dass jedoch auch diesbezüglich konkret belastbare Einschnittswerte beziffert worden wären, handelt immerhin noch von einem internen Stellenmarkt, der anscheinend nicht nur genutzt, sondern sogar noch gestärkt werden sollte). Wenn schon keiner der Betriebsräte als originäres Sprachrohr der aktiven Arbeitnehmer aus der - mit ihm vermeintlich schon kommunizierten - SSY-Konzeption einen Anlass für die Befürwortung des Ausnahmetatbestands nach § 6 Abs. 3 Ausführungsbestimmungen bVW genommen hatte, sprach indiziell wenig für eine schon akute "Opferlage" innerhalb der aktiven Beklagtenbelegschaft.

75

(d) Soweit weiter auf vermeintliche Einschränkungen bei Reise-/ Bewirtungs- und Fortbildungskosten - perspektivisch - abgestellt war, ließ sich weiter nicht ermessen, inwiefern es hier nicht nur um reine Abbaumaßnahmen von Überversorgungen ging.

76

(e) Auch die weiter thematisierte vermeintliche Verringerung betrieblicher Altersversorgungszusagen für die Führungsriege der Beklagten unterlag mangels Angaben zu den zuvor geltenden Bedingungen demselben Einwand.

77

(f) Auch die Erwägungen künftig etwaiger Standortverlagerungen war mit keinen greifbaren Inhalten zu verbinden.

78

(g) Die andeutungsweise Überlegung, ganze Belegschaftsteile einem vermeintlich kostengünstiger bestrittenen Standort (hier: L.) zuzuschlagen, konnte angesichts des arbeitsvertraglichen Inhaltsschutzes nach § 2, § 1 Abs. 2 KSchG jedenfalls nicht so aufgefasst werden, als dass es hier um einseitig vollziehbare Beklagtenmaß nahmen zu gehen hatte.

79

(h) Auch die darüber hinaus noch angedeuteten Einsparpotenziale im Bereich sozialer Einrichtungen ließen sich nicht mit konkretem Belastungen im fraglichen Zeitraum verbinden. "

80

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt die Kammer sich voll inhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

81

Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Lediglich ergänzend ist deshalb auf folgendes hinzuweisen.

82

Bei der Anpassung nach § 6 Ziff. 1 und 2 BVW-A handelt es sich um einen Anspruch der Betriebsrentner aus einer Betriebsvereinbarung, der unter dem Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung gem. § 6 Ziff. 3 BVW-A steht. Hält der Vorstand eine Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Ziff. 1 "nicht für vertretbar", ist ihm in der Gesamtbetriebsvereinbarung das Recht eingeräumt worden, nach Anhörung des Gesamtbetriebsrats bzw. der örtlichen Betriebsräte dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, "was nach seiner Auffassung geschehen soll". Diese Beschlussfassung ersetzt die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 BVW-A

83

Die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung (vgl. zu den nach st. Rspr. anzuwendenden allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zB. BAG 08.12.2015 - 3 AZR 267/14 - Rn. 22 mwN) ergibt, dass die Betriebsrenten nicht zwingend entsprechend der Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden müssen. Die Anpassung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Ziff. 3 BVW-A unter Umständen auch geringer sein. Im Allgemeinen werden Ansprüche der Arbeitnehmer aus Betriebsvereinbarungen als unabdingbare Ansprüche ausgestaltet. Es steht aber im Ermessen der Betriebsvereinbarungsparteien nur eine generelle Regelung zu erlassen, von der im Einzelfall abgewichen werden kann (vgl. BAG 28.11.1989 - 3 AZR 118/88 - Rn. 20 mwN). So ist es hier. Nach § 6 Ziff. 3 BVW-A haben es die Betriebsvereinbarungsparteien dem Vorstand und dem Aufsichtsrat in einer gemeinsamen Beschlussfassung erlaubt, die Gesamtversorgungsbezüge nicht entsprechend der Erhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Ziff. 1 und Ziff. 2 anzupassen, wenn es der Vorstand "nicht für vertretbar" hält. Damit eröffnen die Betriebsvereinbarungsparteien dem Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten in zulässiger Weise ein Leistungsbestimmungsrecht (vgl. BAG 31.07.2014 - 6 AZR 822/12 - Rn. 12 mwN). In einem solchen Fall hat die Leistungsbestimmung nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen (vgl. dazu BAG 12.10.2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 25). Ein Recht, in Abweichung von § 315 Abs. 1 BGB nach freiem Ermessen über die Rentenanpassung zu entscheiden, nimmt die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch.

84

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (st. Rspr. zuletzt zB. BAG 30.08.2016 - 3 AZR 272/15 - Rn. 16; BAG 08.12.2015 - 3 AZR 141/14 - Rn. 29 mwN).

85

Ausgehend von diesen Maßstäben entsprechen die gemeinsamen Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten, die Gesamtversorgungsbezüge des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.06.2016 nicht um die gesetzliche Rentenerhöhung in den alten Bundesländern (knapp 2,1 % in 2015, 4,25 % in 2016), sondern jeweils nur um 0,5 % anzupassen, nicht der Billigkeit (§ 315 Abs. 1 BGB). Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

86

Mit der Entscheidung, die Betriebsrenten um 0,5 % zu erhöhen, hat die Beklagte im Jahr 2015 lediglich etwa ein Viertel der gesetzlichen Rentenerhöhung weiter gegeben, im Jahr 2016 sogar nur etwas mehr als ein Zehntel. Dies stellt eine erhebliche Abweichung von der nach § 6 Ziff. 1 BVW-A im Regelfall vorgesehenen Anpassung dar, auch wenn der Kaufkraftverlust ausgeglichen worden ist.

87

Die von der Beklagten angeführten Gründe sind nicht geeignet, die getroffenen Ermessensentscheidungen zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 zu rechtfertigen. Die Berufungskammer schließt sich den Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Hamburg, Baden-Württemberg und Düsseldorf im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung an (ohne Anspruch auf Vollständigkeit: zum Tarifvertrag TV-VO 85 LAG Hamburg 29.06.2017 - 7 Sa 29/17; 27.07.2017 - 7 Sa 32/17; zur Betriebsvereinbarung BVW LAG Hamburg 15.06.2017 - 7 Sa 93/16; 16.08.2017 - 3 Sa 102/16; 24.08.2017 - 1 Sa 15/17; LAG Baden-Württemberg 29.08.2017 - 8 Sa 3/17; LAG Düsseldorf 15.11.2017 - 12 Sa 123/17).

88

Die Beklagte führt das sog. SSY-Konzept an, das im G.-Konzern aufgrund eines schwierigen Marktumfelds und veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen (historisch niedrige Zinsen, geringe Inflation, schwache Konjunktur im Versicherungsmarkt, demographische Entwicklung der Bevölkerung, Lebensversicherungsreformgesetz und Solvency II, steigende Kundenansprüche, massive Umstrukturierungen im Branchenumfeld) entwickelt worden sei, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das SSY-Konzept ziele auf die konzernweite Einsparung von Kosten iHv. € 160 bis 190 Mio. pro Jahr ab, insbesondere sollen Personalkosten eingespart werden. Für die Realisierung des SSY-Konzepts zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten sollen nicht nur die aktiven Mitarbeiter, sondern auch die Betriebsrentner ihren Beitrag leisten.

89

Die dargestellten Erwägungen der Beklagten genügen auch zweitinstanzlich nicht, um von den Betriebsrentnern "einen Beitrag zur Realisierung des SSY-Konzepts einfordern" zu können. Die Reduzierung der Rentenerhöhung soll nach dem zweitinstanzlich dargestellten Zahlenwerk der Beklagten allein im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2016 zu Einsparungen von € 2,7 Mio. sowie zu einer Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Mio. geführt haben. Langfristig gesehen sollen die Sparauswirkungen deutlich höher als € 2,7 Mio. ausfallen, weil aufgrund des niedrigeren Steigerungswertes in den kommenden Jahren ein deutlich höherer Einspareffekt erzielt werden könne.

90

Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, warum Betriebsrenten kurzfristig im Umfang von € 2,7 Mio., langfristig in noch höherem Umfang eingespart werden müssen, damit sie auch in Zukunft ihre Verpflichtungen "gegenüber Versicherungsnehmern, Aktionären, Mitarbeitern und gerade auch Betriebsrentnern" erfüllen kann. Es genügt nicht, sich unter Darstellung des SSY-Konzepts auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu berufen, vielmehr muss den Gerichten die Nachprüfung (ggf. durch Beweisaufnahme) der Angaben ermöglicht werden, die der Entscheidung zur Kostensenkung zugrunde liegen. Von der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass sie die Finanzlage des Konzerns, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Konzern und ihr Unternehmen sowie für die aktiven Arbeitnehmer und die Betriebsrentner darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen - als die Nichtanpassung der Betriebsrenten an die gesetzliche Rentenentwicklung - nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte im Geschäftsjahr 2014 einen Jahresüberschuss von € 236 Mio. und im Jahr 2015 einen Gewinn von 8,9 Mio. erzielt hat.

91

Mangels belastbaren Zahlenmaterials kann auch zweitinstanzlich nicht festgestellt werden, dass und warum gerade eine Anpassung um jeweils 0,5 % für eine zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns oder der Beklagten erforderlich ist. Es fehlt an einer Darlegung, wie dieser Prozentsatz ermittelt worden ist. Es reicht nicht aus, dass die Beklagte nur die Beweggründe für die Kosteneinsparungsmaßnahmen im Konzern nachvollziehbar vorträgt und sich die reduzierte Anpassung der Betriebsrenten in ein Gesamtkonzept von Maßnahmen einfügt. Eine ausgewogene Verteilung der finanziellen Lasten lässt sich nicht prüfen. Die Beklagte hätte substantiiert darlegen müssen, in welchem Gesamtumfang eine Kosteneinsparung ab 01.07.2015 und erneut ab 01.07.2016 auch bei den Betriebsrentnern geboten war und wie das notwendige Einsparvolumen für die Rentner und die aktiven Arbeitnehmer ermittelt wurde. Daran fehlt es.

92

Einer richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedarf es vorliegend nicht. Vielmehr hat es bei dem von den Betriebsvereinbarungsparteien vereinbarten Grundsatz (Regelfall) zu verbleiben, dass die Gesamtversorgungsbezüge gem. § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW-A entsprechend der Erhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen sind. Es genügt die bloße Kassation der gemeinsamen Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 eine Veränderung der Versorgungsbezüge nach § 6 Ziff. 1 BVW-A nicht für vertretbar erachtet haben. Das hat zur Folge, das die Versorgungsbezüge entsprechend der gesetzlichen Rente ab 01.07.2015 und 01.07.2016 von Anfang an, dh. ex tunc, erhöht wurde. Das ergibt sich aus dem Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen Anpassung nach § 6 BVW-A Ziff. 1 und Ziff. 2 und einer geringeren Anpassung nach Ziff. 3 (vgl. BAG 27.01.2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 20 ff).

93

Diesen überzeugenden Ausführungen der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 11.01.2018 - 5 Sa 7/17 - ist nichts hinzuzufügen. Das Vorbringen beider Parteien im hiesigen Berufungsverfahren ist im Hinblick auf das dort entschiedene Verfahren weitgehend wort- und inhaltsgleich. Nicht hinreichend gewürdigte tatsächliche oder rechtliche Aspekte sind nicht ersichtlich; gleiches gilt für das Vorbringen der Parteien im hiesigen Berufungsverfahren nach Verkündung der Entscheidung der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz am 11.01.2018. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

94

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die erstinstanzliche Entscheidung lediglich im Hinblick auf einen offensichtlichen Rechenfehler anzupassen.

95

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

96

Die Revision war für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermöge

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(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 2 Änderungskündigung


Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 259 Klage wegen Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung


Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 258 Klage auf wiederkehrende Leistungen


Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

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Referenzen

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 15. Januar 2013 - 7 Sa 573/12 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 4. Juni 2012 - 3 Ca 9945/11 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Witwenrente für die Monate März 2011 bis Mai 2013 iHv. insgesamt 19.534,23 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Juni 2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 1. Juni 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

2

Die am 10. Oktober 1956 geborene Klägerin ist die Witwe des am 29. April 1947 geborenen und am 14. Dezember 2010 verstorbenen G. Die Ehe war am 8. August 2008 geschlossen worden.

3

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand seit dem 1. Dezember 1989. Der Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 war noch mit der S GmbH geschlossen worden. In diesem Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„3.     

Gehaltsfortzahlung

        

...     

        
        

b)    

Sollten Sie, solange Sie sich in unseren Diensten befinden, sterben, werden an Ihren Sie überlebenden Ehepartner oder, falls beide Ehepartner verstorben sind, an Ihre Sie überlebenden, noch nicht volljährigen Kinder die Bezüge gemäß 2.a) für den Sterbemonat und für weitere 2 Monate ausgezahlt.

        

…       

        
        

4.    

Nebenleistungen

        

a)    

Bei der S GmbH existiert ein Pensionsplan, der zur Zeit überarbeitet wird. Wir sichern Ihnen zu, daß Sie durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt werden als die Mitarbeiter unserer Muttergesellschaft, der L AG.“

4

Ein neuer Pensionsplan kam bei der S GmbH für vor dem 1. Januar 2002 eingetretene Mitarbeiter nicht zustande.

5

Die Versorgungsordnung der S GmbH vom November 1982 (im Folgenden VO S) enthält ua. die folgenden Regelungen:

        

„I.     

Versorgungszusage

        

1.    

Arbeitnehmer der Firma erhalten eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungszusage) vorausgesetzt, daß sie

                 

-       

in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Firma stehen und

                 

-       

das 25. Lebensjahr vollendet haben.

        

…       

        
        

3.    

Keine Versorgungszusage erhalten Arbeitnehmer,

                 

-       

die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr bereits vollendet haben,

                 

…       

        
        

4.    

Arbeitnehmer, die eine Versorgungszusage erhalten, erwerben damit eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

                 

Sie werden nachfolgend ‚Mitarbeiter (Anwärter)‘ genannt.

        

II.     

Leistungen

        

1.    

Diese Versorgungszusage umfaßt folgende Leistungen (nachfolgend ‚Firmenrenten‘ genannt):

        

A l t e r s r e n t e ,

        

v o r z e i t i g e  A l t e r s r e n t e ,

        

I n v a l i d e n r e n t e ,

        

W i t w e n r e n t e .

        

2.    

Ein Anspruch auf Firmenrente wird erworben, wenn die Wartezeit (III) abgelaufen ist und die für die jeweilige Leistung erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen (V, VI, VII) erfüllt sind.

        

III.   

Wartezeit

                 

Die Wartezeit ist abgelaufen, wenn der Anwärter eine anrechenbare Dienstzeit (XI 1) von mindestens fünf Jahren zurückgelegt und das 30. Lebensjahr vollendet hat.

        

IV.     

Feste Altersgrenze

                 

Die feste Altersgrenze ist bei Männern und Frauen mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. …

        

V.    

Anspruchsvoraussetzungen für Altersrente …

        

1.    

Den Anspruch auf Altersrente erwirbt der Mitarbeiter (Anwärter), dessen Arbeitsverhältnis zur Firma m i t  oder n a c h Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet.

        

…       

        
        

VII.   

Anspruchsvoraussetzungen für Witwenrente

        

1.    

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) mit dessen Tode.

                 

Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Mitarbeiter (Anwärter) die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat und daß bereits am 1. Mai vor seinem Tode sowohl die Wartezeit (III) abgelaufen ist, als auch die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.

        

…       

        
        

X.    

Höhe der Witwenrente

        

1.    

Bemessungsgrundlage für die Witwenrente ist

                 

-       

nach dem Tode eines Mitarbeiters (Anwärters) die ‚erreichbare Altersrente‘ (IX 1) und

                 

-       

nach dem Tode eines Rentenempfängers die Firmenrente, auf die er bei seinem Tode Anspruch gehabt hat.

        

2.    

Die Witwenrente beträgt 60 % der Bemessungsgrundlage nach Ziffer 1.

                 

Ist die hinterlassene Ehefrau mehr als 15 Jahre jünger als der verstorbene Ehemann, so wird die Witwenrente für jedes weitere volle Jahr des Altersunterschiedes um 5 % ihres Betrages gekürzt.

        

…       

        
        

XVI.   

Zahlung der Firmenrenten

        

1. a) 

Die Firmenrente wird jeweils am Ende eines Monats fällig, und zwar erstmals für den Monat, der auf den Erwerb des Anspruchs (V, VI, VII) folgt.

        

   …   

        
        

2. a) 

Der Anspruch auf Firmenrente ruht bis zum Ablauf des Monats, für den noch andere Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis zur Firma gewährt werden, bis zur Höhe dieser Bezüge. …

        

3. a) 

Jede Firmenrente wird lebenslänglich gezahlt, jedoch endet

                 

-       

der Anspruch auf Invalidenrente mit dem Wegfall der Invalidität vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV)

                 

-       

der Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederverheiratung der Witwe.“

6

Im „Nachtrag zur Versorgungsordnung vom November 1982“ der S GmbH vom 15. September 1986 wurde der Anspruch auf Witwenrente auch auf Witwer ausgedehnt.

7

In der Pensionsordnung der L AG vom Oktober 1989 (im Folgenden PO L AG) ist ua. Folgendes geregelt:

        

㤠1

Berechtigte, Leistungsarten

        

1.    

Mitarbeiter im Sinne dieser Pensionsordnung sind alle Belegschaftsmitglieder der L AG, die keine einzelvertragliche Pensionszusage von der L AG erhalten bzw. erhalten haben. Mitarbeiter im Sinne dieser Pensionsordnung sind nicht …

        

2.    

Gewährt werden Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenpensionen.

        

…       

        
        

§ 4

Voraussetzungen für Hinterbliebenenpension

        

1.    

Hinterbliebenenpension (Witwen-, Witwer- und Waisenpension) wird gewährt, wenn für den verstorbenen Mitarbeiter im Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung von Absatz 3 für die Pensionsgewährung erfüllt waren. Die Witwen- (Witwer-) Pension wird mit Ablauf des Monats eingestellt, in dem die Witwe (der Witwer) sich wieder verheiratet.

        

2.    

Witwen- (Witwer-) Pension wird gewährt, wenn die Ehe vor Beginn der Alterspension des Mitarbeiters geschlossen wurde.

                 

Ist der Ehepartner mehr als 15 Jahre jünger als der Mitarbeiter, so wird die Witwen- (Witwer-) Pension für jedes volle Jahr, das diese Altersdifferenz übersteigt, um 5 % ihres Betrages gekürzt. Die Kürzung entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes mindestens 15 Jahre bestanden hat.

        

…       

        
        

§ 10

Höhe der Hinterbliebenenpension

        

1.    

Die Witwen- (Witwer-) Pension beträgt 60 % der Pension, die der Pensionsempfänger erhalten hat oder der Mitarbeiter erhalten hätte, wenn er im Zeitpunkt seines Ablebens Invalide geworden wäre.“

8

Unter dem 14. April 2008 schlossen der verstorbene Ehemann der Klägerin und die Beklagte einen „ Altersteilzeit-Arbeitsvertrag “. Dieser Vertrag enthält ua. die folgenden Vereinbarungen:

        

㤠1

Beginn der Altersteilzeitarbeit

                 

Das zwischen den Parteien bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis wird in Abänderung und in Ergänzung des bestehenden Arbeitsvertrages mit Wirkung ab dem 01. Juli 2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.

        

…       

        
        

§ 3

Arbeitszeit

                 

1.      

Die Arbeitszeit des Vertragspartners beträgt ab Beginn der Altersteilzeit während der Laufdauer dieses Vertrages die Hälfte seiner bisherigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Das sind nunmehr 19,5 Stunden/Woche.

                 

2.    

Die Arbeitszeit wird so verteilt, dass sie im ersten Abschnitt des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom 01. Juli 2008 bis 31. Mai 2010 voll geleistet (Arbeitsphase) und der Vertragspartner anschließend bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt (Freistellungsphase) wird.

                 

…       

        

§ 9

Betriebliche Leistungen

                 

…       

        

4.    

Altersversorgung

                 

Die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung werden nach Maßgabe der jeweiligen Pensionsordnungen auf der Grundlage des Bruttovollzeitarbeitsentgeltes ermittelt, das der Arbeitnehmer ohne Altersteilzeit erzielt hätte (fiktives Arbeitsentgelt). Ein versicherungsmathematischer Abschlag wird nicht vorgenommen.

        

…       

        
        

§ 12

Ende des Beschäftigungsverhältnisses

                 

1. Das Beschäftigungsverhältnis endet ohne Kündigung am 30. April 2012.“

9

Mit Schreiben vom 4. Januar 2011 teilte die L AG der Klägerin unter dem Betreff „Hinterbliebenenzahlung“ Folgendes mit:

        

„…,     

        

wie Sie bereits wissen, bekommen Sie von uns ab dem 15.12.2010 eine Hinterbliebenenzahlung bis zum Beginn der Firmen-Witwenrente ab 01.03.2011.

        

Damit wir diese Hinterbliebenen-Abrechnung durchführen können, benötigen wir noch folgende Informationen bzw. Unterlagen von Ihnen:

        

…       

        

Aus der Altersteilzeit von Hr. G ist noch ein Wertguthaben i.H. von netto … Euro vorhanden. Dieses Wertguthaben ist an den Erbberechtigten nach Vorlage des Erbscheins auszuzahlen.

        

Deshalb bitten wir ebenfalls um Zusendung eines Original-Erbscheins, damit dieses Wertguthaben entsprechend zur Auszahlung gebracht werden kann.

        

…“    

10

Mit Schreiben vom 6. Mai 2011 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte dieser unter dem Betreff „Sterbefall: Herr G/Firmenpension“ mit:

        

„…,     

        

aufgrund Ihres Anrufes mit dem Hinweis auf den Punkt 4a im Anstellungsvertrag vom 22.08.1989 des Herrn G haben wir den Sachverhalt wegen einer möglichen Änderung in den Pensions-Richtlinien der S-L GmbH noch mal überprüft.

        

Die im Anstellungsvertrag angesprochene Überarbeitung des Pensionsplans der S-L GmbH war zwar zum damaligen Zeitpunkt geplant, ist dann aber nie realisiert worden. Es wurde nur für neu eingetretene Mitarbeiter ab dem 01.01.2002 eine neue Pensionsordnung ins Leben gerufen, diese gilt aber nur für neue Mitarbeiter, nicht für den Mitarbeiterbestand bis zum 31.12.2001.

        

Demzufolge galt die Versorgungsordnung vom 01.07.1982 weiterhin für Herrn G und damit waren die Voraussetzungen für eine Firmen-Witwenpension der S-L GmbH leider nicht erfüllt.

        

…“    

11

Ausweislich der von der Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreits erstellten fiktiven „Berechnung der Witwenpension für Frau G, geb. 10.10.1956“ vom 24. Oktober 2011 beläuft sich ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach der VO S auf monatlich 723,49 Euro brutto.

12

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach der VO S verpflichtet, an sie ab dem Monat März 2011 eine Witwenrente iHv. monatlich 723,49 Euro brutto zu zahlen. Die unter VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S aufgeführte Bestimmung, wonach der Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen haben muss, stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Dies folge bereits aus Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989. Diese Bestimmung des Arbeitsvertrags enthalte das Versprechen, dass ihr verstorbener Ehemann im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung genau so behandelt werde, wie die Versorgungsberechtigten der L AG, deren Pensionsvereinbarung eine Spätehenklausel nicht enthalte. Zudem habe die Beklagte ihr das Bestehen eines Anspruchs auf Witwenrente mit Schreiben vom 4. Januar 2011 bestätigt. Dieses Schreiben stelle ein konstitutives Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis, zumindest ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar mit der Folge, dass die Beklagte ihr die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S nicht entgegenhalten könne. Jedenfalls sei die Spätehenklausel wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirke eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, die nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden könne. Diese Bestimmung sei auf die Hinterbliebenenversorgung nicht, auch nicht analog anwendbar. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG lägen nicht vor.

13

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Witwenrente für die Monate März 2011 bis Dezember 2012 iHv. insgesamt 15.916,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des Folgemonats, beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Januar 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Januar 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen,

        

hilfsweise zu 1. und 2.,

        

festzustellen, dass die Beklagte ihr beginnend mit dem 1. März 2011 eine betriebliche Witwenrente nach der Versorgungsordnung der S GmbH von November 1982 unter Berücksichtigung des Nachtrags vom 15. September 1986 iHv. kalendermonatlich derzeit 723,49 Euro brutto zu zahlen hat.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne eine Witwenrente nicht beanspruchen, da die Ehe entgegen der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Bestimmung erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des verstorbenen Ehemannes der Klägerin geschlossen worden sei. Aus dem Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 folge nichts Abweichendes. Die Zusage, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht schlechter gestellt werde als die Mitarbeiter der L AG, sei nur für den Fall gemacht worden, dass ein „neuer“ Plan erarbeitet werde. Ein Anspruch auf Anwendung bestimmter Regelungen der PO L AG ergebe sich hieraus nicht. Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S sei zudem nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirke keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Ihre Rechtsvorgängerin habe mit der Spätehenklausel den Zweck verfolgt, nicht noch kurz vor dem Versorgungsfall hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Hierdurch habe das Risiko unkalkulierbarer zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden sollen, um die Finanzierbarkeit der bestehenden Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sollte sich die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S als unwirksam erweisen, müssten ggf. Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert werden, da unkalkulierbare, später eingetretene Ereignisse (wie weitere Leistungsberechtigte) die Finanzierung der Betriebsrenten ins Ungleichgewicht führen könnten. Auch die Bestimmung der Altersgrenze auf das 60. Lebensjahr sei nicht zu beanstanden. Die zeitliche Grenze von 60 Jahren knüpfe an die Nähe zum Versorgungsalter an und lege mithin den Zeitraum fest, ab dem neue biometrische Risiken nicht mehr begründet werden sollen. Im Übrigen wirke sich aus, dass nach der unter I Ziff. 3 der VO S getroffenen Bestimmung Arbeitnehmer, die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatten, von Versorgungsleistungen insgesamt ausgeschlossen seien. Vor diesem Hintergrund sei die Anknüpfung an die Eheschließung vor der Vollendung des 60. Lebensjahres für Ansprüche auf Hinterbliebenenrente erst recht nicht zu beanstanden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nunmehr folgende Anträge:

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Betriebsrente für die Monate März 2011 bis Mai 2013 iHv. insgesamt 19.534,23 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 723,49 Euro seit dem jeweiligen Ersten des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem 1. April 2011 und endend mit dem 1. Juni 2013 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Juni 2013 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Witwenrente iHv. 723,49 Euro brutto zu zahlen,

        

3.    

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte ihr beginnend mit dem 1. März 2011 eine betriebliche Witwenrente nach der Versorgungsordnung der S GmbH von November 1982 unter Berücksichtigung des Nachtrags vom 15. September 1986 iHv. monatlich 723,49 Euro brutto zu zahlen hat.

16

Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit den Hauptanträgen zu Unrecht abgewiesen. Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind zulässig und begründet. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin bedarf es deshalb nicht.

18

A. Die Klage ist zulässig.

19

I. Dies gilt auch für den Hauptantrag zu 2. Der Klageantrag zu 2. ist auf die Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen(vgl. etwa BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 37/14 - Rn. 17; 17. Juni 2014 - 3 AZR 529/12 - Rn. 21 mwN).

20

II. Der Zulässigkeit der Klage mit den Hauptanträgen steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Hauptantrag zu 1. um rückständige Witwenrente für die Zeit von Januar 2013 bis Mai 2013 erweitert hat und dementsprechend mit ihrem Hauptantrag zu 2. künftige Leistungen erst ab dem 1. Juni 2013 verlangt.

21

Zwar sind Klageänderungen in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig. Antragsänderungen können allerdings aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt, der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden(BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14; 25. April 2006 - 3 AZR 184/05 - Rn. 13; 27. Januar 2004 - 1 AZR 105/03 - zu III der Gründe; 26. August 2003 - 3 AZR 431/02 - zu A der Gründe, BAGE 107, 197).

22

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat ihren Hauptantrag zu 1. um bis zum Zeitpunkt der Revisionsbegründung fällig gewordene monatliche Beträge und damit lediglich quantitativ erweitert und dementsprechend ihren Hauptantrag zu 2. eingeschränkt, ohne dass sich irgendetwas an dem bisherigen Klagegrund geändert hätte, § 264 Nr. 2 ZPO.

23

B. Die Klage mit den Hauptanträgen zu 1. und 2. ist begründet. Die Beklagte ist nach VII Ziff. 1 der VO S verpflichtet, an die Klägerin ab dem Monat März 2011 eine Witwenrente iHv. unstreitig monatlich 723,49 Euro brutto nebst eingeklagter Zinsen zu zahlen.

24

I. Die S GmbH hatte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin eine Versorgung nach der VO S zugesagt, die auch eine Witwenversorgung umfasste. Da dieser bis zu seinem Tode am 14. Dezember 2010 bei der Beklagten beschäftigt war, ist für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente VII Ziff. 1 der VO S maßgeblich, nach dessen Satz 1 die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) den Anspruch mit dessen Tode erwirbt.

25

II. Die Klägerin erfüllt auch die zusätzlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente ab dem Monat März 2011 nach VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S. Die Wartezeit nach III der VO S von fünf Jahren war bereits am 1. Dezember 1994 und damit Jahre vor dem maßgeblichen Datum 1. Mai 2010 erfüllt. Zudem hatte zu diesem Zeitpunkt die am 8. August 2008 geschlossene Ehe mindestens ein Jahr bestanden.

26

Dass die Ehe zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann entgegen der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Bestimmung erst geschlossen wurde, nachdem dieser sein 60. Lebensjahr vollendet hatte, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hatten ihr verstorbener Ehemann und die S GmbH die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Spätehenklausel zwar nicht durch Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 abbedungen; ebenso wenig hatte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2011 unabhängig von den Bestimmungen der VO S eine Witwenrente zugesagt oder den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente anerkannt; die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S ist jedoch gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da sie eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG bewirkt, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist.

27

1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, hatten der verstorbene Ehemann der Klägerin und die S GmbH die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Spätehenklausel nicht durch Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 abbedungen.

28

a) Das Landesarbeitsgericht hat diese Bestimmung des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemannes der Klägerin vom 22. August 1989 dahin ausgelegt, dass die in der PO L AG niedergelegten Versorgungsbedingungen als Mindeststandard nur für den Fall der Überarbeitung der VO S garantiert wurden.

29

b) Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wobei dahinstehen kann, ob es sich bei den im Arbeitsvertrag vom 22. August 1989 getroffenen Vereinbarungen um atypische oder typische Willenserklärungen, mithin um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer unbeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

aa) Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 15. Juni 2010 - 3 AZR 994/06 - Rn. 26 f.; 11. Dezember 2001 - 3 AZR 334/00 - zu I 2 a aa der Gründe).

31

bb) Demgegenüber sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht (BAG 10. Dezember 2013 - 3 AZR 715/11 - Rn. 17; 25. Juni 2013 - 3 AZR 219/11 - Rn. 19 mwN, BAGE 145, 314).

32

cc) Die Auslegung von Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer unbeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

33

Der verstorbene Ehemann der Klägerin und die S GmbH haben unter Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags vom 22. August 1989 zunächst auf den bei der S GmbH bestehenden Pensionsplan, und damit auf die VO S Bezug genommen. Ferner enthält Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags die Formulierung, dass dieser Plan „zur Zeit überarbeitet“ wird. Hierbei handelt es sich erkennbar nur um einen Hinweis. Daher konnte die in Ziff. 4 Buchst. a Satz 2 des Arbeitsvertrags zudem enthaltene Zusicherung, der verstorbene Ehemann der Klägerin werde durch den neuen Plan nicht schlechter gestellt als die Mitarbeiter der Muttergesellschaft, der L AG, bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass diese Zusicherung nur gelten sollte, wenn ein neuer Pensionsplan tatsächlich zustande kommen würde. Vor diesem Hintergrund kann Ziff. 4 Buchst. a des Arbeitsvertrags des verstorbenen Ehemannes der Klägerin insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, dass für dessen Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die jeweils günstigeren Regelungen der VO S und der PO L AG Anwendung finden sollen.

34

2. Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2011 weder unabhängig von den Bestimmungen der VO S eine Witwenrente zugesagt noch den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente anerkannt. Das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 enthält in Bezug auf die Witwenrente weder ein konstitutives abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. konstitutives abstraktes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, aufgrund dessen der Beklagten eine Berufung auf die Spätehenklausel verwehrt wäre.

35

Das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 enthielte nur dann ein selbständiges abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, wenn sich ihm im Wege der Auslegung der Wille der Beklagten entnehmen ließe, eine selbständige, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen - hier: den Bestimmungen der VO S - losgelöste Verpflichtung zur Zahlung einer Witwenrente an die Klägerin zu übernehmen(vgl. etwa BGH 14. Januar 2008 - II ZR 245/06 - Rn. 15 mwN; 7. Dezember 2004 - XI ZR 361/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 161, 273; 14. Oktober 1998 - XII ZR 66/97 - zu 2 b der Gründe mwN). Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis stellte das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2011 nur dann dar, wenn seine Auslegung ergäbe, dass die Parteien das Versorgungsverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen und es endgültig festlegen wollten (vgl. BGH 28. Mai 2014 - XII ZR 6/13 - Rn. 26; 12. März 2009 - IX ZB 157/08 - Rn. 2; 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05 - Rn. 8 mwN; vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 40; 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 2 a der Gründe). Sowohl ein selbständiges abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB als auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis setzen demnach einen Rechtsbindungswillen voraus. Daran fehlt es, soweit der Schuldner lediglich eine Mitteilung macht. Dann handelt es sich allenfalls um eine rein deklaratorische Wissenserklärung ohne Rechtsbindungswillen und nicht um eine Willenserklärung (vgl. etwa BAG 14. Februar 2012 - 3 AZR 685/09 - Rn. 59; 23. August 2011 - 3 AZR 669/09 - Rn. 15 für die Auskunft nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG; 29. September 2010 - 3 AZR 546/08 - Rn. 19 mwN für den Bescheid nach § 9 Abs. 1 BetrAVG). Das Landesarbeitsgericht ist mit naheliegender Begründung davon ausgegangen, dass es an einem solchen Rechtsbindungswillen hier fehlt. Unter Zugrundelegung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs (oben B II 1 b aa) ist daher davon auszugehen, dass sich dem Schreiben vom 4. Januar 2011 ein Angebot der Beklagten, an die Klägerin ab dem 1. März 2011 ungeachtet der in der VO S bestimmten Versorgungsbedingungen eine Witwenrente zu zahlen, nicht entnehmen lässt.

36

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Voraussetzung, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigten geschlossen sein muss, eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt und deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.

37

a) Das AGG ist anwendbar.

38

aa) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22, BAGE 125, 133). Letzteres ist nicht der Fall.

39

bb) Das AGG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 31 mwN). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG am 18. August 2006 (vgl. Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) stand der Ehemann der Klägerin noch im Arbeits- und damit in einem Rechtsverhältnis zur Beklagten.

40

b) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(vgl. etwa BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 17, BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 20 mwN).

41

c) Die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S enthaltene Anspruchsvoraussetzung, dass die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 AGG, wobei auch für die Beurteilung, ob eine Diskriminierung vorliegt, auf den Beschäftigten(§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen ist (vgl. etwa BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 28). Die Regelung knüpft unmittelbar an die Überschreitung des 60. Lebensjahres an und führt dazu, dass Mitarbeiter, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, von der Witwenversorgung vollständig ausgeschlossen sind. Damit erfahren Mitarbeiter, die - wie der verstorbene Ehemann der Klägerin - die Ehe schließen, nachdem sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung.

42

d) Die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung ist nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

43

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein(vgl. etwa BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 25; 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 20, BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 22 mwN).

44

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. im Einzelnen etwa BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21 ff., BAGE 147, 279; 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 23 mwN).

45

cc) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters kann nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 iVm. Satz 2 AGG gerechtfertigt werden.

46

(1) Einschlägig ist hier allein die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführte Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“. Es geht weder darum, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Leistungen nach der VO S hat und damit nicht um die „Mitgliedschaft“ im Versorgungssystem, noch um die Durchführung versicherungsmathematischer Berechnungen innerhalb des Versorgungssystems. Vielmehr legt die VO S in VII Ziff. 1 Satz 2 besondere Voraussetzungen für den Bezug einer Witwenrente fest.

47

(2) § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG knüpft für die Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“ bereits von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken „Alter“ und „Invalidität“ und nicht an das Risiko des „Todes“ an und erfasst deshalb ausschließlich die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwenversorgung, um die es vorliegend geht.

48

(3) Dass eine Hinterbliebenenversorgung regelmäßig nur dann versprochen wird, wenn auch eine Altersversorgung zugesagt ist und dass sich die Höhe einer Witwen- und Witwerversorgung regelmäßig an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder - sofern versprochen - der Invaliditätsrente orientiert, die Witwen- und Witwerrente demnach regelmäßig in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- und Invaliditätsrente steht, führt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht dazu, dass die Witwen- und Witwerrente als „Annex“ von der in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführten Alters- bzw. Invaliditätsrente miterfasst würde. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der Bestimmung.

49

Mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat der nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht und diese Bestimmung in nationales Recht umgesetzt. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat deshalb unionsrechtskonform iSv. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu erfolgen.

50

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zu Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG mit Urteilen vom 26. September 2013 (- C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 39 bis 43; - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 44 bis 48) erkannt, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass sie nur auf eine Altersrente oder Leistungen bei Invalidität eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit anwendbar ist. Sie gilt danach also nur für ein betriebliches System der sozialen Sicherheit, das die Risiken von „Alter“ und „Invalidität“ abdeckt. Eine Auslegung dahin, dass diese Vorschrift für alle Arten von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit gilt, stellt danach einen Verstoß gegen das Erfordernis dar, die Vorschrift eng auszulegen und würde eine unzulässige Ausdehnung ihres Geltungsbereichs bewirken.

51

(4) Entgegen ihrer Rechtsauffassung kann die Beklagte aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 (- 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99) für eine Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S geregelte Spätehenklausel nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung die Invaliditätsversorgung als von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG erfasst betrachtet; es hat ausgeführt, die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung wegen des Alters sei in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zwar ausdrücklich nur für den Bezug von Alters- und Invaliditätsrente geregelt, nicht hingegen für die Hinterbliebenenrente. Die Hinterbliebenenrente leite sich jedoch zwingend von der Alters- und Invaliditätsrente ab und lehne sich anteilig an. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch vor der gegenteiligen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen.

52

dd) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters kann auch nicht in erweiternder Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG oder in analoger Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt werden.

53

(1) Zwar heißt es in § 10 Satz 3 AGG, dass derartige unterschiedliche Behandlungen „insbesondere“ die unter den Nr. 1 bis 6 aufgeführten Fälle einschließen können. Damit zählt § 10 Satz 3 AGG seinem Wortlaut nach nur Beispielsfälle auf und enthält keinen abschließenden Katalog von Anwendungsfällen denkbarer Rechtfertigungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, BAGE 129, 181). Dennoch ist die Verwendung von Alterskriterien in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen im Todesfall, mithin für den Bezug einer Witwen- und Witwerrente, kein denkbarer - über die ausdrücklich genannten Beispielsfälle hinausgehender - Anwendungsfall einer Rechtfertigung iSv. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG. Eine ergänzende Auslegung dieser Bestimmung dahin, dass sie auch die Festsetzung von Altersgrenzen in Betriebsrentensystemen als Voraussetzung für den Bezug einer Hinterbliebenenrente erfasst oder eine analoge Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf solche Altersgrenzen scheidet aus. Dies folgt ebenfalls aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 10 Satz 3 AGG im Lichte von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.

54

(2) Nur Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthält - wie die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ verdeutlicht - einen nicht abschließenden Katalog von Anwendungsfällen denkbarer Rechtfertigungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 36, Slg. 2010, I-11869). Demgegenüber hat der Unionsgesetzgeber eine mögliche Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit nicht in den Beispielkatalog von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG aufgenommen, sondern in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG einer eigenständigen Regelung zugeführt. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG, der es den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters vorzusehen, ist nicht nur eng auszulegen(EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 41; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 46), sondern auch abschließend. Eine Ausnahme von dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ausschließlich in den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ausdrücklich genannten Fällen möglich. Hätte der Unionsgesetzgeber den Geltungsbereich dieser Bestimmung über die dort genannten Fälle hinaus ausdehnen wollen, hätte er dies - wie in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG geschehen - durch eine eindeutige Formulierung, zB unter Verwendung des Adverbs „insbesondere“ getan (EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 39; 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 44).

55

ee) Die durch die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bewirkte unmittelbare Ungleichbehandlung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wegen des Alters ist auch nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gestattet, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Jedenfalls ist die Altersgrenze von 60 Jahren in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG.

56

(1) Es kann offenbleiben, ob die durch VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

57

(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nicht nur erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Arbeits- und Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforengingen i Danmark] Rn. 19; 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 34; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 50; 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, Slg. 2010, I-9343; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 41, Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15). Er hat zudem mit Urteil vom 26. September 2013 (- C-476/11 - [HK Danmark]) ausgeführt, dass auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersvorsorge anstrebt, legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein können. Gleichzeitig hat er die Legitimität der Ziele für den Fall bejaht, dass diese im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange den Interessen aller Beschäftigten Rechnung tragen, um diesen bei Eintritt in den Ruhestand eine Altersversorgung in angemessener Höhe zu gewährleisten (EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark]). Da nach alledem legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG allerdings nur solche im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange sind, die den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen, können Ziele, die ausschließlich im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Diskriminierung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigen(vgl. etwa BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26, BAGE 147, 89).

58

(b) Ob die mit der unter VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffenen Spätehenklausel bewirkte Diskriminierung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist, ist zweifelhaft.

59

(aa) Die Beklagte hatte sich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ausschließlich darauf berufen, ihre Rechtsvorgängerin habe mit der Spätehenklausel das Ziel verfolgt, nicht noch kurz vor dem Versorgungsfall hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Es habe das Risiko unkalkulierbarer zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden sollen, um die Finanzierbarkeit bestehender Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Im ungünstigsten Fall müssten Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert werden, da unkalkulierbare, später eingetretene Ereignisse (wie weitere Leistungsberechtigte) die Finanzierung der Betriebsrenten ins Ungleichgewicht führen könnten. In der Revision hat sie zudem ausgeführt, die Rückstellungen für die Altersversorgung beruhten auf versicherungsmathematischen Berechnungen, die sich ihrerseits an die Sterbetafeln anlehnten. Diese Berechnungen hätten mit der Spätehenklausel abgesichert werden sollen; es sei darum gegangen, unkalkulierbare Risiken zu vermeiden. Das Risiko einer höheren Kostenlast verwirkliche sich bei einer Heirat im hohen Lebensalter allein dadurch, dass der Altersunterschied der Eheleute immer größer werde und die Versorgungsleistungen deshalb über einen längeren Zeitraum erbracht werden müssten. Welchen Weg ein Arbeitgeber zur Minimierung des Risikos von Spätehen wähle, ob durch eine Altersabstands- oder durch eine Spätehenklausel, müsse ihm überlassen bleiben.

60

(bb) Soweit die Beklagte mit ihrem Vorbringen zu den Rückstellungen zum Ausdruck bringen will, dass die Spätehenklausel dazu dient, den administrativen Aufwand bei der nach § 249 HGB vorzunehmenden Bildung und Auflösung von Pensionsrückstellungen gering zu halten, stellt sich dieses Ziel - für sich betrachtet - als Ziel im ausschließlichen Eigeninteresse der Versorgungsschuldnerin dar und ist damit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG(vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 36 zu „Haushaltserwägungen“ und „administrativen Erwägungen“ eines Mitgliedstaats).

61

(cc) Soweit die Beklagte geltend macht, die Spätehenklausel bezwecke, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand für die Hinterbliebenenversorgung versicherungsmathematisch verlässlich kalkulieren zu können, ist allerdings zweifelhaft, ob die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

62

Zwar entscheidet der Arbeitgeber bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen; eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von dieser Versorgung auszuschließen (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 74 mwN, BAGE 134, 89). Auch liegt eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung.

63

Vor diesem Hintergrund bestand im vorliegenden Verfahren arbeitgeberseitig ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 75 mwN, BAGE 134, 89). Dieses Ziel ist zwar ein rechtmäßiges Ziel iSv. § 3 Abs. 2 AGG, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet(vgl. etwa BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 36 f.; 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 30 f., BAGE 146, 200). Ob es jedoch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist und damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigen kann(vgl. dagegen noch etwa BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 36; 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 30, aaO), ist vor dem Hintergrund auch der angeführten neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten. Gegen die Legitimität des Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG könnte sprechen, dass eine Risikobegrenzung zum Zwecke einer verlässlichen Kalkulation des für die Hinterbliebenenversorgung zur Verfügung gestellten Dotierungsrahmens zunächst im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt; dafür könnte indes sprechen, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zukommen lassen, wenn sie auch die Möglichkeit haben, den aus der Versorgungszusage resultierenden Versorgungsaufwand verlässlich zu prognostizieren.

64

(dd) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, mit der Spätehenklausel werde auch bezweckt, die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel nur einem eingegrenzten Personenkreis zukommen zu lassen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener, weil substantieller Höhe gewähren zu können, spricht vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. September 2013 (- C-476/11 - [HK Danmark]) viel dafür, dass die Spätehenklausel durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

65

(2) Dies kann vorliegend jedoch offenbleiben, da die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S konkret auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze zur Erreichung der mit der Spätehenklausel angestrebten Ziele, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den erforderlichen Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können sowie die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel auf einen bestimmten Personenkreis zu verteilen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener Höhe gewähren zu können, nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG ist.

66

(a) Die in der Spätehenklausel auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze ist - in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG - nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlaubt, das mit der Spätehenklausel verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, denen aufgrund der Klausel die Witwen-/Witwerversorgung vorenthalten wird, weil sie bei Eheschließung bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatten (vgl. etwa EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25) und sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist] Rn. 59).

67

(b) Die in VII Ziff. 1 Satz 2 VO S auf die Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegte Altersgrenze ist nicht angemessen und erforderlich, weil sie zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten führt, die - weil sie bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hatten - von der Witwen-/Witwerversorgung vollständig ausgeschlossen werden. Zudem geht sie zum Teil auch über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist.

68

(aa) Die Zusage der Witwen-/Witwerversorgung nach der VO S ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage sollen die Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage ihrer Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38). Für dieses Versorgungsinteresse ist es jedoch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe geschlossen wurde. Es existiert vor allem kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, ein geringeres Interesse an der Versorgung ihrer Witwen und Witwer haben als Versorgungsberechtigte, die die Ehe in einem jüngeren Lebensalter schließen. Sowohl die Versorgungsberechtigten, die die Ehe vor der Vollendung ihres 60. Lebensjahres als auch die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst danach geschlossen haben, haben ein gleichermaßen anerkennenswertes Interesse an der Versorgung ihrer Ehepartner.

69

(bb) Zudem wirkt sich aus, dass die Hinterbliebenenversorgung ihren Ursprung in der dem Arbeitnehmer und der Arbeitnehmerin erteilten Versorgungszusage hat und dass betriebliche Altersversorgung auch Entgelt der berechtigten - männlichen wie weiblichen - Arbeitnehmer ist, das diese als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhalten (vgl. etwa BAG 12. November 2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 27 mwN). Danach ist es regelmäßig nicht angemessen, die unter Geltung einer Versorgungszusage abgeleistete Betriebszugehörigkeit im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung allein deshalb vollständig unberücksichtigt zu lassen, weil der Versorgungsberechtigte bei Eheschließung das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatte.

70

(cc) Die Vollendung des 60. Lebensjahres stellt auch - anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 38) oder der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer selbst (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11 - Rn. 32, BAGE 146, 200) - keine „Zäsur“ dar, die es der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausnahmsweise hätte gestatten können, in den Bestimmungen über die Witwen-/Witwerversorgung zur Begrenzung des mit der Versorgungszusage verbundenen Risikos und Aufwands hieran anzuknüpfen und die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt bei der Abgrenzung ihrer Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen.

71

Dies folgt aus den Wertungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, wonach betriebliche Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes nur vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung vom Arbeitgeber „aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses“ zugesagt werden. Danach muss zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Zusage ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. etwa BAG 20. April 2004 - 3 AZR 297/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 110, 176; 25. Januar 2000 - 3 AZR 769/98 - zu II 2 der Gründe). Im Hinblick darauf übernimmt der Arbeitgeber mit der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestimmte Risiken, die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Invaliditätssicherung einen Teil der Invaliditätsrisiken und die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken ab (vgl. etwa BAG 25. Juni 2013 - 3 AZR 219/11 - Rn. 13, BAGE 145, 314). Vor diesem Hintergrund sind zwar das Ende des Arbeitsverhältnisses und der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, zu dem typischerweise auch das Arbeitsverhältnis sein Ende findet, sachgerechte Anknüpfungspunkte für Regelungen über den Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung, nicht aber ein vom Ende des Arbeitsverhältnisses unabhängiges Alter.

72

Die Nähe der Vollendung des 60. Lebensjahres zum Versorgungsfall „Alter“ ändert daran entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nichts. Es besteht für sich genommen kein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen dem Abstand zu diesem Versorgungsfall und der Hinterbliebenenversorgung.

73

(dd) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die die Beklagte verteidigt, lässt sich die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bestimmte Spätehenklausel auch nicht mit der zusätzlichen Begründung rechtfertigen, die Berufstätigkeit des Arbeitnehmers, der bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hat, werde nicht mehr entscheidend durch die Fürsorge des Ehegatten mitgetragen. Die Beklagte hat kein anerkennenswertes Interesse daran, zur Abgrenzung ihrer Leistungspflichten zwischen den Ehen, die vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten und den Ehen, die erst danach geschlossen wurden, mit dieser Begründung zu differenzieren. Auch dies macht die in der Spätehenklausel bestimmte Altersgrenze nicht angemessen.

74

Die etwaige „Fürsorge“ des Ehegatten für sich betrachtet steht in keinem rechtlich relevanten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versorgungsberechtigten, anlässlich dessen die Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, sondern betrifft die private Lebensgestaltung. Soweit nicht der „Fürsorgegedanke“ im Vordergrund stehen sollte, sondern beabsichtigt war, nach der noch möglichen Ehedauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“, mit dem das Arbeitsverhältnis regelmäßig endet, zu differenzieren, besteht zwar ein Bezug zum Arbeitsverhältnis. Die Dauer der Ehe während des Arbeitsverhältnisses ist aber kein angemessener Anknüpfungspunkt für Leistungen der Hinterbliebenenversorgung, weil diese Leistungen Gegenleistung für die Beschäftigungszeit, nicht aber für die Ehedauer sind. Zudem führt ein Abstellen auf eine noch mögliche Ehedauer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“ zu einer unangemessenen Benachteiligung der Versorgungsberechtigten gegenüber anderen Arbeitnehmern, die bei Eintritt des Nachversorgungsfalls ebenfalls noch nicht für eine bestimmte Zeit während des Arbeitsverhältnisses verheiratet waren.

75

Aus der von der Beklagten angezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2010 (- 1 BvR 2584/06 - BVerfGK 17, 120) folgt nichts Abweichendes. Zum einen hatte sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 1. März 2010 (- 1 BvR 2584/06 - aaO) mit einer Satzungsbestimmung eines Versorgungswerks einer Ärztekammer zu befassen, das durch eigene Beitragsleistungen der Versicherten finanziert wurde, und bei dem nur die originär eigene Rente des Versicherten (Alters- und Invaliditätsversorgung) Gegenleistung der Beitragsleistung war, während die Hinterbliebenenversorgung - anders als die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Hinterbliebenenversorgung nach der VO S - ausschließlich Versorgungscharakter hatte, weil sie nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren Eigenleistung beruhte. Zum anderen sah die vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilende Satzungsbestimmung des Versorgungswerks der Ärztekammer - anders als die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S - nicht vor, dass Versorgungsberechtigte, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen hatten, von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen waren. Vielmehr bestimmte sie, dass der verwitwete Eheteil aus einer Ehe, die das Versorgungswerksmitglied erst nach Beginn der Altersrente geschlossen hatte, keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung hat. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Satzungsbestimmung mit der Begründung gebilligt, der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung könne davon abhängig gemacht werden, dass der Versicherte und der Hinterbliebene bereits während der Erwerbstätigkeit des Versicherten miteinander verheiratet gewesen seien; es sei nicht zu beanstanden, wenn der Satzungsgeber Hinterbliebenenrente nur denjenigen Hinterbliebenen gewähren wolle, die zumindest zu einem Teil den Berufsweg des Versicherten als Ehegatten begleitet haben.

76

(ee) Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, die die Beklagte in der Revision ebenfalls verteidigt, lässt sich die Anknüpfung an das 60. Lebensjahr in der Spätehenklausel auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, mit ihr würden zulässigerweise Ansprüche auf eine Witwen-/Witwerversorgung in den Fällen ausgeschlossen, in denen nur eine sog. Versorgungsehe geführt wird. Zwar läge darin eine Begrenzung des Risikos auf Fälle, in denen das Versorgungsrisiko nicht gezielt zulasten des Arbeitgebers geschaffen wird. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S überhaupt dem Zweck dient, Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen und das arbeitgeberseitige Risiko entsprechend zu begrenzen. Die Beklagte hat sich auf diesen Zweck der Klausel zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich berufen. Aber selbst wenn die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - dem Zweck dienen sollte, sog. Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen, ließe sich die durch die Altersgrenze von 60 Jahren bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 2 AGG rechtfertigen. Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S wäre zur Erreichung des mit ihr angestrebten Ziels nicht geeignet.

77

Von einer Versorgungsehe kann nur dann gesprochen werden, wenn die Heirat allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolgte, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (Definition in Anlehnung an § 46 Abs. 2a SGB VI, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Zwar kann bei einer Ehe, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls „Tod“ - unabhängig vom gleichzeitigen Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Versorgungsschuldner - erst von kurzer Dauer war, die Vermutung gerechtfertigt sein kann, dass die Ehe unter Versorgungsgesichtspunkten geschlossen wurde. So enthalten beispielsweise § 46 Abs. 2a SGB VI und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG für Ehen, die nicht mindestens ein Jahr vor Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalls geschlossen wurden, eine gesetzlich widerlegbare Vermutung, dass die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Hingegen existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine Eheschließung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten ausschließlich oder überwiegend unter Versorgungsgesichtspunkten erfolgte. Vielmehr ist bei Eheschließungen nach Vollendung des 60. Lebensjahres ein anderer Zweck der Eheschließung mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Versorgungszweck.

78

(ff) Die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S lässt sich entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, bei Eingehung einer versorgungsnahen Ehe sei eher davon auszugehen, dass der Ehegatte über eigene Versorgungsanwartschaften oder Vermögen verfüge und deshalb auf eine Hinterbliebenenversorgung nicht in dem Maße angewiesen sei wie eine junge Familie. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt keine angemessene Risikobegrenzung vor. Es kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts überhaupt zutrifft. Nach den Wertungen der VO S kommt es hierauf nicht an. Die VO S knüpft mit der in X zur Höhe der Witwen-/Witwerrente getroffenen Bestimmung ausschließlich an das Ausmaß an, in dem der durch den Tod des Versorgungsberechtigten verursachte Wegfall der erreichbaren bzw. bezogenen Betriebsrente kompensiert werden soll und definiert so den Versorgungsbedarf. Bestimmungen über eine Anrechnung von Einkünften oder Vermögen des hinterbliebenen Ehegatten auf die Witwen-/Witwerrente enthält die VO S nicht. Diese Umstände machen deutlich, dass es nach den Wertungen der VO S für den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung unerheblich ist, wie die private Lebensgestaltung des Witwers oder der Witwe im Hinblick auf Erwerbseinkommen und Versorgung vor der Eheschließung war.

79

(gg) Aus dem Umstand, dass nach I Ziff. 3 der VO S Arbeitnehmer, „die bei ihrem letzten Diensteintritt in die Firma das 60. Lebensjahr vollendet haben“, keine Versorgungszusage erhalten, mithin von vornherein weder Anspruch auf eine Altersrente noch auf eine Invaliden- oder Witwen-/Witwerrente erwerben können, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Senat mit Urteil vom 12. Februar 2013 (- 3 AZR 100/11 - BAGE 144, 231) sogar einer Bestimmung in einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung Wirksamkeit zuerkannt hat, nach der ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur besteht, wenn der Arbeitnehmer eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen kann. Mit der unter I Ziff. 3 der VO S getroffenen Bestimmung wird zum Ausdruck gebracht, dass für den Fall, dass der Arbeitnehmer bei seinem Eintritt in das Unternehmen das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat, überhaupt kein Versorgungsrisiko übernommen werden soll. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine bereits grundsätzlich erfolgte Risikoübernahme, dh. zugesagte Versorgung - hier die Hinterbliebenenversorgung - von zusätzlichen anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf und damit Personen, die diese Voraussetzungen (nicht) erfüllen, von der Versorgung ihrer Hinterbliebenen ausgeschlossen werden dürfen.

80

(hh) Aus den in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG getroffenen Regelungen, wonach ein Anspruch auf Witwenrente nicht besteht, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG bereits erreicht hatte, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dies folgt bereits daraus, dass diese Bestimmung - soweit sie an das Lebensalter anknüpft - auf die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG und damit auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem regelmäßig das Dienstverhältnis zum Dienstherrn endet. Eine solche Anknüpfung an eine derartige „Zäsur“ enthält die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S hingegen nicht.

81

(ii) Entgegen ihrer Rechtsauffassung spricht auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2009 (- 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99) nicht für die Beklagte. Die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung angestellt hat, sind auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar und können deshalb die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S nicht rechtfertigen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung eine Bestimmung in der Satzung eines Versorgungswerks als nicht altersdiskriminierend gebilligt, wonach die Witwen-/Witwerrente nicht gewährt wird, wenn die Ehe nach Vollendung des 62. Lebensjahres oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen wurde und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat. Allerdings ging es in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren um ein Versorgungswerk einer Rechtsanwaltskammer, das sich - wie eine Versicherung - ausschließlich durch Beiträge seiner Mitglieder finanzierte. Zudem wurde die Hinterbliebenenversorgung ohne erhöhten Beitrag des Mitglieds für seine Hinterbliebenen gewährt, wovon das verheiratete Mitglied des Versorgungswerks profitierte. Der Zweck der Satzungsregelung bestand mithin in der finanziellen Risikobegrenzung der Versichertengemeinschaft als Solidargemeinschaft. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren bilden die nach der VO S Versorgungsberechtigten indes keine Solidar- oder Gefahrengemeinschaft, die die Lasten, die dem Einzelnen und den Hinterbliebenen aus der Verwirklichung der Risiken Alter, Invalidität oder Tod erwachsen, auf den gesamten Stand verteilen.

82

Aus den Urteilen des Senats vom 28. Juli 2005 (- 3 AZR 457/04 - BAGE 115, 317) und vom 19. Dezember 2000 (- 3 AZR 186/00 -) folgt bereits deshalb nichts Abweichendes, weil die dort vom Senat gebilligten Spätehenklauseln nicht am AGG zu messen waren.

83

(jj) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Spätehenklausel in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S auch nicht angemessen und erforderlich, weil die Möglichkeit bestanden hätte, anstelle der Spätehenklausel eine Altersabstandsklausel in die Versorgungsordnung aufzunehmen. Zwar begrenzen Altersabstandsklauseln das Risiko des Arbeitgebers, nämlich nach demographischen Kriterien. Je jünger die Ehepartner im Verhältnis zu den Arbeitnehmern sind, denen eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, desto länger ist der Zeitraum, während dessen der Arbeitgeber durchschnittlich die Hinterbliebenenversorgung zu gewähren hat. Auch bewirken Altersabstandsklauseln, dass sich die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel auf einen kleineren Kreis von Hinterbliebenen verteilen, sodass diese bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine höhere Witwen-/Witwerversorgung erhalten. Schließlich ist einem hohen Altersabstand innerhalb einer Ehe immanent, dass der jüngere Ehepartner einen erheblichen Teil seines Lebens ohne den älteren Ehepartner und die an dessen Einkommenssituation gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten verbringt. Es kann dahinstehen, ob diese Erwägungen unter Geltung des AGG, und wenn ja, für welche Klauseln überhaupt noch tragen. Die streitbefangene Spätehenklausel stellt gerade keine Altersabstandsklausel dar.

84

4. Da die in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S getroffene Spätehenklausel wegen Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, steht sie dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nicht entgegen. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, an die Klägerin ab dem 1. März 2011 eine Witwenrente in unstreitiger Höhe von monatlich 723,49 Euro zu zahlen. Dass dadurch der bei Schaffung der VO S für die Hinterbliebenenversorgung bereitgestellte Dotierungsrahmen ggf. in einem Maße überschritten wird, dass die Finanzierung der Betriebsrenten insgesamt ins „Ungleichgewicht“ gerät und die Beklagte deshalb Zusagen für künftige Mitarbeiter reduziert, ändert daran nichts. Die Beklagte kann im Hinblick auf eine Einhaltung des für die Hinterbliebenenversorgung nach der VO S ursprünglich festgelegten Dotierungsrahmens keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. Der zeitliche Geltungsbereich des AGG wird deshalb hier nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (zu derartigen Beschränkungen BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Die Anwendung der Bestimmungen des AGG auf die von der Klägerin geltend gemachte Witwenrente nach der VO S bewirkt keine echte, sondern lediglich eine unechte Rückwirkung. Diese ist zulässig.

85

Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind (vgl. BAG 19. Juni 2012 - 3 AZR 558/10 - Rn. 25 mwN). Die belastende Rechtsfolge von § 7 Abs. 2 AGG, die für die Beklagte erst nach Verkündung des AGG eintritt, wurde tatbestandlich von der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin erteilten Versorgungszusage und damit von einem bereits „ins Werk gesetzten“, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ausgelöst.

86

Die Grenzen einer zulässigen unechten Rückwirkung einer gesetzgeberischen Entscheidung sind erst überschritten, wenn die unechte Rückwirkung nicht geeignet oder erforderlich ist, um den Gesetzeszweck zu erreichen, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Knüpft der Gesetzgeber für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte an, sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen. Der vom Gesetzgeber zu beachtende Vertrauensschutz geht allerdings nicht so weit, den normunterworfenen Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren (vgl. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 204/12 - Rn. 46, BAGE 147, 373). Die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde künftig unverändert fortbestehen, genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz, wenn keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten (vgl. BVerfG 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02 ua. - Rn. 57, BVerfGE 127, 1).

87

Danach hat die Beklagte kein schutzwürdiges Vertrauen dahin, dass die Wirksamkeit der in VII Ziff. 1 Satz 2 der VO S bestimmten Spätehenklausel nicht an den Bestimmungen des AGG scheitert und der ursprünglich für die Hinterbliebenenversorgung festgelegte Dotierungsrahmen nicht infolgedessen überschritten wird. Der Zweck des AGG, in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG Ungleichbehandlungen zu beseitigen, kann vorliegend nur durch die Unwirksamkeit der Klausel erreicht werden. Zudem hält sich die Änderung der Gesetzeslage im Rahmen dessen, was als mögliche Rechtsentwicklung bereits zuvor angelegt war. Besondere Momente der Schutzwürdigkeit bestehen nicht.

88

5. Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es vorliegend weder der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 iVm. § 11 RsprEinhG noch der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Frage, ob die von der Beklagten zur Rechtfertigung der Spätehenklausel angeführten Ziele legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung sind, musste vom Senat nicht entschieden werden.

89

III. Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Rückstände aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB. Gemäß XVI Ziff. 1 Buchst. a der VO S wird die Firmenrente jeweils am Ende eines Monats fällig.

90

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    H. Trunsch    

        

    Möller    

                 

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 18. März 2008 - 14 Sa 89/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin von der Beklagten(frühere Beklagte zu 2.) eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann.

2

Die Klägerin ist die Witwe des am 23. Februar 1953 geborenen und am 17. Oktober 2006 verstorbenen Norbert S. Die Ehe war am 2. Februar 2000 geschlossen worden.

3

Herr Norbert S war aufgrund Arbeitsvertrages vom 12. Juni 1975 mit dem selben Tage in die Dienste der zum FLÄKT-Konzern gehörenden S GmbH(später: FLÄKT GmbH) getreten.

4

Für die zum FLÄKT-Konzern gehörenden Gesellschaften existierte bzw. existiert eine betriebliche Altersversorgung, welche Regelungen nach näherer Maßgabe der Bestimmungen der FLÄKT-Versorgungsordnung vom 21. Dezember 1977 (im Folgenden: FLÄKT-VO) vorsieht. Die FLÄKT-VO ist in einer Broschüre abgedruckt, die den Mitarbeitern, so auch Herrn S, ausgehändigt wurde. Im „Vorwort“ dieser Broschüre heißt es ua.:

        

„... Diese Broschüre will Sie mit den Leistungen der FLÄKT-Versorgung vertraut machen. Wir empfehlen sie daher Ihrer besonderen Aufmerksamkeit. Im ersten Teil der Broschüre beantworten wir die wichtigsten Fragen über Art und Umfang der Versorgungsleistungen, im zweiten Teil ist der vollständige Wortlaut der Versorgungsordnung abgedruckt. ...“

5

Unter „Grundzüge der FLÄKT-Versorgung“ heißt es in der Broschüre wie folgt:

        

„…   

        

Wer erhält eine Witwenrente und wer eine Waisenrente?

        

Beim Tode eines Betriebsangehörigen oder eines Empfängers einer FLÄKT-Rente erhält aus dem Versorgungswerk seine überlebende Ehefrau eine Witwenrente und seine hinterlassenen Kinder erhalten Waisenrenten.

        

Eine Witwenrente wird jedoch dann nicht gewährt, wenn die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehemannes, nach Eintritt der Invalidität oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde oder wenn die Ehe am letzten 1. Januar vor dem Tode des Betriebsangehörigen noch nicht ein Jahr bestand.

        

...

        

Welche Bestimmungen sind maßgebend?

        

Mit dieser Information wurde eine vereinfachte Darstellung des FLÄKT-Versorgungswerkes gegeben. Verbindlich für die Rechtsbeziehungen zwischen den Betriebsangehörigen und FLÄKT ist allein die Versorgungsordnung, die nachfolgend abgedruckt ist.“

6

Die FLÄKT-VO lautet auszugsweise wie folgt:

        

I. Aufnahme in die Versorgung

        
        

1.   

...

        
        

2.   

Mit der Aufnahme erwirbt der Mitarbeiter eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er wird nachfolgend ‚Anwärter’ genannt.

        
        

...

                 
        

II. Leistungsarten

        

1.   

Die zugesagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (nachfolgend FLÄKT-Renten genannt) umfassen

                 

Ruhegeld als

                          

Altersrente oder

                          

vorzeitige Altersrente oder

                          

Invalidenrente

                          

sowie

                 

Hinterbliebenenrenten als ...

        

IV. Feste Altersgrenze

        

Die feste Altersgrenze ist bei Männern und Frauen mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.

        

V. Anspruchsvoraussetzungen für Ruhegeld

        

1.   

Den Anspruch auf Altersrente erwirbt der Anwärter, dessen Arbeitsverhältnis zu FLÄKT mit oder nach Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet.

        

2.   

Den Anspruch auf vorzeitige Altersrente erwirbt der Anwärter, der vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV) Altersruhegeld oder Knappschaftsruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (...) in Anspruch nimmt.

                 

…       

        

3. (a)

Den Anspruch auf Invalidenrente erwirbt der Anwärter, dessen Arbeitsverhältnis zu FLÄKT vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet und der spätestens ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses Invalide ist. ...

        

VI. Anspruchsvoraussetzungen für Hinterbliebenenrenten

        
        

1.   

(a)

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Anwärters mit dessen Tode. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und daß bereits am letzten 1. Januar vor seinem Tode

        
                 

-       

die Wartezeit (III) und

                          
                 

-       

seit mindestens einem Jahr die Aufnahmevoraussetzungen (I 1) erfüllt waren und

                          
                 

-       

die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.

                          
                 

(b)

...

                 
        

2.   

(a)

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt auch die hinterlassene Ehefrau eines früheren Mitarbeiters, der bis zu seinem Tode selbst Anspruch auf Ruhegeld hatte (nachfolgend ‚Ruhegeldempfänger’ genannt). Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, daß der Ruhegeldempfänger die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres und vor dem Erwerb des Anspruchs auf Ruhegeld (V) geschlossen hatte und daß bereits am letzten 1. Januar vor seinem Tode die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.

                 
                 

...

                          
        

VIII. Höhe der Hinterbliebenenrenten

        
        

1.   

Bemessungsgrundlage für die Hinterbliebenenrente ist

        
                 

-       

nach dem Tode des Anwärters die erreichbare Altersrente (VII 2 a) und

                          
                 

-       

nach dem Tode eines Ruhegeldempfängers das Ruhegeld, auf das er bei seinem Tode Anspruch hatte, jedoch ohne eine Anrechnung von Einkünften nach Abschnitt VII Ziffer 2 Absatz d.

                          
        

...

        
        

XIV. Unverfallbarkeit

        

1.   

...

        

2.   

(a)

Hat das Arbeitsverhältnis zu FLÄKT geendet, ohne daß ein Anspruch nach dieser Versorgungsordnung erworben wurde, bleibt eine Anwartschaft auf FLÄKT-Renten in dem im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorgeschriebenen Umfang aufrechterhalten. Sind dagegen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu FLÄKT die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anwartschaft nicht erfüllt, so erlischt die Anwartschaft. Ein Anspruch auf FLÄKT-Rente kann nicht mehr entstehen.

                 

(b)

Bei der Prüfung, ob eine Anwartschaft aufrechtzuerhalten ist, und bei der Berechnung des Verhältnisses, in dem sie aufrechtzuerhalten ist, wird auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung abgestellt, auch wenn diese von der anrechenbaren Dienstzeit (IX 1) abweicht.“

7

Mit Wirkung vom 22. Oktober 1982 traten die FLÄKT Industrieanlagen GmbH und mit Wirkung vom 1. Juni 1990 die FLÄKT-Umwelttechnik GmbH mit allen Rechten und Pflichten in das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und die diesem nach Maßgabe der FLÄKT-Versorgungsordnung vom 21. Dezember 1977 erteilte Versorgungszusage ein. Die FLÄKT-Umwelttechnik GmbH wurde am 8. April 1991 in ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH umbenannt.

8

Zum 1. April 1992 wurde dem verstorbenen Ehemann der Klägerin die Position des Abteilungsleiters „Verkauf - Produktleitung -“ im Sinne eines Vertriebsmanagers im Betrieb der Hauptabteilung Verkauf von der ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH übertragen. Nachdem die ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH das mit Herrn S bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 ordentlich zum 30. Juni 1999 gekündigt hatte, einigten sich die Vertragsparteien in einem Aufhebungsvertrag vom 17. Dezember 1998 sodann auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 1998 gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 190.000,00 DM.

