Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 17. Feb. 2011 - 11 Sa 567/10

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2011:0217.11SA567.10.0A
bei uns veröffentlicht am17.02.2011

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010 - Az.: 2 Ca 1845/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 1.226,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.02.2009, zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 3.363,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.02.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz haben der Kläger zu 78 %, die Beklagte zu 1) zu 16 % und die Beklagte zu 2) zu 6 %
die Gerichtskosten der zweiten Instanz sowie die in der Berufung erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger zu 75 %, der Beklagte zu 1) zu 18 %, die Beklagte zu 2) zu 7 %,
die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat der Kläger zu 41 %,
die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger zu 78 % zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen (nebst Zuschlägen und Sonderzuwendung) aufgrund tariflicher Ansprüche bzw. wegen des Streits um die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung.

2

Der 27-jährige Kläger nahm von Mai 2002 bis Dezember 2008/Januar 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache R. wahr. Schriftliche Verträge wurden zwischen den Parteien nicht geschlossen.

3

Die Rettungswache R. war in den Jahren 2005, 2006 dem DRK-Kreisverband K. e.V., vom 01.01.2007 bis 31.03.2008 dem Beklagten zu 1. und seit dem 01.04.2008 der Beklagten zu 2. zugeordnet.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei den Beklagten etablierten Prinzip:

5

Der Kläger und die anderen, etwa 200 in gleicher Weise eingesetzten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie sich im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit, bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (einen Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Die geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern und in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Rechtsstreit (2 Ca 833/09 - 11 Sa 651/09), in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung, "dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht" sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz begründete die Abweisung des Feststellungsantrags auf der Basis des vorstehenden unstreitigen Sachverhalts im Wesentlichen wie folgt:

9

Aus dem Verhalten der Parteien lasse sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt worden sei, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Vergabe der Einsätze sei stets nur aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger erfolgt. Die Einigung sei stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer erfolgt. Der Kläger sei weder verpflichtet gewesen, überhaupt oder in bestimmtem Umfang Bewerbungen auf einzelne Einsätze vorzunehmen, noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Auch die Aufnahme in einen Pool oder eine Liste sei kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Aus dem ursprünglich nicht vereinbarten Dauerarbeitsverhältnis sei auch nicht im Laufe der Zeit aufgrund häufiger Heranziehung ohne größere Unterbrechungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Im konkreten Fall des Klägers seien die Einsätze regelmäßig auf seine Bewerbungen und nur ausnahmsweise auf Anfrage der Beklagten abgesprochen worden, die Einsätze seien keinem erkennbaren System gefolgt, sondern hätten eine große Schwankungsbreite gehabt. Soweit die Parteien sich mithin auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt hätten, habe der Kläger die letzte - formunwirksame - Befristung nicht (auch nicht in der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG) angegriffen. Da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, habe der Kläger auch keinen Annahmeverzugsanspruch vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 (Urteil vom 18.03.2010 - 11 Sa 651/09 - veröffentlicht in JURIS).

10

Für seine Einsätze erhielt der Kläger eine Vergütung pro Stunde, die sich bis zum Jahr 2007 einschließlich auf 3,20 EUR für die Stunde in der Nacht und auf 5,20 EUR für jede Stunde am Tag belief, und die seit dem 01.01.2008 in Höhe von 5,11 EUR pro Stunde gezahlt wurde.

11

Aufgrund seines Eintritts in die Gewerkschaft ver.di im Mai 2008 ist der Kläger seit Juni 2008 tarifgebunden. Zwischen der B., in der beide beklagte Parteien organisiert sind, und der Gewerkschaft ver.di ist der DRK Reformtarifvertrag vereinbart, der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte enthält. § 3 der Sonderregelungen bestimmt in der unstreitig auf die Rettungssanitäter anwendbaren Vergütungsgruppe III (Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern) in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung 8,00 EUR Stundenvergütung. Zuvor galt für diese Vergütungsgruppe ein Stundensatz von 7,50 EUR.

12

Außer dem Kläger und seinen drei Kollegen, die Kläger der drei Parallelverfahren sind (11 Sa 566/10, 11 Sa 568/10, 11 Sa 569/10), waren im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten insgesamt ca. 200 Personen mit vergleichbaren Bedingungen - insbesondere gleicher Entgelthöhe - in jeweils einzeln oder für mehrere einzelne Einsätze abgesprochenen Diensten tätig. Bei diesen handelte es sich insgesamt um Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die wochentags andere Verpflichtungen haben bzw. hatten.

13

Der Kläger machte seine Zahlungsforderungen gegenüber dem Beklagten zu 1. zu Händen des Geschäftsführers beider Beklagter mit Schreiben vom 23.05.2008, 03.11.2008 sowie vom 16.12.2008 geltend. Wegen der Einzelheiten der Geltendmachungsschreiben wird auf Bl. 139 ff. d. A. verwiesen.

14

Der Kläger hat vorgetragen, die ihm gezahlte Vergütung liege mehr als 30 Prozent unter dem üblichen Lohn, der durch den Tarifvertrag bestimmt werde.

15

Er hat die Auffassung vorgetragen, daher sei sein Lohn sittenwidrig.

16

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

17

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 10.571,31 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

18

Die Beklagten haben beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie haben vorgetragen, die für die Kalenderjahre 2005 und 2006 eingeklagten Beträge würden für Zeiten geltend gemacht vor Übertragung des DRK-Rettungsdienstes D. auf den Beklagten zu 1. Eine Haftung des Beklagten zu 1. sei im Vertrag mit dem DRK-Kreisverband K. ausgeschlossen worden. Richtiger Beklagter für solche Ansprüche sei der DRK-Kreisverband K..

21

Nach Kenntnis der Beklagten sei der Kläger Mitglied beim DRK-Kreisverband K. bzw. einem der DRK-Ortsvereine im D.. Die Zahlungen seien deshalb als Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit erfolgt, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Vergütung sei aber auch im Falle der Bewertung als Arbeitsvergütung nicht sittenwidrig. Die verkehrsübliche Vergütung liege unterhalb des Tariflohns. Die Beklagten verweisen auf die dem Kläger und seinen über 180 Kollegen bei gleichen Konditionen gezahlten Vergütungen. Bundesweit sei der Tarifvertrag, auf den sich der Kläger beziehe, nur für 16.000 von über 100.000 Arbeitsverhältnissen im Deutschen Roten Kreuz maßgeblich.

22

Weiterhin haben sie sich auf die Geltung der tariflichen Ausschlussfristen nach Eintritt der Tarifbindung bezogen.

23

Der Kläger hat in erster Instanz seinen Klageantrag teilweise zurückgenommen (Zuschläge und Sonderzuwendungen für die Jahre 2005 bis zum Eintritt der Tarifbindung im Jahr 2008) und teilweise erweitert (Januar 2009). Mit seinem zuletzt erhobenen Antrag hat er die Zahlung von Entgeltdifferenzen zum tariflichen Stundensatz (2005 bis Januar 2009), von Zuschlägen (Juni 2008 bis Januar 2009) und der Sonderzuwendung 2008 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch das Urteil vom 02.09.2010 der Klage gegen die Beklagte zu 2. überwiegend stattgegeben und den Beklagten zu 1. in Höhe von 8.665,28 EUR als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2. zur Zahlung verurteilt. In Höhe der beantragten Zahlung der Sonderzuwendung hat es die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es zusammengefasst wie folgt begründet:

24

Der Kläger habe Anspruch auf den Tariflohn als übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Dabei hafte der Beklagte zu 1. als bisheriger Arbeitgeber nach § 613 a Abs. 2 BGB neben der Beklagten zu 2. lediglich für die Vergütung bis einschließlich März 2008. Der vereinbarte Stundenlohn sei nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis liege vor, da die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Weiterhin sei es den Beklagten nach §§ 138, 242 BGB verwehrt, sich auf tarifliche Ausschlussfristen bei der Geltendmachung zu berufen. Demgegenüber sei die Forderung der Jahressonderzahlung nicht begründet, da die tarifliche Voraussetzung nicht gegeben sei, dass der Mitarbeiter am 01.12. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe und mindestens seit 01.06. beschäftigt sei, da nur befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 02.09.2010 Seite 5, 6 (Bl. 171, 172 d. A.) verwiesen.

25

Gegen das ihnen am 27.09.2010 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 21.10.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.11.2010, eingegangen am 26.11.2010, begründet.

26

Nach Maßgabe dieses Schriftsatzes sowie des ergänzenden Schriftsatzes vom 08.02.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 189 ff. d. A., 229 ff. d. A.) begründen sie die eingelegte Berufung zusammengefasst wie folgt: Der Tariflohn spiegele nicht das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet wieder. Maßgebliche Region sei die Westpfalz. Dort sei die Beklagte zu 2. die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin und habe im Jahr 2008 83 Prozent aller Einsatzfahrten durchgeführt. Weiterhin setzten die Beklagten im Rettungsdienstbereich ca. 190 Personen zu den gleichen Bedingungen wie den Kläger ein, bei gleicher Vergütung. Bei der Bewertung, ob es sich um eine sittenwidrige Ausnutzung handele, seien die gesamten Umstände heranzuziehen. Dies sei hier insbesondere der erhebliche Anfall der Zeiten der Bereitschaft innerhalb der Dienste. Die Tarifvertragsparteien hätten der geringeren Wertigkeit solcher Leistungen im Falle der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten oberhalb der geringfügigen Beschäftigung durch eine insgesamt verlängerte Wochenarbeitszeit von 48 statt 38,5 Stunden bezogen auf die Vollzeit bei regelmäßig anfallenden Zeiten der Arbeitsbereitschaft Rechnung getragen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht ohne Prüfung und aufgrund bloßer Anwendung der 2/3-Rechnung ein besonders auffälliges Missverhältnis angenommen und hieraus ohne weiteres eine verwerfliche Gesinnung gefolgert, obwohl die Beklagten als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt seien und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürften sowie verfolgten. Es sei den Beklagten stets bewusst gewesen, erst Recht, da sie von ehrenamtlicher Tätigkeit des Klägers ausgegangen seien, dass dieser keine Verpflichtungen eingegangen sei, auf Abruf oder aufgrund einseitiger Leistungsbestimmung rund um die Uhr an allen Kalendertagen Dienste zu übernehmen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei es vorliegend ein relevanter Umstand, dass der Kläger keinerlei Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterlag, im Rahmen dessen er zu bestimmten Arbeitsleistungen hätte verpflichtet werden können. Der Kläger und seine Kollegen seien auch weder unerfahren gewesen, noch hätten sie sich in einer Zwangslage befunden.

27

Sie beantragen,

28

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Aktenzeichen: 2 Ca 1845/08, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

29

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen,

31

hilfsweise stellt er den Antrag,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Az: 2 Ca 1845/08, abzuändern und

33

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 8.665,28 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen und

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die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 1.544,35 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen.

35

Zur Begründung trägt er vor, die Ansicht des Arbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren wie auch des Landesarbeitsgerichts im Verfahren 11 Sa 651/09, es handele sich um jeweils befristete Tagesarbeitsverhältnisse, werde nochmals zur Entscheidung gestellt. Nach Auffassung des Klägers handele es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf 400-Euro-Basis. Hierfür spreche insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Kläger auch bei spontanem Personalbedarf zur Arbeit zu rufen, und sich der Kläger dazu verpflichtet habe, solchen Spontanrufen auch zu folgen. Solche Anfragen habe der Kläger nie abgelehnt. Hätte er es getan, wäre nämlich in der Folge die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen. Faktisch habe ein einem Dauerarbeitsverhältnis entsprechendes Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin bestanden. Das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse sei auch aufgrund unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen höchst bedenklich. Je nach Lage der Einsätze komme der Rechtschutz bei Beachtung der Dreiwochenfrist fast zwangsläufig zu spät. Für den Fall, dass das erkennende Gericht von fehlender gesamtschuldnerischer Haftung wegen der Annahme von Tagesarbeitsverhältnissen ausgehe, würden die Hilfsanträge gestellt.

36

Für die Bemessung der Sittenwidrigkeit der Vergütung müsse das einschlägige Tarifwerk schon deshalb herangezogen werden, da die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag in der Region absolute Marktführerinnen seien, sie also selbst den marktüblichen Preis festsetzten, ohne dabei von irgendeinem regulierenden Marktmechanismus kontrolliert zu werden. Sie müssten sich aber auch aufgrund ihrer Tarifbindung an dieser Verpflichtung messen lassen. Auch für die Zeit vor Erhöhung der tariflichen Vergütung auf 8,00 EUR sei dieser Betrag als maßgeblicher Stundensatz anzusetzen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den normal Beschäftigten, die ein noch deutlich höheres Stundenverdienst hätten. Die folgenden Besonderheiten des Einzelfalls seien zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen: Die Beklagten seien tarifgebunden und leugneten ihren eigenen Tarifvertrag, sie nutzten darüber hinaus ihre Monopolstellung in der Region aus, um das niedrige Lohnniveau zu halten. Weiterhin zeige sich in vorliegendem Fall deutlich das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Aushandlung von Arbeitsverträgen. Bereits dieses deute darauf hin, dass bei der Vereinbarung des Entgelts eine Zwangslage des Klägers gegeben gewesen sei. Hinzu komme die arbeitsrechtliche Unerfahrenheit des Klägers bei Abschluss des Arbeitsvertrags quasi als Berufsanfänger.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien wird auf die vorgetragenen Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

39

In der Sache ist die Berufung der Beklagten teilweise erfolgreich.

40

Für 2007 hat der Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.363,80 EUR gegenüber dem Beklagten zu 1., §§ 612, 138 BGB.

41

Weiterhin hat er gegen die Beklagte zu 2. Anspruch auf Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung für den Zeitraum der Tarifbindung (Juni 2008 bis Dezember 2008) nicht jedoch für den Januar 2009. Einem Zahlungsanspruch für den Januar 2009 steht die Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 18.03.2010 (11 Sa 651/09) entgegen.

42

Ansprüche wegen Vergütungsdifferenzen in den Jahren 2005/2006 bestehen gegenüber keiner der Beklagten, da der Kläger die Passivlegitimation beider Beklagter nicht schlüssig vorgetragen hat. Weiterhin sind die Voraussetzungen gesamtschuldnerischer Haftung nicht gegeben. Von Januar bis Mai 2008 besteht über die durch die jeweilige Arbeitgeberin geleisteten Zahlungen hinaus kein Vergütungsanspruch, da die Voraussetzungen der §§ 612, 138 BGB nicht gegeben sind.

43

Im Einzelnen gilt - in chronologischer Reihenfolge dargestellt - folgendes:

44

1. Die Klage unterliegt der Abweisung, soweit der Kläger Ansprüche für die Jahre 2005 und 2006 geltend macht, in welchen unstreitig kein Arbeitsverhältnis mit den beklagten Parteien gegeben war.

45

Der Kläger stützt sich insoweit auf einen Betriebs- oder Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zum 01.01.2007 von der Rechtsvorgängerin auf den Beklagten zu 1. und nochmals am 01.04.2008 von dem Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2.

46

Allerdings trägt sein gesamter Sachvortrag in vorliegendem Verfahren nicht die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 Satz 1. Danach tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Damit bestimmt § 613 a Abs. 1 Satz 1 gleichzeitig die Voraussetzung des "im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses".

47

Das gesamte prozessuale Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die rechtliche Folgerung, dass zwischen ihm und der Betriebsveräußerin am 01.01.2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dies gilt, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, der gesamte Sachvortrag zur Frage des Bestehens von befristeten Tagesarbeitsverhältnissen oder zum Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses beziehe sich - trotz der grammatikalischen Fassung unter Verwendung des Präsenz - auch auf den Zeitraum 2005/2006.

48

Auch wenn die Rechtskraft der genannten Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts sich nicht auf den Beklagten zu 1. erstreckt, ist doch auch in vorliegendem Verfahren angesichts des übereinstimmenden unstreitigen Sachverhalts zum Zustandekommen der Rettungsdiensteinsätze des Klägers aufgrund der Vereinbarung für einzelne oder mehrere einzelne Dienste in Übereinstimmung mit der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 18.03.2010 von dem Abschluss einzelner kurzfristiger sogenannter "Tagesarbeitsverhältnisse" auszugehen. Hierfür sind im Einzelnen folgende Überlegungen maßgeblich:

49

Dem äußeren Erscheinungsbild nach vergleichbarer unregelmäßiger Dienst im Rahmen sogenannter geringfügiger Beschäftigung ist nach den gesetzgeberisch vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten sowohl im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf Abruf (§ 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG) als auch im Rahmen jeweils im Sinne von § 14 TzBfG einzeln abgesprochener Arbeitsverhältnisse mit jeweils kurzer, und sei es nur auf einen Tag bezogener, Frist möglich. Ob die Parteien von diesen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben, indem sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben oder aber zahlreiche kurzfristige Arbeitsverträge, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt. Beide Typen, sowohl das Abrufarbeitsverhältnis als auch die Vereinbarung kurzfristiger, nicht zusammenhängender Arbeitsverhältnisse, die mit einer Rahmenvereinbarung ausgestaltet sein können, sind gesetzlich zulässig. Eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (LAG Rheinland-Pfalz, in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ergangenen Urteil vom 18.03.2010, 11 Sa 651/09, Seite 16, 17 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

50

In vorliegendem Fall wurden unstreitig jeweils einsatzbezogene Absprachen getroffen. Es lässt sich aus dem Verhalten der Parteien nicht schließen, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus Rechte eingeräumt und dem Kläger über diesen Einsatz hinaus Pflichten auferlegt worden seien. Dies wäre aber Voraussetzung für ein Abrufarbeitsverhältnis.

51

Aufgrund des in vorliegendem Fall bis zum Schluss der ersten Instanz in vollem Umfang inhaltsgleich vorgetragenen Sachverhalts wie im Verfahren 11 Sa 651/09 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Vergabe der Einsätze grundsätzlich aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese erfolgte und dass es ausnahmsweise, im Falle kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten zu telefonischen Anfragen seitens der Beklagten und Absprachen des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger kam. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer. Der in der Berufung vorgetragene Sachvortrag des Klägers, wonach er solche Anfragen nie abgelehnt habe, rechtfertigt keine andere Bewertung. Insbesondere rechtfertigt dies nicht die Schlussfolgerung auf eine Pflicht, solchen spontanen Rufen Folge zu leisten. Seine weitere Annahme, dass im Falle einer von seiner Seite tatsächlich nie erfolgten Ablehnung die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen wäre und er in der Folge weniger attraktive oder auch gar keine Dienste mehr zugeteilt bekommen hätte, ist offenbar spekulativ. Konkrete Anhaltspunkte hierfür benennt er nicht. Auch die weiteren Passagen seines Berufungserwiderungsschriftsatzes sind nicht als konkreter Sachvortrag zu den Vereinbarungen der Parteien in der Vergangenheit zu verstehen, sondern sollen insgesamt seine Auffassung stützen, dass das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse aus verfassungsrechtlichen Gründen und wegen unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes abzulehnen sei.