9

Nach dem 10. Februar 1999 erhielt der verstorbene Ehemann der Klägerin von der D GmbH eine Mitteilung über die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG, basierend auf einer Berechnung der D GmbH vom 10. Februar 1999.

10

Die ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH wurde am 21. Oktober 1999 auf die ABB FLÄKT GmbH verschmolzen; Rechtsnachfolgerin wurde die ABB Reaktor GmbH durch Verschmelzung vom 19. November 2004. Diese wiederum wurde in die ABB Beteiligungsmanagement GmbH, die Beklagte, überführt.

11

Die Klägerin machte nach dem Tode ihres Ehemannes Ansprüche auf Hinterbliebenenrente geltend. Mit Schreiben vom 16. November 2006 lehnte die ABB AG, Mannheim, die erstinstanzliche Beklagte zu 1. den Anspruch der Klägerin unter Hinweis darauf ab, nach ihrer Versorgungsordnung sei Voraussetzung für die Zahlung einer Hinterbliebenenrente, dass die Ehe bereits vor Austritt aus dem Unternehmen geschlossen wurde. Dies sei nicht der Fall. Bei der ABB AG, Mannheim, handelt es sich um die Konzernobergesellschaft des deutschen Teils des ABB-Konzerns. Diese war Gesellschafterin der ABB FLÄKT-Umwelttechnik GmbH und ist Gesellschafterin der Beklagten.

12

Bei der ABB AG besteht eine Versorgungsregelung, die in zwei Konzernbetriebsvereinbarungen geregelt ist, nämlich:

        

1.   

Die Versorgungsordnung für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer der ABB AG, Mannheim und Beteiligungsgesellschaften vom 15. Mai 1991 (im Folgenden: ABB-VO) und

        

2.   

die Zusatzversorgungsregelung für Mitarbeiter mit festgesetzten Bezügen über der Beitragsbemessungsgrenze/Rentenversicherung vom 18. Dezember 1992.

13

Dabei wird die Grundversorgung für alle Arbeitnehmer(mit Ausnahme der leitenden Angestellten) in der ABB-VO vom 15. Mai 1991 geregelt. Diese wird für Mitarbeiter mit festgesetztem Entgelt über der Beitragsbemessungsgrenze durch die Zusatzversorgung aufgestockt.

14

In der ABB-VO heißt es ua.:

        

§ 7 Hinterbliebenenrente

        

1.   

Beim Tode eines Mitarbeiters oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsrente erhält der überlebende Ehegatte eine Witwen-/Witwerrente, unterhaltsberechtigte Kinder erhalten eine Waisenrente.

        

2.   

Die Zahlung von Witwen- oder Witwerrenten setzt voraus, daß die Ehe vor der Versetzung in den Ruhestand bzw. vor dem vorzeitigen Ausscheiden (§ 8) geschlossen wurde und bis zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten bestanden hat.

        

...

        
        

§ 8 Ausscheiden vor Eintritt des Versorgungsfalles

        

1.   

Auch vor Eintritt des Versorgungsfalles ausgeschiedene Mitarbeiter behalten ihre Anwartschaften auf Versorgungsleistungen, sofern sie ... .

                          
        

2.   

Die Höhe der Versorgungsleistungen wird nach § 2 des Betriebsrentengesetzes...“

15

Am 15. Dezember 1993 hatte die Geschäftsleitung der ABB FLÄKT GmbH für diese sowie die ABB FLÄKT Lufttechnik GmbH, die ABB FLÄKT Management Services GmbH, die ABB FLÄKT Produkte GmbH, die ABB FLÄKT Service GmbH, die ABB Oberflächenanlagen GmbH sowie die ABB Umwelttechnik GmbH mit den Betriebsräten dieser Gesellschaften (die Gesamtbetriebsräte in Vollmacht für die Betriebsräte) eine Betriebsvereinbarung zur Harmonisierung der Arbeitsbedingungen (im Folgenden: BV ABB 1993) abgeschlossen. Ausgenommen sein sollten die Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen nachstehend aufgeführter organisatorischer Einheiten:

        

„ABB FLÄKT Lufttechnik GmbH in München (Ehemals Firma H)

        

...“

16

In der BV ABB 1993 heißt es weiter ua. wie folgt:

        

„2.

Die allgemeinen ABB Altersversorgungsregelungen werden auch in den o.a. ABB Gesellschaften eingeführt . …

                 

Die ABB Konzernbetriebsvereinbarungen über die Unterstützungs/Versorgungsleistungen für Mitarbeiter im Lohnverhältnis und Angestellte - mit Ausnahme der leitenden Angestellten - vom 15.05.1991 (Anlage 1) und die vom 18.12.1992 für Mitarbeiter mit festgesetzten Bezügen über der Beitragsbemessungsgrenze/Rentenversicherung (Zusatzversorgung) gelten ab 01.01.1994 auch in den Betrieben der o.a. ABB-Gesellschaften - nach näherer Maßgabe nachstehender Festlegungen:

                 

...

        
                 

2.3

Bei Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, die am 31.12.1993 fünf oder mehr Dienstjahre ununterbrochen bei einer der o.a. ABB-Gesellschaft zurückgelegt haben und zu diesem Zeitpunkt das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird für die Altersversorgung ein Sockelbetrag, der sich aus der bisherigen Altersversorgungsregelung bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ergeben hätte, ermittelt.

                          

Für die Zeit ab 01.01.1994 gelten im übrigen die allgemeinen ABB Altersversorgungsregelungen. ...

                 

2.4

Für Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen von o.a. ABB-Gesellschaften, die am 31.12.1993 das 51. Lebensjahr vollendet haben, bemessen sich die Versorgungsleistungen ausschließlich nach der vor Abschluss dieser Betriebsvereinbarung maßgebenden Altersversorgungsregelung.

        

...“

                 
17

Mit ihrer am 19. Februar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten für die Zeit ab November 2006 die Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente iHv. 224,71 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch folge aus der FLÄKT-VO. Diese VO enthalte keinen Ausschluss für den Fall der Spätverheiratung nach dem Ausscheiden. Auf das Vorwort der Broschüre könne die Beklagte sich nicht berufen, da dieses nicht zur Versorgungsordnung gehöre. § 7 ABB-VO schließe den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht aus. Die FLÄKT-VO sei durch die ABB-VO nicht abgelöst worden. Unabhängig davon, welche Versorgungsordnung zur Anwendung komme, sei die Voraussetzung, dass die Ehe bereits während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sein muss, mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters bzw. des Geschlechts nach Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, dem AGG und der RL 2000/78/EG nicht vereinbar. Ein solcher Ausschlusstatbestand sei auch wegen Verstoßes gegen Art. 6 GG nichtig.

18

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie

        

1.   

für die Monate November und Dezember 2006 sowie Januar bis Dezember 2007 rückständige Hinterbliebenenrente iHv. monatlich 224,71 Euro, dh. insgesamt iHv. 3.145,94 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 224,71 Euro seit dem jeweiligen Ersten des Folgemonats zu zahlen,

        

2.   

ab dem 1. Januar 2008 bis zu einer eventuellen Wiederverheiratung lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Hinterbliebenenrente iHv. 224,71 Euro zu zahlen,

        

3.   

einen weiteren Anpassungsbetrag nach billigem Ermessen, unter Berücksichtigung der Vertragsbeendigung des ehemaligen Mitarbeiters Norbert S bei der ABB Umwelttechnik GmbH zum 31. Dezember 1998 zu zahlen.

19

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie steht auf dem Standpunkt, ein Anspruch der Klägerin könne sich allenfalls aus der ABB-VO ergeben. Diese habe aufgrund Nr. 2.3 der BV ABB 1993 die FLÄKT-VO abgelöst. Nach § 7 der ABB-VO habe die Klägerin keinen Anspruch, da die Ehe erst nach dem Ausscheiden ihres verstorbenen Ehemannes geschlossen worden sei. Aber auch dann, wenn die FLÄKT-VO zur Anwendung komme, ergebe sich nichts anderes. Zum einen sei bereits in der Broschüre auf den entsprechenden Ausschlusstatbestand hingewiesen worden; zum anderen regele die Versorgungsordnung selbst nur Witwenrentenansprüche bei den im aktiven Arbeitsverhältnis versterbenden Mitarbeitern und bei Rentenbeziehern. Der Ausschlusstatbestand der Eheschließung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei rechtlich nicht zu beanstanden. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Witwenrente habe, stehe ihr auch kein Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG zu. Im Übrigen sei die Dreijahresfrist des § 16 BetrAVG noch nicht abgelaufen.

20

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte zu 1. sei nicht passiv legitimiert; ebenso sei die Klage gegenüber der seinerzeitigen Beklagten zu 2. unbegründet. Die Klägerin hat hiergegen insoweit Berufung eingelegt, als die Klage gegen die seinerzeitige Beklagte zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente sowie entsprechende Anpassung nach § 16 BetrAVG weiter.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die zulässige Klage mit den Anträgen zu 1. und 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Die Klage mit dem Antrag zu 3. ist unzulässig.

22

A. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

23

Sie ist aufgrund der Zulassung im Urteil des Landesarbeitsgerichts statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG sowie fristgerecht begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO.

24

Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit ihren im Schriftsatz vom 25. März 2010 gestellten Anträgen von den Anträgen aus der Vorinstanz abweicht.

25

I. Die Klägerin hatte zuletzt(beim Landesarbeitsgericht) die Zahlung rückständiger Hinterbliebenenrente iHv. monatlich 224,71 Euro (= insgesamt 3.145,94 Euro) für die Zeit von November 2006 bis Dezember 2007 sowie für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 bis zu einer eventuellen Wiederverheiratung lebenslang bis zum Ende eines jeden Monats eine monatliche Hinterbliebenenrente iHv. 224,71 Euro eingeklagt (Anträge zu 1. und 2.), und mit ihrem Antrag zu 3. die Anpassung der monatlichen Hinterbliebenenrente nach § 16 BetrAVG verlangt.

26

II. In der Revisionsbegründungsschrift vom 25. September 2008 hatte sie ihre Klage auf Zahlung rückständiger Hinterbliebenenrente um die Zeit von Januar bis September 2008 „erweitert“, dh. insgesamt 5.168,33 Euro gefordert und mit ihrem Antrag zu 2. die „lebenslange Witwenrente“ erstmalig seit Oktober 2008 geltend gemacht. Ihren Antrag zu 3. hatte sie dahin konkretisiert, dass sie die Anpassung nach § 16 BetrAVG für die Zeit ab November 2006 verlangt hat, hilfsweise hatte sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Anpassung der Hinterbliebenenrente nach § 16 BetrAVG dem Grunde nach verpflichtet ist.

27

III. Mit Schriftsatz vom 25. März 2010 hat sie nunmehr ihre Klage auf Zahlung rückständiger Hinterbliebenenrente um die Zeit von Oktober 2008 bis März 2010 „erweitert“, dh. insgesamt 9.213,11 Euro gefordert und mit ihrem Antrag zu 2. die „lebenslange Witwenrente“ erst für die Zeit ab April 2010 geltend gemacht. Den Antrag zu 3. aus der Revisionsbegründungsschrift hat sie unverändert beibehalten.

28

IV. Zwar ist anerkannt, dass Änderungen und Erweiterungen des Sachantrags in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig sind; dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Veränderung des Klageantrags unter § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO fällt und auch der neue Antrag auf unstreitiges oder tatsächlich festgestelltes Vorbringen gestützt werden kann(vgl. BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 589/99 - zu II der Gründe mwN). So liegt der Fall hier.

29

Bei den veränderten Klageanträgen zu 1. und 2. handelt es sich - wenn überhaupt - lediglich um Erweiterungen bzw. Beschränkungen der Klageanträge in der Hauptsache iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Es bestehen keine prozessualen Bedenken dagegen, dass die Klägerin ihren Antrag zu 2. auf wiederkehrende Leistungen zum Teil in einen Antrag auf Zahlung rückständiger Leistungen geändert hat. Soweit sie mit dem Antrag zu 2. nunmehr wiederkehrende Leistungen erst für die Zeit ab April 2010 verlangt, liegt lediglich eine Änderung im Hinblick auf den Beginn des Bezugszeitraums vor, die in dem ursprünglich gestellten Antrag zu 2. bereits enthalten war.

30

Der Hauptantrag zu 3. stellt sich als Konkretisierung des ursprünglichen Antrags zu 3. dar. Der Hilfsantrag zu 3. erweist sich als Minus gegenüber dem Hauptantrag zu 3.; vor diesem Hintergrund handelt es sich um eine Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache nach § 264 Nr. 2 ZPO.

31

Dass die letzte Änderung der Klageanträge mit Schriftsatz vom 25. März 2010 und damit außerhalb der Revisionsbegründungsfrist erfolgte, steht der Zulässigkeit der Revision nicht entgegen. Die neuen Anträge werden von der fristgerechten Revisionsbegründung bereits erfasst(vgl. Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 551 Rn. 7).

32

B. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. Die zulässige Klage mit den Anträgen zu 1. und 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Die Klage mit den Anträgen zu 3. ist unzulässig.

33

I. Die Klage ist mit den Anträgen zu 1. und 2. zulässig, mit den Anträgen zu 3. jedoch unzulässig.

34

1. Auch der auf künftige Ruhegeldzahlungen gerichtete Klageantrag zu 2. ist nach § 258 ZPO zulässig. Bei wiederkehrenden Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde(vgl. BAG 9. November 1999 - 3 AZR 361/98 - zu A 2 der Gründe, AP BetrAVG § 7 Nr. 96 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 62).

35

2. Die Klageanträge zu 3. sind unzulässig.

36

a) Der Zahlungsantrag ist bereits nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und deshalb unzulässig. Zwar ist ein bezifferter Leistungsantrag nicht nötig, weil das Gericht den zu zahlenden Betrag nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB rechtsgestaltend bestimmt. Allerdings ist die Angabe eines Mindestbetrages erforderlich, woran es vorliegend fehlt(vgl. hierzu BAG 17. Oktober 1995 - 3 AZR 881/94 - zu I 2 der Gründe, BAGE 81, 167).

37

b)Der Hilfsantrag ist mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig. Dass der Versorgungsschuldner zur Prüfung und Entscheidung über eine Anpassung laufender Betriebsrenten verpflichtet ist, ergibt sich aus § 16 BetrAVG, also aus dem Gesetz. Die Vorfrage, ob überhaupt eine Verpflichtung zur Zahlung der begehrten Hinterbliebenenversorgung besteht, wird bereits durch die Entscheidung über die Klageanträge zu 1. und 2. geklärt.

38

II. Soweit zulässig, ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente für die Zeit ab November 2006. Ihr verstorbener Ehemann war zwar mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 1. Alt. BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeschieden; diese unverfallbare Versorgungsanwartschaft erfasste allerdings keine Hinterbliebenenversorgung für einen Ehegatten. Es kann offenbleiben, ob Herr S die Versorgungsanwartschaft auf der Grundlage der FLÄKT-VO oder auf der Grundlage der ABB-VO erworben hatte, dh. ob die FLÄKT-VO aufgrund der BV ABB 1993 durch die ABB-VO wirksam abgelöst wurde. Deshalb kann ebenso dahinstehen, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin leitender Angestellter war, ob die BV ABB 1993 wirksam ist und ob die ABB-VO bei kollektiver Betrachtung tatsächlich günstiger war. Sowohl nach VI. FLÄKT-VO als nach § 7 ABB-VO ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn - wie hier - die Ehe erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sind die in VI. FLÄKT-VO und § 7 ABB-VO enthaltenen einschränkenden Voraussetzungen für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wirksam.

39

1. Die Versorgungsregelungen geben einen Anspruch der Klägerin nicht her.

40

Die Zahlung von Hinterbliebenenrente in Form der Witwenrente setzt sowohl nach VI. FLÄKT-VO als auch nach § 7 Abs. 2 ABB-VO voraus, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. In § 7 ABB-VO ist diese einschränkende Voraussetzung ausdrücklich geregelt. Aber auch VI. 1. (a) FLÄKT-VO enthält diese Anforderung. Hier ist diese Voraussetzung zwar nicht ausdrücklich aufgeführt; das Erfordernis, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein musste, folgt jedoch aus einer Auslegung der als Gesamtaussage zu qualifizierenden FLÄKT-VO nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien.

41

a) Bei der FLÄKT-VO handelt es sich um eine Gesamtzusage, die nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers auszulegen ist.

42

aa) Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer besonderen Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf(vgl. BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 421/07 - Rn. 24, AP BGB § 151 Nr. 4). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG 11. Dezember 2007 - 1 AZR 953/06 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 22).

43

Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich gem. §§ 133, 157 BGB nach den für Willenserklärungen geltenden Regeln. Gesamtzusagen sind als „typisierte Willenserklärungen“ nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Maßgeblich ist der objektive Erklärungssinn aus der Sicht des Empfängers(BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR 170/07 - Rn. 15, BAGE 124, 210). Die Auslegung der Gesamtzusage durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. BAG 28. Juli 2005 - 3 AZR 463/04 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 59 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 46).

44

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist die FLÄKT-VO als Gesamtzusage zu qualifizieren. Mit der Aushändigung der Broschüre „FLÄKT-Versorgung“ an alle Mitarbeiter durch die S GmbH hatte diese kundgetan, jedem Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen der FLÄKT-VO erfüllte, die dort vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Durch die Überreichung der Broschüre wurden die einzelnen Arbeitnehmer auch typischerweise in die Lage versetzt, von dieser Erklärung Kenntnis zu nehmen.

45

cc) Die dem verstorbenen Ehemann der Klägerin durch die S GmbH erteilte Versorgungszusage hat ihren Charakter als Gesamtzusage nicht dadurch verloren, dass am 22. Oktober 1982 die FLÄKT Industrieanlagen GmbH und mit Wirkung zum 1. Juni 1990 die FLÄKT Umwelttechnik GmbH mit allen Rechten und Pflichten in das Arbeitsverhältnis zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und dem jeweils früheren Arbeitgeber und insbesondere im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in die nach Maßgabe der FLÄKT-VO erteilte Versorgungszusage eingetreten sind. Mit diesem „Eintritt“ in die nach Maßgabe der FLÄKT-VO erteilte Versorgungszusage wurde gerade keine neue inhaltsgleiche Versorgungszusage erteilt; es wurde vielmehr ausdrücklich Bezug genommen auf das aus der FLÄKT-VO resultierende Versorgungsversprechen, dieses sollte so, wie es erteilt war, zwischen dem „neuen“ Arbeitgeber und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin fortbestehen, sein Rechtscharakter sollte mithin nicht geändert werden.

46

b) Die Auslegung von VI. 1. (a) FLÄKT-VO ergibt, dass ein Anspruch auf Witwenrente nur entstehen sollte, wenn die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen worden war.

47

aa) Da der vorzeitig ausgeschiedene Ehemann der Klägerin zu einem Zeitpunkt verstorben ist, zu dem er noch kein Ruhegeldempfänger war - er bezog weder Altersrente, noch vorgezogene Altersrente, noch Invalidenrente iSv. II. 1. FLÄKT-VO -, findet VI. 2. (a) FLÄKT-VO von vornherein keine Anwendung. Eine unverfallbare Anwartschaft auch auf Hinterbliebenenrente könnte demnach allenfalls nach Maßgabe von VI. 1. (a) FLÄKT-VO entstanden sein. Danach erwirbt einen Anspruch auf Witwenrente die hinterlassene Ehefrau eines Anwärters mit dessen Tode. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Anwärter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und dass bereits ab 1. Januar vor seinem Tod die Wartezeit(III) und seit mindestens einem Jahr die Aufnahmevoraussetzungen (I 1) erfüllt waren und die Ehe nachweislich mindestens ein Jahr bestand.

48

bb) Eine Auslegung dieser Regelung nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers ergibt, dass die Ehe vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des ruhegeldberechtigten Mitarbeiters geschlossen sein musste. Unter dem „Anwärter“ iSv. VI. 1. (a) FLÄKT-VO ist der aktive Mitarbeiter mit Anwartschaft zu verstehen. Wenn mit dessen Tod die Ehefrau einen Anspruch auf Witwenrente erwerben soll, dann muss die Ehe zwangsläufig vor Eintritt des Versorgungsfalles „Tod“ geschlossen worden sein.

49

(1) Zwar kann sich die Klägerin für ihr Verständnis des Begriffs „Anwartschaft“ sowohl auf den allgemeinen, als auch auf den juristischen Sprachgebrauch berufen, wonach unter „Anwärter“ derjenige zu verstehen ist, der eine Anwartschaft erworben hatte, mithin auch der mit unverfallbarer Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer. Allerdings haben das allgemeine Sprachverständnis und auch der juristische Sprachgebrauch nur dann Auswirkungen für die Auslegung des Begriffs „Anwärter“, wenn dieser Begriff in VI. 1. (a) FLÄKT-VO in einem solche Sinne und nicht im Sinne eines spezifischen Sprachgebrauchs der FLÄKT-VO verwendet wurde. Letzteres ist jedoch der Fall:

50

(2) Die FLÄKT-VO enthält unter II. 1. eine eigenständige Definition des Begriffs „Anwärter“. Hier heißt es:

        

„Mit der Aufnahme erwirbt der Mitarbeiter eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er wird nachfolgend ‚Anwärter’ genannt.“

51

In dieser Regelung ist gerade nicht von dem ehemaligen oder früheren Mitarbeiter die Rede, sondern von dem Mitarbeiter, also von demjenigen, der in einem aktiven Arbeitsverhältnis steht.

52

(3) Dieses Verständnis des Begriffs des „Anwärters“ wird bestätigt durch systematische Erwägungen.

53

Die FLÄKT-VO geht in ihren unter II., IV. und V. getroffenen allgemeinen Regeln davon aus, dass der Mitarbeiter bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Betrieb verblieben ist und mit seinem Ausscheiden die gesetzliche und betriebliche Rente in Anspruch nimmt. So setzt der Anspruch auf die unter II. 1. FLÄKT-VO aufgeführte „Altersrente“ nach V. 1. FLÄKT-VO voraus, dass das Arbeitsverhältnis mit oder nach Erreichen der festen Altersgrenze(Vollendung des 65. Lebensjahres - IV. FLÄKT-VO) geendet hat. Den Anspruch auf die unter II. 1. FLÄKT-VO angeführte „vorzeitige Altersrente“ erwirbt der Mitarbeiter nach V. 2. FLÄKT-VO, wenn er vor Erreichen der festen Altersgrenze Altersruhegeld oder Knappschaftsruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (...) in Anspruch nimmt. Anspruch auf die unter II. 1. FLÄKT-VO ebenfalls vorgesehene Invalidenrente hat der Anwärter nach V. 3. (a) FLÄKT-VO, dessen Arbeitsverhältnis zur FLÄKT vor Erreichen der festen Altersgrenze endet und der spätestens ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses Invalide ist.

54

Demgegenüber sind unter XIV. FLÄKT-VO die Ansprüche all derjenigen Mitarbeiter geregelt, deren Arbeitsverhältnis geendet hat, bevor ein Anspruch nach der Versorgungsordnung erworben wurde, dh. die vor Eintritt der Versorgungsfälle „Alter“, „vorgezogene Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ sowie „Invalidität“, mithin vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zu FLÄKT ausgeschieden sind. In dem Fall bleibt eine Anwartschaft auf FLÄKT-Renten in dem im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorgeschriebenen Umfang aufrechterhalten. Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anwartschaft erfüllt sind. Damit enthält die FLÄKT-VO unter XIV. „Unverfallbarkeit“ eine Bestimmung über die Ansprüche der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter allein durch konkretisierenden Verweis auf das Betriebsrentengesetz.

55

Dass mit dem „Anwärter“ iSv. VI. 1. (a) FLÄKT-VO nur der aktive Mitarbeiter, also nur derjenige gemeint ist, der noch in einem Arbeitsverhältnis zum Versorgungsschuldner steht, folgt auch aus der unter VIII. 1. FLÄKT-VO getroffenen Regelung zur Höhe der Hinterbliebenenrente. Nach dieser Bestimmung ist Bemessungsgrundlage für die Hinterbliebenenrente nach dem Tode des Anwärters die erreichbare Altersrente(VI. 2. (a)). Diese errechnet sich aus der Anzahl der erreichbaren Dienstjahre (IX. 3.) an Stelle der rentenfähigen Dienstjahre und dem rentenfähigen Arbeitsverdienst (also gerade nicht nach der pro-rata-temporis-Methode des § 2 BetrAVG). Auch hier wird also vorausgesetzt, dass der Mitarbeiter bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Betrieb verblieben ist, die Ehe also bereits vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens geschlossen wurde.

56

(4) Für eine weite Auslegung des Begriffs „Anwärter“ in VI. 1. (a) FLÄKT-VO unter Einbeziehung der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter spricht auch nicht der Regelungszusammenhang mit VI. 2. (a) FLÄKT-VO, wonach Anspruch auf Witwenrente die hinterlassene Ehefrau eines „früheren“ Mitarbeiters erwirbt, der bis zu seinem Tode selbst Anspruch auf Ruhegeld hatte. Bei dem „früheren“ Mitarbeiter iSv. VI. 2. (a) FLÄKT-VO muss es sich um einen Mitarbeiter handeln, dessen Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalls fortbestanden hat. Auch hier wirkt sich aus, dass die FLÄKT-VO in ihren allgemeinen Regeln davon ausgeht, dass der Mitarbeiter bis zum Eintritt eines Versorgungsfalls iSv. II. 1. FLÄKT-VO im Betrieb verblieben ist und danach gesetzliche und betriebliche Rente in Anspruch nimmt, und dass die Ansprüche der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter unter XIV. einer eigenständigen Formulierung zugeführt wurden.

57

cc) Da bereits die Auslegung der FLÄKT-VO zu dem Ergebnis führt, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach VI. 1. (a) nur dann gegeben ist, wenn die Ehe vor dem(vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit FLÄKT geschlossen wurde, kommt es auf die Frage, ob die Beklagte sich für das Verständnis des Begriffs „Anwärter“ auf die in der Broschüre „FLÄKT-VERSORGUNG“ enthaltenen Grundsätze der FLÄKT-Versorgung berufen kann, nicht an.

58

2. Die Beschränkung des Kreises derer, die einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung erwerben können, steht nicht im Widerspruch zu der gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmung des § 1b Abs. 1 BetrAVG. Diese Bestimmung legt nur unabdingbar fest, dass ein von vornherein eingeräumter Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht dahin eingeschränkt werden kann, dass er nur entstehen soll, wenn der Arbeitnehmer über den Ablauf der Unverfallbarkeitsfrist hinaus bis zum Versorgungsfall im Arbeitsverhältnis bleibt. Eine solche gesetzeswidrige Bleibebedingung zum Nachteil des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und seiner Familie enthält weder die FLÄKT-VO noch die ABB-VO. Diese Bestimmungen schränken vielmehr den Kreis der möglichen Versorgungsberechtigten von vornherein in einer für den Mitarbeiter erkennbare Weise auf Hinterbliebene ein, die bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses in familiärer Beziehung zum Mitarbeiter standen(BAG 19. Dezember 2000 - 3 AZR 186/00 - zu B II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 9).

59

3. Der in VI. FLÄKT-VO und § 7 ABB-VO vorgesehene Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung für den Fall, dass die Ehe erst nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

60

a) Die einschränkende Voraussetzung hält einer Überprüfung anhand des AGG stand. Die Regelung ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Danach sind Bestimmungen in Vereinbarungen - und hierzu gehören sowohl Gesamtzusagen als auch Betriebsvereinbarungen -, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam. Nach § 7 Abs. 1 1. Halbs. AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe - hierzu gehören auch das Alter und das Geschlecht - benachteiligt werden.

61

aa) Das AGG ist anwendbar.

62

(1) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22, BAGE 125, 133). Letzteres ist nicht der Fall.

63

(2) Es ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist zwar auf den Beschäftigten(§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG), und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen. Allerdings ist nicht erforderlich, dass zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zum maßgeblichen Zeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Betriebsrentner ist und das damit begründete Rechtsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand (offen gelassen noch bei BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 59, AP GG Art. 3 Nr. 315 = EzA AGG § 2 Nr. 3). Das Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft und ein Anspruch auf Betriebsrente begründen ein versorgungsrechtliches Dauerschuldverhältnis zwischen dem ausgeschiedenen Arbeitgeber und dem ehemaligen Arbeitnehmer. Durch die Anwartschaft hat der Arbeitgeber die Verpflichtung, nach den Regeln der Versorgungsordnung das Versorgungsrisiko abzudecken. Dieses aktualisiert sich mit Eintritt des Versorgungs- oder Nachversorgungsfalls. Nach § 6 Abs. 1 AGG gilt das Gesetz zudem nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für andere Beschäftigte, sondern auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist(vgl. BAG 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 28 u. 37, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). Da der vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedene Ehemann der Klägerin am 17. Oktober 2006, also erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europ. RLn zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) verstorben ist, hätte sich eine etwaige Versorgungsverpflichtung aus der unverfallbaren Anwartschaft unter dem zeitlichen Geltungsbereich des AGG aktualisiert.

64

bb) Die in VI. FLÄKT-VO und § 7 ABB-VO vorgesehene einschränkende Voraussetzung für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, dass die Ehe nicht erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, stellt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar.

65

(1) Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem(vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein musste, führt nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die in Rede stehenden Versorgungsregelungen knüpfen insoweit - anders als die „zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen“ nach VI. FLÄKT-VO - nicht an das Lebensalter an; sie beruhen auch nicht unmittelbar auf diesem Merkmal.

66

(2) Aber auch eine mittelbare Benachteiligung liegt nicht vor.

67

(a) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich.

68

Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 2 AGG ist kein statistischer Nachweis erforderlich, dass eine bestimmte Altersgruppe durch die in Frage stehenden Kriterien tatsächlich wegen ihres Alters benachteiligt wird. Es ist ausreichend, wenn das Kriterium hierfür typischerweise geeignet ist. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut und entspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot des effet-utile, wonach die Regelungen einer Richtlinie innerhalb ihres Geltungsbereichs tatsächliche Wirksamkeit entfalten sollen(vgl. BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, DB 2010, 284).

69

Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales kann aber durch ein rechtmäßiges Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden(§ 3 Abs. 2 2. Halbs. AGG). Dabei muss das rechtmäßige Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, nicht ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung verfolgen, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte der Beteiligten darstellen. In einem solchen Fall fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung (BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 30, 31, DB 2010, 284).

70

Dieses Normverständnis des § 3 Abs. 2 AGG entspricht der gemeinschaftsrechtlichen Regelungssystematik. Art. 2 Abs. 2 RL 2000/78/EG unterscheidet zwischen Diskriminierungen, die unmittelbar auf den in Art. 1 RL 2000/78/EG angeführten Merkmalen beruhen(Art. 2 Abs. 2a), und den mittelbaren Diskriminierungen (Art. 2 Abs. 2b). Während eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung nur nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt werden kann(eine Besonderheit gilt für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG), können diejenigen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen bewirken können, nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG schon der Qualifikation als Diskriminierung entgehen, sofern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [ Age Concern England] Rn. 59, EzA EG-Vertrag 1999 RL 2000/78 Nr. 9). Die weitere Einschränkung, dass unter dem legitimen Ziel insbesondere Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, ist in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG nicht enthalten. Bewirken die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren wegen des Vorliegens eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie deshalb keine mittelbare Diskriminierung, bedarf es keines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG(EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 66, aaO; BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 31, DB 2010, 284).

71

(b) In Anwendung dieser Grundsätze bewirkt die als neutrales Kriterium formulierte einschränkende Voraussetzung der Eheschließung vor dem Ausscheiden keine mittelbare Benachteiligung der Versorgungsgläubiger wegen des Alters.

72

(aa) Das Erfordernis der Eheschließung vor dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

73

VI. 1. (a) FLÄKT-VO und § 7 Abs. 2 ABB-VO wollen mit der einschränkenden Voraussetzung erkennbar erreichen, dass die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken begrenzt werden, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren.

74

Dieses Ziel ist rechtmäßig iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus dem Grunde ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Gruppen von Arbeitnehmern, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen(BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 99/01 - zu II 2 c der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 10; 19. Dezember 2000 - 3 AZR 186/00 - zu B II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 9; 11. August 1987 - 3 AZR 6/86 - zu III 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 4 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 2; 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 115, 317).

75

Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung(BAG 19. Februar 2002 - 3 AZR 99/01 - zu II 2 c aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 10; 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 115, 317). Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um sie besser kalkulierbar zu halten (BAG 28. Juli 2005 - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO; 19. Februar 2002 - 3 AZR 99/01 - zu II 2 c aa der Gründe, aaO; 27. Juni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - Rn. 15, BAGE 118, 340).

76

(bb) Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden geschlossen sein muss, ist zur Erreichung des Ziels auch angemessen und erforderlich.

77

Die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage soll der Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage seiner Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an(BAG 18. November 2008 - 3 AZR 277/07 - Rn. 34, DB 2009, 294; 15. September 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 25, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5). Auch vor diesem Hintergrund kann es dem Versorgungsschuldner - unabhängig von den versicherungsmathematischen Erwägungen, die für den Umfang der zu bildenden Rückstellungen bedeutsam sein können - nicht untersagt werden, die von ihm freiwillig eingeführte Hinterbliebenenversorgung auf einen Personenkreis zu beschränken, hinsichtlich dessen der Versorgungsbedarf bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses angelegt war. Insoweit ist das Ende des Arbeitsverhältnisses für den Versorgungsschuldner eine wesentliche Zäsur und damit ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für Regelungen der Hinterbliebenenversorgung. Die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auf dem die Versorgungszusage beruht, kann der Arbeitgeber bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt lassen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil bei der Hinterbliebenenversorgung - anders als bei der Alters- und Invaliditätsversorgung, bei der der Anspruchsberechtigte von vornherein feststeht - der Kreis der Begünstigten in der Versorgungszusage ausdrücklich festgelegt werden muss. Ist allerdings das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beendet und war der Versorgungsbedarf durch Eheschließung bereits angelegt, so geht es nicht mehr um Risikoübernahme, sondern darum, dafür einzustehen, wenn sich ein übernommenes Risiko verwirklicht.

78

cc) Die den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung einschränkende Voraussetzung, dass die Ehe vor dem(vorzeitigen) Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein musste, führt auch nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung wegen des Geschlechts.

79

Da dieses Erfordernis auch im Hinblick auf das Merkmal „Geschlecht“ als neutrales Kriterium formuliert ist, kommt nur eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG in Betracht. Dafür, dass die Voraussetzungen einer stärkeren Betroffenheit eines Geschlechts vorliegen, gibt es indes keine Anhaltspunkte. Im Übrigen scheidet eine mittelbare Benachteiligung aus den unter B II 3 a bb dargelegten Gründen tatbestandlich aus.

80

b) Europarechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis.

81

aa) Art. 2 RL 2000/78/EG ist nicht verletzt. Zwar können die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 2000/78/EG ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie „vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie jedoch eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten „ungeachtet des Art. 2 Abs. 2... vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen oder Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierungen wegen des Alters darstellen, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“. Das bedeutet: Die Mitgliedstaaten sind, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG einzuhalten. Da Art. 6 RL 2000/78/EG die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters betrifft und die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung nicht weiter reichen als die an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung(vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31),ist die Festsetzung von Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ohne weiteres europarechtlich in der Regel zulässig. Hierdurch werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt (vgl. BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 39, 40, DB 2010, 341).

82

bb) Art. 2 RL 2006/54/EG und Art. 141 EG(nunmehr: Art. 157 AEUV) sind durch § 3 AGG umgesetzt worden. Auch danach liegt keine unerlaubte Benachteiligung wegen des Geschlechts vor. Die Prüfungsmaßstäbe nach den §§ 7, 3, 1 AGG sind die gleichen wie bei diesen Vorschriften.

83

c) Die einschränkende Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, widerspricht auch nicht dem Verbot des Art. 6 Abs. 1 GG, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Ehepartnern entsteht durch diese Einschränkung kein Nachteil, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätten. Die Versorgungsansprüche des früheren Arbeitnehmers bleiben ungeschmälert. Das Ausbleiben eines ursprünglich erhofften Vorteils ist kein rechtlicher Nachteil(vgl. BAG 19. Dezember 2000 - 3 AZR 186/00 - zu B II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 9; 26. August 1997 - 3 AZR 235/96 - zu B II der Gründe, BAGE 86, 216). Im Übrigen wirkt sich auch hier aus, dass die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers anknüpft und dass das Risiko, das der Arbeitgeber mit der Versorgungszusage übernehmen will, erst durch die Festlegung, wer Hinterbliebener sein soll, bestimmt wird.

84

d) Die Wirksamkeit der in VI. 1. (a) FLÄKT-VO sowie § 7 Abs. 2 ABB-VO enthaltenen, den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung ausschließenden Voraussetzung der während des Arbeitsverhältnisses bestehenden Ehe scheitert schließlich auch nicht an einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Art. 3 GG. Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch Art. 3 GG enthalten weitergehende Anforderungen als § 3 AGG.

85

III. Auf die Wirksamkeit der in VI. 1. (a) FLÄKT-VO enthaltenen zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere der Voraussetzung, dass der Anwärter die Ehe vor Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte und die Ehe am letzten 1. Januar vor seinem Tode nachweislich mindestens ein Jahr bestand, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an, da diese Voraussetzungen allesamt erfüllt waren.

86

IV. Zu der von der Klägerin im Hinblick auf eine etwaige Diskriminierung wegen des Alters angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof war der Senat nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, da im Bereich der betrieblichen Altersversorgung Altersgrenzen unionsrechtlich aufgrund der Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eindeutig in weitem Umfang zulässig sind.

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

    Kiel    

        

        

        

    Kaiser    

        

    Schepers    

                 

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. Januar 2008 - 9 Sa 310/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Versorgungsansprüche des Klägers weiterhin nach der Versorgungsordnung der Versorgungskasse MBB(VO MBB - VO 1974) vom 11. Februar 1974 richten.

2

Der am 2. Dezember 1944 geborene Kläger war seit dem 3. April 1967 bei der M AG und deren Rechtsnachfolgerinnen, der MBB GmbH(im Folgenden: MBB), der D AG (im Folgenden: D) sowie der Beklagten im Werk M beschäftigt. Als Stichtag seiner Betriebszugehörigkeit wurde der 3. April 1965 vereinbart.

3

MBB errichtete - als zunächst einziges Trägerunternehmen - die Versorgungskasse der MBB GmbH e.V.(im Folgenden: VK MBB). Später kamen zwei weitere Trägerunternehmen hinzu.

4

Nach ihrer Satzung vom 28. August 1974 in den Fassungen vom 19. November 1975(im Folgenden: Satzung 1975), 11. Dezember 1989 (im Folgenden: Satzung 1989) sowie vom 29. April 2003 (im Folgenden: Satzung 2003) ist ausschließlicher Zweck der VK MBB die freiwillige Gewährung von Renten an Arbeitnehmer der Trägerunternehmen sowie an deren Angehörige (Begünstigte) „nach Maßgabe einer Versorgungsordnung in der jeweils gültigen Fassung“ (§ 2 Nr. 1 Satzung 1975) bzw. „nach den von der VK MBB aufgestellten oder übernommenen Leistungsrichtlinien in deren jeweils gültigen Fassungen“ (§ 2 Abs. 2 Satzungen 1989 und 2003).

5

Die Satzung 1975 enthält unter § 2 Nr. 4 folgende - inhaltsgleich in § 2 Abs. 4 der Satzungen 1989 und 2003 übernommene - Regelung:

        

„Den Rentenempfängern steht kein Rechtsanspruch zu. Sämtliche Renten werden freiwillig gezahlt. Sie können jederzeit widerrufen werden, wenn es wegen der Vermögenslage des Vereins notwendig wird.

        

Jeder Rentenempfänger hat folgende schriftliche Erklärung abzugeben:

        

‚Es ist mir bekannt, daß alle Renten der Versorgungskasse freiwillig gewährt werden und jederzeit widerrufen werden können. Auch durch wiederholte und regelmäßige Zahlung erwächst mir weder ein Anspruch gegen die Versorgungskasse noch gegen die Firma MBB GmbH.’

        

Im übrigen gilt das ‚Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung’.“

6

Ausweislich § 3 Nr. 2 der Satzung 1975 hatte die VK MBB als vormalige Einzelunterstützungskasse 36 Mitglieder, von denen die eine Hälfte von der Geschäftsführung, die andere Hälfte vom Gesamtbetriebsrat der MBB bestellt wurde. Nach § 4 Abs. 2 der Satzungen 1989 und 2003 stehen jedem der drei Trägerunternehmen für jeweils 4.000 Arbeitnehmer zwei Mitglieder in der Mitgliederversammlung, in jedem Falle aber mindestens zwei Mitglieder zu. Die auf ein Trägerunternehmen entfallende Zahl der Mitglieder wird nach § 4 Abs. 3 der Satzungen 1989 und 2003 jeweils zur Hälfte von dessen Geschäftsleitung, zur anderen Hälfte von dessen Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat bestellt. Der drei-(§ 6 Nr. 1 der Satzung 1975) bzw. vierköpfige (§ 7 Abs. 1 der Satzungen 1989 und 2003) Vorstand wurde/wird durch die Mitgliederversammlung gewählt und fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit.

7

Nach sämtlichen Fassungen der Satzung beschließt die Mitgliederversammlung über die „Erstellung und Änderung der Versorgungsordnung“(§ 11 Nr. 3 der Satzung 1975) bzw. „die Leistungsrichtlinien“ (§ 11 Abs. 2 der Satzungen 1989 und 2003),wobei nach § 11 Nr. 6 der Satzung 1975 eine einfache Mehrheit der erschienenen Mitglieder ausreichte, während nach § 10 Abs. 5 der Satzungen 1989 und 2003 eine Mehrheit von 3/4 der Stimmen aller erschienenen oder vertretenen Mitglieder erforderlich ist.

8

Vor jeder Änderung der Versorgungsordnung und der laufenden Renten ist die Geschäftsführung der MBB(§ 15 Nr. 4 der Satzung 1975) bzw. sind die Geschäftsführungen der MBB und der D A GmbH (§ 18 Abs. 4 der Satzungen 1989 und 2003) zu hören. Kostenwirksame Änderungen erfordern deren Zustimmung. Nach § 15 Abs. 2 der Satzungen 1989 und 2003 bedürfen zudem „die Beschlüsse der Mitgliederversammlung über die Einführung, Änderung oder Übernahme von Leistungsrichtlinien … zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Zustimmung aller Trägerunternehmen“.

9

Die MBB Versorgungsordnung vom 11. Februar 1974 in der Fassung vom 19. November 1975 (im Folgenden: VO 1974) regelt ausweislich ihrer Präambel „die betrieblichen Versorgungsleistungen der Kassenbegünstigten …, denen gemäß Satzung Versorgung zu gewähren ist“. Die VO 1974 enthält in § 15 folgende, mit „Vorbehalt“ überschriebene Regelung:

        

„Die VK MBB behält sich vor, die Versorgungsordnung zu ändern und die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn sich die bei Einrichtung des Versorgungswerkes maßgebenden Verhältnisse nachhaltig so wesentlich verändern, daß ihr die Aufrechterhaltung der Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange der Begünstigten nicht mehr zugemutet werden kann.“

10

Nach § 6 VO 1974 richtet sich die Höhe der Versorgungsleistungen bei allen Leistungsarten nach der anrechenbaren Dienstzeit(§ 4) und dem versorgungsfähigen Einkommen (§ 5). Die Mitarbeiterrente beträgt je nach anrechenbarer Dienstzeit von maximal 30 Dienstjahren - gemäß einer sog. gespaltenen Rentenformel - einen bestimmten Vom-Hundert-Satz (20 bzw. 40 %) des versorgungsfähigen Einkommens. Als solches wird nach § 5 Nr. 1 VO 1974 das durchschnittliche monatliche Brutto-Arbeitsentgelt der letzten zwölf bzw. - falls für den Arbeitnehmer günstiger - 36 Monate vor Eintritt des Versorgungsfalls zugrunde gelegt.

11

Der D-Konzern wuchs auf 19 Unternehmen an, in denen im Wesentlichen fünf verschiedene Versorgungswerke galten, welche - neben weiteren „Detailunterschieden“ - abweichende Leistungsniveaus vorsahen und teils endgehaltsabhängig, teils endgehaltsunabhängig ausgestaltet waren. Bei der D selbst galten drei verschiedene Versorgungswerke.

12

Von 1992 bis 1996 baute die D - ua. durch intensive Ausnutzung von Frühpensionierungen - ihr Personal von ca. 20.000 auf ca. 11.000 Arbeitnehmer ab.

13

Auf Antrag der D erkannte der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit(im Folgenden: BfA) mit Bescheid vom 1. März 1994 an, dass sich die Unternehmen der Luft-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie in einer wirtschaftlichen Strukturkrise befänden. Demgemäß wurde Strukturkurzarbeitergeld gemäß § 63 Abs. 4 AFG bewilligt. Zudem wurde die D für die Jahre 1993 bis 1996 von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG befreit, nachdem sie durch Vorlage von Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachgewiesen hatte, dass in den Fällen der Frühpensionierungen eine Erstattung des Arbeitslosengeldes eine unzumutbare Belastung dargestellt hätte.

14

Mit Datum vom 27. Oktober 1995 richtete der Vorstand der D ein Informationsschreiben an alle Arbeitnehmer. Darin heißt es:

        

„Betriebliche Altersversorgung

        

Der Vorstand der D hat am 5.12.1994 den Plan gefaßt, die betriebliche Altersversorgung im D-Konzern neu zu regeln. Damit war das Ziel verbunden, die unterschiedlichen Versorgungssysteme innerhalb des Konzerns zu vereinheitlichen sowie die Höhe der Versorgungsleistungen an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens anzupassen. Im Vordergrund stand und steht dabei insbesondere die Überlegung, das neue einheitliche Rentensystem so auszugestalten, daß es langfristig finanzierbar ist.

        

Deshalb hat der Vorstand beschlossen, die bestehenden Versorgungswerke innerhalb des D-Konzerns für Aktive und Neueintritte zum 31.12.1995 zu schließen. Entsprechende Erklärungen haben wir gegenüber den Betriebsräten abgegeben.

        

Die Schließung des Versorgungswerkes hat folgende Auswirkungen:

        

Für die aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am 31.12.1995 in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen stehen, kommt die bisher gültige Versorgungsregelung auch nach dem 31.12.1995 weiter zur Anwendung; allerdings für die Zeit ab 1.1.1996 vorbehaltlich des Ergebnisses der Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Neuregelung.

        

Das Unternehmen wird auch nach dem 31.12.1995 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zusagen und gewähren. Die bis 31.12.1995 erdienten Anwartschaften - unverfallbare (i. d. R. nach 10 Dienstjahren und Alter 35) sowie verfallbare - bleiben aufrechterhalten; die Berechnung und damit Höhe dieser Anwartschaft wird Gegenstand der Verhandlungen mit den Betriebsräten sein.

        

Für Austritte ab 1.1.1996 bis zum Abschluß einer Neuregelung (Übergangszeit) gilt ausschließlich die bisherige Versorgungsordnung. Bei der Anwendung der bisherigen Versorgungsordnung bleibt es außerdem in den Fällen, in denen Aufhebungsverträge, insbesondere Frühpensionierungen, bis zum Abschluß der Neuregelung vereinbart werden, auch wenn der Austritt danach erfolgt.

        

Auch bei Eintritt des Versorgungsfalles (z. B. bei Austritt mit Alter 63 und Bezug der vollen gesetzlichen Altersrente oder bei Invalidität) in der Übergangszeit gilt uneingeschränkt die bisherige Versorgungsregelung.

        

Bei Neueintritten ab 1.1.1996 werden Leistungen nicht mehr nach der bisherigen Versorgungsregelung, sondern nach der künftigen Neuregelung zugesagt.“

15

Mit(Rück-)Wirkung zum 1. Januar 1998 regelte die D die betriebliche Altersversorgung im Konzern neu. Dazu wurde eine „Versorgungsordnung im Konzern D“ (im Folgenden: BV VO 1997) nebst „Besitzstands- und Übergangsregelung zur Einführung der Versorgungsordnung“ (im Folgenden: BV Besitzstand) inhaltsgleich am 30. November 1998 als Gesamtbetriebsvereinbarung sowie am 9. Dezember 1998 als Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Der Kläger gehörte seinerzeit dem Gesamtbetriebsrat der D an.

16

In der Vorbemerkung der BV VO 1997 heißt es auszugsweise:

        

„Die einzelnen Konzernunternehmen der D (…) gewähren auf der Grundlage dieser Versorgungsordnung (VO 1997) ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (…) betriebliche Versorgungsleistungen.

        

Das einzelne D-Unternehmen räumt seinen Mitarbeitern auf die Versorgungsleistungen nach der VO 1997 einen Rechtsanspruch ein (unmittelbare Versorgungszusage i. S. von § 1 Abs. 1 BetrAVG), soweit es sich nicht um Zusagen in Betrieben im Geltungsbereich der Versorgungskasse der MBB GmbH e. V. handelt. Im Geltungsbereich der Versorgungskasse erteilt das D-Unternehmen eine Versorgungszusage auf entsprechende Leistungen der Versorgungskasse (Unterstützungskassen-Versorgungszusage i. S. von § 1 Abs. 4 BetrAVG).

        

…“   

17

Eine „Protokollnotiz zur Vorbemerkung der Versorgungsordnung im Konzern D“ lautet:

        

„Die Trägerunternehmen der Versorgungskasse der MBB GmbH e. V. und ihre Betriebsräte werden nach Abschluß der Betriebsvereinbarungen über die VO 1997 in der Mitgliederversammlung der Versorgungskasse entsprechende Beschlüsse fassen.“

18

Nach § 7 Abs. 1 BV VO 1997 richtet sich die „Höhe der Versorgungsleistung bei allen Leistungsarten nach den rentenfähigen Dienstjahren (§ 5 Abs. 3) und dem rentenfähigen Einkommen“, wobei als letzteres nach § 6 Abs. 1 BV VO 1997 „das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt, das der Mitarbeiter innerhalb der letzten 12 Monate vor Eintritt des Versorgungsfalles bzw. vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens bezogen hat“, gilt. Nach § 7 Abs. 2 BV VO 1997 wird die „D-Rente“ nach folgender Formel ermittelt:

        

rentenfähiges Einkommen x Renteneckwert x rentenfähige Dienstjahre

        

-----------------------------------------------------

        

Beitragsbemessungsgrenze

19

Übersteigt das rentenfähige Einkommen die maßgebende Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, wird nach § 7 Abs. 2 BV VO 1997 der übersteigende Teil zweifach gerechnet(gespaltene Rentenformel). Zum sog. „Renteneckwert“ bestimmt § 7 Abs. 6 BV VO 1997 ua.:

        

„Das Unternehmen wird den Renteneckwert alle drei Jahre, erstmals zum 01.01.2001 überprüfen. Unabdingbare Voraussetzung für eine Erhöhung des Renteneckwerts ist, daß das Unternehmen im Hinblick auf die längerfristige Ertragssituation in der Lage ist, die sich aus der Anhebung der Altersversorgung ergebenden finanziellen Mehrbelastungen durch die erforderliche Bildung von Rückstellungen und Anpassungsverpflichtungen nach § 16 BetrAVG zu tragen.

        

In die Überprüfung des Renteneckwerts werden die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, der Nettoverdienste der aktiven Mitarbeiter, der Versorgungsgrade sowie für die Altersversorgung bedeutsame Entwicklungen einbezogen.“

20

In der BV Besitzstand heißt es auszugsweise:

        

„A)     

Ablösung bisheriger Versorgungsregelungen

                 

Durch die Einführung der VO 1997 mit dieser Besitzstands- und Übergangsregelung werden die in der Anlage aufgeführten Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung zum 1. Januar 1998 abgelöst. …

        

B)       

Besitzstand

                 

Für Mitarbeiter, die am 1. Januar 1998 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem Dasa-Unternehmen stehen und deren Hinterbliebene gilt folgende Besitzstandsregelung:

                 

1.       

Besonderer Besitzstand für rentennahe Jahrgänge

                          

Für Versorgungsfälle, die vor dem 1. Januar 2003 eintreten, sowie unabhängig vom Zeitpunkt des Versorgungsfalls für Mitarbeiter, die vor dem 1.1.1943 geboren sind, gelten die bisher für den jeweiligen Mitarbeiter maßgebenden Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung (Altregelung) uneingeschränkt weiter, wenn sich dadurch höhere Leistungen als nach der VO 1997 ergeben.

                 

2.       

Allgemeiner Besitzstand

                          

Für Versorgungsfälle, die nicht unter den besonderen Besitzstand nach Ziffer 1 fallen, gilt folgendes, wenn sich dadurch höhere Leistungen als nach der VO 1997 ergeben:

                          

a)       

Erdienter Teilanspruch

                                   

Die nach der Altregelung bis zum 31. Dezember 1997 mit der für die betriebliche Altersversorgung anerkannten Dienstzeit (…) erreichte Anwartschaft wird als erdienter Teilanspruch aufrechterhalten.

                                   

Stammt der Teilanspruch aus einer Altregelung mit entgeltabhängiger Dynamik (z.B. Versorgungsordnung MBB), so wird er an die nach der Altregelung maßgebliche Entwicklung des versorgungs-/ruhegeldfähigen Einkommens angepaßt.

                                   

…       

                          

b)       

Individueller jährlicher Steigerungsbetrag

                                   

Ergibt sich nach den Verhältnissen am 31. Dezember 1997 eine Differenz zwischen der nach der Altregelung im Alter 65 erreichbaren Altersrente und dem erdienten Teilanspruch, so wird für die anrechenbaren/anrechnungsfähigen Dienstjahre, die am 31. Dezember 1997 zum Ausgleich der Differenz gefehlt haben (Restdienstjahre), ein individueller jährlicher Steigerungsbetrag ermittelt. …

                                   

Der individuelle jährliche Steigerungsbetrag wird entsprechend der Anpassung des Renteneckwertes fortgeschrieben.

                                   

…       

                          

c)       

Mindestanhebung des Besitzstandes

                                   

Soweit der Teilanspruch nach a) und der individuelle Steigerungsbetrag nach b) entsprechend der Anpassung des Renteneckwertes fortgeschrieben werden, gilt folgendes:

                                   

…       

                          

Der Mitarbeiter erhält eine D-Rente als Summe aus dem Teilanspruch gem. a) und den bis zum Eintritt des Versorgungsfalles aufgelaufenen Steigerungsbeträgen gem. b), unter Berücksichtigung der Mindestanhebung nach c), nach den Bestimmungen der VO 1997.

                          

…       

        

3.       

Unterstützungskasse

                 

Für Mitarbeiter mit einer Zusage auf Leistungen der Versorgungskasse der MBB GmbH e. V. (Kassenbegünstigung) wird der Besitzstand nach Ziffer 1 oder 2 in Form der Kassenbegünstigung aufrechterhalten.“

21

Die Mitgliederversammlung der VK MBB beschloss die Geltung der BV VO 1997 nebst der BV Besitzstand als neue Leistungsrichtlinien(im Folgenden: LR 1997) rückwirkend zum 1. Januar 1998.

22

Am 26. Februar 2004 schlossen die D und der bei ihr gebildete Konzernbetriebsrat eine „Konzernbetriebsvereinbarung P3 - Persönlicher Pensions Plan zur Modernisierung und Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung“ sowie eine „Konzernbetriebsvereinbarung zur Überleitung in den P- Persönlicher Pensions Plan“. Auch der Inhalt dieser beiden Konzernbetriebsvereinbarungen (im Folgenden insgesamt: P3) wurde durch Beschluss der Mitgliederversammlung im schriftlichen Verfahren gemäß § 10 Abs. 7 der Satzung 2003 als neue Leistungsrichtlinien(im Folgenden: LR 2003) der VK MBB übernommen.

23

Mit Schreiben vom 27. November 2003 teilte die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der D dem Kläger mit, seine monatliche betriebliche Versorgungsleistung werde bei Eintritt des Versorgungsfalls am 31. Dezember 2007 nach Maßgabe der VO 1974 1.786,00 Euro, nach dem P3 hingegen nur 1.482,38 Euro betragen. Mit Ablauf des 31. Dezember 2007 trat der Kläger in den vorzeitigen Ruhestand; seit dem 1. Januar 2008 erhält er eine monatliche Versorgungsleistung in Höhe von 1.595,43 Euro.

24

Er hat die Auffassung vertreten, seine Versorgungsansprüche berechneten sich weiterhin nach der VO 1974. Die ihm auf vertraglicher Ebene erteilte Versorgungszusage sei nicht betriebsvereinbarungsoffen gewesen und schon deshalb weder durch die BV VO 1997 noch durch den P3 wirksam abgelöst worden. Daran ändere die Wahl einer Unterstützungskasse als Durchführungsweg nichts. Eine organschaftliche Mitbestimmung sei in der VK MBB nicht wirksam vorgesehen. Es fehle an der erforderlichen Parität, da die Beschlüsse der Mitgliederversammlung nach den Satzungen 1989 und 2003 mit einer Dreiviertelmehrheit gefasst werden müssten. Im Übrigen lägen keine sachlich-proportionalen Gründe für den auf der dritten Stufe erfolgten Eingriff in die dienstzeitabhängigen Zuwächse vor. Der Eingriff sei weder durch ein Vereinheitlichungsinteresse noch aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt. Ein Vereinheitlichungsinteresse auf Konzernebene sei nicht anzuerkennen, ein Vereinheitlichungsinteresse auf Unternehmensebene nicht dargetan. Im Übrigen gebe es keine Parallelzuständigkeit von Konzern- und Gesamtbetriebsrat. Die Richtigkeit der von der Beklagten zu ihrer finanziellen Situation in den Jahren 1993 bis 1995 vorgetragenen Zahlen werde bestritten. Jedenfalls bleibe völlig offen, inwieweit die Verschlechterung der Versorgungsordnung das wirtschaftliche Ergebnis der Beklagten verbessert hätte.

25

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass bei der Berechnung seiner Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung die Versorgungsordnung der Versorgungskasse MBB (VO MBB) vom 11. Februar 1974 zugrunde zu legen ist.

26

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die VO 1974 sei - auch für den Kläger - durch die BV VO 1997 und diese nachfolgend durch den P3 abgelöst worden. Sie habe dem Kläger keine Direktzusage erteilt, sondern sich des mittelbaren Durchführungswegs einer Unterstützungskasse bedient. Nach der Satzung der VK MBB hätte ein einseitiger Widerruf erklärt werden können; demzufolge habe sie eine Ablösung der VO 1974 erst recht durch eine Betriebsvereinbarung herbeiführen können. Im Übrigen sei die dem Kläger erteilte Versorgungszusage angesichts der paritätischen Besetzung der Mitgliederversammlung der VK MBB und der Schaffung der VO 1974 gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat betriebsvereinbarungsoffen gewesen. Das Modell der organschaftlichen Mitbestimmung hätte vom Betriebsrat jederzeit in das zweistufige Modell abgeändert werden können. Der Konzernbetriebsrat sei für die BV VO 1997 zuständig gewesen. Die inhaltsgleichen Gesamtbetriebsvereinbarungen seien nur vorsorglich geschlossen worden. Für den - unstreitig - nur auf der dritten Besitzstandsstufe erfolgten Eingriff hätten sachlich-proportionale Gründe vorgelegen. Zum einen habe ein Vereinheitlichungsinteresse sowohl auf Konzern- als auch auf Unternehmensebene bestanden. Durch die Vereinheitlichung der Altersversorgung habe die Verwaltung der Versorgungswerke vereinfacht, damit der Kostenaufwand reduziert und der Wechsel von Arbeitnehmern zwischen den Konzernunternehmen erleichtert werden sollen. Aus Gründen kaufmännischer Vorsicht habe sich die Konzernleitung für eine endgehaltsunabhängige Regelung entschieden. Innerhalb des Unternehmens habe ein ähnliches Vereinheitlichungsinteresse bestanden. Angesichts der Entwicklung der Jahre 1993 bis 1995 hätten auch wirtschaftliche Eingriffsgründe vorgelegen. Das Unternehmensergebnis habe 1993 bei minus 987 Millionen DM, 1994 bei minus 546 Millionen DM und 1995 sogar bei minus 4,8 Milliarden DM gelegen. Der P3 habe den aus der BV VO 1997 folgenden Dotierungsrahmen nicht gekürzt, sondern konstant gehalten oder sogar leicht verbessert. Auch für den Kläger hätten sich keine weiteren Verschlechterungen ergeben.

27

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Versorgungsansprüche des Klägers richten sich nicht mehr nach der VO 1974. Dem Kläger wurden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der in der VK MBB jeweils gültigen Versorgungsrichtlinien zugesagt. Die VO 1974 ist durch die LR 1997 mit dem Inhalt der BV VO 1997 nebst BV Besitzstand abgelöst worden. Die Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats bzw. der Gesamtbetriebsräte wurden gewahrt. Für den Eingriff in die dienstzeitabhängigen Zuwächse bestanden die erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe. Im Rahmen des gestellten Antrags bedarf es keiner Entscheidung, ob die LR 1997 mit dem Inhalt der BV VO 1997 und BV Besitzstand ihrerseits durch die LR 2003 mit dem Inhalt des P3 abgelöst wurden.

29

A. Die Klage ist zulässig.

30

I. Der Klageantrag erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Es geht um die Feststellung, auf welcher Rechtsgrundlage das betriebsrentenrechtliche Rechtsverhältnis der Parteien abzuwickeln ist(vgl. BAG 3. September 1991 - 3 AZR 369/90 - zu A der Gründe, BAGE 68, 248; 19. November 2002 - 3 AZR 167/02 - zu A I der Gründe, BAGE 104, 1; 18. März 2003 - 3 AZR 101/02 - zu A der Gründe, BAGE 105, 212; 13. November 2007 - 3 AZR 455/06 - Rn. 16, BAGE 125, 11). Auf den Vorrang der Leistungsklage - zumal teilweise für die Zukunft nach den §§ 257 ff. ZPO - kann der Kläger nicht verwiesen werden, da der Feststellungsantrag geeignet ist, den wesentlichen Streitpunkt zwischen den Parteien zu beseitigen (vgl. BAG 13. November 2007 - 3 AZR 455/06 - aaO; 29. Januar 2008 - 3 AZR 42/06 - Rn. 20, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 14).

31

II. Der Klageantrag ist - entgegen dem Einwand der Beklagten - hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO. Der Kläger will erkennbar die Pflicht der beklagten Arbeitgeberin zur Berechnung seiner Versorgungsansprüche nach Maßgabe der VO 1974 festgestellt wissen.

32

B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Versorgungsansprüche des Klägers richten sich nicht mehr nach der VO 1974. Diese ist in Umsetzung der BV VO 1997 nebst der BV Besitzstand durch die LR 1997 abgelöst worden. Im Rahmen des gestellten Antrags bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die LR 1997 ihrerseits wirksam durch die LR 2003 abgelöst wurden.

33

I. Dem Kläger waren vertraglich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der jeweils gültigen Leistungsrichtlinien der VK MBB zugesagt worden.

34

1. Es kann offenbleiben, ob es sich bei der vertraglichen Zusage um eine Gesamtzusage handelt oder ob der Versorgungsanspruch des Klägers auf eine betriebliche Übung zurückgeht. Beide Rechtsinstitute unterscheiden sich nach der vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Vertragstheorie(vgl. nur 29. April 2003 - 3 AZR 247/02 - zu I 1 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4) im Wesentlichen nur dadurch, dass es bei einer Gesamtzusage einer ausdrücklichen Erklärung an die Belegschaft oder einen Teil von ihr bedarf (vgl. 18. März 2003 - 3 AZR 101/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 105, 212). Das Landesarbeitsgericht hat eingangs seiner Entscheidungsgründe festgestellt, dass die Satzung der VK MBB und die VO 1974 „in den Unternehmen bekannt gemacht“ wurden. Zumindest ist nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien davon auszugehen, dass sich MBB an die VO 1974 gehalten hat. Damit liegt jedenfalls das für eine betriebliche Übung erforderliche gleichförmige und wiederholte Verhalten des Arbeitgebers vor, dessen Inhalt das Arbeitsverhältnis gestaltet und das - im Betriebsrentenrecht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anerkennung in § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG - geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt(vgl. nur BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 189/06 - Rn. 19, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 79). Dies war der Fall.

35

2. Dem Kläger waren Versorgungsleistungen nach den jeweils gültigen Satzungen und Leistungsrichtlinien der VK MBB zugesagt worden.

36

a) Bei der VK MBB handelt es sich um eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch gewährt, und damit um eine Unterstützungskasse iSd. § 1b Abs. 4 BetrAVG.

37

b) Werden Satzung und Richtlinien einer Unterstützungskasse -  ausdrücklich oder stillschweigend - in Bezug genommen, müssen die Arbeitnehmer schon aufgrund des Ausschlusses des Rechtsanspruchs stets mit einer Abänderung der Versorgungsordnung rechnen. Es ist in der Rechtsprechung des Senats seit langem anerkannt, dass der Ausschluss des Rechtsanspruchs in Satzungen und Versorgungsplänen einer Unterstützungskasse nur ein Widerrufsrecht begründet, das an sachliche Gründe gebunden ist. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach gebilligt(vgl. BAG 10. September 2002 - 3 AZR 635/01 - zu I 1 a der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 34; 31. Juli 2007 - 3 AZR 373/06 - Rn. 24, BAGE 123, 307). Es kommt hinzu, dass die Satzung der VK MBB in all ihren Fassungen ausdrücklich auf die „Versorgungsordnung in der jeweils gültigen Fassung“ (§ 2 Nr. 1 der Satzung 1975) bzw. auf die „von der VK MBB aufgestellten oder übernommenen Leistungsrichtlinien in deren jeweils gültigen Fassungen“ (§ 2 Abs. 2 der Satzungen 1989 und 2003)verweist.

38

3. Es kann dahinstehen, ob die dynamische Bezugnahme auf die Leistungsrichtlinien der VK MBB, soweit es um die LR 1997 geht, überhaupt einer Kontrolle anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt; die Bezugnahme auf die Richtlinien in ihrer jeweils gültigen Fassung begegnet im Hinblick auf die §§ 305 ff. BGB keinen Bedenken.

39

a) Auch mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, sind Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB(vgl. BAG 5. August 2009 - 10 AZR 483/08 - Rn. 13, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 10). Diese unterliegen nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB seit dem 1. Januar 2003 der Inhaltskontrolle entsprechend den §§ 305 ff. BGB.

40

b) Bei der dynamischen Bezugnahme auf die Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse handelt es sich nicht um eine überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB.

41

Arbeitnehmer, denen eine Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt wird, müssen aufgrund des typischen Ausschlusses eines Rechtsanspruchs(vgl. § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG iVm. § 2 Nr. 4 Satzung 1975),der in der ständigen - vom Bundesverfassungsgericht mehrfach gebilligten - Rechtsprechung des Senats dahin verstanden wird, dass der Versorgungsanspruch unter dem Vorbehalt eines Widerrufs aus sachlichem Grund steht (vgl. BAG 10. September 2002 - 3 AZR 635/01 - zu I 1 a der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 34),stets mit einer Abänderung der Versorgungsordnung rechnen (vgl. BAG 15. November 2005 - 3 AZR 481/04 - Rn. 14, DB 2006, 1016).

42

c) Die dynamische Bezugnahme ist zudem weder wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB noch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und 2, § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

43

Eine dynamische Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führt für sich genommen noch nicht zur Intransparenz. Bezugnahmeklauseln, auch dynamische, sind im Arbeitsrecht - insbesondere im Betriebsrentenrecht - weit verbreitet, entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Dass bei Vertragsschluss noch nicht absehbar ist, welchen Inhalt das andere Regelungswerk haben wird, ist unerheblich. Zur Wahrung des Transparenzgebotes reicht es aus, wenn - wie hier - die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind(vgl. BAG 18. November 2009 - 4 AZR 493/08 - Rn. 25 mwN).

44

Die Verweisungsklausel unterliegt nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle, da sie nicht von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthält. Der Regelungsgehalt der Bezugnahmeklausel beschränkt sich auf die Verweisung als solche. Der Inhalt der Versorgungszusage wird nahezu ausschließlich durch die Regelungen des Bezugnahmeobjekts bestimmt. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Abweichung von Rechtsvorschriften nicht aus der Verweisungsklausel selbst ergeben (vgl. BAG 18. November 2009 - 4 AZR 493/08 - Rn. 23, für die Bezugnahme auf Arbeitsvertrags-Richtlinien einer kirchlich diakonischen Einrichtung). Die Beklagte hat sich als Verwenderin der in der Versorgungszusage enthaltenen Verweisungsklausel auch nicht das Recht vorbehalten, deren Inhalt einseitig abzuändern; vielmehr kann sich eine Änderung des Inhalts der Versorgungszusage ohne Zustimmung des Klägers nur durch eine Änderung der in Bezug genommenen Regelungen ergeben (vgl. BAG 19. August 2008 - 3 AZR 383/06 - Rn. 33, NZA 2009, 1275).

45

4. Die Leistungsrichtlinien der VK MBB unterliegen selbst nicht der Vertragskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Die Leistungsrichtlinien sind keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, sondern setzen lediglich die in den Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen um.

46

5. Angesichts der - wirksamen - dynamischen Bezugnahme auf die Leistungsrichtlinien der VK MBB in ihrer jeweils gültigen Fassung kommt es nicht darauf an, ob die dem Kläger vertraglich erteilte Versorgungszusage „betriebsvereinbarungsoffen“ war. Das Problem „ungleichgewichtiger Rechtsquellen“(vgl. BAG 17. Juni 2003 - 3 ABR 43/02 - zu B III 3 b bb (1) der Gründe, BAGE 106, 301) stellt sich nicht.

47

II. Es bestehen keine betriebsverfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Ablösung der VO 1974 durch die LR 1997. Die Änderung der Richtlinien beruhte auf der BV VO 1997 nebst BV Besitzstand, deren Regelungen durch die LR 1997 umgesetzt wurden.