52

Dieser Rechtsauffassung stimmt die Kammer ausdrücklich nicht zu. Vielmehr schließt sich die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.03.2010 der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 31.07.2002 (7 AZR 181/01 - AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG) an, wonach es bei verschiedenen vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten den vertragsschließenden Parteien freigestellt ist, welche Gestaltungsmöglichkeit sie wählen. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Rahmenverträge, die bestimmte Einzelheiten künftig abzuschließender Einzelverträge festlegen, sind außerhalb arbeitsvertraglicher Vertragsbeziehungen grundsätzlich anerkannt. Sie sind auch bei arbeitsvertraglichen Beziehungen nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann es durchaus sachgerecht sein, die Bedingungen der noch abzuschließenden Einzelverträge in einer Rahmenvereinbarung niederzulegen und darauf bei Abschluss der Einzelverträge Bezug zu nehmen. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, statt der Kombination von Rahmenvereinbarung und Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 4 BeschFG (seit dem 01.Januar 2001: § 12 TzBfG) zu begründen. § 4 BeschFG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht (BAG, a. a. O.; I. B. 3 a). Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer auch im Hinblick auf die nunmehr in § 12 TzBfG zu findende Regelung an.

53

Dass es nicht geboten ist, gesetzlich grundsätzlich zulässige Gestaltungsmöglichkeiten aus Gesichtspunkten des Arbeitnehmerschutzes auszuschließen, zeigt gerade der vorliegende Fall. Gerade in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Verpflichtungen durch Hauptberuf oder Studium nicht die Möglichkeit oder aber das Interesse mitbringen, sich dauerhaft zu verpflichten, kann der Abschluss eines derartigen Rahmenvertrages in ihrem eigenen Interesse liegen. Denn dadurch können sie über ihre Zeit frei verfügen und laufen nicht Gefahr, dass ihre anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen - zum Beispiel im Studium - mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (so auch BAG, a. a. O.).

54

Die nach Auffassung des Klägers unzulässige Verkürzung effektiven Rechtsschutzes bezieht sich auf die Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Befristungskontrollklage nach § 17 TzBfG. Allerdings enthält die gesetzlich geregelte Klagefrist zumindest das Korrektiv über § 17 Satz 2 TzBfG in § 5 KSchG (nachträgliche Zulassung der Klage). Sie stellt bei näherer Betrachtung auch keine Besonderheit von befristeten Tagesarbeitsverhältnissen dar, sondern findet sich als Dilemma des Arbeitnehmers in allen Fällen der vereinbarten, in Aussicht gestellten oder erhofften Verlängerung bzw. des Neuabschlusses befristeter Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf die Regelung des § 17 TzBfG, die in der Konsequenz auch die Überprüfung eines vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisses verhindert und ausschließlich die Überprüfung des letzten befristeten Vertragsverhältnisses ermöglicht, sofern die Befristung innerhalb der Frist des § 17 angegriffen wird. Auch das Bundesarbeitsgericht verweist in der bereits zitierten Entscheidung auf die Möglichkeit der fristgerechten Anfechtung der Befristung. Die Bedenken des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der von den Parteien gewählten Rechtsgestaltung greifen nicht durch.

55

Insgesamt ist damit die Voraussetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang am 01.01.2007 nicht dargetan und eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beklagter wegen vor dem 01.01.2007 entstandener Ansprüche besteht nicht.

56

2. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen gegenüber dem Beklagten zu 1. für das Jahr 2007 in Höhe der rechnerisch unstreitigen Differenzen der ihm gezahlten Stundenvergütung zu der sich aus dem DRK-Reformtarifvertrag ergebenden üblichen Stundenvergütung, §§ 612, 138 Abs. 1 BGB.

57

Demgegenüber bestehen für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis zum Eintritt der Tarifbindung (01.06.2008) über die in diesem Zeitraum vereinbarungsgemäß gezahlte Vergütung hinaus keine Zahlungsansprüche gegenüber der jeweiligen Arbeitgeberin, da weder die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB noch des § 138 Abs. 1 BGB gegeben sind.

58

2.1 Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis (BAG 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - BAGE 130, 338 ff.).

59

Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und dem als Gegenleistung dafür von dem Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelt. Der Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zunächst zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht.

60

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Abs. 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslagen ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB vor. Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - zitiert nach JURIS, BAG 22.04.2009 a. a. O.).

61

Bereits der Bundesgerichtshof hat am 13.06.2001 (XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55 ff.) erkannt, dass bei bestimmten Vertragstypen allein wegen eines krassen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden könne, auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechenden Umstände hinzu kamen. Bei Grundstücksverträgen war der Bundesgerichtshof bereits zuvor von einem entsprechenden Missverhältnis schon dann ausgegangen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Er hat diesen Maßstab von 50 % in der zitierten Entscheidung auf gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse übertragen und hinsichtlich des möglichen Rückschlusses auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ausgeführt, ein hinreichend sicherer Rückschluss hierauf sei möglich unter der Voraussetzung, dass sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Missverhältnis vor, wovon jedenfalls nur auszugehen sein könne, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war.

62

Nach all diesen Ausführungen, denen sich auch die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, setzt sowohl die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und damit der Tatbestand des Wuchers als auch die Bestimmung eines krass auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit der Tatbestand des "wucherähnlichen Geschäfts" die Bestimmung des Marktwerts der Leistung voraus.

63

2.2 Die Bestimmung des Werts der Leistung folgt nach allgemeiner Auffassung objektiven Kriterien. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 ausgeführt: Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG a. a. O., II. 1 a).

64

Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Demgegenüber ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer weniger aussagekräftig, denn dieser führt ohne Tarifbindung der Arbeitgeber nicht zur Üblichkeit entsprechender Tarifentgelte (BAG, a. a. O., II. 2 c).

65

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht die Kammer, da die Beklagten das Verhältnis der durch die Beklagten wahrgenommenen Rettungseinsätze in der maßgeblichen Region Westpfalz gegenüber den Wettbewerbern von 83 Prozent zu 17 Prozent in den Prozess eingeführt haben, davon aus, dass die Üblichkeit der tariflichen Vergütung sich aus der zweiten vom Bundesarbeitsgericht aufgeführten Alternative ergibt, da die maßgeblichen Arbeitgeber, die ihrerseits organisiert und damit tarifgebunden sind, bei dieser monopolartigen Stellung zumindest 50 Prozent der Arbeitnehmer im Wirtschaftsgebiet beschäftigen.

66

2.3 Das Kriterium des auffälligen Missverhältnisses ist erfüllt, wenn dieses einem Kundigen, gegebenenfalls nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung dem bereits in der Rechtsprechung der Instanzgerichte herrschenden Richtwert von 2/3 des üblichen Lohnes angeschlossen und ausgeführt, es halte eine Grenze von 2/3 für zutreffend, unterhalb derer mangels besonderer Umstände des Falls Lohnwucher anzunehmen sei. Werde der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liege eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifische Rechtfertigung bedürfe. Diese Grenzziehung berücksichtige bereits, dass Tarifverträge vielfach Zusatzleistungen vorsehen. Zu vergleichen sei demnach die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen seien ebenso wenig einzubeziehen, wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis. Derartige Leistungen bestimmten grundsätzlich weder den verkehrsüblichen Wert der Arbeit als solchen, noch den Charakter des Arbeitsverhältnisses. Nur die generalisierende Betrachtungsweise ermögliche eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwerts (BAG, a. a. O., II. 1. B. aa) sowie bb)).

67

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen sich die erkennende Kammer anschließt, ist im vorliegenden Fall wegen des Zahlungszeitraums 2007 sowie wegen des weiteren Zahlungszeitraumes Januar 2008 bis Mai 2008 zu unterscheiden. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger für die geleistete Arbeitsstunde in der Nacht 3,20 EUR brutto, für die am Tag geleistete Stunde 5,20 EUR. Demgegenüber erhielt der Kläger im Jahr 2008 durchgängig eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde. Letztere erreicht 63,88 Prozent des tariflichen Niveaus.

68

Für den Vergleich der im Jahr 2007 gezahlten Vergütung, die nach Tag- und Nachtstunden differenziert, mit dem tariflichen einheitlichen Stundensatz wird eine Durchschnittsberechnung bezogen auf das Kalenderjahr 2007 vorgenommen. Die Kammer hält in Anbetracht der Einheitlichkeit des Vergütungssystems aufgrund der rahmenmäßigen Bestimmung auch bei dem Vorliegen zahlreicher kurzfristiger Arbeitsverhältnisse bzw. Tagesarbeitsverhältnisse die Durchschnittsbetrachtung für den Vergleich mit dem tariflichen Lohnniveau für geeignet und maßgeblich. Da der Kläger überwiegend im Nachtdienst eingesetzt war, ergibt sich bezogen auf die Gesamtstundenzahl und Gesamtvergütung des Klägers im Jahr 2007 eine durchschnittliche stündliche Vergütung von 3,67 EUR brutto. Dies entspricht 43,38 Prozent des Tariflohnniveaus.

69

Eine Verschiebung der nunmehr auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannten Grenze von 2/3 des maßgeblichen Tarifentgelts ist auch nicht aufgrund der besonderen Umstände vorliegenden Falles gerechtfertigt. Zwar wenden die Beklagten den hohen Anteil von Zeiten der Bereitschaft innerhalb der vergüteten Arbeitszeit ein. Dies ist aber ein Umstand, der die geringfügig Beschäftigten aufgrund von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen mit dem Vergütungssystem, das auch beim Kläger zur Anwendung kam, von den geringfügig Beschäftigten, die tariflich wegen eines längerfristig bestehenden Arbeitsverhältnisses nach den Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte zum DRK-Tarifvertrag auf Stundenbasis bezahlt wurden, gar nicht unterscheidet. Auch die tariflich vergüteten geringfügig Beschäftigten hatten im streitgegenständlichen Zeitraum unabhängig vom Anfall von Zeiten bloßer Bereitschaft oder Arbeitsbereitschaft Anspruch auf Zahlung des Stundensatzes, der nunmehr als Vergleichsmaßstab angelegt wird.

70

2.4 Der Tatbestand des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) setzt weiterhin voraus, dass der "Wucherer" die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht (BAG 22.04.2009, a. a. O., II. 3 a).

71

Dabei meint die Zwangslage einen zwingenden Bedarf an einer Geldleistung. Die Unerfahrenheit in diesem Sinne bezeichnet einen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung. Beide Voraussetzungen hat der Kläger im vorliegenden Fall unter Einbeziehung seines zweitinstanzlichen Vorbringens nicht schlüssig vorgetragen.

72

Eine wirtschaftliche Zwangslage in diesem Sinne kann bereits deshalb nicht als naheliegend vorausgesetzt werden, da die Beschäftigung nicht dem Haupterwerb diente, sondern insgesamt nebenerwerbliche Tätigkeiten vorlagen und dies in schwankendem insgesamt geringem Umfang. Die Auffassung des Klägers, das Kriterium der Zwangslage sei schon aufgrund des typischen strukturellen Ungleichgewichts im Arbeitsverhältnis zu bejahen, ist im Hinblick auf die weitreichenden Folgen sowohl nach § 138 Abs. 2 BGB als auch des gleichlautenden Straftatbestandes des § 291 StGB zurückzuweisen. Es wird der gesetzlichen Voraussetzung nicht gerecht, diese per se in jeder Arbeitsvertragsverhandlung als gegeben zu betrachten. Vielmehr ist der Norm zu entnehmen, dass das Kriterium der Ausnutzung einer Zwangslage eine eigenständige Bedeutung haben soll. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung und Sinn und Zweck unter besonderer Berücksichtigung der weitreichenden Folgen gebieten es, hier nur besondere Schwächesituationen einzubeziehen.

73

Soweit der Kläger meint, die Voraussetzung der Unerfahrenheit sei gegeben, da er "quasi Berufsanfänger" gewesen sei, so ist es für die Kammer mangels Substantiierung unmöglich, zu erkennen, welche konkreten Defizite hier einen besonderen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung begründen sollen. Auch hier gilt, dass es keine allgemeine Vermutung für ein Vorliegen der gesetzlich vorausgesetzten besonderen Schwächesituation gibt.

74

2.5 Kommt danach eine Unwirksamkeit im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB wegen Lohnwuchers nicht in Betracht, so kann gemäß § 138 Abs. 1 BGB das bestehende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Falle des Hinzukommens weiterer Umstände wie einer verwerflichen Gesinnung die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede begründen.

75

Im Hinblick auf die von den Parteien vorgetragenen besonderen Umstände des vorliegenden Falles erkennt die Kammer weder in dem Vortrag der Klägerseite zur Ausnutzung einer Monopolstellung durch die Beklagten die Begründung einer besonderen Verwerflichkeit noch ist nach der Einschätzung der Kammer die Beklagtenseite vor der Bewertung ihres Handelns als verwerflich geschützt aufgrund ihres Vorbringens, sie arbeite nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern ausschließlich und in nach Abgabenrecht anerkannter Weise gemeinnützig im öffentlichen Interesse, die Beklagten hätten auch bei dem Kläger und seinen Kollegen ehrenamtliches Engagement vorausgesetzt.

76

Zwar verschiebt die monopolartige Stellung der Beklagten, die sie in der Region Westpfalz, betrachtet man den hohen Anteil der von ihnen durchgeführten Rettungseinsätze, innehaben, die Verhandlungsgewichte zu ihren Gunsten im Verhältnis zu Bewerbern um Arbeitsverhältnisse. Dies ist allerdings nicht hinreichend, um bereits auf eine Verwerflichkeit bei der Vereinbarung einer auffällig niedrigen Vergütung zu schließen. Andere Umstände des vorliegenden Falls sprechen gegen eine besondere Verwerflichkeit. Rücksichtslose Eigennützigkeit lässt typischerweise auf eine verwerfliche Gesinnung schließen. Demgegenüber fehlt es bei den Beklagten an einer Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagten sind steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Allerdings gibt es nach der Einschätzung der erkennenden Kammer auch eine sittliche Grenze für die Benachteiligung Einzelner und die Vernachlässigung von deren Interessen, auch wenn sie zugunsten des Gemeinwohls erfolgt. Von ehrenamtlichem Engagement des Klägers und seiner Kollegen konnten die Beklagten bereits deshalb nicht ausgehen, da die durch die Übernahme von Diensten verfolgte Erwerbsabsicht für die Beklagten hinreichend deutlich zu Tage trat. Die geringfügig in gleicher Weise wie der Kläger Beschäftigten erstrebten die versprochene Vergütung und konkurrierten um die Dienste. Insgesamt lassen die Umstände weder auf eine besondere Verwerflichkeit schließen, noch wird durch diese Umstände die Verwerflichkeit der Haltung der Beklagten ausgeschlossen.

77

Allerdings kann auch bei Abwesenheit besonderer die Verwerflichkeit begründender Umstände das Maß des auffälligen Missverhältnisses ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten sprechen. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um ein besonders auffälliges - krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handelt. In diesen Fällen lässt das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu, der Arbeitgeber müsse sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG, a. a. O., II. 3. b). Einen Maßstab zur Bestimmung eines besonders auffälligen bzw. krassen Missverhältnisses hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht festgehalten. Der Bundesgerichtshof hat für mehrere unterschiedliche Rechtsverhältnisse - wie oben bereits ausgeführt - die Grenze von 50 Prozent des Werts der Gegenleistung für maßgeblich erachtet. Dem hat sich für Arbeitsverhältnisse das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der Entscheidung vom 02.11.2010 angeschlossen (5 Sa 91/10, a. a. O., Leitsatz 4). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwändig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einhergeht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht, muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O.).

78

Dies gilt in vorliegendem Fall bereits deshalb, da die beklagten Arbeitgeber in der L., die den Tarifvertrag geschlossen hat, organisiert sind. Es ist deshalb der Schluss gerechtfertigt, dass dann, wenn Leistungen und Gegenleistungen in einem krass auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, wofür auch die erkennende Kammer die 50-Prozent-Grenze für maßgeblich erachtet, sich die Arbeitgeberseite der Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

79

Eine andere Grenze als die 50-Prozent-Grenze anzusetzen, hält die Kammer jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht für angebracht im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeberin der Vergleich einerseits aufgrund von deren Tarifbindung leicht möglich war, sie andererseits durch Vereinbarung eines anderen Vergütungssystems im maßgeblichen Zeitraum 2007 (Differenzierung von Tag- und Nachtstunden) das Maß der Abweichung nicht auf einen Blick und ohne weitere Berechnung feststellen konnte.

80

Der 50-Prozent-Rahmen ist angesichts der oben geschilderten Feststellungen im Zeitraum 2007 deutlich unterschritten worden. Für diesen Zeitraum trifft die Feststellung des angefochtenen Urteils zu, dass das besonders auffällige Missverhältnis zwischen der entgegengenommenen Arbeitsleistung und der vereinbarten Vergütung ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten, das heißt des Beklagten zu 1., spricht. Er schuldet wegen der Unwirksamkeit der Vergütungsabrede die Differenzen zur üblichen, durch den Tarifvertrag angegebenen Vergütung.

81

Er kann sich demgegenüber auch nicht auf die Geltung tariflicher Ausschlussfristen berufen. Auch hierin folgt die erkennende Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Kaiserslautern in der angefochtenen Entscheidung.

82

Eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 2. kommt, da die Voraussetzung eines bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB nicht vorliegt, vgl. hierzu die Ausführungen oben zu II. 1., nicht in Betracht.

83

Demgegenüber ist die 50-Prozent-Grenze im Zeitraum 2008 nicht unterschritten worden. Es verbleibt deshalb bei einem auffälligen, nicht jedoch im Sinne dieser Grenzziehung krass auffälligen Missverhältnis, so dass angesichts des Fehlens weiterer die Verwerflichkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ausmachender Umstände - und mangels einer für die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB vorausgesetzten besonderen Schwächesituation (siehe oben II. 2.4) - sich insgesamt nicht die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung aus § 138 BGB ergibt.

84

3. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2. Anspruch auf Zahlung von 1.226,66 EUR für Juni bis Dezember 2008. Dieser Anspruch gründet in rechnerisch unstreitiger Höhe auf der Differenz der geleisteten Zahlung von 5,11 EUR pro Stunde zu tariflich geschuldeten 8,00 EUR pro Stunde nebst Nacht- und Sonntagszuschlägen (vgl. die tabellarische Aufstellung des Klägers im Schriftsatz vom 29.06.2010, Bl. 161 d. A.). Im genannten Zeitraum findet der Tarifvertrag unstreitig kraft beiderseitiger Tarifbindung auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse Anwendung.

85

Soweit sich die Beklagte auf Ausschlussfristen nach § 41 des DRK-Tarifvertrages berufen hat, so wird die Sechsmonatsfrist zur schriftlichen Geltendmachung in vorliegendem Fall insgesamt durch die bereits am 29.12.2008 zugestellte Klageschrift für den gesamten Zeitraum gewahrt.

86

4. Die für den Januar 2009 geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 60,48 EUR unterliegen der Abweisung. Der Durchsetzung der Zahlungsforderung steht bereits die Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in 11 Sa 651/09 entgegen, in der rechtskräftig die Forderungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 abgewiesen worden sind, § 322 ZPO. Die Rechtskraft mit Wirkung für den Kläger und Beklagte zu 2), die auch Partei des vorausgegangenen Rechtsstreits war, und die für Januar 2009 die Anspruchsgegnerin ist, steht auch einer Geltendmachung bezogen auf den nunmehr erhobenen Anspruch für 13 Stunden im Januar 2009 entgegen, der zwar nicht wie im Vorprozess auf Annahmeverzug wohl aber auf Vergütung für geleistete Tätigkeit in demselben Zeitraum gestützt wird. Aufgrund des gleichen Vergütungszeitraumes besteht auch bei unterschiedlicher geltend gemachter Anspruchsgrundlage eine Identität des Streitgegenstandes.