48

1. Es kann dahinstehen, ob nach der Satzung 1989 die sog. organschaftliche Lösung(vgl. grundlegend BAG 13. Juli 1978 - 3 ABR 108/77 - BAGE 31, 11 = AP BetrVG 1972 § 87 Altersversorgung Nr. 5 mit Anm. Hanau) wirksam vereinbart worden ist. Der Kläger bezweifelt dies unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Parität. Zudem handele es sich bei der VK MBB inzwischen um eine konzerngebundene Gruppenunterstützungskasse. Jedenfalls konnten die Beteiligten - zumindest einvernehmlich - jederzeit und auch nur vorübergehend zum gesetzlichen Normalfall der zweistufigen Lösung zurückkehren, ohne dass der (Gesamt-)Betriebsrat oder der Arbeitgeber seine Vertreter aus der Mitgliederversammlung der VK MBB hätte abziehen müssen. Unschädlich wäre es auch, falls beide Verfahren - zunächst das zweistufige und anschließend das organschaftliche - durchlaufen worden wären. Hier jedenfalls haben sich Arbeitgeber und Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat über die geänderten Leistungsrichtlinien tatsächlich in den Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen „verständigt“.

49

2. Ebenso kann offenbleiben, ob nach § 50 BetrVG der Gesamt- oder - wofür alles spricht - nach § 58 BetrVG der Konzernbetriebsrat mitzubestimmen hatte. Denn die BV VO 1997 nebst der dazugehörigen Besitzstands- und Übergangsregelung wurde sowohl als Gesamt- als auch als Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers geht es damit nicht um eine Parallelzuständigkeit. Die Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen sind mit identischem Inhalt lediglich deshalb abgeschlossen worden, um „den sicheren Weg [zu] gehen“(vgl. Reinecke AuR 2004, 328, 335). Indem sämtliche in Betracht kommenden Arbeitnehmervertretungen derselben Neuregelung zugestimmt haben, ist den Mitbestimmungsrechten - sei es nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG - in jedem Fall Genüge getan.

50

III. Die Ablösung der VO 1974 durch die LR 1997, mit denen die BV VO 1997 nebst BV Besitzstand umgesetzt wurde, ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt. Der D standen die für einen Eingriff auf der dritten Stufe erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe zur Seite.

51

1. Der Abänderbarkeit von Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse sind durch das BetrAVG und die hierzu ergangene einschlägige Rechtsprechung des Senats dieselben engen Grenzen gesetzt, wie sie für die Ablösung von bzw. durch Betriebsvereinbarungen gelten(so der Hinweis bei BAG 10. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse können durch neue Versorgungsrichtlinien nur in den Grenzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit geändert werden.

52

a) Eine Versorgungszusage, wonach ein Arbeitnehmer nach Maßgabe der jeweiligen Richtlinie einer Unterstützungskasse Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erhalten soll, ist in der Anwartschaftsphase der Gefahr ausgesetzt, dass die in Bezug genommene Versorgungsrichtlinie durch diejenigen verschlechtert wird, die über deren Inhalt satzungsgemäß zu entscheiden haben. Zu Lasten eines von einer solchen Versorgungszusage begünstigten Arbeitnehmers gilt aufgrund der Jeweiligkeitsklausel im Grundsatz die von vornherein erkennbare Regel, dass die ohne Zutun des einzelnen Arbeitnehmers geschaffene Versorgungsordnung durch eine andere verdrängt werden kann. Die Position des begünstigten Arbeitnehmers ist hier dieselbe wie bei einer betrieblichen Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung. Auch dort kann ohne Mitwirkung des einzelnen Arbeitnehmers eine ablösende Betriebsvereinbarung zustande kommen(vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 3 AZR 512/00 - zu II 1 der Gründe, BAGE 100, 76). Allerdings kann der Arbeitnehmer - hier wie dort - grundsätzlich erwarten, dass er für die von ihm erbrachten Vorleistungen durch Betriebstreue, die er nur einmal erbringen kann, auch die ihm in Aussicht gestellte Gegenleistung erhält, soweit dem nicht Gründe auf Seiten des Arbeitgebers entgegenstehen, die seine schützenswerten Interessen überwiegen. Die Möglichkeiten eines Arbeitgebers, mit Hilfe einer dynamischen Verweisung auf die Richtlinien einer Unterstützungskasse in ihrer jeweiligen Fassung auf die Versorgungsanwartschaften der begünstigten Arbeitnehmer einzuwirken, können deshalb nicht weitergehen als die Möglichkeiten der Betriebspartner im Rahmen von Aufhebungs- oder Abänderungsvereinbarungen. Deshalb müssen die aufgrund einer derartigen Zusage erdienten Besitzstände der bisher Begünstigten gegenüber einer Neufassung der Leistungsrichtlinien ebenso geschützt werden, wie gegenüber einer ablösenden Betriebsvereinbarung.

53

b) Bei einer ablösenden Betriebsvereinbarung lässt der Senat Eingriffe in Anwartschaften nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer müssen entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenübergestellt werden(17. November 1992 - 3 AZR 76/92 - BAGE 71, 372; 17. August 1999 - 3 ABR 55/98 - BAGE 92, 203; 11. Mai 1999 - 3 AZR 21/98 - BAGE 91, 310). Das Gewicht des Eingriffsgrundes muss also der Stärke des Besitzstandes entsprechen. Dabei unterscheidet der Senat zwischen dem bereits erdienten Teilbetrag, der erdienten Dynamik und den nicht erdienten Zuwächsen: Je nachdem, ob die Neuregelung in bereits erdiente Besitzstände, in eine erdiente Dynamik oder in die eingeräumte Möglichkeit, noch dienstzeitabhängige Zuwächse zu erdienen, eingreifen will, bedarf es zu deren Rechtfertigung zwingender, triftiger oder sachlich-proportionaler Eingriffsgründe (vgl. 11. Dezember 2001 - 3 AZR 512/00 - zu II 1 der Gründe, BAGE 100, 76; 11. Dezember 2001 - 3 AZR 128/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 100, 105; 10. September 2002 - 3 AZR 635/01 - zu II 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 34; 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 9 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 43; 21. April 2009 - 3 AZR 674/07 - Rn. 25, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 53).

54

2. Die LR 1997 greifen - bezogen auf den Ablösungszeitpunkt - lediglich in künftige und damit noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse ein. Davon geht im Übrigen der Kläger mit dem Landesarbeitsgericht in der Revisionsbegründung auch ausdrücklich aus.

55

3. Die Anwendung des unbestimmten Rechtsgriffs der sachlich-proportionalen Gründe ist in erster Linie Sache des Berufungsgerichts(vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 3 AZR 128/01 - zu II 3 der Gründe, BAGE 100, 105). Das Revisionsgericht kann die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts bei unbestimmten Rechtsbegriffen nur beschränkt überprüfen. Eine Rechtsverletzung liegt nur vor, wenn der Rechtsbegriff selbst verkannt worden ist oder wenn bei der Unterordnung des - bindend iSd. § 559 Abs. 2 ZPO - festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind oder wenn bei der gebotenen Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind oder das Ergebnis in sich widersprüchlich ist(vgl. GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 9).

56

a) Das Landesarbeitsgericht hat - zusammengefasst - angenommen, für den Eingriff auf der dritten Stufe lägen sachlich-proportionale Gründe vor. Bereits das Interesse an einer Vereinheitlichung der im Wesentlichen fünf verschiedenen Versorgungswerke in den seinerzeit 19 Unternehmen des D-Konzerns, die sich in den Leistungsniveaus, mehreren „Detailfragen“ und der Endgehaltsabhängigkeit unterschieden, sei als sachlicher Grund anzuerkennen. Jedenfalls zu berücksichtigen sei das Interesse an einer Vereinheitlichung der immerhin noch drei verschiedenen Versorgungswerke im Unternehmen der D. Der vorgenommene Eingriff sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Verringerung des Versorgungsanspruchs des Klägers um maximal 190,57 Euro monatlich stehe nach dem Vortrag der Beklagten die von Verlusten gekennzeichnete finanzielle Situation der D in den Jahren 1993(minus 987 Millionen DM), 1994 (minus 546 Millionen DM) und 1995 (minus 4,8 Milliarden DM) sowie der Personalabbau von ca. 20.000 Arbeitnehmern in 1992 auf ca. 11.000 Arbeitnehmer in 1996 unter intensiver Ausnutzung von „Frühpensionierungen“ gegenüber. Die Verluste von 1993 bis 1995, insbesondere der enorme von 1995, hätten eine Reaktion der D erforderlich gemacht, um der wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung entgegenzuwirken. Unter diesen Umständen sei es nachvollziehbar und nicht willkürlich, dass die D neben dem Personalabbau auch bei der betrieblichen Altersversorgung einen Eingriff in die künftigen Zuwächse vorgenommen habe. Zudem stelle die Mitwirkung der Betriebsräte an der Neuregelung ein starkes Indiz für deren Notwendigkeit und Ausgewogenheit dar.

57

b) Der Kläger rügt hier zum einen, dass ein Interesse an der Vereinheitlichung verschiedener Versorgungswerke auf Konzernebene nicht als sachlicher Grund anzuerkennen und auf Unternehmensebene im Streitfall nicht erkennbar sei. Deshalb habe die Frage nach der zuständigen Arbeitnehmervertretung nicht offenbleiben dürfen. Zum anderen habe das Landesarbeitsgericht einfach „die einseitig von der Beklagten vorgetragenen Zahlen zur finanziellen Situation der D[aus den Jahren 1993, 1994 und 1995] unterstellt, obwohl diese ausdrücklich mit Schriftsatz vom 27.11.2007 bestritten“ worden seien.

58

c) Mit diesen Rügen dringt der Kläger nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der mit der Neuregelung verbundene Eingriff in die noch zu erdienenden Zuwächse gerechtfertigt ist.

59

Es kann offenbleiben, ob und inwieweit auch nichtwirtschaftliche Gründe - wie zB das von der Beklagten angeführte Vereinheitlichungsinteresse - einen verschlechternden Eingriff in künftige Zuwächse durch den Übergang zu einem besser kalkulierbaren System mit geringerem Versorgungsaufwand rechtfertigen können(vgl. BAG 10. September 2002 - 3 AZR 635/01 - zu III 2 c der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 34 zum Übergang von einem Gesamtversorgungs- auf ein Festbetragssystem unter Verringerung des Versorgungsaufwandes). Das Landesarbeitsgericht hat - im Ergebnis - zutreffend angenommen, dass der D auch hinreichende wirtschaftliche Gründe für die verschlechternde Neuregelung zur Seite standen.

60

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats können sachlich-proportionale Gründe auf einer wirtschaftlich ungünstigen Lage des Versorgungsschuldners beruhen(vgl. 11. Mai 1999 - 3 AZR 21/98 - zu III 2 c bb der Gründe, BAGE 91, 310; 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c bb (1) der Gründe, BAGE 99, 75).

61

Dabei müssen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht das für einen triftigen Grund erforderliche Ausmaß erreicht haben. So ist eine langfristige Substanzgefährdung, etwa bei dauerhaft unzureichender Eigenkapitalverzinsung, nicht erforderlich(vgl. BAG 21. August 2001 - 3 ABR 44/00 - zu B III 2 d aa der Gründe mwN, BAGE 98, 354). Zur Rechtfertigung des Eingriffs bedarf es auch weder der sachverständigen Feststellung einer insolvenznahen wirtschaftlichen Notlage noch eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans (vgl. BAG 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c bb (1) der Gründe, BAGE 99, 75; 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - zu B II 2 b dd der Gründe, AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 9 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 43).

62

Zwar reicht regelmäßig der allgemeine Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht aus, um einen sachlichen Grund für einen Eingriff in nicht erdiente Zuwächse zu belegen. Vielmehr sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Einzelnen darzulegen. Anderweitige Sanierungsmöglichkeiten müssen zumindest erwogen und ihre Unterlassung muss plausibel erläutert werden. Maßnahmen, die auf den ersten Blick dem Sanierungszweck offen zuwiderlaufen, müssen erklärt werden und plausibel sein(vgl. BAG 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c bb (2) (c) der Gründe, BAGE 99, 75). Allerdings liegen sachlich-proportionale Gründe, welche die Annahme willkürlichen Arbeitgeberverhaltens ausschließen, bereits dann vor, wenn ein unabhängiger Sachverständiger Feststellungen getroffen hat, die einen dringenden Sanierungsbedarf begründen. Allenfalls offensichtliche und ergebnisrelevante Fehler oder die Erstellung der Bilanz entgegen den anerkannten Regeln können dann der Annahme entgegenstehen, ein Eingriff zu Sanierungszwecken sei nicht willkürlich erfolgt (vgl. BAG 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c bb (2) (a) der Gründe, aaO).

63

(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist von dem Vorliegen sachlicher Gründe für einen Eingriff in die noch nicht erdienten Zuwächse auszugehen. Die D musste in den Jahren 1992 bis 1996 in erheblichem Umfang Personal abbauen(von ca. 20.000 auf ca. 11.000 Arbeitnehmer) - auch durch intensive Ausnutzung von „Frühpensionierungen“ -. Das wirtschaftliche Umfeld stellte sich seinerzeit als äußerst schwierig dar. Unbestritten litt die Luftfahrtindustrie unter den Verlusten der Luftfahrtgesellschaften. Vor diesem Hintergrund anerkannte der Präsident der BfA auf Initiative und Antrag der D mit Bescheid vom 1. März 1994, dass sich die Unternehmen der Luft-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie in einer wirtschaftlichen Strukturkrise befänden; es wurde Strukturkurzarbeitergeld gemäß § 63 Abs. 4 AFG bewilligt. Zudem wurde die D für die Jahre 1993 bis 1996 von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG befreit, nachdem sie durch Gutachten eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens belegt hatte, dass in den Fällen der Frühpensionierungen eine Erstattung des Arbeitslosengeldes etc. eine unzumutbare Belastung des Unternehmens bedeutet hätte.

64

Nach § 63 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 AFG in seinen vom 29. September 1990 bis 31. März 1997 gültigen - gleichlautenden - Fassungen vom 23. September 1990 und 26. Juli 1994 wurde „Kurzarbeitergeld auch an Arbeitnehmer gewährt, die zur Vermeidung von anzeigepflichtigen Entlassungen im Sinne des § 17 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefaßt sind, wenn der Arbeitsausfall auf einer schwerwiegenden strukturellen Verschlechterung der Lage des Wirtschaftszweiges beruht und der hiervon betroffene Arbeitsmarkt außergewöhnliche Verhältnisse aufweist“. Nach § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG in den vom 1. Januar 1993 bis 31. März 1997 gültigen - gleichlautenden - Fassungen vom 18. Dezember 1992, 26. Juli 1994 und 15. Dezember 1995 entfiel die Pflicht zur vierteljährlichen Erstattung des an über 58-jährige Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeldes an die BfA, wenn der Arbeitgeber darlegte und nachwies, dass „die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären“. Insoweit war zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich.

65

Dies alles lässt den Schluss zu, dass insgesamt einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entgegengewirkt werden musste.

66

(3) Auch das Merkmal der „Proportionalität“ ist erfüllt, wonach auch noch nicht erdiente Zuwächse nur insoweit eingeschränkt werden dürfen, als dies mit den angeführten sachlichen Gründen kompatibel ist(vgl. Griebeling EWiR 2002, 693 f.). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Dotierungsrahmen zur Anpassung des Versorgungsniveaus an die damalige und künftige Leistungsfähigkeit der D zu Lasten der dritten Besitzstandsstufe in einem zur Zielerreichung nicht erforderlichen Umfang gekürzt wurde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verschlechterungen insgesamt innerhalb der durch ihren Anlass vorgegebenen Grenzen blieben und deshalb verhältnismäßig sind.

67

(a) Die nach dem - in den entscheidenden Teilen unbestrittenen - Vortrag der Beklagten zugrunde zu legende strukturelle wirtschaftliche Problemlage stellte eine Änderung der Sachlage dar, die bei grundsätzlichem Festhalten am Versorgungsziel - auch für Neueintritte - eine besser kalkulierbare Lösung und damit verbundene moderate Reduzierung der Versorgungslasten nahelegte(vgl. BAG 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - zu B II 2 b cc der Gründe, AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 9 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 43).

68

(b) Der Proportionalität steht nicht entgegen, dass das Ziel der Kosteneinsparung in den LR 1997, mit denen die BV VO 1997 nebst der BV Besitzstand umgesetzt wurden, nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Zum einen hat die D bereits mit dem Informationsschreiben vom 27. Oktober 1995 ua. auf das Ziel hingewiesen, „die Höhe der Versorgungsleistungen an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens anzupassen“. Im Vordergrund habe dabei insbesondere die Überlegung gestanden, „das neue einheitliche Rentensystem so auszugestalten, daß es langfristig finanzierbar ist“. Zum anderen hat in den Regelungen der BV VO 1997 der „Einsparungs-“ oder besser „Planbarkeitsaspekt“ hinreichend deutlich Ausdruck gefunden(vgl. hierzu BAG 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - zu B II 2 b cc der Gründe, AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 9 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 43). Steigende Löhne und Gehälter sollten in Zukunft ersichtlich nicht mehr automatisch, sondern nur noch dann zu einem Anstieg der Versorgungslasten führen, wenn dies mit den wirtschaftlichen Ergebnissen vereinbar war. Dafür wurden eine neue Rentenformel und insbesondere das Instrument des sog. Renteneckwerts (vgl. § 7 BV VO 1997)eingeführt.

69

(c) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers bedurfte es auch keines näheren Vortrags der Beklagten dazu, wie genau die wirtschaftliche Lage der D durch die BV VO 1997 gegenüber der VO 1974 verbessert wurde. In einer Phase struktureller Schwierigkeiten stand der Aspekt der künftigen besseren Kalkulierbarkeit im Vordergrund. Die Neuregelung war geeignet, dazu einen Beitrag zu leisten, ohne dass es auf die genaue Höhe etwaiger prognostizierter Einsparungen ankam. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 22. April 1986(- 3 AZR 496/83 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 51, 397) zwar ausgeführt, dass der Regelungszweck und das Mittel der Kürzung in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen müssten und pauschale und unbezifferte Kostenargumente eine solche Prüfung nicht zuließen. Hieraus kann der Kläger allerdings nichts zu seinen Gunsten ableiten. In dieser Entscheidung ging es - anders als im entschiedenen Fall - um eine vom Arbeitgeber vorgesehene Leistungskürzung, die dieser mit den Belastungen begründet hatte, die infolge der in der Zwischenzeit in Kraft getretenen Regelungen des Betriebsrentengesetzes entstanden waren.

70

(d) Vorliegend bestehen auch ohne konkrete Aufschlüsselung des „Einsparungspotentials“ keine vernünftigen Zweifel daran, dass der mit der Neuregelung verbundene Eingriff auf der dritten Besitzstandsstufe „kompatibel“ war mit dem Bestreben der D, ihren strukturellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen und weiterhin sämtliche Arbeitnehmer in die betriebliche Altersversorgung einbeziehen zu können.

71

Dabei ist zunächst zu beachten, dass die dritte Besitzstandsstufe nicht vollständig beseitigt wurde. Die LR 1997, mit denen die BV VO 1997 und die BV Besitzstand umgesetzt wurden, erhalten nicht nur die nach der jeweiligen Altregelung bis zum 31. Dezember 1997 erreichte Anwartschaft als erdienten Teilanspruch nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG aufrecht(1. Stufe) und lassen diesen an der Dynamik der Bemessungsgrundlagen teilhaben (2. Stufe), sondern garantieren über Abschnitt B) 2. b) einen höheren Betrag. Ergibt sich nämlich nach den Verhältnissen am 31. Dezember 1997 eine Differenz zwischen der nach der Altregelung im Alter 65 erreichbaren Altersrente und dem erdienten Teilanspruch, wird nach Abschnitt B) 2. b) ein individueller jährlicher Steigerungsbetrag ermittelt, entsprechend der Anpassung des Renteneckwerts fortgeschrieben und unter Berücksichtigung einer Mindestanhebung nach Abschnitt B) 2. c) gemeinsam mit dem „erdienten Teilanspruch“ nach Abschnitt B) 2. a) als „D-Rente“ gezahlt.

72

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Neuregelung die rentennahen Jahrgänge besonders schont. Nach Abschnitt B) 1. BV Besitzstand gelten nämlich für Versorgungsfälle, die vor dem 1. Januar 2003 eintreten, sowie unabhängig vom Zeitpunkt des Versorgungsfalls für Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 1943 geboren sind, die bisher für den jeweiligen Arbeitnehmer maßgeblichen Altregelungen uneingeschränkt weiter, wenn sich dadurch höhere Leistungen als nach der VO 1997 ergeben.

73

Es kommt hinzu, dass es nach der Rechtsprechung des Senats ein Anzeichen sowohl für ein Bedürfnis für die Änderung als auch für die Ausgewogenheit der Neuregelung sein kann, wenn ihr der Betriebs- oder Personalrat - hier: sowohl der Konzernbetriebsrat als auch die Gesamtbetriebsräte - zugestimmt hat(vgl. 11. September 1990 - 3 AZR 380/89 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 66, 39; 7. Juli 1992 - 3 AZR 522/91 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 71, 1; 23. September 1997 - 3 AZR 529/96 - zu II 3 b der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14; 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c bb (2) (a) der Gründe, BAGE 99, 75).

74

IV. Die Eingriffe in die Versorgungszusage des Klägers halten auch einer konkreten „Billigkeitskontrolle“ stand. Bei einer solchen Kontrolle geht es um die Frage, ob eine ablösende Versorgungsregelung wegen einer außergewöhnlichen, so erkennbar nicht gewollten Härte im Einzelfall teleologisch zu reduzieren ist(vgl. BAG 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - zu B II 3 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 9 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 43 für eine ablösende Betriebsvereinbarung).

75

Dafür, dass hier ein solcher Sonderfall vorliegt, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Der Kläger macht selbst nicht geltend, nunmehr unzureichend versorgt zu sein (vgl. BAG 11. September 1990 - 3 AZR 380/89 - zu III der Gründe, BAGE 66, 39).

        

    Reinecke    

        

    Schlewing    

        

    Suckow    

        

        

        

    Perreng    

        

    Bialojahn    

                 

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1. Juni 2016 über die bisher gezahlte betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 3.168,07 € brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats weitere 55,15 € brutto, insgesamt demnach eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 3.223,22 € brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Beträge der betrieblichen Altersversorgung für die Zeit von Juli 2015 bis Mai 2016 in Höhe von insgesamt 386,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 55,15 € ab dem 01.07.2015, auf 55,15 € ab dem 01.08.2015, auf 55,15 € ab dem 01.09.2015, auf 55,15 € ab dem 01.10.2015, auf 55,15 € ab dem 01.11.2015, auf 55,15 € ab dem 01.12.2015, auf 55,15 € ab dem 01.01.2016, auf 55,15 € ab dem 01.02.2016, auf 55,15 € ab dem 01.03.2016, auf 55,15 € ab dem 01.04.2016 und auf 55,15 € ab dem 01.05.2016 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.702,35 € festgesetzt.

5. Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 1. Juli 2015.

2

Der Kläger war in der Zeit vom 16. April 1973 bis zum 30. November 2013, zuletzt in Hamburg, bei einem Unternehmen des B.-Konzerns tätig, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Seit dem 1. Dezember 2013 bezieht der Kläger eine Gesamtversorgung auf der Grundlage der Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes. Versorgungsschuldnerin ist die Beklagte.

3

Die Versorgungsbezüge des Klägers richten sich nach den durch Betriebsvereinbarungen geregelten Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes (nachfolgend BVW) in der Fassung vom 19. April 2002 einschließlich der Ausführungsbestimmungen (Anlage B3, Anlagenband zum Schriftsatz v. 15. Dezember 2015). Nach §§ 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen leistet die Beklagte an den Kläger Gesamtversorgungsbezüge, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen der Versorgungskasse (auf den Abrechnungen und nachfolgend bezeichnet als V1-Altersrente) sowie aus der sog. Pensionsergänzung (auf den Abrechnungen und nachfolgend bezeichnet als V2-Rente) zusammensetzen.

4

Die Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge richtet sich nach § 6 der Ausführungsbestimmungen des BVW. Darin ist unter der Überschrift „Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ folgendes geregelt:

5

„1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.

6

(Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).

7

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

8

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

9

Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.

10

4. (...)“

11

Die gesetzlichen Renten wurden am 1. Juli 2015 in den alten Bundesländern um 2,1 % erhöht.

12

Die Beklagte nahm keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach der vor dem 01. Juli 2015 eingeleiteten Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats – und gegen deren ausdrücklichen Wunsch – durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat nach dem 01. Juli 2015 konzernweit den Beschluss, die Rentenanpassung nach dem BVW zum 01. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Dabei erfolgte tatsächlich nur eine Erhöhung der V2 Rente, nicht hingegen der V1-Rente.

13

Dementsprechend wurden die Versorgungsbezüge des Klägers, die sich bis zum 30. Juni 2015 auf 3.156,92 € brutto (2.230,85 € brutto V2-Rente und 926,07 € brutto V1-Rente) beliefen, zum 01. Juli 2015 auf 3.168,07 € brutto (2.242,00 € brutto V2-Rente und 926,07 € brutto V1-Rente) erhöht.

14

Der Kläger verlangt mit seiner Klage für die Zeit ab dem 01. Juli 2015 eine Anpassung um weitere 55,15 € brutto pro Monat. Dabei handelt es sich um den der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag, der sich errechnet, wenn die Beklagte die Rentenanpassung im Umfang von 2,1 % auf die von der Beklagten geleisteten Versorgungsbezüge vorgenommen hätte.

15

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe rückwirkend in von ihm bereits erworbene Rechte eingegriffen.

16

Der im Umlaufverfahren mit Ablauf der Rückmeldefrist am 9. Oktober 2015 gefasste Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten sei verspätet gefasst worden. Die Erhöhung der Gesamtversorgung hätte gem. § 6 Abs. 2 BVW zum 1. Juli 2015 erfolgen müssen. Da bis zu diesem Zeitpunkt ein Beschluss nicht vorlag, hätte die Versorgung wie in § 6 Abs. 2 BVW vorgesehen erhöht werden müssen. Die Information zur Anpassung der betrieblichen Altersversorgung sei auch nicht wie in den Vorjahren im Juni, sondern erst im Oktober 2015 erfolgt.

17

Die für die reduzierte Erhöhung der Gesamtversorgung angeführte schwierige wirtschaftliche Lage stehe im Widerspruch zu den Darstellungen im Jahresabschluss für das Jahr 2014, in dem die Entwicklung als „vorsichtig optimistisch“ bezeichnet worden sei. Diese Prognosen hätten sich mehr als bestätigt, wie sich aus der Pressemitteilung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2015 vom 23. März 2016 ergeben würde (Anlage K20, Bl. 163 d.A.). In einer Investoren-Information vom April 2015 sei behauptet worden, A. sei noch nie auf einem solideren Stand gewesen. Das Nettoergebnis für die ersten neun Monate des Jahres 2015 habe 8,7% über dem Gewinn des Gesamtjahres 2014 gelegen. Aus den Kapitalanlagen habe die A. D. AG im Jahr 2014 eine Nettoverzinsung von 4,3% erzielt. Es sei auch nicht richtig, dass die aktiven Mitarbeiter, deren Vergütungen in der Zeit von 2010 bis 2015 um 16,53% gestiegen sei, dazu beitragen würden, dass den Rentnern ihre Versorgungsbezüge gezahlt werden könnten. Für diese seien Rückstellungen gebildet worden, bei deren Kalkulation auch eine Rentenerhöhung von 2% berücksichtigt worden sei. Mit diesen Rückstellungen könnten weitere Erträge erzielt werden.

18

Bei der Entscheidung nach billigem Ermessen hätte die Beklagte die Belange des Klägers und ihre wirtschaftliche Lage berücksichtigen müssen. Der Vorbehalt in § 6 Abs. 3 BVW könne nicht dazu führen, dass die Gremien ohne nachvollziehbare Gründe eine versprochene Leistung nicht gewähren könnten. Grund für die Reduzierung der vertraglich zugesagten Erhöhung könne nur eine wirtschaftliche Notlage sein, die den Bestand der Beklagten gefährde. Die reduzierte Erhöhung müsse ein geeignetes Mittel sein, um zur Sanierung des Konzerns beizutragen. Da der Bestand des Konzerns nicht gefährdet sei, sei der Beschluss unwirksam.

19

Der Kläger bestreitet, dass die durchgeführte Günstigerprüfung in den Beschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat vorgesehen gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass in der Information an den Betriebsrat eine solche nicht enthalten war. Wäre eine solche in den Beschlüssen von Aufsichtsrat und Vorstand enthalten gewesen, wäre die Anhörung der Betriebsräte unvollständig und somit der gefasste Beschluss unwirksam.

20

Die Zahlen und Beträge, die als Grundlage für den Beschluss der Gremien der Beklagten dienten, seien außerdem nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar. Daher sei der Beschluss mangelhaft. Außerdem sei er in der Folge nicht umgesetzt worden, weil die Gesamtversorgungsbezüge um einen anderen – höheren – Betrag verändert worden sei als nach diesem Beschluss hätte erfolgen müssen.

21

Der Kläger beantragt,

22

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. Juni 2016 über die bisher gezahlte betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 3.168,07 € brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats weitere 55,15 € brutto, insgesamt demnach eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 3.223,22 € brutto zu zahlen;

23

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Beträge der betrieblichen Altersversorgung für die Zeit von Juli 2015 bis Mai 2016 in Höhe von insgesamt 386,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 55,15 € ab dem 01.07.2015, auf 55,15 € ab dem 01.08.2015, auf 55,15 € ab dem 01.09.2015, auf 55,15 € ab dem 01.10.2015, auf 55,15 € ab dem 01.11.2015, auf 55,15 € ab dem 01.12.2015, auf 55,15 € ab dem 01.01.2016, auf 55,15 € ab dem 01.02.2016, auf 55,15 € ab dem 01.03.2016, auf 55,15 € ab dem 01.04.2016 und auf 55,15 € ab dem 01.05.2016 zu zahlen.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die klagende Partei über die bereits erfolgte Erhöhung der Pensionsergänzung um 0,5 Prozent hinaus keinen Anspruch auf Erhöhung ihrer Versorgungsbezüge habe. Die Entscheidung der Beklagten zur Rentenanpassung im Jahr 2015 sei von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen gedeckt. Die Regelung sei wirksam, insbesondere nicht zu unbestimmt. Sie sei dahin auszulegen, dass der Vorstand jährlich entscheiden müsse, wie der sogenannte Teuerungsausgleich zu erfolgen habe. Halte er eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung nicht für vertretbar, müsse er mit dem Aufsichtsrat über einen angemessenen Ausgleich entscheiden und diesen definieren, wobei Vorstand und Aufsichtsrat eine gemeinsame Entscheidung nach billigen Ermessen treffen müssten. Auslegungsbedürftig sei in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen der Begriff „vertretbar“. Dieser sei aber dahin auszulegen, dass die jährliche gemeinsame Ermessenentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt seien. Dies bedeute, dass eine von § 6 Ziffer 1 negativ abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Ein solcher sachlicher Grund liege der Anpassungsentscheidung der Beklagten zugrunde. Hierbei müsse es sich nicht um wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 16 BetrAVG handeln. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten im Sinne des § 16 Abs. 1 und 4 BetrAVG und die in diesem Zusammenhang vom BAG vorgegebenen Maßstäbe für das rechtmäßige Unterbleiben der gesetzlichen Anpassung seien nicht relevant. In § 6 der Ausführungsbestimmungen sei keine Anlehnung an die Vorschrift des § 16 BetrAVG, sondern vielmehr eine zusätzliche Anpassungsmöglichkeit geregelt. Der erforderliche sachliche Grund folge aus dem Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens der Beklagten, dessen wesentlicher Baustein das Konzept „S.“ bilde. Mit diesem Programm sichere der Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit trotz widriger Rahmenbedingungen für die Zukunft. Grundlage dieses Konzepts sei nicht die wirtschaftliche Lage der Beklagten, sondern deren zukunftsfähige Aufstellung am Markt. Ziel des Konzepts sei u.a. die Einsparung von Personalkosten mit der Folge, dass die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten müssten. Daher sei es angemessen, dass auch die Rentner einen Beitrag leisteten. Hinzu komme, dass das Interesse der klagenden Partei im Hinblick auf einen Teuerungsausgleich als eher gering anzusehen sei, da das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern im BVW – im Vergleich zu anderen Versorgungswerken bei der Beklagten und im A.-Konzern – bereits überdurchschnittlich hoch sei.

27

Der gemeinsame Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat sei auch rechtzeitig erfolgt. Er habe nicht bis zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2015, sondern lediglich mit Wirkung zu diesem Stichtag erfolgen müssen. Dies sei jedoch geschehen. Insbesondere hebe der gemeinsame Beschluss der Gremien nicht eine vorherige automatische Anpassung nach § 6 Ziffer 1 nachträglich wieder auf, sondern ersetze die nach § 6 Ziffer 1 vorzunehmende Anpassung. Eine automatische Erhöhung der Versorgungsbezüge in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente sei in den Ausführungsbestimmungen nicht vorgesehen. Vielmehr sei in jedem Fall eine Prüfung und Entscheidung des Vorstands zur Anpassung der Versorgungsbezüge erforderlich.

28

Ergänzend wird auf den Tatsachenvortrag der Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

29

Die Klage ist zulässig und begründet.

30

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden wie folgt kurz zusammengefasst (§ 313 Abs. 3 ZPO):

31

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 258 ZPO auch der auf künftige Zahlung gerichtete Klagantrag zu 1). Bei Betriebsrentenansprüchen handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen. Diese können grundsätzlich auch für künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Hierbei muss im Rahmen von § 258 ZPO im Gegensatz zu § 259 ZPO nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (vgl. BAG, Urteil v. 19.7.2016, 3 AZR 141/15, Rn 12, juris).

32

2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann von der Beklagten für den Zeitraum 01. Juli 2015 bis 31. Mai 2016 die Zahlung von monatlich weiteren 55,15 € brutto über die in bisheriger Höhe gezahlten Versorgungsbezüge hinaus verlangen (hierzu unter a)). Ein entsprechender Anspruch des Klägers auf monatliche Zahlung eines Betrages in Höhe von 55,15 € brutto besteht zudem fortlaufend für die Zeit ab Juni 2016 (hierzu unter b)).

33

a) Der Zahlungsanspruch des Klägers folgt aus § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen des BVW. Danach werden die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. Die klagende Partei kann danach eine Erhöhung ihrer Gesamtversorgungsbezüge zum 01. Juli 2015 entsprechend der Erhöhung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,1 Prozent verlangen.

34

Die Kammer folgt nach eingehender Prüfung den Ausführungen der Kammer 10 des Arbeitsgerichts Hamburg in deren Urteil vom 07. Oktober 2016 (10 Ca 109/16):

35

Die nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen vorzunehmende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge des Klägers in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente wurde nicht gemäß § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen durch einen hiervon abweichenden gemeinsamen Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat ersetzt. Nach dieser Regelung schlägt der Vorstand, wenn er die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar hält, dem Aufsichtsrat nach Anhörung der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt sodann die Anpassung gemäß § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen.

36

Dem Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat kommt im Hinblick auf die vorzunehmende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge des Klägers im Streitfall keine Bedeutung zu, da die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Regelung folgt aus ihrer fehlenden hinreichenden Bestimmtheit (dazu unter (1)). Sie lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen dahin auslegen, dass sie einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt aufweist (dazu unter 2)).

37

(1) Die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW ist nicht hinreichend bestimmt und verstößt damit gegen das Gebot der Normenklarheit. Dies hat die Unwirksamkeit dieser Regelung zur Folge.

38

(a) Die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen ist zum einen deshalb nicht hinreichend bestimmt, weil sie vorsieht, dass eine von § 6 Ziffer 1 abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge auf Vorschlag des Vorstands möglich ist, wenn der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1nicht für vertretbar hält. Unklar ist hier sowohl, wann eine fehlende Vertretbarkeit der nach Ziffer 1 erfolgenden Anpassung gegeben ist, als auch die Frage, ob es für die Eröffnung der in Ziffer 3 geregelten abweichenden Festsetzung der Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge tatsächlich – entsprechend dem Wortlaut der Regelung – auf die subjektive Einschätzung des Vorstands ankommen soll. Der Regelung ist danach nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen, wann der Anwendungsbereich von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen eröffnet ist und eine Abweichung von der in § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Anpassungsautomatik, wonach die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden, erfolgen kann. Dies ist insbesondere mit Blick darauf, dass § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen letztlich einen Änderungsvorbehalt zugunsten der Beklagten im Hinblick auf die in § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen vorgesehene regelmäßige Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge regelt, unter Berücksichtigung der in § 308 Nr. 4 BGB gesetzlich verankerten Mindestanforderungen für einen - in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - geregelten Änderungsvorbehalt unzureichend. Zwar finden die §§ 305 ff. BGB auf Betriebsvereinbarungen gemäß § 310 Abs. 4 BGB keine Anwendung. Unabhängig hiervon ist der genannten Vorschrift jedoch der allgemeine und damit auch für Betriebsvereinbarungen relevante Rechtsgedanke zu entnehmen, dass die Wirksamkeit einseitiger Änderungsvorbehalte zumindest voraussetzt, dass in der Regelung die Richtung angegeben ist, aus der die Änderung möglich sein soll. Eine solche Angabe fehlt in § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen. Die Formulierung „nicht vertretbar“ bzw. „nicht für vertretbar (...) hält“ gibt keinen Ausschluss darüber, aufgrund welcher Umstände eine abweichende Anpassung der in Ziffer 1 geregelten Regelanpassung möglich ist.

39

(b) Die Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen ist zum anderen aber auch auf der Rechtsfolgenseite nicht hinreichend bestimmt, da nicht ersichtlich ist, in welcher Weise und in welcher Größenordnung bzw. in welchem Umfang eine von § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgen kann. Vielmehr lässt der Wortlaut von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen die Frage nach dem „Wie“ der abweichenden Regelung inhaltlich völlig offen, wenn darin lediglich allgemein die Rede davon ist, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat - nach Anhören der Betriebsräte - zur gemeinsamen Beschlussfassung vorschlägt,„was nach seiner Auffassung geschehen soll“. Damit ist dieser Passus in § 6 Ziffer 3 denkbar weit gefasst und seinem Wortlaut nach nicht nur auf eine von § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen abweichende Anpassung der Höhe nach beschränkt, sondern daneben auch offen für jede andere vom Vorstand vor dem Hintergrund der fehlenden Vertretbarkeit einer nach § 6 Ziffer 1 erfolgenden Anpassung als sinnvoll erachtete Maßnahme.

40

(2) § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen kann auch nicht im Wege der gebotenen gesetzeskonformen Auslegung dahin ausgelegt werden, dass die Regelung einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt aufweist.

41

Für die Auslegung von Betriebsvereinbarung gelten folgende Grundsätze: Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. nur BAG, Urteil v. 8.12.2015, 3 AZR 267/14, Rn 22, juris).

42

Die danach gebotene Auslegung von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW nach den dargelegten Grundsätzen ergibt keinen hinreichend bestimmten Inhalt der Regelung.

43

(a) Das gilt zum einen im Hinblick auf den Begriff der fehlenden Vertretbarkeit („nicht für vertretbar (...) hält“). Zwar macht die Überschrift des § 6 der Ausführungsbestimmungen deutlich, dass die in § 6 geregelte Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge bei einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zum Tragen kommen soll. Dies lässt damit für die Konkretisierung der Formulierung „nicht für vertretbar (...) hält“ in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen den naheliegenden Schluss zu, dass von einer fehlenden Vertretbarkeit im Sinne dieser Regelung nur ausgegangen werden kann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben. Jedoch führt auch diese inhaltliche Eingrenzung nicht zur hinreichenden Bestimmtheit der Regelung. Vielmehr bleibt auch unter Berücksichtigung der Überschrift von § 6 der Ausführungsbestimmungen weiterhin unklar, wann die danach erforderliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben ist. So ist weder bestimmbar, wessen wirtschaftliche Verhältnisse (des Unternehmens? des Konzerns? der allgemeinen Wirtschaftslage?) in diesem Zusammenhang maßgeblich sein sollen noch lässt sich § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen unter Rückgriff auf die Überschrift von § 6 entnehmen, in welcher Weise und in welchem Umfang sich die – nicht näher bestimmten - wirtschaftlichen Verhältnisse (in welchem Zeitraum?) geändert haben müssen, damit von einer fehlenden Vertretbarkeit im Sinne des § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen ausgegangen werden kann.

44

Auch der Rückgriff auf § 315 Abs. 1 BGB und des danach anzusetzenden Prüfungsmaßstab des billigen Ermessens führt nicht zu einer weiteren inhaltlichen Eingrenzung der Frage, wann eine Anpassung nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen im Sinne von § 6 Ziffer 3 nicht vertretbar ist. Zum einen scheidet ein Rückgriff auf § 315 BGB im vorliegenden Zusammenhang von vornherein aus. Denn bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand von der fehlenden Vertretbarkeit der nach § 6 Ziffer 1 regelmäßig vorzunehmenden Anpassung ausgehen kann, handelt es sich nicht um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für die Anwendung des in § 6 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen geregelten Änderungsvorbehalts ist nicht eine einseitig vom Vorstand vorzunehmende Leistungsbestimmung, sondern vielmehr und ausschließlich die von ihm vorzunehmende Einschätzung, dass die in § 6 Ziffer 1 geregelte Regelanpassung nicht vertretbar ist. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht steht dem Vorstand der Beklagten nicht bereits auf der Tatbestandsseite der Regelung und damit bei der Frage, ob eine von § 6 Ziffer 1 abweichende Anpassung der Gesamtversorgung überhaupt möglich ist, sondern vielmehr erst und allenfalls auf der Rechtsfolgenseite, d.h. konkret bei der Frage zu, in welcher Weise die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge vorzunehmen ist, wenn die Regelanpassung nicht vertretbar ist bzw. von einer fehlenden Vertretbarkeit ausgegangen werden darf. Selbst wenn man insoweit unterstellte, dass auch auf die vom Vorstand vorzunehmende Einschätzung, dass die Regelanpassung der Gesamtversorgungsbezüge nicht vertretbar ist, § 315 BGB und damit der ihn ihm vorgesehene Maßstab des billigen Ermessen jedenfalls entsprechend anzuwenden ist, führt dies im Ergebnis zu keiner ausreichenden hinreichenden Eingrenzung des Begriffs der Vertretbarkeit. Mangels Vorliegens inhaltlicher Vorgaben für die vom Vorstand vorzunehmende Einschätzung ginge auch eine Konkretisierung des Wortlauts der Regelung mittels des Maßstabs des billigen Ermessens vollständig ins Leere.

45

Die in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen enthaltene Formulierung„für unvertretbar hält“ ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dann als hinreichend bestimmt zu bewerten, wenn man die Formulierung – wie es die Beklagte tut - dahin auslegt, dass die jährliche gemeinsame Ermessenentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt seien, was bedeute, dass eine von § 6 Ziffer 1 zu Lasten der Versorgungsempfänger abweichende Anpassung einen sachlichen Grund voraussetze. Auch diese Auslegung ermöglicht keine weitere Konkretisierung dessen, wann denn ein solcher sachlicher Grund anzunehmen ist, sondern führt letztlich lediglich dazu, dass die unbestimmte Formulierung „nicht für vertretbar (...) hält“ um einen weiteren unbestimmten Begriff, nämlich den des Sachgrundes, ergänzt wird, ohne dass hierdurch ein inhaltlicher Mehrwert erzeugt würde, zumal die Beklagte in diesem Zusammenhang zugleich darauf verweist, dass es sich bei dem danach erforderlichen Sachgrund jedenfalls nicht um wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 16 Abs. 1 und 4 BetrAVG handele und die in diesem Zusammenhang vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Maßstäbe für das rechtmäßige Unterbleiben der gesetzlichen Anpassung nicht relevant seien. Kommt jedoch ein Rückgriff auf die in § 16 BetrAVG normierten bzw. zu dieser Vorschrift entwickelten Kriterien im Rahmen der Auslegung von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen nicht in Betracht - wovon auch aus Sicht der erkennenden Kammer allein deshalb auszugehen ist, weil die Betriebspartner in § 6 der Ausführungsbestimmung offensichtlich eine Anpassungsregelung getroffen haben und treffen wollten, die unabhängig von der gesetzlichen Anpassungspflicht zum Tragen kommen sollte - bleibt der von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführte erforderliche Sachgrund vollkommen inhaltsleer und kann davon daher zur inhaltlichen Eingrenzung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen enthaltenen - unbestimmten - Formulierung nichts beitragen.

46

(b) Die gebotene Auslegung von § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen führt auch im Hinblick auf die auf der Rechtsfolgenseite enthaltene Formulierung, wonach der Vorstand dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vorschlägt,„was nach seiner Auffassung geschehen soll“, nicht zu einer hinreichenden inhaltlichen Eingrenzung.

47

Wie bereits dargelegt, erfasst die Formulierung ihrem Wortsinn nach nicht nur Vorschläge des Vorstands zur Höhe der jeweiligen Rentenanpassung, sondern grundsätzlich auch jede andere Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge wie beispielsweise eine Erhöhung lediglich geringerer Versorgungsbezüge bis zu einem bestimmten Maximalwert etc. Auch aus dem Gesamtzusammenhang oder der Systematik der Regelungen lässt sich keine weitere Konkretisierung dessen, welche Maßnahmen der Vorstand dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vorschlagen darf, entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Überschrift des § 6 der Ausführungsbestimmungen („Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“) nicht ableiten, dass es sich bei dem Vorstand vorzuschlagenden Maßnahmen lediglich um eine im Vergleich zur Anpassung nach § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen geringfügigere Anpassung der Höhe nach handeln kann. Vielmehr spricht im Gegenteil die sich aus den Bestimmungen des BVW im Einzelnen ergebende und durchaus komfortable Gesamtversorgungszusage sogar eher dafür, dass die Betriebsparteien bei Abschluss der Betriebsvereinbarung das praktische Bedürfnis gesehen haben, der in § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen geregelten Anpassungsautomatik in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente ein im Ausnahmefall zum Tragen kommendes inhaltlich durchaus weitreichendes Korrektiv in Gestalt eines umfassenden Änderungsvorbehalts entgegenzusetzen.

48

(3) Die aufgezeigte Unwirksamkeit der Regelung in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen führt nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung. Nach dem in § 139 BGB verankerten Rechtsgedanken sowie nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung führt die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung nur dann zur Unwirksamkeit der übrigen Regelungen, wenn diese ohne die unwirksamen Teile der Betriebsvereinbarung keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellen (vgl. nur BAG, Beschluss v. 21. 01. 2003, 1 ABR 9/02, juris). Dies ist hier nicht der Fall. Die übrigen Regelungen in den Ausführungsbestimmungen des BVW stellen auch ohne § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar, zumal sich mit Hilfe von § 6 Ziffern 1 und 2 eindeutig entnehmen lässt, wie und in welcher Höhe die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge vorzunehmen ist. Es bleibt demnach im Streitfall bei dem in § 6 Ziffer 1 der Anpassungsbestimmungen geregelten Anspruch der Versorgungsempfänger und damit auch der klagenden Partei auf Anpassung ihrer Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung.

49

(4) Der Anspruch auf Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge in Höhe der Entwicklung der gesetzlichen Rente unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rente hat zur Folge, dass dem Kläger beginnend ab dem Monat Juli 2015 gegen die Beklagte ein Anspruch auf eine weitere Zahlung in Höhe von 55,15 € brutto zusteht.

50

Der Betrag errechnet sich wie folgt: Die dem Kläger bis zum 01. Juli 2015 zustehenden Versorgungsbezüge in Höhe von 3.156,92 € brutto sind um 2,1 Prozent auf 3.223,22 € brutto zu erhöhen. Hiervon ist die V1-Rente (926,07 € brutto) in Abzug zu bringen. Dies führt zu einer Pensionsergänzung in Höhe von 2.297,15 € brutto, von der die tatsächlich ab dem 01. Juli 2015 seitens der Beklagten geleistete V2-Rente in Höhe von € 2.242,00 € abzuziehen ist.

51

(5) Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge ist zum letzten Tag des jeweiligen Monats fällig, so dass sich die Beklagte mit der Zahlung mit Ablauf des jeweils Monatsletzten in Verzug befand. Dies gilt aufgrund der in § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen des BVW geregelten Anpassungsautomatik auch im Hinblick auf die Anpassung in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente, da dieser Anspruch direkt aus § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen resultiert und aufgrund der vorstehend dargelegten Unwirksamkeit der Regelung des § 6 Ziffer 3 nicht der gerichtlichen Bestimmung im Sinne von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedarf.

52

b) Auch der auf künftige wiederkehrende Zahlung ab Juni 2016 gerichtete Klagantrag zu 1) ist begründet. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen zu dem Klagantrag zu 2) steht dem Kläger auch für die Zeit ab Juni 2016 ein Anspruch gegen die Beklagte auf monatliche Zahlung weiterer 55,15 € brutto zu.

II.

53

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG). Der Gebührenstreitwert beläuft sich gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GKG auf das 36-fache der geltend gemachten monatlichen Rentendifferenz, mithin auf 1.985,40 €.

54

Der Rechtsmittelstreitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 3, 9 ZPO in Höhe der 42-fachen monatlichen Klageforderung zuzüglich des für die Vergangenheit bezifferten Betrages in dem Klageantrag zu 2 festzusetzen.

55

Für den Fall, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, war die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG für die Beklagte gesondert zuzulassen, weil die Auslegung von § 6 BVW eine Vielzahl von Parallelverfahren betrifft und damit gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG grundsätzliche Bedeutung hat. Für den Kläger war die Berufung nicht gesondert zuzulassen, weil insoweit kein Zulassungsgrund gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. April 2015 - 6 Sa 1506/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgelterhöhung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder Gleichbehandlung.

2

Die zwischen der nicht tarifgebundenen Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossene „Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem vom 8. April 2010“ (im Folgenden GBV) lautet auszugsweise:

        

„Präambel

        

Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, die bisherige Vergütungspraxis zu systematisieren.

        

Ziele dieser Gesamtbetriebsvereinbarung sind insbesondere, die Schaffung einer eindeutigen Beziehung zwischen Aufgaben und Anforderungen sowie dem Gehalt und die Definition von Entgeltdifferenzierungen durch Vergütungsgruppen, die als motivierend und leistungssteigernd empfunden werden.

        

Das insoweit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zugrunde liegende Entgeltsystem basiert unter anderem auf Funktionsbewertungen, einer Vergütungsstruktur in Form von Gehaltsbändern und einem Stationsbonus.

        

…       

        

2       

Funktionsbewertungssystem

        

2.1     

Ausgangspunkt für die Definition der individuellen Grundvergütung der Mitarbeiter ist eine Funktionsbewertung aller bei der Arbeitgeberin vorkommenden Funktionen.

                 

Die Funktionen wurden nach den acht Bewertungskriterien

                 

- Fachwissen

                 

- Unternehmenskenntnis

                 

- Soziale Kompetenz und Führungsqualität

                 

- Denkrahmen

                 

- Schwierigkeitsgrad

                 

- Entscheidungsfreiraum

                 

- Einflussgröße

                 

- Einfluss auf Zielerreichung

                 

bewertet.

                 

Jedem Kriterium ist eine Punkteskala zugeordnet, auf der im Bewertungsprozess das jeweilige Anforderungsniveau mit einem Punktwert festgelegt wird (Bewertungstabelle, Anlage 1).

                 

Die Addition der Punktwerte der acht Bewertungskriterien führt zu einer Gesamtpunktsumme. Auf dieser Basis erfolgt eine Zuordnung der Funktionen zu einer der Vergütungsgruppen und den damit verbundenen Gehaltsbändern (Vergütungsgruppen, Anlage 2).

        

…       

        
        

3       

Vergütungsstruktur

        

3.1     

Ausgehend von den Grundsätzen der Funktionsbewertung (vgl. oben 2) erfolgt die individuelle Grundgehaltsermittlung für den einzelnen Mitarbeiter auf der Basis eines Gehaltsbandsystems. Dabei wird unter Grundgehalt das Monatsentgelt oder der Stundenlohn (Stundenlohn multipliziert mit dem durchschnittlichen monatlichen Stundensatz) ohne Zuschläge verstanden.

        

3.2     

Es werden sechs Vergütungsgruppen gebildet. Den Vergütungsgruppen 1 bis 5 sind eine Bandunterlinie und eine Bandoberlinie zugeordnet; der Vergütungsgruppe 6 eine Bandunterlinie.

        

3.3     

Die Bandober- und -unterlinien werden jährlich angepasst. Sie werden um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres angepasst.

        

4       

Ermittlung und Festlegung des individuellen Grundgehalts

        

4.1     

Alle Mitarbeiter werden grundsätzlich in die Vergütungsgruppe eingestuft, die für die von ihnen ausgeübte Funktion ermittelt wurde. Mitarbeiter, die die Funktion, die sie besetzen, noch nicht vollständig ausfüllen, werden zunächst im unteren Bereich der Vergütungsgruppe eingestuft und werden schrittweise in Abhängigkeit von ihrer Leistung gehaltlich in der Vergütungsgruppe entwickelt (Funktionseinsteiger).

        

4.2     

Durch die Bandunterlinie und die Bandoberlinie ist jeweils der Entgeltkorridor vorgegeben, innerhalb dessen das individuelle Grundgehalt liegen kann. Die tatsächliche Festlegung des Grundgehalts erfolgt durch den Vorgesetzten.

        

4.3     

Das Grundgehalt wird jährlich am dritten Donnerstag im Oktober überprüft. Der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz wird zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgestimmt. Für die Bestimmung werden die Entwicklung der Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisindex gemäß statistischem Bundesamt in den letzten 12 Monaten) und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens herangezogen.

        

…       

        
        

9       

Besitzstandsregelung und Einmalzahlungen

        

…       

        
        

9.2     

Mitarbeiter, deren Grundgehaltserhöhung nach 4.3 zum Überschreiten der Bandoberlinie führen würde, erhalten eine Erhöhung bis zur Bandoberlinie. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird, multipliziert mit 12, als Einmalzahlung gewährt.

        

9.3     

Lag das Grundgehalt bereits vor der Erhöhung über der Gehaltsoberlinie wird anstelle einer Grundgehaltserhöhung eine Einmalzahlung gewährt. Deren Höhe bemisst sich nach dem berechnetem Erhöhungsbetrag nach 4.3, multipliziert mit 12.

        

…“    

        
3

Der Kläger ist seit Jahren bei der Beklagten angestellt. Er ist als Shiftleader der Vergütungsgruppe 5 zugeordnet. Die Beklagte erhöhte sein Gehalt im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 2,5 % und im Jahr 2013 um 2,0 %. Im Jahr 2014 erhielt weder der Kläger noch ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten eine Gehaltserhöhung.

4

Die Bandunter- und Bandoberlinien wurden im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 1,5 %, im Jahr 2013 um zumindest 2,0 % - nach dem Behaupten der Beklagten um 2,5 % - und im Jahr 2014 um 2 % erhöht.

5

Mit der vorliegenden, mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die Erhöhung seines Grundgehalts ab 1. Januar 2014 entsprechend der im Jahr 2014 vorgenommenen Erhöhung der Bandlinien verlangt. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, künftig Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Bandlinienerhöhung vorzunehmen. Er hat geltend gemacht, nach den Regelungen der GBV habe einer Bandlinienerhöhung zwingend eine Anhebung der Grundgehälter in gleicher Höhe zu folgen. Bei einem anderen Verständnis verstießen die Regelungen der GBV gegen § 2 KSchG und § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil sich die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien verschlechtere. Dies stelle einen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar. Zudem führe eine andere Sichtweise zur Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft würden. Solche Mitarbeiter würden besser behandelt, weil ihr Gehalt entsprechend der Bandlinienerhöhung anzupassen sei, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden. Der Anspruch auf Gehaltserhöhung folge zudem aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe durch die wiederholte Anhebung des Grundgehalts entsprechend der Erhöhung der Bandlinien einen Vertrauenstatbestand gesetzt, künftig in gleicher Weise zu verfahren.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 698,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers ab dem Monat Februar 2015 um 53,76 Euro brutto zu erhöhen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers zukünftig jeweils in der Höhe zu erhöhen, in welcher die Beklagte die Bandlinien erhöht.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die GBV sehe lediglich eine jährliche Überprüfung der Grundgehälter vor. Aus einer Erhöhung des Grundgehalts folge zwar die Verpflichtung, die Bandlinien zu erhöhen, aus einer Bandlinienerhöhung ergäben sich aber keine Konsequenzen für die Entwicklung der Gehälter.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen und die Klage, wie zwar nicht ausdrücklich tenoriert, aber den Entscheidungsgründen zu entnehmen, im Übrigen insgesamt abgewiesen.

10

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung ab 1. Januar 2014 um 2 % und auf künftige Gehaltserhöhungen im Umfang der jeweiligen Erhöhung der Bandlinien. Er kann deshalb weder weitere Zahlungen für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 noch die beantragten Feststellungen verlangen.

11

1. Die Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem begründet keine Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt des Klägers entsprechend der Bandlinienerhöhung anzuheben. Ein Anspruch folgt weder aus 3.3 GBV noch aus 4.3 GBV. Dies ergibt die Auslegung der GBV (zu den Auslegungsregeln vgl. st. Rspr.: BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 26; 13. Oktober 2015 - 1 AZR 853/13 - Rn. 22).

12

a) Nach 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV sind die Bandober- und Bandunterlinien jährlich um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres anzupassen. Damit steht der Wortlaut der Regelung der vom Kläger vertretenen Auslegung entgegen, Gehaltserhöhungen seien im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. 3.3 Satz 2 GBV regelt ausdrücklich die Erhöhung der Bandlinien in Abhängigkeit von der Erhöhung der Grundgehälter. Bandlinienerhöhungen sind als Folge von Gehaltserhöhungen zu vollziehen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen. Dem entspricht die Formulierung in 3.3 Satz 1 GBV, Bandober- und Bandunterlinien sind jährlich anzupassen. Bezugsgröße der Bandlinienanpassung ist nach 3.3 Satz 2 GBV stets der Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres. Unterbleibt eine Gehaltserhöhung, ist eine „Anpassung“ der Bandlinien hinfällig. Ein anderes Verständnis führte nicht zu einem sachgerechten und praktisch brauchbaren Ergebnis. Die vom Kläger vertretene Auslegung setzte bei einmaliger Erhöhung der Grundgehälter einen Kreislauf in Gang, indem die Bandlinien entsprechend der Erhöhung der Grundgehälter und die Grundgehälter entsprechend den Bandlinien zu erhöhen wären. Hierfür bietet die GBV keinen Anhaltspunkt.

13

b) Aus 4.3 Satz 1 GBV ließe sich allenfalls ein Anspruch auf Überprüfung der Gehaltssituation herleiten, nicht aber auf Erhöhung der Grundgehälter (vgl. BAG 16. September 1998 - 5 AZR 598/97 - zu I 1 b der Gründe). Ebenso wenig folgt ein Anspruch aus 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV.

14

aa) Der - wie die Beklagte - nicht tarifgebundene Arbeitgeber bestimmt autonom das Volumen der zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitgestellten Mittel und entscheidet über zukünftige Aufstockungen dieses Volumens. Mangels Tarifgebundenheit leistet er sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21, BAGE 127, 297). Lediglich für die Ausgestaltung, also den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Daher ist die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, mitbestimmungsfrei. Allerdings kann der Arbeitgeber freiwillig gegenüber dem Betriebsrat eine Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen oder insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. Dies kann in einer eigenen freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG oder im Rahmen einer ansonsten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmten Betriebsvereinbarung geschehen. Die Übernahme einer derartigen, gesetzlich nicht gebotenen und in der Praxis ungewöhnlichen Verpflichtung muss aber gerade im letztgenannten Fall deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b aa der Gründe; 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 13).

15

bb) Ein Wille der Beklagten, sich bei der Gehaltshöhe ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu begeben, kommt in der GBV nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV bestimmen lediglich, dass der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen sei. Die Regelung lässt sich nahtlos in die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben einfügen, indem angenommen wird, die Abstimmung nach 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV sei nur im Fall einer von der Beklagten zuvor getroffenen Erhöhungsentscheidung vorzunehmen und diene lediglich ihrer Umsetzung. Hierfür spricht auch die Unbestimmtheit des nach 4.3 Satz 3 GBV bei der Abstimmung ua. heranzuziehenden Kriteriums „wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b bb der Gründe). Wie diese Lage zu bestimmen ist und bei welcher Lage eine Gehaltserhöhung vorzunehmen wäre, regelt die GBV nicht.

16

cc) Erst Recht ergibt sich aus 4.3 GBV kein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Bandlinien und der Erhöhung der Grundgehälter. Die Erhöhung der Bandlinien ist in 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV nicht als Kriterium genannt.

17

c) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfordert keine Erhöhung der Grundgehälter als Folge einer Bandlinienanpassung. Diese Bestimmung schützt den einzelnen Arbeitnehmer nicht davor, dass sich bei gleichbleibender Vergütungshöhe die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien ändert.

18

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Sie sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13).

19

bb) Die GBV regelt Entlohnungsgrundsätze. Sie stellt in 3.3 GBV und 4.3 GBV mit der Zuordnung bestimmter Funktionen zu Gehaltsbändern abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung auf (vgl. BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13). Die Entgeltordnung selbst ordnet die Anpassung des Gehaltsbands als Folge der Entgelterhöhung des Vorjahres an. Damit steht die Position des Grundgehalts des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb der Bandlinie unter dem Vorbehalt der Anpassung der Bandlinien an Gehaltserhöhungen. Die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, unterliegt, wie bereits ausgeführt, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Deshalb kann sich eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht aus dem Fehlen einer die Beklagte verpflichtenden Regelung ergeben.

20

d) Die Regelungen der GBV sind mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) vereinbar.

21

aa) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 406/13 - Rn. 24). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 43/12 - Rn. 18; 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 20).

22

bb) Eine Gruppenbildung, die zwischen neu eingestellten und länger beschäftigten Arbeitnehmern differenziert, nimmt die GBV nicht vor. Sonderregelungen enthält die GBV lediglich in 4.1 Satz 2 für „Funktionseinsteiger“ und 9.1 bis 9.3 für Überschreiter. Unterstellte man zugunsten des Klägers, die GBV sähe bei nach einer Gehaltserhöhung auf der Bandunterlinie eingestuften Mitarbeitern, wenn diese als Folge der Bandlinienanpassung nach 3.3 GBV aus der Bandlinie „herausfielen“, eine Gehaltserhöhung vor, gölte dies gleichermaßen für alle hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Mitarbeiter deren Gehalt, wie das des Klägers, auch nach der Bandlinienanpassung im Rahmen des Entgeltkorridors liegt, befänden sich mit diesen Mitarbeitern nicht in einer vergleichbaren Lage. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kommt deshalb nicht in Betracht.

23

e) Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Erhöhung der Bandlinien ohne entsprechende Erhöhung der Grundgehälter verstößt weder gegen § 2 KSchG noch führt sie zu dessen Umgehung.

24

aa) 3.3 GBV und 4.3 GBV haben keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers zur Folge. Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 KSchG tritt allein bei einer Veränderung der Vertragsbedingungen ein. § 2 Satz 1 KSchG greift nur ein, wenn die Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen nicht zu erreichen ist. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen(BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328). Eine bestimmte Position der Vergütung des Klägers innerhalb der Bandlinien haben die Parteien nicht vereinbart. Sie ergibt sich lediglich als Reflex der GBV und hat nicht den Status einer Vertragsbedingung.

25

bb) § 2 KSchG wird durch 3.3 GBV und 4.3 GBV nicht umgangen. Diese Regelungen greifen nicht in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt. Die nach den Bestimmungen der GBV unter dem Vorbehalt künftiger Anpassungen stehende Position des Klägers innerhalb der Bandlinien berührt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht.

26

2. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.

27

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

28

b) Die Voraussetzungen der Entstehung einer betrieblichen Übung sind danach nicht erfüllt.

29

aa) Es sind keine Umstände gegeben, aus denen geschlossen werden könnte, die Beklagte habe in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen als Folge von und gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen. Allein die Übereinstimmung der Erhöhungssätze in einzelnen Jahren lässt einen solchen Schluss nicht zu. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte musste der Kläger Bandlinienerhöhungen als Umsetzung der Regelungen in 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV verstehen, dh. als Folge von Gehaltserhöhungen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen.

30

bb) Die vom Kläger vertretene Auslegung der GBV, nach 3.3 GBV, 4.3 GBV seien Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen, führte zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, Gehaltserhöhungen gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen, stellte dies lediglich einen vermeintlichen Normenvollzug dar, der nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führte (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 300/11 - Rn. 60; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

31

cc) Mit den Gehaltserhöhungen der Jahre 2011 bis 2013 für sich genommen, hat die Beklagte ebenfalls keine betriebliche Übung begründet.

32

(1) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, dh. auf Dauer vornehmen (vgl. zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen: BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 21). Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Mit den freiwilligen Entgeltsteigerungen entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Erhöhungen künftig überhaupt oder nach einem bestimmten Schema vorzunehmen (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 22).

33

(2) Danach hat die Beklagte durch die freiwilligen Gehaltserhöhungen in der Vergangenheit, selbst wenn man unterstellt, sie habe diese parallel zu den Bandlinienerhöhungen vorgenommen, keine betriebliche Übung begründet, auf die der Kläger die geltend gemachten Ansprüche stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Erhöhungspraxis der vergangenen Jahre hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für den Kläger erkennbar der Wille ergäbe, sich unter Aufgabe ihrer Entscheidungsfreiheit auf Dauer zu Erhöhungen zu verpflichten. Gegen einen Verpflichtungswillen der Beklagten spricht zudem 4.3 GBV. Aufgrund der Regelung konnte der Kläger nicht annehmen, sein Gehalt würde fortlaufend jährlich erhöht. Er musste vielmehr davon ausgehen, die Beklagte habe sich von Jahr zu Jahr nach einer Überprüfung zu Erhöhungen entschlossen.

34

3. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

35

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers voraus. Im Bereich der Vergütung findet der Grundsatz Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, BAGE 149, 78; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 19, BAGE 149, 69). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 57, BAGE 140, 291). Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, aaO; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, aaO).

36

b) Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet.

37

aa) Die Beklagte hat im Jahr 2014 ihren Arbeitnehmern, auch den neu eingestellten, keine Gehaltserhöhungen gewährt. Eine Ungleichbehandlung, die einen Anspruch des Klägers begründen könnte, scheidet deshalb aus.

38

bb) Selbst wenn man unterstellt, nach den Regelungen der GBV sei das Gehalt von Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft wurden, anzupassen, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden und die Beklagte habe entsprechende Erhöhungen vorgenommen, wäre der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet. Der bloße - ggf. vermeintliche - Normvollzug enthält keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers. Eine solche trifft der Arbeitgeber erst dann, wenn er freiwillig, dh. ohne rechtliche Verpflichtung über die Vertragserfüllung hinaus Leistungen gewährt (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 20, BAGE 148, 139; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 21, BAGE 149, 69).

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch     

        

    Mandrossa     

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 29. November 2011 - 1 Sa 541 c/10 - aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22. September 2010 - ö. D. 3 Ca 1368 b/10 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Versorgungszuschusses.

2

Die im Januar 1946 geborene Klägerin war vom 1. April 1980 bis zum 31. Januar 2009 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie war wegen der Erziehung ihrer beiden in den Jahren 1965 und 1968 geborenen Kinder vom 1. April 1965 bis zum 31. Oktober 1971 nicht berufstätig. Seit dem 1. Februar 2009 bezieht sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von der Beklagten einen Versorgungszuschuss iHv. 1.098,84 Euro brutto monatlich nach der Dienstvereinbarung Nr. 1 vom 7. Juli 1997 (im Folgenden: DV Nr. 1). Diese bestimmt ua.:

        

„Vorbemerkung

➢ Die Landesbank räumt durch diese Dienstvereinbarung allen unbefristet*) angestellten sowie den im Vorruhestand befindlichen Betriebsangehörigen einen Rechtsanspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung ein. Das gleiche gilt für den Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. …

                 

§ 1

        

Gesamtversorgung

➢ Der Versorgungsanspruch - d.h. die Gesamtversorgung - der Betriebsangehörigen und ihrer Hinterbliebenen setzt sich im allgemeinen zusammen aus:

                 

a)    

Rente der gesetzlichen Sozialversicherung*) und/oder entsprechende Leistungen anderer Einrichtungen,

                 

b)    

Rente aus der Gruppenversicherung bei der P Leben - Versicherungsanstalt Schleswig-Holstein - und/oder Leistungen entsprechender anderer Einrichtungen,

                 

c)    

Versorgungszuschuß der Landesbank.

                                   
        

Rechtsanspruch

➢ Auf den Versorgungszuschuß der Landesbank wird durch diese Dienstvereinbarung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen begründet.

                 

§ 2

        

Zahlungszeitpunkt

➢ Der Versorgungszuschuß wird nach insgesamt mindestens 10jähriger Betriebszugehörigkeit (ganz- oder halbtags) ab Eintritt des Versorgungsfalls gezahlt. Der Versorgungsfall ist eingetreten, sobald die Sozialversicherung verpflichtet ist

                 

a)    

zur Zahlung eines Altersruhegeldes …

                 

…       

                 

§ 4

        

Berechnungsgrundlage für Versorgung

➢ Die Höhe der Gesamtversorgung bzw. der Hinterbliebenenversorgung wird in entsprechender Anwendung der für Beamte des Landes Schleswig-Holstein geltenden Grundsätze errechnet.

                 

Maßgebende Kriterien für die Festsetzung des Versorgungszuschusses sind

        

a)    

Dienstjahre

        

b)    

Gehalt

        

c)    

Renten gem. § 1 a und b.

                          
                 

Durch den Versorgungszuschuß der Landesbank darf die Gesamtversorgung - einschließlich eines gem. § 7 nicht angerechneten Rententeils - 75 v.H. des zuletzt bezogenen Gehalts (§ 5) nicht übersteigen.

                 

…       

                 

§ 5

        

Versorgungsfähiges Gehalt

➢ Das zuletzt bezogene Gehalt, das der Berechnung des Versorgungszuschusses zugrundegelegt wird, besteht aus dem tariflichen Monatsgehalt und den sog. übertariflichen Zulagen. Funktionszulagen (z.B. Erschwernis-, EDV-Zulagen), Sozialzulagen, Überstundenvergütungen und Sonderzahlungen jeder Art gelten nicht als übertarifliche Zulagen.

                 

Wenn im Einzelfall als Vergütung ein Jahresgehalt vereinbart worden ist, gilt als Berechnungsgrundlage 1/12 dieses Jahresgehalts.

                 

§ 6

        

Vordienstzeiten

➢ Bei der Errechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstjahre kann die Tätigkeit bei einem privaten Kreditinstitut der Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut gleichgestellt werden.