87

Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass diese Forderung mangels Geltendmachung in der Klageschrift erst mit Schriftsatz vom 29.06.2010 (unabhängig von dem nicht feststellbaren Zugangsdatum des Schriftsatzes), damit außerhalb der Sechsmonatsfrist für die schriftliche Geltendmachung nach § 41 des Tarifvertrages geltend gemacht worden ist. Der Kläger ist auch aus diesem Grund mit der Forderung ausgeschlossen.

88

Damit kann der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1. die Vergütungsdifferenzen für 2007, nicht aber weitergehende Zahlungen, und gegenüber der Beklagten zu 2. ausschließlich die Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung im Zeitraum der Tarifbindung mit Erfolg verlangen - in vollem Umfang für den Zeitraum Juni bis Dezember 2008, allerdings ohne den erneut trotz rechtskräftiger Entscheidung eingeklagten Anspruch für Januar 2009.

89

Die Hauptforderung ist, wie beantragt, ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Eine Korrektur des Rechtshängigkeitsdatums, das das erstinstanzliche Urteil zugrunde gelegt hat, zugunsten des Klägers ist ausgeschlossen, da diese Forderung nicht in der Berufung anhängig ist.

90

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern war hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung in der Hauptsache entsprechend abzuändern.

III.

91

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO. Unter Anwendung der Baumbach'schen Formel war zu bestimmen, in welchem Anteil die jeweiligen Parteien unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Anteils am Gesamtrechtsstreit unterlegen sind und deshalb die Kosten zu tragen haben.

92

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen der bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Grenzziehung für ein ohne weiteres für Verwerflichkeit nach § 138 Abs. 1 BGB sprechendes, besonders auffälliges Missverhältnis bei arbeitsvertraglichen Entgeltvereinbarungen.

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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009, Az. 2 Ca 833/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein ungekündigtes, unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht sowie über einen Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn bzw. auf Vergütung wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot.

2

Der am ... Juli 1981 geborene Kläger war nebenberuflich seit Mai 2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Rettungssanitäter tätig. Er war auf der Rettungswache R. eingesetzt.

3

Ein schriftlicher (Arbeits-)Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei der Beklagten etabliertem Prinzip:

5

Der Kläger und die etwa 200 anderen nicht vollzeitbeschäftigten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (ein Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung, es war aber immer einen Geben und Nehmen zwischen den nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitätern und dem Wachenleiter. Die nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied von ver.di mit der Folge einer Tarifbindung ab Juni 2008.

9

Der ABC-Reformtarifvertrag enthält in seiner Anlage 5 folgende " Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte ":

10

"§ 1 Geltungsbereich

11

Für geringfügig beschäftigte Mitarbeiter i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB IV gelten die Arbeitsbedingungen nach diesem Tarifvertrag, soweit in dieser Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist.

12

§ 2 Arbeitszeit

13

Die Arbeitszeit wird zwischen den Arbeitsvertragsparteien so festgelegt, dass die für geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 geltende Höchstgrenze für das monatliche Einkommen nicht überschritten wird. Die Arbeitszeit wird unter Berücksichtigung der gesetzlichen und/oder tariflichen Änderungen angepasst.

14

§ 3 Vergütung

15

I) Abweichend von § 18 erhält der geringfügig Beschäftigte eine Stundenvergütung nach Maßgabe der folgenden Entgelttabelle:

16

I. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die keine oder nur geringe Fachkenntnisse erfordern

     € 6,75,

II. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern

     € 7,50,

III. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern

     € 8,00,

IV. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern

     € 8,50.

17

II) Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)."

18

Der Kläger leistete in der Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2008 folgende Dienste:

19

Im Januar 2008 am 12., 21., 26. und 27. (insgesamt 63 Stunden),

im Februar 2008 am 8., 9., 21., 22. und 25. (insgesamt 65 Stunden),

im März 2008 am 8. und 9. (insgesamt 24 Stunden),

im April 2008 am 19., 25. und 26. (insgesamt 37 Stunden),

im Mai 2008 am 3., 10., 17. und 23. (insgesamt 52 Stunden),

im Juni 2008 am 7., 12., 13. und 20. (insgesamt 52 Stunden),

im Juli 2008 am 13., 19. und 27. (insgesamt 33 Stunden),

im August 2008 am 15., 16., 17. und 24. (insgesamt 44 Stunden),

im September 2008 am 6., 12., 20. und 28. (insgesamt 46 Stunden),

im Oktober 2008 am 11., 12. und 25. (insgesamt 37 Stunden),

im November 2008 am 21. und 23. (insgesamt 24 Stunden) sowie

im Dezember 2008 am 12., 13., 20. und 21. (insgesamt 46 Stunden).

20

Im Einzelnen wird auf die Stundennachweise des Klägers (Bl. 6 ff. in 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern) Bezug genommen.

21

Der Kläger erhielt seitens der Beklagten ausweislich der Überweisungsaufträge der Beklagten „Vergütung“. Die Beklagte entrichtete für den Kläger Beiträge zur Zusatzversorgung bei der B. Versorgungskammer - ZVK - und führte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – zumindest wenn der Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG ausgeschöpft war - pauschaliert in Höhe von 30,00 € ab.

22

Im November 2008 bot die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag an. In diesem heißt es unter anderem:

" § 1

23

Der Mitarbeiter wird ab dem ..... im Arbeitsverhältnis auf Abruf gemäß § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse (TzBfG) beim ABC als Aushilfe im Rettungsdienst (Rettungssanitäter) eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet. Es wird bestätigt, dass der Mitarbeiter bereits seit ….. geringfügig im Rettungsdienst des ABC beschäftigt ist.

§ 2

24

Vereinbart ist eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 5,00 Stunden. Das Arbeitsverhältnis ist ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB V.

25

Innerhalb der gesetzlichen Grenzen für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis kann der vereinbarte Beschäftigungsumfang einvernehmlich überschritten werden.

26

Die Heranziehung zur Arbeit erfolgt in der Weise, dass das ABC dem Mitarbeiter die Lage seiner Arbeitszeit mindestens 8 Tage im Voraus mitteilt. Soweit nicht anders im Einzelfall einvernehmlich vereinbart, erfolgt die Heranziehung zur Arbeit jeweils für mindestens 6 aufeinander folgende Stunden.

§ 3

27

Als Entgelt erhält der Mitarbeiter eine Vergütung in Höhe von € 8,00 pro Stunde.

28

Das ABC trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), soweit nicht Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 26 EStG besteht oder mit dem Mitarbeiter in Schulausbildung oder Studium eine Versteuerung der Einkünfte über Lohnsteuerkarte vereinbart ist, weil dessen/deren Gesamteinkünfte unterhalb des zustehenden Grundfreibetrags bleiben.

§ 4

29

Der Arbeits- und Einsatzbereich sind die Rettungswachen der ABC-Rettungsdienst W. GmbH.

§ 5

30

Für das Arbeitsverhältnis gilt der ABC-Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Die Vergütung richtet sich nach der Anlage 5 zum ABC-Tarifvertrag ("Sonderregelungen für Geringfügig Beschäftigte") in ihrer jeweils gültigen Fassung; im Falle einer Kündigung der Sonderregelung durch eine Tarifvertragspartei in der zuletzt gültigen Fassung.

(...)

§ 7

31

Der Mitarbeiter ist weiter verpflichtet, auf Verlangen des ABC an den im ABC Rheinland-Pfalz zentral angebotenen regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst teilzunehmen, um jederzeit die in den Ausbildungsrichtlinien des ABC sowie im Rettungsdienstgesetz und im Landesrettungsdienstplan von Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung enthaltenen Anforderungen erfüllen zu können.

32

(…)".

33

Die Beklagte meldete den Kläger zum 31. Dezember 2008 bei der B. Versorgungskammer bezüglich der betrieblichen Altersversorgung ab. Eine Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger erfolgte nicht.

34

Der Kläger leistete am 21. Dezember 2008 seinen bis dato letzten Einsatz. Er bot gegenüber der Beklagten mehrfach seine Arbeitskraft an, wurde jedoch ab Januar 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt.

35

Mit einer am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern (2 Ca 1845/08) eingegangener Klage verfolgte der Kläger Ansprüche unter anderem auf Zahlung einer höheren Vergütung. Während die Beklagte den Kläger zuletzt mit 5,11 €/geleisteter Stunde vergütete, begehrte der Kläger die Zahlung von 8,00 €/Stunde. Dieser Rechtsstreit ist bislang nicht abgeschlossen.

36

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger neben der Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, mit seiner am 20. Mai 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 25. Mai 2009 zugestellten Klage weiter die Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis April 2009 sowie mit der am 2. Juli 2009 eingegangenen, der Beklagten am 2. Juli 2009 zugestellten Klageänderung die Zahlung von Vergütung für die Monate Mai und Juni 2009.

37

Der Kläger war der Ansicht,

38

ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehe unverändert. Die geleisteten Dienste seien nicht als einzelne befristete Tagesarbeitverhältnisse anzusehen. Es mangele ihnen an der erforderlichen Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG stehe einer wiederholten Befristung entgegen. Die Berufung der Beklagten auf § 17 TzBfG sei treuwidrig. Diese Vorschrift sei vorliegend nicht anwendbar, da es um die Frage gehe, ob überhaupt eine Befristung vereinbart sei.

39

Die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug. Seine Forderung beruhe auf durchschnittlich 43,58 Stunden/Monat, errechnet aus den Stunden im Jahr 2008 und einem Stundenlohn in Höhe von 8,00 €. Seine Weigerung, zu neuen Konditionen zu arbeiten, stelle keine Ablehnung einer Arbeitsleistung dar. Die dort unterbreiteten neuen Vertragsinhalte seien gerade noch nicht Bestandteil des bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Hierzu hätte sich die Beklagte der Änderungskündigung bedienen müssen. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus § 612 a BGB, da der Geschäftsführer der Beklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern im Rechtsstreit 2 Ca 1845/08 am 19. März 2009 ausdrücklich erklärt habe, der Arbeitnehmer, der geklagt hätte und von dem er menschlich enttäuscht sei, würde nicht mehr eingesetzt.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

42

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

43

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

44

Die Beklagte hat beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte war der Ansicht,

47

zwischen den Parteien bestehe jedenfalls kein ständiges, unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zu keinem Zeitpunkt sei ein fester, regelmäßiger Beschäftigungsumfang vereinbart worden. Die Parteien hätten sich über die einzelnen zu leistenden Dienste geeinigt. Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger oder seinen in gleicher Rechtsbeziehung zur Beklagten stehenden Kollegen über einen oder mehrere zu leistende Dienste sei nach vereinbarungsgemäßer Übernahme dieser Dienste und Zahlung der zustehenden Vergütung hierfür durch die Beklagte vollständig erfüllt. Es habe keine Vereinbarung bestanden, die ihr gestattet hätte, vom Kläger die Übernahme bestimmter Dienste zu fordern. Auch gebe es keine Vereinbarung, die dem Kläger Angebote für zu übernehmende Dienste in einem definierten Umfang zusichere. Die den einzelnen Tagesarbeitsverhältnissen innewohnenden Befristungen seien zwar möglicherweise unwirksam, was in der gesetzlich vorgesehenen Weise geltend gemacht werden könne. Dass diese Gestaltung als solches einen Gesetzesverstoß darstelle, sei dagegen unzutreffend. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger hätten diese gewählte rechtliche Gestaltung deshalb als unbedenklich angesehen, weil sie zum einen davon ausgegangen seien, es handele sich nicht um Arbeitsverhältnisse, zum anderen, weil sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger und seine Kollegen an einer unbefristet wirkenden rechtlichen Bindung gar nicht interessiert gewesen seien. Die den Einzelvereinbarungen innewohnenden Befristungen seien jedenfalls nicht unbestimmt gewesen. Sie seien jeweils mit der Ableistung des letzten konkret vereinbarten Dienstes eingetreten. Weil die An- und Abmeldung von Mitarbeitern zur zusätzlichen Altersversorgung dort einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand darstelle, habe sie – soweit sie den Kläger und seine Kollegen zur Zusatzversorgung angemeldet gehabt habe – von ständigen Ab- und Neuanmeldungen abgesehen, angemeldete Mitarbeiter vielmehr angemeldet gelassen, so lange eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen habe, dass diese demnächst weitere konkrete Dienstverpflichtungen übernehmen würden. Die Klage sei auf jeden Fall gemäß § 17 TzBfG verfristet.

48

Annahmeverzug sei nicht gegeben, da der Kläger den von ihr angebotenen unbefristeten Arbeitsvertrag abgelehnt habe. In 2009 seien dem Kläger keine Dienste mehr angeboten worden, da dieser zu erkennen gegeben habe, dass er zur Übernahme von Diensten nur gegen die Gewährung der tariflichen Vergütung für geringfügig Beschäftigte gemäß ABC-TV bereit sei, umgekehrt jedoch nicht bereit gewesen sei, die üblicherweise mit einem unbefristeten, geringfügigen Beschäftigungsverhältnis einhergehenden Arbeitnehmerpflichten, für die Anforderung der Arbeitsleistung in zumutbarem Umfang zur Verfügung zu stehen, zu übernehmen.

49

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe kein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis. Die Parteien hätten sich in der Vergangenheit immer nur auf Einsätze an bestimmten Tagen geeinigt. Hierbei handele es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, und zwar in dem zeitlichen Umfang, wie er absprachegemäß im Dienstplan erfolgt sei. Dabei sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, die ihm angebotenen Dienste für bestimmte Tage zu übernehmen. Er habe sie auch ablehnen dürfen. Auch die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger konkrete Angebote zu machen. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich. Deshalb liege auch kein Fall von Abrufarbeit nach § 12 TzBfG, sondern allenfalls eine Rahmenvereinbarung vor, die aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründe. Die letzte Befristung sei auch wirksam, weil der Kläger nicht innerhalb von drei Wochen gemäß § 17 TzBfG Entfristungsklage erhoben habe. Da ab Januar 2009 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe, könne der Kläger auch keine Vergütung verlangen.

50

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 (Bl. 27 f. d. A.) Bezug genommen.

51

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 1. Oktober 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 28. Oktober 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht innerhalb der durch Beschluss vom 2. Dezember 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen, begründet. Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 45 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

52

Zwischen den Parteien seien keine befristeten Arbeitsverhältnisse abgeschlossen worden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer Befristung trage die Partei, die hieraus für sich eine günstige Rechtsfolge herleite. Das sei vorliegend die Beklagte. Diese habe vor Beginn der einschlägigen Rechtsstreite nie darauf hingewiesen, es handele sich um den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Damit habe bereits der zur Abgabe eines einschlägigen Vertragsangebots erforderliche Erklärungswille gefehlt. Klägerseitig habe man die gesamte Vertragsgestaltung nur so verstehen können, dass es sich insgesamt um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Hierfür spreche insbesondere auch die Handhabung der zusätzlichen Altersversorgung. Zudem gehe die Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass dem TzBfG die Wertung zugrunde liege, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sei.

53

Ein Arbeitnehmer, der nicht darauf hingewiesen werde, in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu stehen, könne auch nicht verpflichtet sein, innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des Vertrages eine Entfristungsklage zu erheben. Soweit sich die Beklagte auf die Einhaltung dieser Frist berufe, erscheine dies treuwidrig, denn sie selbst sei ursprünglich nicht davon ausgegangen, in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu stehen. Die Beklagte habe die Weiterbeschäftigung bereits zu einem Zeitpunkt unterlassen, als alle Beteiligten noch entweder von unbefristeten ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnissen oder von unbefristeten Arbeitsverhältnissen ausgegangen seien. Als das Arbeitsgericht Kaiserslautern geraume Zeit später auf die Idee gekommen sei, es könnten befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorliegen, seien etwaige Klagefristen nach § 17 TzBfG schon lange abgelaufen gewesen.

54

Der von der Beklagten im Jahr 2008 angebotene unbefristete Arbeitsvertrag habe deutliche Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtsposition des Klägers enthalten. So hätte etwa der Einsatzbereich auf eine wesentlich größere Fläche ausgedehnt werden sollen als dies zuvor der Fall gewesen sei. Wegen dieser Verschlechterungen habe das Vertragsangebot der Beklagten insoweit nicht angenommen werden können. Durch das Unterlassen der weiteren Beschäftigung befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug.

55

Der Kläger beantragt,

56

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 – 2 Ca 833/09 abzuändern und

57

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

58

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

59

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

60

Die Beklagte beantragt,

61

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

62

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. Januar 2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 57 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Zwischen den Parteien sei kein regelmäßiger, fester Beschäftigungsumfang vereinbart worden, auch nicht in Form eines durchschnittlichen Beschäftigungsumfangs. Die Parteien hätten sich vielmehr stets über zu leistende Dienste einzeln oder für mehrere Dienste auf einmal einvernehmlich verständigt. Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien könne nicht als fortdauerndes Arbeitsverhältnis, Teilzeitarbeitsverhältnis oder Abrufarbeitsverhältnis angesehen werden. Unerheblich sei, dass sie die Dienste des Klägers nicht als im Rahmen von Tagesarbeitsverhältnissen geleistet, sondern als ehrenamtlich übernommene Dienstverpflichtung angesehen habe. Da ehrenamtliche Tätigkeit immer freiwillige Tätigkeit bedeute, wären auch hier konkrete Vereinbarungen über einzelne vom Kläger zu übernehmende Dienste stets befristete Vereinbarungen gewesen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit kenne weder ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht noch Annahmeverzug.

63

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

64

Das Landesarbeitsgericht hat die Akte 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.

65

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

66

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers jedoch keinen Erfolg.

67

Zwischen den Parteien besteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis Juni 2009 weder unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs noch unter demjenigen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB. Im Einzelnen:

68

1. Zwischen den Parteien besteht kein – unbefristetes – Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor. Auch haben beide Parteien nicht vorgetragen, dass die Beklagte bzw. die Rechtsvorgänger der Beklagten, nämlich bis zum 31. Dezember 2006 der Kreisverband Kirchheimbolanden, bis zum 31. März 2008 der ABC Kreisverband K.-Stadt e. V., dem Kläger ausdrücklich den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses angeboten haben, was dieser angenommen hat. Die Parteien haben auch nicht durch konkludente Willenserklärungen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Zwar kann der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages – da keine Formerfordernisse eingreifen – auch durch konkludente Willenserklärungen erfolgen. Solche liegen hier jedoch nicht vor.

69

Der Arbeitsvertrag ist nach seiner gesetzlichen Systematik ein Unterfall des Dienstvertrags. Er setzt daher notwendig voraus, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Arbeitnehmer ist daher, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Nicht notwendig ist für einen Arbeitsvertrag, dass die Arbeitsleistung schon von vornherein festgelegt ist. Vielmehr kann die arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dahin getroffen werden, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 315 BGB zu treffende Weisung auslöst. Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf, § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Der Arbeitnehmer ist dann allerdings konkret nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn ihm der Arbeitgeber die Lage seiner Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag ist somit stets eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Dienstleistung (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG). Ob die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen ( Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß §12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, nicht selten als Rahmenvereinbarung ausgestaltet. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu §12 TzBfG; Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Mit Hilfe beider kann ein vorhersehbar immer wieder auftretender Arbeitsbedarf erfüllt werden ( Annuß/Thüsing , TzBfG, § 12 Rn. 13). § 12 TzBfG zwingt die Arbeitsvertragsparteien nicht, statt befristeten einzelnen Eintagesarbeitsverhältnissen ein Abrufarbeitsverhältnis zu vereinbaren (BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996; ErfKomm- Preis , 10. Aufl. 2010, § 12 TzBfG Rn. 12; Henssler in MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2009, § 12 TzBfG Rn. 4 m. w. N.).

70

Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (vgl. BAG, Urt. vom 20. März 1996 – 7 AZR 524/95 – zitiert nach juris für Extrawachen auf den Stationen eines Krankenhauses). Die Vergabe der Einsätze erfolgte stets nur aufgrund der „Bewerbung“ des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall, begrenzt auf dessen Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung zu den einzelnen Einsätzen nur dahin verstehen, dass lediglich auf die einzelnen Einsätze, allenfalls die Dauer des Dienstplans befristete einzelne Eintagesarbeitsverhältnisse abgeschlossen werden sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Zu Beginn ihrer Rechtsbeziehungen haben die Parteien den Umfang der Arbeitsleistung nicht auf Dauer vertraglich festgelegt. Der Kläger war weder verpflichtet, überhaupt oder in bestimmtem Umfang „Bewerbungen“ auf einzelne Einsätze vorzunehmen noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte jedenfalls dann, wenn einzelne Schichten unbesetzt bleiben sollten, berechtigt sein sollte, die Teilzeitkräfte auch einseitig zur Arbeit einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht (so aber im vom BAG durch Urteil vom 12. Juni 1996 – 5 AZR 960/94 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent entschiedenen Fall einer Tankwartaushilfe). Rechtliche Konsequenzen hatte weder die Nichteintragung im PC der Rettungswache (unter Umständen auch für mehrere Monate) noch die Mitteilung bei den kurzfristigen Anfragen, zum angefragten Zeitpunkt nicht zur Verfügung zu stehen. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn nach mehreren „Absagen“ auf kurzfristige Anfragen solche seitens der Beklagten nicht mehr erfolgt sein sollten. Konnte oder wollte ein Rettungsassistent oder –sanitäter mehrfach nicht kurzfristig eingesetzt werden, konnte die Beklagte hieraus den Schluss ziehen, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse hat, solche nicht längere Zeit im Voraus geplante Einsätze zu leisten.

71

Auch in der Aufnahme des Klägers in eine „Liste“, einen „Pool“ von Rettungsassistenten bzw. –sanitätern für kurzfristige Anfragen ist nicht der Abschluss eines unbefristeten einheitlichen Arbeitsverhältnisses durch die Parteien zu sehen. Durch die Aufnahme in den „Pool“, die „Liste“ konnte der Kläger nicht mit dauernden Einsätzen rechnen. Die Aufnahme in eine Liste von Interessenten ist kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Dazu bedürfte es weiterer Umstände, aus denen erkennbar werden müsste, dass die Beteiligten vom Fortbestehen rechtlicher Bindungen über die Zeit des einzelnen Einsatzes hinaus ausgegangen sind (vgl. BAG, Urt. vom 11. November 1998 – 5 AZR 119/98 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Werkstudent m. w. N. für studentische Sitzwachen in einem psychiatrischen Krankenhaus).

72

Allerdings kann bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder beschäftigter Personen ("Pool") trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Arbeitsverhältnis entstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) kann ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn dem Mitarbeiter erklärt wird, er sei nicht verpflichtet, die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst in Kraft, wenn ihm die einzelnen Mitarbeiter nicht widersprächen oder ihr Erscheinen zu dem vorgesehenen Termin jeweils bestätigten. Daran ändere auch das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen, nichts Ein Dauerarbeitsverhältnis könne weiter auch dann entstehen, wenn den Einsätzen jeweils telefonische Anfragen, ob der Mitarbeiter zur Verfügung stehe, vorausgingen. Das solle jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdecke, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötige, als er unbefristet eingestellt habe. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) jedoch, dass der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen wird und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen kann, auch in Zukunft herangezogen zu werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht für den Bereich des Rundfunks entschiedenen Falls ging der Einteilung des Klägers jedoch nur im Fall kurzfristigen Bedarfs ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten voraus. In den Fällen der Berücksichtigung im Dienstplan kam hingegen die Vereinbarung eines Einsatzes jedoch nur dann zustande, wenn er selbst durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung an die Beklagte mitgeteilt hatte, an den konkreten Einsätzen interessiert zu sein. Unterblieb eine solche "Bewerbung" des Klägers, erhielt er keinen Einsatz. Der einzelne Einsatz des Klägers beruhte weiter stets auf einer zwischen den Parteien ausdrücklich getroffenen Absprache betreffend den jeweiligen Einsatz. Für die Annahme eines auf Dauer angelegten Bindungswillens fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Einsätze des Klägers erfolgten auch nach keinem erkennbaren System, ihre Abfolge und ihr Umfang schwankte von Monat zu Monat. So schwankten seine Einsatzzeiten zwischen 24 Stunden und 65 Stunden/Monat. Zwischen dem 9. März 2008 und dem 19. April 2008 war der Kläger ebenso wenig tätig wie im Zeitraum zwischen dem 25. Oktober und dem 21. November 2008.

73

Aus den dem Kläger erteilten Verdienstabrechnungen und der Anmeldung bei der B. Versorgungskammer zur Zusatzversorgung kann nicht auf die Vereinbarung eines Dauerarbeitsverhältnisses geschlossen werden. Die monatliche Abrechnung liegt auch bei häufig wiederkehrenden jeweils kurzfristig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Auch die Vereinfachung des Meldeverfahrens bei der Zusatzversorgung durch den Verzicht auf regelmäßige Ab- und erneute Anmeldungen dient der Praktikabilität der Abwicklung einzelner kurzfristiger Einsätze. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Höhe der zu leistenden Beiträge allein nach der Höhe des erzielten Verdienstes, nicht jedoch nach dem Zeitraum, für den eine Anmeldung besteht, richtet.

74

Durch die vorliegende Vertragsgestaltung wird auch verfassungsrechtlich gebotener Bestandsschutz nicht umgangen. Zwar haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Vertragsgestaltung zu einer Beseitigung oder unzulässigen Beschränkung des auf Grund von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Bestandsschutzes führt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch die vertragliche Vereinbarung zwingender gesetzlicher Kündigungsschutz oder die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle umgangen wird. Durch die vorliegende Vereinbarung jeweils nur einzelner Einsätze wurde der verfassungsrechtlich gebotene Bestandsschutz nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Dem Kläger wurde hierdurch nicht die Möglichkeit genommen, die Vereinbarung der einzelnen Einsätze der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zuzuführen (vgl. BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996). Ohne Bedeutung ist für die Kontrolle der gewählten Vertragsgestaltung, ob der Arbeitnehmer von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht (vgl. BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.).

75

Soweit die Parteien sich auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt haben, hat der Kläger die letzte – formunwirksame – Befristung nicht (auch nicht in der Drei-Wochen-Frist des § 17 S. 1 TzBfG) angegriffen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit hat er keinen Befristungsschutzantrag gestellt. Nach § 17 S. 1 TzBfG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (vgl. nur LAG Düsseldorf, Urt. v. 26. September 2002 – 5 Sa 748/02 – NZA-RR 2003, 175; Laux/Schlachter , TzBfG, § 17 Rn. 5; Schaub/Koch , Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf § 242 BGB berufen. Er hat die Befristung überhaupt nicht (gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung) angegriffen, auch nicht nachdem dieser Gesichtspunkt im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - 2 Ca 1845/08 - thematisiert worden ist. Die Befristung war daher vorliegend nicht zu überprüfen. Ihr Formmangel konnte nicht zur Begründetheit des Feststellungsantrags führen. Ebenso nicht zu prüfen war die Frage einer Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Mehrfachbefristungen beim selben Arbeitgeber ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

76

2. Da zwischen den Parteien – wie unter 1. dargelegt – in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 kein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestand, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für diese Monate unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, § 611 Abs. 1 in Verbindung mit § 615 S. 1 BGB, §§ 293 ff. BGB.

77

Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 612 a BGB ist nicht gegeben. Gemäß § 612 a BGB hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf die anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung, wenn er bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme benachteiligt wird, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen seiner Rechtsausübung, der Klage auf tarifliche Vergütung, im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses benachteiligt, sondern ihm neue „Einsätze“ nur auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit dem Gegenstand einer Arbeit auf Abruf angeboten. Hierdurch hat die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise auf die Auffassung des Klägers und weiterer Rettungsassistenten und –sanitäter reagiert, sie seien bereits in unbefristeten Arbeitsverhältnissen tätig.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.


Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009, Az. 2 Ca 833/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein ungekündigtes, unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht sowie über einen Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn bzw. auf Vergütung wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot.

2

Der am ... Juli 1981 geborene Kläger war nebenberuflich seit Mai 2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Rettungssanitäter tätig. Er war auf der Rettungswache R. eingesetzt.

3

Ein schriftlicher (Arbeits-)Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei der Beklagten etabliertem Prinzip:

5

Der Kläger und die etwa 200 anderen nicht vollzeitbeschäftigten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (ein Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung, es war aber immer einen Geben und Nehmen zwischen den nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitätern und dem Wachenleiter. Die nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied von ver.di mit der Folge einer Tarifbindung ab Juni 2008.

9

Der ABC-Reformtarifvertrag enthält in seiner Anlage 5 folgende " Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte ":

10

"§ 1 Geltungsbereich

11

Für geringfügig beschäftigte Mitarbeiter i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB IV gelten die Arbeitsbedingungen nach diesem Tarifvertrag, soweit in dieser Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist.

12

§ 2 Arbeitszeit

13

Die Arbeitszeit wird zwischen den Arbeitsvertragsparteien so festgelegt, dass die für geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 geltende Höchstgrenze für das monatliche Einkommen nicht überschritten wird. Die Arbeitszeit wird unter Berücksichtigung der gesetzlichen und/oder tariflichen Änderungen angepasst.

14

§ 3 Vergütung

15

I) Abweichend von § 18 erhält der geringfügig Beschäftigte eine Stundenvergütung nach Maßgabe der folgenden Entgelttabelle:

16

I. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die keine oder nur geringe Fachkenntnisse erfordern

     € 6,75,

II. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern

     € 7,50,

III. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern

     € 8,00,

IV. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern

     € 8,50.

17

II) Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)."

18

Der Kläger leistete in der Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2008 folgende Dienste:

19

Im Januar 2008 am 12., 21., 26. und 27. (insgesamt 63 Stunden),

im Februar 2008 am 8., 9., 21., 22. und 25. (insgesamt 65 Stunden),

im März 2008 am 8. und 9. (insgesamt 24 Stunden),

im April 2008 am 19., 25. und 26. (insgesamt 37 Stunden),

im Mai 2008 am 3., 10., 17. und 23. (insgesamt 52 Stunden),

im Juni 2008 am 7., 12., 13. und 20. (insgesamt 52 Stunden),

im Juli 2008 am 13., 19. und 27. (insgesamt 33 Stunden),

im August 2008 am 15., 16., 17. und 24. (insgesamt 44 Stunden),

im September 2008 am 6., 12., 20. und 28. (insgesamt 46 Stunden),

im Oktober 2008 am 11., 12. und 25. (insgesamt 37 Stunden),

im November 2008 am 21. und 23. (insgesamt 24 Stunden) sowie

im Dezember 2008 am 12., 13., 20. und 21. (insgesamt 46 Stunden).

20

Im Einzelnen wird auf die Stundennachweise des Klägers (Bl. 6 ff. in 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern) Bezug genommen.

21

Der Kläger erhielt seitens der Beklagten ausweislich der Überweisungsaufträge der Beklagten „Vergütung“. Die Beklagte entrichtete für den Kläger Beiträge zur Zusatzversorgung bei der B. Versorgungskammer - ZVK - und führte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – zumindest wenn der Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG ausgeschöpft war - pauschaliert in Höhe von 30,00 € ab.

22

Im November 2008 bot die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag an. In diesem heißt es unter anderem:

" § 1

23

Der Mitarbeiter wird ab dem ..... im Arbeitsverhältnis auf Abruf gemäß § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse (TzBfG) beim ABC als Aushilfe im Rettungsdienst (Rettungssanitäter) eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet. Es wird bestätigt, dass der Mitarbeiter bereits seit ….. geringfügig im Rettungsdienst des ABC beschäftigt ist.

§ 2

24

Vereinbart ist eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 5,00 Stunden. Das Arbeitsverhältnis ist ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB V.

25

Innerhalb der gesetzlichen Grenzen für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis kann der vereinbarte Beschäftigungsumfang einvernehmlich überschritten werden.

26

Die Heranziehung zur Arbeit erfolgt in der Weise, dass das ABC dem Mitarbeiter die Lage seiner Arbeitszeit mindestens 8 Tage im Voraus mitteilt. Soweit nicht anders im Einzelfall einvernehmlich vereinbart, erfolgt die Heranziehung zur Arbeit jeweils für mindestens 6 aufeinander folgende Stunden.

§ 3

27

Als Entgelt erhält der Mitarbeiter eine Vergütung in Höhe von € 8,00 pro Stunde.

28

Das ABC trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), soweit nicht Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 26 EStG besteht oder mit dem Mitarbeiter in Schulausbildung oder Studium eine Versteuerung der Einkünfte über Lohnsteuerkarte vereinbart ist, weil dessen/deren Gesamteinkünfte unterhalb des zustehenden Grundfreibetrags bleiben.

§ 4

29

Der Arbeits- und Einsatzbereich sind die Rettungswachen der ABC-Rettungsdienst W. GmbH.

§ 5

30

Für das Arbeitsverhältnis gilt der ABC-Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Die Vergütung richtet sich nach der Anlage 5 zum ABC-Tarifvertrag ("Sonderregelungen für Geringfügig Beschäftigte") in ihrer jeweils gültigen Fassung; im Falle einer Kündigung der Sonderregelung durch eine Tarifvertragspartei in der zuletzt gültigen Fassung.

(...)

§ 7

31

Der Mitarbeiter ist weiter verpflichtet, auf Verlangen des ABC an den im ABC Rheinland-Pfalz zentral angebotenen regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst teilzunehmen, um jederzeit die in den Ausbildungsrichtlinien des ABC sowie im Rettungsdienstgesetz und im Landesrettungsdienstplan von Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung enthaltenen Anforderungen erfüllen zu können.

32

(…)".

33

Die Beklagte meldete den Kläger zum 31. Dezember 2008 bei der B. Versorgungskammer bezüglich der betrieblichen Altersversorgung ab. Eine Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger erfolgte nicht.

34

Der Kläger leistete am 21. Dezember 2008 seinen bis dato letzten Einsatz. Er bot gegenüber der Beklagten mehrfach seine Arbeitskraft an, wurde jedoch ab Januar 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt.

35

Mit einer am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern (2 Ca 1845/08) eingegangener Klage verfolgte der Kläger Ansprüche unter anderem auf Zahlung einer höheren Vergütung. Während die Beklagte den Kläger zuletzt mit 5,11 €/geleisteter Stunde vergütete, begehrte der Kläger die Zahlung von 8,00 €/Stunde. Dieser Rechtsstreit ist bislang nicht abgeschlossen.

36

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger neben der Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, mit seiner am 20. Mai 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 25. Mai 2009 zugestellten Klage weiter die Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis April 2009 sowie mit der am 2. Juli 2009 eingegangenen, der Beklagten am 2. Juli 2009 zugestellten Klageänderung die Zahlung von Vergütung für die Monate Mai und Juni 2009.

37

Der Kläger war der Ansicht,

38

ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehe unverändert. Die geleisteten Dienste seien nicht als einzelne befristete Tagesarbeitverhältnisse anzusehen. Es mangele ihnen an der erforderlichen Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG stehe einer wiederholten Befristung entgegen. Die Berufung der Beklagten auf § 17 TzBfG sei treuwidrig. Diese Vorschrift sei vorliegend nicht anwendbar, da es um die Frage gehe, ob überhaupt eine Befristung vereinbart sei.

39

Die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug. Seine Forderung beruhe auf durchschnittlich 43,58 Stunden/Monat, errechnet aus den Stunden im Jahr 2008 und einem Stundenlohn in Höhe von 8,00 €. Seine Weigerung, zu neuen Konditionen zu arbeiten, stelle keine Ablehnung einer Arbeitsleistung dar. Die dort unterbreiteten neuen Vertragsinhalte seien gerade noch nicht Bestandteil des bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Hierzu hätte sich die Beklagte der Änderungskündigung bedienen müssen. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus § 612 a BGB, da der Geschäftsführer der Beklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern im Rechtsstreit 2 Ca 1845/08 am 19. März 2009 ausdrücklich erklärt habe, der Arbeitnehmer, der geklagt hätte und von dem er menschlich enttäuscht sei, würde nicht mehr eingesetzt.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

42

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

43

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

44

Die Beklagte hat beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte war der Ansicht,

47

zwischen den Parteien bestehe jedenfalls kein ständiges, unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zu keinem Zeitpunkt sei ein fester, regelmäßiger Beschäftigungsumfang vereinbart worden. Die Parteien hätten sich über die einzelnen zu leistenden Dienste geeinigt. Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger oder seinen in gleicher Rechtsbeziehung zur Beklagten stehenden Kollegen über einen oder mehrere zu leistende Dienste sei nach vereinbarungsgemäßer Übernahme dieser Dienste und Zahlung der zustehenden Vergütung hierfür durch die Beklagte vollständig erfüllt. Es habe keine Vereinbarung bestanden, die ihr gestattet hätte, vom Kläger die Übernahme bestimmter Dienste zu fordern. Auch gebe es keine Vereinbarung, die dem Kläger Angebote für zu übernehmende Dienste in einem definierten Umfang zusichere. Die den einzelnen Tagesarbeitsverhältnissen innewohnenden Befristungen seien zwar möglicherweise unwirksam, was in der gesetzlich vorgesehenen Weise geltend gemacht werden könne. Dass diese Gestaltung als solches einen Gesetzesverstoß darstelle, sei dagegen unzutreffend. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger hätten diese gewählte rechtliche Gestaltung deshalb als unbedenklich angesehen, weil sie zum einen davon ausgegangen seien, es handele sich nicht um Arbeitsverhältnisse, zum anderen, weil sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger und seine Kollegen an einer unbefristet wirkenden rechtlichen Bindung gar nicht interessiert gewesen seien. Die den Einzelvereinbarungen innewohnenden Befristungen seien jedenfalls nicht unbestimmt gewesen. Sie seien jeweils mit der Ableistung des letzten konkret vereinbarten Dienstes eingetreten. Weil die An- und Abmeldung von Mitarbeitern zur zusätzlichen Altersversorgung dort einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand darstelle, habe sie – soweit sie den Kläger und seine Kollegen zur Zusatzversorgung angemeldet gehabt habe – von ständigen Ab- und Neuanmeldungen abgesehen, angemeldete Mitarbeiter vielmehr angemeldet gelassen, so lange eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen habe, dass diese demnächst weitere konkrete Dienstverpflichtungen übernehmen würden. Die Klage sei auf jeden Fall gemäß § 17 TzBfG verfristet.