                 

§ 7

        

Rentenanrechnung

➢ Renten, die ein Versorgungsberechtigter aufgrund nicht ausschließlich eigener Leistungen von der Sozialversicherung, der P Leben - Versicherungsanstalt Schleswig-Holstein - oder von entsprechenden Anstalten oder Einrichtungen erhält, sind auf die Gesamtversorgung anzurechnen. …“

3

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung eines höheren Versorgungszuschusses begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, für jedes ihrer beiden Kinder müsse ein Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG gewährt werden. Dieser Zuschlag habe bis zum 30. Juni 2009 monatlich 26,55 Euro und ab dem 1. Juli 2009 monatlich 27,19 Euro pro Kind betragen. Der Anspruch auf Gewährung des Kindererziehungszuschlags ergebe sich aus § 4 Abs. 1 DV Nr. 1, der hinsichtlich der Versorgung auf die für Beamte des Landes Schleswig-Holstein geltenden Grundsätze des Beamtenversorgungsrechts verweise.

4

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Monate Februar 2009 bis Juni 2010 einen weiteren Versorgungszuschuss in Höhe von 918,06 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr im Rahmen der Gesamtversorgungszusage bei der Berechnung des Versorgungszuschusses einen Kindererziehungszuschlag entsprechend § 50a BeamtVG für eine Kindererziehungszeit von 24 Kalendermonaten zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht entsprochen und der Klage stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet.

8

I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Antrag zu 2. Dieser ist in der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und erfüllt die für einen Feststellungsantrag erforderlichen Voraussetzungen nach § 256 ZPO.

9

1. Mit dem Klageantrag zu 2. begehrt die Klägerin trotz der missverständlichen Formulierung unzweifelhaft die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihr den in § 50a BeamtVG normierten Kindererziehungszuschlag als Teil des geschuldeten Versorgungszuschusses zu gewähren. Mit diesem Inhalt ist der Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin erstrebt eine Erhöhung ihres Versorgungszuschusses um den Kindererziehungszuschlag für die Dauer von 24 Monaten, wobei sich - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - die Höhe des Zuschlags an der Regelung des § 50a BeamtVG in seiner jeweiligen Fassung orientieren soll. Das Klagebegehren richtet sich somit nicht darauf, die Zeiten der Kindererziehung bei der Berechnung des Versorgungszuschusses als ruhegeldfähige Dienstjahre zu berücksichtigen, sondern auf die Gewährung des Kindererziehungszuschlags nach § 50a BeamtVG.

10

2. Für diesen Antrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da die Beklagte die Verpflichtung zur Gewährung eines Kindererziehungszuschlags nach § 50a BeamtVG bestreitet. Soweit sich der Feststellungsantrag auf die Zeit vom 1. Februar 2009 bis zum 30. Juni 2010 bezieht, handelt es sich im Übrigen um eine Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO, für die ein besonderes Feststellungsinteresse nicht erforderlich ist.

11

II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin den Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG(seit 1. März 2012: § 58 Beamtenversorgungsgesetz Schleswig-Holstein - SHBeamtVG vom 26. Januar 2012 [GVOBl. S. 153]) zu gewähren. Dies ergibt die Auslegung der DV Nr. 1. Der Kindererziehungszuschlag zählt nicht zu den von § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 in Bezug genommenen Grundsätzen des Beamtenversorgungsrechts.

12

1. Dienstvereinbarungen sind - ebenso wie Betriebsvereinbarungen - wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen (BVerwG 3. Dezember 2001 - 6 P 12/00 - zu II 1 b aa der Gründe). Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Parteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. zu Betriebsvereinbarungen BAG 24. April 2013 - 7 AZR 523/11 - Rn. 33; 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 49 mwN).

13

2. Danach ist der Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG nicht Teil des Versorgungszuschusses.

14

a) Nach § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 errechnet sich die Höhe der Gesamtversorgung in entsprechender Anwendung der für Beamte des Landes Schleswig-Holstein geltenden Grundsätze. § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 erklärt damit nach seinem Wortlaut nicht das Beamtenversorgungsgesetz insgesamt für anwendbar, sondern verweist auf die Grundsätze, nach denen sich die Versorgung der schleswig-holsteinischen Beamten bestimmt. Für die Anwendung dieser Grundsätze enthält die DV Nr. 1 eigenständige, von den Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts abweichende Festlegungen, etwa zum Zahlungszeitpunkt des Versorgungszuschusses (§ 2 DV Nr. 1), zu dem versorgungsfähigen Gehalt und dazu, welche Vergütungsbestandteile hierzu zählen (§ 5 DV Nr. 1), zur Berücksichtigung von Vordienstzeiten (§ 6 DV Nr. 1) und zur Anrechnung von Renten auf die Gesamtversorgung (§ 7 DV Nr. 1). Es sollen daher nicht sämtliche Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für den Versorgungszuschuss maßgeblich sein; vielmehr soll sich die Versorgung der unter die DV Nr. 1 fallenden Beschäftigten unter Berücksichtigung der in der DV Nr. 1 getroffenen Vorgaben an den grundlegenden Prinzipien orientieren, nach denen sich die Versorgung der Beamten richtet.

15

Es gehört seit jeher zu den grundlegenden Prinzipien des Beamtenrechts, dass sich die Versorgung nach der dem zuletzt wahrgenommenen Amt entsprechenden Besoldungsgruppe sowie der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG; ebenso: § 4 Abs. 3 SHBeamtVG) und ein bestimmter Versorgungsgrad (vgl. § 14 BeamtVG ggf. iVm. § 85 BeamtVG; ebenso: § 16 SHBeamtVG) sichergestellt wird. Eine Versorgung erfolgt nach den Grundsätzen des Beamtenversorgungsrechts und ist deshalb beamtenmäßig, wenn es sich um eine an der zuletzt bezogenen Vergütung und der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit orientierte Versorgung mit einem dem Beamtenversorgungsrecht entsprechenden Versorgungsgrad handelt (vgl. etwa BAG 17. September 2013 - 3 AZR 421/11 - Rn. 33; 11. März 2008 - 3 AZR 719/06 - Rn. 40; 13. November 2007 - 3 AZR 717/06 - Rn. 29). Hiervon geht auch die DV Nr. 1 aus. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 4 Abs. 2 DV Nr. 1, welche die in § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 in Bezug genommenen Grundsätze konkretisiert. Danach sind maßgebende Kriterien für die Festsetzung des Versorgungszuschusses die Dienstjahre, das Gehalt und die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Gruppenversicherung (§ 1 Abs. 1 Buchst. a und b DV Nr. 1). Die Gesamtversorgung soll daher in Abhängigkeit von der zuletzt bezogenen Vergütung und den anrechenbaren Dienstjahren (§ 4 Abs. 3 BeamtVG) festgelegt werden, von der anschließend die nach § 7 DV Nr. 1 anzurechnenden Versorgungsleistungen in Abzug gebracht werden.

16

Zu diesen beamtenversorgungsrechtlichen Grundprinzipien zählt der Kindererziehungszuschlag nach § 50a BeamtVG (jetzt: § 58 SHBeamtVG) nicht. Er bemisst sich weder nach dem zuletzt bezogenen Gehalt noch nach den anrechenbaren Dienstjahren. Er ist vielmehr ein von diesen Berechnungsfaktoren unabhängiger Teil der Versorgung, der die ggf. geleistete Kindererziehung honoriert.

17

b) Sinn und Zweck der Regelung, die Versorgung der Arbeitnehmer der Beklagten der Versorgung der beim Land Schleswig-Holstein ernannten Beamten anzugleichen, gebieten keine andere Auslegung. Die Beklagte will mit der Gewährung einer Gesamtversorgung in Abhängigkeit vom letzten Gehalt, den ruhegehaltsfähigen Dienstjahren und den anrechenbaren Versorgungsbezügen ein bestimmtes Versorgungsniveau sicherstellen, nicht aber die Kindererziehung honorieren. Diese Leistung wird über die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert.

18

c) In dieser Auslegung verstößt die Regelung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen höherrangiges Recht. Sie bewirkt keine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Nach der DV Nr. 1 besteht Anspruch auf eine Versorgung im Alter, auf die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich anzurechnen sind. Der Umstand, dass darin teilweise auch Rentenansprüche für Zeiten der Kindererziehung enthalten sind, führt nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung. Dies ist lediglich die Folge der zugesagten Gesamtversorgung unter Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

19

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    C. Reiter    

        

    H.-J. Schepers    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. April 2015 - 7 Sa 432/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit der Verlegung einer Dienststelle.

2

Der Beklagte beschäftigt die Klägerin im Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz. Bis zum 31. Mai 2013 befand sich die Dienststelle in Regensburg. Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in Amberg hat, unterhielt bis zum 31. Mai 2013 eine Zweitwohnung in Regensburg, von der aus sie zum Dienst fuhr. Die Entfernung von der Zweitwohnung bis zur Dienststelle in Regensburg betrug 4 km, die Entfernung von Amberg nach Regensburg beträgt 66 km.

3

Mit Wirkung zum 1. Juni 2013 verlegte der Beklagte das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz von Regensburg nach Tirschenreuth. Die Klägerin fährt seitdem von ihrem Wohnsitz in Amberg nach Tirschenreuth. Die kürzeste Strecke zwischen ihrem Wohnsitz und Tirschenreuth beträgt 71 km, die Strecke über das Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald 82 km.

4

Der Beklagte zahlte an die Klägerin, die auf eine Zusage der Umzugskostenvergütung verzichtete, eine Fahrtkostenerstattung nach den Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über die Umzugskostenvergütung der Beamten und Richter (BayUKG). Auf der Grundlage einer Mehrstrecke von 5 km (Differenz zwischen der Strecke Amberg - Regensburg [66 km] und der kürzesten Strecke Amberg - Tirschenreuth [71 km]) erstattete der Beklagte der Klägerin für den Monat Juni 2013 Fahrtkosten iHv. 33,00 Euro, für den Monat Juli 2013 iHv. 45,00 Euro und für den Monat August 2013 iHv. 27,00 Euro.

5

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, die Fahrtkostenerstattung auf der Grundlage einer Mehrstrecke von 82 km zu berechnen. Diese ergebe sich aus der Strecke von ihrer bisherigen Zweitwohnung in Regensburg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg im Vergleich zu der Strecke von ihrer Wohnung in Amberg zu der neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.617,00 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. September 2013 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ab September 2013 den Erstattungsbetrag für den Auslagenersatz nach Art. 12 Abs. 2 BayUKG auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke von 82 km abzurechnen und auszuzahlen.

7

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, bei der Berechnung der Fahrtkostenerstattung sei allein auf den aktuellen Wohnsitz der Klägerin in Amberg abzustellen. Die Mehrstrecke sei deshalb durch einen Vergleich zwischen der Strecke von Amberg nach Regensburg und der Strecke von Amberg nach Tirschenreuth zu ermitteln.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Monate Juni bis August 2013 weitere Fahrtkosten iHv. 231,00 Euro zu erstatten. Ferner hat es festgestellt, der Beklagte sei verpflichtet, den Erstattungsbetrag ab September 2013 auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke von 16 km zu bestimmen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin begehrt in der Revisionsinstanz von dem Beklagten die Zahlung eines weiteren Betrags iHv. 1.302,00 Euro und verfolgt im Übrigen den Feststellungsantrag mit der Maßgabe weiter, dass die tägliche einfache Mehrstrecke 78 km beträgt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Fahrtkosten über den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag hinaus zu erstatten. Die Berechnung der Fahrtkostenerstattung hat auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke, die nicht mehr als 16 km beträgt, zu erfolgen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg und der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

10

I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG kein Anspruch auf zusätzliche Fahrtkostenerstattung zu.

11

1. Ändert sich der Dienstort infolge der Verlegung der bisherigen Dienststelle, ist unter den weiteren in Art. 12 Abs. 1 BayUKG genannten Voraussetzungen von der Zusage einer Umzugskostenvergütung iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayUKG abzusehen. Stattdessen erhält der Berechtigte nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG für die durchgeführten Fahrten von seiner Wohnung zur neuen Dienststelle Fahrtkostenerstattung, soweit die Wegstrecke zur bisherigen Dienststelle überschritten wird, höchstens jedoch für eine Wegstrecke von 100 km. Gemäß § 23 Abs. 4 TV-L finden diese Vorschriften auch auf Tarifbeschäftigte wie die Klägerin entsprechende Anwendung.

12

2. Die Voraussetzungen, unter denen ein Beschäftigter nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hat, liegen im Streitfall vor. Der Beklagte hat die Dienststelle, in der er die Klägerin einsetzt, mit Wirkung zum 1. Juni 2013 von Regensburg nach Tirschenreuth verlegt. Die Klägerin verzichtete zugunsten einer Fahrtkostenerstattung auf die Zusage einer Umzugskostenvergütung.

13

3. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung der nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG maßgeblichen Mehrstrecke nicht auf die Wohnung der Klägerin in Regensburg, die sie mit Wirkung zum 31. Mai 2013 aufgegeben hat, sondern auf die Wohnung in Amberg abzustellen ist.

14

a) Bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach richtet sich die Höhe der Fahrtkostenerstattung nach den aktuellen Wohnverhältnissen des Berechtigten. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG spricht von „Fahrten von ihrer Wohnung zur neuen Dienststelle“. Abzustellen ist danach allein auf die aktuelle, nicht aber auf die ehemalige Wohnung des Berechtigten.

15

b) Auch der systematische Zusammenhang, in den Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG eingebettet ist, stützt das Auslegungsergebnis, zu dem das Landesarbeitsgericht gelangt ist. Die amtliche Überschrift der Vorschrift lautet „Gewährung eines Auslagenersatzes“. Auslagen bezeichnen einen „Geldbetrag, den jemand ausgelegt hat“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl.), also insbesondere Auslagen (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). Aufwendungen entstehen lediglich, wenn tatsächlich ein Geldbetrag aufgewandt wird, nicht aber, wenn er hypothetisch aufgewandt worden wäre.

16

c) Schließlich erfordern es Sinn und Zweck des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG, die Fahrtkostenerstattung von der Wohnung aus zu berechnen, von der aus der Berechtigte seine Fahrt, deren Kosten er erstattet verlangt, tatsächlich antritt.

17

aa) Mangels abweichender Vereinbarungen hat der Beschäftigte Aufwendungen, die durch die Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück zu seiner Wohnung entstehen, selbst zu tragen (vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 518/10 - Rn. 12). Er kann sie als Werbungskosten steuermindernd geltend machen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Die Entscheidung, wo er seinen Wohnsitz nimmt, ob er mehrere Wohnsitze unterhält und mit welchem Verkehrsmittel er die Wegstrecken zurücklegt, ist Sache des Beschäftigten.

18

bb) Einen Ausnahmefall regelt Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG. Die Vorschrift bezweckt einen finanziellen Ausgleich für die Mehrkosten, die dem Berechtigten dadurch entstehen, dass er von seiner Wohnung aus nicht mehr zur alten, sondern zur neuen Dienststelle zu fahren hat. Dieser Regelungszweck kennzeichnet zugleich die Grenze des Erstattungsanspruchs. Das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG bestand nicht darin, den Beschäftigten besserzustellen, als er stände, wenn die Dienststelle nicht verlegt worden wäre(vgl. zu § 3 Abs. 1 BRKG BAG 19. Februar 2004 - 6 AZR 111/03 - Rn. 27).

19

4. Im Streitfall ist die einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auslösende Mehrstrecke demnach durch einen Vergleich zwischen der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth zurücklegt, und der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in Amberg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg zurückzulegen hätte, zu ermitteln. Die Zweitwohnung in Regensburg, die die Klägerin mit Wirkung zum 31. Mai 2013 aufgegeben hat, bleibt für die Berechnung des Erstattungsanspruchs außer Betracht. Denn die Klägerin legt die Strecke zur neuen Dienststelle nicht von Regensburg, sondern von Amberg aus zurück. Wäre das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz nicht von Regensburg nach Tirschenreuth verlegt worden, hätte die Klägerin die Dienststelle in Regenburg ab dem 1. Juni 2013 von ihrem Wohnsitz in Amberg aufsuchen müssen. Diese Strecke ist nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts 16 km kürzer als die Strecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

20

II. Der Klageantrag zu 2., der dahin gehend auszulegen ist, dass die Klägerin für die Berechnung des Erstattungsanspruchs zuletzt die Feststellung einer 16 km übersteigenden Mehrstrecke begehrt, ist ebenfalls unbegründet. Die auf der Verlegung der Dienststelle beruhende Mehrstrecke beträgt nach dem oben Gesagten höchstens 16 km, nicht aber 78 km.

21

III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    H. Anthonisen    

        

    Neumann-Redlin    

                 

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Februar 2009 - 9 Sa 1651/08 - wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen den Feststellungsausspruch richtet. Im Übrigen wird das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zu-rückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers.

2

Der Kläger ist 1942 geboren. Er trat am 1. März 1990 in die Dienste der R E AG, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung vom 13. April 2000 mit dem 31. Dezember 2002. Seit dem 1. April 2005 bezieht der Kläger eine betriebliche Altersrente, die nunmehr von der Beklagten geleistet wird.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 10. April 1990 zugrunde, der ua. lautet:

        

„…    

        

7.    

Herr S erhält ein lebenslängliches Ruhegeld, die Hinterbliebenen des Herrn S erhalten Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

                 

…       

        
                 

e)    

Im übrigen sind für das Ruhegeld des Herrn S und für die Ansprüche seiner Hinterbliebenen die Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung des R vom 9.2.1989 bzw. die Richtlinien in der jeweils geltenden Fassung maßgebend.

                 

f)    

Für den Fall einer Änderung der R-Ruhegeldrichtlinien erhält Herr S mindestens ein Ruhegeld, das zusammen mit allen anrechnungsfähigen Renten, Versicherungen und Pensionen die in § 4 Abs. 1 bis 4 der Ruhegeldrichtlinien vom 9.2.1989 genannten Beträge ergibt. Entsprechendes gilt für die Hinterbliebenenversorgung nach § 9 Abs. 2 und 3 der Richtlinien vom 9.2.1989.

                 

Als Beginn des Ruhegelddienstalters gilt der 1.7.1967.

        

…“    

                 
4

Die damit in Bezug genommenen, als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der R Aktiengesellschaft vom 9. Februar 1989 (künftig: Ruhegeldrichtlinien 1989) lauten auszugsweise wie folgt:

        

„…    

        

§ 5 Berechnung des ruhegeldfähigen Diensteinkommens

        

…       

        

(5)     

Die R-Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung wird für Pensionsfälle ab 1992 höchstens um die Inflationsrate angepaßt, soweit diese zum Zeitpunkt einer Rentenerhöhung unterhalb der Erhöhungen der Nettovergütungen der aktiven R-Mitarbeiter liegt. Übersteigt die Inflationsrate die Erhöhung der Nettovergütungen, verbleibt es bei der Anhebung der Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung um den Prozentsatz der Erhöhung dieser Nettovergütungen.

                 

Sollte die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten gesetzlich von der bruttolohnbezogenen auf die nettolohnbezogene Rentendynamisierung umgestellt werden, tritt im Rahmen der beschriebenen Anpassung an die Stelle der Erhöhung der Nettovergütungen die Erhöhung der Sozialversicherungsrenten.

        

(6)     

Die Inflationsrate wird nach der Veränderung des durch das Statistische Bundesamt jährlich ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen berechnet. Die Nettovergütung wird auf der Grundlage der Vergütungsgruppe 9, Stufe 16 des jeweiligen Vergütungstarifvertrages (auf der Basis des Manteltarifvertrages vom 21.07.1977/28.09.1982) unter Berücksichtigung der Steuerklasse III/0 abzüglich sämtlicher Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung) ermittelt.

        

(7)     

Die Anpassung der Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung erfolgt auf der Basis des bisherigen Ruhe- bzw. Hinterbliebenengeldes, ohne daß die Erstberechnung des Ruhe- bzw. Hinterbliebenengeldes nachvollzogen wird.

        

(8)     

Stichtag für die Anpassung der Betriebsrenten ist jeweils der Zeitpunkt der Anpassung der gesetzlichen Sozialversicherungsrenten.

        

(9)     

§ 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 bleibt unberührt. Dabei sind zwischenzeitlich nach den vorstehenden Absätzen erfolgte Anhebungen der Betriebsrenten zu berücksichtigen.

        

…“    

        
5

Im Jahr 2006 schlossen nahezu alle konzernverbundenen Unternehmen des R-Konzerns, auch die Beklagte, inhaltsgleich formulierte Betriebsvereinbarungen, mit denen die Anpassungsregelungen für die Betriebsrenten neu gefasst wurden. Bei der Beklagten lautet diese Betriebsvereinbarung (künftig: BV 2006) ua. wie folgt:

        

„…    

        

1. Präambel

        

Die Betriebsparteien stimmen darin überein, dass eine Harmonisierung der Regelwerke zur betrieblichen Altersversorgung des R-Konzerns im Hinblick auf die jeweiligen Ruhegeldanpassungsregelungen unumgänglich geworden ist. Insoweit sollen die Regelungen zur Anpassung der laufenden betrieblichen Altersversorgungsleistungen vereinheitlicht werden.

        

Zu diesem Zweck wird die in § 5 Absätze 5 bis 9 der ‚Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der R Aktiengesellschaft’ vom 09. Februar 1989 (RL 02/89) vorgesehene Bestimmung zur Anpassung der Betriebsrente mit nachstehender Betriebsvereinbarung ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens geändert.

        

…       

        

3. Neufassung des § 5 Absätze 5 bis 9 RL 02/89

        

§ 5 Absätze 5 bis 9 RL 02/89 wird in allen bis zum Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung geltenden Fassungen durch folgende Regelung ersetzt:

        

‚Das Unternehmen verpflichtet sich, jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 1 % anzupassen. Steigen die Verbraucherpreise in einem Jahr um 4,75 % oder mehr oder in drei aufeinander folgenden Jahren um 11,5 % oder mehr, verpflichten sich die Betriebsparteien, über eine einmalige Neuregelung der Anpassung zu verhandeln mit dem Ziel, eine Entwertung der Renten zu verhindern.’

        

Im Übrigen bleiben die Regelungen der RL 02/89 unberührt.

        

4. Teilunwirksamkeit

        

Die Unwirksamkeit einzelner Bestandteile berührt die Wirksamkeit der übrigen Regelungen dieser Betriebsvereinbarung nicht.

        

Die Betriebsparteien verpflichten sich, in diesem Fall anstelle der unwirksamen Regelung eine solche zu vereinbaren, die wirksam ist und dem Inhalt der unwirksamen Regelung unter Beachtung des von den Betriebsparteien Gewollten möglichst nahe kommt.

        

5. Inkrafttreten

        

Die vorliegende Betriebsvereinbarung tritt mit Wirkung zum 01.07.2007 in Kraft.

        

…“    

6

Die Beklagte passte das Ruhegeld des Klägers zum 1. Juli 2007 entsprechend der BV 2006 um 1 % an. Dagegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die BV 2006 sei in Bezug auf sein Ruhegeld die in den Ruhegeldrichtlinien 1989 enthaltene Anpassungsregelung nicht wirksam abgelöst worden. Die Beklagte sei daher verpflichtet, sein Ruhegeld zum 1. Juli 2007 nach den Ruhegeldrichtlinien 1989 an den Kaufkraftverlust anzupassen. Auch zum 1. Juli 2006 habe die Beklagte seine Betriebsrente nicht entsprechend der Teuerungsrate angepasst. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die Differenzbeträge nebst Zinsen nachzuzahlen. Für die Zeit von Juli 2006 bis Januar 2009 belaufe sich der Nachzahlungsbetrag auf 9.041,90 Euro brutto. Ab Februar 2009 schulde die Beklagte ein um 497,54 Euro brutto monatlich höheres Ruhegeld.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Prüfung einer Anpassung seines betrieblichen Ruhegeldes durch die Beklagte gem. § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Gesamtbetriebsvereinbarung „Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der R AG, E“ in der Fassung vom 9. Februar 1989 zu erfolgen hat,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.041,90 Euro brutto sowie über das unstreitige monatliche Ruhegeld von 9.602,68 Euro brutto ab dem Monat Februar 2009 monatlich jeweils weitere 497,54 Euro brutto, fällig jeweils am Ende eines jeden Monats, zu zahlen,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen

                 

a)    

auf je 191,58 Euro seit dem 1. August, 1. September, 4. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2006, 3. Januar, 1. Februar, 1. März, 3. April, 1. Mai, 1. Juni und 3. Juli 2007,

                 

b)    

auf je 271,68 Euro seit dem 1. August, 1. September, 2. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2007, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 3. Juni und 1. Juli 2008,

                 

c)    

auf je 497,54 Euro seit dem 1. August, 2. September, 1. Oktober, 1. November, 2. Dezember 2008, 1. Januar und 3. Februar 2009.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Sie hat die Ansicht vertreten, die Betriebsparteien seien zur Änderung der Anpassungsregelung mit Wirkung für den Kläger berechtigt gewesen. Für die Änderung bestünden ausreichende Gründe.

11

Im R-Konzern bestehe ein erhebliches Interesse daran, die unterschiedlichen Rentenanpassungsregelungen in den konzernangehörigen Unternehmen zu vereinheitlichen. Die Beklagte sei gegründet worden, um die Personaldienstleistungen im R-Konzern zusammenzufassen. Das komme auch den Betriebsrentnern zugute, da sie nunmehr eine einheitliche Ansprechpartnerin hätten. Dazu sei es erforderlich, die Komplexität von Regelungen und Abläufen zu verringern. Durch die Neuregelung seien insgesamt 113 unterschiedliche Anpassungsbestimmungen nach den im Konzern geltenden Versorgungsordnungen vereinheitlicht worden.

12

Zwischenzeitlich sei zudem die R Pensionsfonds AG geschaffen worden. Diese stehe neben der Beklagten für die Betriebsrenten ein. Die R-AG habe diesen Pensionsfonds mit nahezu 5 Milliarden Euro ausgestattet. Der notwendige Kapitalbedarf hätte nicht, zumindest aber ungleich schwerer ermittelt werden können, wenn die Anpassungsregelungen nicht konzernweit vereinheitlicht worden wären. Um das Zusammenspiel von Vermögen und Verpflichtung, wie von der Aufsichtsbehörde gefordert, zu kalkulieren, sei es erforderlich, die Höhe der künftigen Ausgaben möglichst exakt zu prognostizieren. Durch den Pensionsfonds werde die Insolvenzsicherung für die Betriebsrentner verbessert, da er nach dem Grundsatz der Kapitaldeckung finanziert sei und die 1 %ige Erhöhung nach der BV 2006 leisten müsse, nicht jedoch der gesetzliche Träger der Insolvenzsicherung.

13

Angesichts des Versorgungsniveaus sei die mit der Änderung der Anpassung verbundene Eingriffsintensität gering. Ein Eingriff erfolge lediglich in künftige Steigerungen der Betriebsrente. Auch eine Gefahr der Entwertung des Ruhegeldanspruchs bestehe nicht, da dem Kläger eine sichere, von externen Bezugsgrößen unabhängige Betriebsrentenanpassung von 1 % jährlich zustehe. Damit werde die Anpassung sowohl für die Betriebsrentner als auch für die Arbeitgeber kalkulierbar. Für den Fall einer hohen Teuerungsrate sei in der BV 2006 zudem eine Verhandlungspflicht vereinbart worden. Die Neuregelung betreffe auch ältere Versorgungszusagen, die bislang keine Anpassung vorgesehen hätten. Außerdem sei es den Betriebsparteien darum gegangen, die Rentenerhöhung von externen Bezugsgrößen zu entkoppeln.

14

Die BV 2006 verstoße nicht gegen die Übergangsregelung des § 30c Abs. 1 BetrAVG. Aus der Bestimmung über die Teilunwirksamkeit in Nr. 4 der BV 2006 ergebe sich im Übrigen, dass die Betriebsparteien auf jeden Fall die in den Ruhegeldrichtlinien 1989 bestimmte Anpassungsregelung hätten beseitigen wollen. Diese könne deshalb auch bei einem Verstoß der BV 2006 gegen die Übergangsregelung nicht wieder in Kraft treten. Vielmehr verbleibe es dann bei der gesetzlichen Anpassungsregelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG neben der „1 %-Regelung“.

15

Der Kläger habe nach § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Ruhegeldrichtlinien 1989 auch bereits zum 1. Juli 2006 eine Anpassung seiner Betriebsrente in Höhe der Teuerungsrate nicht beanspruchen können, da die Nettolöhne der aktiv Beschäftigten im R-Konzern in den vorangegangenen zwölf Monaten um 0,6 % gesunken seien.

16

Zinsen könne der Kläger allenfalls ab Rechtskraft des Urteils verlangen. Da die Anpassung nach billigem Ermessen zu erfolgen habe, sei die Hauptforderung vorher nicht fällig.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage, mit der der Kläger lediglich einen Teil der zuletzt geltend gemachten Forderungen zur gerichtlichen Entscheidung gestellt hatte, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ferner hat es dem Kläger die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachten weiteren Beträge zugesprochen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung der Vorinstanzen richtet, dass die Anpassung des Ruhegeldes des Klägers nach § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Ruhegeldrichtlinien 1989 zu erfolgen hat. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung hat die Revision Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

19

A. Die Revision ist nicht bereits aus prozessualen Gründen teilweise erfolgreich.

20

I. Die Revision ist nicht schon deshalb zum Teil begründet, weil das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Beträgen verurteilt hat, die der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Erweiterung der Zahlungsklage in der Berufungsinstanz als Anschlussberufung behandelt, obwohl sie nicht als solche bezeichnet war. Die dahingehende Auslegung durch das Landesarbeitsgericht entspricht ersichtlich dem Willen des Klägers und ist schon deshalb geboten, weil die Klageerweiterung für ihn als Berufungsbeklagten nur im Wege der Anschlussberufung möglich war. Dieser Auslegung stehen berechtigte Interessen der Beklagten, einem damit gesetzlich nicht möglichen Rechtsmittel ausgesetzt zu sein, nicht entgegen (vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 716/05 - Rn. 17, AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 32 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 88). Die Anschlussberufung ist zulässig, insbesondere ist die für die Einlegung und Begründung der Anschlussberufung geltende Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung (§ 524 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG; dazu BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211) eingehalten. Nachdem das Landesarbeitsgericht in der Sache über den erweiterten Klageantrag entschieden hat, ist in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO vom Senat nicht mehr zu überprüfen, ob die in § 533 ZPO geregelten Voraussetzungen für die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz vorlagen(BAG 19. Januar 2011 - 3 AZR 111/09 - Rn. 22).

21

II. Die Klage ist zulässig. Das gilt auch hinsichtlich des Feststellungsantrages. Die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO liegen vor. Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich des Inhalts der Verpflichtung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers anzupassen. Von der Entscheidung über diese Frage hängt - zumindest auch - die Entscheidung der Zahlungsklage ab. Eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es daher nicht.

22

B. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrages begründet. Ob auch die Zahlungsanträge begründet sind, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

23

I. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers weiterhin nach § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Ruhegeldrichtlinien 1989 anzupassen. Es kann dahinstehen, ob die BV 2006 auf den Kläger Anwendung findet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebspartner nicht berechtigt, für ausgeschiedene Arbeitnehmer Rechte und Pflichten zu begründen oder einzuschränken (vgl. etwa 13. Mai 1997 - 1 AZR 75/97 - zu I 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 65 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 1). Es kann offenbleiben, ob an dieser im Schrifttum (vgl. etwa Fitting BetrVG 25. Aufl. § 77 Rn. 39 mwN) zunehmend kritisierten Rechtsprechung, für die aus Sicht des Senats die besseren Gründe sprechen dürften, für Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung festzuhalten ist (zuletzt offengelassen von BAG 14. Dezember 2010 - 3 AZR 799/08 - Rn. 19 mwN). Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob sich jedenfalls aus der Verweisungsklausel in Nr. 7 Buchst. e des Vertrages der Parteien vom 10. April 1990 ergibt, dass der Kläger an die von den Betriebsparteien geschaffenen Regelungen gebunden ist (vgl. zu dynamischen Verweisungsklauseln: BAG 23. September 1997 - 3 AZR 529/96 - zu I 3 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, für dynamische Verweisung auf eine Regelung durch Dienstvereinbarung). Die von den Betriebsparteien in der BV 2006 getroffene Regelung verstößt gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG. Dies hat entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Folge, dass die Betriebsrenten um 1 % jährlich, jedenfalls aber nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG anzupassen sind. Eine derartige Ergänzung der BV 2006 kommt nicht in Betracht. Denkbar erscheint allenfalls ein Rückgriff allein auf die gesetzlichen Regelungen. Auch dies ist jedoch rechtlich nicht möglich. Denn ein Wechsel von der Anpassungsregelung in den Ruhegeldrichtlinien 1989 zur gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bedürfte im Streitfall jedenfalls tragfähiger Gründe. Solche liegen nicht vor.

24

1. Nach § 30c Abs. 1 BetrAVG gilt § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG, nach dem die in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG vorgesehene Anpassungspflicht entfällt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen, nur für laufende Leistungen, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31. Dezember 1998 erteilt wurden. Maßgebend ist dabei das Datum der Versorgungszusage. Es kommt nicht darauf an, ob die Anpassung um eins vom Hundert nach dem 31. Dezember 1998 vereinbart wurde oder der Versorgungsberechtigte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 30c Abs. 1 BetrAVG am 1. Januar 1999 (Rentenreformgesetz 1999 vom 16. Dezember 1997, BGBl. I S. 2998, Art. 8 Nr. 17 und Nr. 21, Art. 33 Abs. 1) bereits laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bezog. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

25

a) Mit dem Begriff der Zusage in § 30c Abs. 1 BetrAVG ist entsprechend dem allgemeinen betriebsrentenrechtlichen Sprachgebrauch die Versorgungszusage und nicht die Vereinbarung der Anpassung der Betriebsrente um eins vom Hundert pro Jahr gemeint. Auch eine Einschränkung dahingehend, dass es sich um laufende Leistungen handeln muss, die bei Inkrafttreten der Übergangsregelung des § 30c Abs. 1 BetrAVG bereits bezogen wurden, findet sich im Gesetz nicht.

26

aa) § 30c Abs. 1 BetrAVG ist eine Übergangsregelung zu § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG. Diese Regelung legt nicht fest, dass der Arbeitgeber eine Anpassung in Höhe von mindestens eins vom Hundert „zusagt“, sondern dass er sich zu einer solchen Anpassung „verpflichtet“. Es hätte in § 30c Abs. 1 BetrAVG also der Begriff der Verpflichtung verwendet werden müssen, wäre auf die Vereinbarung der Anpassung um eins vom Hundert und nicht auf die Versorgungszusage abzustellen.

27

bb) Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Leistungen, die bei Inkrafttreten der Übergangsregelung bereits bezogen wurden, folgt nicht daraus, dass § 30c Abs. 1 BetrAVG die Anwendbarkeit von § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG auf „laufende Leistungen“ beschränkt, die auf nach dem 31. Dezember 1998 erteilten Zusagen beruhen. Der Begriff der laufenden Leistungen findet sich in § 16 BetrAVG. § 30c Abs. 1 BetrAVG nimmt daher den Begriff der laufenden Leistungen, wie er in § 16 BetrAVG gebraucht wird, auf. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der „laufenden Leistungen“ der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung gilt nach Abs. 2 der Vorschrift als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Die Verpflichtung entfällt nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die „laufenden Leistungen“ jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen. Mit „laufenden Leistungen“ sind daher die periodisch fällig werdenden Rentenzahlungen unabhängig von ihrem Beginn gemeint.

28

b) Diese Auslegung entspricht dem Sprachgebrauch der weiteren im BetrAVG enthaltenen Übergangsregelungen, insbesondere derjenigen in § 30g BetrAVG. Dort ist in Abs. 1 Satz 1 von Anwartschaften die Rede, „die auf Zusagen beruhen“, die nach dem dort genannten Stichtag erteilt worden sind. Mit dem Begriff „Zusage“ ist in dieser Bestimmung unzweifelhaft die Versorgungszusage gemeint. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit derselben Redewendung in § 30c Abs. 1 BetrAVG etwas anderes gemeint hat. Soweit es für die Anwendung einer Regelung auf den Zeitpunkt der Zahlung „laufender Leistungen“ ankommen soll, wird dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt. So wird in § 30g Abs. 2 BetrAVG auf „laufende Leistungen“, die vor dem dort genannten Stichtag „erstmals gezahlt worden sind“, abgestellt. Eine derartige Formulierung findet sich in § 30c Abs. 1 BetrAVG nicht.

29

c) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes stützt dieses Ergebnis.

30

Im Gesetzentwurf zum Rentenreformgesetz 1999 (BT-Drucks. 13/8011) war der spätere § 30c Abs. 1 BetrAVG noch als § 30b Abs. 1 enthalten(Art. 8 Nr. 21 der Entwurfsfassung). In der Begründung zu dieser Bestimmung heißt es, dass § 16 Abs. 3 Nr. 1, wie er später Gesetz geworden ist, „nur für ab Inkrafttreten erteilte Zusagen gilt“(BT-Drucks. 13/8011 S. 74). Auch die Begründung der Neuregelung in § 16 Abs. 3 Nr. 1 verweist darauf, die Neuregelung solle nur gelten, „wenn der Arbeitgeber bei Neuzusagen eine jährliche Dynamisierung der Betriebsrenten zusagt, die nicht geringer als eins vom Hundert der laufenden Leistungen sein darf“(BT-Drucks. 13/8011 S. 73, ähnlich die allgemeine Begründung S. 52, wonach die Verpflichtung zur Anpassung künftig als erfüllt gelten soll, „wenn der Arbeitgeber sich bei Neuzusagen verpflichtet, die Betriebsrenten jährlich um ein Prozent anzupassen“).

31

d) Schließlich spricht auch eine am Zweck orientierte Auslegung der Übergangsregelung in § 30c Abs. 1 BetrAVG für dieses Ergebnis.

32

Die Übergangsregelung dient fiskalischen Zwecken. Es soll verhindert werden, dass durch die mit der Anpassung um ein Prozent mögliche Bildung steuerlicher Rückstellungen Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand entstehen (vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto Betriebsrentengesetz 5. Aufl. § 30c Rn. 1). Das wäre aber der Fall, wenn entsprechende Anpassungsvereinbarungen für bereits vor dem 1. Januar 1999 erteilte Versorgungszusagen möglich wären. Aus diesem Grund und wegen verfassungsrechtlicher Bedenken hat es die Bundesregierung später abgelehnt, eine Gesetzesinitiative zur Ausdehnung der „Ein-Prozent-Anpassung“ auf sog. Altfälle, dh. auf vor dem 1. Januar 1999 erteilte Versorgungszusagen, zu ergreifen (BT-Drucks. 16/3273 S. 4).

33

e) Bei einer Auslegung des Begriffs der Zusage in § 30c Abs. 1 BetrAVG dahingehend, dass damit die Vereinbarung der Anpassung um eins vom Hundert gemeint ist, hätte § 30c BetrAVG wohl keinen Anwendungsbereich. Vor der Einführung der Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG gab es keinen Anlass, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Dies konnte daher frühestens seit der Veröffentlichung des Rentenreformgesetzes 1999 im Dezember 1997 in Betracht gezogen werden. Gründe dafür, dass gerade Vereinbarungen, die im Zeitraum von Dezember 1997 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1999 von § 30c Abs. 1 BetrAVG erfasst sein sollten, sind nicht ersichtlich.

34

2. Danach verstößt die BV 2006 gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG, da nach ihr die Betriebsrenten künftig um eins vom Hundert angepasst werden sollen, obwohl die von ihr erfassten Versorgungszusagen vor dem 1. Januar 1999 erteilt wurden. Rechtsfolge dieses Verstoßes ist, dass weiterhin die Bestimmungen des § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Ruhegeldrichtlinien 1989 anzuwenden sind.

35

a) Es kann dahinstehen, ob von einer Teilnichtigkeit der BV 2006 ausgegangen werden kann, wie die Beklagte unter Hinweis auf die darin enthaltene „salvatorische Klausel“ sowie die Verhandlungen der Betriebsparteien meint, und/oder ob eine ergänzende Auslegung der BV 2006 vorzunehmen ist. Jedenfalls kommt eine Auslegung dahingehend, es solle die Regelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG als Auffangregelung neben eine Mindestanpassung um eins vom Hundert jährlich treten, nicht in Betracht. Das folgt schon daraus, dass die Ruhegeldrichtlinien 1989 in § 5 Abs. 9 eine Verweisung auf die gesetzliche Anpassung als Auffangregelung zu der in § 5 Abs. 5 bis Abs. 8 bestimmten Anpassung vorsehen. Durch die BV 2006 wurde § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Ruhegeldrichtlinien 1989 umfassend, einschließlich des Verweises auf die gesetzliche Regelung, ersetzt. Das schließt es aus, anzunehmen, die Betriebsparteien hätten eine Auffangregelung, die neben die „1 %-Regelung“ tritt, gewollt. Denkbar erscheint allenfalls, die BV 2006 in die Ablösung der Altregelung einerseits und ein Ersetzen von § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG durch die „1 %-Regelung“ entsprechend der gesetzlichen, in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG vorgesehenen Möglichkeit andererseits aufzuteilen. Folge wäre, dass wegen der Unwirksamkeit der Ersetzung durch die „1 %-Regelung“ allein auf die gesetzlichen Bestimmungen in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zurückzugreifen wäre. Diese Rechtsfolge könnte allerdings nur eintreten, wenn es für den Wechsel von der Anpassungsregelung in den Ruhegeldrichtlinien 1989 zur Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG Gründe gäbe, die vorliegen müssten, wenn die Betriebsparteien statt der von ihnen in der BV 2006 getroffenen Regelung die Ablösung der in den Ruhegeldrichtlinien 1989 bestimmten Anpassungsregelung durch die gesetzliche Regelung vereinbart hätten. Solche Gründe liegen nicht vor. Der Gesetzesverstoß eröffnete den Betriebsparteien keine weitergehenden Gestaltungsmöglichkeiten.

36

b) Für einen Wechsel von der Anpassungsregelung in den Ruhegeldrichtlinien 1989 zur gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bedarf es nach Eintritt des Versorgungsfalls tragfähiger Gründe.

37

aa) Die zugunsten der Beklagten unterstellte Regelungskompetenz der Betriebsparteien für Versorgungsempfänger ermöglicht nicht jede Änderung der Versorgungsregelungen. Vielmehr sind die Betriebsparteien bei Einschnitten in Versorgungsrechte an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Diese Grundsätze hat der Senat durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert (st. Rspr. seit 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 49, 57). Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind danach entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtige Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 384/07 - AP BetrAVG § 9 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47). Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und im Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag darf nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe.

38

bb) Dieses Schema ist allerdings auf Eingriffe in Versorgungsanwartschaften, nicht auf Eingriffe in laufende Leistungen zugeschnitten. Bei Veränderungen der Versorgungsordnung nach Eintritt des Versorgungsfalls ist jedoch auf die diesem Prüfungsschema zugrunde liegenden Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zurückzugreifen (vgl. etwa BAG 14. Dezember 2010 - 3 AZR 799/08 - Rn. 32; 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - zu B I 3 c der Gründe, BAGE 92, 358, jeweils mwN). In laufende Versorgungsleistungen darf daher nur eingegriffen werden, wenn tragfähige Gründe vorliegen (vgl. BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 92, 358; 31. Juli 2007 - 3 AZR 189/06 - Rn. 38, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 79). Das bedeutet, dass nach Eintritt des Versorgungsfalls in der Regel nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein können (BAG 14. Dezember 2010 - 3 AZR 799/08 - Rn. 32; 12. Oktober 2004 - 3 AZR 557/03 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 112, 155). Auch für geringfügige Eingriffe bedarf es sachlich nachvollziehbarer, Willkür ausschließender Gründe (BAG 23. September 1997 - 3 AZR 529/96 - zu II 3 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14; 16. Juli 1996 - 3 AZR 398/95 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 83, 293). Liegt ein mehr als geringfügiger Eingriff vor, müssen darüber hinausgehende Gründe bestehen. Sie müssen die konkrete Verschlechterung der Versorgungsordnung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erworbenen Bestandsinteresses einerseits und der Schwere des Eingriffs andererseits aufgrund ganz erheblich überwiegender Interessen des Arbeitgebers tragen. Dies beruht darauf, dass der Arbeitnehmer die den Versorgungsanspruch begründende Gegenleistung bereits vollständig erbracht hat und er nach Eintritt des Versorgungsfalls nicht mehr die Möglichkeit hat, etwaige Versorgungslücken durch Eigenvorsorge zu schließen.

39

cc) Auch Eingriffe in eine Anpassungsregelung können die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Ob mehr als geringfügige Eingriffe vorliegen, hängt von den Nachteilen ab, die dem Versorgungsberechtigten durch die konkrete Änderung entstehen (BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - zu B I 3 c der Gründe, BAGE 92, 358). Dem Urteil des Senats vom 27. August 1996 (- 3 AZR 466/95 - zu IV 2 c cc der Gründe, BAGE 84, 38) kann nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Senat hat auch dort geprüft, wie schwerwiegend sich die Änderung der Anpassungsregelung im konkreten Fall darstellte. Mehr als geringfügig sind danach solche Eingriffe in eine Anpassungsregelung, die dem Versorgungsempfänger - hätte er mit ihnen gerechnet - während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise hätten Anlass geben können, sie durch eine weitergehende private Absicherung auszugleichen.

40

c) Danach genügen für den Wechsel von der Anpassungsregel in § 5 Abs. 5 bis Abs. 9 der Ruhegeldrichtlinien 1989 zur Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG sachlich nachvollziehbare Gründe nicht. Der Eingriff ist mehr als geringfügig. Während die Ruhegeldrichtlinien 1989 den Versorgungsberechtigten ein Recht auf Anpassung ihrer Versorgungsbezüge allein nach der Preissteigerungsrate, begrenzt auf die Entwicklung der Nettoeinkommen aktiver Arbeitnehmer, geben, sind bei der Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG auch wirtschaftliche Belange der Beklagten zu berücksichtigen. Dieser Eingriff übersteigt die Geringfügigkeitsgrenze. Tragfähige Gründe, die diesen Eingriff rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

41

aa) Nach § 5 Abs. 5 der Ruhegeldrichtlinien 1989 ist die Beklagte verpflichtet, jeweils zu dem in § 5 Abs. 8 genannten Stichtag die laufenden Betriebsrenten um die Inflationsrate anzupassen, jedoch begrenzt auf die Erhöhung der Nettovergütung der aktiven R-Mitarbeiter, beides berechnet nach den in § 5 Abs. 6 genannten Werten. Die Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf entsprechende Anpassung. Das folgt - entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht - aus der Auslegung der Richtlinien.

42

Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 der Ruhegeldrichtlinien 1989 wird die Betriebsrente „höchstens um die Inflationsrate angepaßt, soweit diese zum Zeitpunkt einer Rentenerhöhung unterhalb der Erhöhungen der Nettovergütungen der aktiven R-Mitarbeiter liegt“. Satz 2 der Bestimmung ordnet an, dass es bei der Anhebung der Betriebsrenten um den Prozentsatz der Erhöhung dieser Nettovergütungen „verbleibt“, soweit die Inflationsrate diese Erhöhung „übersteigt“.

43

Wollte man die Formulierung „höchstens“ in § 5 Abs. 5 Satz 1 der Ruhegeldrichtlinien 1989 dahingehend auslegen, dass auch dann eine hinter der Steigerung der Inflationsrate zurückbleibende Erhöhung der Betriebsrenten in Betracht kommt, wenn die Inflationsrate geringer ist als die Erhöhung der Nettovergütungen, wäre dies mit § 5 Abs. 5 Satz 2 der Ruhegeldrichtlinien 1989 nicht zu vereinbaren. Danach „verbleibt“ es bei der Anhebung der Betriebsrenten um den Prozentsatz der Erhöhung der Nettovergütungen, wenn die Inflationsrate die Erhöhung der Nettovergütungen übersteigt. In diesem Fall besteht daher ein Anspruch auf die Erhöhung der Betriebsrente um den Prozentsatz der Steigerung der Nettovergütungen, wohingegen keine zwingende Erhöhung der Betriebsrenten vorzunehmen wäre, wenn die Inflationsrate niedriger ist als die Steigerung der Nettovergütungen. Es kann nicht angenommen werden, dass die Betriebspartner eine solche, unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbare Regelung treffen wollten. Aus der Formulierung „verbleibt“ in § 5 Abs. 5 Satz 2 der Ruhegeldrichtlinien 1989 ergibt sich vielmehr, dass auch Satz 1 eine zwingende Erhöhung vorsieht, in diesem Fall aber lediglich um die Inflationsrate und nicht um den Prozentsatz der Steigerung der Nettovergütungen. Das Wort „höchstens“ in Satz 1 hat deshalb ausschließlich eine klarstellende Funktion. Es verdeutlicht, dass nicht die Steigerung der Nettovergütungen aktiver Arbeitnehmer, sondern die Inflationsrate für die - als zwingend vorausgesetzte - Erhöhung maßgeblich ist, falls diese geringer ist als die Steigerung der Nettoeinkommen aktiver Arbeitnehmer.

44

bb) Die Ablösung der Anpassungsregelung in den Ruhegeldrichtlinien 1989 durch eine Anpassung nach der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG würde bewirken, dass - anders als nach den Ruhegeldrichtlinien 1989 - auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers bei der Anpassungsprüfung zu berücksichtigen ist. Die Ruhegeldrichtlinien 1989 gewähren bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen einen Anpassungsanspruch. Demgegenüber ordnet § 16 Abs. 1 BetrAVG lediglich eine Anpassung der Betriebsrenten nach billigem Ermessen an. Dabei ist nach der gesetzlichen Regelung auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

45

Ein derartiger Eingriff in die Anpassungsregelung ist nicht nur geringfügig. Vielmehr wird damit der Versorgungsberechtigte dem Risiko ausgesetzt, dass der Wert seiner Betriebsrente sinkt, weil sie nicht mehr an die Kaufkraftentwicklung oder die Entwicklung der Nettovergütungen angepasst wird, sondern aufgrund einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers eine Anpassung unterbleibt. Ein derartiges, nicht langfristig vorhersehbares und einschätzbares Risiko könnte einen aktiven Arbeitnehmer veranlassen, den potenziellen zusätzlichen Versorgungsbedarf anderweitig abzusichern.

46

cc) Gründe, die ausnahmsweise einen derartigen mehr als geringfügigen Eingriff rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht vorgebracht.

47

Die Beklagte hat für den von den Betriebsparteien vorgenommenen Eingriff im Wesentlichen auf Praktikabilitätserwägungen abgestellt. Dabei hat sie sich vor allem auf das Interesse an einer Vereinheitlichung der Anpassungsregelungen im Konzern und die Konzentration der Personalverwaltung der Konzerngesellschaften bei der Beklagten sowie die Gründung der R Pensionsfonds AG und die Berechnung der Kapitalausstattung dieser Gesellschaft berufen. Es kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen derartige Gesichtspunkte überhaupt einen Eingriff in Versorgungsregelungen für bereits im Ruhestand befindliche Versorgungsempfänger rechtfertigen können. Insbesondere kann offenbleiben, inwieweit die von der Beklagten vorgenommene konzernweite Betrachtung zulässig ist. Eine Änderung der Anpassungsregelungen einer Versorgungsordnung dahingehend, dass von einer an der Inflationsrate und der Steigerung der Nettoeinkommen aktiver Arbeitnehmer orientierten Anpassungspflicht abgewichen wird und erstmals die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners bei der Anpassungsentscheidung berücksichtigt werden kann, bedarf jedenfalls solcher Gründe, die gerade diesen Eingriff tragen. Es muss daher ein innerer Zusammenhang zwischen der Regelung, die erstmals auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ermöglicht, und den Gründen für die Anpassung bestehen. Derartige Gründe hat die Beklagte nicht dargelegt. Praktikabilitätserwägungen sind nicht geeignet, die Betriebsrenten der Gefahr einer Wertminderung auszusetzen.

48

II. Hinsichtlich des Zahlungsantrages ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Zahlungsklage begründet ist. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hätte der Zahlungsklage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben dürfen.

49

Der Kläger hat sich bei der Berechnung seiner Forderung nach § 5 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 der Ruhegeldrichtlinien 1989 an der statistischen Steigerung der Lebenshaltungskosten orientiert. Die Beklagte hat vorgebracht, die Steigerung des Nettoarbeitsentgelts der aktiven Arbeitnehmer sei hinter der Inflationsrate zurückgeblieben. Das Landesarbeitsgericht hat Vortrag hinsichtlich der Steigerung der Nettoarbeitsentgelte gerade der Gruppe, der aus seiner Sicht der Kläger angehörte, vermisst. Es hat dabei übersehen, dass nach § 5 Abs. 6 Satz 2 der Ruhegeldrichtlinien 1989 die Nettovergütung auf der Grundlage der Vergütungsgruppe 9, Stufe 16 des jeweiligen Vergütungstarifvertrages ermittelt wird. Dazu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen. Diese sind vom Landesarbeitsgericht nachzuholen.

50

III. Da nicht beurteilt werden kann, in welchem Umfang die Betriebsrente des Klägers anzupassen ist, war das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, als die Beklagte zur Zahlung von Zinsen verurteilt wurde. Allerdings schuldet die Beklagte Zinsen nicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Zwar tritt die Fälligkeit einer Forderung, die von einer Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen abhängt, bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Angemessenheit erst mit Rechtskraft des darüber ergehenden Urteils ein. Die Regelungen in § 5 Abs. 5 und Abs. 6 der Ruhegeldrichtlinien 1989 sehen aber keine Anpassung nach billigem Ermessen vor, sondern eine Pflicht zur Anpassung um die Inflationsrate oder um den Prozentsatz der Erhöhung der Nettovergütungen der aktiven Beschäftigten im Zeitpunkt der Anpassung der gesetzlichen Renten. Ab diesem Zeitpunkt werden die Ansprüche auf Zahlung der anzupassenden Betriebsrenten zum jeweiligen Zahlungstermin fällig.

51

C. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Heuser    

        

    Bialojahn    

                 

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. März 2014 - 5 Sa 48/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Versorgungszusage fortzuführen.

2

Die im Mai 1958 geborene Klägerin war seit dem 1. Juli 1991 bei der Tr Versicherungs-AG (im Folgenden Tr) beschäftigt. Diese sagte der Klägerin mit Schreiben vom 2. Januar 1992 eine Versorgung nach der bei ihr geltenden Pensionsordnung aus Januar 1985 zu.

3

Die Tr, die später - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts - als A Lebensversicherung AG (im Folgenden A) firmierte, war eine Gesellschaft des T-Konzerns. Im T-Konzern gilt die Konzernbetriebsvereinbarung 01 zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung vom 23./24. März 2006 (im Folgenden KBV 01). Diese bestimmt ua.:

        

„Präambel

        
        

… Die T AG möchte einen Beitrag zur individuellen Zukunftssicherung der im T Konzern beschäftigten Arbeitnehmer leisten. Sie hat ein besonderes Interesse an der konzernweit einheitlichen Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung über den H Unterstützungskasse e.V. Demgemäß wird mit dieser Konzernbetriebsvereinbarung die für die wesentlichen Gesellschaften des T-Konzerns bereits auf der Grundlage von Gesamtbetriebsvereinbarungen geltende betriebliche Altersversorgung auf Konzernebene vereinheitlicht. … Weiter soll mit dieser Vereinbarung die Möglichkeit eröffnet werden, auch später eingetretenen Arbeitnehmern auf dieser vereinheitlichten Basis eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren.

        
        

§ 1     

        
        

Geltungsbereich

        
        

1.    

Diese Konzernbetriebsvereinbarung gilt für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zum T Konzern gehörenden Gesellschaften und deren Arbeitnehmer, auch wenn das Arbeitsverhältnis erst nach Inkrafttreten dieser Konzernbetriebsvereinbarung beginnt, soweit nicht nachfolgend etwas anderes geregelt ist.

        
        

2.    

Sie gilt nicht für Arbeitnehmer des T Konzerns, für die Zusagen auf arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung außerhalb von Zusagen über den H Unterstützungskasse e.V. (nachfolgend ‚Unterstützungskasse‘) auf Grund einer im übrigen für Neueintritte bereits geschlossenen Versorgungsordnung einer Gesellschaft des T Konzerns fortbestehen. Für diese Arbeitnehmer gelten ausschließlich die für sie bisher anwendbaren Versorgungsordnungen fort.

        
        

3.    

Sie gilt ebenfalls nicht für solche Arbeitnehmer des T Konzerns, für die ausschließlich individuelle Zusagen auf arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung einer Gesellschaft des T Konzerns außerhalb von Zusagen über die Unterstützungskasse bestehen. Für diese Arbeitnehmer gelten ausschließlich die für sie bisher anwendbaren individuellen Zusagen fort. Individuelle Zusagen in diesem Sinne sind alle arbeitsvertraglichen Zusagen, die nicht durch arbeitsvertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage oder betriebliche Übung begründet sind, und unabhängig davon generell solche, die mit einer für Neueintritte bereits geschlossenen Versorgungsordnung einer Gesellschaft des T-Konzerns inhaltlich identisch sind.

        
        

4.    

Diese Konzernbetriebsvereinbarung gilt auch für Gesellschaften, die nach dem Inkrafttreten dieser Konzernbetriebsvereinbarung in den T Konzern eintreten, sowie für deren Arbeitnehmer, ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Gesellschaft, soweit im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Insoweit steht der Eintritt der neuen Gesellschaft in den T Konzern dem Inkrafttreten dieser Konzernbetriebsvereinbarung gleich.

        
        

…       

                 
        

§ 2     

        
        

Gegenstand der betrieblichen Altersversorgung

        
        

1.      

Die Versorgungsbegünstigten haben Anspruch auf Versorgungsleistungen nach den dieser Konzernbetriebsvereinbarung als Anlage 2 beigefügten Leistungsrichtlinien der Unterstützungskasse (im Folgenden ‚LR U-Kasse‘) …

        
        

…       

                 
        

§ 3     

        
        

Schließung und Ablösung früherer Versorgungszusagen

        

1.    

Diese Konzernbetriebsvereinbarung ersetzt in ihrem Geltungsbereich mit Wirkung zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vorbehaltlich § 3 Ziff. 4 alle bislang bestehenden Versorgungszusagen der Versorgungsbegünstigten.

        
        

2.    

Versorgungsbegünstigte, deren Arbeitsverhältnis mit oder nach Inkrafttreten dieser Konzernbetriebsvereinbarung beginnt, können Ansprüche und Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung ausschließlich nach § 2 dieser Konzernbetriebsvereinbarung erwerben.

        
        

3.    

Sämtliche bis zum Inkrafttreten dieser Konzernbetriebsvereinbarung von Versorgungsbegünstigten erworbenen und entsprechend § 2 Abs. 1 des Betriebsrentengesetzes (‚BetrAVG‘) berechneten Besitzstände auf arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung einschließlich der erworbenen dienstzeitunabhängigen Dynamik bleiben in vollem Umfang aufrechterhalten …“

        
4

In der Anlage 1 zur KBV 01 sind die Gesellschaften des T-Konzerns aufgeführt, für die die KBV 01 abgeschlossen wurde. Dort sind sowohl die A als auch die Beklagte genannt.

5

Im Zusammenhang mit der Eingliederung der G Beteiligungs-GmbH und ihrer Tochtergesellschaften in den T-Konzern erfolgte eine Neustrukturierung des T-Konzerns, von der auch der Arbeitsplatz der Klägerin bei der A in Hamburg betroffen war. Die A verlagerte ihren Sitz von Hamburg nach Köln; der Standort Hamburg wurde geschlossen. Die Arbeitsplätze sollten nach Köln verlagert und die Arbeitsaufgaben dort bei einer anderen Gesellschaft des T-Konzerns, der H Betriebsservice GmbH, künftig fortgeführt werden. Mit Schreiben vom 24. April 2007 wurde die Klägerin über den ihr Arbeitsverhältnis betreffenden Betriebsteilübergang von der A auf die H Betriebsservice GmbH zum 1. Juli 2007 informiert.

6

Am 5. Juni 2007 sprach die A gegenüber der Klägerin eine Änderungskündigung zum 31. Dezember 2007 aus. Danach sollte das zum 1. Juli 2007 infolge des Betriebsteilübergangs von der A auf die H Betriebsservice GmbH übergehende Arbeitsverhältnis ab dem 1. Januar 2008 in Köln fortgesetzt werden. Im Übrigen sollte es bei den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses verbleiben. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin nicht an.

7

Die T AG schloss zwischen dem 24. Juli 2007 und dem 2. August 2007 mit dem bei ihr gebildeten Konzernbetriebsrat eine Konzernbetriebsvereinbarung über das Stellenbesetzungsverfahren (im Folgenden KBV-Stellenbesetzung) ab. Nr. 6 KBV-Stellenbesetzung lautet:

        

6.    

Sicherung sozialer Besitzstände

        

Sofern der Arbeitsplatzwechsel mit dem Wechsel zu einem neuen Vertragsarbeitgeber innerhalb des T Konzerns verbunden ist, werden die vom Mitarbeiter im T Konzern ununterbrochen zurückgelegte Beschäftigungszeit sowie die im Rahmen solcher Beschäftigungszeiten anerkannten Vorbeschäftigungszeiten gem. der Regelung des § 2 Ziffer 15 der Eckpunktevereinbarung vom 21.03.2007 in vollem Umfang anerkannt. Die mit seinem bisherigen Arbeitsverhältnis verbundenen kündigungsrechtlichen Besitzstände bleiben erhalten.“

8

Unter dem 12./28. November 2007 - nach einer vorausgegangenen Bewerbung der Klägerin vom 29. Mai 2007 - schlossen die Klägerin und die Beklagte mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 einen Arbeitsvertrag, der in § 8 bestimmt:

        

§ 8 Altersversorgung

        

Ansprüche auf die betriebliche Altersversorgung richten sich dem Grunde und der Höhe nach nach der Konzernbetriebsvereinbarung 01 zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung im T Konzern vom 24.03.2006. Zulagen und erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile sind nicht ruhegehaltsfähig.“

9

Mit Schreiben vom 14. November 2007 - noch bevor die Klägerin den Arbeitsvertrag unterschrieben hatte - wandte sie sich an die Personalabteilung der Beklagten und bat um Mitteilung, wie die betriebliche Altersversorgung geregelt werde und ob die erworbenen unverfallbaren Versorgungsanwartschaften bei der Beklagten aufgrund der Besitzstandswahrung unverfallbar weitergeführt würden.

10

Unter dem 28. November 2007 schrieb die Klägerin erneut an den Mitarbeiter der Personalabteilung L:

        

„…      

        

In vorgenannter Angelegenheit komme ich zurück auf unser Telefonat vom 26.11.2007, in dem Sie mir bestätigt haben, dass die N, gemäß der Konzernbetriebsvereinbarung 01 (§ 1 Abs. 2), meine bisher anwendbare Versorgungsordnung, Pensionszusage, fortführt. …“

11

Im Oktober 2008 lehnte die Beklagte eine Fortführung der von der Tr erteilten Versorgungszusage ab. Demgegenüber führte sie die Versorgungszusage dreier ebenfalls zu ihr gewechselter Arbeitnehmer, deren Versorgungszusage sich nach der KBV 01 richtete, fort.

12

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Fortführung ihrer von der Tr erteilten Versorgungszusage vom 2. Januar 1992 erstrebt und die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf Fortführung dieser Zusage aus den bei der Beklagten geltenden (Konzern-)Betriebsvereinbarungen. Durch die KBV 01 habe zwar eine Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung auf Konzernebene erreicht werden sollen; nach § 1 Nr. 2 KBV 01 jedoch nicht zulasten bereits bestehender Versorgungszusagen. Die KBV 01 gelte nicht für Arbeitnehmer des T-Konzerns, die - wie sie - bereits Versorgungsansprüche aus einer Versorgungsordnung erarbeitet hätten, die für Neueintritte bereits geschlossen und nicht über den H Unterstützungskasse e.V. abgewickelt werden.

13

Ein Anspruch auf Fortführung der von der Tr erteilten Versorgungszusage ergebe sich auch aus der KBV-Stellenbesetzung. Nach Nr. 6 KBV-Stellenbesetzung sei die ununterbrochen im Konzern zurückgelegte Beschäftigungszeit im Rahmen des neuen Beschäftigungsverhältnisses anzuerkennen. Dies gelte auch für die betriebliche Altersversorgung; folglich gelte auch ihre bisherige Versorgungszusage fort.

14

Die Verpflichtung zur Fortführung ihrer Versorgungszusage folge zudem aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Durch § 8 des Arbeitsvertrags sei die KBV 01 in Bezug genommen. Bei der Auslegung dieser arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel gelte die Unklarheitenregel des § 305c BGB mit der Folge, dass bestehende Unklarheiten bei der Auslegung der in Bezug genommenen KBV 01 zulasten der Beklagten gingen. Auch habe ihr der Personalreferent L in einem Telefonat am 26. November 2007 die Fortführung ihrer Pensionszusage bestätigt. Diese Zusage habe er anlässlich der Übergabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags am 28. November 2007 wiederholt.

15

Ein Anspruch auf Fortführung ihrer Versorgungszusage ergebe sich schließlich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Beklagte die Versorgungszusagen der drei Mitarbeiter, die ebenfalls von der A zur Beklagten gewechselt seien, fortführe.

16

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihre Versorgungszusage gemäß Schreiben der Tr Lebensversicherungs-AG vom 2. Januar 1992 im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses unterbrechungsfrei fortzuführen.

17

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, es gebe keinen Rechtsgrund für die Fortführung der alten Versorgungszusage.

18

Das Arbeitsgericht hat die Klage im noch rechtshängigen Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen; sie ist unbegründet. Für das Begehren der Klägerin besteht keine Anspruchsgrundlage. Die Beklagte ist weder nach § 613a BGB noch aufgrund der im T-Konzern geltenden (Konzern-)Betriebsvereinbarungen, arbeitsvertraglicher Vereinbarungen oder aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, die von der Tr erteilte Versorgungszusage vom 2. Januar 1992 fortzuführen.

20

I. Eine Verpflichtung zur Fortführung der Versorgungszusage folgt nicht aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht im Wege eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.

21

II. Die Klägerin kann ihren Klageanspruch ebenfalls nicht mit Erfolg auf die KBV 01 stützen. Nach § 2 Nr. 1 KBV 01 haben die vom Geltungsbereich der KBV 01 erfassten Arbeitnehmer nur Anspruch auf Versorgungsleistungen nach den Leistungsrichtlinien des H Unterstützungskasse e.V. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten fällt in den Geltungsbereich der KBV 01. Aus § 1 Nr. 2 KBV 01 ergibt sich nichts anderes. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin begründet diese Bestimmung keine Verpflichtung, die dort genannten Versorgungszusagen auch bei einem Wechsel des Arbeitgebers innerhalb des Konzerns aufrechtzuerhalten. Dies ergibt die Auslegung der KBV 01.

22

1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (statt vieler BAG 9. Oktober 2012 - 3 AZR 539/10 - Rn. 21).

23

2. Danach unterfällt das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten der KBV 01, weshalb sich ihre Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ab dem 1. Januar 2008 nach § 2 Nr. 1 KBV 01 richten. Eine eigenständige Verpflichtung der Beklagten, die Versorgungszusage der Tr vom 2. Januar 1992 fortzuführen, enthält die KBV 01 nicht.

24

a) Nach § 1 Nr. 1 gilt die KBV 01 für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zum T-Konzern gehörenden Gesellschaften und deren Arbeitnehmer, auch wenn das Arbeitsverhältnis erst nach Inkrafttreten der KBV 01 beginnt, soweit nicht nachfolgend etwas anderes geregelt ist. Die erstgenannten Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Die Beklagte ist eine Gesellschaft des T-Konzerns; sie ist in der Anlage 1 zur KBV 01 namentlich aufgeführt. Die Klägerin steht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, das nach dem Inkrafttreten der KBV 01 im März 2006 begonnen hat, nämlich am 1. Januar 2008.

25

b) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wird auch nicht von der Ausnahmeregelung in § 1 Nr. 2 KBV 01 erfasst. Danach gilt die KBV 01 nicht für Arbeitnehmer des T-Konzerns, für die Zusagen auf arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung außerhalb von Zusagen über den H Unterstützungskasse e.V. aufgrund einer im Übrigen für Neueintritte bereits geschlossenen Versorgungsordnung einer Gesellschaft des T-Konzerns fortbestehen. Für diese Arbeitnehmer gelten ausschließlich die für sie bisher anwendbaren Versorgungsordnungen fort. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 Satz 1 KBV 01 erfüllt die Klägerin nicht. Zwar handelt es sich bei der Pensionsordnung der Tr aus Januar 1985 um eine für Neueintritte geschlossene Versorgungsordnung, mit der zudem eine Versorgung außerhalb des H Unterstützungskasse e.V. gewährt wurde. Die der Klägerin von der Tr erteilte Versorgungszusage besteht jedoch bei der Beklagten nicht fort. Hierzu bedürfte es einer gesonderten Rechtsgrundlage, die die Fortgeltung der bisherigen Versorgungszusage zum Gegenstand hat. Aus § 1 Nr. 2 Satz 2 KBV 01 folgt nichts anderes. Die Regelung ordnet entgegen dem Verständnis der Klägerin den Fortbestand der genannten Zusagen bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns nicht an, sondern setzt diesen voraus. Nur wenn die Versorgungszusage nach anderweitiger rechtlicher Grundlage auch bei einem neuen Arbeitgeber fortbesteht, fallen die Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich der KBV 01 heraus mit der Folge, dass sich ihre betriebliche Altersversorgung nicht nach § 2 KBV 01, sondern gemäß § 1 Nr. 2 Satz 2 KBV 01 nach den bisher anwendbaren Versorgungsordnungen richtet.

26

aa) Bereits nach dem Wortlaut von § 1 Nr. 2 KBV 01 reicht es nicht aus, dass eine Versorgungszusage in einem früheren Arbeitsverhältnis erteilt wurde; vielmehr muss sie nach § 1 Nr. 2 Satz 1 KBV 01 „fortbestehen“, damit sie entsprechend § 1 Nr. 2 Satz 2 KBV 01 „fortgilt“. Es geht folglich um die Weitergeltung und damit um eine Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustands und nicht um die konstitutive Neubegründung einer Rechtslage. Das wäre aber erforderlich, wenn eine Versorgungszusage bei einem Arbeitgeber gelten soll, der diese nicht erteilt hat.