48

Annahmeverzug sei nicht gegeben, da der Kläger den von ihr angebotenen unbefristeten Arbeitsvertrag abgelehnt habe. In 2009 seien dem Kläger keine Dienste mehr angeboten worden, da dieser zu erkennen gegeben habe, dass er zur Übernahme von Diensten nur gegen die Gewährung der tariflichen Vergütung für geringfügig Beschäftigte gemäß ABC-TV bereit sei, umgekehrt jedoch nicht bereit gewesen sei, die üblicherweise mit einem unbefristeten, geringfügigen Beschäftigungsverhältnis einhergehenden Arbeitnehmerpflichten, für die Anforderung der Arbeitsleistung in zumutbarem Umfang zur Verfügung zu stehen, zu übernehmen.

49

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe kein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis. Die Parteien hätten sich in der Vergangenheit immer nur auf Einsätze an bestimmten Tagen geeinigt. Hierbei handele es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, und zwar in dem zeitlichen Umfang, wie er absprachegemäß im Dienstplan erfolgt sei. Dabei sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, die ihm angebotenen Dienste für bestimmte Tage zu übernehmen. Er habe sie auch ablehnen dürfen. Auch die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger konkrete Angebote zu machen. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich. Deshalb liege auch kein Fall von Abrufarbeit nach § 12 TzBfG, sondern allenfalls eine Rahmenvereinbarung vor, die aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründe. Die letzte Befristung sei auch wirksam, weil der Kläger nicht innerhalb von drei Wochen gemäß § 17 TzBfG Entfristungsklage erhoben habe. Da ab Januar 2009 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe, könne der Kläger auch keine Vergütung verlangen.

50

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 (Bl. 27 f. d. A.) Bezug genommen.

51

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 1. Oktober 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 28. Oktober 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht innerhalb der durch Beschluss vom 2. Dezember 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen, begründet. Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 45 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

52

Zwischen den Parteien seien keine befristeten Arbeitsverhältnisse abgeschlossen worden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer Befristung trage die Partei, die hieraus für sich eine günstige Rechtsfolge herleite. Das sei vorliegend die Beklagte. Diese habe vor Beginn der einschlägigen Rechtsstreite nie darauf hingewiesen, es handele sich um den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Damit habe bereits der zur Abgabe eines einschlägigen Vertragsangebots erforderliche Erklärungswille gefehlt. Klägerseitig habe man die gesamte Vertragsgestaltung nur so verstehen können, dass es sich insgesamt um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Hierfür spreche insbesondere auch die Handhabung der zusätzlichen Altersversorgung. Zudem gehe die Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass dem TzBfG die Wertung zugrunde liege, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sei.

53

Ein Arbeitnehmer, der nicht darauf hingewiesen werde, in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu stehen, könne auch nicht verpflichtet sein, innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des Vertrages eine Entfristungsklage zu erheben. Soweit sich die Beklagte auf die Einhaltung dieser Frist berufe, erscheine dies treuwidrig, denn sie selbst sei ursprünglich nicht davon ausgegangen, in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu stehen. Die Beklagte habe die Weiterbeschäftigung bereits zu einem Zeitpunkt unterlassen, als alle Beteiligten noch entweder von unbefristeten ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnissen oder von unbefristeten Arbeitsverhältnissen ausgegangen seien. Als das Arbeitsgericht Kaiserslautern geraume Zeit später auf die Idee gekommen sei, es könnten befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorliegen, seien etwaige Klagefristen nach § 17 TzBfG schon lange abgelaufen gewesen.

54

Der von der Beklagten im Jahr 2008 angebotene unbefristete Arbeitsvertrag habe deutliche Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtsposition des Klägers enthalten. So hätte etwa der Einsatzbereich auf eine wesentlich größere Fläche ausgedehnt werden sollen als dies zuvor der Fall gewesen sei. Wegen dieser Verschlechterungen habe das Vertragsangebot der Beklagten insoweit nicht angenommen werden können. Durch das Unterlassen der weiteren Beschäftigung befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug.

55

Der Kläger beantragt,

56

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 – 2 Ca 833/09 abzuändern und

57

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

58

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

59

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

60

Die Beklagte beantragt,

61

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

62

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. Januar 2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 57 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Zwischen den Parteien sei kein regelmäßiger, fester Beschäftigungsumfang vereinbart worden, auch nicht in Form eines durchschnittlichen Beschäftigungsumfangs. Die Parteien hätten sich vielmehr stets über zu leistende Dienste einzeln oder für mehrere Dienste auf einmal einvernehmlich verständigt. Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien könne nicht als fortdauerndes Arbeitsverhältnis, Teilzeitarbeitsverhältnis oder Abrufarbeitsverhältnis angesehen werden. Unerheblich sei, dass sie die Dienste des Klägers nicht als im Rahmen von Tagesarbeitsverhältnissen geleistet, sondern als ehrenamtlich übernommene Dienstverpflichtung angesehen habe. Da ehrenamtliche Tätigkeit immer freiwillige Tätigkeit bedeute, wären auch hier konkrete Vereinbarungen über einzelne vom Kläger zu übernehmende Dienste stets befristete Vereinbarungen gewesen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit kenne weder ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht noch Annahmeverzug.

63

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

64

Das Landesarbeitsgericht hat die Akte 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.

65

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

66

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers jedoch keinen Erfolg.

67

Zwischen den Parteien besteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis Juni 2009 weder unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs noch unter demjenigen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB. Im Einzelnen:

68

1. Zwischen den Parteien besteht kein – unbefristetes – Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor. Auch haben beide Parteien nicht vorgetragen, dass die Beklagte bzw. die Rechtsvorgänger der Beklagten, nämlich bis zum 31. Dezember 2006 der Kreisverband Kirchheimbolanden, bis zum 31. März 2008 der ABC Kreisverband K.-Stadt e. V., dem Kläger ausdrücklich den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses angeboten haben, was dieser angenommen hat. Die Parteien haben auch nicht durch konkludente Willenserklärungen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Zwar kann der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages – da keine Formerfordernisse eingreifen – auch durch konkludente Willenserklärungen erfolgen. Solche liegen hier jedoch nicht vor.

69

Der Arbeitsvertrag ist nach seiner gesetzlichen Systematik ein Unterfall des Dienstvertrags. Er setzt daher notwendig voraus, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Arbeitnehmer ist daher, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Nicht notwendig ist für einen Arbeitsvertrag, dass die Arbeitsleistung schon von vornherein festgelegt ist. Vielmehr kann die arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dahin getroffen werden, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 315 BGB zu treffende Weisung auslöst. Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf, § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Der Arbeitnehmer ist dann allerdings konkret nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn ihm der Arbeitgeber die Lage seiner Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag ist somit stets eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Dienstleistung (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG). Ob die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen ( Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß §12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, nicht selten als Rahmenvereinbarung ausgestaltet. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu §12 TzBfG; Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Mit Hilfe beider kann ein vorhersehbar immer wieder auftretender Arbeitsbedarf erfüllt werden ( Annuß/Thüsing , TzBfG, § 12 Rn. 13). § 12 TzBfG zwingt die Arbeitsvertragsparteien nicht, statt befristeten einzelnen Eintagesarbeitsverhältnissen ein Abrufarbeitsverhältnis zu vereinbaren (BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996; ErfKomm- Preis , 10. Aufl. 2010, § 12 TzBfG Rn. 12; Henssler in MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2009, § 12 TzBfG Rn. 4 m. w. N.).

70

Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (vgl. BAG, Urt. vom 20. März 1996 – 7 AZR 524/95 – zitiert nach juris für Extrawachen auf den Stationen eines Krankenhauses). Die Vergabe der Einsätze erfolgte stets nur aufgrund der „Bewerbung“ des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall, begrenzt auf dessen Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung zu den einzelnen Einsätzen nur dahin verstehen, dass lediglich auf die einzelnen Einsätze, allenfalls die Dauer des Dienstplans befristete einzelne Eintagesarbeitsverhältnisse abgeschlossen werden sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Zu Beginn ihrer Rechtsbeziehungen haben die Parteien den Umfang der Arbeitsleistung nicht auf Dauer vertraglich festgelegt. Der Kläger war weder verpflichtet, überhaupt oder in bestimmtem Umfang „Bewerbungen“ auf einzelne Einsätze vorzunehmen noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte jedenfalls dann, wenn einzelne Schichten unbesetzt bleiben sollten, berechtigt sein sollte, die Teilzeitkräfte auch einseitig zur Arbeit einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht (so aber im vom BAG durch Urteil vom 12. Juni 1996 – 5 AZR 960/94 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent entschiedenen Fall einer Tankwartaushilfe). Rechtliche Konsequenzen hatte weder die Nichteintragung im PC der Rettungswache (unter Umständen auch für mehrere Monate) noch die Mitteilung bei den kurzfristigen Anfragen, zum angefragten Zeitpunkt nicht zur Verfügung zu stehen. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn nach mehreren „Absagen“ auf kurzfristige Anfragen solche seitens der Beklagten nicht mehr erfolgt sein sollten. Konnte oder wollte ein Rettungsassistent oder –sanitäter mehrfach nicht kurzfristig eingesetzt werden, konnte die Beklagte hieraus den Schluss ziehen, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse hat, solche nicht längere Zeit im Voraus geplante Einsätze zu leisten.

71

Auch in der Aufnahme des Klägers in eine „Liste“, einen „Pool“ von Rettungsassistenten bzw. –sanitätern für kurzfristige Anfragen ist nicht der Abschluss eines unbefristeten einheitlichen Arbeitsverhältnisses durch die Parteien zu sehen. Durch die Aufnahme in den „Pool“, die „Liste“ konnte der Kläger nicht mit dauernden Einsätzen rechnen. Die Aufnahme in eine Liste von Interessenten ist kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Dazu bedürfte es weiterer Umstände, aus denen erkennbar werden müsste, dass die Beteiligten vom Fortbestehen rechtlicher Bindungen über die Zeit des einzelnen Einsatzes hinaus ausgegangen sind (vgl. BAG, Urt. vom 11. November 1998 – 5 AZR 119/98 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Werkstudent m. w. N. für studentische Sitzwachen in einem psychiatrischen Krankenhaus).

72

Allerdings kann bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder beschäftigter Personen ("Pool") trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Arbeitsverhältnis entstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) kann ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn dem Mitarbeiter erklärt wird, er sei nicht verpflichtet, die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst in Kraft, wenn ihm die einzelnen Mitarbeiter nicht widersprächen oder ihr Erscheinen zu dem vorgesehenen Termin jeweils bestätigten. Daran ändere auch das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen, nichts Ein Dauerarbeitsverhältnis könne weiter auch dann entstehen, wenn den Einsätzen jeweils telefonische Anfragen, ob der Mitarbeiter zur Verfügung stehe, vorausgingen. Das solle jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdecke, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötige, als er unbefristet eingestellt habe. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) jedoch, dass der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen wird und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen kann, auch in Zukunft herangezogen zu werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht für den Bereich des Rundfunks entschiedenen Falls ging der Einteilung des Klägers jedoch nur im Fall kurzfristigen Bedarfs ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten voraus. In den Fällen der Berücksichtigung im Dienstplan kam hingegen die Vereinbarung eines Einsatzes jedoch nur dann zustande, wenn er selbst durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung an die Beklagte mitgeteilt hatte, an den konkreten Einsätzen interessiert zu sein. Unterblieb eine solche "Bewerbung" des Klägers, erhielt er keinen Einsatz. Der einzelne Einsatz des Klägers beruhte weiter stets auf einer zwischen den Parteien ausdrücklich getroffenen Absprache betreffend den jeweiligen Einsatz. Für die Annahme eines auf Dauer angelegten Bindungswillens fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Einsätze des Klägers erfolgten auch nach keinem erkennbaren System, ihre Abfolge und ihr Umfang schwankte von Monat zu Monat. So schwankten seine Einsatzzeiten zwischen 24 Stunden und 65 Stunden/Monat. Zwischen dem 9. März 2008 und dem 19. April 2008 war der Kläger ebenso wenig tätig wie im Zeitraum zwischen dem 25. Oktober und dem 21. November 2008.

73

Aus den dem Kläger erteilten Verdienstabrechnungen und der Anmeldung bei der B. Versorgungskammer zur Zusatzversorgung kann nicht auf die Vereinbarung eines Dauerarbeitsverhältnisses geschlossen werden. Die monatliche Abrechnung liegt auch bei häufig wiederkehrenden jeweils kurzfristig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Auch die Vereinfachung des Meldeverfahrens bei der Zusatzversorgung durch den Verzicht auf regelmäßige Ab- und erneute Anmeldungen dient der Praktikabilität der Abwicklung einzelner kurzfristiger Einsätze. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Höhe der zu leistenden Beiträge allein nach der Höhe des erzielten Verdienstes, nicht jedoch nach dem Zeitraum, für den eine Anmeldung besteht, richtet.

74

Durch die vorliegende Vertragsgestaltung wird auch verfassungsrechtlich gebotener Bestandsschutz nicht umgangen. Zwar haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Vertragsgestaltung zu einer Beseitigung oder unzulässigen Beschränkung des auf Grund von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Bestandsschutzes führt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch die vertragliche Vereinbarung zwingender gesetzlicher Kündigungsschutz oder die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle umgangen wird. Durch die vorliegende Vereinbarung jeweils nur einzelner Einsätze wurde der verfassungsrechtlich gebotene Bestandsschutz nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Dem Kläger wurde hierdurch nicht die Möglichkeit genommen, die Vereinbarung der einzelnen Einsätze der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zuzuführen (vgl. BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996). Ohne Bedeutung ist für die Kontrolle der gewählten Vertragsgestaltung, ob der Arbeitnehmer von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht (vgl. BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.).

75

Soweit die Parteien sich auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt haben, hat der Kläger die letzte – formunwirksame – Befristung nicht (auch nicht in der Drei-Wochen-Frist des § 17 S. 1 TzBfG) angegriffen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit hat er keinen Befristungsschutzantrag gestellt. Nach § 17 S. 1 TzBfG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (vgl. nur LAG Düsseldorf, Urt. v. 26. September 2002 – 5 Sa 748/02 – NZA-RR 2003, 175; Laux/Schlachter , TzBfG, § 17 Rn. 5; Schaub/Koch , Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf § 242 BGB berufen. Er hat die Befristung überhaupt nicht (gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung) angegriffen, auch nicht nachdem dieser Gesichtspunkt im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - 2 Ca 1845/08 - thematisiert worden ist. Die Befristung war daher vorliegend nicht zu überprüfen. Ihr Formmangel konnte nicht zur Begründetheit des Feststellungsantrags führen. Ebenso nicht zu prüfen war die Frage einer Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Mehrfachbefristungen beim selben Arbeitgeber ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

76

2. Da zwischen den Parteien – wie unter 1. dargelegt – in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 kein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestand, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für diese Monate unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, § 611 Abs. 1 in Verbindung mit § 615 S. 1 BGB, §§ 293 ff. BGB.

77

Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 612 a BGB ist nicht gegeben. Gemäß § 612 a BGB hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf die anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung, wenn er bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme benachteiligt wird, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen seiner Rechtsausübung, der Klage auf tarifliche Vergütung, im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses benachteiligt, sondern ihm neue „Einsätze“ nur auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit dem Gegenstand einer Arbeit auf Abruf angeboten. Hierdurch hat die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise auf die Auffassung des Klägers und weiterer Rettungsassistenten und –sanitäter reagiert, sie seien bereits in unbefristeten Arbeitsverhältnissen tätig.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010 - Az.: 2 Ca 148/09 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 1.834,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.02.2009, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz haben der Kläger zu 87 %, die Beklagte zu 2) zu 13 %,
die Gerichtskosten der zweiten Instanz sowie die in der Berufung erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger zu 76 %, die Beklagte zu 2) zu 24 %,
die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat der Kläger,
die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger zu 61 % zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen (nebst Zuschlägen und Sonderzuwendung) aufgrund tariflicher Ansprüche bzw. wegen des Streits um die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung.

2

Der 29-jährige Kläger nahm von August 2006 bis Dezember 2008 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache K. wahr. Schriftliche Verträge wurden zwischen den Parteien nicht geschlossen.

3

Die Rettungswache K. war bis zum 31.03.2008 dem Beklagten zu 1. und seit dem 01.04.2008 der Beklagten zu 2. zugeordnet.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei den Beklagten etablierten Prinzip:

5

Der Kläger und die anderen, etwa 200 in gleicher Weise eingesetzten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie sich im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit, bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (einen Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Die geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern und in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Rechtsstreit (2 Ca 832/09 - 11 Sa 650/09), in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung, "dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht" sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz begründete die Abweisung des Feststellungsantrags auf der Basis des vorstehenden unstreitigen Sachverhalts im Wesentlichen wie folgt:

9

Aus dem Verhalten der Parteien lasse sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt worden sei, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Vergabe der Einsätze sei stets nur aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger erfolgt. Die Einigung sei stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer erfolgt. Der Kläger sei weder verpflichtet gewesen, überhaupt oder in bestimmtem Umfang Bewerbungen auf einzelne Einsätze vorzunehmen, noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Auch die Aufnahme in einen Pool oder eine Liste sei kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Aus dem ursprünglich nicht vereinbarten Dauerarbeitsverhältnis sei auch nicht im Laufe der Zeit aufgrund häufiger Heranziehung ohne größere Unterbrechungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Im konkreten Fall des Klägers seien die Einsätze regelmäßig auf seine Bewerbungen und nur ausnahmsweise auf Anfrage der Beklagten abgesprochen worden, die Einsätze seien keinem erkennbaren System gefolgt, sondern hätten eine große Schwankungsbreite gehabt. Soweit die Parteien sich mithin auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt hätten, habe der Kläger die letzte - formunwirksame - Befristung nicht (auch nicht in der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG) angegriffen. Da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, habe der Kläger auch keinen Annahmeverzugsanspruch vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 (Urteil vom 18.03.2010 - 11 Sa 650/09 - veröffentlicht in JURIS).

10

Für seine Einsätze erhielt der Kläger eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde.

11

Aufgrund seines Eintritts in die Gewerkschaft ver.di im Januar 2008 ist der Kläger seit Februar 2008 tarifgebunden. Zwischen der L. des Deutschen Roten Kreuzes, in der beide beklagten Parteien organisiert sind, und der Gewerkschaft ver.di ist der DRK Reformtarifvertrag vereinbart, der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte enthält. § 3 der Sonderregelungen bestimmt in der unstreitig auf die Rettungssanitäter anwendbaren Vergütungsgruppe III (Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern) in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung 8,00 EUR Stundenvergütung. Zuvor galt für diese Vergütungsgruppe ein Stundensatz von 7,50 EUR.

12

Außer dem Kläger und seinen drei Kollegen, die Kläger der drei Parallelverfahren sind (11 Sa 567/10, 11 Sa 568/10, 11 Sa 569/10), waren im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten insgesamt ca. 200 Personen mit vergleichbaren Bedingungen - insbesondere gleicher Entgelthöhe - in jeweils einzeln oder für mehrere einzelne Einsätze abgesprochenen Diensten tätig. Bei diesen handelte es sich insgesamt um Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die wochentags andere Verpflichtungen haben bzw. hatten.