27

bb) Die Systematik der KBV 01 spricht ebenfalls für dieses vom Wortlaut vorgegebene Verständnis von § 1 Nr. 2 KBV 01. Die Regelung befindet sich bei den in § 1 KBV 01 enthaltenen Bestimmungen zum Geltungsbereich. Dieser umfasst nach § 1 Nr. 1 KBV 01 zunächst alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KBV 01 zum T-Konzern gehörenden Gesellschaften und deren Arbeitnehmer, auch wenn deren Arbeitsverhältnis erst nach dem Inkrafttreten der KBV 01 beginnt. § 1 Nr. 2 KBV 01 nimmt anschließend die Arbeitnehmer aus, für die Zusagen auf arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung außerhalb von Zusagen des H Unterstützungskasse e.V. aufgrund einer für Neueintritte geschlossenen Versorgungsordnung einer Gesellschaft des T-Konzerns fortbesteht. Ebenso ausgenommen sind nach § 1 Nr. 3 KBV 01 Arbeitnehmer des T-Konzerns, für die ausschließlich individuelle Zusagen außerhalb des H Unterstützungskasse e.V. bestehen und schließlich ordnet § 1 Nr. 4 KBV 01 die Geltung auch für solche Gesellschaften an, die nach dem Inkrafttreten der KBV 01 erst in den T-Konzern eintreten. Inhaltliche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung werden erst daran anschließend in den §§ 2 und 3 KBV 01 getroffen. Die Bestimmung in § 1 Nr. 1 KBV 01 zeigt, dass die Betriebsparteien grundsätzlich alle Arbeitsverhältnisse im T-Konzern der durch sie getroffenen Neuregelung unterstellen wollten. Ausnahmen werden durch einen Ausschluss vom Geltungsbereich geregelt. Das spricht dafür, dass § 1 Nr. 2 KBV 01 keine eigenständige Fortgeltungsanordnung für die dort genannten Versorgungsordnungen enthält, sondern lediglich die Reichweite der KBV 01 eingeschränkt werden soll.

28

cc) Der sich aus der Präambel ergebende Sinn und Zweck der KBV 01 bestätigt diese Auslegung. Die KBV 01 will ausweislich ihrer Präambel die betriebliche Altersversorgung im Konzern einheitlich über die Unterstützungskasse gewähren und damit deren möglichst weitreichende Vereinheitlichung herbeiführen. Das Ziel einer Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung im T-Konzern wäre deutlich schwieriger zu erreichen, wenn bereits das Bestehen einer früheren Versorgungszusage zu einem Fortbestand derselben auch bei einem Arbeitgeberwechsel im Konzern führen würde. Nach den erkennbaren Vorstellungen der Betriebsparteien sollen künftig möglichst alle Versorgungszusagen einheitlich über den H Unterstützungskasse e.V. abgewickelt werden.

29

III. Ein Anspruch der Klägerin auf Fortführung der Versorgungszusage der Tr ergibt sich auch nicht aus der KBV-Stellenbesetzung. Es kann dahinstehen, ob der zeitliche und sachliche Geltungsbereich der KBV-Stellenbesetzung eröffnet ist, denn Nr. 6 KBV-Stellenbesetzung gibt keinen solchen Anspruch.

30

Nach Nr. 6 Satz 2 KBV-Stellenbesetzung bleiben die kündigungsrechtlichen Besitzstände erhalten. Unter diese Regelung fallen Ansprüche auf Fortführung der betrieblichen Altersversorgung schon nach dem Wortlaut nicht. Die Fortführung einer Versorgungszusage ist nicht Gegenstand eines „kündigungsrechtlichen Besitzstandes“. Vielmehr sollen damit Regelungen zum Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses insgesamt erfasst werden. Dem Wort „kündigungsrechtlich“ kommt eigenständige Bedeutung zu. Im Falle einer Kündigung soll der Arbeitnehmer nicht schlechter stehen als im vorherigen Arbeitsverhältnis. Auch Nr. 6 Satz 1 KBV-Stellenbesetzung enthält keine ausdrückliche Regelung zur betrieblichen Altersversorgung. Vielmehr sind „Beschäftigungszeiten“ anzuerkennen. Damit ist die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten aus einem früheren Arbeitsverhältnis im neuen Arbeitsverhältnis angesprochen, nicht jedoch, dass zwei Arbeitsverhältnisse als eines zu behandeln sind. Selbst wenn frühere Beschäftigungszeiten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung anzuerkennen sind, bedeutet das nicht, dass dies die Fortgeltung einer früheren Versorgungszusage auch beim Wechsel des Arbeitgebers zur Folge hat.

31

IV. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Versorgungszusage fortzuführen, ergibt sich auch nicht aus den von den Parteien getroffenen Vereinbarungen.

32

1. Es kann dahinstehen, ob § 8 des Arbeitsvertrags vom 12./28. November 2007 eine konstitutive Bezugnahme auf die KBV 01 enthält. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde diese Bestimmung nur dazu führen, dass sich die Ansprüche der Klägerin auf betriebliche Altersversorgung - dem Grunde und der Höhe nach - nach der KBV 01 vom 23./24. März 2006 richten. Das gilt auch, wenn man die Grundsätze des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde legt.

33

a) Die Bezugnahmeklausel in § 8 des Arbeitsvertrags verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Verweisung auf die Vorschriften eines anderen Regelungswerks ist grundsätzlich zulässig und führt für sich genommen nicht zur Intransparenz. Bezugnahmeklauseln, auch dynamische, sind im Arbeitsrecht - insbesondere im Betriebsrentenrecht - weit verbreitet, entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Es ist ausreichend, wenn die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind (BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 22 ff., BAGE 142, 294; 16. Februar 2010 - 3 AZR 181/08 - Rn. 43, BAGE 133, 181). Dies ist hier der Fall. Die Klausel in § 8 des Arbeitsvertrags verweist eindeutig auf die KBV 01 als Bezugsobjekt.

34

Selbst wenn man - etwa unter Rückgriff auf § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB - aus den von der Klägerin behaupteten Umständen bei Vertragsschluss eine mangelnde Klarheit und Verständlichkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und damit eine Unwirksamkeit der Verweisungsklausel herleiten wollte, wäre die Rechtsfolge daraus nur die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen(§ 306 Abs. 2 BGB). Das würde dazu führen, dass die KBV 01 als Rechtsnorm und damit Gesetz im Sinne des BGB (Art. 2 EGBGB) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung käme.

35

b) Die Verweisung in § 8 des Arbeitsvertrags auf die KBV 01 enthält auch keine Unklarheiten, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB bei ihrer Auslegung zulasten der Beklagten als Verwenderin der vertraglichen Bezugnahmeklausel gehen könnten. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgehen wollte, dass die KBV 01 ihrerseits auslegungsbedürftig wäre und letztlich bei deren Auslegung Unklarheiten verbleiben würden, führte dies nicht dazu, dass die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag ihrerseits unklar wäre und deshalb Zweifel bei ihrer Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Beklagten gingen. Eine eventuelle Unklarheit des in Bezug genommenen Regelwerks wirkt sich nicht auf die Bezugnahmeklausel selbst aus. Im Übrigen ist die KBV 01 - wie sich nach dem unter Rn. 21 ff. Ausgeführten ergibt - der Auslegung zugänglich, ohne dass Unklarheiten verbleiben. Auch die von der Klägerin behaupteten Umstände bei Abschluss des Arbeitsvertrags vermögen eine Unklarheit von § 8 des Arbeitsvertrags nicht zu begründen. Etwaige, den Vertragsschluss begleitende Umstände bleiben bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 305c Abs. 2 BGB gegeben sind, außer Betracht. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, der sich auf solche Umstände bezieht, ordnet ihre Berücksichtigung nur für die Wirksamkeitskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, nicht aber für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB an. Auf den Vortrag der Klägerin zu diesen Umständen kommt es daher nicht an.

36

2. Eine von § 8 des Arbeitsvertrags abweichende gesonderte Vereinbarung ist von der Klägerin nicht schlüssig behauptet worden.

37

Der Vortrag der Klägerin lässt nicht erkennen, dass der Mitarbeiter der Personalabteilung L eine rechtsverbindliche Erklärung abgegeben hat, nach der die Beklagte unabhängig von der sich aus dem Arbeitsvertrag und den Konzernbetriebsvereinbarungen ergebenden Rechtslage die Versorgungszusage der Tr fortführen wird. Selbst wenn der Mitarbeiter der Personalabteilung vor Abschluss des Arbeitsvertrags mitgeteilt haben sollte, dass er von einer Fortgeltung der Versorgungszusage ausgehe, konnte die Klägerin hieraus nicht entnehmen, dass die Beklagte ihr die Fortgeltung der ursprünglichen Versorgungszusage ohne Rücksicht auf die Vereinbarungen der Parteien und der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen KBV 01 zusichern wollte. Folglich kommt es auf die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht an. Mit dieser rügt die Klägerin lediglich, es sei eine Beweisaufnahme zu Aussagen unterblieben, die sich ausschließlich auf die Auslegung von § 8 des Arbeitsvertrags und § 1 Nr. 2 KBV 01 beziehen.

38

V. Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die von der Klägerin benannten drei Mitarbeiter verfügten über Zusagen betrieblicher Altersversorgung, die über den H Unterstützungskasse e.V. durchgeführt werden. Es handelt sich demnach nicht um vergleichbare Sachverhalte, denn die Altersversorgung dieser Arbeitnehmer richtet sich bereits nach der Leistungsordnung des H Unterstützungskasse e.V., die für die Zusage der Klägerin ab ihrem Eintritt bei der Beklagten Anwendung finden soll. Die Klägerin hat nicht behauptet, diese Arbeitnehmer verfügten über eine außerhalb des H Unterstützungskasse e.V. durchgeführte und trotz des Wechsels zur Beklagten fortbestehende Versorgungszusage.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke     

        

    H. Trunsch     

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Juli 2012 - 1 Sa 9/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch der Klägerin auf eine Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten.

2

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land seit 1985 als Justizangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 Anwendung. Die Klägerin wird nach Stufe 4 als Endstufe der Entgeltgruppe 9 TV-L vergütet. Sie wohnt und arbeitet in der Landeshauptstadt Stuttgart. Zum Ausgleich der in Stuttgart vergleichsweise hohen Lebenshaltungskosten beantragte sie mit Schreiben vom 29. April 2009 eine Zulage nach § 16 Abs. 5 TV-L. Diese Tarifnorm lautet wie folgt:

        

㤠16 Stufen der Entgelttabelle

        

…       

        

(5) 1Zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs, zur Bindung von qualifizierten Fachkräften oder zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten kann Beschäftigten abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewährt werden. 2Beschäftigte mit einem Entgelt der Endstufe können bis zu 20 v.H. der Stufe 2 zusätzlich erhalten. 3Die Zulage kann befristet werden. 4Sie ist auch als befristete Zulage widerruflich.“

3

Mit Schreiben vom 5. August 2009 lehnte das Oberlandesgericht Stuttgart die Gewährung einer solchen Zulage gegenüber der Klägerin mit folgender Begründung ab:

        

„…    

        

Ihren Antrag vom 29.04.2009 hatten wir dem Finanzministerium über das Justizministerium Baden-Württemberg zur Prüfung vorgelegt.

        

Nach Mitteilung des Justizministeriums sind die Lebenshaltungskosten in Stuttgart zweifelsohne höher als in anderen Städten oder im ländlichen Bereich. Bei der Interessenabwägung sei jedoch als entscheidender Faktor die äußerst angespannte Haushaltslage zu berücksichtigen, die Sparanstrengungen unvermeidlich macht. Das Justizministerium sieht daher keine Möglichkeit, dass von § 16 Abs. 5 TV-L zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten ein höheres Entgelt gewährt werden kann.

        

…“    

4

Die Vorlage an das Finanzministerium entsprach dessen Durchführungshinweisen zu § 16 Abs. 5 TV-L, welche unter Ziff. 5 auszugsweise wie folgt lauten:

        

„Bis auf Weiteres darf eine Zulage nach § 16 Abs. 5 nur bei Neueinstellungen und höchstens bis zum Erreichen der Endstufe (vgl. § 16 Abs. 5 Satz 1) bewilligt werden, wenn und soweit dies zur Deckung des Personalbedarfs zwingend erforderlich ist; … Im Übrigen darf von § 16 Abs. 5 bis auf Weiteres nur mit Zustimmung des Finanzministeriums Gebrauch gemacht werden. ...“

5

Mit ihrer am 21. Juni 2011 eingegangenen Klage hat die Klägerin weiterhin eine Zulage nach § 16 Abs. 5 Satz 2 TV-L verlangt. Das beklagte Land habe sein Leistungsbestimmungsrecht nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt. Die bloße Bezugnahme auf die Durchführungshinweise des Finanzministeriums stelle keine eigene Ermessensentscheidung dar. Jedenfalls entspreche die Verweigerung der Zulage nicht billigem Ermessen gemäß § 315 BGB. Ihre persönliche Situation werde hierbei nicht berücksichtigt. Die Möglichkeit einer befristeten Gewährung der Zulage sei nicht einmal erwogen worden. Der Verweis auf die Haushaltslage rechtfertige die Ablehnung der Zulage nicht. Das beklagte Land habe die Mittel für eine tarifgerechte Vergütung zur Verfügung zu stellen. Es seien auch ausreichend Finanzmittel vorhanden. Außerdem blieben Möglichkeiten der Kosteneinsparung, zB in ihrer Dienststelle, ungenutzt. Durch die pauschale Ablehnung aus finanziellen Gründen verbleibe praktisch kein Anwendungsbereich für § 16 Abs. 5 TV-L. Es würden dadurch zudem alle Arbeitnehmer gleich behandelt, obwohl sie auf dem Land und in der Stadt unterschiedlich hohe Lebenshaltungskosten zu tragen hätten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Zulage nur bei Neueinstellungen bewilligt werden könnte. Die Durchführungshinweise widersprächen insoweit dem Wortlaut des Tarifvertrags.

6

Da sie bereits in der Endstufe eingruppiert sei, richte sich ihr Anspruch nach § 16 Abs. 5 Satz 2 TV-L. Der Anspruch bestehe ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung.

7

Die Klägerin hat daher zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin eine Zulage nach § 16 Abs. 5 Satz 2 TV-L in Höhe von 20 % der Stufe 2 der Entgeltgruppe 9 seit 1. Mai 2009 zu zahlen, sofern die Klägerin Arbeitsentgelt bezogen hat und künftig noch beziehen wird.

8

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass § 16 Abs. 5 TV-L keinen Anspruch der Klägerin vorsehe. Die Leistung einer entsprechenden Zulage stehe im freien Ermessen des Arbeitgebers. Die im vorliegenden Fall getroffene Entscheidung entspreche aber auch der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Bei Erlass der Durchführungshinweise des Finanzministeriums sei die gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen in generalisierender Weise vorgenommen worden. Die Lebenshaltungskosten in Stuttgart beträfen alle Beschäftigten in diesem Raum und in den angrenzenden Landkreisen. Aus Gründen der Gleichbehandlung müsste diesen Beschäftigten ebenso wie Beschäftigten anderer vergleichbarer Ballungsräume eine entsprechende Zulage gezahlt werden. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Eine derartige Belastung sei mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht zu vereinbaren.

9

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Zulage nach § 16 Abs. 5 TV-L hat. Die Verweigerung der Zulage stellt sich nicht als unbillig iSd. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Die Zulage ist daher kein Bestandteil der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung.

11

I. § 16 Abs. 5 TV-L eröffnet dem Arbeitgeber unter den dort genannten Voraussetzungen auf der Rechtsfolgenseite einen Ermessensspielraum. Soweit der Arbeitgeber über die Gewährung einer Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten zu befinden hat, ist diese Leistungsbestimmung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB zu treffen.

12

1. Die Tarifautonomie eröffnet den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, die Rechtsetzungsbefugnis zu delegieren, indem einer Partei des Arbeitsvertrags ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 229/11 (F) - Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass die Tarifvertragsparteien dabei grundsätzlich nicht gehindert sind, dem Arbeitgeber ein freies, nicht an billiges Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB gebundenes Gestaltungsrecht einzuräumen. Allerdings schreibt § 315 Abs. 1 BGB, der vor unbilligen Benachteiligungen durch die Ausübung eines einseitigen Bestimmungsrechts schützen will, im Zweifel ein Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen vor(BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 151/10 - Rn. 27; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 535/01 - zu I 2 d der Gründe, BAGE 104, 65; 30. September 1999 - 6 AZR 130/98 - zu 5 b der Gründe). Es ist daher im Einzelfall zu beurteilen, ob ein Tarifvertrag eindeutig zum Ausdruck bringt, dass eine Leistungsbestimmung sich nicht am Maßstab der Billigkeit ausrichten muss, sondern nur die - stets geltenden - allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, insbesondere der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, die Willkür- und Maßregelungsverbote sowie der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten sind (vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 38). Die Einräumung solch freien Ermessens kann auch dem systematischen Zusammenhang tariflicher Normen entnommen werden (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 75/08 - Rn. 14 f.; 30. September 1999 - 6 AZR 130/98 - zu 5 b der Gründe). Ansonsten entspricht es dem üblichen Tarifverständnis, dass durch die Verwendung des Begriffs „kann“ eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen eröffnet wird (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 2 b der Gründe; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 457/01 - zu A II 2 a cc (2) der Gründe, BAGE 104, 55; 17. Oktober 1990 - 4 AZR 138/90 -). Die Formulierung „kann“ stellt die Standardformulierung bei Einräumung von Ermessensspielräumen dar und begründet typischerweise Zweifel iSd. § 315 Abs. 1 BGB.

13

2. § 16 Abs. 5 TV-L eröffnet dem Arbeitgeber bezüglich der Gewährung einer Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

14

a) In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend angenommen, dass § 16 Abs. 5 TV-L auf der Rechtsfolgenseite ein Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB vorsieht(vgl. LAG Düsseldorf 16. Juni 2010 - 12 Sa 475/10 - Rn. 18; 27. Februar 2009 - 9 Sa 1335/08 - Rn. 21; Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Februar 2010 Teil B 1 § 16 Rn. 65; BeckOK TV-L/Felix Stand 1. März 2014 § 16 Rn. 32m; Gaumann/Held öAT 2010, 126; aA wohl Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand März 2008 E § 16 Rn. 32c).

15

b) Dies trifft jedenfalls insoweit zu, als über die Gewährung einer Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten zu entscheiden ist.

16

aa) Der Wortlaut des § 16 Abs. 5 TV-L lässt nicht auf die Einräumung freien Ermessens schließen. Er verwendet den Begriff „kann“ ohne weitere Ergänzung.

17

bb) Der tarifliche Gesamtzusammenhang lässt nicht erkennen, ob die Tarifvertragsparteien freies oder gebundenes Ermessen eröffnen wollten. § 16 Abs. 5 TV-L weist nur zu § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L insoweit einen Bezug auf, als dem Arbeitgeber auch dort „zur Deckung des Personalbedarfs“ eine Ermessensentscheidung ermöglicht wird. Bei dieser Vorschrift stellt sich jedoch ebenfalls die Frage, ob dem Arbeitgeber freies oder billiges Ermessen eingeräumt wird (offengelassen von BAG 5. Juni 2014 - 6 AZR 1008/12 - Rn. 21; 23. September 2010 - 6 AZR 174/09 - Rn. 17).

18

cc) Sinn und Zweck des § 16 Abs. 5 TV-L sprechen für eine Bindung des Arbeitgebers an den Maßstab des billigen Ermessens bei der Entscheidung über die Leistung einer Zulage zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten.

19

(1) Das Wesensmerkmal der Billigkeit iSd. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (st. Rspr., vgl. BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 26 mwN).

20

(2) Bei der Frage des Ausgleichs höherer Lebenshaltungskosten liegt eine Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen nahe, denn der einzelne betroffene Arbeitnehmer hat die höheren Lebenshaltungskosten zu tragen. § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-L eröffnet eine Möglichkeit des Ausgleichs solcher Kosten. Es stehen sich zwei finanzielle Interessen gegenüber. Der Arbeitgeber hat unter Beachtung des Grundsatzes der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung ein Interesse an möglichst geringen Personalkosten, der Arbeitnehmer hat ein Interesse an einer entlastenden Ausgleichsleistung. Diese Konstellation lässt darauf schließen, dass eine Berücksichtigung beider Interessen im Rahmen einer Entscheidung nach billigem Ermessen von den Tarifvertragsparteien beabsichtigt ist. Jedenfalls bestehen keine Anhaltspunkte für die Einräumung freien Ermessens.

21

dd) Auch die Tarifgeschichte spricht nicht für die Gewährung freien Ermessens. § 27 Abschn. C BAT sah ebenso wie § 24 Abs. 2 MTArb und § 21a Abs. 4 BMT-G keine Leistung für den Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten vor, auch wenn diese Vorschrift ursprünglich mit Blick auf die hohen Lebenshaltungskosten in Ballungsräumen geschaffen wurde(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Mai 2002 Teil I § 27 Abschn. C Erl. 1). Nach § 27 Abschn. C BAT konnte dem Angestellten nur, soweit dies zur Deckung des Personalbedarfs erforderlich war, im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel anstelle der ihm zustehenden Lebensaltersstufe bzw. Stufe der Grundvergütung eine um bis zu höchstens vier Lebensaltersstufen bzw. Stufen höhere Grundvergütung vorweg gewährt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu entschieden, dass diese Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen ist (BAG 26. Mai 1994 - 6 AZR 955/93 - zu II 1 a der Gründe).

22

ee) Die vom Landesarbeitsgericht angeführten Argumente gegen eine Bindung des Arbeitgebers an billiges Ermessen verfangen bezüglich der Tatbestandsvoraussetzung des Ausgleichs höherer Lebenshaltungskosten nicht.

23

(1) Das Landesarbeitsgericht weist zutreffend darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien keine Kriterien angegeben haben, an denen eine Billigkeitsentscheidung ausgerichtet werden könnte, und dass sich die Entscheidung angesichts der schwer zu treffenden Abgrenzung zwischen einer Stadt und ihrem näheren Umfeld sowie einem Ballungsraum im Verhältnis zu anderen Ballungszentren schwierig gestaltet. Zu Recht wirft das Landesarbeitsgericht auch die Frage auf, ob die höheren Lebenshaltungskosten in einem Ballungszentrum durch die höheren Beförderungskosten aus dem Umfeld in Ausgleich gebracht werden können.

24

(2) Das Landesarbeitsgericht übersieht jedoch, dass die genannten Problemstellungen bei der Prüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzung des Vorliegens „höherer“ Lebenshaltungskosten und nicht bei der Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite anfallen. § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-L sieht nur bei Erfüllung zumindest einer der dort angeführten Voraussetzungen die Möglichkeit der Gewährung einer tariflichen Zulage vor(vgl. zu dem insoweit vergleichbaren § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L BAG 5. Juni 2014 - 6 AZR 1008/12 - Rn. 18). Es bedarf daher auf der Tatbestandsebene der Beurteilung, ob „höhere“ Lebenshaltungskosten gegeben sind. Dabei ist eine vergleichende Betrachtung vorzunehmen, denn „höhere“ Lebenshaltungskosten können nur in einem Verhältnis zu niedrigeren Kosten vorliegen. Als Vergleichsmaßstab sind durchschnittliche Lebenshaltungskosten anzusetzen, denn deren Tragen stellt keine erhöhte und damit ausgleichswürdige Belastung dar. Die vom Landesarbeitsgericht aufgezeigten Probleme der Bestimmung durchschnittlicher und „höherer“ Lebenshaltungskosten bestehen daher unabhängig davon, ob auf der Rechtsfolgenseite eine Entscheidung nach billigem oder freiem Ermessen eröffnet wird.

25

(3) Die Gewährung freien Ermessens kann entgegen der Überlegung des Landesarbeitsgerichts schließlich nicht damit begründet werden, dass eine Zulagengewährung gravierende finanzielle Konsequenzen für den Arbeitgeber haben kann. Diese Auswirkungen können im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Bei Gewährung einer Zulage sind die finanziellen Folgen in Abhängigkeit von der Höhe der Zulage zu beachten.

26

II. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zutreffend entschieden, dass die ablehnende Entscheidung des beklagten Landes hier auch bei Berücksichtigung der Bindung an billiges Ermessen gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

27

1. Zu Gunsten der Klägerin kann festgehalten werden, dass die Tatbestandsvoraussetzung höherer Lebenshaltungskosten nach § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-L unstreitig erfüllt ist. Im Schreiben des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. August 2009 wird ausdrücklich angeführt, dass die „Lebenshaltungskosten in Stuttgart zweifelsohne höher als in anderen Städten oder im ländlichen Bereich“ sind. Die „beträchtlichen Schwierigkeiten der Ermittlung zwischenörtlicher Preis- und Kostenunterschiede“ (so zur Ballungsraumzulage für Beamte BVerfG 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 - Rn. 74, BVerfGE 117, 330) sind hier folglich nicht zu bewältigen. Die Klägerin arbeitet in Stuttgart und hat dort auch ihren Lebensmittelpunkt.

28

2. § 16 Abs. 5 Satz 2 TV-L würde dem beklagten Land daher die Möglichkeit eröffnen, der Klägerin eine Zulage in Höhe von bis zu 20 vH der Stufe 2 der Entgeltgruppe 9 TV-L als Ausgleich für höhere Lebenshaltungskosten zu bezahlen. Die Klägerin geht zutreffend davon aus, dass bei Beschäftigten der Entgeltgruppe 9 TV-L, die bereits mit der Stufe 4 ihre Endstufe erreicht haben (vgl. zu Beschäftigten im Justizdienst 12.1. der Entgeltordnung als Anlage A zum TV-L), nicht der Unterschiedsbetrag zu der nicht erreichbaren Stufe 5, sondern die Zulage gemäß § 16 Abs. 5 Satz 2 TV-L geleistet werden kann(vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand August 2012/Februar 2010 Teil B 1 § 16 Rn. 62).

29

3. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf diese Zulage. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei entschieden. Die seitens des beklagten Landes getroffene Entscheidung entspricht angesichts der angeführten Haushaltslage der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB und ist folglich für die Klägerin verbindlich.

30

a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28, BAGE 145, 341). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 243/13 - Rn. 33 mwN).

31

b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der vollen gerichtlichen Kontrolle. Diese Sachentscheidung ist neben den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 35). Welche Folgen hieraus für die Reichweite der Überprüfung für das Revisionsgericht zu ziehen sind (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 6 AZR 151/10 - Rn. 33), kann hier dahinstehen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das beklagte Land eine Ermessensentscheidung getroffen hat, auch wenn es dieser die Durchführungshinweise des Finanzministeriums zugrunde gelegt hat. Diese entfalten als verwaltungsinterne öffentlich-rechtliche Vorgaben zwar keine unmittelbare Wirkung im Arbeitsverhältnis der Klägerin (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 174/09 - Rn. 20). Sie können aber - auch im Interesse der Gleichbehandlung der Beschäftigten - eine Leitlinie für die Entscheidung im Einzelfall vorzeichnen. Orientiert sich die entscheidende Stelle an dieser Vorgabe, so trifft sie eine eigene Ermessensentscheidung, auch wenn diese inhaltlich den Durchführungshinweisen entspricht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die gerichtliche Kontrolle der Entscheidung auf das Ergebnis bezieht.

33

bb) Im Ergebnis durfte das beklagte Land der Klägerin die begehrte Zulage mit Blick auf die Haushaltslage verweigern. Die begehrte Leistung ist nicht die einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung.

34

(1) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass eine angespannte Haushaltslage im Rahmen des personalwirtschaftlichen Ermessens zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung zu berücksichtigen ist (vgl. BAG 13. Dezember 2001 - 8 AZR 94/01 - zu B IV 2 b cc der Gründe; 17. Mai 2001 - 8 AZR 692/00 - zu B II 4 e cc der Gründe; 17. Oktober 1990 - 4 AZR 138/90 -). Dies gilt auch für die nach § 16 Abs. 5 TV-L zu treffende Ermessensentscheidung. Es handelt sich um ein zu beachtendes finanzielles Interesse des Arbeitgebers. Das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung ist zudem in haushaltsrechtlichen Vorschriften verankert (hier § 7 Abs. 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg (LHO) vom 19. Oktober 1971). Aus dem Umstand, dass § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-L im Gegensatz zu § 27 Abschn. C BAT nicht zur Voraussetzung hat, dass eine Zulage „im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel“ gewährt werden kann, ist nicht zu schließen, dass die Haushaltslage bei der Entscheidung über die Zulagengewährung bedeutungslos ist. Soweit dem öffentlichen Arbeitgeber ein Ermessen zusteht, hat er die finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt und eine etwaige Begrenzung der vom Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung gestellten Mittel zu beachten (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Februar 2010 Teil B 1 § 16 Rn. 65).

35

(2) Das beklagte Land hat seine ablehnende Entscheidung hier bezogen auf den gesamten Zeitraum seit der Antragstellung im April 2009 mit einer angespannten Haushaltslage begründet. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dies nachvollziehbar, denn demnach befand sich das beklagte Land im April 2009 in einer Wirtschaftskrise mit der Folge niedriger Steuereinnahmen und einer Rekordverschuldung von 4,8 Mrd. Euro im Doppelhaushalt 2010/2011. Angesichts einer wirtschaftlichen Erholung habe für das Jahr 2012 dann zwar ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden können, für den Doppelhaushalt 2013/2014 habe die Deckungslücke aber bereits wieder 2,5 Mrd. Euro betragen. Diese Feststellungen hat die Revision nicht angegriffen. Soweit sie auf den ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2012 hinweist, lässt diese kurzzeitige Erholung nicht darauf schließen, dass die begehrte Zulage nicht mit Blick auf eine angespannte Haushaltslage und das Ziel der Haushaltskonsolidierung verweigert werden könnte. Auch der Vortrag der Klägerin, wonach in ihrer Dienststelle noch erhebliches Einsparpotential vorhanden sei, verwehrt dem beklagten Land nicht die Berufung auf die Haushaltssituation. Etwaige einzelne Verstöße gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung müssten zwar korrigiert werden. Die erzielten Einsparungen könnten dann zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Die Klägerin kann daraus aber nicht ableiten, dass das beklagte Land eingesparte Mittel zu ihren Gunsten zu verwenden hat. Das beklagte Land durfte daher für den gesamten Zeitraum zwischen der Antragstellung und dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht sein Interesse an einer Haushaltskonsolidierung gegen das Interesse der Klägerin an der Gewährung der Zulage stellen.

36

(3) Mit dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass diese finanziellen Interessen des beklagten Landes die der Klägerin überwiegen. Die Klägerin begründet ihren Anspruch allein mit den hohen Lebenshaltungskosten in Stuttgart. Hierbei handelt es sich um keine besondere persönliche Situation der Klägerin, denn diese Kosten betreffen alle Beschäftigten des beklagten Landes, deren Dienststelle in Stuttgart liegt und die deshalb in Stuttgart oder Umgebung leben. In der Folge ist aus Sicht des beklagten Landes zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Anzahl anderer in Stuttgart Beschäftigter im Falle einer Gewährung der Zulage an die Klägerin unter Bezugnahme auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ebenso eine entsprechende Zulage einfordern könnten. Die dadurch entstehenden Kosten wären erheblich, da in der Landeshauptstadt zahlreiche Landesbehörden angesiedelt sind. Dies gilt auch bei einer befristeten Gewährung der Zulage nach § 16 Abs. 5 Satz 3 TV-L. Vor diesem Hintergrund ist bei Berücksichtigung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 LHO ein Überwiegen der Interessen des beklagten Landes begründbar. § 16 Abs. 5 TV-L wird dadurch nicht der Anwendungsbereich entzogen. Es handelt sich vielmehr um das Ergebnis des tariflich vorgesehenen Abwägungsprozesses.

37

(4) Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin den geltend gemachten Anspruch bei einer entspannten Haushaltslage hätte. Dies würde voraussetzen, dass es sich hierbei um die einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung handelt (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 174/09 - Rn. 17). Das beklagte Land hätte jedoch auch bei einer besseren finanziellen Situation einen Ermessensspielraum bezüglich der Mittelverwendung. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass nur die Gewährung der Zulage der Billigkeit entspräche. Dies gilt erst recht für die Forderung der Zulage in maximaler Höhe.

38

(5) Durch die ablehnende Entscheidung wird die Klägerin nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG verletzt. Soweit die Revision dies anführt, gibt sie hierfür keine Begründung.

39

cc) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht wegen der Unterlassung des Einholens einer Tarifauskunft als fehlerhaft. Eine Tarifauskunft darf nicht darauf gerichtet sein, eine prozessentscheidende Rechtsfrage zu beantworten. Die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist vielmehr Sache des Gerichts (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 40). Die Revision legt schon nicht dar, zu welchem Thema eine Tarifauskunft hätte eingeholt werden müssen. Die Frage der Wahrung billigen Ermessens ist eine einzelfallbezogene Tarifanwendung, die nicht zum Gegenstand einer Tarifauskunft gemacht werden könnte.

40

III. Der geltend gemachte Anspruch kann auch nicht auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden.

41

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird unabhängig von seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bestimmt. Er verbietet die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage und die sachfremde Gruppenbildung durch den Arbeitgeber (vgl. nur BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 72; 16. Mai 2013 - 6 AZR 619/11 - Rn. 42). Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung mit anderen Worten für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung willkürlich ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 62). Der Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass die gleichheitswidrig benachteiligten Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die vorenthaltene Leistung verlangen können, von der sie ohne sachlichen Grund ausgeschlossen wurden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 145/12 - Rn. 42; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 606; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 112 Rn. 31).

42

2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sind hier nicht erfüllt.

43

a) Die Klägerin hat keine Arbeitnehmer benannt, welche die Zulage nach § 16 Abs. 5 TV-L zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten erhalten.

44

b) Es ist entgegen der Ansicht der Revision auch keine sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern gegeben, weil die Zulage nach den Durchführungshinweisen des Finanzministeriums zu § 16 Abs. 5 TV-L bei Neueinstellungen begrenzt bewilligt werden könnte. Zum einen legt die Klägerin nicht dar, dass das beklagte Land entsprechend verfährt. Zum anderen liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die eine unterschiedliche Handhabung rechtfertigen würden. Die Durchführungshinweise beziehen sich insoweit auf eine andere Tatbestandsvoraussetzung des § 16 Abs. 5 Satz 1 TV-L, nämlich auf die Zulagengewährung zur Deckung des Personalbedarfs. Deren Zielsetzung der Begegnung von Personalgewinnungsschwierigkeiten (vgl. zu § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L BAG 5. Juni 2014 - 6 AZR 1008/12 - Rn. 28; vgl. auch 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 47) ist gänzlich anders als die Unterstützung von Beschäftigten bei der Bewältigung höherer Lebenshaltungskosten.

45

c) Auch die von der Revision angenommene ungerechtfertigte Gleichbehandlung von Arbeitnehmern mit höheren Lebenshaltungskosten in der Stadt und niedrigeren Lebenshaltungskosten auf dem Land kann den geltend gemachten Anspruch nicht stützen. Die Klägerin ist nicht von einer Begünstigung ausgenommen. Sie fühlt sich vielmehr zu Unrecht gleichbehandelt und erstrebt eine Besserstellung gegenüber der Vergleichsgruppe der Beschäftigten im ländlichen Raum. Eine solche Rechtsfolge begründet der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch nicht (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 145/12 - Rn. 43).

46

IV. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Kammann    

        

    Cl. Peter    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. September 2010 - 7 Sa 44/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.

2

Der Kläger war auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 21. März/ 4. April 2005 seit dem 1. Mai 2005, zuletzt als „Leiter Aktien Sales Trading“ in der Investmentsparte (DKIB) der D AG beschäftigt.

3

Die D AG wurde auf die Beklagte, die zuvor Alleinaktionärin an der D AG geworden war, mit Wirkung vom 11. Mai 2009 verschmolzen.

4

Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers mit dem 31. Dezember 2009.

5

Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„2.     

Bezüge

                 

Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:

                 

a)    

G e h a l t

                 

Ein Bruttomonatsgehalt von € 15.000,00

                 

…       

                 

b)    

V a r i a b l e   V e r g ü t u n g

                 

Eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage des D Geschäftes der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgelegt wird. Die Auszahlung erfolgt im Frühjahr des folgenden Geschäftsjahres, sofern der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.

                 

…“    

6

In den Jahren 2005 bis 2007 erhielt der Kläger Boni zwischen 161.700,00 und 325.000,00 Euro. Die Mitteilung hierüber erfolgte jeweils vor Weihnachten.

7

Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der D AG die Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von 400 Mio. Euro für das Geschäftsjahr 2008 für den Bereich DKIB Frontoffice erörtert, um die Mitarbeiterstabilität aufrechtzuerhalten. Es wurde ein entsprechender Vorstandsbeschluss gefasst.

8

Am 18. August 2008 teilte das zuständige Vorstandsmitglied Dr. J im Rahmen eines sog. Business-Updates den Mitarbeitern des Bereichs DKIB Frontoffice die Bildung des Bonuspools mit. Die Bildung des Bonuspools ist in der Folgezeit wiederholt verlautbart worden.

9

Mit E-Mail vom 20. Oktober 2008 wurden die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice darüber informiert, dass die Benachrichtigung über die Boni am 19. Dezember 2008 erfolgen werde.

10

Am 28. Oktober 2008 veröffentlichte die D AG im Intranet eine Mitteilung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit folgendem Wortlaut:

        

„Bonusvolumen 2008

        

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

        

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass der Vorstand für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des Bonusvolumens 2007 - angepasst an den Mitarbeiterbestand 2008 - pro Funktion und Division (exclusive DKIB Frontoffice) zugesagt hat.

        

Mit dieser Entscheidung verbunden ist der Dank für Ihr Engagement und Ihren Einsatz für unsere Bank im laufenden Jahr, auf den wir auch in Zukunft vertrauen.

        

Die Festsetzung der individuellen Bonusbeträge erfolgt wie in den vergangenen Jahren leistungsabhängig. Über die individuelle Bonusfestsetzung werden die Führungskräfte ihre Mitarbeiter rechtzeitig in einem persönlichen Gespräch informieren.

        

Die Auszahlung des Bonus erfolgt im Frühjahr 2009.

                 
        

Ihr     

        

H       

W“    

11

Diese Mitteilung basierte auf einer Vorstandsentscheidung vom 2. Oktober 2008 und ist mit den Namen des damaligen Vorstandsvorsitzenden und des damaligen Personalvorstands unterzeichnet.

12

Am 19. Dezember 2008 erhielt der Kläger folgenden „Bonusbrief“:

        

„…    

        

wir können Ihnen heute mitteilen, dass Ihr Bonus für das Jahr 2008 im Sinne von Ziffer 2 b) Ihres Arbeitsvertrages nach Maßgabe der nachstehenden Regelung vorläufig in Höhe von

        

EUR 140.000,00 brutto

        

festgesetzt wurde.

        

Die vorläufige Bonusfestsetzung steht unter dem Vorbehalt eines Reviews für den Fall, dass im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 weitere wesentliche negative Abweichungen in Ertrag und Ergebnis von DKIB zum Forecast für die Monate November und Dezember 2008 festgestellt werden, d. h. die Ergebnissituation in DKIB sich in diesem Zeitraum wesentlich verschlechtert. Dieser Review wird im Januar 2009 unter der Führung von Herrn Dr. J durchgeführt. Sollten solche weiteren wesentlichen negativen Abweichungen festgestellt werden, behält sich die Bank das Recht vor, Ihre vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und, falls erforderlich, den Betrag der vorläufigen Bonusfestsetzung zu reduzieren.

        

Im Februar 2009 erhalten Sie eine detaillierte Aufstellung Ihrer für das Kalenderjahr 2008 zustehenden Zahlung der endgültigen variablen Vergütung gem. Ihres Arbeitsvertrages.

        

Eine Auszahlung des Bonus erfolgt nur, wenn zum Auszahlungszeitpunkt des Bonus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Auszahlung des Bonus erfolgt im Rahmen Ihrer üblichen Gehaltszahlung für den Monat Februar 2009.

        

…“    

13

Am 18. Februar 2009 teilte die D AG nach einer entsprechenden Vorstandsentscheidung vom Vortag ua. mit, dass die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice eine um 90 % gekürzte Zahlung erhalten sollten, mindestens aber ein Bruttomonatsgehalt. Dementsprechend erhielt der Kläger im März 2009 einen Betrag von 16.836,00 Euro brutto.

14

Die D AG hat im Geschäftsjahr 2008 ein negatives operatives Ergebnis von 6,56 Mrd. Euro erreicht. Die Beklagte hat ihr zusätzliches Kapital im Umfang von 4 Mrd. Euro zugeführt; selbst hat die Beklagte in zwei Tranchen 18,2 Mrd. Euro aus dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch genommen. Die DKIB erzielte im operativen Geschäft des Jahres 2008 ein vorläufiges negatives Ergebnis von 5,751 Mrd. Euro und ein endgültiges negatives Ergebnis von 6,275 Mrd. Euro.

15

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf Bonuszahlung in Höhe der vorläufigen Festsetzung aus dem Schreiben vom 19. Dezember 2008. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe offiziell und mehrfach wiederholt ein Bonusvolumen für das Jahr 2008 in Höhe von 400 Mio. Euro bekannt gemacht. Darin sei eine Gesamtzusage an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DKIB zu sehen. Die Gesamtzusage ergebe sich auch aus dem Schreiben vom 28. Oktober 2008. Mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 sei sodann die individuelle Bonushöhe verbindlich festgesetzt worden. Ein etwa dort enthaltener Vorbehalt sei unwirksam. Der Kläger habe seine individuellen Ziele erreicht, wie sich auch aus dem „Bonusbrief“ ergebe. Auf die Zielerreichung habe sich der Vorbehalt nicht bezogen. Im Februar 2009 sei die gleiche Berechnungs- und Verteilungsmethode wie im Schreiben vom 19. Dezember 2008 angewandt und lediglich eine pauschale Kürzung vorgenommen worden. Diese Kürzung widerspreche billigem Ermessen. Auch seien die wirtschaftlichen Gründe hierfür nicht schlüssig dargelegt worden. Im Übrigen seien in der Vergangenheit ausschließlich individuelle Leistungsgesichtspunkte berücksichtigt worden, eine ertragsabhängige Festsetzung sei nicht erfolgt.

16

Ein Anspruch bestehe auch aufgrund betrieblicher Übung, da die Zahlung in der Vergangenheit immer vorbehaltlos erfolgt sei. Im Übrigen liege eine Ungleichbehandlung gegenüber den Mitarbeitern des Bereichs DKIB Backoffice vor, da diese nach dem Schreiben vom 28. Oktober 2008 vorbehaltlos einen Bonus in Höhe des Bonus des Vorjahres erhalten sollten.

17

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 123.164,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Für das Geschäftsjahr 2008 habe die D AG zunächst einen Bonuspool für die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice festgelegt. Das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Vorstandsmitglied Dr. J habe die Vorstandsentscheidung über die Bildung des Bonuspools im August an die Mitarbeiter des Bereichs kommuniziert. Aussagen über die individuelle Bonushöhe seien nicht getroffen worden, sondern vielmehr sei klargestellt worden, dass die Festsetzung der individuellen Boni weiterhin im Ermessen der Bank stehe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Bank für die DKIB im Geschäftsjahr 2008 von einem negativen operativen Ergebnis in Höhe von 1,31 Mrd. Euro und positiven operativen Erträgen in Höhe von 0,89 Mrd. Euro ausgegangen.

19

Eine Prognose mit Stand vom 20. November 2008 habe ergeben, dass sich der Verlust aus dem operativen Geschäft für das Geschäftsjahr 2008 auf 2,97 Mrd. Euro ausweiten werde. Am Ende des Jahres 2008 hätten noch keine endgültigen Zahlen und Ergebnisse für die Monate November und Dezember vorgelegen, da die Zusammenstellung der Monatszahlen im vierten Quartal 2008 aufgrund der Besonderheiten der Finanzmarktkrise einen erheblichen Zeitraum in Anspruch genommen habe. In Vorstandssitzungen Ende November 2008 sei daher diskutiert worden, entweder den in Aussicht gestellten Bonuspool erheblich zu reduzieren oder für alle Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice Vorbehalte in die „Bonusbriefe“ aufzunehmen. Man habe sich für Letzteres entschieden. Die tatsächliche Geschäftsentwicklung in den Monaten November und Dezember 2008 sei desaströs gewesen. Allein in diesen Monaten hätten sich ein operatives Ergebnis von minus 3,481 Mrd. Euro und operative Erträge von minus 2,207 Mrd. Euro ergeben. Das vorläufige operative Ergebnis für 2008 habe minus 5,751 Mrd. Euro betragen sowie operative Erträge der DKIB in Höhe von minus 2,298 Mrd. Euro ausgewiesen. Der Jahresabschluss habe sich dann noch einmal auf minus 6,275 Mrd. Euro verschlechtert. Vor dem Hintergrund dieser dramatischen wirtschaftlichen Entwicklung und der öffentlichen Diskussion sei im Februar 2009 die Entscheidung getroffen worden, die Boni für das Geschäftsjahr 2008 nur in Höhe von 10 % des unter Vorbehalt gestellten Betrags zu erbringen, mindestens aber in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Dabei habe auch die kritische Entwicklung der Kernkapitalquote der Bank eine Rolle gespielt, die bei einer vollständigen Auszahlung der Boni noch weiter belastet worden wäre. Ohne finanzielle Unterstützung Dritter sei die D AG nicht lebensfähig gewesen. Durch die Zuführung des zusätzlichen Kapitals in Höhe von 4 Mrd. Euro habe sichergestellt werden sollen, dass die Kernkapitalquote dauerhaft die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen erfülle.

20

Mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 sei keine endgültige Ermessensausübung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgt. Selbst wenn man aber eine Willenserklärung annehmen wollte, enthalte das Schreiben einen zulässigen Vorbehalt. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Verschlechterung sei die Arbeitgeberin berechtigt gewesen, im Februar 2009 eine neue Leistungsbestimmung vorzunehmen. Die individuellen Leistungen der Mitarbeiter seien berücksichtigt worden, da die bereits vorgenommene individuelle Leistungsbeurteilung im Hinblick auf die 10 %-Quote Einfluss auf die endgültige Bonusfestsetzung genommen habe. Im Übrigen entspreche die Ermessensausübung der wirtschaftlichen Situation. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Mitteilung des Bonuspools. Es handle sich dabei nicht um eine Gesamtzusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Diese habe keine neben die vertraglichen Regelungen tretende weitere Rechtsgrundlage schaffen wollen.

21

Für den Review-Vorbehalt im Bereich DKIB Frontoffice habe ein sachlicher Grund bestanden. Die Mitarbeiter dieses Bereichs hätten im Gegensatz zu den Mitarbeitern des Bereichs DKIB Backoffice Einfluss auf das Geschäftsergebnis der DKIB und könnten im Übrigen auch sehr viel höhere Boni erzielen. Tätigkeiten und Vergütungsstrukturen seien nicht vergleichbar.

22

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat weder aufgrund der Regelung in Ziff. 2 Buchst. b seines Arbeitsvertrags noch aus anderem Rechtsgrund einen weiteren Bonusanspruch für das Jahr 2008.

24

I. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat bei der Festsetzung der Bonushöhe im Februar 2009 die Grundsätze billigen Ermessens gem. § 315 BGB gewahrt.

25

1. Nach den vertraglichen Regelungen der Parteien ist die zusätzliche variable Vergütung unter Berücksichtigung der Ertragslage des Investmentgeschäfts der Rechtsvorgängerin der Beklagten individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festzulegen. Die vertragliche Regelung überlässt damit der Arbeitgeberin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB. Die Leistungsbestimmung hat nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen. Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.

26

Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90, AP GG Art. 12 Nr. 143; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321).

27

2. Die Festsetzung der Bonushöhe nach Ziff. 2 Buchst. b des Arbeitsvertrags ist durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Februar 2009 gegenüber dem Kläger als Gläubiger (§ 315 Abs. 2 BGB)erfolgt.

28

a) Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen ist die zusätzliche Vergütung unter Berücksichtigung der Ertragslage und der Leistung des Arbeitnehmers festzusetzen. Diese beiden Kernelemente, die bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind, stehen regelmäßig erst nach Ablauf des Geschäftsjahres fest. Im laufenden Geschäftsjahr ist lediglich eine Prognose beider Faktoren möglich. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, bereits vorher eine verbindliche Leistungsbestimmung vorzunehmen. Dies setzt aber voraus, dass eine solche Leistungsbestimmung bereits alle einzustellenden Umstände berücksichtigt.

29

b) Durch die Bekanntgabe des Vorstandsbeschlusses vom 12. August 2008 über einen garantierten Bonuspool in Höhe von 400 Mio. Euro für die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten weder eine verbindliche Leistungsbestimmung des individuellen Bonus für das Jahr 2008 iSv. § 315 BGB vorgenommen noch dem Kläger oder der Gruppe der DKIB Frontoffice-Beschäftigten ein Angebot auf Zahlung eines bestimmten individuellen Bonus unterbreitet.

30

aa) Die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB konkretisiert den Leistungsinhalt, der vorher aufgrund des einer Partei zustehenden Bestimmungsrechts noch offen ist. Erforderlich für die Annahme einer Leistungsbestimmung ist daher, dass die Bestimmung konkret die dem Vertragspartner zustehende Leistung festlegt. Auch wenn man davon ausgeht, dass § 315 BGB eine Teilleistungsbestimmung zulässt(vgl. dazu KG Berlin 19. Februar 1979 - 2 U 3612/78 - DB 1979, 1124; Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 315 Rn. 11; Erman/Hager BGB 13. Aufl. § 315 Rn. 14; enger Staudinger/Rieble (2009) § 315 Rn. 296: nur, wenn [vertraglich] ausbedungen), muss durch sie das Ermessen hinsichtlich eines Teils der Leistung abschließend ausgeübt werden. Noch keine Leistungsbestimmung liegt hingegen vor, wenn der Bestimmungsberechtige lediglich einzelne, in die Abwägung einzustellende Faktoren festlegt oder die Voraussetzungen für die endgültige Leistungsbestimmung schafft.

31

Danach ist die Festlegung des Bonuspools noch keine Leistungsbestimmung. Aus der Höhe des Pools lässt sich für den Kläger die Höhe seines individuellen Bonus weder ganz noch teilweise bestimmen. Vielmehr handelt es sich bei der Festlegung des Pools lediglich um einen - nach den vertraglichen Regelungen nicht notwendigen - Faktor, der in die spätere Leistungsbestimmung einzubeziehen ist.

32

bb) Ebenso wenig hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Bekanntgabe der Vorstandsentscheidung über den Bonuspool dem Kläger oder der Gruppe der DKIB Frontoffice-Beschäftigten gegenüber ein ausdrückliches oder konkludentes Vertragsangebot iSv. § 145 BGB auf Zahlung von Boni in bestimmter Höhe gemacht.

33

(1) Der einzelne Erklärungsempfänger, der vertraglich dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Bonuszahlung unter Berücksichtigung der Ertragslage und der individuellen Leistung hatte, konnte aus dieser Erklärung nicht ableiten, dass damit sein individueller Bonusanspruch festgelegt ist. Vielmehr musste auch der Kläger vor dem Hintergrund der Regelung in Ziff. 2 Buchst. b des Arbeitsvertrags davon ausgehen, dass noch offen ist, ob er überhaupt einen Bonus oder ggf. in welcher Höhe er einen Bonus erhalten werde. Dies gilt auch deshalb, weil nach dem Arbeitsvertrag der Bonusanspruch die Festsetzung eines Bonuspools oder Bonusvolumens weder vorsieht noch voraussetzt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bonuspool nach dem Vorstandsbeschluss aus Gründen der Mitarbeiterstabilisierung beschlossen und bekannt gegeben werden sollte. Auch wenn man annimmt, dass der Kläger hiervon Kenntnis erlangt hat oder dieser Umstand bei objektiver Betrachtung für ihn erkennbar war (vgl. zu dieser Voraussetzung: BGH 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05 - zu II 3 der Gründe, NJW 2006, 3777), konnte er daraus nicht auf eine garantierte individuelle Bonushöhe schließen.

34

(2) Auch die Bekanntgabe der Festsetzung eines Bonuspools im August 2008 ist nicht als Gesamtzusage auf eine bestimmte Bonusleistung für die Gruppe der DKIB Frontoffice-Beschäftigten anzusehen.

35

(a) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen (st. Rspr., zB BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 19, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12). Eine Gesamtzusage setzt eine bewusste und gezielte Bekanntgabe an die Arbeitnehmer voraus (vgl. BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 32, BAGE 118, 360).

36

(b) Dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Bekanntgabe des Bonuspools gegenüber den Beschäftigten des Bereichs DKIB Frontoffice eine selbstständige, von den arbeitsvertraglichen Regelungen unabhängige Grundlage für einen Bonusanspruch schaffen wollte, gibt die abgegebene Erklärung keine Anhaltspunkte. Vielmehr bezog sich die Erklärung für die Arbeitnehmer erkennbar nur auf einen Faktor für die spätere Bestimmung ihres jeweiligen vertraglichen Bonusanspruchs.

37

cc) Allerdings ist die Festsetzung des Bonuspools und deren Bekanntgabe an die Arbeitnehmer nicht ohne rechtliche Bedeutung. Vielmehr hat sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten dadurch verpflichtet, dieses Bonusvolumen bei der Ausübung ihres Ermessens als einen wesentlichen Faktor zugrunde zu legen.

38

(1) Der nach § 315 BGB Bestimmungsberechtigte kann das ihm zustehende Ermessen im Wege der Selbstbindung vorab einschränken. In diesem Fall verhielte er sich widersprüchlich und verstieße damit gegen die in § 242 BGB niedergelegten Gebote von Treu und Glauben, wenn er ohne das Hinzutreten besonderer Umstände von seiner ursprünglichen Entscheidung Abstand nähme(vgl. zur Ausübung des Direktionsrechts: BAG 16. März 2010 - 3 AZR 31/09 - Rn. 26, BAGE 133, 307; 17. Dezember 1997 - 5 AZR 332/96 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 87, 311).

39

(2) Ein solcher Fall liegt vor.

40

Den Beschäftigten des Bereichs DKIB Frontoffice wurde durch das damals zuständige Vorstandsmitglied in einem sog. Business-Update vom 18. August 2008 und auf nachfolgenden Veranstaltungen den Mitarbeitern die Bildung des Bonuspools in Höhe von 400 Mio. Euro entsprechend dem Vorstandsbeschluss vom 12. August 2008 mitgeteilt. Die Größe des Bonusvolumens ist als Eurobetrag bestimmt worden. Ebenso wurden Geschäftsbereich und Zielgruppe, für die dieses Bonusvolumen garantiert werden sollte, festgelegt. Damit handelt es sich nicht lediglich um eine bloße Inaussichtstellung einer möglichen Größenordnung eines Bonusvolumens oder die Mitteilung über einen aktuellen Sachstand. Für eine rechtliche Relevanz der Erklärung spricht deutlich auch der Zweck des Bonuspools, nämlich zu verhindern, dass Mitarbeiter den Arbeitgeber wechseln. Nur so kann der Begriff der „Mitarbeiterstabilität“ verstanden werden. Damit konnten die DKIB Frontoffice-Beschäftigten der Erklärung ein gewisses Maß an Verbindlichkeit hinsichtlich des auszuschüttenden Bonusvolumens zumessen. Daran war die Rechtsvorgängerin der Beklagten grundsätzlich gebunden und verpflichtet, das zugesagte Bonusvolumen als wesentlichen Umstand in die spätere Entscheidung über die individuelle Bonushöhe einzubeziehen.

41

c) Das Schreiben vom 28. Oktober 2008 richtet sich nach seinem ausdrücklichen Wortlaut an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausnahme der Beschäftigten des Bereichs DKIB Frontoffice. Deswegen kann der Kläger aus der Zusage eines Bonusvolumens in Höhe von 100 % des Bonusvolumens 2007 für die anderen Beschäftigten keine Rechtsfolgen herleiten (zu den Rechtswirkungen des Schreibens vom 28. Oktober 2008: BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 649/10 - [Tarifbeschäftigte] und - 10 AZR 165/11 - [außertarifliche Angestellte]).

42

d) Auch im „Bonusbrief“ vom 19. Dezember 2008 liegt keine rechtsverbindliche Festlegung der Höhe des individuellen Bonus des Klägers. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Wissenserklärung (vgl. dazu BAG 15. März 2011 - 1 AZR 808/09 - Rn. 16, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 40; 29. September 2010 - 3 AZR 546/08 - Rn. 16 ff., AP BetrAVG § 9 Nr. 23) darüber, welche Bonusansprüche sich unter Berücksichtigung der Leistung des Klägers und einer bestimmten wirtschaftlichen Situation zum Auszahlungszeitpunkt ergeben. Dies ergibt eine Auslegung des Schreibens.

43

Nach dem Schreiben wurde der darin genannte Betrag „vorläufig“ festgesetzt. Diese vorläufige Festsetzung sollte darüber hinaus unter dem „Vorbehalt eines Reviews“ stehen, sofern sich die Ergebnissituation der DKIB wesentlich verschlechtere. Verstärkt wird dies durch den Hinweis, dass sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Recht vorbehalte, die vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und den Betrag zu reduzieren. Erst für Februar 2009 ist eine Aufstellung der „endgültigen variablen Vergütung“ angekündigt. Bei diesem Wortlaut konnte der Kläger nach Erhalt dieses Schreibens nicht davon ausgehen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem „Bonusbrief“ die Leistungsbestimmung bereits endgültig vorgenommen hat. Auch eine Berücksichtigung der Gesamtumstände, unter denen das Schreiben vom 19. Dezember 2008 dem Kläger übermittelt wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus der Festlegung eines garantierten Bonusvolumens im August 2008 lässt sich nicht entnehmen, dass bereits im Dezember 2008 eine verbindliche Festsetzung seines individuellen Bonus erfolgen werde. Auch wenn dies in der Vergangenheit so gehandhabt worden sein sollte, macht der Wortlaut des Schreibens hinreichend deutlich, dass für das Jahr 2008 an einer entsprechenden - durch den Vertrag nicht vorgegebenen - Praxis nicht festgehalten wird. Gerade die Abweichung von einer früheren Handhabung bietet im Übrigen Anlass für den Erklärungsempfänger, frühere Deutungen nicht ohne Weiteres zu übernehmen. Auch aus der E-Mail vom 20. Oktober 2008 ergibt sich nichts anderes. Dort ist zwar die Rede davon, dass die am 19. Dezember 2008 mitzuteilenden Boni mit der Vergütung des Monats Januar 2009 gezahlt werden. Es mag deshalb sein, dass die Beschäftigten die Erwartung hatten, dass im Dezember 2008 eine verbindliche Festlegung erfolgt. Durch die Nutzung einer klaren Wortwahl im Schreiben vom 19. Dezember 2008 hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch hinreichend deutlich gemacht, dass dies nicht der Fall ist. Auch der Hinweis auf die arbeitsvertragliche Stichtagsregelung führt - ohne dass es auf deren Wirksamkeit ankäme - zu keinem anderen Ergebnis.

44

Entgegen der Annahme der Revision führt die grundsätzliche Bedingungsfeindlichkeit einer Leistungsbestimmung nach § 315 BGB nicht unabhängig vom Charakter der Erklärung dazu, dass lediglich die Bedingung entfällt und die Leistungsbestimmung damit vorliegt. Ergibt vielmehr die Auslegung der Erklärung, dass es an einem Rechtsbindungswillen fehlt, so liegt keine Leistungsbestimmung im gesetzlichen Sinn vor. Da es an einer verbindlichen Erklärung fehlt, kommt es auch nicht darauf an, ob der enthaltene Vorbehalt einer Inhaltskontrolle nach § 305 ff. BGB standhalten würde.

45

3. Die Leistungsbestimmung vom 18. Februar 2009 entspricht der Billigkeit (§ 315 BGB); dem Kläger steht kein weiterer Bonusanspruch zu.

46

a) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29, AP AVR Diakonisches Werk § 1 Nr. 14). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b und B IV 1 der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15; vgl. zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10).

47

b) Danach ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bei der Bonusfestsetzung die Grundsätze billigen Ermessens beachtet, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

48

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat alle nach der vertraglichen Regelung wesentlichen Umstände in ihre Abwägung einbezogen und angemessen gewichtet. Dabei musste sie zunächst - anders als wohl das Landesarbeitsgericht annimmt - die Zusage des Bonuspools in Höhe von 400 Mio. Euro als wesentlichen Umstand in ihre Erwägungen einbeziehen. Sie war daher durch ihre Zusage gehindert, von diesem Pool als Ausgangsbasis für die Bestimmung des individuellen Bonus abzuweichen, ohne dass dafür besonders gewichtige Umstände vorlagen. Solche Umstände lagen aber mit einem vorläufigen negativen operativen Ergebnis der DKIB von 5,751 Mrd. Euro, welches sich im Jahresabschluss noch auf 6,275 Mrd. Euro verschlechterte, vor. Dabei handelt es sich nicht nur - wie vielleicht im Jahr 2007 - um ein negatives Ergebnis, von dessen Ausgleich im Folgejahr auszugehen war und das eine Kürzung der Bonuszahlungen verzichtbar erscheinen ließ. Vielmehr macht auch die Zufuhr von Kapital in Höhe von 4 Mrd. Euro durch die Beklagte, die wiederum Mittel im Umfang von etwa 18,2 Mrd. Euro aus dem SoFFin in Anspruch nahm, deutlich, dass es sich nicht um eine Situation im Rahmen des normalen Geschäftsverlaufs oder üblicher Schwankungsbreiten handelte. Diese Ausnahmesituation lässt es auch unter Berücksichtigung der Leistung des Klägers nicht unangemessen erscheinen, den auszuschüttenden Bonusanspruch gegenüber dem zugesagten Volumen auf etwas mehr als 10 % zu reduzieren. Dem steht auch nicht entgegen, dass möglicherweise die Ertragslage bei der Festsetzung der Bonushöhe in den Vorjahren nicht oder nicht maßgeblich berücksichtigt worden ist. Dafür, dass sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten entgegen der vertraglichen Regelung dauerhaft zu einer solchen Handhabung verpflichten wollte, gibt es keine Anhaltspunkte.

49

Entgegen der Auffassung der Revision ist bei der Ausübung des Ermessens die individuelle Leistung des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe des ausgezahlten Anspruchs orientierte sich an dem vorläufig mitgeteilten Betrag in dem „Bonusbrief“ vom 19. Dezember 2008, der unter Leistungsgesichtspunkten bestimmt wurde. Diesen Betrag hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten (nur) verhältnismäßig gekürzt. Zugunsten des Klägers ist der sich ergebende Betrag auf ein Monatsgehalt aufgestockt worden; auch in der Höhe seines Gehalts wird die individuelle Situation des Klägers abgebildet.

50

II. Ein Anspruch auf eine bestimmte Bonushöhe ergibt sich weder unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (vgl. zuletzt BAG 13. April 2011 - 10 AZR 88/10 - Rn. 12 ff., NZA 2011, 1047) noch aus betrieblicher Übung (vgl. zuletzt BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51).

51

1. Hinsichtlich der geltend gemachten Ungleichbehandlung gegenüber den Beschäftigten des Bereichs DKIB Backoffice fehlt es schon an Anhaltspunkten dafür, dass die Vergütungssysteme der beiden Beschäftigtengruppen im Hinblick auf die unterschiedliche Tätigkeit und den unterschiedlichen Einfluss auf das Geschäftsergebnis vergleichbar sind. Die Beklagte hat hierauf hingewiesen, ohne dass der Kläger dem substanziiert entgegengetreten ist. Im Übrigen führt auch die Festlegung eines Bonusvolumens entsprechend dem Schreiben vom 28. Oktober 2008 nach der Rechtsprechung des Senats (BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 165/11 -) außerhalb des Anwendungsbereichs der „Betriebsvereinbarung über das Bonussystem im Tarifbereich“ (BV Bonus im Tarif) nicht zu einem Anspruch auf einen bestimmten individuellen Bonus.

52

2. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Zahlung des Bonus in der Vergangenheit auf ausdrücklicher vertraglicher Grundlage erfolgt ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine weitere, hiervon unabhängige Leistung gewähren wollte, hat der Kläger nicht vorgetragen.

53

III. Mögliche Schadensersatzansprüche des Klägers unter dem Blickwinkel des enttäuschten Vertrauens auf Inhalt und Reichweite der Erklärung vom August 2008 sind nicht Streitgegenstand dieses Rechtsstreits.

54

IV. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Rigo Züfle    

        

    Stefan Fluri    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision des Klägers - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 9. März 2015 - 7 Sa 64/14 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers stattgegeben hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 3. Dezember 2013 - 4 Ca 3949/13 - wird insgesamt zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Verzinsung einer kapitalisierten Leistung der betrieblichen Altersversorgung.

2

Der Kläger war langjährig bei der Beklagten beschäftigt und ist nach der Vollendung des 65. Lebensjahres im zweiten Halbjahr 2011 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Bei der Beklagten gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Deferred Compensation Regelung“ (im Folgenden DC-Regelung). Diese ermöglicht den Arbeitnehmern der Beklagten den Aufbau eines Ruhegeldkontos durch Entgeltumwandlung. Als Anlage zur DC-Regelung vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat eine Auszahlungsrichtlinie. Diese bestimmt - in der für den Streitfall maßgebenden Fassung - ua.:

3

        

2.1   

Auszahlung in Raten, ratenlaufzeitabhängige, marktübliche Verzinsung

        

2.1.1 

Das Versorgungskapital (vgl. Ziff. 6.3 i.V.m. 7.2.2 der DC-Regelungen) wird nach Eintritt des Versorgungsfalls grundsätzlich in max. 12 Jahresraten ausgezahlt.

                 

…       

                          
        

2.1.2 

Die erste Jahresrate wird gem. Ziffer 7.2.2 der DC-Regelungen zum auf den Versorgungsfall gem. Ziff. 5.2 bzw. Ziff. 7.3 der DC-Regelungen folgenden 31. März fällig. Weitere Jahresraten sind jeweils am 31. März der Folgejahre fällig.

                 

…       

        

2.1.3 

Das noch nicht ausgezahlte Versorgungskapital in Höhe des Erlöses aus dem Verkauf der Geldmarktfondsanteile abzgl. Abzugssteuern wird mit einem marktüblichen Zinssatz p.a. verzinst, der abhängig ist von der durchschnittlichen Ratenlaufzeit. Das Unternehmen legt diesen Zinssatz jeweils im Februar vor Auszahlung der ersten Rate für jede Ratenanzahl (2 bis 12 Raten) fest. Die Festlegung ist verbindlich für die Auszahlung aller Raten dieser Versorgungsberechtigten.“

4

Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Wert seiner Geldmarktfondsanteile betrage zum 31. Januar 2012 363.534,48 Euro. Dem Schreiben war als Anlage ein vorläufiger Auszahlungsplan beigefügt. Dieser sah bei zwölf Jahresraten einen Zinssatz von 0,87 vH vor. Im Februar 2012 entschied sich der Kläger für die Auszahlung in zwölf Jahresraten. Unter dem 15. März 2012 übersandte die Beklagte dem Kläger den endgültigen Auszahlungsplan. Dieser weist ein Versorgungskapital iHv. 363.702,35 Euro und einen Zinssatz von 0,87 vH aus.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger einen höheren Zinssatz für die Verzinsung seines Versorgungskapitals begehrt.

6

Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei nach der Auszahlungsrichtlinie verpflichtet, das Versorgungskapital zu einem marktüblichen Zinssatz zu verzinsen. Unter einem marktüblichen Zinssatz sei der Zinssatz zu verstehen, der üblicherweise für eine Altersversorgung gewählt werde. Dieser liege bei mindestens 3,55 vH. Von ihm selbst im Rahmen eines Rentenversicherungsvertrags angelegtes Kapital habe im Jahr 2012 eine Verzinsung iHv. 3,75 vH und im Jahr 2013 iHv. 3,55 vH erreicht. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Möglichkeit habe, mit dem von ihm angesparten Kapital zu arbeiten. Da die Beklagte sein Versorgungskapital jedoch lediglich mit 0,87 vH verzinse, schulde sie ihm eine weitere Verzinsung iHv. 2,68 vH.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.595,74 Euro zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, ihr stünde nach Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich des marktüblichen Zinssatzes zu. Ein verbindlicher Maßstab, wie das Versorgungskapital zu verzinsen sei, werde von der Auszahlungsrichtlinie nicht vorgegeben. Sie habe sich bei der Festlegung des Zinssatzes auf die Zinsstrukturkurve für deutsche und französische Staatsnullkuponanleihen (Bloomberg Yield Curve) gestützt. Der Zinssatz sei nach der Auszahlungsrichtlinie von der durchschnittlichen Ratenlaufzeit abhängig und betrage deshalb bei zwölf Jahresraten fünfeinhalb Jahre.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Endurteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 4.962,24 Euro verurteilt. Es hat dabei den Zinssatz aus der Zinsstrukturkurve für börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Laufzeit von elf Jahren iHv. 2,13 vH zugrunde gelegt. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen darüber hinausgehenden Klageantrag weiter. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet, die Revision der Beklagten hingegen begründet. Die Klage bleibt insgesamt erfolglos. Dem Kläger steht nach der Auszahlungsrichtlinie kein höherer als der, von der Beklagten im März 2012, festgelegte Zinssatz zu.

12

I. Die Klage ist - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - insgesamt unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht erkannt, dass bei der Bestimmung des marktüblichen Zinssatzes nach Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie ebenso wie bei der konkreten Festsetzung des Zinssatzes eine Festlegung nach billigem Ermessen iSv. § 315 BGB durch die Beklagte zu erfolgen hat und der Zinssatz von der durchschnittlichen Ratenlaufzeit abhängig ist. Die Entscheidung der Beklagten, für die Verzinsung des Versorgungskapitals den Zinssatz aus der Zinsstrukturkurve für Nullkuponanleihen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik mit einer Laufzeit von fünfeinhalb Jahren iHv. 0,87 vH zugrunde zu legen, ist nicht unbillig.

13

1. Die Beklagte ist nach Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie verpflichtet, das Versorgungskapital mit einem marktüblichen Zinssatz zu verzinsen, der von der durchschnittlichen Ratenlaufzeit abhängig ist. Die Bestimmung und Festlegung des marktüblichen Zinssatzes erfolgt nach billigem Ermessen iSv. § 315 BGB durch die Beklagte. Dies ergibt die Auslegung der Auszahlungsrichtlinie nach den für Betriebsvereinbarungen maßgeblichen Grundsätzen (vgl. zu diesen statt vieler nur: BAG 8. Dezember 2015 - 3 AZR 267/14 - Rn. 22; 9. Oktober 2012 - 3 AZR 539/10 - Rn. 21).

14

a) Die Auszahlungsrichtlinie enthält keine ausdrückliche Bestimmung, was unter einem „marktüblichen“ Zinssatz zu verstehen ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch meint „marktüblich“ „wie auf dem freien Markt üblich“ (vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „marktüblich“; Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „marktüblich“). Die Verwendung des unbestimmten Artikels („einem“) zeigt, dass die Betriebsparteien nicht nur die Möglichkeit verschiedener Zinssätze, sondern auch verschiedener Märkte in Betracht gezogen haben. Ein Zinssatz richtet sich ua. nach der konkreten Laufzeit der Geldanlage, der Bonität des Schuldners und damit dem Ausfall- und Verlustrisiko. Zugleich weist das Wort „marktüblich“ darauf hin, dass der Zinssatz auf einem auch für die Beklagte zugänglichen Finanzierungsmarkt zu erwirtschaften sein soll, ohne dass die Beklagte tatsächlich verpflichtet wäre, das Versorgungskapital ihrerseits entsprechend anzulegen. Eine weitere Eingrenzung auf einen bestimmten Markt haben die Betriebsparteien nicht vorgenommen.

15

Nach der Auszahlungsrichtlinie kommt der Beklagten folglich bei der Festlegung eines marktüblichen Zinssatzes ein Bestimmungsrecht zu. Dieses erstreckt sich nicht nur auf die Festlegung eines konkreten Zinssatzes, sondern auch auf die Auswahl des Marktes, auf den für die Festsetzung eines konkreten Zinssatzes abgestellt werden soll. Das Bestimmungsrecht hat die Beklagte nach billigem Ermessen auszuüben (§ 315 Abs. 1 BGB). Dieses Verständnis von Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie ermöglicht eine praktikable Handhabung sowie eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Versorgungsempfänger einerseits und der Beklagten andererseits.

16

b) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28 mwN, BAGE 145, 341). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Ermessensentscheidung getroffen wird. Dem Bestimmungsberechtigten verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 8. Dezember 2015 - 3 AZR 141/14 - Rn. 29; 15. Januar 2014 - 10 AZR 243/13 - Rn. 33 mwN, BAGE 147, 128).

17

Die Leistungsbestimmung durch einen Teil ist für den anderen verbindlich, falls sie der Billigkeit entspricht. Trifft der berechtigte Teil eine Bestimmung, so ist eine gerichtliche Leistungsbestimmung nur möglich, wenn die Bestimmung unbillig ist (§ 315 Abs. 3 BGB). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, von vornherein seine eigene Entscheidung an die Stelle der Leistungsbestimmung durch den hierzu berechtigten Teil zu setzen.

18

2. Das Landesarbeitsgericht hat nicht die im März 2012 von der Beklagten getroffene Entscheidung, den marktüblichen Zinssatz anhand der Zinsstrukturkurve für deutsche und französische Staatsnullkuponanleihen (Bloomberg Yield Curve) festzusetzen, auf deren Billigkeit überprüft, sondern eine eigene Bestimmung vorgenommen und damit § 315 BGB verletzt. Dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts und der Umstand, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht, berechtigen den Senat die gebotene Prüfung selbst vorzunehmen (vgl. BAG 23. Juni 2015 - 9 AZR 125/14 - Rn. 26). Danach entspricht die Festlegung des marktüblichen Zinssatzes durch die Beklagte im März 2012 der Billigkeit.

19

a) Mit der Orientierung an deutschen und französischen Staatsanleihen hat die Beklagte einen Markt bestimmt, dessen Auswahl billigem Ermessen entspricht.

20

Maßgebend hierfür ist, dass es im Stadium der Auszahlung des während des Erwerbslebens erarbeiteten Versorgungskapitals nicht mehr um dessen weiteren Aufbau geht. Der Eintritt des Versorgungsfalls stellt eine entscheidende Zäsur dar. Deshalb kann - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht auf den Zinssatz einer von ihm selbst abgeschlossenen und finanzierten Kapitallebens- oder Rentenversicherung abgestellt werden. Sein Hinweis, derartige Versicherungen stellten einen üblichen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung dar, verfängt nicht. Dieser Gesichtspunkt wäre während der Aufbauphase vor dem Eintritt des Versorgungsfalls zu berücksichtigen, nicht aber für die Verzinsung eines bereits angesparten Versorgungskapitals. Es ist auch nicht ersichtlich, dass im Jahr 2012 eine Kapitallebens- oder Rentenversicherung mit einem garantierten Zinssatz von 3,55 vH für die Anlage eines Einmalkapitals in der Höhe des Versorgungskapitals des Klägers und der Auszahlung in zwölf Jahresraten angeboten wurde.

21

Daher entspricht es der Billigkeit, wenn die Beklagte für die Bestimmung des maßgeblichen Marktes darauf abgestellt hat, wie ein erreichtes Versorgungskapital sicher anzulegen ist. Das spricht dafür, einen Zinssatz als marktüblich anzusehen, der für risikoarme Finanzanlagen, wie etwa Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik, zu erwirtschaften ist. Bei deutschen und französischen Staatsanleihen ist von einem äußerst geringen Ausfallrisiko auszugehen. Auch ein Wechselkursrisiko besteht nicht.

22

b) Ebenso wenig ist es unbillig, dass sich die Beklagte auf dem Markt für Staatsanleihen an deutschen und französischen Staatsnullkuponanleihen orientiert hat. Nullkuponanleihen sind eine übliche laufzeitorientierte Anlageform. Es ist deshalb unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte auf den für diese geltenden Zinssatz innerhalb des Marktes für Staatsanleihen abgestellt hat.

23

c) Schließlich ist es nicht unbillig, dass sich die Beklagte an einer Zinsstrukturkurve orientiert hat. Zwar steht weder der Zinsstrukturkurve noch der Renditekurve ein am Markt handelbares Wertpapier gegenüber. Eine Zinsstrukturkurve ist eine graphische Darstellung der jeweils geltenden Zinssätze für kurz-, mittel- und langfristige Anlagen. Aus einer Zinsstrukturkurve lassen sich aber das kurzfristig und das langfristig erwartete Zinsniveau ableiten, das mit sicheren Anlagen zu erzielen ist. Eine Zinsstrukturkurve ist deshalb geeignet, einen marktüblichen Zins zu bestimmen.

24

3. Die Entscheidung der Beklagten einen Zinssatz iHv. 0,87 vH festzulegen ist auch nicht deshalb rechtlich zu beanstanden, weil die Beklagte dabei eine rechnerische Zinskurve für eine Laufzeit von fünfeinhalb Jahren zugrunde gelegt hat. Dies entspricht vielmehr den Vorgaben der Auszahlungsrichtlinie und ist von ihr gefordert.

25

Das Versorgungskapital des Klägers ist - wovon die Parteien übereinstimmend ausgehen - in zwölf Jahresraten auszuzahlen. Die erste Jahresrate wurde zu Beginn der Auszahlungszeit zum 31. März 2012 fällig. Die zwölfte und letzte Jahresrate wird elf Jahre nach dem Beginn der Auszahlung, zum 31. März 2023, fällig. Nach elf Jahren wird folglich das Versorgungskapital an den Kläger vollständig ausgezahlt sein. Die durchschnittliche Ratenlaufzeit nach Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie beträgt folglich fünfeinhalb Jahre. Die Betriebsparteien haben zwar die durchschnittliche Ratenlaufzeit nicht gesondert definiert. Nach der Systematik der Auszahlungsrichtlinie ist damit jedoch die durchschnittliche Auszahlungsdauer bezogen auf das gesamte Versorgungskapital des jeweiligen Versorgungsberechtigten gemeint und nicht die durchschnittliche Ratenlaufzeit aller Versorgungsberechtigten. Für dieses Verständnis spricht schon der zweite Satz in Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie, der eine Festlegung für jede Ratenlaufzeit vorsieht. Auch der letzte Satz in Nr. 2.1.3 der Auszahlungsrichtlinie, wonach der festgelegte Zinssatz für die Auszahlung aller Raten dieser Versorgungsberechtigten verbindlich sein soll, bestätigt dies. Einer solchen Klarstellung bedarf es nur, wenn die Ratenlaufzeit und die durchschnittliche Ratenlaufzeit unterschiedlich sind. Weil das auszuzahlende Versorgungskapital danach als für fünfeinhalb Jahre gebunden anzusehen ist, war für die Beklagte die „Curve 13“ des Marktinformationssystems „Bloomberg“ maßgeblich, die die Rendite deutscher und französischer Staatsanleihen mit einer bestimmten Restlaufzeit wiedergibt und bei einer Laufzeit von fünfeinhalb Jahren zu einem Zinssatz von 0,87 vH führt.

26

4. Auf die von den Parteien erhobenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht an.

27

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

28

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke     

        

    Schüßler    

                 

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2016 (9 Ca 396/16) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 01.07.2015 und 01.07.2016.

2

Der Kläger war bis zum 30. September 2010 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt in Hamburg. Seit dem 01. Oktober 2010 bezieht er von der Beklagten eine betriebliche Rente.

3

Die B. errichtete bereits in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als „Betriebliches Versorgungswerk“ bezeichnet wurde. Die Ansprüche waren (und sind) in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, die sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen gliedert und für Mitarbeiter gilt, die bis zum 31. März 1985 Mitarbeiter eines B.-Unternehmens wurden.

4

§ 6 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks lautet:

5

„§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (…)
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.

…..“

6

Im Jahr 1985 richtete die B. sodann eine betriebliche Altersversorgung in Form eines Tarifvertrags ein, die als “Verordnung vom 1. April 1985“ (“VO 85“) bezeichnet wird und die angelehnt ist an die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks. Diese tarifliche Versorgungszusage gilt für diejenigen Arbeitnehmer, die ab dem 1. April 1985 Arbeitnehmer eines B.-Unternehmens wurden (§ 1 Ziff. 2 VO 85). Die klagende Partei gehört zum gemäß der VO 85 berechtigten Personenkreis. Gewährt wird u.a. eine Altersrente, die in § 2 der VO 85 geregelt ist.

7

In § 1 Ziff. 3 VO 85 ist Folgendes bestimmt:

8

„Auf die Versorgungsleistungen besteht ein Rechtsanspruch.

9

Die B.-Unternehmen behalten sich vor, durch Beschlüsse im Vorstand und Aufsichtsrat die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Zusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, daß den B.-Unternehmen die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.“

10

§ 6 der VO 85„Anpassung der Renten“ lautet:

11

„1. Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
2. Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Die Renten werden angepasst, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.12. des Vorjahres eingetreten ist.
4. Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.“

12

Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB VI neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten.

13

Hinsichtlich der Einzelheiten der VO 85 wird auf die Anlage K 1 (Bl. 15 ff d.A.) verwiesen.

14

Zum 01. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,0972 % erhöht. Die Beklagte nahm keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang dieser gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach der vor dem 01. Juli 2015 eingeleiteten Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats (Anl. B 6 und B 7, Bl. 103 ff d.A.) – und gegen deren ausdrücklichen Wunsch – durch ihre Geschäftsführung (am 2. September 2015) und Aufsichtsrat (am 9. November 2015) den Beschluss, die Rentenanpassung zum 01. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 mitgeteilt (Anl. K 3, Bl. 23 d.A.).

15

Dementsprechend wurde die Rente des Klägers, die sich bis zum 30. Juni 2015 auf € 3.092,08 brutto belief, zum 01. Juli 2015 auf € 3.107,54 brutto erhöht.

16

Zum 01. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 % erhöht.

17

Mit Schreiben aus dem August 2016 (Anl. K 5, Bl. 26 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Versorgungsleistungen zum 1. Juli 2016 wiederum um 0,5 % auf € 3.123,08 brutto erhöht wurden. Die entsprechenden Beschlüsse von Geschäftsführung und Aufsichtsrat erfolgten am 14. Juni 2016 bzw. am 24. Juni 2016 (Anl. B 14, Bl. 137 f. und B 15, Bl. 139 f. d.A.).

18

Die Betriebsräte waren wiederum zuvor mit der Bitte um Stellungnahme angehört worden (Anl. Konv. B 12, Bl. 125 ff d.A.).

19

Der Kläger hat mit seiner Klage eine Anpassung um weitere € 48,46 brutto pro Monat seit dem 01. Juli 2015 sowie um € 168,02 ab dem 1. Juli 2016 verlangt. Dabei handelt es sich um die der Höhe nach unstreitigen Differenzbeträge, die sich errechnen, wenn die Beklagte die Rentenanpassung im Umfang von 2,0972 % bzw. 4,25 % auf die Rente vorgenommen hätte.

20

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte schulde die volle Anpassung der Versorgungsbezüge gemäß § 6 Ziff. 1 VO 85. Die Beklagte könne sich nicht auf § 6 Ziff. 4 VO 85 stützen. Die Regelung sei unwirksam, weil sowohl unklar als auch unverhältnismäßig. Sie verstoße auch gegen § 87 Abs. 1 Nrn. 8 und 10 BetrVG. Auf die Ausübung des bestehenden Mitbestimmungsrechtes werde in seiner Substanz verzichtet. Die Anpassungsentscheidung sei im Übrigen zu spät erfolgt, nämlich erst nach dem Anpassungstermin. Jedenfalls sei sie unbillig.

21

Die klagende Partei hat beantragt,

22

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger beginnend mit dem 01. August 2016 über den Betrag von € 3.123,08 hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 168,02 brutto zu zahlen,

23

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 749,54 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von jeweils € 48,46 seit dem 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016, 01.02.2016, 01.03.2016, 01.04.2016, 01.05.2016, 01.06.2016 und auf € 168,02 seit dem 01.07.2016 zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte hat vorgetragen, über die bereits erfolgte Erhöhung der Versorgungsbezüge hinaus bestehe kein Anspruch des Klägers. Sie habe von einer Anpassung gemäß § 6 Ziff. 1 VO 85 abweichen und die Anpassung auf 0,5 % festlegen dürfen. Die Regelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 sei weder unklar noch aus sonstigen Gründen unwirksam. Die Regelung sei nicht zu unbestimmt, da die Auslegung des Wortes „vertretbar“ ergebe, dass die jährliche gemeinsame Ermessensentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat nach den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu erfolgen habe. Demnach bedürfe es eines sachlichen Grundes für die Abweichung von der in § 6 Ziffer 1 VO 85 geregelten Rentenanpassung. Die vorgenommene Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei ergangen und entspreche der Billigkeit. Zu verweisen sei unter anderem auf folgende Aspekte, die für eine reduzierte Rentenanpassung sprächen: ein schwieriges ökonomisches Umfeld durch langanhaltende Niedrigzinsen, demografische Trends und kulturelle Umbrüche (z.B. Digitalisierung, Langlebigkeitsrisiko); ein abschwächendes Wachstum im Versicherungsmarkt in 2015; steigende Anforderungen zur Regulierung (Kapitalisierungsanforderungen durch Solvency II, Umsetzung Lebensversicherungsreformgesetz); steigende Kundenanforderungen (hohe Preissensitivität, sinkende Loyalität). Diese Rahmenbedingungen hätten den Konzern zu einer neuen Strategie veranlasst (S.-Konzept), in deren Umsetzung u.a. Personalkosten eingespart werden sollen und aufgrund dessen die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten müssten. Entsprechend sei es angemessen, dass auch die Rentner einen Beitrag leisteten. Außerdem erhielten Rentner anderer Versorgungssysteme im Konzern aufgrund des niedrigen Anstiegs des Verbraucherpreisindexes (auf Basis des § 16 BetrAVG) eine deutlich niedrigere Anpassung als nach dem Anstieg der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Versorgungsniveau der Rentner des BVW und Betriebsvereinbarung „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ sei zudem bereits überdurchschnittlich hoch. Die Beschlüsse der Beklagten vom 2. September/9. November 2015 sowie vom 14./24. Juni 2016 seien ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere seien die Formalien gewahrt. Der Gesamtbetriebsrat sowie die Betriebsräte im Konzern seien ordnungsgemäß durch Anhörung beteiligt worden. So sei insbesondere der Betriebsrat der Beklagten mit Schreiben vom 15. Juni 2015 bzw. 20. Mai 2016 angehört worden. Die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat hätten nach Abwägung der beteiligten Interessen jeweils den Beschluss gefasst, eine Anpassung nur in Höhe von 0,5% vorzunehmen. Hierbei seien auch die Stellungnahmen der Betriebsräte mit eingeflossen. Auch sei der Beschluss für das Jahr 2015 nicht verfristet, da § 6 Ziff. 2 AusfBestg BVW insoweit keinen festen Stichtag vorsehe, bis wann ein Beschluss nach § 6 Ziff. 3 vorliegen müsse.

27

Mit Urteil vom 13. Dezember 2016 hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend (mit Ausnahme des Zinsbeginns) stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass § 6 Ziff. 4 VO 85 zwar nicht unwirksam sei. Sie sei weder zu unbestimmt noch unverhältnismäßig, sondern sei nach einer Auslegung handhabbar. Dabei sehe § 6 Ziff. 1 VO 85 eine Anpassungsautomatik vor. Von dieser dürfe die Beklagte gem. § 6 Ziff. VO 85 nur ausnahmsweise abweichen, wobei ihr in zweierlei Hinsicht eine Ermessensentscheidung eingeräumt worden sei. Sie dürfe entscheiden, ob abgewichen werden, nämlich wenn die planmäßige Anpassung „nicht vertretbar“ sei. Und sie dürfe entscheiden, wie abgewichen werden solle. Diese Leistungsbestimmungen hätten nach § 315 Abs. 1 BGB zu erfolgen. Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis in § 6 Ziff. 1 VO 85 folge, dass die Ermessensausübung an das Vorliegen veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse in der Sphäre der Beklagten anknüpfen müsse, was im Übrigen der Wertung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG entspreche. Auch müsse sich die Entscheidung auf den Umfang der Abweichung von der planmäßigen Erhöhung der Versorgungsbezüge beziehen, d.h. nur soweit dies aus wirtschaftlichen Gründen geboten sei, dürfe in die eigentlich vorgesehene Anpassung eingegriffen werden. Ausgehend hiervon habe die Beklagte billiges Ermessen nicht gewahrt. Es seien keine quantifizierbaren wirtschaftlichen Umstände vorgetragen worden, die eine Überprüfung des gewählten Anpassungssatzes von 0,5 % erlaubten. Die Bestimmung billigen Ermessens sei gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch das Gericht vorzunehmen. Mangels erkennbaren Zahlenmaterials und sonstiger Anhaltspunkte könne nur die Regelanpassung als billig angesehen werden. Daher sei die Bestimmung mit 100% der planmäßigen Anpassung vorzunehmen. Der Zinsanspruch sei nur zum Teil begründet, nämlich erst ab Rechtskraft des Urteils.

28

Das Urteil ist der Beklagten am 26. Januar 2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 23. Februar 2017 (einem Montag) Berufung eingelegt und ihre Berufung mit Schriftsatz vom 26. April 2017, am selben Tag vorab per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründet nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27. April 2017.

29

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. In den Jahren 2015 und auch 2016 habe die Beklagte zu Recht von der Ausnahmeregelung in § 6 VO 85 Gebrauch gemacht. Grundlage der Beschlussfassung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat seien die widrigen Rahmenbedingungen und der Druck am Markt gewesen, welche wegen der konkreten Auswirkungen erhebliche Spar- und Personalreduzierungsprogramme mit sich gebracht hätten, so insbesondere das sog. „S.-Konzept“ mit weiteren begleitenden Maßnahmen, was sich bei der Beklagten in der Umsetzung befände. Die geringeren Rentenanpassungen seien Teil eines umfassenden Einsparkonzeptes, um sicherzustellen, dass der A.-Konzern auch in Zukunft am Markt mit Gewinnen bestehen könne. Das schwierige Marktumfeld werde maßgeblich durch die niedrigen Zinsen (Leitzins von 0% bzw. 0,05 %) und die niedrige Inflation (0,3 % im Juni 2015) bestimmt. Auch der Verbraucherpreisindex habe sich von Juni 2014 bis Juni 2015 nur von 106,7 auf 107 erhöht. Mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise werde es für Versicherer immer schwieriger, das Geld der Kunden lukrativ anzulegen. Das unverändert niedrige Zinsniveau stelle eine erhebliche Belastung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns und damit auch der Beklagten dar. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Anpassungsprüfungen zum 1. Juli 2015 davon ausgegangen, dass sich das Wachstum im Versicherungsmarkt 2015 abschwächen werde und gehe im Euroraum weiter von einer nur schwachen konjunkturellen Entwicklung aus (vgl. Anl. B 8, Bl. 113 d.A.). Größere Risiken ergäben sich zudem aus der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung. Zudem seien signifikant gestiegene Kundenanforderungen zu verzeichnen, v.a. die angestiegene Preissensitivität bei sinkender Loyalität. Weitere Risikopotentiale seien aus den vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld entstanden, die letztlich die Folge der Finanzmarktkrise seien. Wettbewerber würden Kostensenkungs- und Automatisierungsprogramme forcieren und variable Produktmodelle ohne feste Garantien. Ferner sei die Komplexität der Lebensversicherung durch das Mitte 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) weiter gesteigert worden, und es sei der für Lebensversicherungsprodukte erforderliche finanzielle Aufwand deutlich erhöht worden. Die Umsetzung des LVRG habe zu erheblichen Produktänderungen im gesamten Konzern und zu einer Veränderung der Provisionsregelungen geführt. Der Aufwand der Versicherungsunternehmen für die Vergütung der Vermittler habe sich spürbar erhöht, was der Gesetzgeber auch so bezweckt habe (Anl. B 16, Bl. 321 f. d.A.). Des Weiteren verschlechtere Solvency II die Rahmenbedingungen. Die Versicherer müssten hiernach über so viel Kapital verfügen, dass sie selbst Negativergebnisse verkraften könnten, die statistisch gesehen nur einmal in 200 Jahren aufträten. Es müsse ein nicht unerheblicher Rückgang der Eigenmittel verkraftbar sein, um die Leistungen an die Versicherungsnehmer auch bei Eintritt sehr unwahrscheinlicher Risiken sicher zu stellen. Somit hätten zum 1. Januar 2016 mit der Umsetzung von Solvency II in nationales Recht die Notwendigkeit bestanden, eine risiko- bzw. marktwertorientierte Bewertung ihrer Kapitalanlagen und Leistungsverpflichtungen vorzunehmen. Zudem seien weitgehende Anforderungen an die Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen gestellt und die Berichtspflichten von Versicherern erweitert worden. All diese Umsetzungen hätten einen finanziellen Aufwand durch den Konzern und damit auch durch die Beklagte gekostet. Das negative Marktumfeld habe konkrete negative Folgen gehabt. So habe der Konzern u.a. eine sog. Zinszusatzreserve bilden müssen. Es sei eine Reserve von etwa 2 Milliarden Euro aufgebaut worden. Allein 2016 habe dieser Posten um ca. 620 Millionen Euro aufgefüllt werden müssen, und es sei mit steigenden Entwicklungen zu rechnen (Anl. B 18, Bl. 324 d.A.). Die Möglichkeit der Gewinnerzielung durch Kapitalanlagen falle aufgrund der Niedrigzinsphase praktisch weg. Als Folge des Marktdrucks sei es konzernweit zu einem Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. 2016 hätten im Konzern etwa 1.135 Personen den Konzern bei einem Personalbestand von etwa 13.000 verlassen. Im Zuge des S.-Konzepts seien konzernweit 442 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. „Überbrückungsmodell“ erfolgt. Der angestellte Außendienst werde reduziert, das Provisionsmodell massiv angepasst. Im Konzern gebe es weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Spesenreduzierungsprogramme, Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene für Neueintritte). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum 1. Juli 2015 bis 1. Juli 2016 zu Einsparungen in Höhe von etwa 2,7 Mio. Euro sowie eine Reduzierung der Rückstellungen um 43,6 Millionen Euro geführt. Von den Einsparungen entfielen auf die Beklagte € 50.328,00 Euro auf den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2016 sowie etwa € 86-478 auf den Zeitraum 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es noch gelungen, für die Unternehmen des Konzerns einen Gewinn zu erwirtschaften. Vor allem der Personalabbau von ca. 8,5 % der kompletten Belegschaft in Deutschland allein im Jahr 2016 zeige, wie sehr auf den Marktdruck habe reagiert werden müssen. Näheres ergebe sich auch aus dem S.-Konzept. Vorüberlegungen hierzu seien beginnend mit dem 23. Februar 2015 erfolgt. Zum 25. Mai 2015 sei es soweit abgeschlossen gewesen, dass es gegenüber der Belegschaft der Beklagten habe kommuniziert werden können. Das Konzept beinhalte eine Neuausrichtung zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit und es hätten die nötigen Schritte eingeleitet werden sollen, solange noch die Möglichkeit dazu bestanden habe, die Zukunft aktiv zu gestalten. Im September 2015 hätten die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umsetzung des Konzepts aufgenommen werden können. Mittlerweile befände sich das Konzept in der Umsetzungsphase. In finanzieller Hinsicht ziele das Konzept auf die konzernweite Einsparung von Kosten in Höhe von 160 bis 190 Mio. Euro pro Jahr ab. Ein Teil der Planungen habe in dem Übergang des gesamten Personals der Beklagten und der A. V. AG auf die neue A. D. AG bestanden, was mit Standortverlagerungen und -zusammenschlüssen einhergegangen sei. In diesem Zusammenhang stünde auch der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Raum. Die aktive Belegschaft leiste einen erheblichen Beitrag für die zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns mit u.a. folgenden Maßnahmen: Personalabbau i.V.m. einem Einstellungs- und Beförderungsstopp sowie einem Verbot von Entfristungen befristeter Arbeitsverträge, was eine Verdichtung der Arbeitsbelastung bedeute; Betriebsübergänge auf die A. D. AG; Reduzierung des angestellten Außendienstes; Kürzung der Budgets für Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten; Kürzung des Budgets für Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung bei Neueintritten auf der Stufe der Vorstände und leitenden Angestellten um die Hälfte des bisherigen Volumens; keine Gehaltserhöhung für außertarifliche Angestellte in 2016 (bis auf individuelle Sonderfälle). Demgegenüber wögen die Interessen der klagenden Partei nur gering. Auch die Betriebsrentner hätten ihren Beitrag zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten leisten müssen. Der von ihnen eingeforderte Beitrag sei im Verhältnis zu dem Beitrag der aktiven Belegschaft nur sehr gering. Das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern der VO 85 sei schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Kaufkraftschwund und die Inflationsentwicklung seien bei der Anpassungsentscheidung im Jahr 2015 ausreichend berücksichtigt worden. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die klagende Partei nicht berufen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 4 VO 85 angelegt. Von Beginn an sei hier ein Vorbehalt geregelt gewesen. Wie bereits erstinstanzlich dargelegt, habe die Geschäftsführung der Beklagten in Folge der Entscheidung des Vorstands der A. D. AG beschlossen, die Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 anzuwenden und dem Aufsichtsrat jeweils zur gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 1. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren, da eine darüber hinausgehende Erhöhung für nicht vertretbar gehalten worden sei. Man habe sich bei Festlegung der Anpassungshöhe an der Inflationsrate orientiert, die am 15. Juli 2015 bei 0,28 % gelegen habe. Dabei habe man die Inflationsrate im Zeitpunkt der Entscheidung auf 0,5 % geschätzt. Die Betriebsräte seien, wie ebenfalls erstinstanzlich dargelegt, vor der Beschlussfassung ausreichend angehört und mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben worden und hätten auch Stellung genommen (Anl. B 7, Bl. 110 ff d.A.). Im zweiten Schritt hätten Geschäftsführung und Aufsichtsrat auf Basis des Vorschlags der Geschäftsführung gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 1. Juli 2015 beschlossen. Der Beitrag der Geschäftsführung zur gemeinsamen Beschlussfassung sei am 2. September 2015, der inhaltlich entsprechende Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten am 9. November 2015 erfolgt. Auf die Erforderlichkeit einer Interessenabwägung sei in den jeweiligen Beschlussvorlagen ausdrücklich hingewiesen worden. Beide Gremien hätten alle Argumente abgewogen und in ihre Entscheidung einfließen lassen, auch die Stellungnahmen der Betriebsräte seien einbezogen worden. Zudem seien Erwägungen zur ungekürzten Anpassung und weniger einschneidenden Kürzungen enthalten gewesen. Für das Jahr 2016 sei ebenfalls beschlossen worden, eine Erhöhung nur um 0,5 % vorzunehmen. Die Geschäftsführung habe ihre Entscheidung nach Anhörung des Betriebsrats getroffen und die Erhöhung dem Aufsichtsrat um 0,5 % vorgeschlagen. Sodann hätten Geschäftsführung und Aufsichtsrat im zweiten Schritt am 14. bzw. am 24. Juni 2016 (Anl. B 14 und B 15, Bl. 137 ff d.A.) gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 1. Juli 2016 beschlossen und auch dabei wiederum alle Umstände abgewogen. Die Beklagte habe von § 6 Ziff. 4 VO 85 Gebrauch machen dürfen. Eine Beschränkung auf wirtschaftliche Notlagen oder Veränderungen der wirtschaftlichen Unternehmensdaten sei nicht geregelt und auch nicht jahrzehntelanges Verständnis der Betriebsparteien. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig, in welchem die Begrifflichkeit einer wirtschaftlichen Notlage oder schwerwiegender Veränderung von Wirtschaftsdaten nicht den geringsten Niederschlag gefunden habe. Der Anpassung habe ein Wert zugrunde gelegen, der die Inflationsrate überstiegen habe. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe schon deshalb nicht, weil eine tarifvertragliche Regelung vorliege. Die Regelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 sei auch im Übrigen wirksam. Sie sei hinreichend bestimmt, was ihre Auslegung ergebe. Auslegungsbedürftig sei der Begriff „vertretbar“. Dieser sei so zu verstehen, dass eine jährliche gemeinsame Ermessensentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat zu ergehen habe, diese wiederum sei durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt. Das bedeute, dass eine von § 6 Ziff. 1 VO 85 negativ abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Dieses Auslegungsergebnis finde seine Bestätigung zudem in dem Umstand, dass die Regelung in § 6 VO 85 angelehnt sei an die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks, welches ausweislich § 6 Ziff. 1 Grundbestimmungen bereits seit 1961 existiere und damit seit einer Zeit, zu der das Recht der betrieblichen Altersversorgung im Wesentlichen aus Richterrecht bestanden habe. Das vorgenannte Verständnis entspreche der Terminologie, auf die die Rechtsprechung noch heute zurückgreife. Eine Unwirksamkeit nach §§ 305 ff BGB scheide aus, da eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB bei Tarifverträgen nicht stattfinde. Auf der Grundlage von § 6 Ziff. 4 VO 85 habe die Beklagte eine formell und materiell rechtmäßige Entscheidung über die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge im Jahr 2015 und 2016 nach billigem Ermessen getroffen, bei der vor allem das Interesse der Beklagten an einer gedeihlichen Fortentwicklung des Unternehmens einerseits und das Interesse der klagenden Partei an einem Teuerungsausgleich anderseits angemessen in Ausgleich gebracht worden seien. Der Betriebsrat sei zur teilweisen Aussetzung der Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge jeweils hinreichend angehört worden. Geschäftsführung und Aufsichtsrat hätten einen formell wirksamen Beschluss gefasst, in dessen Rahmen alle relevanten Umstände und Interessen abgewogen worden seien. Dieser Beschluss habe die automatische Anpassung nach § 6 Ziff. 1 VO 85 ersetzt und wirke zurück auf den Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert worden seien (§ 6 Ziff. 2 VO 85). Der Kläger sei von der Anpassungsentscheidung in Kenntnis gesetzt worden. Die materiellen Voraussetzungen von § 6 Ziff. 4 VO 85 seien erfüllt. Ein Eingriff in laufende Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge sei grundsätzlich zulässig und zu messen an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes, wobei die Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe von der Schwere des Eingriffs abhängen würden. Vorliegend sei jedoch nicht einmal ein Eingriff in laufende Leistungen gegeben, da der Vorbehalt von Beginn an in § 6 Ziff. 4 der VO 85 geregelt und somit Teil der Leistungszusage gewesen sei. Die klagende Partei habe daher damit rechnen müssen, dass die Beklagte zu einem Prüfungstermin im Rahmen des billigen Ermessens von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werde. Eine solche Entscheidung bewege sich jedenfalls dann im Rahmen der Billigkeit und sei zulässig, wenn nach der Rechtsprechung sogar ein bereits der Natur nach intensiverer Eingriff zulässig wäre. Referenzpunkt sei ein Eingriff in laufende Leistungen. Ein insoweit erforderlicher sachlicher Grund sei vorliegend gegeben. Dieser müsse nicht zwingend ein wirtschaftlicher Grund im Sinne einer aktuellen wirtschaftlichen Zwangslage sein, sondern könne auch in einem Konzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung eines Unternehmens liegen. Eine Anlehnung an die Vorschrift des § 16 BetrAVG sei in § 6 VO 85 nicht geregelt, vielmehr liege eine von § 16 BetrAVG abweichende tarifliche Regelung (§ 17 Abs. 3 BetrAVG) vor. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 6 Ziff. 1 und Ziff. 4 der VO 85. Es fände sich in der gesamten Regelung des § 6 VO 85 keinerlei Formulierung, die darauf schließen ließe, dass allein das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe eine von § 6 Ziff. 1 VO 85 abweichende Anpassung ermögliche. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, wenn die sachlichen Gründe willkürfrei, nachvollziehbar und anerkennenswert seien. Es genüge, wenn der Arbeitgeber die Beweggründe für diese bloß wirtschaftlich motivierten Maßnahmen nachvollziehbar darlege. Das sei hier der Fall, da ein Gesamtkonzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung der Beklagten anlässlich des hohen Markt- und Konkurrenzdrucks existiere und bei der Beklagten auch umgesetzt worden sei. Das Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung eines Unternehmens könne einen sachlichen Grund für die teilweise ausgesetzte Anpassung der Renten bilden. Bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahme stehe dem Arbeitgeber eine Einschätzungsprärogative zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts stehe ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der die Entscheidung decke, zur Realisierung eines Zukunftskonzepts neben der aktiven Belegschaft auch die Betriebsrentner angemessen einzubeziehen. Das bereits dargestellte Gesamtkonzept des A.-Konzerns erstrecke sich auf die Beklagte, wobei der wesentliche Baustein das S.-Konzept sei. In diesen Rahmen füge sich die Anpassungsentscheidung der Beklagten ein. Das sei nicht willkürlich. Billiges Ermessen sei gewahrt, da die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt seien und die Interessen der Beklagten die der klagenden Partei überwögen. Die anvisierten Einsparungen von 160 bis 190 Mio. Euro jährlich sowie des Einsparpotentials bei vorliegender Anpassung der Betriebsrenten führten dazu, dass die von der Beklagten vorgenommene Anpassung als ein taugliches Mittel zur zukunftsweisenden Neuaufstellung, die mit dem S.-Konzept bezweckt sei, anzuerkennen sei. Zur Realisierung der Neuausrichtung müssten auch die Betriebsrentner ihren Beitrag leisten. Die Interessen der klagenden Partei würden nur gering wiegen, insbesondere da ein Teuerungsausgleich erfolgt bzw. übertroffen worden sei. Außerdem sei das Versorgungsniveau der klagenden Partei schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Eine weitere Anpassung von 2,1 Prozent mit Wirkung zum 1. Juli 2015 wäre weitaus höher, als eine Anpassung für Versorgungsempfänger in anderen Versorgungswerken bei der Beklagten sowie im A.-Konzern. Auch dieses ungleiche Verhältnis zu anderen Versorgungsempfängern trage zur sachlichen Begründung der Entscheidung bei. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich die klagende Partei nicht berufen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 4 VO 85 angelegt. Insgesamt sei die wirtschaftliche Bestandssicherung der Beklagten gegenüber dem Interesse der klagenden Partei stärker zu bewerten.

30

Die Beklagte beantragt:

31

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2016, Az.: 9 Ca 396/16, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

32

Die klagende Partei beantragt, nachdem die Klage im Übrigen zurückgenommen worden ist,

33

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe,

34

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger beginnend mit dem 01. August 2016 über den Betrag von € 3.123,08 brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 167,87 brutto zu zahlen,

35

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 749,39 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Tag nach Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.

36

Die klagende Partei verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und trägt vor, die Regelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 sei unwirksam, da sie nicht hinreichend bestimmt sei. Das gelte sowohl für die Tatbestandsseite („nicht für vertretbar“) als auch für die Rechtsfolgenseite („schlägt vor wie verfahren werden soll“). Darüber hinaus sei seitens der Beklagten kein rechtzeitiger bzw. formal ordnungsgemäßer Beschluss getroffen worden, da die Beschlüsse deutlich nach dem 1. Juli 2015 gefasst worden seien. Diese hätten den nach § 6 Ziff. 1 VO 85 bereits entstandenen Anspruch nicht rückwirkend entfallen lassen können. Ferner sei § 6 Ziff. 4 VO 85 so zu verstehen, dass nur dann von § 6 Ziff. 1 abgewichen werden dürfe, wenn veränderte wirtschaftliche Verhältnisse vorlägen - d.h. wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers eine Anpassung nicht zulasse und der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Dieses Verständnis entspräche auch dem Zweck der Norm. Bei Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Versorgungswerk habe zwischen den Betriebsparteien Einigung bestanden, dass grundsätzlich die Gesamtversorgungsbezüge zum gleichen Zeitpunkt und in der gleichen Höhe gesteigert werden sollten wie die gesetzliche Rente. Davon habe nur dann abgewichen werden dürfen, werden die wirtschaftliche Lage eine Anpassung nicht zulasse und der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet sei. Die VO 85 sei – unstreitig – die Folgeregelung zum Betrieblichen Versorgungswerk. Aufgrund des Wortlauts der Regelungen sei nicht ersichtlich, dass die Parteien des Tarifvertrags eine inhaltlich abweichende Regelung hätten schaffen wollen. Entsprechend hätten auch sämtliche Betriebsräte im Rahmen ihrer Stellungnahmen darauf hingewiesen, Voraussetzung für ein Abweichen von § 6 Ziff. 1 VO 85 sei, dass die wirtschaftliche Lage der Beklagten eine Steigerung im Umfang der gesetzlichen Rente nicht zulasse und die Erhöhung nicht aus Gewinnen finanziert werden könne. Nur mit Blick auf die zusätzlichen Kosten, die durch die Erhöhung der Betriebsrente entstünden, dürfe die Beklagte entscheiden, ob von § 6 Ziff. 1 VO 85 abgewichen werden könne und zwar mit Blick auf ihre wirtschaftliche Situation bzw. die Finanzierbarkeit der Anpassung. Anderenfalls würde der Anpassungsanspruch vollständig entwertet. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe rechtfertigten den Beschluss von Geschäftsführung und Aufsichtsrat nicht, da die Entscheidung letztlich mit einem Interesse an einer Gewinnmaximierung begründet worden sei. Zudem bestünden zwischen den personellen/strukturellen Veränderungen im Unternehmen der Beklagten und der Frage, ob ein Anpassungsanspruch erfüllt werde, kein sachlicher Zusammenhang, so dass die Entscheidung willkürlich sei. Auch sei der Vortrag der Beklagten zum Teil zu allgemein gehalten und nicht einlassungsfähig. Ferner werde bestritten, dass sich durch das LVRG der finanzielle Aufwand für die Beklagte deutlich erhöht habe. Hinzuweisen sei auch auf einen Bericht des Handelsblatts vom 18. März 2016, wonach der A.-Konzern im Jahr 2015 so viel verdient habe wie seit acht Jahren nicht mehr, was unstreitig ist. Die Steigerung der Dividende im Jahr 2015 stehe im Widerspruch zu der Entscheidung, dass die Erfüllung der Anpassungsansprüche der Betriebsrentner nicht vertretbar sei. Unklar sei auch, inwiefern steigende Kundenanforderungen im Zusammenhang mit der Entscheidung stünden. Entsprechendes gelte für die vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld. Bestritten werde, dass im Jahr 2016 eine zusätzliche Zinsreserve von € 620 Millionen habe aufgebaut werden müssen, dass die Reduzierung der Rentenerhöhung zu Einsparungen von € 2,7 Millionen und zu einer Reduzierung der Rückstellungen in Höhe von € 43,6 Millionen führe, dass bei der Beklagten Einsparungen im Umfang von € 336.588,00 vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Dezember 2016 realisiert worden seien und dass das S.-Konzept konzernweit zu Einsparungen von € 160 bis 190 Mio. pro Jahr führe. Im Übrigen sei nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang Betriebsübergänge, Änderungen im Vertrieb, Budgetkürzungen bei Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten mit der Vertretbarkeit der Anpassung der Betriebsrenten stehen sollen. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgesprochen worden, und kein Mitarbeiter habe auf finanzielle Ansprüche verzichten müssen. Ermessensfehlerhaft sei es zudem, wenn sich die Entscheidung des Vorstands und Aufsichtsrats nicht an § 6 Ziff. 1 VO 85, sondern am Inflationsausgleich orientiere, weil hierfür § 16 Abs. 1 BetrAVG einschlägig sei. Schließlich sei es ermessensfehlerhaft, wenn nicht „die Renten“, die als Versorgungsleistung zu gewähren seien, sondern lediglich Teile gesteigert würden.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Protokolle sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig, aber nicht begründet.

A.

39

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 64, Abs. 1, 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet.

B.

40

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet. Der klagenden Partei steht der geltend gemachte Erhöhungsanspruch in Bezug auf die Betriebsrente für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2015 bzw. 2016 zu. Allerdings sind dem Kläger versehentlich € 0,15 brutto monatlich ab dem 1. August 2016 sowie € 0,15 brutto im Hinblick auf den Antrag zu 2) zu viel zugesprochen worden, weil bei Abfassen des Tenors die geringfügige Klagrücknahme leider übersehen worden ist.

41

Im Einzelnen:

1.

42

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klagantrag zu 1), der auf die Gewährung einer wiederkehrenden Leistung gerichtet ist, gem. § 258 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG zulässig. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl. BAG 17.06.2014 - 3 AZR 529/12 - Rn. 21).

2.

43

Die Klage ist, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, begründet. Die klagende Partei hat ab dem 1. August 2016 einen Anspruch auf Erhöhung der Betriebsrente um € 167,87 brutto monatlich (wobei versehentlich ein um € 0,15 brutto monatlich zu hoher Betrag tenoriert worden ist) sowie einen Anspruch auf die aufgelaufene Differenz in Höhe von € 749,39 brutto (wobei hier ebenso versehentlich € 0,15 brutto zu viel zugesprochen worden sind).

44

Diese Ansprüche folgen aus § 6 Ziff. 1 VO 85 und bedeuten eine ungekürzte Anpassung der Betriebsrenten entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente um 2,0972 % zum 01. Juli 2015 sowie um 4,2451 % zum 01. Juli 2016.

45

Diesen Ansprüchen konnte die Beklagte nicht die Beschlüsse vom 26. August/9. Oktober 2015 bzw. vom 20./22. Juni 2016 nach § 6 Ziff. 4 VO 85 entgegensetzen, wonach „die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten“ nur um 0,5 % steigen sollten. Diese Beschlüsse der Beklagten sind unwirksam. Mangels Vorliegens eines hinreichenden sachlichen Grundes durfte die Beklagte nicht von der Anpassungsautomatik in § 6 Ziff. 1 VO 85 abweichen. Im Einzelnen:

a)

46

Der klagenden Partei steht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte ab dem 1. Juli 2015 in Höhe von monatlich € 48,46 brutto über die bereits gezahlte Betriebsrente hinaus zu sowie ab dem 1. Juli 2016 in Höhe von € 167,87 brutto, da die Beklagte gem. § 6 Ziffer 1 VO 85 verpflichtet ist, die Betriebsrente der klagenden Partei ab Juli 2015 um 2,0972 % sowie ab Juli 2016 um weitere 4,2451 % anzupassen.

47

Unstreitig wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2015 bzw. 1. Juli 2016 um eben diese Prozentsätze angehoben. Ebenso unstreitig ist, dass die jeweils nur um 0,5 % erhöhte Betriebsrente zu einer monatlichen Differenz in Höhe von € 49,96 brutto ab Juli 2015 bzw. € 167,87 brutto ab Juli 2016 führte bzw. führt.

b)

48

Die Anpassungsverpflichtungen gemäß § 6 Ziff. 1 VO 85 wurde – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht gem. § 6 Ziff. 4 VO 85 durch die Beschlüsse der Beklagten vom 2. September/9. November 2015 bzw. vom 14./24. Juni 2016 ersetzt, da diese Beschlüsse unwirksam sind.

49

Die Unwirksamkeit der Beschlüsse folgt daraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85 nicht erfüllt sind.

aa)

50

Nach § 6 Ziff. 1 VO 85 werden die Renten jeweils entsprechend der Steigerungsrate der gesetzlichen Rente angepasst, d.h. erhöht und zwar gemäß Ziffer 2 zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

51

Nach § 6 Ziff. 4 VO 85 darf die Beklagte für den Fall, dass der Vorstand die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 VO 85 für nicht vertretbar hält, vorschlagen und sodann gemeinsam mit dem Aufsichtsrat beschließen, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

52

§ 6 Ziff. 1 VO 85 beinhaltet eine Anpassungsautomatik als Grundsatz, ohne dass eine Entscheidung der Beklagten getroffen werden muss. Der Wortlaut der Bestimmung ist an dieser Stelle eindeutig. Sprachlich wird eine direkte Verbindung zur gesetzlichen Regelung in § 49 AVG bzw. dessen Nachfolgeregelung in §§ 65, 68 SGV VI gezogen, und es wird ein Grundsatz formuliert, wie die Betriebsrenten in der Zukunft angepasst werden sollen, ohne dass dem eine Entscheidung auf Seiten der Arbeitgeberin voran gehen muss. Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel mit § 6 Ziff. 4, S. 2 VO 85: hiernach „ersetzt“ der Beschluss die Anpassung nach § 6 Ziff. 1. Ersetzt werden kann aber nur etwas Bestehendes bzw. Feststehendes.

53

§ 6 Ziff. 4 VO 85 regelt unter bestimmten Voraussetzungen einen Anpassungsvorbehalt zugunsten der Beklagten. Dabei darf sie auf der Tatbestandsebene entscheiden, ob die Anpassung nach § 6 Ziffer 1 VO 85 nicht vertretbar ist sowie auf der Rechtsfolgenebene vorschlagen und beschließen, was stattdessen geschehen soll. Diese Regelungen sind wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt. Allerdings sind die Voraussetzungen auf Tatbestandsebene nicht erfüllt.

54

aaa)
Die Formulierung in § 6 Ziff. 4 VO 85 „für nicht vertretbar hält“ ist hinreichend bestimmt. Das ergibt die Auslegung der Norm.

i)

55

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (s. nur BAG v. 22.04.2010, NZA 2011, 1293; BAG v. 13.10.2011, 8 AZR 514/10; zit. nach juris). Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG v. 22.04.2010, NZA 2011, 1293; BAG v. 13.10.2011, 8 AZR 514/10; zit. nach juris). Ist eine Ausnahmeregelung gegeben, so ist eine solche grundsätzlich nicht extensiv, sondern eng auszulegen (vgl. BAG, 26.3.1997, 10 AZR 751/96; 13.1.1981, 6 AZR 678/78; zit. nach juris).

56

Bei Aufstellen ihrer normativen Regelungen unterliegen die Tarifpartner dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (vgl. nur BAG, 27.6.2006, 3 AZR 196/05; zit. nach juris). Der Normgeber muss dabei die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fassen, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge erfüllt sind (BAG, 19.4.2012, 6 AZR 677/10, m.w.N.; 29.1.1986, 4 AZR 465/84; zit. nach juris). Die Tarifvertragsparteien haben aber bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie dürfen insbesondere unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden (BAG, 19.4.2012, 6 AZR 677/10, m.w.N.; zit. nach juris). Gerichte dürfen tarifliche Regelungen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (BAG, 19.4.2012, 6 AZR 677/10, m.w.N.; zit. nach juris). Hieraus folgt, dass unbestimmte Rechtsbegriffe jedenfalls dann verwendet werden dürfen und nicht zur Unwirksamkeit einer tariflichen Bestimmung führen, wenn sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Regelungswerks, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt. Die Rechtsprechung ist zudem gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (BAG, 19.4.2012, 6 AZR 677/10; 27.6.2006, 3 AZR 196/05; zit. nach juris).

ii)

57

Die auf der Tatbestandsebene gegebene Formulierung „für nicht vertretbar hält“ stellt einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Dieser Rechtsbegriff ist aber auslegungsfähig.

58

Unter Beachtung der vorgenannten Auslegungsgrundsätze ergibt sich vorliegend, dass die in § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85 auf der Tatbestandsebene gegebene Formulierung „für nicht vertretbar hält“ im Wege der Auslegung einen hinreichend bestimmten Inhalt erhält. Sie ist dahingehend zu verstehen, dass die Arbeitgeberin von der Ausnahmeregelung in § § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85 nur dann Gebrauch machen darf, wenn sie eine Interessenabwägung vorgenommen hat, die auf Arbeitgeberseite wirtschaftlich veränderte, finanziell belastende Verhältnisse einzubeziehen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen hat. Dabei muss sie den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts beachten sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes wahren. Im Ergebnis haben ihre Interessen die der Betriebsrentner zu überwiegen.

59

Aus dem Wortlaut folgt zunächst, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung, von dem Anpassungsgrundsatz abweichen zu wollen, eine Interessenabwägung vorzunehmen hat. Der Begriff „für nicht vertretbar hält“ ist gleichbedeutend mit „nicht verantworten“ können (vgl. Duden online unter www.duden.de). Wird etwas als nicht zu verantworten eingeschätzt, so setzt das einen Abwägungsvorgang, d.h. eine Interessenabwägung voraus und zwar vorliegend, ob im konkreten Einzelfall (hier für die Jahre 2015 und 2016) von § 6 Ziff. 1 VO 85 abgewichen werden darf. Eine solche Interessenabwägung hat die in der Regel gegenläufigen Interessen der Betriebsrentner und die Interessen der Beklagten einzubeziehen. Ansonsten ist der Wortlaut der Norm allerdings unergiebig.

60

Aus systematischer Sicht ist zu berücksichtigen, dass ein Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 6 Ziff. 1 zu § 6 Ziff. 4 VO 85 vorliegt und dass Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen sind. Der Grundsatz in § 6 Ziff. 1 VO 85 besagt, dass die Anpassung der Betriebsrenten entsprechend dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten zu erfolgen hat. Von diesem Grundsatz soll nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfen, so dass im Rahmen der Auslegung der Ausnahmevorschrift (§ 6 Ziff. 4 VO 85 „nicht für vertretbar hält“) enge Maßstäbe anzusetzen sind. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin seinerzeit, bei Abschluss der VO 85, dazu entschieden hatte, für die grundsätzlich vorgesehene Anpassung nach § 6 Ziff. 1 VO 85 entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Dieser Bezug zu den finanziell zur Verfügung gestellten und grundsätzlich zugesagten Mittel sowie der Umstand, dass ein Abweichen von § 6 Ziff. 1 nur im Ausnahmefall – nach entsprechender Prüfung durch den Vorstand – erfolgen soll, verdeutlichen, dass jeweils im konkreten Einzelfall der vorgesehenen Betriebsrentensteigerung wirtschaftliche, sprich finanzielle Gründe gegeben sein müssen, um eine andere Entscheidung treffen zu dürfen. Aus dem Ausnahmecharakter von § 6 Ziff. 4 VO 85 folgt zugleich, dass die Tarifparteien als Normgeber der Arbeitgeberin nicht freie Hand bezüglich der Frage geben wollten, ob von § 6 Ziff. 1 VO 85 abgewichen werden darf, sondern dass die Sichtweise eines vernünftigen Vorstands – bzw. vorliegend einer vernünftigen Geschäftsführung – maßgeblich sein soll, der die grundsätzlich vorgesehene Anpassung gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten, die Interessen der Betriebsrentner und die eigene wirtschaftliche Interessenlage objektiv betrachtet und gegeneinander abwägt.

61

Dabei müssen die wirtschaftlichen Gründe, auf die die Arbeitgeberin ihre Entscheidung, die grundsätzlich vorgesehene Erhöhung der Betriebsrenten nicht weiter geben zu wollen, stützt, nicht die Anforderungen von § 16 BetrAVG erfüllen. Denn es geht nicht um die gesetzlich vorgesehene Betriebsrentenanpassung. Der systematische Zusammenhang zwischen dem Grundsatz in § 6 Ziff. 1 und der Ausnahme in § 6 Ziff. 4 VO 85 verdeutlicht aber eine Wechselbeziehung zwischen der in Ziffer 1 vorgesehenen Anpassung gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten, für den sich die Tarifparteien entschieden haben, und der Finanzierbarkeit einer solchen Anpassung. Wenn diese Finanzierbarkeit, entgegen der insoweit bei Inkrafttreten des Betrieblichen Versorgungswerks zur Verfügung gestellten und grundsätzlich versprochenen Finanzmittel, nicht für gegeben erachtet wird, darf eine andere Vorgehensweise beschlossen werden. Da es somit um die Frage der Finanzierbarkeit der Anpassung der Betriebsrenten geht, müssen entsprechende finanzielle Gründe im Rahmen der Entscheidung nach § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85 berücksichtigt und angeführt werden. Anderenfalls wäre die Regel-Ausnahme-Vorschrift in sich nicht schlüssig.

62

Des Weiteren kann der Inhalt von § 1 Ziff. 3 VO 85 berücksichtigt werden. Hiernach hat sich die Beklagte vorbehalten, die Versorgungsleistungen zu kürzen oder einzustellen, allerdings nur „wenn die bei Erteilung der Zusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, daß den B.-Unternehmen die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.“ Zwar geht es vorliegend nicht um eine Kürzung oder Einstellung der Betriebsrenten selbst, sondern um die Reduzierung der grundsätzlich vorgesehenen Anpassung der Betriebsrenten. Aus § 1 Abs. 3 VO 85 geht aber der Wille der Tarifvertragsparteien hiervor, dass eine Abänderung der zugesagten Leistungen nur in Betracht kommt, wenn sich im Rahmen einer Interessenabwägung ergibt, dass dies der Beklagten – unter objektiver Beachtung der Belange der Betriebsrentner – nicht mehr zugemutet werden kann. Diesen Willen auf die nach § 6 Ziff. 1 VO 85 grundsätzlich vorgesehene Erhöhung der Renten gemäß dem gesetzlichen Rentensteigerungssatz übertragen bedeutet, dass sie dann unterbleiben oder reduziert werden kann, wenn dies der Beklagten nicht (mehr) zugemutet werden kann. Eine Beschränkung des in § 1 Ziff. 3 VO 85 enthaltenen Vorbehalts allein auf eine Kürzung oder Einstellung der Renten an sich ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Es gilt auch für die zugesagten Anpassungen, dass auf diese ein Rechtsanspruch besteht (§ 1 Ziff. 3 S. 1 VO 85). Zudem fallen unter den Begriff „zugesagte Leistungen“ in § 1 Ziff. 3 S. 2 VO 85 auch die zugesagten Anpassungsbestimmungen, d.h. § 6 Ziff. 1 VO 85. Unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes, dass es um das Bereitstellen finanzieller Mittel für die Rentenanpassung geht, ergibt sich sodann, dass von einer Unzumutbarkeit dann auszugehen ist, wenn die Beklagte die grundsätzlich tariflich zugesagte Erhöhung der Renten aus finanziellen Gründen nicht (mehr) verantworten kann. Welches Gewicht diese finanziellen Gründe wiederum haben müssen, ist davon abhängig, wie schwerwiegend der Eingriff in die Anpassungsregelung nach § 6 Ziff. 1 VO ist, d.h. in welchem Umfang die Rentenerhöhung nicht weiter gegeben wird und welche Auswirkungen dies für die Betriebsrenten hat.

63

Auch der Zweck der Norm spricht dafür, einen Eingriff in den Anpassungsgrundsatz nur dann zuzulassen, wenn die Finanzierbarkeit der Rentensteigerung in Frage steht. Dabei folgt der Zweck der Norm aus dem Zusammenhang der Bestimmungen in § 6 Ziff. 1 und § 6 Ziff. 4 VO 85: grundsätzlich entsprach es dem Willen der Tarifparteien, die Betriebsrenten im Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten zu erhöhen mit dem Ziel, die betrieblichen Renten einer Dynamisierung im Gleichlauf mit den gesetzlichen Rentensteigerungen zu unterwerfen, um so den Lebensstandard halten zu können und die Betriebsrenten vor einer Auszehrung zu schützen. Dabei wurde als sachgerechter Maßstab die Entscheidung des Gesetzgebers gesehen und akzeptiert, ob und in welchem Umfang die gesetzlichen Renten jährlich steigen. Soll dieses Ziel im Regelfall auch erreicht werden, so sind für eine Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrenten geringer (oder gar nicht) steigen zu lassen als die gesetzlichen Renten, höhere Anforderungen zu stellen als allein das Vorliegen eines willkürfreien, sachlichen, nachvollziehbaren Grundes. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Betriebsrentner ihre Gegenleistung für die zugesagten Betriebsrenten bereits erbracht haben und dass die Betriebsrenten insbesondere ab dem Zeitpunkt des Versorgungsfalls einen besonderen Schutz genießen, weil die Betriebsrentner selbst nicht mehr für einen anderweitigen Ausgleich von Versorgungslücken sorgen können (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; 26.10.2010, 3 AZR 711/08; zit. nach juris).

64

Schließlich kann im Hinblick auf die Anforderungen, die an den sachlichen Grund für eine Abweichung vom Anpassungsgrundsatz zu stellen sind, auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Eingriffen in Betriebsrentenansprüche zurückgegriffen werden (sog. Drei-Stufen-Modell, vgl. grundlegend BAG, 17.4.1985, 3 AZR 72/83; zit. nach juris). Zwar geht es vorliegend nicht um einen klassischen Eingriff in Versorgungsanwartschaften oder in Renten-Dynamiken. Ebenso geht es nicht um einen Eingriff in Anpassungsregelungen, da der Anpassungsvorbehalt von vornherein der Bestimmung in § 6 Ziff. 4 VO 85 inne wohnte. Aber es geht um ein Abweichen der grundsätzlich zugesagten Erhöhung der Betriebsrenten gemäß der Steigerungsrate der gesetzlichen Renten (§ 6 Ziff. 1 VO 85). Das rechtfertigt es bei der Prüfung des die Entscheidung der Arbeitgeberin rechtfertigenden Grundes, jedenfalls die hinter der vorgenannten Rechtsprechung stehenden Grundsätze auch vorliegend zur Anwendung gelangen zu lassen, nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie den Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. die Rechtsprechung des BAG zu Eingriffen in Anpassungsregelungen, z.B. BAG, 18.9.2012, 3 AZR 431/10; 9.11.1999, 3 AZR 432/98; zit. nach juris). Dabei erscheint es vorliegend allerdings nicht ausreichend, einen irgendwie nachvollziehbaren, willkürfreien, sachlichen Grund für das Abweichen vom Anpassungsgrundsatz genügen zu lassen. Zwar ist der Beklagten Recht darin zu geben, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dies für Eingriffe in Anpassungsregelungen dann genügen lässt, wenn ein geringfügiger Eingriff gegeben ist (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; zit. nach juris). Ebenso mag hier ein geringfügiger Eingriff vorliegen, weil die Kaufkraft der Renten durch den Ausgleich der Inflationsrate gewahrt blieb und die Rentner insoweit keinen Anlass gehabt hätten, anderweitig eine Versorgungslücke zu schließen (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; zit. nach juris). Allerdings ist zu beachten, dass es eben nicht um einen Eingriff in eine Anpassungsregelung geht, welchen die Normgeber – hier die Tarifparteien – gemeinsam vorgenommen haben. Sondern es geht um ein von vornherein vorgesehenes einseitiges Recht der Arbeitgeberin, in den gemeinsam aufgestellten Anpassungsgrundsatz im Ausnahmefall eingreifen zu dürfen. Da in einem solchen Fall die Arbeitgeberin allein entscheiden darf und zudem eine Ausnahmebestimmung vorliegt, sind die Entscheidungsgrenzen eng zu ziehen, um den gemeinsamen Willen der Tarifparteien, grundsätzlich sei die gesetzliche Rentensteigerung an die Betriebsrentner weiter zu geben, nicht leer laufen zu lassen. Das spricht dafür, nicht jeden willkürfreien, sachlichen Grund genügen zu lassen, sondern die Ausnahme auf wirtschaftliche Gründe zu beschränken, d.h. vorliegend finanzielle Gründe von der Beklagten zu fordern, die den Eingriff in den Anpassungsgrundsatz rechtfertigen müssen.

65

Soweit die Beklagte einwendet, dies habe keinen Niederschlag im Wortlaut des Tarifvertrags gefunden, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist dieses Ergebnis die Folge der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Insoweit kann das Fordern wirtschaftlicher Gründe in die Formulierung „nicht für vertretbar halten“ – auch aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 6 Ziff. 1 zu § 6 Ziff. 4 – hineingelesen werden. Zum anderen kann auf § 1 Ziff. 3 VO 85 verwiesen werden, wo auf die bei Erteilung der tariflichen Ansprüche maßgebenden Verhältnisse und deren Veränderungen abgestellt wird, wozu auf Beklagtenseite entsprechende wirtschaftliche Verhältnisse gehören, d.h. hinreichende finanzielle Mittel, um die zugesagten betrieblichen Altersversorgungsleistungen auch erfüllen zu können.

66

Zudem kann in diesem Zusammenhang die Entstehung der Norm berücksichtigt werden. Die tarifliche Regelung war Folge dessen, dass die Versorgungskasse, die Bestandteil des Betrieblichen Versorgungswerks (BVW) war bzw. ist, zum 1.4.1985 für neue Mitarbeiter geschlossen wurde. Mit der VO 85 wurde eine neue betriebliche Altersversorgung aufgestellt für die ab dem 1.4.1985 neu eingetretenen Mitarbeiter. Die Regelungen der VO 85 lehnen sich jedoch unstreitig an die Regelungen des Betrieblichen Versorgungswerks an. Zudem sind die Anpassungsbestimmungen nahezu wortidentisch. Es heißt lediglich statt „Gesamtversorgung“ (so im BVW) „Renten“ (so in der VO 85). Ferner lautet die Überschrift anders: „Anpassung der Renten“ in der VO 85 - „Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ im BVW. Da ansonsten keine inhaltliche Veränderung im Gegensatz zur Vorgängerregelung im Betrieblichen Versorgungswerk erfolgt ist, ist anzunehmen, dass die Anpassung der Betriebsrenten im Gleichlauf vorgenommen werden sollten. D.h.: grundsätzlich gemäß dem gesetzlichen Rentensteigerungssatz und nur im Ausnahmefall in anderem Umfang. Indem § 6 Ausführungsbestimmungen BVW in der Überschrift auf„veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“ rekurriert, hatte dort die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gründe auf Seiten der Beklagten im Wortlaut der Norm einen Niederschlag gefunden.

67

Insgesamt führen die vorstehenden Erwägungen demnach zu dem Ergebnis, dass der Begriff „nicht für vertretbar hält“ auslegungsfähig ist und der Regelung so ein hinreichend bestimmter Inhalt zugeführt werden kann: Es hat eine Interessenabwägung zu erfolgen, die auf wirtschaftlich veränderte Verhältnisse abzustellen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen hat, den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts beachten muss und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes zu wahren hat. Das Gewicht des sachlichen Grundes, der auf Beklagtenseite finanzielle Aspekte zu beinhalten hat, hängt davon ab, wie stark im konkreten Fall in die nach § 6 Ziff. 1 grundsätzlich vorgesehene Steigerung eingegriffen wird (vgl. die Rechtsprechung des BAG zu Eingriffen in Anpassungsregelungen, z.B. BAG, 18.9.2012, 3 AZR 431/10; 9.11.1999, 3 AZR 432/98; zit. nach juris). Dieses Auslegungsergebnis führt zu einer pragmatischen, handhabbaren und interessengerechten Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung von § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt aber nicht jedweder willkürfreier, sachlich nachvollziehbarer Grund.

68

bbb)
Die Bestimmung in § 6 Ziff. 4, 2. Hs. VO 85 auf der Rechtsfolgenebene ist ebenfalls auslegungsfähig und hinreichend bestimmt. Hiernach darf der Vorstand vorschlagen (und mit dem Aufsichtsrat entscheiden), „was geschehen soll“. Insoweit greift die gesetzliche Regelung von § 315 BGB eingreift: die Beklagte hat ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und darf nach billigem Ermessen entscheiden, in welcher Höhe die Anpassung erfolgen soll.

69

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG, 30.8.2016, 3 AZR 272/15; 10.7.2013, 10 AZR 915/12; zit. nach juris). Da es vorliegend um die Anpassung von betrieblichen Versorgungsleistungen geht, haben in die Entscheidung nach billigem Ermessen die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Veränderungen von Versorgungszusagen einzufließen. Das bedeutet hier, da es um einen Anpassungsvorbehalt in Bezug auf eine grundsätzlich zugesagte Erhöhung der Betriebsrenten gemäß dem gesetzlichen Rentensteigerungssatz geht, dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu wahren sind (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; zit. nach juris).

70

ccc)
Ausgehend von dem zuvor unter 2. b) aa) aaa) dargestellten Verständnis von § 6 Ziff. 4 1. Hs. VO 85 zeigt sich, dass die Entscheidung der Beklagten, die Renten jeweils nur um 0,5 % zu erhöhen, unwirksam ist, weil kein hinreichender sachlicher Grund für die von § 6 Ziff. 1 VO 85 abweichende Anpassungsentscheidung (zuungunsten der klagenden Partei) vorliegt. Ihre Entscheidung in den Beschlüssen vom 2. September/9. November 2015 und vom 14./24. Juni 2016 genügt nicht den tatbestandlichen Anforderungen von § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85.

71

Wie ausgeführt, ist § 6 Ziff. 4, 1. Hs VO 85 bei der Frage, ob von der Anpassungsautomatik nach § 6 Ziff. 1 VO 85 abgewichen werden darf, dahingehend zu verstehen, dass eine Interessenabwägung zu erfolgen hat. Diese hat auf wirtschaftlich veränderte Verhältnisse auf Beklagtenseite abzustellen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen, muss dem Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts gerecht werden und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes wahren. Das Gewicht des sachlichen Grundes, der auf Beklagtenseite wirtschaftliche Aspekte zu beinhalten hat, hängt davon ab, wie stark im konkreten Fall in die nach § 6 Ziff. 1 VO 85 grundsätzlich vorgesehene Steigerung eingegriffen wird.

72

Mit der Entscheidung, die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen, hat die Beklagte im Jahr 2015 lediglich etwa ein Viertel der vorgesehenen Erhöhung weiter gegeben, im Jahr 2016 sogar nur etwas mehr als 1/10 (11,8 %). Im Hinblick auf die grundsätzlich zugesagten Erhöhungen stellt dies ein erhebliches Abweichen von der nach § 6 Ziff. 1 VO 85 vorgesehenen Anpassung dar. Beachtet man allerdings, dass aufgrund des Inflationsausgleichs – zumindest für das Jahr 2015 – jedenfalls die Kaufkraft gewahrt wurde, mag sich der Eingriff etwas relativieren.

73

Dennoch genügen die von der Beklagten angeführten Gründe nicht der Entscheidung, von der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85 Gebrauch zu machen und die grundsätzlich vorgesehene Rentenanpassung nicht weiter zu geben, sondern jeweils eine nur – vor allem im Jahr 2016 – deutlich geringere Steigerung vorzunehmen. Zur Begründung führt die Beklagte letztlich das sog. S.-Konzept an, das sie aufgrund der Marktbedingungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen beschlossen hatte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und ihr Unternehmen zukunftsfähig auszurichten. Ausdrücklich hat die Beklagte nicht auf ihre wirtschaftliche, sprich finanzielle Leistungsfähigkeit abgestellt, sondern auf ein Reorganisations- und Umstrukturierungsprogramm des Gesamtkonzerns zur Gewinnsteigerung und Stärkung ihrer Marktposition. Wie dargelegt, müssen bei Nichtweitergabe der grundsätzlich in § 6 Ziff. 1 VO 85 vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrenten zur Rechtfertigung allerdings finanzielle Gründe auf Beklagtenseite angeführt werden. Der Wunsch nach Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, nach Stärkung der Marktposition und zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns bzw. Unternehmens der Beklagten genügt vorliegend nicht, auch wenn insoweit eine willkürfreie Entscheidung gegeben ist, die aus unternehmerischer Sicht sachlich nachvollziehbar ist. Sie entspricht aber nicht der Grundentscheidung der Tarifpartner, die Betriebsrenten im Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten zu erhöhen, es sei denn, dies ist ausnahmsweise nicht zu vertreten und zwar – wie dargestellt – aus wirtschaftlichen, d.h. finanziellen Gründen. Finanziell gesehen wäre die Beklagte jedoch – soweit erkennbar – durchaus in der Lage, die Renten wie in § 6 Ziff. 1 VO 85 vorgesehen anzupassen. Dabei ist auch zu beachten, dass zum einen die aktiven Mitarbeiter keine finanziellen Nachteile bzw. Einschnitte hinzunehmen hatten (mit Ausnahme der außertariflichen Mitarbeiter, die im Jahr 2016 keine Gehaltssteigerung erhielten) und dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen wurden oder konkret geplant sind. Ferner hat der Konzern im Jahr 2015 so viel verdient, wie seit 8 Jahren nicht mehr, ohne dass erkennbar ist, dass dies im Wesentlichen auf das Restrukturierungskonzept und vor allem die eingesparten Rentenerhöhungen zurückzuführen ist. Zudem wurden im Jahr 2015 die Dividenden erhöht. Welches Gewicht die wirtschaftlichen Gründe zur Rechtfertigung eines Eingriffs in den Anpassungsgrundsatz nach § 6 Ziff. 1 VO 85 im Ergebnis haben müssen, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, da die Beklagte keine finanziellen Gründe angeführt und auch kein konkretes Zahlenmaterial dargelegt hat, aus denen erkennbar wäre, ob und vor allem in welchem Umfang sich die Rentenanpassungen nach § 6 Abs. 1 VO 85 zu ihren Lasten ausgewirkt hätte.