13

Der Kläger machte seine Zahlungsforderungen gegenüber dem Beklagten zu 1. zu Händen des Geschäftsführers beider Beklagter mit Schreiben vom 26.05.2008, 19.06.2008, 30.07.2008 und 16.12.2008 geltend. Im Schreiben vom 26.05.2008 heißt es auszugsweise:

14

"… ist der seit dem 01.01.2007 gültige DRK-Reformtarifvertrag anzuwenden. …

Aus diesen Gründen mache ich ab sofort eine Vergütung von 8,00 EURO pro Stunde geltend und bitte Sie, mir dies zu bestätigen. …"

15

Das Schreiben vom 19.06.2008 enthält unter anderem die Ausführungen:

16

"… mit meinem Schreiben vom 26.05.08 habe ich die mir zu wenig ausgezahlte Vergütung rückwirkend geltend gemacht …

weise ich Sie nochmals darauf hin, den im Schreiben vom 26.05.08 genannten Betrag von 1037,51 € spätestens bis zum 30.06.08 auf mein Ihnen bekanntes Konto … zu überweisen.

Des weiteren steht noch die Zahlung meines Gehaltes aus Monat Mai aus. …"

17

Wegen der weiteren Einzelheiten der Geltendmachungsschreiben wird auf Bl. 94 ff. d. A. verwiesen.

18

Der Kläger hat vorgetragen, die ihm gezahlte Vergütung liege mehr als 30 Prozent unter dem üblichen Lohn, der durch den Tarifvertrag bestimmt werde. Er hat die Auffassung vorgetragen, daher sei sein Lohn sittenwidrig.

19

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

20

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 5.345,99 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

21

Die Beklagten haben beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Sie haben vorgetragen, sie seien von ehrenamtlicher Tätigkeit ausgegangen. Die Zahlungen seien deshalb als Aufwandsentschädigung erfolgt, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Vergütung sei aber auch im Falle der Bewertung als Arbeitsvergütung nicht sittenwidrig. Die verkehrsübliche Vergütung liege unterhalb des Tariflohns. Die Beklagten verweisen auf die dem Kläger und seinen über 180 Kollegen bei gleichen Konditionen gezahlten Vergütungen. Bundesweit sei der Tarifvertrag, auf den sich der Kläger beziehe, nur für 16.000 von über 100.000 Arbeitsverhältnissen im Deutschen Roten Kreuz maßgeblich.

24

Weiterhin haben sie sich auf die Geltung der tariflichen Ausschlussfristen nach Eintritt der Tarifbindung bezogen.

25

Der Kläger hat in erster Instanz seinen Klageantrag teilweise zurückgenommen (Zuschläge und Sonderzuwendungen für die Jahre 2006 bis zum Eintritt der Tarifbindung im Jahr 2008) und teilweise erweitert (Dezember 2008). Mit seinem zuletzt erhobenen Antrag hat er die Zahlung von Entgeltdifferenzen zum tariflichen Stundensatz (August 2006 bis Dezember 2008), von Zuschlägen (Februar bis Dezember 2008) und der Sonderzuwendung 2008 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch das Urteil vom 02.09.2010 der Klage gegen die Beklagte zu 2. überwiegend stattgegeben und den Beklagten zu 1. in Höhe von 2.630,11 EUR als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2. zur Zahlung verurteilt. In Höhe der beantragten Zahlung der Sonderzuwendung hat es die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es zusammengefasst wie folgt begründet:

26

Der Kläger habe Anspruch auf den Tariflohn als übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Dabei hafte der Beklagte zu 1. als bisheriger Arbeitgeber nach § 613 a Abs. 2 BGB neben der Beklagten zu 2. lediglich für die Vergütung bis einschließlich März 2008. Der vereinbarte Stundenlohn sei nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis liege vor, da die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Weiterhin sei es den Beklagten nach §§ 138, 242 BGB verwehrt, sich auf tarifliche Ausschlussfristen bei der Geltendmachung zu berufen. Demgegenüber sei die Forderung der Jahressonderzahlung nicht begründet, da die tarifliche Voraussetzung nicht gegeben sei, dass der Mitarbeiter am 01.12. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe und mindestens seit 01.06. beschäftigt sei, da nur befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 02.09.2010 Seite 5, 6 (Bl. 152, 153 d. A.) verwiesen.

27

Gegen das ihnen am 27.09.2010 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 21.10.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.11.2010, eingegangen am 26.11.2010, begründet.

28

Nach Maßgabe dieses Schriftsatzes sowie des ergänzenden Schriftsatzes vom 08.02.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 171 ff. d. A., 211 ff. d. A.) begründen sie die eingelegte Berufung zusammengefasst wie folgt: Der Tariflohn spiegele nicht das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet wieder. Maßgebliche Region sei die Westpfalz. Dort sei die Beklagte zu 2. die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin und habe im Jahr 2008 83 Prozent aller Einsatzfahrten durchgeführt. Weiterhin setzten die Beklagten im Rettungsdienstbereich ca. 190 Personen zu den gleichen Bedingungen wie den Kläger ein, bei gleicher Vergütung. Bei der Bewertung, ob es sich um eine sittenwidrige Ausnutzung handele, seien die gesamten Umstände heranzuziehen. Dies sei hier insbesondere der erhebliche Anfall von Zeiten der Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaft innerhalb der Dienste. Die Tarifvertragsparteien hätten der geringeren Wertigkeit solcher Leistungen im Falle der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten oberhalb der geringfügigen Beschäftigung durch eine insgesamt verlängerte Wochenarbeitszeit von 48 statt 38,5 Stunden bezogen auf die Vollzeit bei regelmäßig anfallenden Zeiten der Arbeitsbereitschaft Rechnung getragen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht ohne Prüfung und aufgrund bloßer Anwendung der 2/3-Rechnung ein besonders auffälliges Missverhältnis angenommen und hieraus ohne weiteres eine verwerfliche Gesinnung gefolgert, obwohl die Beklagten als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt seien und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürften sowie verfolgten. Es sei den Beklagten stets bewusst gewesen, erst Recht, da sie von ehrenamtlicher Tätigkeit des Klägers ausgegangen seien, dass dieser keine Verpflichtungen eingegangen sei, auf Abruf oder aufgrund einseitiger Leistungsbestimmung rund um die Uhr an allen Kalendertagen Dienste zu übernehmen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei es vorliegend ein relevanter Umstand, dass der Kläger keinerlei Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterlag, im Rahmen dessen er zu bestimmten Arbeitsleistungen hätte verpflichtet werden können. Der Kläger und seine Kollegen seien auch weder unerfahren gewesen, noch hätten sie sich in einer Zwangslage befunden.

29

Sie beantragen,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Aktenzeichen: 2 Ca 148/09, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

31

Der Kläger beantragt,

32

die Berufung zurückzuweisen,

33

hilfsweise stellt er den Antrag,

34

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Az: 2 Ca 148/09, abzuändern und

35

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 2.630,11 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen und

36

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 2.107,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen.

37

Zur Begründung trägt er vor, die Ansicht des Arbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren wie auch des Landesarbeitsgerichts im Verfahren 11 Sa 650/09, es handele sich um jeweils befristete Tagesarbeitsverhältnisse, werde nochmals zur Entscheidung gestellt. Nach Auffassung des Klägers handele es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf 400-Euro-Basis. Hierfür spreche insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Kläger auch bei spontanem Personalbedarf zur Arbeit zu rufen, und sich der Kläger dazu verpflichtet habe, solchen Spontanrufen auch zu folgen. Solche Anfragen habe der Kläger nie abgelehnt. Hätte er es getan, wäre nämlich in der Folge die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen. Faktisch habe ein einem Dauerarbeitsverhältnis entsprechendes Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin bestanden. Das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse sei auch aufgrund unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen höchst bedenklich. Je nach Lage der Einsätze komme der Rechtschutz bei Beachtung der Dreiwochenfrist fast zwangsläufig zu spät. Für den Fall, dass das erkennende Gericht von fehlender gesamtschuldnerischer Haftung wegen der Annahme von Tagesarbeitsverhältnissen ausgehe, würden die Hilfsanträge gestellt.

38

Für die Bemessung der Sittenwidrigkeit der Vergütung müsse das einschlägige Tarifwerk schon deshalb herangezogen werden, da die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag in der Region absolute Marktführerinnen seien, sie also selbst den marktüblichen Preis festsetzten, ohne dabei von irgendeinem regulierenden Marktmechanismus kontrolliert zu werden. Sie müssten sich aber auch aufgrund ihrer Tarifbindung an dieser Verpflichtung messen lassen. Auch für die Zeit vor Erhöhung der tariflichen Vergütung auf 8,00 EUR sei dieser Betrag als maßgeblicher Stundensatz anzusetzen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den normal Beschäftigten. Beziehe man die üblicherweise zu zahlenden Zuschläge und die Sonderzahlungen in die Vergleichsberechnung mit ein, werde auch bei einem 0,50 EUR niedrigeren Grundstundenlohn für die Jahre 2005 und 2006 unproblematisch die 66-Prozent-Grenze unterschritten. Aber auch bei einem Lohnniveau von 68,14 Prozent für das Jahr 2006 (ohne Berücksichtigung der Zuschläge) sei an Sittenwidrigkeit zu denken, aufgrund der Nähe zur 66-Prozent-Grenze. Die folgenden Besonderheiten des Einzelfalls seien zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen: Die Beklagten seien tarifgebunden und leugneten ihren eigenen Tarifvertrag, und sie nutzten darüber hinaus ihre Monopolstellung in der Region aus, um das niedrige Lohnniveau zu halten. Weiterhin zeige sich in vorliegendem Fall deutlich das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Aushandlung von Arbeitsverträgen. Bereits dieses deute daraufhin, dass bei der Vereinbarung des Entgelts eine Zwangslage des Klägers gegeben gewesen sei. Hinzu komme die arbeitsrechtliche Unerfahrenheit des Klägers bei Abschluss des Arbeitsvertrags quasi als Berufsanfänger.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien wird auf die vorgetragenen Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

40

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

41

In der Sache ist die Berufung der Beklagten teilweise erfolgreich. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2. Anspruch auf Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung für den Zeitraum der Tarifbindung, soweit diese nach der tariflichen Ausschlussfrist rechtzeitig geltend gemacht wurden (Mai 2008 bis November 2008) nicht jedoch darüber hinaus.

42

Für den Zeitraum August 2006 bis April 2008 wie auch Dezember 2008 besteht über die durch die jeweilige Arbeitgeberin geleisteten Zahlungen hinaus kein Vergütungsanspruch, da die Voraussetzungen der §§ 612, 138 BGB nicht gegeben sind.

43

1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) Anspruch auf Zahlung von 1.834,78 EUR für Mai bis November 2008. Dieser Anspruch gründet in rechnerisch unstreitiger Höhe auf der Differenz der geleisteten Zahlung von 5,11 EUR pro Stunde zu tariflich geschuldeten 8,00 EUR pro Stunde nebst Nacht- und Sonntagszuschlägen (vgl. die tabellarische Aufstellung des Klägers im Schriftsatz vom 29.06.2010, Bl. 142 d. A.). Im genannten Zeitraum findet der Tarifvertrag unstreitig kraft beiderseitiger Tarifbindung auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse Anwendung.

44

Die Fälligkeit der Vergütung ist in § 29 Abs. 1 des Tarifvertrags dahingehend geregelt, dass die Zahlung für den laufenden Monat am Monatsletzten zu erfolgen hat. Nach § 41 Abs. 1 DRK-Reformtarifvertrag verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

45

Die Sechsmonatsfrist zur schriftlichen Geltendmachung wird durch die am 03.02.2009 zugestellte Klageschrift für den Zeitraum ab August 2008, allerdings nicht für die in der Klageschrift nicht enthaltene Forderung für Dezember 2008 gewahrt.

46

Die Geltendmachung für die Monate Mai 2008 bis Juli 2008 erfolgte hinreichend deutlich für die Arbeitgeberin, die durch den Geschäftsführer vertreten wird, der Adressat der Geltendmachungsschreiben ist. Nach dem für den Empfänger trotz der enthaltenen Widersprüche, die sich auch in der Verhandlung vor der Berufungskammer nicht ausräumen ließen, erkennbaren Inhalt der Schreiben vom 26.05.2008, 19.06.2008 und 30.07.2008 wird die Forderung der tariflichen Lohnbestandteile erhoben. Lautete das Schreiben aus dem Mai noch "ab sofort", so wird jedenfalls durch das Schreiben vom19.06.2008 deutlich, dass der Mai selbst eingeschlossen sein soll. Das Schreiben vom 30.07.2008 enthält erstmals den Hinweis auf die eigene Tarifbindung. In der Gesamtschau wird aus der maßgeblichen Empfängersicht deutlich, dass die tarifliche Vergütung jedenfalls für den Zeitraum ab Mai 2008 bis einschließlich Juli 2008, dieser einbezogen durch das Schreiben vom 30.07.2008, geltend gemacht wurde.

47

Eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten zu 1. für diese Ansprüche kommt unter keinem rechtlichen Gesichtpunkt in Betracht, wegen dieser war die Klage gegen den Beklagten zu 1. auch abgewiesen worden durch das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern. Das Urteil ist insoweit rechtskräftig, da ausschließlich die Beklagten Berufung eingelegt haben.

48

2. Demgegenüber wirkt sich der Widerspruch der Schreiben vom Mai und Juni dahingehend aus, dass ein bestimmter Anspruchszeitraum in der Vergangenheit gerade nicht erkennbar zum Gegenstand der Forderung erhoben wurde. Soweit im Juni-Schreiben - erstmalig - der Betrag von 1.037,51 Euro genannt wird, so kann weder diesem Schreiben noch dem Zusammenhang entnommen werden, auf welche Forderung sich dieser Betrag bezieht, der sich auch mit keiner Einzelforderung deckt, die in vorliegendem Verfahren erhoben wurde.

49

Die erst mit Klageerweiterung im Jahr 2010 geltend gemachte Forderung für Dezember 2008 ist Gegenstand keines der vorgelegten Geltendmachungsschreiben und unterliegt deshalb ebenfalls dem Verfall.

50

3. Der Kläger kann seine geltend gemachten Vergütungsdifferenzansprüche auch nicht auf § 612 BGB in Verbindung mit § 138 BGB für den Zeitraum August 2006 bis April 2008 sowie für Dezember 2008 stützen. Ein Anspruch auf weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der üblichen Vergütung nach § 612 BGB besteht angesichts der zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsabrede nicht. Die Voraussetzungen für die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede gemäß § 138 BGB liegen nicht vor.

51

3.1 Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis (BAG 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - BAGE 130, 338 ff.).

52

Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und dem als Gegenleistung dafür von dem Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelt. Der Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zunächst zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht.

53

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Abs. 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslagen ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB vor. Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - zitiert nach JURIS, BAG 22.04.2009 a. a. O.).

54

Bereits der Bundesgerichtshof hat am 13.06.2001 (XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55 ff.) erkannt, dass bei bestimmten Vertragstypen allein wegen eines krassen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden könne, auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechenden Umstände hinzu kamen. Bei Grundstücksverträgen war der Bundesgerichtshof bereits zuvor von einem entsprechenden Missverhältnis schon dann ausgegangen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Er hat diesen Maßstab von 50 % in der zitierten Entscheidung auf gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse übertragen und hinsichtlich des möglichen Rückschlusses auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ausgeführt, ein hinreichend sicherer Rückschluss hierauf sei möglich unter der Voraussetzung, dass sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Missverhältnis vor, wovon jedenfalls nur auszugehen sein könne, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war.

55

Nach all diesen Ausführungen, denen sich auch die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, setzt sowohl die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und damit der Tatbestand des Wuchers als auch die Bestimmung eines krass auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit der Tatbestand des "wucherähnlichen Geschäfts" die Bestimmung des Marktwerts der Leistung voraus.

56

3.2 Die Bestimmung des Werts der Leistung folgt nach allgemeiner Auffassung objektiven Kriterien. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 ausgeführt: Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG a. a. O., II. 1 a).

57

Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Demgegenüber ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer weniger aussagekräftig, denn dieser führt ohne Tarifbindung der Arbeitgeber nicht zur Üblichkeit entsprechender Tarifentgelte (BAG, a. a. O., II. 2 c). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht die Kammer, da die Beklagten das Verhältnis der durch die Beklagten wahrgenommenen Rettungseinsätze in der maßgeblichen Region Westpfalz gegenüber den Wettbewerbern von 83 Prozent zu 17 Prozent in den Prozess eingeführt haben, davon aus, dass die Üblichkeit der tariflichen Vergütung sich aus der zweiten vom Bundesarbeitsgericht aufgeführten Alternative ergibt, da die maßgeblichen Arbeitgeber, die ihrerseits organisiert und damit tarifgebunden sind, bei dieser monopolartigen Stellung zumindest 50 Prozent der Arbeitnehmer im Wirtschaftsgebiet beschäftigen.

58

3.3 Das Kriterium des auffälligen Missverhältnisses ist erfüllt, wenn dieses einem Kundigen, gegebenenfalls nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung dem bereits in der Rechtsprechung der Instanzgerichte herrschenden Richtwert von 2/3 des üblichen Lohnes angeschlossen und ausgeführt, es halte eine Grenze von 2/3 für zutreffend, unterhalb derer mangels besonderer Umstände des Falls Lohnwucher anzunehmen sei. Werde der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liege eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifische Rechtfertigung bedürfe. Diese Grenzziehung berücksichtige bereits, dass Tarifverträge vielfach Zusatzleistungen vorsehen. Zu vergleichen sei demnach die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen seien ebenso wenig einzubeziehen, wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis. Derartige Leistungen bestimmten grundsätzlich weder den verkehrsüblichen Wert der Arbeit als solchen, noch den Charakter des Arbeitsverhältnisses. Nur die generalisierende Betrachtungsweise ermögliche eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwerts (BAG, a. a. O., II. 1. B. aa) sowie bb)).

59

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen sich die erkennende Kammer anschließt, ist im vorliegenden Fall wegen des Zahlungszeitraums 2006 sowie wegen des weiteren Zahlungszeitraumes 2007/2008 zu unterscheiden. Der Kläger erhielt durchgängig eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde. Demgegenüber betrug der tarifliche Stundensatz 7,50 Euro in 2006 und 8,00 Euro ab dem 01.01.2007. Die Vergütung des Klägers erreichte mithin im Jahr 2006 68,14 Prozent und 2007 sowie 2008 63,88 Prozent des tariflichen Niveaus.

60

Eine Verschiebung der nunmehr auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannten Grenze von 2/3 des maßgeblichen Tarifentgelts ist auch nicht aufgrund der besonderen Umstände vorliegenden Falles gerechtfertigt. Zwar wenden die Beklagten den hohen Anteil von Zeiten der Bereitschaft innerhalb der vergüteten Arbeitszeit ein. Dies ist aber ein Umstand, der die geringfügig Beschäftigten aufgrund von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen mit dem Vergütungssystem, das auch beim Kläger zur Anwendung kam, von den geringfügig Beschäftigten, die tariflich wegen eines längerfristig bestehenden Arbeitsverhältnisses auf der Basis der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte zum DRK-Tarifvertrag auf Stundenbasis bezahlt wurden, gar nicht unterscheidet. Auch die tariflich vergüteten geringfügig Beschäftigten hatten im streitgegenständlichen Zeitraum unabhängig vom Anfall von Zeiten bloßer Bereitschaft oder Arbeitsbereitschaft Anspruch auf Zahlung des Stundensatzes, der nunmehr als Vergleichsmaßstab angelegt wird.

61

Die Voraussetzung des auffälligen Missverhältnisses wird deshalb angesichts der Zahlung von 68,14 Prozent des tariflichen Lohnniveaus im Jahre 2006 nicht erfüllt und die Klage unterliegt bereits deshalb wegen der Forderung von 604,01 Euro für dieses Jahr der Abweisung.

62

3.4 Der Tatbestand des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) setzt weiterhin voraus, dass der "Wucherer" die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht (BAG 22.04.2009, a. a. O., II. 3 a).

63

Dabei meint die Zwangslage einen zwingenden Bedarf an einer Geldleistung. Die Unerfahrenheit in diesem Sinne bezeichnet einen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung. Beide Voraussetzungen hat der Kläger im vorliegenden Fall unter Einbeziehung seines zweitinstanzlichen Vorbringens nicht schlüssig vorgetragen.

64

Eine wirtschaftliche Zwangslage in diesem Sinne kann bereits deshalb nicht als naheliegend vorausgesetzt werden, da die Beschäftigung nicht dem Haupterwerb diente, sondern insgesamt nebenerwerbliche Tätigkeiten vorlagen und dies in schwankendem insgesamt geringem Umfang. Die Auffassung des Klägers, das Kriterium der Zwangslage sei schon aufgrund des typischen strukturellen Ungleichgewichts im Arbeitsverhältnis zu bejahen, ist im Hinblick auf die weitreichenden Folgen sowohl nach § 138 Abs. 2 BGB als auch des gleichlautenden Straftatbestandes des § 291 StGB zurückzuweisen. Es wird der gesetzlichen Voraussetzung nicht gerecht, diese per se in jeder Arbeitsvertragsverhandlung als gegeben zu betrachten. Vielmehr ist der Norm zu entnehmen, dass das Kriterium der Ausnutzung einer Zwangslage eine eigenständige Bedeutung haben soll. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung und Sinn und Zweck unter besonderer Berücksichtigung der weitreichenden Folgen gebieten es, hier nur besondere Schwächesituationen einzubeziehen.

65

Soweit der Kläger meint, die Voraussetzung der Unerfahrenheit sei gegeben, da er "quasi Berufsanfänger" gewesen sei, so ist es für die Kammer mangels Substantiierung unmöglich, zu erkennen, welche konkreten Defizite hier einen besonderen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung begründen sollen. Auch hier gilt, dass es keine allgemeine Vermutung für ein Vorliegen der gesetzlich vorausgesetzten besonderen Schwächesituation gibt.

66

3.5 Kommt danach eine Unwirksamkeit im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB wegen Lohnwuchers nicht in Betracht, so kann gemäß § 138 Abs. 1 BGB das bestehende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Falle des Hinzukommens weiterer Umstände wie einer verwerflichen Gesinnung die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede begründen.

67

Im Hinblick auf die von den Parteien vorgetragenen besonderen Umstände des vorliegenden Falles erkennt die Kammer weder in dem Vortrag der Klägerseite zur Ausnutzung einer Monopolstellung durch die Beklagten die Begründung einer besonderen Verwerflichkeit noch ist nach der Einschätzung der Kammer die Beklagtenseite vor der Bewertung ihres Handelns als verwerflich geschützt aufgrund ihres Vorbringens, sie arbeite nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern ausschließlich und in nach Abgabenrecht anerkannter Weise gemeinnützig im öffentlichen Interesse, die Beklagten hätten auch bei dem Kläger und seinen Kollegen ehrenamtliches Engagement vorausgesetzt.

68

Zwar verschiebt die monopolartige Stellung der Beklagten, die sie in der Region Westpfalz, betrachtet man den hohen Anteil der von ihnen durchgeführten Rettungseinsätze, innehaben, die Verhandlungsgewichte zu ihren Gunsten im Verhältnis zu Bewerbern um Arbeitsverhältnisse. Dies ist allerdings nicht hinreichend, um bereits auf eine Verwerflichkeit bei der Vereinbarung einer auffällig niedrigen Vergütung zu schließen. Andere Umstände des vorliegenden Falls sprechen gegen eine besondere Verwerflichkeit. Rücksichtslose Eigennützigkeit lässt typischerweise auf eine verwerfliche Gesinnung schließen. Demgegenüber fehlt es bei den Beklagten an einer Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagten sind steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Allerdings gibt es nach der Einschätzung der erkennenden Kammer auch eine sittliche Grenze für die Benachteiligung Einzelner und die Vernachlässigung von deren Interessen, auch wenn sie zugunsten des Gemeinwohls erfolgt. Von ehrenamtlichem Engagement des Klägers und seiner Kollegen konnten die Beklagten bereits deshalb nicht ausgehen, da die durch die Übernahme von Diensten verfolgte Erwerbsabsicht für die Beklagten hinreichend deutlich zu Tage trat. Die geringfügig in gleicher Weise wie der Kläger Beschäftigten erstrebten die versprochene Vergütung und konkurrierten um die Dienste. Insgesamt lassen die Umstände weder auf eine besondere Verwerflichkeit schließen, noch wird durch diese Umstände die Verwerflichkeit der Haltung der Beklagten ausgeschlossen.

69

Allerdings kann auch bei Abwesenheit besonderer die Verwerflichkeit begründender Umstände das Maß des auffälligen Missverhältnisses ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten sprechen. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um ein besonders auffälliges - krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handelt. In diesen Fällen lässt das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu, der Arbeitgeber müsse sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG, a. a. O., II. 3. b). Einen Maßstab zur Bestimmung eines besonders auffälligen bzw. krassen Missverhältnisses hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht festgehalten. Der Bundesgerichtshof hat für mehrere unterschiedliche Rechtsverhältnisse - wie oben bereits ausgeführt - die Grenze von 50 Prozent des Werts der Gegenleistung für maßgeblich erachtet. Dem hat sich für Arbeitsverhältnisse das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der Entscheidung vom 02.11.2010 angeschlossen (5 Sa 91/10, a. a. O., Leitsatz 4). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der BGH differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwändig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einhergeht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht, muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O.).

70

Dies gilt in vorliegendem Fall bereits deshalb, da die beklagten Arbeitgeber in der L., die den Tarifvertrag geschlossen hat, organisiert sind. Es ist deshalb der Schluss gerechtfertigt, dass dann, wenn Leistungen und Gegenleistungen in einem krass auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, wofür auch die erkennende Kammer die 50-Prozent-Grenze für maßgeblich erachtet, sich die Arbeitgeberseite der Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

71

Eine andere Grenze als die 50-Prozent-Grenze anzusetzen, hält die Kammer jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht für angebracht im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeberin der Vergleich aufgrund von deren Tarifbindung leicht möglich war.

72

Der 50-Prozent-Rahmen ist angesichts der oben geschilderten Feststellungen in den Jahren 2007, 2008 deutlich nicht erreicht worden. Vielmehr wurde eine Vergütung gezahlt, die annähernd 2/3 des Tarifniveaus erreicht. Es verbleibt deshalb bei einem auffälligen, nicht jedoch im Sinne dieser Grenzziehung krass auffälligen Missverhältnis, so dass angesichts des Fehlens weiterer die Verwerflichkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ausmachender Umstände - und mangels einer für die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB vorausgesetzten besonderen Schwächesituation (siehe oben II. 3.4) - sich insgesamt nicht die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung aus § 138 BGB ergibt.

73

Damit kann der Kläger ausschließlich die Verurteilung zur Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung im Zeitraum der Tarifbindung mit Erfolg verlangen, soweit er diese rechtzeitig geltend gemacht hat. Die Hauptforderung ist, wie beantragt, ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

74

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern war hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung in der Hauptsache entsprechend abzuändern.

III.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO. Unter Anwendung der Baumbach'schen Formel war zu bestimmen, in welchem Anteil die jeweiligen Parteien unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Anteils am Gesamtrechtsstreit unterlegen sind und deshalb die Kosten zu tragen haben.

76

Für die Zulassung der Revision besteht aufgrund der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG kein Anlass. Insbesondere besteht keine grundsätzliche Bedeutung, da die Entscheidung angesichts des Maßes der Abweichung vom Tarifentgelt nicht abhängig ist von der bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Grenzziehung für ein ohne weiteres für Verwerflichkeit nach § 138 Abs. 1 BGB sprechendes, besonders auffälliges Missverhältnis bei arbeitsvertraglichen Entgeltvereinbarungen.

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010 - Az.: 2 Ca 1844/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 1.425,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.02.2009, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz haben der Kläger zu 94 %, die Beklagte zu 2) zu 6 %,

die Gerichtskosten der zweiten Instanz sowie die in der Berufung erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger zu 92 %, die Beklagte zu 2) zu 8 %,

die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat der Kläger,

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger zu 86 % zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen (nebst Zuschlägen und Sonderzuwendung) aufgrund tariflicher Ansprüche bzw. wegen des Streits um die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung.

2

Der 36-jährige Kläger nahm von Dezember 1994 bis Dezember 2008/Januar 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache E-Stadt wahr. Schriftliche Verträge wurden zwischen den Parteien nicht geschlossen.

3

Die Rettungswache E-Stadt war in den Jahren 2005, 2006 dem DRK-Kreisverband K. e.V., vom 01.01.2007 bis 31.03.2008 dem Beklagten zu 1. und seit dem 01.04.2008 der Beklagten zu 2. zugeordnet.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei den Beklagten etablierten Prinzip:

5

Der Kläger und die anderen, etwa 200 in gleicher Weise eingesetzten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie sich im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit, bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (einen Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Die geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern und in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Rechtsstreit (2 Ca 831/09 - 11 Sa 649/09), in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung, "dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht" sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz begründete die Abweisung des Feststellungsantrags auf der Basis des vorstehenden unstreitigen Sachverhalts im Wesentlichen wie folgt:

9

Aus dem Verhalten der Parteien lasse sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt worden sei, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Vergabe der Einsätze sei stets nur aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger erfolgt. Die Einigung sei stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer erfolgt. Der Kläger sei weder verpflichtet gewesen, überhaupt oder in bestimmtem Umfang Bewerbungen auf einzelne Einsätze vorzunehmen, noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Auch die Aufnahme in einen Pool oder eine Liste sei kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Aus dem ursprünglich nicht vereinbarten Dauerarbeitsverhältnis sei auch nicht im Laufe der Zeit aufgrund häufiger Heranziehung ohne größere Unterbrechungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Im konkreten Fall des Klägers seien die Einsätze regelmäßig auf seine Bewerbungen und nur ausnahmsweise auf Anfrage der Beklagten abgesprochen worden, die Einsätze seien keinem erkennbaren System gefolgt, sondern hätten eine große Schwankungsbreite gehabt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten gerade Studenten wegen der wechselnden Inanspruchnahme durch Studium und Nebenerwerb nur für einen begrenzten Zeitraum übersehen, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten sie sich neben dem Studium noch arbeitsvertraglich binden könnten. Soweit die Parteien sich mithin auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt hätten, habe der Kläger die letzte - formunwirksame - Befristung nicht (auch nicht in der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG) angegriffen. Da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, habe der Kläger auch keinen Annahmeverzugsanspruch vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 (Urteil vom 18.03.2010 - 11 Sa 649/09 - veröffentlicht in JURIS ist unter anderem die Parallelentscheidung 11 Sa 650/09).

10

Für seine Einsätze erhielt der Kläger eine Vergütung pro Stunde, die sich bis zum Jahr 2007 einschließlich auf 3,20 EUR für die Stunde in der Nacht und auf 5,20 EUR für jede Stunde am Tag belief, und die seit dem 01.01.2008 in Höhe von 5,11 EUR pro Stunde gezahlt wurde.

11

Aufgrund seines Eintritts in die Gewerkschaft ver.di im Mai 2008 ist der Kläger seit Juni 2008 tarifgebunden. Zwischen der B., in der beide beklagten Parteien organisiert sind, und der Gewerkschaft ver.di ist der DRK Reformtarifvertrag vereinbart, der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte enthält. § 3 der Sonderregelungen bestimmt in der unstreitig auf die Rettungssanitäter anwendbaren Vergütungsgruppe III (Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern) in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung 8,00 EUR Stundenvergütung. Zuvor galt für diese Vergütungsgruppe ein Stundensatz von 7,50 EUR.

12

Außer dem Kläger und seinen drei Kollegen, die Kläger der drei Parallelverfahren sind (11 Sa 566/10, 11 Sa 567/10, 11 Sa 569/10), waren im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten insgesamt ca. 200 Personen mit vergleichbaren Bedingungen - insbesondere gleicher Entgelthöhe - in jeweils einzeln oder für mehrere einzelne Einsätze abgesprochenen Diensten tätig. Bei diesen handelte es sich insgesamt um Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die wochentags andere Verpflichtungen haben bzw. hatten.

13

Der Kläger machte seine Zahlungsforderungen gegenüber dem Beklagten zu 1. zu Händen des Geschäftsführers beider Beklagter mit Schreiben vom 18.06.2008, einem weiteren Schreiben unter dem gleichen Datum sowie vom 30.07.2008 geltend. Wegen der Einzelheiten der Geltendmachungsschreiben wird auf Bl. 141 ff. d. A. verwiesen.

14

Der Kläger hat vorgetragen, die ihm gezahlte Vergütung liege mehr als 30 Prozent unter dem üblichen Lohn, der durch den Tarifvertrag bestimmt werde. Er hat die Auffassung vorgetragen, daher sei sein Lohn sittenwidrig.

15

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

16

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 10.608,81 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

17

Die Beklagten haben beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie haben vorgetragen, die für die Kalenderjahre 2005 und 2006 eingeklagten Beträge würden für Zeiten geltend gemacht vor Übertragung des DRK-Rettungsdienstes D. auf den Beklagten zu 1. Eine Haftung des Beklagten zu 1. sei im Vertrag mit dem DRK-Kreisverband K. ausgeschlossen worden. Richtiger Beklagter für solche Ansprüche sei der DRK-Kreisverband K..

20

Nach Kenntnis der Beklagten sei der Kläger Mitglied beim DRK-Kreisverband K. bzw. einem der DRK-Ortsvereine im D.. Die Zahlungen seien deshalb als Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit erfolgt, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Vergütung sei aber auch im Falle der Bewertung als Arbeitsvergütung nicht sittenwidrig. Die verkehrsübliche Vergütung liege unterhalb des Tariflohns. Die Beklagten verweisen auf die dem Kläger und seinen über 180 Kollegen bei gleichen Konditionen gezahlten Vergütungen. Bundesweit sei der Tarifvertrag, auf den sich der Kläger beziehe, nur für 16.000 von über 100.000 Arbeitsverhältnissen im Deutschen Roten Kreuz maßgeblich.

21

Weiterhin haben sie sich auf die Geltung der tariflichen Ausschlussfristen nach Eintritt der Tarifbindung bezogen.

22

Der Kläger hat in erster Instanz seinen Klageantrag teilweise zurückgenommen (Zuschläge und Sonderzuwendungen für die Jahre 2005 bis zum Eintritt der Tarifbindung im Jahr 2008) und teilweise erweitert (Januar 2009). Mit seinem zuletzt erhobenen Antrag hat er die Zahlung von Entgeltdifferenzen zum tariflichen Stundensatz (2005 bis Januar 2009), von Zuschlägen (Juni 2008 bis Januar 2009) und der Sonderzuwendung 2008 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch das Urteil vom 02.09.2010 der Klage gegen die Beklagte zu 2. überwiegend stattgegeben und den Beklagten zu 1. in Höhe von 8.169,60 EUR als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2. zur Zahlung verurteilt. In Höhe der beantragten Zahlung der Sonderzuwendung hat es die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es zusammengefasst wie folgt begründet:

23

Der Kläger habe Anspruch auf den Tariflohn als übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Dabei hafte der Beklagte zu 1. als bisheriger Arbeitgeber nach § 613 a Abs. 2 BGB neben der Beklagten zu 2. lediglich für die Vergütung bis einschließlich März 2008. Der vereinbarte Stundenlohn sei nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis liege vor, da die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Weiterhin sei es den Beklagten nach §§ 138, 242 BGB verwehrt, sich auf tarifliche Ausschlussfristen bei der Geltendmachung zu berufen. Demgegenüber sei die Forderung der Jahressonderzahlung nicht begründet, da die tarifliche Voraussetzung nicht gegeben sei, dass der Mitarbeiter am 01.12. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe und mindestens seit 01.06. beschäftigt sei, da nur befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 02.09.2010 Seite 5, 6 (Bl. 206, 207 d. A.) verwiesen.

24

Gegen das ihnen am 27.09.2010 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 21.10.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.11.2010, eingegangen am 26.11.2010, begründet.

25

Nach Maßgabe dieses Schriftsatzes sowie des ergänzenden Schriftsatzes vom 08.02.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 225 ff. d. A., 266 ff. d. A.) begründen sie die eingelegte Berufung zusammengefasst wie folgt: Der Tariflohn spiegele nicht das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet wieder. Maßgebliche Region sei die Westpfalz. Dort sei die Beklagte zu 2. die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin und habe im Jahr 2008 83 Prozent aller Einsatzfahrten durchgeführt. Weiterhin setzten die Beklagten im Rettungsdienstbereich ca. 190 Personen zu den gleichen Bedingungen wie den Kläger ein, bei gleicher Vergütung. Bei der Bewertung, ob es sich um eine sittenwidrige Ausnutzung handele, seien die gesamten Umstände heranzuziehen. Dies sei hier insbesondere der erhebliche Anfall der Zeiten der Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaft innerhalb der Dienste. Die Tarifvertragsparteien hätten der geringeren Wertigkeit solcher Leistungen im Falle der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten oberhalb der geringfügigen Beschäftigung durch eine insgesamt verlängerte Wochenarbeitszeit von 48 statt 38,5 Stunden bezogen auf die Vollzeit bei regelmäßig anfallenden Zeiten der Arbeitsbereitschaft Rechnung getragen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht ohne Prüfung und aufgrund bloßer Anwendung der 2/3-Rechnung ein besonders auffälliges Missverhältnis angenommen und hieraus ohne weiteres eine verwerfliche Gesinnung gefolgert, obwohl die Beklagten als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt seien und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürften sowie verfolgten. Es sei den Beklagten stets bewusst gewesen, erst Recht, da sie von ehrenamtlicher Tätigkeit des Klägers ausgegangen seien, dass dieser keine Verpflichtungen eingegangen sei, auf Abruf oder aufgrund einseitiger Leistungsbestimmung rund um die Uhr an allen Kalendertagen Dienste zu übernehmen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei es vorliegend ein relevanter Umstand, dass der Kläger keinerlei Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterlag, im Rahmen dessen er zu bestimmten Arbeitsleistungen hätte verpflichtet werden können. Der Kläger und seine Kollegen seien auch weder unerfahren gewesen, noch hätten sie sich in einer Zwangslage befunden.

26

Sie beantragen,

27

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Aktenzeichen: 2 Ca 1844/08, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

28

Der Kläger beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen,

30

hilfsweise stellt er den Antrag,

31

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Az: 2 Ca 1844/08, abzuändern und

32

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 8.169,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen und

33

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 2.000,72 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen.