74

Die übrigen angeführten Gründe, die letztlich zum S.-Konzept geführt haben, stellen ebenfalls keine ausreichenden Sachgründe im Sinne von § 6 Ziff. 4, 1. Hs. VO 85 dar. Zum einen ist der Vortrag der Beklagten an dieser Stelle sehr allgemein gehalten, z.B. soweit es um Lebenserwartungen, niedriges Zinsniveau, steigende Kundenanforderungen, vertriebliche Herausforderungen im Branchenumfeld, geringste Überschussbeteiligung in der Versicherungsbranche, etc. geht. Zum anderen sind konkrete Auswirkungen in finanzieller Hinsicht auch insoweit nicht dargelegt, d.h. wie diese Umstände die Beklagte wirtschaftlich belasten und dass und warum aus finanziellen Gründen daher die nach § 6 Ziff. 1 VO 85 vorgesehene Rentenerhöhungen nicht vertretbar sind. Zu erwartende Gewinneinbrüche oder gar Verluste sind nicht dargestellt. Außerdem stützt die Beklagte – wie mehrfach erwähnt – ihre Entscheidung ausdrücklich nicht auf ihre aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern auf das schwierige Marktumfeld und die aus ihrer Sicht notwendige zukünftige Neuausrichtung des Konzerns bzw. ihres Unternehmens, wozu auch die Rentner ihren Beitrag leisten sollten. Soweit auf das hohe Versorgungsniveau der Mitarbeiter des ehemaligen B.Unternehmen abgestellt wird, ist es zwar richtig, dass die Vereinheitlichung verschiedener in einem Unternehmen zur Anwendung kommenden Versorgungsordnungen ein Kriterium für die Veränderung solcher Versorgungsordnungen sein kann. Allerdings hat die Beklagte keine solche Anpassung vorgenommen, denn die Versorgungsordnung an sich blieb unberührt.

75

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend eine konzernweite Entscheidung getroffen und dargestellt wurde unabhängig von den (wirtschaftlichen) Verhältnissen der einzelnen Unternehmen und damit auch unabhängig von der konkreten Lage der Beklagten. Eine Interessenabwägung hat aber grundsätzlich die konkrete Lage der Beteiligten zu berücksichtigen, hier also auf Arbeitgeberseite die der Beklagten. Eine dementsprechende Abwägung hat aber offensichtlich nicht stattgefunden.

bb)

76

Ob die Entscheidung auch auf der Rechtsfolgenebene von § 6 Ziff. 4 VO 95, wonach der Vorstand vorschlagen (und mit dem Aufsichtsrat entscheiden) darf, „was geschehen soll“, unwirksam ist, weil billiges Ermessen im Sinne von § 315 BGB nicht gewahrt wurde, kann aufgrund des vorstehenden Ergebnisses dahinstehen.

cc)

77

Damit steht fest, dass der klagenden Partei die geltend gemachten und in der Höhe unstreitigen monatlichen Differenzbeträge (ab dem 1.7.2015 monatlich € 48,46 brutto, ab dem 1.7.2016 monatlich € 167,87 brutto) zustehen und von der Beklagten zu zahlen sind.

c)

78

Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge ist zum letzten Tag des Monats fällig. Mit Ablauf dieses Tages befand sich die Beklagte mit der Zahlung der monatlichen Differenz in Verzug. Da aber bezüglich der anders lautenden Zinsentscheidung des Arbeitsgerichts keine Anschlussberufung eingelegt worden bzw. die Klage insoweit sogar zurückgenommen worden ist, verbleibt es insoweit bei der Entscheidung der ersten Instanz.

III.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92, Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3, S. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Da die geringfügige Klagrücknahme kostenmäßig ohne jegliche Auswirkungen war, waren die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Beklagten aufzuerlegen.

80

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und der Vielzahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 2016 (7 Ca 212/16) teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 329,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils € 36,65 brutto seit dem 1.8.2015, 1.9.2015, 1.10.2015, 1.11.2015, 1.12. 2015, 1.1.2016, 1.2.2016, 1.3.2016 und 1.4.2016 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1.4.2016 monatlich € 36,65 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag jeweils ab dem 01. des Folgemonats zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf höhere Rentenanpassung.

2

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen A.-Konzern eingebunden ist.

3

Der Kläger war bis zum 31.12.2008 bei der B. AG beschäftigt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Das Arbeitsverhältnis begann vor dem 31.03.1985. Er bezieht seit dem 01.01.2009 betriebliche Versorgungsleistungen durch die Beklagte.

4

Die B. errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als „Betriebliches Versorgungswerk“ (kurz: BVW) bezeichnet wird.

5

Unter dem 8. Juli 1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die B. AG die Betriebsvereinbarung „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (Anl. K1 – i.d.F. vom 19.4.2002, Bl. 7 ff d.A.). Diese Betriebsvereinbarung gliedert sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen.

6

Die als Gesamtversorgungsbezüge bezeichnete Leistung (vgl. §§ 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen, im Folgenden: AusfBest BVW) ergibt sich daraus, dass zunächst ein bestimmtes Versorgungsniveau ermittelt wird (vgl. hierzu § 4 der AusfBest BVW). Sodann wird unter Berücksichtigung der in § 5 der Ausführungsbestimmungen genannten Leistungen (im Wesentlichen gesetzliche Rentenleistungen und Rentenleistungen einer konzerneigenen Versorgungskasse) bestimmt, ob das Versorgungsniveau erreicht wird. Ergibt sich eine Differenz, wird diese mittels der Betriebsrente, auch als Pensionsergänzungsrente bezeichnet, ausgeglichen (vgl. § 5 AusfBest BVW). Auf den Abrechnungen werden die Leistungen der konzerneigenen Versorgungskasse als „V1-Altersrente“ und die Pensionsergänzungsrente als „V2-Rente“ bezeichnet.

7

Bis zum 30. Juni 2015 erhielt die klagende Partei, die aus dem Betrieblichen Versorgungswerk unstreitig anspruchsberechtigt ist, monatlich eine V1-Altersrente in Höhe von € 1.069,94 und eine V2-Rente in Höhe von € 883,78 (vgl. Anl. K 4, Bl. 38 d.A.).

8

Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge ist in § 6 der AusfBest BVW wie folgt geregelt:

9

„§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

10

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (…)

11

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

12

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

13

Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.

14

4. Eine Erhöhung der Pensionsergänzungszahlung kann im Einzelfall nicht durchgeführt werden, soweit und solange die nach § 5 der Ausführungsbestimmungen anzurechnenden Bezüge und die nach § 4 der Ausführungsbestimmungen. vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge, erreichen oder überschreiten.

15

Betriebsangehörige, die ein Pensionsergänzung zu den Leistungen der Versorgungskasse zunächst nicht bekommen haben, weil ihre anzurechnenden Bezüge die vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge erreichen oder überschreiten, erhalten gegebenenfalls bei Veränderung nach der Ziffer 1 oder 3 später eine Pensionsergänzung allein durch das in der Ziffer 1 oder 3 dargestellte Verfahren.“

16

Parallel zu der in § 6 der AusfBest BVW geregelten Anpassung erfolgt alle drei Jahre eine Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG. Diese Anpassung erfolgt nicht zusätzlich, sondern die Anpassungshöhe richtet sich nach dem jeweils höheren Steigerungssatz.

17

Vorliegend streiten die Parteien nicht um eine Anpassung nach § 16 BetrAVG, die ordnungsgemäß zum 1. Juli 2015 erfolgt ist, sondern um eine Anpassung gemäß § 6 der AusfBest BVW.

18

Zum 1.07.2015 erhöhten sich die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 %. Die Beklagte erhöhte allerdings nur die Pensionsergänzungszahlung des Klägers und diese wiederum nur um 0,5 %.

19

Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten hatten beschlossen, je nachdem, was für den jeweiligen Ruhegeldempfänger günstiger war, entweder die Gesamtversorgung um 0,5 % zu erhöhen (und sodann die gesetzlich – erhöhte – Rente sowie die V2-Rente abgezogen, um den neuen Betrag der Pensionsergänzung zu berechnen) oder nur die Pensionsergänzung um 0,5 % zu erhöhen. Da Letzteres für die klagende Partei – wie letztlich für alle aus dem Betrieblichen Versorgungswerk berechtigten Betriebsrentner – die günstigere Regelung darstellte, wurde ihre Pensionsergänzungsrente um 0,5 % erhöht.

20

Beginnend mit dem 1. Juli 2015 zahlte die Beklagte an die klagende Partei eine um 0,5 % erhöhte Pensionsergänzungsrente in Höhe von € 888,20 brutto zzgl. der unveränderten V1-Altersrente (vgl. Abrechnung 11/15, Anl. K5, Bl. 39 d. A.).

21

Mit der am 22. April 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Zahlungsklage hat die klagende Partei die Differenz zwischen der bereits gewährten Rentenanpassung und der nach § 6 Ziffer 1 der AusfBestg BVW zu gewährenden Rentenanpassung zum 1. Juli 2015 begehrt.

22

Die klagende Partei hat vorgetragen, dass die Beklagte zum 1. Juli 2015 die Gesamtversorgungsbezüge um 2,0972% hätte anheben müssen. Dieser Anspruch folge aus § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW, wonach die Gesamtversorgung grundsätzlich entsprechend dem Steigerungssatz der gesetzlichen Rente anzuheben sei. Danach stünde ihr ein Anspruch auf Zahlung von monatlichen Gesamtversorgungsbezügen in Höhe von € 1.999,21 (V1-Altersrente + Pensionsergänzungsrente + 2,0972%) zu. Aufgrund der Erhöhung der Beklagten zum 1.07.2015 ergebe sich eine monatliche Differenz von € 36,65. Die Regelung in § 6 Ziffer 3 AusfBestg BVW, auf die die Beklagte ihre Anpassung um 0,5% stütze, sei unwirksam; zumindest aber seien deren Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Regelung in § 6 Ziffer 3 AusfBestg BVW sei unwirksam, da sie der Arbeitgeberin das Recht einräume, den Anspruch auf Steigerung der Gesamtversorgungsbezüge einseitig zu beseitigen, wobei die Regelung keine konkreten Angaben mache, unter welchen Bedingungen der Arbeitgeberin dieses Recht zustehe. Auch bliebe unklar, welche Folgen eintreten sollten, sollte der Vorstand eine Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge für nicht vertretbar erachten. Außerdem sei zu beachten, dass das Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verletzt sei. Dieses sei auch bei der Erhöhung der Versorgungsleistungen gegeben, was wiederum die Regelung des BVW nicht beachte, da der Konzernbetriebsrat hiernach nur ein Anhörungsrecht habe. Außerdem enthalte die Regelung einen unzulässigen Verzicht des Gesamtbetriebsrates auf das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Selbst wenn aber die Regelung in § 6 Ziffer 3 wirksam sei, hätte die Beklagte die Voraussetzungen nicht gewahrt. Zum einen sei der Gesamtbetriebsrat/Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG beteiligt worden. Zum anderen sei billiges Ermessen nicht gewahrt. Die Beklagte habe nur aus wirtschaftlichen Gründen in den Grundsatz nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW eingreifen dürfen, die eine Gefahr für das wirtschaftliche Fortbestehen der Beklagte darstellten. Solche seien nicht gegeben.

23

Die klagende Partei hat beantragt,

24

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Anpassung der Betriebsrente für die Monate Juli 2015 bis März 2016 den Differenzbetrag von € 329,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB

25

- aus € 36,65 brutto seit dem 01.08.2015;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.09.2015;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.10.2015;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.11.2015;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.12.2015;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.01.2016;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.02.2016;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.03.2016;
- aus € 36,65 brutto seit dem 01.04.2016

26

zu bezahlen.

27

2. die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger als Anpassung der Betriebsrente den Differenzbetrag in Höhe von 36,65 € brutto monatlich ab dem 01.04.2016 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB jeweils zum 01. des Folgemonats zu bezahlen.

28

Die Beklagte hat beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Die Beklagte hat vorgetragen, über die bereits erfolgte Erhöhung der Versorgungsbezüge um 0,5 % hinaus bestehe kein Anspruch. Weder begründe § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW einen automatischen Anpassungsanspruch noch unterliege ihre Ermessensentscheidung gem. § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW einer Billigkeitskontrolle. Eine automatische Erhöhung der Versorgungsbezüge in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente sei nicht vorgesehen, vielmehr sei in jedem Fall eine Prüfung und Entscheidung des Vorstands zur Anpassung der Versorgungsbezüge erforderlich. Je nachdem, zu welchem Ergebnis der Vorstand aufgrund seiner Anpassungsprüfung gelange, könne er die Anpassungsentscheidung entweder allein treffen, nämlich dann, wenn er zu dem Ergebnis komme, dass er die Anpassung der Versorgungsbezüge entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rentenversicherung für vertretbar halte. Anderenfalls müsse er zusätzlich den Betriebsrat anhören und einen Aufsichtsratsbeschluss herbeiführen, wenn er eine andere Anpassungsentscheidung treffen wolle, weil er eine Anpassung der Versorgungsbezüge entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente für nicht vertretbar halte. Das ergebe die Auslegung von § 6 AusfBestg BVW. Im Ergebnis räume § 6 AusfBestg BVW der Beklagten ein Leistungsbestimmungsrecht ein. Hiernach habe sie die Anpassung auf 0,5 % festlegen können. Die Regelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW sei auch nicht unwirksam. Eine Kontrolle nach §§ 305 ff BGB scheide aus. Ebenso liege keine Unwirksamkeit nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung vor. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht verletzt. Die vorgenommene Entscheidung der Beklagten an sich sei ermessensfehlerfrei ergangen. Sie habe billiges Ermessen gewahrt und die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW für nicht vertretbar halten dürfen. Es habe ein ausreichender Anlass bestanden. Zu verweisen sei unter anderem auf folgende Aspekte, die für eine reduzierte Rentenanpassung sprächen: ein schwieriges ökonomisches Umfeld durch langanhaltende Niedrigzinsen, demografische Trends und kulturelle Umbrüche (z.B. Digitalisierung, Langlebigkeitsrisiko); ein abschwächendes Wachstum im Versicherungsmarkt in 2015; steigende Anforderungen zur Regulierung (Kapitalisierungsanforderungen durch Solvency II, Umsetzung Lebensversicherungsreformgesetz); steigende Kundenanforderungen (hohe Preissensitivität, sinkende Loyalität). Diese Rahmenbedingungen hätten den Konzern zu einer neuen Strategie veranlasst (S.-Konzept), in deren Umsetzung u.a. Personalkosten eingespart werden sollen und aufgrund dessen die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten müssten. Entsprechend sei es angemessen, dass auch die Rentner einen Beitrag leisteten. Außerdem erhielten Rentner anderer Versorgungssysteme im Konzern aufgrund des niedrigen Anstiegs des Verbraucherpreisindexes (auf Basis des § 16 BetrAVG) eine deutlich niedrigere Anpassung als nach dem Anstieg der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Versorgungsniveau der Rentner des BVW und Betriebsvereinbarung „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ sei zudem bereits überdurchschnittlich hoch. Der Beschluss der Beklagten vom 9. Oktober 2015 sei ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere seien die Formalien gewahrt. Der Gesamtbetriebsrat sowie die Betriebsräte im Konzern seien ordnungsgemäß durch Anhörung beteiligt worden. So sei insbesondere der Betriebsrat der Beklagten mit Schreiben vom 15. Juni 2015 angehört worden. Der Vorstand und der Aufsichtsrat hätten nach Abwägung der beteiligten Interessen den Beschluss gefasst, eine Anpassung nur in Höhe von 0,5% vorzunehmen. Hierbei seien auch die Stellungnahmen der Betriebsräte mit eingeflossen. Auch sei der Beschluss nicht verfristet, da § 6 Ziff. 2 AusfBestg BVW insoweit keinen festen Stichtag vorsehe, bis wann ein Beschluss nach § 6 Ziff. 3 vorliegen müsse.

31

Mit Urteil vom 15. September 2016 hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend (mit Ausnahme des Zinsbeginns) stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der klagenden Partei der geltend gemachte Anspruch zustehe. Die Beklagte könne sich nicht auf § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW berufen. Selbst wenn diese Regelung wirksam sei, seien deren Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sich die Entscheidung der Beklagten als unbillig erweise. Die Beklagte habe nämlich nicht vorgetragen, wie sich die dargelegten erschwerten Rahmenbedingungen auf ihre gegenwärtige oder zukünftige Ertragskraft durchschlagen würden. Es fehle an konkretem Vortrag hierzu. Auch der Vergleich mit der aktiven Belegschaft trage nicht, ebenso nicht der Vergleich mit Versorgungsempfängern anderer Versorgungssysteme. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Oktober 2016 verwiesen (Bl. 217 ff d.A.).

32

Das Urteil ist der Beklagten am 20. Oktober 2016 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 18. November 2016 Berufung eingelegt und ihre Berufung mit Schriftsatz vom 20. Februar 2017, am selben Tag vorab per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründet nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20. Februar 2017. Die Berufungsbegründung ist der klagenden Partei am 6. März 2017 zugestellt worden. Sie hat mit Schriftsatz vom 27. April 2017 Anschlussberufung eingelegt, am selben Tag vorab beim Landesarbeitsgericht eingegangen, nach Verlängerung der Erwiderungsfrist bis zum 27. April 2017.

33

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Ihre Entscheidung zur Rentenanpassung im Jahr 2015 sei von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW gedeckt. Die Anpassungsentscheidung sei auch nicht unbillig. Grundlage der Beschlussfassung von Vorstand und Aufsichtsrat seien die widrigen Rahmenbedingungen und der Druck am Markt gewesen, welche wegen der konkreten Auswirkungen erhebliche Spar- und Personalreduzierungsprogramme mit sich gebracht hätten, so insbesondere das sog. „S.-Konzept“ mit weiteren begleitenden Maßnahmen, was sich bei der Beklagten in der Umsetzung befände. Die geringeren Rentenanpassungen seien Teil eines umfassenden Einsparkonzeptes, um sicherzustellen, dass der A.-Konzern auch in Zukunft am Markt mit Gewinnen bestehen könne. Das schwierige Marktumfeld werde maßgeblich durch die niedrigen Zinsen (Leitzins von 0% bzw. 0,05 %) und die niedrige Inflation (0,3 % im Juni 2015) bestimmt. Auch der Verbraucherpreisindex habe sich von Juni 2014 bis Juni 2015 nur von 106,7 auf 107 erhöht. Mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise werde es für Versicherer immer schwieriger, das Geld der Kunden lukrativ anzulegen. Das unverändert niedrige Zinsniveau stelle eine erhebliche Belastung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns und damit auch der Beklagten dar. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Anpassungsprüfung zum 1. Juli 2015 davon ausgegangen, dass sich das Wachstum im Versicherungsmarkt 2015 abschwächen werde und gehe im Euroraum weiter von einer nur schwachen konjunkturellen Entwicklung aus (vgl. Anl. B 9, Bl. 137 d.A.). Größere Risiken ergäben sich zudem aus der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung. Zudem seien signifikant gestiegene Kundenanforderungen zu verzeichnen, v.a. die angestiegene Preissensitivität bei sinkender Loyalität. Weitere Risikopotentiale seien aus den vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld entstanden, die letztlich die Folge der Finanzmarktkrise seien. Wettbewerber würden Kostensenkungs- und Automatisierungsprogramme forcieren und variable Produktmodelle ohne feste Garantien. Ferner sei die Komplexität der Lebensversicherung durch das Mitte 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) weiter gesteigert worden, und es sei der für Lebensversicherungsprodukte erforderliche finanzielle Aufwand deutlich erhöht worden. Die Umsetzung des LVRG habe zu erheblichen Produktänderungen im gesamten Konzern und zu einer Veränderung der Provisionsregelungen geführt. Der Aufwand der Versicherungsunternehmen für die Vergütung der Vermittler habe sich spürbar erhöht, was der Gesetzgeber auch so bezweckt habe (Anl. B 18, Bl. 382 d.A.). Des Weiteren verschlechtere Solvency II die Rahmenbedingungen. Die Versicherer müssten hiernach über so viel Kapital verfügen, dass sie selbst Negativergebnisse verkraften könnten, die statistisch gesehen nur einmal in 200 Jahren aufträten. Es müsse ein nicht unerheblicher Rückgang der Eigenmittel verkraftbar sein, um die Leistungen an die Versicherungsnehmer auch bei Eintritt sehr unwahrscheinlicher Risiken sicher zu stellen. Somit hätte zum 1. Januar 2016 mit der Umsetzung von Solvency II in nationales Recht die Notwendigkeit bestanden, eine risiko- bzw. marktwertorientierte Bewertung ihrer Kapitalanlagen und Leistungsverpflichtungen vorzunehmen. Zudem seien weitgehende Anforderungen an die Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen gestellt und die Berichtspflichten von Versicherern erweitert worden. All diese Umsetzungen hätten einen finanziellen Aufwand durch den Konzern und damit auch durch die Beklagte gekostet. Das negative Marktumfeld habe konkrete negative Folgen gehabt. So habe der Konzern u.a. eine sog. Zinszusatzreserve bilden müssen. Es sei eine Reserve von etwa 2 Milliarden Euro aufgebaut worden. Allein 2016 habe dieser Posten um ca. 620 Millionen Euro aufgefüllt werden müssen, und es sei mit steigenden Entwicklungen zu rechnen (Anl. B 20, Bl. 385 d.A.). Die Möglichkeit der Gewinnerzielung durch Kapitalanlagen falle aufgrund der Niedrigzinsphase praktisch weg. Als Folge des Marktdrucks sei es konzernweit zu einem Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. 2016 hätten im Konzern etwa 1.135 Personen den Konzern bei einem Personalbestand von etwa 13.000 verlassen. Ca. 509 Austritte würden auf die Beklagte entfallen, wobei die Beklagte in der Zwischenzeit über kein aktives Personal mehr verfüge, da der gesamte aktive Mitarbeiterbestand im Rahmen des S.-Konzepts auf die A. D. AG übergegangen sei. Allein im Zuge des S.-Konzepts seien bei der Beklagten ca. 111 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. „Überbrückungsmodell“ erfolgt (bei etwa 442 im Konzern). Der angestellte Außendienst werde reduziert, das Provisionsmodell massiv angepasst. Im Konzern gebe es weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Spesenreduzierungsprogramme, Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene für Neueintritte). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum 1. Juli 2015 bis 1. Juli 2016 zu Einsparungen in Höhe von etwa € 2,7 Mio. sowie eine Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Millionen geführt. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es noch gelungen, für die Unternehmen des Konzerns einen Gewinn zu erwirtschaften. Vor allem der Personalabbau von ca. 8,5 % der kompletten Belegschaft in Deutschland allein im Jahr 2016 zeige, wie sehr auf den Marktdruck habe reagiert werden müssen. Näheres ergebe sich auch aus dem S.-Konzept. Vorüberlegungen hierzu seien beginnend mit dem 23. Februar 2015 erfolgt. Zum 25. Mai 2015 sei es soweit abgeschlossen gewesen, dass es gegenüber der Belegschaft der Beklagten habe kommuniziert werden können. Das Konzept beinhalte eine Neuausrichtung zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit und es hätten die nötigen Schritte eingeleitet werden sollen, solange noch die Möglichkeit dazu bestanden habe, die Zukunft aktiv zu gestalten. Im September 2015 hätten die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umsetzung des Konzepts aufgenommen werden können. Mittlerweile befände sich das Konzept in der Umsetzungsphase. In finanzieller Hinsicht ziele das Konzept auf die konzernweite Einsparung von Kosten in Höhe von 160 bis 190 Mio. Euro pro Jahr ab. Ein Teil der Planungen habe in dem Übergang des gesamten Personals der Beklagten und der A. V3 AG auf die neue A. D. AG bestanden, was mit Standortverlagerungen und Standortzusammenschlüssen einhergegangen sei. In diesem Zusammenhang stünde auch der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Raum. Die aktive Belegschaft leiste einen erheblichen Beitrag für die zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns mit u.a. folgenden Maßnahmen: Personalabbau i.V.m. einem Einstellungs- und Beförderungsstopp sowie einem Verbot von Entfristungen befristeter Arbeitsverträge, was eine Verdichtung der Arbeitsbelastung bedeute; Betriebsübergänge auf die A. D. AG; Reduzierung des angestellten Außendienstes; Kürzung der Budgets für Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten; Kürzung des Budgets für Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung bei Neueintritten auf der Stufe der Vorstände und leitenden Angestellten um die Hälfte des bisherigen Volumens; keine Gehaltserhöhung für außertarifliche Angestellte in 2016 (bis auf individuelle Sonderfälle). Demgegenüber wögen die Interessen der klagenden Partei nur gering. Auch die Betriebsrentner hätten ihren Beitrag zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten leisten müssen. Der von ihnen eingeforderte Beitrag sei im Verhältnis zu dem Beitrag der aktiven Belegschaft nur sehr gering. Das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern im BVW sei schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Kaufkraftschwund und die Inflationsentwicklung seien bei der Anpassungsentscheidung im Jahr 2015 ausreichend berücksichtigt worden. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die klagende Partei nicht berufen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW angelegt. Von Beginn an sei hier ein Vorbehalt geregelt gewesen. Wie bereits erstinstanzlich dargelegt, hätten der Vorstand der Beklagten und der Vorstand der A. V3 AG in Folge der Entscheidung des Vorstands der A. D. AG beschlossen, die Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW anzuwenden und den Aufsichtsräten der beiden Gesellschaften jeweils zur gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 1. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren, da eine darüber hinausgehende Erhöhung für nicht vertretbar gehalten worden sei. Bei Festlegung der Anpassungshöhe hätten sich die Vorstände an der Inflationsrate orientiert, die am 15. Juli 2015 bei 0,28 % gelegen habe. Dabei habe man die Inflationsrate im Zeitpunkt der Entscheidung auf 0,5 % geschätzt. Die Betriebsräte seien, wie ebenfalls erstinstanzlich dargelegt, vor der Beschlussfassung ausreichend angehört und mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben worden und hätten auch Stellung genommen (Anl. B 12 und B 13, Bl. 142 ff d.A.). Im zweiten Schritt hätten Vorstand und Aufsichtsrat auf Basis des Vorschlags des Vorstands gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 1. Juli 2015 beschlossen. Der Beitrag des Vorstands zur gemeinsamen Beschlussfassung sei am 26. August 2015, der inhaltlich entsprechende Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten am 9. Oktober 2015 erfolgt. Auf die Erforderlichkeit einer Interessenabwägung sei in den jeweiligen Beschlussvorlagen ausdrücklich hingewiesen worden. Beide Gremien hätten alle Argumente abgewogen und in ihre Entscheidung einfließen lassen, auch die Stellungnahmen der Betriebsräte seien einbezogen worden. Zudem seien Erwägungen zur ungekürzten Anpassung und weniger einschneidenden Kürzungen enthalten gewesen. Die Beklagte habe von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW auch Gebrauch machen dürfen. Eine Beschränkung auf wirtschaftliche Notlagen oder Veränderungen der wirtschaftlichen Unternehmensdaten sei nicht geregelt und auch nicht jahrzehntelanges Verständnis der Betriebsparteien. Der Anpassung habe ein Wert zugrunde gelegen, der die Inflationsrate überstiegen habe. Aus rechtlicher Sicht sei zunächst anzumerken, dass – entgegen der Andeutungen des Arbeitsgerichts in seinem Urteil – kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben sei. Ein solches habe nicht bestanden und habe somit auch nicht zur Unwirksamkeit von § 6 Ziff. 3 AusfBestg. BVW führen können. Der Betriebsrat habe schon keine Regelungskompetenz für Betriebsrentner, da diese nicht mehr wahlberechtigt seien. Zudem sei keine Veränderung der Verteilungsgrundsätze erfolgt. Es habe nur eine Entscheidung über die Höhe der Rentenanpassung gegeben, alle Betriebsrentner seien nach denselben Maßstäben behandelt worden. Verteilungsschlüssel, Rentenplan und -gestaltung seien nicht berührt gewesen. Außerdem sei einem evtl. Mitbestimmungsrecht ausreichend Rechnung getragen worden. Arbeitgeber und Betriebsrat hätten sich vorliegend auf eine Regelung geeinigt, ob und wie die Leistungen möglich sein sollen, ohne dass der Betriebsrat bei einer Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge der Anpassungsentscheidung noch einmal beteiligt werden solle. Diese Absprache sei Teil der mitbestimmten Regelung. Die Regelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW sei auch im Übrigen wirksam. Sie sei hinreichend bestimmt, was ihre Auslegung ergebe. Auslegungsbedürftig sei der Begriff „vertretbar“. Dieser sei so zu verstehen, dass die jährliche gemeinsame Ermessensentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt sei. Das bedeute, dass eine von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW negativ abweichende Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB finde bei Betriebsvereinbarungen nicht statt. Auf Grundlage von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW habe die Beklagte eine formell und materiell rechtmäßige Entscheidung über die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge im Jahr 2015 nach billigem Ermessen getroffen, bei der vor allem das Interesse der Beklagten an einer gedeihlichen Fortentwicklung des Unternehmens einerseits und das Interesse der klagenden Partei an einem Teuerungsausgleich anderseits angemessen in Ausgleich gebracht worden seien. Vorstand und Aufsichtsrat hätten einen formell wirksamen Beschluss gefasst, in dessen Rahmen alle relevanten Umstände und Interessen abgewogen worden seien. Dieser Beschluss habe die automatische Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW ersetzt und wirke zurück auf den Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden (§ 6 Ziff. 2). Die klagende Partei sei von der Anpassungsentscheidung in Kenntnis gesetzt worden. Auch die materiellen Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW seien erfüllt. Ein Eingriff in laufende Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge sei grundsätzlich zulässig und zu messen an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes, wobei die Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe von der Schwere des Eingriffs abhängen würden. Vorliegend sei jedoch nicht einmal ein Eingriff in laufende Leistungen gegeben, da der Vorbehalt von Beginn an in § 6 der AusfBestg BVW geregelt und somit Teil der Leistungszusage gewesen sei. Die klagende Partei habe daher damit rechnen müssen, dass die Beklagte zu einem Prüfungstermin im Rahmen des billigen Ermessens von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde. Ein sachlicher Grund sei vorliegend gegeben. Dieser müsse nicht zwingend ein wirtschaftlicher Grund im Sinne einer aktuellen wirtschaftlichen Zwangslage sein, sondern könne auch in einem Konzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung eines Unternehmens liegen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, wenn die sachlichen Gründe willkürfrei, nachvollziehbar und anerkennenswert seien. Ausreichend sei es, wenn der Arbeitgeber die Beweggründe für diese bloß wirtschaftlich motivierten Maßnahmen nachvollziehbar darlege und der Eingriff willkürfrei sei. Das sei hier der Fall, da ein Gesamtkonzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung der Beklagten anlässlich des hohen Markt- und Konkurrenzdrucks existiere und bei der Beklagten auch umgesetzt worden sei. Bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahme stehe dem Arbeitgeber eine Einschätzungsprärogative zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts stehe ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der die Entscheidung decke, zur Realisierung eines Zukunftskonzepts neben der aktiven Belegschaft auch die Betriebsrentner angemessen einzubeziehen. Das bereits dargestellte Gesamtkonzept des A.-Konzerns erstrecke sich auf die Beklagte, wobei der wesentliche Baustein das S.-Konzept sei. In diesen Rahmen füge sich die Anpassungsentscheidung der Beklagten ein. Das sei nicht willkürlich. Billiges Ermessen sei gewahrt, da die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt seien und die Interessen der Beklagten die der klagenden Partei überwögen. Angesichts der anvisierten Einsparungen von 160 bis 190 Mio. Euro jährlich sowie des Einsparpotentials bei vorliegender Anpassung der Betriebsrenten erscheine die von der Beklagten vorgenommene Anpassung als ein taugliches Mittel zur zukunftsweisenden Neuaufstellung, die mit dem S.-Konzept bezweckt sei. Die Interessen der klagenden Partei würden nur gering wiegen, insbesondere da ein Teuerungsausgleich erfolgt bzw. übertroffen worden sei. Außerdem sei das Versorgungsniveau im BVW schon jetzt überdurchschnittlich hoch. Eine weitere Anpassung von 2,1 Prozent mit Wirkung zum 1. Juli 2015 wäre weitaus höher, als eine Anpassung für Versorgungsempfänger in anderen Versorgungswerken bei der Beklagten und im A.-Konzern. Auch dieses ungleiche Verhältnis zu anderen Versorgungsempfängern trage zur sachlichen Begründung der Entscheidung bei.

34

Die Beklagte beantragt:

35

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 2017, Az.: 7 Ca 212/16, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

36

Die klagende Partei beantragt:

37

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

38

Im Rahmen der Anschlussberufung beantragt die klagende Partei,

39

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 2017, Az.: 7 Ca 212/16, dahingehend abzuändern, dass insgesamt nach den Anträgen erster Instanz entschieden wird.

40

Die Beklagte beantragt,

41

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

42

Die klagende Partei verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und trägt u.a. vor, die Regelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW sei schon deshalb unwirksam, weil das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt sei. Ferner sei die Regelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW unwirksam, da sie nicht hinreichend bestimmt sei. Zumindest aber habe die Beklagte keine nach § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW materiell rechtmäßige Entscheidung getroffen. Die Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW seien nicht erfüllt. Es fehle durchgängig an konkretem Vortrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre und konkretem Zahlenmaterial, so dass die Beklagte schon nicht die Willkürfreiheit ihrer Entscheidung dargelegt habe. Ebenso habe sie keine konkreten Einschnitte für die aktive Belegschaft vorgetragen. Vorsorglich werde ihr Sachvortrag zur zusätzlichen Zinsreserve, Einsparungen durch die reduzierte Rentenerhöhung und durch das S.-Konzept bestritten. Fest stehe, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen worden seien. Finanzielle Einbußen hätten die aktiven Mitarbeiter ebenfalls nicht hinnehmen müssen. Insgesamt stünden der klagenden Partei die geltend gemachten Ansprüche somit zu, ebenso ein Zinsanspruch jeweils ab Fälligkeit der Zahlungsansprüche, da bereits die Unwirksamkeit von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW zu den Ansprüchen des Klägers führten.

43

Mit Verfügung vom 7. Juni 2017 sind den Parteien rechtliche Hinweise erteilt worden. Hierauf wird Bezug genommen (Bl. 544 ff d.A.).

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Protokolle sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

45

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig, aber nicht begründet. Die Anschlussberufung ist zulässig und begründet.

A.

46

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 64, Abs. 1, 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet. Die Anschlussberufung ist ebenfalls statthaft, da form- und fristgerecht eingelegt (§§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 ZPO).

B.

47

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet. Der klagenden Partei steht der geltend gemachte Erhöhungsanspruch in Bezug auf die Betriebsrente zu. Ebenso steht der mit der Anschlussberufung geltend gemachte Zinsanspruch der klagenden Partei zu. Im Einzelnen:

1.

48

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klagantrag zu 2), der auf die Gewährung einer wiederkehrenden Leistung gerichtet ist, gem. § 258 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG zulässig. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl. BAG, 17.06.2014, 3 AZR 529/12; zit. nach juris).

2.

49

Die Klage ist begründet. Die klagende Partei hat ab dem 1.07.2015 einen Anspruch auf eine um € 36,65 brutto höhere monatliche betriebliche Altersversorgung nach § 6 Ziffer 1 AusfBestg BVW. Demnach steht ihr ein Anspruch auf Zahlung der aufgelaufenen Differenz in Höhe von € 329,85 brutto sowie ein Anspruch auf Zahlung einer um € 36,65 brutto höheren monatlichen Betriebsrente ab dem 1.04.2016 zu.

50

Diesem Anspruch konnte die Beklagte nicht den Beschluss vom 26. August/9. Oktober 2015 nach § 6 Ziff. 3 der AusfBestg BVW entgegen setzen, wonach „die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten“ nur um 0,5 % steigen sollten, was faktisch zu dem Ergebnis führte, dass grundsätzlich – wie auch im Fall der klagenden Partei – im Jahr 2015 nicht die Gesamtversorgungsbezüge, sondern die Pensionsergänzungsrenten (lediglich) um 0,5 % erhöht wurden. Dieser Beschluss ist unwirksam. Es fehlt zum einen an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW. Zum anderen erweist sich die Entscheidung der Beklagten als systemwidrig, da die Verteilungsgrundsätze der AusfBestg BVW nicht beachtet wurden. Schließlich hat die Beklagte gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen.

a)

51

Der klagenden Partei steht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte ab Juli 2015 in Höhe von monatlich € 36,65 brutto über die bereits gezahlte Betriebsrente hinaus zu, da die Beklagte gem. § 6 Ziffer 1 der AusfBestg BVW verpflichtet ist, die Gesamtversorgungsbezüge der klagenden Partei um 2,0972 % anzupassen.

52

Unstreitig wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1.07.2015 um eben diese Höhe angehoben. Ebenso unstreitig ist, dass die nur um 0,5 % erhöhte Pensionsergänzungsrente zu einer monatlichen Differenz in Höhe von € 36,65 brutto führte bzw. führt, ausgehend von einer Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge um 2,0972 %.

b)

53

Die Anpassungsverpflichtung gem. § 6 Ziff. 1 der AusfBestg BVW wurde – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht gem. § 6 Ziff. 3 der AusfBestg BVW durch den Beschluss der Beklagten vom 26. August/09. Oktober 2015 ersetzt, da dieser Beschluss unwirksam ist.

aa)

54

Die Unwirksamkeit des Beschlusses der Beklagten vom 26. August/09. Oktober 2015 folgt zum einen daraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW nicht erfüllt sind. Zum anderen hat die Beklagte gegen die mitbestimmten Verteilungsgrundsätze der Betriebsvereinbarungen zum Betrieblichen Versorgungswerk verstoßen, so dass sich ihre Entscheidung auch gegenüber der klagenden Partei als unwirksam erweist.

55

aaa)

56

Nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW werden die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst und zwar gemäß Ziff. 2 zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

57

Nach § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW darf die Beklagte für den Fall, dass der Vorstand die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW für nicht vertretbar hält, vorschlagen und sodann gemeinsam mit dem Aufsichtsrat beschließen, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

58

§ 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW beinhaltet eine Anpassungsautomatik als Grundsatz, ohne dass eine Entscheidung der Beklagten getroffen werden muss. Der Wortlaut der Bestimmung ist an dieser Stelle eindeutig. Sprachlich wird eine direkte Verbindung zur gesetzlichen Regelung in § 49 AVG bzw. dessen Nachfolgeregelung in §§ 65, 68 SGV VI gezogen, und es wird ein Grundsatz formuliert, wie die Gesamtversorgungsbezüge in der Zukunft angepasst werden sollen, ohne dass dem eine Entscheidung auf Seiten der Arbeitgeberin vorangehen muss. Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel mit § 6 Ziff. 3, S. 2 AusfBestg BVW: hiernach „ersetzt“ der Beschluss die Anpassung nach § 6 Ziff. 1. Ersetzt werden kann aber nur etwas Bestehendes bzw. Feststehendes.

59

§ 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW regelt sodann unter bestimmten Voraussetzungen einen Anpassungsvorbehalt zugunsten der Beklagten. Dabei darf sie auf der Tatbestandsebene entscheiden, ob die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW nicht vertretbar ist, sowie zum anderen auf der Rechtsfolgenebene vorschlagen und beschließen, was stattdessen geschehen soll.

60

bbb)

61

Diese Regelungen sind wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt.

i)

62

Die Formulierung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW „für nicht vertretbar hält“ ist hinreichend bestimmt, was die Auslegung dieser Regelung ergibt.

63

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 08.12.2015, 3 AZR 267/14; zit. nach juris). Ist eine Ausnahmeregelung gegeben, so ist eine solche grundsätzlich nicht extensiv, sondern eng auszulegen (vgl. BAG, 26.3.1997, 10 AZR 751/96; 13.1.1981, 6 AZR 678/78; zit. nach juris).

64

Richtig ist, dass auch Betriebspartner bei Aufstellen ihrer normativen Regelungen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot unterliegen (BAG, 29.9.2010, 3 AZR 557/08; 26.5.2009, 1 ABR 12/08; zit. nach juris). Allerdings dürfen auch die Betriebspartner unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe können die Betriebspartner eine Auslegung und Anwendung der Betriebsvereinbarung auf der Basis geänderter tatsächlicher Verhältnisse ermöglichen, wenn dies aufgrund der Besonderheiten des Regelungsgegenstandes erforderlich ist (BAG, 29.9.2010, 3 AZR 557/08; zit. nach juris).

65

Die Formulierung „nicht für vertretbar halten“ stellt einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Dieser Rechtsbegriff ist aber auslegungsfähig. Unter Beachtung der vorgenannten Auslegungsgrundsätze ergibt sich vorliegend, dass die in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW auf der Tatbestandsebene gegebene Formulierung „für nicht vertretbar hält“ im Wege der Auslegung einen hinreichend bestimmten Inhalt erhält. Sie ist dahingehend zu verstehen, dass die Arbeitgeberin von der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW nur dann Gebrauch machen darf, wenn sie eine Interessenabwägung vorgenommen hat, die auf Arbeitgeberseite wirtschaftlich veränderte, finanziell belastende Verhältnisse einzubeziehen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen hat. Dabei muss sie den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts beachten sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes wahren. Im Ergebnis haben ihre Interessen die der Betriebsrentner zu überwiegen.

66

Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung, von dem Anpassungsgrundsatz abweichen zu wollen, eine Interessenabwägung vorzunehmen hat. Der Begriff „für nicht vertretbar hält“ ist gleichbedeutend mit „nicht verantworten“ können (vgl. Duden online unter www.duden.de). Wird etwas als nicht zu verantworten eingeschätzt, so setzt das einen Abwägungsvorgang, d.h. eine Interessenabwägung voraus und zwar vorliegend, ob im konkreten Einzelfall (hier für das Jahr 2015) von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abgewichen werden darf. Eine solche Interessenabwägung hat die in der Regel gegenläufigen Interessen der Betriebsrentner und die Interessen der Beklagten einzubeziehen.

67

Auf Arbeitgeberseite hat die Interessenabwägung auf wirtschaftliche, sprich finanzielle Gründe abzustellen, die im konkreten Einzelfall dazu führen, dass die Weitergabe der Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW aus Unternehmersicht nicht verantwortet werden kann. Das folgt zunächst aus dem Wortlaut der Überschrift von § 6 AusfBestg BVW(„Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“): auf der Ebene der Betriebsrentner bedeutet dies die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch erhöhte gesetzliche Renten; auf der Ebene der Beklagten sind entsprechend ihre – veränderten – wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, die der grundsätzlich vorgesehen Anpassung (§ 6 Ziff.1 AusfBestg BVW) als rechtfertigender Sachgrund entgegen stehen müssen.

68

Systematisch fügt sich das ein in das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 6 Ziff. 1 zu § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW und berücksichtigt den Umstand, dass Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen sind. Der Grundsatz besagt, dass die Anpassung der Gesamtversorgung entsprechend dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten zu erfolgen hat. Seinerzeit, bei Abschluss der Betriebsvereinbarung, hatte sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin dazu entschieden, für die grundsätzlich vorgesehene Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Dieser Bezug zu den finanziell zur Verfügung gestellten Mitteln und die Überschrift von § 6 AusfBestg BVW sowie der Umstand, dass ein Abweichen von § 6 Ziff. 1 nur im Ausnahmefall – nach entsprechender Prüfung durch den Vorstand – erfolgen soll, verdeutlichen, dass jeweils im konkreten Einzelfall der vorgesehenen Gesamtversorgungssteigerung wirtschaftliche, sprich finanzielle Gründe gegeben sein müssen, um eine andere Entscheidung treffen zu dürfen. Aus dem Ausnahmecharakter von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW folgt zugleich, dass die Betriebsparteien als Normgeber der Arbeitgeberin nicht freie Hand bezüglich der Frage geben wollten, ob von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abgewichen werden darf, sondern dass die Sichtweise eines vernünftigen Vorstands maßgeblich sein soll, der die grundsätzlich vorgesehene Anpassung gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten, die Interessen der Betriebsrentner und die eigene wirtschaftliche Interessenlage objektiv betrachtet und gegeneinander abwägt. Dabei müssen die wirtschaftlichen Gründe, auf die die Arbeitgeberin ihre Entscheidung, die grundsätzlich vorgesehene Erhöhung der Betriebsrenten bzw. der Gesamtversorgung nicht weiter geben zu wollen, stützt, nicht die Anforderungen von § 16 BetrAVG erfüllen. Denn es geht nicht um die gesetzlich vorgesehene Betriebsrentenanpassung. Der systematische Zusammenhang zwischen dem Grundsatz in § 6 Ziff. 1 und der Ausnahme in § 6 Ziff. 3 verdeutlicht aber eine Wechselbeziehung zwischen der in Ziff. 1 vorgesehenen Anpassung gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten, für den sich die Betriebsparteien entschieden haben, und der Finanzierbarkeit einer solchen Anpassung. Wenn diese Finanzierbarkeit, entgegen der insoweit bei Inkrafttreten des Betrieblichen Versorgungswerks zur Verfügung gestellten bzw. grundsätzlich versprochenen Finanzmittel, nicht für gegeben erachtet wird, darf eine andere Vorgehensweise beschlossen werden. Da es somit um die Frage der Finanzierbarkeit der Anpassung der Gesamtversorgung geht, müssen entsprechende finanzielle Gründe im Rahmen der Entscheidung nach § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW berücksichtigt und angeführt werden. Anderenfalls wäre die Regel-Ausnahme-Vorschrift in sich nicht schlüssig. Welches Ausmaß die finanziellen Gründe haben müssen, ist davon abhängig, wie weitgehend in den Anpassungsgrundsatz eingegriffen wird, d.h. in welchem Ausmaß die nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW vorgesehene Anpassung nicht gewährt wird.

69

Auch der Zweck der Norm spricht dafür, einen Eingriff in den Anpassungsgrundsatz nur dann zuzulassen, wenn die Finanzierbarkeit der Rentensteigerung in Frage steht. Dabei folgt der Zweck der Norm aus dem Zusammenhang der Bestimmungen in § 6 Ziff. 1 und § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW: grundsätzlich entsprach es dem Willen der Betriebsparteien, die Betriebsrenten im Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten zu erhöhen mit dem Ziel, die betrieblichen Renten einer Dynamisierung im Gleichlauf mit den gesetzlichen Rentensteigerungen zu unterwerfen, um so den Lebensstandard halten zu können und die Betriebsrenten vor einer Auszehrung zu schützen. Dabei wurde als sachgerechter Maßstab die Entscheidung des Gesetzgebers gesehen und akzeptiert, ob und in welchem Umfang die gesetzlichen Renten jährlich steigen. Soll dieses Ziel im Regelfall auch erreicht werden, so sind für eine Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrenten geringer (oder gar nicht) steigen zu lassen als die gesetzlichen Renten, höhere Anforderungen zu stellen als allein das Vorliegen eines willkürfreien, sachlichen, nachvollziehbaren Grundes. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Betriebsrentner ihre Gegenleistung für die zugesagten Betriebsrenten bereits erbracht haben und dass die Betriebsrenten insbesondere ab dem Zeitpunkt des Versorgungsfalls einen besonderen Schutz genießen, weil die Betriebsrentner selbst nicht mehr für einen anderweitigen Ausgleich von Versorgungslücken sorgen können (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; 26.10.2010, 3 AZR 711/08; zit. nach juris).

70

Schließlich kann im Hinblick auf die Anforderungen, die an den sachlichen Grund für eine Abweichung vom Anpassungsgrundsatz zu stellen sind, auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Eingriffen in Betriebsrentenansprüche zurückgegriffen werden (sog. Drei-Stufen-Modell, vgl. grundlegend BAG, 17.4.1985, 3 AZR 72/83; zit. nach juris). Zwar geht es vorliegend nicht um einen klassischen Eingriff in Versorgungsanwartschaften oder in Renten-Dynamiken. Ebenso geht es nicht um einen Eingriff in Anpassungsregelungen, da der Anpassungsvorbehalt von vornherein der Bestimmung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW inne wohnte. Aber es geht um ein Abweichen der grundsätzlich zugesagten Erhöhung der Betriebsrenten bzw. der Gesamtversorgung gemäß der Steigerungsrate der gesetzlichen Renten (§ 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW). Das rechtfertigt es bei der Prüfung des die Entscheidung der Arbeitgeberin rechtfertigenden Grundes, jedenfalls die hinter der vorgenannten Rechtsprechung stehenden Grundsätze auch vorliegend zur Anwendung gelangen zu lassen, nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie den Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. die Rechtsprechung des BAG zu Eingriffen in Anpassungsregelungen, z.B. BAG, 18.9.2012, 3 AZR 431/10; 9.11.1999, 3 AZR 432/98; zit. nach juris). Dabei erscheint es vorliegend allerdings nicht ausreichend, einen irgendwie nachvollziehbaren, willkürfreien, sachlichen Grund für das Abweichen vom Anpassungsgrundsatz genügen zu lassen. Zwar ist der Beklagten Recht darin zu geben, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dies für Eingriffe in Anpassungsregelungen dann genügen lässt, wenn ein geringfügiger Eingriff gegeben ist (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; zit. nach juris). Ebenso mag hier ein geringfügiger Eingriff vorliegen, weil die Kaufkraft der Renten durch den Ausgleich der Inflationsrate gewahrt blieb und die Rentner insoweit keinen Anlass gehabt hätten, anderweitig eine Versorgungslücke zu schließen (vgl. BAG, 28.6.2011, 3 AZR 282/09; zit. nach juris). Allerdings ist zu beachten, dass es eben nicht um einen Eingriff in eine Anpassungsregelung geht, welchen die Normgeber – hier die Betriebsparteien – gemeinsam vorgenommen haben. Sondern es geht um ein von vornherein vorgesehenes einseitiges Recht der Arbeitgeberin, in den gemeinsam aufgestellten Anpassungsgrundsatz im Ausnahmefall eingreifen zu dürfen. Da in einem solchen Fall die Arbeitgeberin allein entscheiden darf und zudem eine Ausnahmebestimmung vorliegt, sind die Entscheidungsgrenzen eng zu ziehen, um den gemeinsamen Willen der Betriebsparteien, grundsätzlich sei die gesetzliche Rentensteigerung an die Betriebsrentner weiter zu geben, nicht leer laufen zu lassen. Das spricht dafür, nicht jeden willkürfreien, sachlichen Grund genügen zu lassen, sondern die Ausnahme auf wirtschaftliche Gründe zu beschränken, d.h. vorliegend finanzielle Gründe von der Beklagten zu fordern, die den Eingriff in den Anpassungsgrundsatz rechtfertigen müssen.

71

Soweit die Beklagte eingewendet hat, die Forderung nach wirtschaftlichen Gründen auf ihrer Seite habe keinen Niederschlag im Wortlaut der Norm gefunden, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist dieses Ergebnis die Folge der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, den die Betriebsparteien verwendet haben. Insoweit kann das Fordern wirtschaftlicher Gründe in die Formulierung „nicht für vertretbar halten“ aus den angeführten Gründen hineingelesen werden. Zum anderen findet diese Anforderung ihren Niederschlag in der Überschrift von § 6 AusfBestg BVW.

72

Insgesamt führen die vorstehenden Erwägungen demnach zu dem Ergebnis, dass der Begriff „nicht für vertretbar hält“ auslegungsfähig ist und der Regelung so ein hinreichend bestimmter Inhalt zugeführt werden kann: Es hat eine Interessenabwägung zu erfolgen, die auf wirtschaftlich veränderte Verhältnisse abzustellen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen hat, den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts beachten muss und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes zu wahren hat. Das Gewicht des sachlichen Grundes, der auf Beklagtenseite finanzielle Aspekte zu beinhalten hat, hängt davon ab, wie stark im konkreten Fall in die nach § 6 Ziff. 1 grundsätzlich vorgesehene Steigerung eingegriffen wird (vgl. die Rechtsprechung des BAG zu Eingriffen in Anpassungsregelungen, z.B. BAG, 18.9.2012, 3 AZR 431/10; 9.11.1999, 3 AZR 432/98; zit. nach juris). Dieses Auslegungsergebnis führt zu einer pragmatischen, handhabbaren und interessengerechten Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt aber nicht jedweder willkürfreier, sachlich nachvollziehbarer Grund.

ii)

73

Auf der Rechtsfolgenebene von § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW, wonach der Vorstand vorschlagen (und mit dem Aufsichtsrat entscheiden) darf, „was geschehen soll“, erscheint die Frage nach hinreichender Bestimmtheit weniger kritisch, da hier mangels genannter Kriterien die gesetzliche Regelung von § 315 BGB eingreift: d.h. die Beklagte hat ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und darf nach billigem Ermessen entscheiden, in welcher Höhe die Anpassung erfolgen soll.

74

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG, 30.8.2016, 3 AZR 272/15; 10.7.2013, 10 AZR 915/12; zit. nach juris).

75

Auf der Rechtsfolgenebene ist vorliegend zusätzlich zu beachten, dass § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW eine mitbestimmte Regelung ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Insoweit hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Rahmen von § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW die gemeinsam aufgestellten Verteilungsgrundsätze zu beachten. Verstößt sie hiergegen, erweist sich die Entscheidung wegen Verstoßes gegen die Betriebsvereinbarung unabhängig von der Frage, ob billiges Ermessen gewahrt wurde, als unwirksam.

76

Das Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-)Betriebsrats folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hat sich der Arbeitgeber verpflichtet, selbst Versorgungsleistungen zu erbringen, so ergibt sich das Recht des Betriebsrats, bei der Regelung von Fragen der betrieblichen Altersversorgung mitzubestimmen, aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wobei sich diese Mitbestimmung auf die konkrete Ausgestaltung der Leistungsordnung bezieht (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; zit. nach juris). Die Mitbestimmung soll der Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Entgeltgefüges und der Wahrung der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit dienen (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; 3.12.1991, GS 2/90; zit. nach juris). Die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er überhaupt eine betriebliche Altersversorgung gewährt und welche Mittel er dafür zur Verfügung stellt, ist mitbestimmungsfrei. Mitbestimmungspflichtig sind aber alle Regeln, mit denen die zur Verfügung stehenden Mittel auf die Begünstigten verteilt werden (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02, m.w.N.; zit. nach juris). Dies gilt auch für die Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; zit. nach juris). Diesem Mitbestimmungsrecht ist mit der Betriebsvereinbarung „AusfBestg BVW“ zwar hinreichend Genüge getan worden. Dabei ist in § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW der Beklagten in Form eines Anpassungsvorbehalts i.V.m. § 315 BGB ein Entscheidungsspielraum eingeräumt worden, was grundsätzlich zulässig ist (vgl. BAG, 12.10.2011, 10 AZR 631/10; zit. nach juris). Dieser ist allerdings dahingehend auszulegen, dass die Beklagte – unter Wahrung von § 315 Abs. 1 BGB – nicht völlig frei entscheiden kann, was im Fall des Gebrauchmachens von dem Anpassungsvorbehalt geschehen soll. Vielmehr ist sie im Hinblick auf ihre Ermessenentscheidung an die Grundsätze und den Rahmen des gemeinsam aufgestellten Versorgungssystems gebunden. In diesem Rahmen hat sich ihre Ermessensentscheidung zu bewegen, und die mitbestimmten Verteilungsgrundsätze sind einzuhalten. Nur ein solches Verständnis von § 6 Ziff. 3, 2. Hs. führt zu dem Ergebnis, dass der Gesamtbetriebsrat wirksam von seinem Mitbestimmungsrecht Gebraucht gemacht und hierauf nicht unzulässiger Weise verzichtet hat.

77

Wollte man § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW dahingehend verstehen, dass die Beklagte auf Rechtsfolgenseite generell freie Hand und die mitbestimmten Verteilungsgrundsätze nicht zu beachten hätte, so wäre von einem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auszugehen. Dann nämlich könnte die Beklagte – vorausgesetzt, die Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW sind erfüllt – über die Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel ohne Beachtung der mitbestimmten Verteilungsgrundsätze entscheiden und hiervon abweichen. Das hätte zum Ergebnis, dass der Gesamtbetriebsrat in § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW bei Aufstellen der Verteilungsgrundsätze in unzulässiger Weise auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorab verzichtet hätte (vgl. BAG, 3.6.2003, 1 AZR 349/02, m.w.N.; zit. nach juris). Bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung (hier § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW) ist jedoch zu beachten, dass sich die Betriebspartner grundsätzlich gesetzeskonform verhalten und die Mitbestimmungsrechte achten und wahren wollen. Insofern ist § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW so zu interpretieren, dass die Beklagte zwar ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugewiesen bekommen hat. Allerdings ist dieses Leistungsbestimmungsrecht einschränkend dahingehend auszulegen, dass sich die Entscheidung der Arbeitgeberin in dem gemeinsam aufgestellten System der Betriebsvereinbarung zum BVW bewegen und die dortigen Verteilungsgrundsätze einhalten muss.

78

Hält sich die Beklagte nicht hieran, so verstößt sie gegen die Regelungen der Betriebsvereinbarung mit der Folge, dass eine solche Entscheidung unbeachtlich ist, da Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten (§ 77 Abs. 4S. 1 BetrVG). Dabei geht es – wie bereits dargelegt – nicht um die Frage, ob billiges Ermessen (§ 315 BGB) gewahrt wurde, sondern um die Frage, ob die konkrete Entscheidung der Arbeitgeberin an sich wirksam ist oder nicht. Letzteres ist der Fall, wenn sie die in den AusfBestg BVW vorgegebene Entscheidungskompetenz überschritten hat.

79

ccc)

80

Ausgehend von diesem Verständnis von § 6 Ziff. 3, 1. und 2. Hs. AusfBestg BVW zeigt sich, dass die Beklagte zum einen aus den von ihr angeführten Gründen nicht von dem Anpassungsgrundsatz in § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW nach § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW abweichen durfte, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Zum anderen hat die Beklagte mit ihrer Entscheidung, im Jahr 2015 nur die Pensionsergänzungsrente um 0,5 % zu erhöhen und nicht die Gesamtversorgung gleichmäßig anzuheben, die ihr von der Betriebsvereinbarung zugewiesene Entscheidungskompetenz überschritten. Beides führt zur Unwirksamkeit des Beschlusses der Beklagten vom 26. August/9. Oktober 2015.

i)

81

Die Beklagte durfte vorliegend schon nicht von der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW Gebrauch machen, was zur Unwirksamkeit ihrer Entscheidung vom 26. August/9. Oktober 2015 führt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abweichende Entscheidung nach § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW sind nicht erfüllt. Es fehlt insoweit an einem hinreichenden sachlichen Grund.

82

Wie dargestellt, hat im Hinblick auf die Frage, ob von der Grundregelung in § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abgewichen werden darf, eine Interessenabwägung zu erfolgen. Diese hat auf wirtschaftlich veränderte Verhältnisse abzustellen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen, den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts zu beachten und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes zu wahren. Das Gewicht des sachlichen Grundes, der auf Beklagtenseite finanzielle Aspekte zu beinhalten hat, hängt davon ab, wie stark im konkreten Fall in die nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW grundsätzlich vorgesehene Steigerung eingegriffen wird.

83

Legt man dies zugrunde, so zeigt sich, dass die Entscheidung der Beklagten, nur die Pensionsergänzungsrenten und diese nur um 0,5 % zu erhöhen, unwirksam ist, weil kein hinreichender sachlicher Grund für diese von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abweichende Anpassungsentscheidung (zuungunsten der klagenden Partei) vorliegt.

84

Mit der Entscheidung, nicht die Gesamtversorgung, sondern nur die Pensionsergänzungsrenten um lediglich 0,5 % zu erhöhen, hat die Beklagte im Jahr 2015 deutlich weniger als die nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW vorgesehenen Erhöhung weiter gegeben. Beachtet man allerdings, dass aufgrund des Inflationsausgleichs jedenfalls die Kaufkraft gewahrt wurde, mag sich der Eingriff relativieren.

85

Dennoch rechtfertigen die von der Beklagten angeführten Gründe die Entscheidung für das Jahr 2015 nicht. Die Beklagte führt für ihre unternehmerische Entscheidung letztlich das sog. S.-Konzept an, das sie aufgrund der Marktbedingungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen beschlossen hatte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Gewinne zu sichern bzw. steigern und ihr Unternehmen zukunftsfähig auszurichten. Insoweit hat sich die Beklagte zwar auf wirtschaftliche Aspekte berufen, allerdings nicht auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit. Sie hat ihre Entscheidung auf ein Reorganisations- und Umstrukturierungsprogramm des Gesamtkonzerns zur Gewinnstabilisierung bzw. -steigerung und Stärkung ihrer Marktposition gestützt. Das genügte aber nicht. Wie dargelegt, müssen bei Nichtweitergabe der grundsätzlich in § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW vorgesehenen Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge auf Beklagtenseite zur Rechtfertigung dieser Entscheidung finanzielle Gründe vorliegen. Der Wunsch nach Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, nach Stärkung der Marktposition und zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns bzw. Unternehmens der Beklagten reichte zur Rechtfertigung nicht aus, auch wenn insoweit eine willkürfreie Entscheidung gegeben ist, die aus unternehmerischer Sicht sachlich nachvollziehbar ist. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Beklagten ist vorliegend aufgrund der Bindung an die Betriebsvereinbarungen zum Betrieblichen Versorgungswerk eingeschränkt. Wie gezeigt, darf von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW nur abgewichen werden, wenn die grundsätzlich vorgesehene und zugesagte Erhöhung der Gesamtversorgung wirtschaftlich für das Unternehmen nicht vertretbar ist. Ein „Nicht-Können“ legt die Beklagte aber nicht dar. Ein „Nicht-Wollen“ ist nicht genügend. Ebenso genügen wirtschaftlich motivierte Gründe, die durch ein selbst gestaltetes Umstrukturierungs- und Reorganisationsprogramm geschaffen werden, nicht, um den Eingriff in den Anpassungsgrundsatz zu rechtfertigen. Eine solche Entscheidung entspricht nicht der Grundentscheidung der Betriebspartner, die Gesamtversorgungsbezüge im Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten zu erhöhen.

86

Soweit es um die von der Beklagten vorzunehmende Interessenabwägung geht, sind zudem folgende Aspekte zu beachten:

87

Die aktiven Mitarbeiter hatten keine finanziellen Nachteile bzw. Einschnitte hinzunehmen (mit Ausnahme der außertariflichen Mitarbeiter, die allerdings erst im Jahr 2016 eine Nullrunde hinzunehmen hatten). Es wurden auch keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen noch sind solche konkret geplant. Die Mitarbeiter mögen ihren Beitrag auf andere Art und Weise leisten, z.B. durch Einschränkungen aufgrund von Standortverlagerungen, Einschnitten bei Fortbildungs- und Reisekosten sowie bei Spesenregelungen, etc. Ein vergleichbarer Beitrag ist den Betriebsrentnern jedoch nicht mehr möglich, führt im Umkehrschluss aber nicht dazu, dass sie dann finanzielle Einbußen hinzunehmen hätten. Des Weiteren hatte der A.-Konzern im Jahr 2015 so viel verdient, wie seit 8 Jahren nicht mehr, was eindeutig gegen wirtschaftlich notwendige Einsparungen durch Kürzungen bei der Anpassung der Gesamtversorgung spricht. Das Gleiche gilt für die Erhöhung der Dividenden im Jahr 2015.

88

Die übrigen angeführten Gründe, die letztlich zum S.-Konzept geführt haben, stellen ebenfalls keine ausreichenden Sachgründe im Sinne von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. AusfBestg BVW dar. Zum einen ist der Vortrag der Beklagten an dieser Stelle sehr allgemein gehalten, z.B. soweit es um Lebenserwartungen, niedriges Zinsniveau, steigende Kundenanforderungen, vertriebliche Herausforderungen im Branchenumfeld, geringste Überschussbeteiligung in der Versicherungsbranche, etc. geht. Zum anderen sind konkrete Auswirkungen in finanzieller Hinsicht nicht dargelegt, d.h. wie diese Umstände die Beklagte wirtschaftlich belasten und dass und warum aus finanziellen Gründen daher die nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW vorgesehene Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge nicht vertretbar ist. Zu erwartende Gewinneinbrüche oder gar Verluste sind nicht dargestellt. Außerdem stützt die Beklagte ihre Entscheidung ausdrücklich nicht auf ihre aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern auf das schwierige Marktumfeld und die aus ihrer Sicht notwendige zukünftige Neuausrichtung des Konzerns bzw. ihres Unternehmens, wozu auch die Rentner ihren Beitrag leisten sollten. Soweit auf das hohe Versorgungsniveau der Mitarbeiter der ehemaligen B.-Unternehmen abgestellt wird, ist es zwar richtig, dass die Vereinheitlichung verschiedener in einem Unternehmen zur Anwendung kommenden Versorgungsordnungen ein Kriterium für die Veränderung solcher Versorgungsordnungen sein kann. Allerdings hat die Beklagte keine solche Anpassung vorgenommen, denn die Versorgungsordnungen an sich blieben unberührt.

89

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass eine konzernweite Entscheidung getroffen und dargestellt wurde unabhängig von den (wirtschaftlichen) Verhältnissen der einzelnen Unternehmen und damit auch unabhängig von der konkreten Lage der Beklagten. Eine Interessenabwägung hat aber grundsätzlich die konkrete Lage der Beteiligten zu berücksichtigen. Eine dementsprechende Abwägung hat offensichtlich nicht stattgefunden.

ii)

90

Darüber hinaus hat die Beklagte mit ihrer Entscheidung, im Jahr 2015 nur die Pensionsergänzungsrente um 0,5 % zu erhöhen und nicht die Gesamtversorgung gleichmäßig anzuheben, die ihr von der Betriebsvereinbarung zugewiesene Entscheidungskompetenz überschritten. Die Entscheidung ist systemwidrig und verstößt gegen die Regelungen der Betriebsvereinbarung, denn sie bewegt sich nicht in dem von der Betriebsvereinbarung in § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW vorgegebenen Entscheidungsrahmen. Das ergibt die Auslegung von § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW.

91

Die gemeinsam mit dem Betriebsrat in den AusfBestg BVW aufgestellten Verteilungsgrundsätze sehen in § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW eine Erhöhung der Gesamtversorgung vor. Eine Erhöhung nur der Pensionsergänzungsrente ist nicht geregelt. Der Wortlaut ist eindeutig.

92

Auch aus dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Altersversorgung des Betrieblichen Versorgungswerks folgt nichts anderes. Der gesamten betrieblichen Regelung zur Altersversorgung ist das System einer Gesamtversorgung zugrunde gelegt. So heißt es in § 1 der Grundbestimmungen BVW:

93

„Der Zweck des Pensionsergänzungsfonds ist, den anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen … eine Pensionsergänzung zu gewähren, sofern und solange die in den Ausführungsbestimmungen näher bezeichneten Leistungen der Sozialversicherung sowie anderer gesetzlicher Versorgungen und die Leistungen der Versorgungskasse zusammen die Gesamtversorgungsbezüge gemäß § 4 der Ausführungsbestimmungen nicht erreichen“.

94

Demnach soll den Pensionsberechtigten eine einheitlich gestaltete Gesamtversorgung zugutekommen, wobei die Höhe jeweils abhängig ist von der anrechnungsfähigen Dienstzeit sowie dem pensionsfähigen Einkommen (vgl. §§ 2 bis 4 der AusfBestg BVW) und auf maximal 70 % des pensionsfähigen Entgelts beschränkt ist. Eine Pensionsergänzungsrente wird gezahlt, sofern Leistungen aus der Sozialversicherung, aus anderen gesetzlichen Versorgungen und Leistungen aus der Versorgungskasse die erdiente Gesamtversorgung nicht erreichen (§ 5 AusfBestg BVW). Nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW soll diese Gesamtversorgung wiederum einheitlich erhöht werden, nämlich grundsätzlich gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Rentenerhöhung. Außerdem soll nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW ausdrücklich die Gesamtversorgung steigen, nicht nur die Pensionsergänzung.

95

Diese Regelungen zusammen genommen verdeutlichen, dass den Betriebsrentnern eine gleichartige Gesamtversorgung zukommen soll, die im Versorgungsfall ebenfalls gleichmäßig zu steigern ist. Alle Anspruchsberechtigten sollen (prozentual) gleich partizipieren können, auch in Bezug auf spätere Erhöhungen. Dieses Verständnis wahrt zugleich den von den Betriebspartnern zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG).

96

Dieses System der Gesamtversorgung und der grundsätzlich gleichmäßigen Anpassung der Gesamtversorgung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW hat die Beklagte mit ihrer Entscheidung, im Ergebnis nur die Pensionsergänzung (um den gleichen Prozentsatz) zu erhöhen, verlassen. Diese Entscheidung verändert nämlich den mitbestimmten Verteilungsgrundsatz der gleichmäßigen Anpassung der Gesamtversorgung. Denn die von der Beklagten umgesetzte Erhöhung nur der Pensionsergänzungsrente führt zu einer prozentual unterschiedlichen Steigerung der Gesamtversorgung bei den Betriebsrentnern – und zwar je nachdem, wie hoch der Betrag der Pensionsergänzungsrente im Verhältnis zur gesetzlichen Rente und zur V1-Rente ist. Zwar stiegen die Pensionsergänzungsrenten einheitlich (um 0,5 %), nicht aber auch die Gesamtversorgungsbeträge.

97

Gleichzeitig ist die von den Betriebspartnern vorgesehene gleichmäßige Partizipation aller Betriebsrentner an der Erhöhung der Gesamtversorgung entsprechend dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gewahrt, da die Betriebsrentner im Hinblick auf die Gesamtversorgung nicht in gleichem Umfang profitieren, sondern unterschiedlich.

98

Dieser Verstoß gegen die Verteilungsgrundsätze der AusfBestg BVW hat zur Folge, dass die Entscheidung der Beklagten, nur die Pensionsergänzung um 0,5 % zu erhöhen, unwirksam ist. Das wiederum bedeutet, dass es bei dem Anspruch nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW verbleibt: die klagende Partei kann von der Beklagten die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge um den gesetzlichen Rentensteigerungssatz, d.h. für das Jahr 2015 ab dem 1. Juli 2015 um 2,0792 % verlangen. Unter Abzug der um den gleichen Satz gestiegenen gesetzlichen Rente und der unverändert gebliebenen V1-Rente ergibt sich die geltend gemachte (unstreitige) monatliche Differenz in Höhe von € 36,65 brutto sowie die Verpflichtung der Beklagten, ab dem 1.04.2016 eine um diesen Betrag erhöhte Betriebsrente an die klagende Partei zu zahlen.

bb)

99

Ob die Entscheidung auch auf der Rechtsfolgenebene von § 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW, wonach der Vorstand vorschlagen (und mit dem Aufsichtsrat entscheiden) darf, „was geschehen soll“, unwirksam ist, weil billiges Ermessen im Sinne von § 315 BGB nicht gewahrt wurde, kann letztlich dahinstehen, mag aber bezweifelt werden:

100

Soweit der Arbeitgeberin in Form eines Anpassungsvorbehalts (§ 6 Ziff. 3, 2. Hs. AusfBestg BVW i.V.m. § 315 BGB) ein Entscheidungsspielraum eingeräumt worden ist, ist bei der Ausübung billigen Ermessens zu beachten, dass die Entscheidung sich nur innerhalb der Verteilungsgrundsätze der Betriebsvereinbarung und nur innerhalb des Gesamtversorgungssystems bewegen darf. D.h.: auch insoweit müssten sich der Vorschlag und der Beschluss der Arbeitgeberin nach § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW bei einem Abweichen von § 6 Ziff. 1 an das System der Gesamtversorgung halten und eine Anhebung der Gesamtversorgung beinhalten, nicht nur eine Anhebung der Pensionsergänzungsrenten. Wie ausgeführt, führt vorliegend nämlich die Erhöhung nur der Ergänzungsrente zu einem prozentual unterschiedlichen Anstieg der Gesamtversorgung bei den Betriebsrentnern. Eine solche Entscheidung der Arbeitgeberin, die das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Gesamtversorgungssystem insoweit verlässt, als die Gesamtversorgung nicht gleichmäßig erhöht wird, dürfte sich als ermessensfehlerhaft erweisen.

cc)

101

Die Entscheidung der Beklagten ist des Weiteren deshalb unwirksam und somit unbeachtlich, weil die Beklagte mit dieser Entscheidung gegen das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen hat. Das hat zur Folge, dass sich die klagende Partei weiter auf den Grundsatz nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW berufen und die dort vorgesehene Anpassung der Gesamtversorgung verlangen kann.

102

aaa)

103

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bei einer unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätze fordern. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütung wird von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten (BAG, 24.1.2017, 1 AZR 772/14; 5.5.2015, 1 AZR 435/13; 22.6.2010, 1 AZR 853/08; zit. nach juris). Das gilt auch für Betriebsrentner.

104

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sichern (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; 3.12.1991, GS 2/90; zit. nach juris). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich nicht auf die Entscheidungen darüber, ob eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet wird, welche finanziellen Mittel dafür der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen hat, welcher Personenkreis begünstigt werden soll, welcher Durchführungsweg beschritten und welcher Versorgungsträger ausgewählt wird (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; 26.4.1988, 3 AZR 168/86; LAG Rheinland-Pfalz, 13.09.2007, 11 Sa 78/07; zit. nach juris). Mitbestimmungspflichtig sind aber alle Regeln, mit denen die zur Verfügung gestellten Mittel auf die Begünstigten verteilt werden (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; 26.4.1988, 3 AZR 168/86; zit. nach juris). Dies gilt auch für die Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen. Die Reduzierung des Dotierungsrahmens ist häufig nicht zu trennen von der Aufgabe, die verbliebenen Mittel nach durchschaubaren und den Gerechtigkeitsvorstellungen der Betriebsparteien entsprechenden Kriterien auf die begünstigten Arbeitnehmer zu verteilen. Solche Eingriffe sind nur dann mitbestimmungsfrei, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen kein Verteilungsspielraum für die verbliebenen Versorgungsmittel bleibt, ein abweichender Leistungsplan also nicht aufgestellt werden kann (BAG, 21.1.2003, 3 AZR 30/02; zit. nach juris; Fitting, 28. Auflage, § 87 BetrVG Rn. 461).

105

bbb)

106

Vorliegend ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Bezug auf die von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abweichende Anpassungsentscheidung eröffnet. Die Auslegung der Regelung in § 6 Ziff. 3 AusfBestg BVW ergibt, dass die Beklagte ohne (erneute) Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats nur eine von § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW abweichende Anpassungsentscheidung treffen darf, sofern sie an der Grundentscheidung, die Gesamtversorgungsbezüge niedriger als die gesetzliche Rentensteigerungsrate zu steigern (oder ggf. sogar ganz auszusetzen), festhält. Verändert sie jedoch die aufgestellten Verteilungsgrundsätze, so hat sie den Gesamtbetriebsrat mitbestimmen zu lassen.

i)

107

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, 08.12.2015, 3 AZR 267/14; zit. nach juris).

ii)

108

Unter Beachtung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich, dass mit der Regelung in § 6 Ziff. 3 der AusfBestg BVW die Arbeitgeberseite nur dem mitbestimmten Gesamtversorgungssystem immanente Entscheidungen treffen darf (siehe oben unter B, 2., b), aa), bbb), ii)). Ohne Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats ist sie nicht befugt zu entscheiden, nur die Pensionsergänzungsrente und nicht die Gesamtversorgung zu erhöhen. Die Erhöhung nur der Pensionsergänzungsrente verschiebt nämlich die vorgesehene Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel. Die Betriebsrentner profitieren nicht in gleichem Maße, wie bei Erhöhung der Gesamtversorgung, sondern abhängig davon, in welchem Größenverhältnis die Pensionsergänzungsrente zur gesetzlichen und zur V1-Rente steht. Abhängig von den jeweiligen Beträgen steigen somit die Gesamtversorgungsbezüge nicht mehr gleichmäßig, sondern in unterschiedlicher Höhe.

109

Das ist jedoch von § 6 der AusfBestg BVW nicht vorgesehen, was die Auslegung der Norm ergibt:

110

Wie bereits ausgeführt (siehe oben unter B, 2., b), aa), bbb), ii)), sehen die gemeinsam mit dem Betriebsrat in den AusfBestg BVW aufgestellten Verteilungsgrundsätze in § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW eine Erhöhung der Gesamtversorgung vor. Eine Erhöhung nur der Pensionsergänzungsrente ist nicht geregelt. Ebenso ist der gesamten betrieblichen Regelung zur Altersversorgung das System einer Gesamtversorgung zugrunde gelegt, was schon die Zweckbestimmung in § 1 der Grundbestimmungen BVW zeigt (s.o.).

111

Den Pensionsberechtigten soll eine einheitlich gestaltete Gesamtversorgung zugutekommen, wobei die Höhe jeweils abhängig ist von der anrechnungsfähigen Dienstzeit sowie dem pensionsfähigen Einkommen (vgl. §§ 2 bis 4 der AusfBestg BVW) und beschränkt ist auf maximal 70 % des pensionsfähigen Entgelts. Eine Pensionsergänzungsrente wird gezahlt, sofern Leistungen aus der Sozialversicherung, aus anderen gesetzlichen Versorgungen und Leistungen aus der Versorgungskasse die erdiente Gesamtversorgung nicht erreichen (§ 5 AusfBestg BVW). Nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW soll diese Gesamtversorgung wiederum einheitlich erhöht werden, nämlich grundsätzlich gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Rentenerhöhung. Außerdem soll nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW ausdrücklich die Gesamtversorgung steigen, nicht nur die Pensionsergänzung.

112

Diese Regelungen zusammen genommen verdeutlichen, dass den Betriebsrentnern eine gleichartige Gesamtversorgung zukommen soll, die im Versorgungsfall ebenfalls gleichmäßig zu steigern ist. Insofern sollen alle gleich partizipieren können, auch in Bezug auf spätere Erhöhungen, was gleichzeitig den von den Betriebspartnern zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG) wahrt.

113

ccc)

114

Die Beklagte hat gegen diese in den AusfBestg BVW nieder gelegten Verteilungsgrundsätze verstoßen, indem sie entschieden hat, nur die Pensionsergänzungsrente zu erhöhen und nicht die Gesamtversorgung.

115

Dieser Verstoß hat zur Folge, dass die klagende Partei die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 AusfBestg BVW verlangen kann, für das Jahr 2015 somit eine Erhöhung um 2,0972 %.

116

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf Betriebsrentner zukommt. Zwar vertritt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass ein solches Mitbestimmungsrecht vor allem mangels demokratischer Legitimation des Betriebsrats durch die Betriebsrentner ausscheidet (vgl. BAG, 13.11.2007, 3 AZR 455/06; 28.7.1998, 3 AZR 100/98; zit. nach juris).

117

Dieser Rechtsprechung kann jedoch im vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Hat der Betriebsrat grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Aufstellen der Verteilungsgrundsätze einer Versorgungsordnung mitzubestimmen, so muss sich dieses Mitbestimmungsrecht auf die ausgeschiedenen Mitarbeiter erstrecken. Zu beachten ist, dass es um Ansprüche geht, die ihren Rechtsgrund in einer Betriebsvereinbarung, d.h. in einer kollektiven Regelung haben, und die aus einem früheren Arbeitsverhältnis herrühren. Dabei betrifft eine solche Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung grundsätzlich aktive wie auch ausgeschiedene Mitarbeiter. Die Ansprüche beider Gruppen stützen sich auf diese kollektive Ordnung, die der Betriebsrat gemeinsam mit dem Arbeitgeber geschaffen hat. Beide Gruppen unterliegen den Änderungen, die im Hinblick auf die kollektive Ordnung erfolgen (Fitting, 28. Aufl., § 77 Rn. 39; GK-Kreutz, 10. Aufl., § 77 Rn. 190 ff). Auch gilt es zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat zwar gewählt wird, seine Normsetzungsbefugnis aber aus den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes folgt. Zudem gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend, z.B. auch gegenüber neu eingetretenen Mitarbeitern, die den Betriebsrat, der eine Regelung zusammen mit dem Arbeitgeber geschaffen hat, nicht mitgewählt haben (vgl. GK-Kreutz, 10. Aufl., § 77 Rn. 193).

118

Kollektiven, betrieblichen Regelungen ist immanent, dass sie Veränderungen durch die Betriebsparteien unterliegen, insbesondere bei langfristig angelegten normativen Regelungen. So kann veränderten Verhältnissen, die nicht bereits bei Aufstellen der kollektiven Ordnung gesehen und in den Bestimmungen berücksichtigt werden konnten, Rechnung getragen werden. Eine solche Abänderung kollektiver Regelungen, die der Mitbestimmung unterliegen, kann sodann auch nur kollektiv erfolgen, d.h. unter Beteiligung des Betriebsrats, was für alle Normunterworfenen gilt. Gerade bei betrieblichen Altersversorgungsregelungen kann auf diese Art und Weise auch der Generationengerechtigkeit Rechnung getragen werden. Dabei sind die Betriebsrentner vor zu weitreichenden oder ungerechtfertigten Eingriffen und Kürzungen der Betriebsrenten durch das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot, den Gleichbehandlungsgrundsatz, den Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und durch das sog. vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Drei-Stufen-Modell hinreichend geschützt (Fitting, 28. Aufl., § 77 Rn. 39a; GK-Kreutz, 10. Aufl., § 77 Rn. 193).

119

Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei Verneinen eines Mitbestimmungsrechts in Bezug auf die Betriebsrentner dieses jedenfalls in Bezug auf die Verteilungsgrundsätze nach Ausscheiden der Mitarbeiter nicht (mehr) durchsetzbar wäre und leerliefe. Zwar dürfte der Betriebsrat zunächst mitbestimmen bei der Frage der Verteilung der Mittel, d.h. auch bezüglich der Frage, wie die Renten im Versorgungsfall zu steigern sind. Allerdings könnte er die so mitbestimmten Regelungen nicht gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen, wenn ihm in Bezug auf die aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Betriebsrentner ein Mitbestimmungsrecht nicht zugestanden wird. Der Arbeitgeber hätte es in der Hand, einseitig nur gegenüber den Betriebsrentnern die Verteilungsgrundsätze bezüglich der Rentensteigerungen abzuändern, ohne dass der Betriebsrat, der zunächst gemeinsam mit dem Arbeitgeber die Bestimmungen verabschieden durfte, mitzubestimmen hätte. Dann aber ist ein solches Mitbestimmungsrecht im Ergebnis wertlos, entsprechende Regelungen obsolet. Das spricht dafür, dem Betriebsrat auch in Bezug auf die Betriebsrentner ein Mitbestimmungsrecht zuzubilligen, soweit es um eine kollektive Ordnung geht, die gemeinsam mit dem Arbeitgeber geschaffen wurde und die der Arbeitgeber – gegenüber den Betriebsrentnern – abändern möchte.

120

Das entspricht auch dem Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, das betriebliche Lohngefüge angemessen und durchsichtig zu gestalten und die betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu wahren, was sich im Fall der Betriebsrenten auch auf ausgeschiedene Mitarbeiter zu erstrecken hat. Denn insbesondere die Frage der Verteilungsgerechtigkeit betrifft nicht nur die aktiven Mitarbeiter, sondern auch die Betriebsrentner, wobei vor allem der Aspekt der Generationengerechtigkeit zu beachten ist. Das wiederum ist nur realisierbar, wenn dem Betriebsrat insoweit ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird.

121

ddd)

122

Mitbestimmungspflichtig ist danach sodann auch die Änderung der bestehenden Verteilungsgrundsätze (BAG, 29.1.2008, 3 AZR 42/06; 28.2.2006, 1 ABR 4/05, zit. nach juris). Das betrifft vorliegend auch die Verteilungsgrundsätze der Betriebsrentensteigerungen.

123

Mit ihrer Entscheidung vom 26. August/9. Oktober 2015 hat die Beklagte den Verteilungsgrundsatz der AusfBestg BVW, nur die Gesamtversorgung zu erhöhen, abgeändert, indem nur die Pensionsergänzungsrente jeweils um 0,5 % angehoben wurde, so auch gegenüber der klagenden Partei. Nach dem Vorgesagten hätte sie die Abänderung des mitbestimmten Verteilungsgrundsatzes jedoch nur unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats vornehmen dürfen.

124

Da sie dies versäumt hat, d.h. keine Zustimmung des Gesamtbetriebsrats eingeholt hatte, erweist sich die Entscheidung als unwirksam und wirkt sich nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG, GS, 3.12.1991, GS 2/90; 21.1.2003, 3 AZR 30/02; zit. nach juris) auch gegenüber der klagenden Partei aus. Die klagende Partei kann demnach die Anpassung nach § 6 Ziff.1 AusfBestg BVW von der Beklagten fordern.

c)

125

Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge ist zum letzten Tag des Monats fällig. Mit Ablauf dieses Tages befand sich die Beklagte mit der Zahlung der monatlichen Differenz in Verzug. Dies gilt aufgrund der in § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen des BVW geregelten Anpassungsautomatik auch im Hinblick auf die Anpassung in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente, da dieser Anspruch direkt aus § 6 Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen resultiert und aufgrund der vorstehend dargelegten Unwirksamkeit der Regelung des § 6 Ziffer 3 nicht der gerichtlichen Bestimmung im Sinne von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedarf.

II.

126

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

127

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und der Vielzahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Tenor

I. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Oktober 2013 - 2 Sa 272/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Landesarbeitsgerichts in Ziff. 1 zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14. Mai 2012 - 3 Ca 1926/11 E - abgeändert:

1. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 30. April 2012 5.641,44 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die jeweilige monatliche Differenz iHv. 351,60 Euro brutto im Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2011 und auf die jeweilige monatliche Differenz in Höhe von 353,36 Euro brutto im Zeitraum August 2011 bis April 2012 jeweils ab dem Ersten des Folgemonats zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit ab 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2014 ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD-VKA zu zahlen und die monatlichen Differenzen zwischen der Stufe 5 und der gezahlten Vergütung (jeweils brutto-Betrachtungsweise) mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils seit dem Ersten des Folgemonats zu verzinsen sind.

3. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über Vergütungsdifferenzansprüche für die Monate Januar 2011 bis einschließlich April 2012 sowie über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Dezember 2014 ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) zu zahlen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit August 1986 beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag idF des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) sowie nachfolgend der TVöD/VKA Anwendung. Nach erfolgreicher Bewährung erhielt sie eine Vergütung nach der VergGr. Vb Fallgr. 1c der Anlage 1a zum BAT-O.

3

Im Jahr 2004 gründete die Beklagte mit der Agentur für Arbeit M gemäß § 44b SGB II aF die Arbeitsgemeinschaft M GmbH (ARGE). In der „Vereinbarung über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft und Übertragung von Aufgaben“ heißt es:

§ 2

Vertragsgegenstand, Aufgaben der ARGE

(1) Die ARGE nimmt die ihr nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen dieses Vertrages übertragenen Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahr.

(2) Die ARGE nimmt gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II sämtliche der Agentur nach dem SGB II obliegenden Aufgaben wahr.

(3) Die Stadt überträgt der ARGE die Wahrnehmung folgender Aufgaben im Rahmen der Beleihung:

1. Bearbeitung und Auszahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1-4 SGB II. …

2. Bearbeitung und Auszahlung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II

3. Einziehung von Forderungen aus den übertragenen Aufgaben.

4. Bearbeitung von Widersprüchen und Erstellung von Widerspruchsbescheiden.

5. Prozessvertretung vor Gericht in den Angelegenheiten nach dem SGB II.

§ 4

Personal

(1) Die Agentur und die Stadt stellen der ARGE das notwendige Personal zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben bereit.

(5) Bis zum Erreichen der Sollbesetzung werden alle freien Stellen in der ARGE vorrangig bis zu 50 % durch städtische MitarbeiterInnen besetzt, es sei denn, eine Besetzung durch die Stadt ist nicht möglich. …

§ 15

Vertragsdauer, Kündigung, Auflösung

(2) Die Wahrnehmung der Aufgaben nach dieser Vereinbarung durch die ARGE, die im Zusammenhang mit der Bescheiderstellung stehen, beginnt am 01. Oktober 2004.

Die Wahrnehmung der übrigen Aufgaben nach dieser Vereinbarung durch die ARGE beginnt am 01. Januar 2005 und ist zunächst auf die Dauer von sechs Jahren befristet. Die Vertragspartner können den Vertrag einvernehmlich um jeweils drei weitere Jahre verlängern.

(3) Wenn die Stadt von der Option des § 6a SGB II Gebrauch machen möchte, ist sie berechtigt, diese Vereinbarung erstmals mit Wirkung zum 31. Dezember 2010 zu kündigen. Anschließend kann dieses Kündigungsrecht jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres ausgeübt werden. Eine Kündigung nach diesem Absatz muss schriftlich bis zum 31. März des Jahres, in welchem die Kündigung wirksam werden soll, der Agentur erklärt werden. Der Agentur steht das gleiche Kündigungsrecht zu.

(5) Erfolgt keine Verlängerung nach Abs. 2 oder kündigt die Stadt oder die Agentur gemäß Abs. 3, so sind die Gesellschafter verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die ARGE aufzulösen.“

4

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2009 der ARGE zu. Diese Zuweisung wurde einvernehmlich bis zum 31. Dezember 2010 verlängert.

5

Die Klägerin wurde in der ARGE als Fallmanagerin eingesetzt. Die Tätigkeit einer Fallmanagerin wird nach der VergGr. IVa Fallgr. 1a BAT-O bzw. der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA vergütet. Für die Dauer ihrer Tätigkeit als Fallmanagerin erhielt die Klägerin deshalb eine Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT-O in Höhe der Differenz der VergGr. Vb und IVa BAT-O und - nach Überleitung in den TVöD/VKA - zunächst ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 mit individueller Stufe 4 plus. Ab dem 1. Oktober 2007 wurde ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TVöD/VKA nebst Zulage gezahlt.

6

Zum 1. Januar 2011 wurde das Jobcenter M eG als gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II nF errichtet. Der Klägerin wurde mit Schreiben vom 29. November 2010 ihre Tätigkeit als Fallmanagerin - unter Zuweisung für fünf Jahre - dauerhaft übertragen. Sie wurde sodann nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TVöD/VKA - nebst einer Garantiezahlung wegen des Wegfalls der Zulage - vergütet.

7

Die Klägerin hat mit ihrer der Beklagten am 11. Juli 2011 zugestellten Klage die Auffassung vertreten, sie sei zumindest seit dem 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 4 zu vergüten gewesen, weshalb sie seit dem 1. Januar 2011 einen Entgeltanspruch nach Stufe 5 habe. Die zunächst lediglich vorübergehende Zuweisung der Tätigkeiten in der ARGE sei unbillig gewesen. Die Vereinbarung zur Errichtung der ARGE rechtfertige diese nicht. Es habe keine Prognose gegeben, nach der die ARGE wieder aufgelöst werden sollte.

8

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. April 2012 insgesamt 5.641,44 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die jeweilige monatliche Differenz iHv. 351,60 Euro brutto im Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2011 und auf die jeweilige monatliche Differenz in Höhe von 353,36 Euro brutto im Zeitraum August 2011 bis April 2012 jeweils ab dem Ersten des Folgemonats zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für die Zeit ab 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2014 ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD/VKA zu zahlen und die monatlichen Differenzen zwischen der Stufe 5 und der gezahlten Vergütung (jeweils brutto-Betrachtungsweise) mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils seit dem Ersten des Folgemonats zu verzinsen.

 

9

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die lediglich vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten habe billigem Ermessen entsprochen. Die tariflichen Regelungen enthielten keine zeitliche Begrenzung hierfür. Da die Vereinbarung mit der Agentur für Arbeit M über die Errichtung der ARGE befristet und kündbar gewesen sei, habe die konkrete Möglichkeit der Auflösung bestanden. Schon von Beginn an sei abzusehen gewesen, dass die in § 44b SGB II aF vorgesehene Mischverwaltung nicht nur schwierig handhabbar, sondern sogar verfassungswidrig sei. Eine dauerhafte Höhergruppierung habe auch deshalb nicht vorgenommen werden können, weil den der ARGE zugewiesenen Mitarbeitern aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personalrat ein Rückkehrrecht in die Kernverwaltung eingeräumt worden sei, bei der aber nicht genügend höherwertige Stellen vorhanden gewesen seien. Letztlich ständen den erhobenen Ansprüchen Treu und Glauben und die Ausschlussfristen sowie die Einrede der Verjährung entgegen.

10

Das Arbeitsgericht hat die - im Hauptantrag zunächst auf eine Zuordnung zur Stufe 6 der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA gerichtete - Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht ihr hinsichtlich der Stufe 5 stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage, soweit sie auf eine Vergütung der Klägerin nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD/VKA in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 gerichtet war, zu Recht stattgegeben.

12

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Antrag zu 2. erforderliche Feststellungsinteresse. Mit der erstrebten Feststellung wird der Streit der Parteien über die zutreffende Stufenzuordnung und mit ihr die Berechnung der Vergütung auch zukunftsbezogen abschließend geklärt. Das Feststellungsinteresse besteht auch bezogen auf die gegenüber der Hauptforderung akzessorischen Zinsforderungen (BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 15 f. mwN; vgl. für die Eingruppierungsfeststellungsklage 13. Mai 2015 - 4 AZR 355/13 - Rn. 9 mwN).

13

II. Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, auch begründet. Die Klägerin hat ab dem 1. Januar 2011 einen Vergütungsanspruch nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD/VKA. Die Frage, ob darüber hinaus eine Vergütungspflicht nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 6 TVöD/VKA bereits ab diesem Zeitpunkt bestand, ist nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Den dahin gehenden Antrag hat das Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen.

14

1. Der TVöD/VKA - ebenso wie zuvor der BAT-O - findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

15

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls ab dem 1. Januar 2011 nach der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA zu vergüten ist. Ihre Tätigkeit als Fallmanagerin erfüllt die Anforderungen der VergGr. IVa Fallgr. 1a BAT-O. Sie hebt sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgr. 1a heraus. Folglich ist sie nach der Überleitungstabelle des TVÜ-VKA der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA zuzuordnen. Davon gehen beide Parteien übereinstimmend aus. Das Landesarbeitsgericht durfte sich deshalb auf eine pauschale, summarische Prüfung beschränken (vgl. BAG 21. Januar 2015 - 4 AZR 253/13 - Rn. 21; 9. Mai 2007 - 4 AZR 351/06 - Rn. 23). Gegen diese Wertung wendet sich auch keine der Parteien.

16

3. Die Klägerin ist ab dem 1. Januar 2011 der Stufe 5 der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA zuzuordnen.

17

a) Die Klägerin war unstreitig spätestens seit dem 1. Januar 2007 als Fallmanagerin tätig.

18

b) Die Tätigkeit einer Fallmanagerin war ihr bereits ab diesem Zeitpunkt nicht nur vorübergehend iSv. §§ 24, 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT-O übertragen worden. Die Klägerin war daher gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. Anlage 1 TVÜ-VKA in die Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA überzuleiten. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA war sie zunächst der Stufe 4 und nach Ablauf weiterer vier Jahre, dh. zum 1. Januar 2011, der Stufe 5 zuzuordnen.

19

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Wirksamkeit der vorübergehenden Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit iSv. §§ 24, 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT-O sowie § 14 TVöD/VKA an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts) entsprechend § 106 GewO einzuhalten hat(BAG 16. April 2015 - 6 AZR 242/14 - Rn. 20; 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 17 ff. mwN). Es findet eine sog. doppelte Billigkeitsprüfung statt. In einem ersten Schritt muss es billigem Ermessen entsprechen, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Übertragung oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und ggf. einer höheren Vergütung überwiegt (BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 18 mwN; grdl. 17. April 2002 - 4 AZR 174/01 - zu II 3 c bb (1) der Gründe, BAGE 101, 91). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, trägt derjenige, der das Leistungsbestimmungsrecht ausübt (BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 19 mwN). Entspricht die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht billigem Ermessen, erfolgt die „Bestimmung“ der Leistung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch richterliche Entscheidung, die darin besteht, dass die Übertragung der betreffenden Tätigkeit nicht nur als vorübergehend, sondern als von Anfang an oder ab einem anderen bestimmten Zeitpunkt auf Dauer erklärt gilt.

20

(1) Nach dem gesetzlichen Konzept enthält § 315 Abs. 2 BGB eine Zweiteilung zwischen feststellender Kassation und rechtsgestaltender Ersatzleistungsbestimmung(Staudinger/Rieble 2015 § 315 BGB Rn. 484). Hat eine gerichtliche Leistungsbestimmung iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu erfolgen, wirkt diese - nach der Kassation der unbilligen Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - zwar regelmäßig nur ex nunc(BGH 30. Mai 2003 - V ZR 216/02 - zu II 5 der Gründe; Staudinger/Rieble 2015 § 315 BGB Rn. 403 mwN; Soergel/Wolf BGB 12. Aufl. Bd. 2 § 315 Rn. 44). Der konkretisierte Anspruch ist danach erst ab Rechtskraft des richterlichen Gestaltungsakts fällig und durchsetzbar. Deshalb sind in den Fällen des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig, sofern die Parteien keine abweichenden Vereinbarungen getroffen haben, Zinsen erst ab Rechtskraft der Entscheidung zuzusprechen(BAG 18. März 2014 - 3 AZR 249/12 - Rn. 34 mwN; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139). Allerdings muss nicht stets die gerichtliche Leistungsbestimmung beantragt werden. Der Antrag kann sich auf die Feststellung der Unbilligkeit beschränken (vgl. etwa BGH 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - Rn. 10, BGHZ 172, 315).

21

(2) Greift ein Arbeitnehmer mit seiner Klage die Billigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit iSd. tarifvertraglichen Regelungen an, begehrt er regelmäßig die bloße Kassation des Merkmals „vorübergehend“. Das hat zur Folge, dass die höherwertige Tätigkeit als von Anfang an, dh. ex tunc als „dauerhaft“ übertragen gilt. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Tarifautomatik und dem Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen dauerhafter und vorübergehender Tätigkeitsübertragung.

22

(a) Die Tarifautomatik wird durch eine „nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit“ ausgelöst. Die dauerhafte Tätigkeitszuweisung ist der Regelfall, die vorübergehende die Ausnahme (vgl. dazu BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 20). Ihr folgen die Ein- oder Höhergruppierung als bloße Akte der Rechtsanwendung unmittelbar nach. Diesen kommt keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Aus der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale folgt unmittelbar ein entsprechender tariflicher Vergütungsanspruch, ohne dass es einer weiteren Maßnahme des Arbeitgebers bedürfte (BAG 14. November 2007 - 4 AZR 946/06 - Rn. 21). Ohne das einschränkende Merkmal „nur vorübergehend“ würde die Zuweisung der (neuen) höher zu bewertenden Tätigkeit automatisch eine Höhergruppierung bewirken (vgl. Bredemeier/Neffke BAT/BAT-O 2. Aufl. § 24 Rn. 11). Danach genügt die bloße - ggf. inzidente - Kassation der die Ausnahme begründenden Entscheidung des Arbeitgebers gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, um die Regel - die Tarifautomatik - wiederherzustellen. Es bedarf deshalb keiner gesonderten gerichtlichen Gestaltung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in Form einer dauerhaften Zuweisung, wenn deren Ausschluss nicht wirksam erfolgt ist.

23

(b) Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen. Dem öffentlichen Arbeitgeber soll bei einem vorübergehenden Bedarf an der Entgegennahme der höherwertigen Leistungen ausnahmsweise eine nur zeitlich beschränkte Aufgabenübertragung ermöglicht werden. Auf diese Weise muss bei Wegfall der Aufgabe keine Herabgruppierung erfolgen, die zumeist nicht ohne Änderungskündigung möglich ist (vgl. Conze/Karb/Wölk Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst 4. Aufl. Herabgruppierung Rn. 1644). Dabei soll aber der betroffene Arbeitnehmer gemäß § 24 BAT-O bzw. § 14 TVöD/VKA nach dem Willen der Tarifvertragsparteien vergütungsrechtlich nicht schlechter gestellt werden als der Arbeitnehmer, dem diese Tätigkeit dauerhaft übertragen ist(vgl. zu § 24 BAT BAG 11. September 2003 - 6 AZR 424/02 - Rn. 23, BAGE 107, 286).

24

(3) Die Befugnis des Arbeitgebers, Arbeitnehmern vorübergehend höherwertige Aufgaben zu übertragen, ist zwar durch explizite tarifliche Regelungen grundsätzlich zeitlich nicht begrenzt (BAG 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - Rn. 46; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 474/04 - Rn. 20, BAGE 116, 319; 17. April 2002 - 4 AZR 174/01 - zu II 3 e der Gründe, BAGE 101, 91). Als Ausnahme vom Grundsatz der Tarifautomatik bedarf sie aber eines hinreichenden Grundes, um billigem Ermessen zu entsprechen. Dabei ist die bloße Unsicherheit über die Dauer der höherwertigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht ausreichend. Die tariflichen Regelungen können nicht dafür herangezogen werden, das Risiko der Ungewissheit über die Dauer des weiteren Beschäftigungsbedarfs auf den Arbeitnehmer zu übertragen (BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 20).

25

bb) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, die von der Klägerin an sich nicht beanstandete Übertragung der höherwertigen Tätigkeit als nur vorübergehende habe jedenfalls ab 1. Januar 2007 nicht mehr billigem Ermessen entsprochen.

26

(1) Bei dem billigen Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO(§ 315 Abs. 3 BGB) handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dessen Anwendung kann durch das Revisionsgericht grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob das Tatsachengericht ihn rechtsfehlerfrei angewandt hat und ob die Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalls vollständig, ohne inneren Widerspruch und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erfolgt ist (BAG 18. April 2012 - 10 AZR 134/11 - Rn. 23; 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 21 mwN).

27

(2) Diesem Maßstab wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit entsprach jedenfalls ab 1. Januar 2007 nicht mehr billigem Ermessen. Ob die mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 erfolgte, auf den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2009 beschränkte Tätigkeitsübertragung auch schon für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2007 ermessensfehlerhaft war, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat durch rechtskräftiges Urteil einen weitergehenden Anspruch verneint.

28

(a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht seiner Prüfung keinen fehlerhaften Maßstab zugrunde gelegt. Es hat nicht - wie die Revision meint - eine befristungsrechtliche Sachgrundprüfung anstelle der Billigkeitsprüfung gemäß § 315 BGB vorgenommen. Es hat lediglich die rechtlichen Erwägungen des Siebten Senats aus dessen Entscheidung vom 11. September 2013 (- 7 AZR 107/12 -) zur Wirksamkeit der Befristungsregelung im Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin einer sogenannten Optionskommune (vgl. § 6a SGB II aF) im Rahmen der anzustellenden Ermessensentscheidung aufgegriffen und fallbezogen bei der Prüfung von § 24 BAT-O berücksichtigt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

29

(b) In der Sache hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, allein eine Unsicherheit über die Dauer der Beschäftigungsmöglichkeit mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten könne eine nur vorübergehende Übertragung nicht rechtfertigen. Die Beklagte hat keine hinreichenden Tatsachen für eine Prognose dargetan, eine dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers mit der übertragenen höherwertigen Tätigkeit werde in Zukunft ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr möglich sein (vgl. BAG 4. Juli 2012 - 4 AZR 759/10 - Rn. 24).

30

(aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten drohte im Streitfall konkret keine Auflösung der ARGE, die ggf. zu einem Aufgabenwegfall bei der Beklagten zum 31. Dezember 2009 hätte führen können. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist keine Aufgabe von nur begrenzter Dauer. In einem steuerfinanzierten staatlichen Fürsorgesystem, das für erwerbsfähige Hilfebedürftige vorrangig Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. eine Beschäftigung erbringt, handelt es sich um eine sozialstaatliche Daueraufgabe (BAG 11. September 2013 - 7 AZR 107/12 - Rn. 27). § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II aF enthielt als Regelfall eine Verpflichtung der kommunalen Träger, ihre Aufgaben(§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) der Arbeitsgemeinschaft zu übertragen (ausführlich BVerfG 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 22 BvR 2434/04 - Rn. 111 f., BVerfGE 119, 331). Unerheblich ist deshalb, dass in der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Agentur für Arbeit M über die Errichtung der ARGE M GmbH eine Befristungsregelung (§ 15 Abs. 2) sowie eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart waren (§ 15 Abs. 3 und Abs. 4). Die in § 15 Abs. 5 der Vereinbarung angesprochene Auflösung der ARGE hätte es nach dem Regelungskonzept des SGB II aF grundsätzlich nur dann geben können, wenn die Beklagte als Optionskommune nach § 6a SGB II nach dem 31. Dezember 2009 anerkannt worden wäre. Hiermit wäre jedoch gerade kein Aufgabenwegfall auf Seiten der Beklagten, sondern im Gegenteil ein Aufgabenzuwachs verbunden gewesen.

31

(bb) Auch die von der Beklagten behauptete Antizipation der Verfassungswidrigkeit dieses Regelungsmodells zum Zeitpunkt der Zuweisung im Dezember 2004 rechtfertigt die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit iSv. § 24 BAT-O nicht. Eine Verwerfung der gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht (zum Verwerfungsmonopol vgl. Art. 100 GG) war - trotz aller anfänglicher Kritik in der Literatur - nicht, insbesondere nicht bis spätestens 31. Dezember 2009, dh. bis zum Ende der zunächst erfolgten vorübergehenden Zuweisung, mit hinreichender Sicherheit zu erwarten.

32

(cc) Die - von der Revision nicht mehr angegriffenen - Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu dem mit dem Personalrat vereinbarten Rückkehrrecht begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Da das Rückkehrrecht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht die dauerhafte Beschäftigung mit einer höherwertigen Tätigkeit in der Kernverwaltung der Beklagten umfasste, vermochte es die lediglich vorübergehende Aufgabenzuweisung in der ARGE nicht zu rechtfertigen.

33

4. Den Ansprüchen der Klägerin stehen weder Einwendungen noch Einreden entgegen.

34

a) Die Klägerin hat die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD/VKA gewahrt. Sie hat mit ihrer am 11. Juli 2011 zugestellten Klage Ansprüche erst ab Januar 2011 geltend macht. Selbst zum Zeitpunkt der Klagezustellung waren sechs Monate nach Fälligkeit (§ 37 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD/VKA) noch nicht vergangen.

35

b) Die Ansprüche sind auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist nach § 195 BGB war nicht abgelaufen.

36

c) Schließlich kann die von der Beklagten angeführte Nichtäußerung der Klägerin im Hinblick auf ihr Angebot auf rückwirkende Höhergruppierung zum 1. Januar 2007 bei gleichzeitiger Rückzahlung eines beträchtlichen Teils der erhaltenen Zulage keine Treuwidrigkeit iSv. § 242 BGB begründen.

37

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD/VKA, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

38

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Klotz    

        

    Lippok    

                 

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2016, Az. 4 Ca 1207/16, wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert sowie insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

a) beginnend mit dem 01.02.2018 über den Betrag von € 2.786,24 brutto hinaus jeweils zum Ersten eines Monats weitere € 149,41 brutto,

b) € 547,56 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 45,63 seit dem 02.07., 04.08., 02.09., 02.10., 03.11., 02.12.2015 und dem 05.01., 02.02., 02.03., 04.04., 03.05., 02.06.2016,

c) € 1.792,92 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 149,41 seit dem 04.07., 02.08., 02.09., 05.10., 03.11., 02.12.2016 und dem 03.01., 02.02., 02.03., 04.04., 03.05., 02.06.2017

zu zahlen.

Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; für den Kläger wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016.

2

Der 1931 geborene Kläger war vom 01.10.1964 bis zum 31.12.1989 Arbeitnehmer der V. Deutsche Lebensversicherung AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen G. Konzern eingebunden ist. Seit dem 01.11.1991 gewährt sie dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung.

3

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als „Betriebliches Versorgungswerk“ bezeichnet wird. Der Kläger gehört zum berechtigten Personenkreis. Unter dem 08.07.1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Betriebsvereinbarung „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (BVW). Die BVW gewährt den Anspruchsberechtigten eine Gesamtversorgung. Zunächst wird eine individuell erreichbare Gesamtversorgung ermittelt (höchstens 70% des pensionsfähigen Arbeitsentgelts), von der als anzurechnendes Einkommen die gesetzliche Rente sowie Rentenleistungen aus einer Versorgungskasse der V. VVaG (sog. VK-Rente) abgesetzt werden. Die Lücke zum erworbenen Gesamtversorgungsanspruch wird mit einer Pensionsergänzungszahlung (sog. Vofue-Rente) ausgeglichen.

4

In den Ausführungsbestimmungen des BVW (BVW-A) ist ua. folgendes geregelt:

5

„§ 6Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

6

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.

7

(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

8

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

9

3. Hält der Verstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

10

Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.

11

….

12

Bis zum 30.06.2015 zahlte die Beklagte dem Kläger (brutto) eine monatliche Gesamtrente iHv. € 2.709,33, die sich aus einer VK-Rente iHv. € 470,96 und einer Vofue-Rente iHv. € 2.238,37 zusammensetzte.

13

Ab dem 01.07.2015 zahlte sie dem Kläger eine um 0,5 % erhöhte Betriebsrente von monatlich € 2.720,52 (VK-Rente € 470,96 plus Vofue-Rente € 2.249,56), obwohl die Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu diesem Stichtag in den alten Bundesländern 2,0972 % betrug. Ab dem 01.07.2016 zahlte sie dem Kläger eine um weitere 0,5 % erhöhte Betriebsrente von monatlich € 2.734,17 (VK-Rente € 473,36 plus Vofue-Rente € 2.260,81), obwohl die Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu diesem Stichtag in den alten Bundesländern 4,2451 % betrug. Ab dem 01.07.2017 zahlt sie dem Kläger eine Betriebsrente von monatlich € 2.786,24 (VK-Rente € 473,36 plus Vofue-Rente € 2.312,41). Zu diesem Stichtag gab sie die Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern von 1,9 % an den Kläger voll weiter.

14

Mit seinen Zahlungsanträgen macht der Kläger - zweitinstanzlich zuletzt - für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 eine Erhöhung der Betriebsrente um 2,0972 % auf € 2.766,15 geltend, der monatliche Differenzbetrag zur gezahlten Rente beträgt € 45,63, der begehrte Nachzahlungsbetrag € 547,56. Außerdem verlangt er für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 eine Erhöhung um 4,2451 % auf € 2.883,58, der monatliche Differenzbetrag zur gezahlten Rente beträgt € 149,41, der begehrte Nachzahlungsbetrag € 1.792,92. Die Differenzbeträge sollen zeitlich gestaffelt verzinst werden. Ab dem 01.02.2018 verlangt der Kläger fortlaufend eine um € 149,41 höhere Betriebsrente. Die Geltendmachung eines höheren Differenzbetrags zur gezahlten Rente behält er sich ausdrücklich vor. Für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 31.01.2018 fehlt ein Antrag.

15

Sowohl im Jahr 2015 als auch im Jahr 2016 fasste der Vorstand der G. Deutschland AG konzernweit den Beschluss, dass eine Erhöhung der Betriebsrenten aller Rentner um mehr als 0,5 % iSd. § 6 Ziff. 3 BVW-A nicht vertretbar sei. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten schlossen sich dem an. Der Konzernbetriebsrat, der Gesamtbetriebsrat und die örtlichen Betriebsräte äußerten sich ablehnend. Die Beklagte erzielte im Geschäftsjahr 2014 einen Jahresüberschuss von € 236 Mio.; im Jahr 2015 einen Gewinn von € 8,9 Mio..

16

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er habe gem. § 6 Ziff. 1 BVW-A sowohl zum Stichtag 01.07.2015 als auch zum Stichtag 01.06.2016 einen Anspruch auf Erhöhung seiner Betriebsrente entsprechend der Steigerung in der gesetzlichen Rentenversicherung. § 6 Ziff. 3 BVW-A sei in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 307 BGB unwirksam. Die Regelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung sei sowohl in Hinblick auf die Anforderungen als auch auf die Rechtsfolgen völlig unbestimmt. Dem Vorstand sei ein Handlungsrecht eingeräumt worden, wenn er die Veränderung der Renten nach Ziff. 1 "nicht für vertretbar" halte. Diese Regelung sei auch in entsprechender Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB unbestimmt. Da es sich um einen Änderungs- und Widerrufsvorbehalt handele, müssten die Gründe in der Norm selbst angelegt sein. Selbst wenn man von der Wirksamkeit des § 6 Ziff. 3 BVW-A ausgehe, habe die Beklagte diesen nicht zulässig angewendet, weil die Voraussetzungen für eine abändernde Entscheidung nicht vorlägen. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, ob die zuständigen Betriebsräte angehört, der Vorstand dem Aufsichtsrat die Änderungen vorschlagen und letztlich der Aufsichtsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst habe. Zudem sei die Entscheidung verspätet erfolgt. Anpassungsstichtag sei der 1. Juli; die Anpassung der Betriebsrente erfolge zum Stichtag quasi automatisch. Eine nachträgliche Abänderung nach Ziff. 3 sei in der Regelung nicht vorgesehen. Auch verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen § 315 BGB, denn sie habe nicht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien gehandelt. Letztlich stünde der Entscheidung eine betriebliche Übung entgegen, denn die Beklagte habe in der Vergangenheit die Betriebsrenten immer ohne Vorbehalt um die gesetzlichen Rentenerhöhungen gesteigert.

17

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

18

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem 01.11.2016 über den Betrag von € 2.734,17 brutto hinaus jeweils zum ersten eines Monats einen Betrag iHv. € 149,41 zu zahlen,

19

2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn beginnend mit dem 01.11.2016 über den Betrag von € 2.734,17 brutto hinaus jeweils zum ersten eines Monats einen Betrag iHv. € 149,41 brutto zu zahlen,

20

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag iHv. € 547,56 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 45,63 brutto seit dem 02.07., 02.08., 02.09., 02.10., 03.11., 02.12.2015 und dem 03.01., 02.02., 02.03., 02.04., 03.05., 02.06.2016 zu zahlen,

21

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag iHv. € 597,64 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 149,41 brutto seit dem 02.07., 02.08., 02.09., 02.10.2016 zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Sie hat vorgetragen, dem Vorstand sei in der Gesamtbetriebsvereinbarung gem. § 6 Ziff. 3 BVW-A ein Abänderungsrecht vorbehalten worden, wenn er die Regelanpassung der Betriebsrenten "nicht für vertretbar" halte. Der Vorstand der Holdinggesellschaft (G. Deutschland AG) habe am 03.06.2015 beschlossen, dass eine Erhöhung der Betriebsrenten nach der BVW-A um mehr als 0,5 % nicht vertretbar sei. Er habe weiter beschlossen, eine entsprechende Beschlussfassung zur Rentenanpassung durch die Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte der betroffenen Konzerngesellschaften zu initiieren. Nachfolgend habe auch ihr Vorstand beschlossen, die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen. Mit E-Mail vom 15.06.2015 seien der Gesamtbetriebsrat und vorsorglich auch die örtlichen Betriebsräte angehört worden. In einem zweiten Schritt habe ihr Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Reduzierung der Anpassung auf 0,5 % zum 01.07.2015 beschlossen, wobei der Beitrag des Vorstands zur gemeinsamen Beschlussfassung am 26.08.2015 erfolgt sei. Der Beitrag des Aufsichtsrats sei im Umlaufverfahren am 09.10.2015 geleistet worden. Auch im Jahr 2016 habe sie auf Basis konzernweiter Entscheidung beschlossen, mit denselben Gründen wie im Jahr 2015 die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen. Dazu habe ihr Vorstand im Umlaufverfahren mit Ende der Stimmabgabe zum 17.05.2016 einstimmig beschlossen, dass die Erhöhung der Renten um mehr als 0,5 % nicht vertretbar sei. Mit E-Mail vom 17.05.2016 habe sie den Gesamtbetriebsrat sowie vorsorglich die örtlichen Betriebsräte angehört. Ihr Vorstand und der Aufsichtsrat hätten in einem zweiten Schritt gemeinsam die Reduzierung der Anpassung auf 0,5 % zum 01.07.2016 beschlossen. Der inhaltlich entsprechende Beitrag des Aufsichtsrats sei am 22.06.2016 erfolgt.

25

Die Entscheidungen von Aufsichtsrat und Vorstand seien unter Berücksichtigung der Argumente der angehörten Betriebsräte und aller entscheidungsrelevanten Grundlagen im Rahmen einer Interessenabwägung erfolgt. Die BVW gewähre ein Versorgungniveau, das weit überdurchschnittlich hoch sei. So betrage die durchschnittliche Jahresrente aus der Pensionsergänzung € 10.664,00 und aus der Versorgungskasse € 5.284,00. Im Vergleich dazu fielen am Hauptsitz des Konzerns Versorgungsleistungen nur im Durchschnitt von € 7.486,00 an. Grundlage der Beschlussfassung des Vorstands und des Aufsichtsrats seien widrige Rahmenbedingungen am Markt, die eine zukunftsfähige Neuaufstellung erforderlich machten. Der Konzern habe auf diese Umstände mit einem Zukunftsprogramm reagiert, dessen wesentlicher Baustein das Konzept "Simpler, Smarter for You (SSY)" bilde. Dieses Konzept stütze sich nicht auf eine aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern solle vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfelds die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Konzernes sichern. Das schwierige Marktumfeld werde vordringlich geprägt durch ein historisch niedriges Zins- und Inflationsniveau sowie eine schwache Konjunktur im Versicherungsmarkt. Insbesondere für Lebensversicherer sei es immer schwieriger, das Geld ihrer Kunden lukrativ anzulegen. Aus der angespannten Situation an den Kapitalmärkten resultiere ein erhöhtes Risikopotenzial für die Geschäftsentwicklung. Auch die demographische Entwicklung der Bevölkerung, die zusehends älter werde, erhöhe das sog. Langlebigkeitsrisiko der Versicherer. Weiterhin stelle der zunehmende regulatorische Druck die Versicherungswirtschaft vor neue Herausforderungen. Am 07.08.2014 sei das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) in Kraft getreten, das neben der Absenkung des Höchstrechnungszinses zum 01.01.2015 von 1,75 auf 1,25 % und der Maßstäbe für die Berechnung der verschiedenen Bewertungssätze im Versicherungsmarkt den Verwaltungs- und Finanzierungsaufwand deutlich erhöhe. Darüber hinaus verschlechtere Solvency II, ein Projekt der EU-Kommission zur Reform des Versicherungsrechts in Europa, die Anforderungen an die Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen, da Änderungen der Bewertungsmaßstäbe und der Geschäftsorganisation eine höhere Kapitaldecke zur Risikoabdeckung erforderten. Ebenfalls seien steigende Kundenanforderungen zu berücksichtigen, insbesondere infolge hoher Preissensitivität und sinkender Loyalität. Darüber hinaus sei sie gehalten, auf Umstrukturierungen im Branchenumfeld seitens der Wettbewerber zu reagieren. Das SSY-Konzept sehe strategisch vor, den Ansatz im (Lebens-)Versicherungsgeschäft neu zu erfinden. Die Komplexität innerer Strukturen solle reduziert werden, organisatorische Verschlankungen sollen vorgenommen und die Effektivität und Effizienz erhöht werden. Der Fokus solle auf die Kunden und den Vertrieb gerichtet werden. In finanzieller Hinsicht ziele das SSY-Konzept auf eine konzernweite Einsparung von € 160 bis 190 Mio. jährlich durch Neuordnung von Strukturen und Einsparungen, insbesondere von Personalkosten. Es sollen Standorte geschlossen oder verlegt werden, kundenferne Stabsstellen reduziert und Dopplungen von Funktionen vermieden werden. In diesem Zusammenhang stehe auch der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigung im Raum. Die aktive Belegschaft müsse mit signifikanten monetären Einschnitten bis hin zu im alltäglichen Arbeitsleben spürbaren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen rechnen. So habe ihr Vorstand am 03.06.2015 auf unbestimmte Zeit einen Einstellungsstopp beschlossen, der zu einer spürbaren Arbeitsverdichtung und damit zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Arbeitsleistung und Vergütung der betroffenen Mitarbeiter führe. Gleiches folge aus dem konzernweiten Verbot der Entfristung befristeter Arbeitsverträge. Zugleich sei ein grundsätzlicher Beförderungsstopp auf unbestimmte Zeit beschlossen worden. Außerdem sei das Budget für Sachkosten um ca. € 15 Mio. gekürzt und eine restriktivere Regelung für Fort- und Weiterbildung eingeführt worden. Auch die Reisekosten seien auf ein Minimum beschränkt worden. Darüber hinaus sehe das SSY-Konzept vor, dass auch die Führungsebene einen signifikanten Beitrag zur Zukunftssicherung leiste, in dem die Leistungszusagen zur betrieblicher Altersversorgung für Neueintritte auf Vorstandsebene und der Ebene der leitenden Angestellten um die Hälfte gekürzt worden sei. Nach der derzeitigen Planung sollen im Zuge des SSY-Konzepts in Deutschland zunächst bis ins Jahr 2018 tausend Vollzeitarbeitsplätze abgebaut werden. Fast jeder zehnte der rund 13.000 Mitarbeiter des Generali-Konzerns in Deutschland sei betroffen. Falls die Generali Deutschland Gruppe in den laufenden Gerichtsverfahren (bundesweit ca. 700) wegen der geringer ausgefallenen Rentenerhöhung unterliege sollte, müsse die aktive Belegschaft mit weiteren Einschränkungen rechnen.

26

Für die Realisierung des SSY-Konzepts müssten auch die Betriebsrentner ihren Beitrag leisten. Eine Entscheidung, die aktive Belegschaft (stärker) zu belasten, um die Betriebsrentner von Eingriffen auszusparen, begegne im Rahmen der Gerechtigkeit des Generationenvertrags rechtlichen Bedenken. Im Verhältnis zu den Einschnitten, die die aktive Belegschaft in Kauf nehmen müsse, sei die Belastung des Klägers verhältnismäßig gering. Er habe schon derzeit ein überdurchschnittlich hohes Versorgungsniveau, weitaus höher als das der anderen Versorgungsempfänger im G.-Konzern. Diese hätten gem. § 16 BetrAVG im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2015 lediglich eine Erhöhung um 0,28 % (Verbraucherpreisindex) erhalten. Der Kaufkraftverlust des Klägers sei bei ihren Entscheidungen jeweils berücksichtigt worden. Dieser sei auch ohne die von ihm begehrte Anpassung insgesamt ausgeglichen. Der Kläger habe auch kein schutzwürdiges Vertrauen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 3 BVW-A angelegt. Er habe damit rechnen müssen, dass sie von der in der Betriebsvereinbarung eröffneten Möglichkeit im Rahmen des billigen Ermessens Gebrauch mache.

27

Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 16.11.2016 auf den Hilfsantrag, den der Kläger auf richterlichen Hinweis im Kammertermin gestellt hat, festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn beginnend mit dem 01.11.2016 über den Betrag von € 2.734,17 brutto hinaus jeweils zum Ersten eines Monats einen Betrag iHv. € 149,41 brutto zu zahlen und den Zahlungsanträgen - bis auf die Zinsforderung - stattgegeben. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es zusammengefasst ausgeführt, der Kläger könne ab 01.07.2015 und ab 01.07.2016 gem. § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW-A die Erhöhung seiner Betriebsrente entsprechend der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen. Die Beklagte sei zu Anpassungsentscheidungen, also zu Leistungsbestimmungen iSv. § 315 BGB verpflichtet. Der Beklagten stehe hierbei ein Ermessen zu, das allerdings erheblich beschränkt sei. Im Grundsatz habe eine Anpassung gem. Ziff. 1 entsprechend der Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfolgen. Hiervon dürfe nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn diese Anpassung "nicht für vertretbar" gehalten werden könne. Dies sei vor dem Hintergrund der derzeit noch erzielten erheblichen Gewinne sowie dem von der Beklagten selbst aufgezeigten alternativen Einsparpotential (Boni) nicht zu erkennen. Zwar seien an eine Unvertretbarkeit iSv. § 6 Ziff. 3 BVW-A keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Gleichwohl sei es angesichts der Betriebsergebnisse in den vergangenen Jahren - die Gewinn- und Verlustrechnung weise sowohl für 2014 als auch für 2015 einen Gewinn in dreistelliger Millionenhöhe aus - nicht unvertretbar, den Betriebsrentnern die ihnen dem Grundsatz nach zustehende Erhöhung ihrer Rente zu gewähren.

28

Gegen das am 09.12.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 09.01.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 10.04.2017 verlängerten Frist mit einem am 10.04.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet. Dieser Schriftsatz ist dem Kläger am 13.04.2017 zugestellt worden. Er hat mit Schriftsatz vom 10.05.2017 Anschlussberufung eingelegt und für weitere Zeiträume (bis 30.06.2017) rückständige Leistung verlangt. Die Rückstände sollen zeitlich gestaffelt verzinst werden. Zuletzt macht er mit Schriftsatz vom 16.10.2017 künftige Leistungen ab 01.02.2018 geltend. Für die Zeit vom 01.07.2017 bis 31.01.2018 fehlt ein Antrag.

29

Die Beklagte macht nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 10.04.2017, vom 13.06.2017 und vom 27.11.2017, auf die Bezug genommen wird, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend, ihre Entscheidungen zur Rentenanpassung in den Jahren 2015 und 2016 seien von § 6 Ziff. 3 BVW-A gedeckt. Sie habe nach gewissenhafter und sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte im Rahmen billigen Ermessens ihr Interesse an einer gedeihlichen Fortentwicklung des Unternehmens mit den gegenläufigen Interesse der einzelnen Betriebsrentner an einem Teuerungsausgleich angemessen zum Ausgleich gebracht. Sie habe bereits erstinstanzlich das SSY-Konzept im Einzelnen dargelegt, dass die wesentliche Grundlage des Programms zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Unternehmens darstelle. Dieses Konzept habe sie auch umgesetzt. Es sei zu einem konzernweiten Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. Allein im Jahr 2016 sei der Mitarbeiterbestand von 13.000 im deutschen G.-Konzern um ca. 1.135 Personen reduziert worden. Bislang seien ca. 442 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. "Überbrückungsmodell" unterzeichnet worden. Die dargestellten Zahlen könnten noch leicht variieren, weil noch nicht alle Informationen erfasst seien und unterzeichnete Aufhebungsverträge zum Teil erst im Jahr 2017 als Austritt erfasst werden. Einstellungsstopp und Personalabbau würden fortgeführt. Das Provisionsmodell für die Außendienstler im Vertrieb sei aufgrund der durch das LVRG bedingten Umstellung der Produkte massiv angepasst worden, um Risiken für den Konzern zu verringern. Gleichzeitig werde gerade der angestellte Außendienst reduziert. Der Vertrieb werde damit ebenfalls am Sparprogramm beteiligt. Im Konzern gebe es verschiedenste weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Budgetkürzungen bei Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten um ca. € 15 Mio., Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene, Nullrunde bei den Gehaltserhöhungen der außertariflichen Angestellten im Jahr 2016). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2016 zu Einsparungen von € 2,7 Mio. sowie zu einer Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Mio. geführt. Von den € 2,7 Mio. entfielen auf sie (die Beklagte) im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 Einsparungen iHv. gerundet € 61.628 monatlich, mithin € 739.536, und im Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 Einsparungen iHv. gerundet € 203.266 monatlich, mithin € 1.219.596. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es gelungen, für die Unternehmen der Generali-Gruppe Gewinn zu erwirtschaften.

30

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

31

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2016, Az. 4 Ca 1207/16, teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

32

2. die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

33

Der Kläger beantragt,

34

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

35

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2016, Az. 4 Ca 1207/16, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn

36

a) beginnend mit dem 01.02.2018 über den Betrag von mindestens € 2.786,24 brutto hinaus jeweils zum Ersten eines Monats weitere € 149,41 brutto,

37

b) € 547,56 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 45,63 brutto seit dem 02.07., 02.08., 02.09., 02.10., 03.11., 02.12.2015 und dem 03.01., 02.02., 02.03., 02.04., 03.05., 02.06.2016

38

c) € 1.792,92 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 149,41 brutto seit dem 02.07., 02.08., 02.09., 02.10., 02.11., 02.12.2016 und dem 02.01., 02.03., 02.04., 02.05., 02.06.2017

39

zu zahlen.

40

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Umfang seines Obsiegens. Mit seiner Anschlussberufung verfolgt er sein Begehren auf Zahlung von Verzugszinsen für die Rückstände weiter, die er auf 24 Monate vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2017 erweitert. Künftige Leistungen verlangt er erst ab dem 01.02.2018.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

42

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Auch die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist die für die Einlegung und Begründung der Anschlussberufung geltende Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung eingehalten, § 524 Abs. 2, Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG.

II.

43

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussberufung des Klägers hat überwiegend Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 rückständige Erhöhungsbeträge iHv. € 547,56 (12 x € 45,63) und für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.10.2016 rückständige Erhöhungsbeträge iHv. € 597,64 (4 x € 149,41), mithin € 1.145,20 zu zahlen. Aufgrund der zweitinstanzlichen Klageerweiterung summieren sich die Erhöhungsbeträge für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 auf € 1.792,92 (12 x € 149,41). Ab dem 01.02.2018 schuldet die Beklagte dem Kläger eine um € 149,41 höhere monatliche Betriebsrente. Dem Kläger stehen gestaffelte Verzugszinsen auf die geltend gemachten rückständigen Erhöhungsbeträge zu. Lediglich hinsichtlich des Zinsbeginns ist die Klage teilweise unbegründet. Für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 31.01.2018 stellte der Kläger trotz richterlichen Hinweises in der Berufungsverhandlung keinen Antrag. Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zu- oder abzusprechen, was nicht beantragt ist.

44

1. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1). Er ist auf Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge - hier ab 01.02.2018 - eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (vgl. etwa BAG 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 19 mwN).

45

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Antrag zu 2) um fällig gewordene monatliche Beträge bis zum 30.06.2017 erweitert hat und künftige Leistungen ab 01.02.2018 verlangt. Es liegt ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor. Bei den veränderten Klageanträgen handelt es sich - wenn überhaupt - lediglich um Erweiterungen bzw. Beschränkungen der Klageanträge in der Hauptsache iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Es bestehen keine prozessualen Bedenken dagegen, dass der Kläger seinen Antrag auf wiederkehrende Leistungen zum Teil in einen Antrag auf Zahlung rückständiger Leistungen geändert hat (vgl. BAG 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 29).

46

2. Die Klage ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 Erhöhungsbeträge von insgesamt € 547,56 (12 x € 45,63) und für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 Erhöhungsbeträge von insgesamt € 1.792,92 (12 x € 149,41) zu zahlen. Ab dem 01.02.2018 ist sie verpflichtet, an den Kläger über den gezahlten Betrag von € 2.786,24 hinaus jeweils zum Ersten eines Monats weitere € 149,41 zu zahlen. Es handelt sich dabei jeweils um Bruttobeträge.

47

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 entsprechend der Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern anzupassen. Dies folgt aus § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW-A. Da sie die Rente zum Stichtag 01.07.2015 nicht um 2,0972 %, sondern um 0,5 % und zum Stichtag 01.07.2016 nicht um 4,2451%, sondern erneut um 0,5 % angepasst hat, schuldet sie dem Kläger die geltend gemachten Differenzbeträge.

48

a) Bei der Anpassung nach § 6 Ziff. 1 und 2 BVW-A handelt es sich um einen Anspruch der Betriebsrentner aus einer Betriebsvereinbarung, der unter dem Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung gem. § 6 Ziff. 3 BVW-A steht. Hält der Vorstand eine Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Ziff. 1 "nicht für vertretbar", ist ihm in der Gesamtbetriebsvereinbarung das Recht eingeräumt worden, nach Anhörung des Gesamtbetriebsrats bzw. der örtlichen Betriebsräte dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, "was nach seiner Auffassung geschehen soll". Diese Beschlussfassung ersetzt die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 BVW-A

49

Die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung (vgl. zu den nach st. Rspr. anzuwendenden allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zB. BAG 08.12.2015 - 3 AZR 267/14 - Rn. 22 mwN) ergibt, dass die Betriebsrenten nicht zwingend entsprechend der Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden müssen. Die Anpassung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Ziff. 3 BVW-A unter Umständen auch geringer sein. Im Allgemeinen werden Ansprüche der Arbeitnehmer aus Betriebsvereinbarungen als unabdingbare Ansprüche ausgestaltet. Es steht aber im Ermessen der Betriebsvereinbarungsparteien nur eine generelle Regelung zu erlassen, von der im Einzelfall abgewichen werden kann (vgl. BAG 28.11.1989 - 3 AZR 118/88 - Rn. 20 mwN). So ist es hier. Nach § 6 Ziff. 3 BVW-A haben es die Betriebsvereinbarungsparteien dem Vorstand und dem Aufsichtsrat in einer gemeinsamen Beschlussfassung erlaubt, die Gesamtversorgungsbezüge nicht entsprechend der Erhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Ziff. 1 und Ziff. 2 anzupassen, wenn es der Vorstand "nicht für vertretbar" hält. Damit eröffnen die Betriebsvereinbarungsparteien dem Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten in zulässiger Weise ein Leistungsbestimmungsrecht (vgl. BAG 31.07.2014 - 6 AZR 822/12 - Rn. 12 mwN). In einem solchen Fall hat die Leistungsbestimmung nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen (vgl. dazu BAG 12.10.2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 25). Ein Recht, in Abweichung von § 315 Abs. 1 BGB nach freiem Ermessen über die Rentenanpassung zu entscheiden, nimmt die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch.

50

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wert-entscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (st. Rspr. zuletzt zB. BAG 30.08.2016 - 3 AZR 272/15 - Rn. 16; BAG 08.12.2015 - 3 AZR 141/14 - Rn. 29 mwN).

51

b) Ausgehend von diesen Maßstäben entsprechen die gemeinsamen Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten, die Gesamtversorgungsbezüge des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.06.2016 nicht um die gesetzliche Rentenerhöhung in den alten Bundesländern (knapp 2,1 % in 2015, 4,25 % in 2016), sondern jeweils nur um 0,5 % anzupassen, nicht der Billigkeit (§ 315 Abs. 1 BGB). Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

52

Mit der Entscheidung, die Betriebsrenten um 0,5 % zu erhöhen, hat die Beklagte im Jahr 2015 lediglich etwa ein Viertel der gesetzlichen Rentenerhöhung weiter gegeben, im Jahr 2016 sogar nur etwas mehr als ein Zehntel. Dies stellt eine erhebliche Abweichung von der nach § 6 Ziff. 1 BVW-A im Regelfall vorgesehenen Anpassung dar, auch wenn der Kaufkraftverlust ausgeglichen worden ist.

53

Die von der Beklagten angeführten Gründe sind nicht geeignet, die getroffenen Ermessensentscheidungen zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 zu rechtfertigen. Die Berufungskammer schließt sich den Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Hamburg, Baden-Württemberg und Düsseldorf im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung an (ohne Anspruch auf Vollständigkeit: zum Tarifvertrag TV-VO 85 LAG Hamburg 29.06.2017 - 7 Sa 29/17; 27.07.2017 - 7 Sa 32/17; zur Betriebsvereinbarung BVW LAG Hamburg 15.06.2017 - 7 Sa 93/16; 16.08.2017 - 3 Sa 102/16; 24.08.2017 - 1 Sa 15/17; LAG Baden-Württemberg 29.08.2017 - 8 Sa 3/17; LAG Düsseldorf 15.11.2017 - 12 Sa 123/17).

54

Die Beklagte führt das sog. SSY-Konzept an, das im G.-Konzern aufgrund eines schwierigen Marktumfelds und veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen (historisch niedrige Zinsen, geringe Inflation, schwache Konjunktur im Versicherungsmarkt, demographische Entwicklung der Bevölkerung, Lebensversicherungsreformgesetz und Solvency II, steigende Kundenansprüche, massive Umstrukturierungen im Branchenumfeld) entwickelt worden sei, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das SSY-Konzept ziele auf die konzernweite Einsparung von Kosten iHv. € 160 bis 190 Mio. pro Jahr ab, insbesondere sollen Personalkosten eingespart werden. Für die Realisierung des SSY-Konzepts zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten sollen nicht nur die aktiven Mitarbeiter, sondern auch die Betriebsrentner ihren Beitrag leisten.

55

Die dargestellten Erwägungen der Beklagten genügen auch zweitinstanzlich nicht, um von den Betriebsrentnern "einen Beitrag zur Realisierung des SSY-Konzepts einfordern" zu können. Die Reduzierung der Rentenerhöhung soll nach dem zweitinstanzlich dargestellten Zahlenwerk der Beklagten allein im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2016 zu Einsparungen von € 2,7 Mio. sowie zu einer Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Mio. geführt haben. Langfristig gesehen sollen die Sparauswirkungen deutlich höher als € 2,7 Mio. ausfallen, weil aufgrund des niedrigeren Steigerungswertes in den kommenden Jahren ein deutlich höherer Einspareffekt erzielt werden könne.

56

Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, warum Betriebsrenten kurzfristig im Umfang von € 2,7 Mio., langfristig in noch höherem Umfang eingespart werden müssen, damit sie auch in Zukunft ihre Verpflichtungen "gegenüber Versicherungsnehmern, Aktionären, Mitarbeitern und gerade auch Betriebsrentnern" erfüllen kann. Es genügt nicht, sich unter Darstellung des SSY-Konzepts auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu berufen, vielmehr muss den Gerichten die Nachprüfung (ggf. durch Beweisaufnahme) der Angaben ermöglicht werden, die der Entscheidung zur Kostensenkung zugrunde liegen. Von der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass sie die Finanzlage des Konzerns, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Konzern und ihr Unternehmen sowie für die aktiven Arbeitnehmer und die Betriebsrentner darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen - als die Nichtanpassung der Betriebsrenten an die gesetzliche Rentenentwicklung - nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte im Geschäftsjahr 2014 einen Jahresüberschuss von € 236 Mio. und im Jahr 2015 einen Gewinn von 8,9 Mio. erzielt hat.

57

Mangels belastbaren Zahlenmaterials kann auch zweitinstanzlich nicht festgestellt werden, dass und warum gerade eine Anpassung um jeweils 0,5 % für eine zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns oder der Beklagten erforderlich ist. Es fehlt an einer Darlegung, wie dieser Prozentsatz ermittelt worden ist. Es reicht nicht aus, dass die Beklagte nur die Beweggründe für die Kosteneinsparungsmaßnahmen im Konzern nachvollziehbar vorträgt und sich die reduzierte Anpassung der Betriebsrenten in ein Gesamtkonzept von Maßnahmen einfügt. Eine ausgewogene Verteilung der finanziellen Lasten lässt sich nicht prüfen. Die Beklagte hätte substantiiert darlegen müssen, in welchem Gesamtumfang eine Kosteneinsparung ab 01.07.2015 und erneut ab 01.07.2016 auch bei den Betriebsrentnern geboten war und wie das notwendige Einsparvolumen für die Rentner und die aktiven Arbeitnehmer ermittelt wurde. Daran fehlt es.

58

c) Einer richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedarf es vorliegend nicht. Vielmehr hat es bei dem von den Betriebsvereinbarungsparteien vereinbarten Grundsatz (Regelfall) zu verbleiben, dass die Gesamtversorgungsbezüge gem. § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW-A entsprechend der Erhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen sind. Es genügt die bloße Kassation der gemeinsamen Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016 eine Veränderung der Versorgungsbezüge nach § 6 Ziff. 1 BVW-A nicht für vertretbar erachtet haben. Das hat zur Folge, dass die Versorgungsbezüge entsprechend der gesetzlichen Rente ab 01.07.2015 und 01.07.2016 von Anfang an, dh. ex tunc, erhöht wurde. Das ergibt sich aus dem Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen Anpassung nach § 6 BVW-A Ziff. 1 und Ziff. 2 und einer geringeren Anpassung nach Ziff. 3 (vgl. BAG 27.01.2016 - 4 AZR 468/14 - Rn. 20 ff).

59

3. Die geltend gemachten Zinsforderungen sind überwiegend begründet. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Dem Kläger stehen nach § 187 Abs. 1 BGB Verzugszinsen ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit zu. Nach den Bestimmungen der BVW ist die Betriebsrente monatlich im Voraus am Ersten eines jeden Monats fällig. Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten und der Eintritt des Verzugs auf den darauffolgenden Werktag. Hieraus ergibt sich der im Tenor genannte, nach dem Kalender bestimmbare Zinsbeginn. Die weitergehende Zinsforderung hinsichtlich der Rückstände ist unbegründet.

60

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Zinsen auf rückständige Forderungen zugesprochen, weil es für Zeiträume vor der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung an der für den Zinsanspruch notwendigen Fälligkeit der Forderungen fehle (vgl. hierzu BAG 10.12.2013 - 3 AZR 595/12 - Rn. 8 ff.). Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW-A eine grundsätzliche Pflicht zur Betriebsrentenanpassung um den Prozentsatz der Erhöhung der gesetzlichen Renten regelt. § 6 BVW-A legt ein Regel-/Ausnahmeverhältnis fest, wobei die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung die Regel darstellt. Entspricht eine Anpassungsentscheidung nach Ziff. 3 - wie hier - nicht billigem Ermessen, hat nicht das Gericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil eine eigene Anpassungsentscheidung zu treffen, sondern es bleibt beim Regelfall nach § 6 Ziff. 1 BVW-A. Die Ansprüche auf Zahlung der anzupassenden Betriebsrente werden - anders als nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG - nicht erst ab Rechtskraft der Entscheidung, sondern zum jeweiligen Zahlungstermin fällig (vgl. BAG 19.05.2015 - 3 AZR 891/13 - Rn. 45 mwN).

III.

61

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das teilweise Unterliegen des Klägers hinsichtlich der erhobenen Zinsforderung ist geringfügig und hat auf die Bildung der Kostenquote keinen Einfluss.

62

Die Revision war für die Beklagte gem. § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz (Hessisches LAG 22.02.2017 - 6 Sa 972/16) zuzulassen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.