34

Zur Begründung trägt er vor, die Ansicht des Arbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren wie auch des Landesarbeitsgerichts im Verfahren 11 Sa 649/09, es handele sich um jeweils befristete Tagesarbeitsverhältnisse, werde nochmals zur Entscheidung gestellt. Nach Auffassung des Klägers handele es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf 400-Euro-Basis. Hierfür spreche insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Kläger auch bei spontanem Personalbedarf zur Arbeit zu rufen, und sich der Kläger dazu verpflichtet habe, solchen Spontanrufen auch zu folgen. Solche Anfragen habe der Kläger nie abgelehnt. Hätte er es getan, wäre nämlich in der Folge die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen. Faktisch habe ein einem Dauerarbeitsverhältnis entsprechendes Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin bestanden. Das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse sei auch aufgrund unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen höchst bedenklich. Je nach Lage der Einsätze komme der Rechtschutz bei Beachtung der Dreiwochenfrist fast zwangsläufig zu spät. Für den Fall, dass das erkennende Gericht von fehlender gesamtschuldnerischer Haftung wegen der Annahme von Tagesarbeitsverhältnissen ausgehe, würden die Hilfsanträge gestellt.

35

Für die Bemessung der Sittenwidrigkeit der Vergütung müsse das einschlägige Tarifwerk schon deshalb herangezogen werden, da die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag in der Region absolute Marktführerinnen seien, sie also selbst den marktüblichen Preis festsetzten, ohne dabei von irgendeinem regulierenden Marktmechanismus kontrolliert zu werden. Sie müssten sich aber auch aufgrund ihrer Tarifbindung an dieser Verpflichtung messen lassen. Auch für die Zeit vor Erhöhung der tariflichen Vergütung auf 8,00 EUR sei dieser Betrag als maßgeblicher Stundensatz anzusetzen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den normal Beschäftigten. Beziehe man die üblicherweise zu zahlenden Zuschläge und die Sonderzahlungen in die Vergleichsberechnung mit ein, werde auch bei einem 0,50 EUR niedrigeren Grundstundenlohn für die Jahre 2005 und 2006 unproblematisch die 66-Prozent-Grenze unterschritten. Aber auch bei einem Lohnniveau von 68,14 Prozent für das Jahr 2006 (ohne Berücksichtigung der Zuschläge) sei an Sittenwidrigkeit zu denken, aufgrund der Nähe zur 66-Prozent-Grenze. Die folgenden Besonderheiten des Einzelfalls seien zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen: Die Beklagten seien tarifgebunden und leugneten ihren eigenen Tarifvertrag, und sie nutzten darüber hinaus ihre Monopolstellung in der Region aus, um das niedrige Lohnniveau zu halten. Weiterhin zeige sich in vorliegendem Fall deutlich das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Aushandlung von Arbeitsverträgen. Bereits dieses deute darauf hin, dass bei der Vereinbarung des Entgelts eine Zwangslage des Klägers gegeben gewesen sei. Hinzu komme die arbeitsrechtliche Unerfahrenheit des Klägers bei Abschluss des Arbeitsvertrags quasi als Berufsanfänger.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien wird auf die vorgetragenen Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

37

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

38

In der Sache ist die Berufung der Beklagten teilweise erfolgreich. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2. Anspruch auf Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung für den Zeitraum der Tarifbindung (Juni 2008 bis Dezember 2008) nicht jedoch für den Januar 2009. Einem Zahlungsanspruch für den Januar 2009 steht die Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 18.03.2010 (11 Sa 649/09) entgegen.

39

Ansprüche wegen Vergütungsdifferenzen in den Jahren 2005/2006 bestehen gegenüber keiner der Beklagten, da der Kläger die Passivlegitimation beider Beklagter nicht schlüssig vorgetragen hat.

40

Für den Zeitraum des Jahres 2007 sowie von Januar bis Mai 2008 besteht über die durch die jeweilige Arbeitgeberin geleisteten Zahlungen hinaus kein Vergütungsanspruch, da die Voraussetzungen der §§ 612, 138 BGB nicht gegeben sind.

41

1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) Anspruch auf Zahlung von 1.425,69 Euro für Juni bis Dezember 2008. Dieser Anspruch gründet in rechnerisch unstreitiger Höhe auf der Differenz der geleisteten Zahlung von 5,11 Euro pro Stunde zu tariflich geschuldeten 8,00 Euro pro Stunde nebst Nacht- und Sonntagszuschlägen (vgl. die tabellarische Aufstellung des Klägers im Schriftsatz vom 29.06.2010, Bl. 196 d. A.). Im genannten Zeitraum findet der Tarifvertrag unstreitig kraft beiderseitiger Tarifbindung auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse Anwendung.

42

Soweit sich die Beklagte auf Ausschlussfristen nach § 41 des DRK-Tarifvertrages berufen hat, so wird die Sechsmonatsfrist zur schriftlichen Geltendmachung in vorliegendem Fall insgesamt durch die bereits am 29.12.2008 zugestellte Klageschrift für den gesamten Zeitraum gewahrt.

43

2. Die für den Januar 2009 geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 129,97 EUR unterliegen der Abweisung. Der Durchsetzung der Zahlungsforderung steht bereits die Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in 11 Sa 649/09 entgegen, in der rechtskräftig die Forderungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 abgewiesen worden sind, § 322 ZPO. Die Rechtskraft mit Wirkung für den Kläger und Beklagte zu 2), die auch Partei des vorausgegangenen Rechtsstreits war, und die für Januar 2009 die Anspruchsgegnerin ist, steht auch einer Geltendmachung bezogen auf den nunmehr erhobenen Anspruch für 37 Stunden im Januar 2009 entgegen, der zwar nicht wie im Vorprozess auf Annahmeverzug wohl aber auf Vergütung für geleistete Tätigkeit in demselben Zeitraum gestützt wird. Aufgrund des gleichen Vergütungszeitraumes besteht auch bei unterschiedlicher geltend gemachter Anspruchsgrundlage eine Identität des Streitgegenstandes.

44

Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass diese Forderung mangels Geltendmachung in der Klageschrift erst mit Schriftsatz vom 29.06.2010 (unabhängig von dem nicht feststellbaren Zugangsdatum des Schriftsatzes), damit außerhalb der Sechsmonatsfrist für die schriftliche Geltendmachung nach § 41 des Tarifvertrages geltend gemacht worden ist. Der Kläger ist auch aus diesem Grund mit der Forderung ausgeschlossen.

45

3. Weiterhin unterliegt die Klage der Abweisung, soweit der Kläger Ansprüche für die Jahre 2005 und 2006 geltend macht, in welchen unstreitig kein Arbeitsverhältnis mit den beklagten Parteien gegeben war.

46

Der Kläger stützt sich insoweit auf einen Betriebs- oder Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zum 01.01.2007 von der Rechtsvorgängerin auf den Beklagten zu 1. und nochmals am 01.04.2008 von dem Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2.

47

Allerdings trägt sein gesamter Sachvortrag in vorliegendem Verfahren nicht die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 Satz 1. Danach tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Damit bestimmt § 613 a Abs. 1 Satz 1 gleichzeitig die Voraussetzung des "im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses".

48

Das gesamte prozessuale Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die rechtliche Folgerung, dass zwischen ihm und der Betriebsveräußerin am 01.01.2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dies gilt, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, der gesamte Sachvortrag zur Frage des Bestehens von befristeten Tagesarbeitsverhältnissen oder zum Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses beziehe sich - trotz der grammatikalischen Fassung unter Verwendung des Präsenz - auch auf den Zeitraum 2005/2006.

49

Auch wenn die Rechtskraft der genannten Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts sich nicht auf den Beklagten zu 1. erstreckt, ist doch auch in vorliegendem Verfahren angesichts des übereinstimmenden unstreitigen Sachverhalts zum Zustandekommen der Rettungsdiensteinsätze des Klägers aufgrund der Vereinbarung für einzelne oder mehrere einzelne Dienste in Übereinstimmung mit der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 18.03.2010 von dem Abschluss einzelner kurzfristiger sogenannter "Tagesarbeitsverhältnisse" auszugehen. Hierfür sind im Einzelnen folgende Überlegungen maßgeblich:

50

Dem äußeren Erscheinungsbild nach vergleichbarer unregelmäßiger Dienst im Rahmen sogenannter geringfügiger Beschäftigung ist nach den gesetzgeberisch vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten sowohl im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf Abruf (§ 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG) als auch im Rahmen jeweils im Sinne von § 14 TzBfG einzeln abgesprochener Arbeitsverhältnisse mit jeweils kurzer, und sei es nur auf einen Tag bezogener, Frist möglich. Ob die Parteien von diesen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben, indem sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben oder aber zahlreiche kurzfristige Arbeitsverträge, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt. Beide Typen, sowohl das Abrufarbeitsverhältnis als auch die Vereinbarung kurzfristiger, nicht zusammenhängender Arbeitsverhältnisse, die mit einer Rahmenvereinbarung ausgestaltet sein können, sind gesetzlich zulässig. Eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (LAG Rheinland-Pfalz, in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ergangenen Urteil vom 18.03.2010, 11 Sa 649/09, Seite 16, 17 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

51

In vorliegendem Fall wurden unstreitig jeweils einsatzbezogene Absprachen getroffen. Es lässt sich aus dem Verhalten der Parteien nicht schließen, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus Rechte eingeräumt und dem Kläger über diesen Einsatz hinaus Pflichten auferlegt worden seien. Dies wäre aber Voraussetzung für ein Abrufarbeitsverhältnis.

52

Aufgrund des in vorliegendem Fall bis zum Schluss der ersten Instanz in vollem Umfang inhaltsgleich vorgetragenen Sachverhalts wie im Verfahren 11 Sa 649/09 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Vergabe der Einsätze grundsätzlich aufgrund der "Bewerbung" des Klägers auf diese erfolgte und dass es ausnahmsweise, im Falle kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten zu telefonischen Anfragen seitens der Beklagten und Absprachen des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger kam. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer. Der in der Berufung vorgetragene Sachvortrag des Klägers, wonach er solche Anfragen nie abgelehnt habe, rechtfertigt keine andere Bewertung. Insbesondere rechtfertigt dies nicht die Schlussfolgerung auf eine Pflicht, solchen spontanen Rufen Folge zu leisten. Seine weitere Annahme, dass im Falle einer von seiner Seite tatsächlich nie erfolgten Ablehnung die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen wäre, und er in der Folge weniger attraktive oder auch gar keine Dienste mehr zugeteilt bekommen hätte, ist offenbar spekulativ. Konkrete Anhaltspunkte hierfür benennt er nicht. Auch die weiteren Passagen seines Berufungserwiderungsschriftsatzes sind nicht als konkreter Sachvortrag zu den Vereinbarungen der Parteien in der Vergangenheit zu verstehen, sondern sollen insgesamt seine Auffassung stützen, dass das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse aus verfassungsrechtlichen Gründen und wegen unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes abzulehnen sei.

53

Dieser Rechtsauffassung stimmt die Kammer ausdrücklich nicht zu. Vielmehr schließt sich die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.03.2010 der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 31.07.2002 (7 AZR 181/01 - AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG) an, wonach es bei verschiedenen vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten den vertragsschließenden Parteien freigestellt ist, welche Gestaltungsmöglichkeit sie wählen. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Rahmenverträge, die bestimmte Einzelheiten künftig abzuschließender Einzelverträge festlegen, sind außerhalb arbeitsvertraglicher Vertragsbeziehungen grundsätzlich anerkannt. Sie sind auch bei arbeitsvertraglichen Beziehungen nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann es durchaus sachgerecht sein, die Bedingungen der noch abzuschließenden Einzelverträge in einer Rahmenvereinbarung niederzulegen und darauf bei Abschluss der Einzelverträge Bezug zu nehmen. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen statt der Kombination von Rahmenvereinbarung und Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 4 BeschFG (seit dem 01.Januar 2001: § 12 TzBfG) zu begründen. § 4 BeschFG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht (BAG, a. a. O.; I. B. 3 a). Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer auch im Hinblick auf die nunmehr in § 12 TzBfG zu findende Regelung an.

54

Dass es nicht geboten ist, gesetzlich grundsätzlich zulässige Gestaltungsmöglichkeiten aus Gesichtspunkten des Arbeitnehmerschutzes auszuschließen, zeigt gerade der vorliegende Fall. Gerade in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Verpflichtungen durch Hauptberuf oder Studium nicht die Möglichkeit oder aber das Interesse mitbringen, sich dauerhaft zu verpflichten, kann der Abschluss eines derartigen Rahmenvertrages in ihrem eigenen Interesse liegen. Denn dadurch können sie über ihre Zeit frei verfügen und laufen nicht Gefahr, dass ihre anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen - zum Beispiel im Studium - mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (so auch BAG, a. a. O.).

55

Die nach Auffassung des Klägers unzulässige Verkürzung effektiven Rechtsschutzes bezieht sich auf die Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Befristungskontrollklage nach § 17 TzBfG. Allerdings enthält die gesetzlich geregelte Klagefrist zumindest das Korrektiv über § 17 Satz 2 TzBfG in § 5 KSchG (nachträgliche Zulassung der Klage). Sie stellt bei näherer Betrachtung auch keine Besonderheit von befristeten Tagesarbeitsverhältnissen dar, sondern findet sich als Dilemma des Arbeitnehmers in allen Fällen der vereinbarten, in Aussicht gestellten oder erhofften Verlängerung bzw. des Neuabschlusses befristeter Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf die Regelung des § 17 TzBfG, die in der Konsequenz auch die Überprüfung eines vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisses verhindert und ausschließlich die Überprüfung des letzten befristeten Vertragsverhältnisses ermöglicht, sofern die Befristung innerhalb der Frist des § 17 angegriffen wird. Auch das Bundesarbeitsgericht verweist in der bereits zitierten Entscheidung auf die Möglichkeit der fristgerechten Anfechtung der Befristung. Die Bedenken des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der von den Parteien gewählten Rechtsgestaltung greifen nicht durch.

56

Insgesamt ist damit die Voraussetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang am 01.01.2007 nicht dargetan und eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beklagter wegen vor dem 01.01.2007 entstandener Ansprüche besteht nicht.

57

4. Der Kläger kann seine geltend gemachten Vergütungsdifferenzansprüche auch nicht auf § 612 BGB in Verbindung mit § 138 BGB für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2008 stützen. Ein Anspruch auf weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der üblichen Vergütung nach § 612 BGB besteht angesichts der zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsabrede nicht. Die Voraussetzungen für die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede gemäß § 138 BGB liegen nicht vor.

58

4.1 Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis (BAG 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - BAGE 130, 338 ff.).

59

Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und dem als Gegenleistung dafür von dem Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelt. Der Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zunächst zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht.

60

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Abs. 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslagen ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB vor. Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - zitiert nach JURIS, BAG 22.04.2009 a. a. O.).

61

Bereits der Bundesgerichtshof hat am 13.06.2001 (XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55 ff.) erkannt, dass bei bestimmten Vertragstypen allein wegen eines krassen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden könne, auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechenden Umstände hinzu kamen. Bei Grundstücksverträgen war der Bundesgerichtshof bereits zuvor von einem entsprechenden Missverhältnis schon dann ausgegangen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Er hat diesen Maßstab von 50 % in der zitierten Entscheidung auf gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse übertragen und hinsichtlich des möglichen Rückschlusses auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ausgeführt, ein hinreichend sicherer Rückschluss hierauf sei möglich unter der Voraussetzung, dass sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Missverhältnis vor, wovon jedenfalls nur auszugehen sein könne, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war.

62

Nach all diesen Ausführungen, denen sich auch die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, setzt sowohl die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und damit der Tatbestand des Wuchers als auch die Bestimmung eines krass auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit der Tatbestand des "wucherähnlichen Geschäfts" die Bestimmung des Marktwerts der Leistung voraus.

63

4.2 Die Bestimmung des Werts der Leistung folgt nach allgemeiner Auffassung objektiven Kriterien. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 ausgeführt: Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG a. a. O., II. 1 a).

64

Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Demgegenüber ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer weniger aussagekräftig, denn dieser führt ohne Tarifbindung der Arbeitgeber nicht zur Üblichkeit entsprechender Tarifentgelte (BAG, a. a. O., II. 2 c).

65

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht die Kammer, da die Beklagten das Verhältnis der durch die Beklagten wahrgenommenen Rettungseinsätze in der maßgeblichen Region Westpfalz gegenüber den Wettbewerbern von 83 Prozent zu 17 Prozent in den Prozess eingeführt haben, davon aus, dass die Üblichkeit der tariflichen Vergütung sich aus der zweiten vom Bundesarbeitsgericht aufgeführten Alternative ergibt, da die maßgeblichen Arbeitgeber, die ihrerseits organisiert und damit tarifgebunden sind, bei dieser monopolartigen Stellung zumindest 50 Prozent der Arbeitnehmer im Wirtschaftsgebiet beschäftigen.

66

4.3 Das Kriterium des auffälligen Missverhältnisses ist erfüllt, wenn dieses einem Kundigen, gegebenenfalls nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung dem bereits in der Rechtsprechung der Instanzgerichte herrschenden Richtwert von 2/3 des üblichen Lohnes angeschlossen und ausgeführt, es halte eine Grenze von 2/3 für zutreffend, unterhalb derer mangels besonderer Umstände des Falls Lohnwucher anzunehmen sei. Werde der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liege eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifische Rechtfertigung bedürfe. Diese Grenzziehung berücksichtige bereits, dass Tarifverträge vielfach Zusatzleistungen vorsehen. Zu vergleichen sei demnach die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen seien ebenso wenig einzubeziehen, wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis. Derartige Leistungen bestimmten grundsätzlich weder den verkehrsüblichen Wert der Arbeit als solchen, noch den Charakter des Arbeitsverhältnisses. Nur die generalisierende Betrachtungsweise ermögliche eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwerts (BAG, a. a. O., II. 1. B. aa) sowie bb)).

67

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen sich die erkennende Kammer anschließt, ist im vorliegenden Fall wegen des Zahlungszeitraums 2007 sowie wegen des weiteren Zahlungszeitraumes Januar 2008 bis Mai 2008 zu unterscheiden. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger für die geleistete Arbeitsstunde in der Nacht 3,20 EUR brutto, für die am Tag geleistete Stunde 5,20 EUR. Demgegenüber erhielt der Kläger im Jahr 2008 durchgängig eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde. Letztere erreicht 63,88 Prozent des tariflichen Niveaus.

68

Für den Vergleich der im Jahr 2007 gezahlten Vergütung, die nach Tag- und Nachtstunden differenziert, mit dem tariflichen einheitlichen Stundensatz wird eine Durchschnittsberechnung bezogen auf das Kalenderjahr 2007 vorgenommen. Die Kammer hält in Anbetracht der Einheitlichkeit des Vergütungssystems aufgrund der rahmenmäßigen Bestimmung auch bei dem Vorliegen zahlreicher kurzfristiger Arbeitsverhältnisse bzw. Tagesarbeitsverhältnisse die Durchschnittsbetrachtung für den Vergleich mit dem tariflichen Lohnniveau für geeignet und maßgeblich. Da der Kläger überwiegend im Tagdienst eingesetzt war, ergibt sich bezogen auf die Gesamtstundenzahl und Gesamtvergütung des Klägers im Jahr 2007 eine durchschnittliche stündliche Vergütung von 4,50 EUR brutto. Dies entspricht 56,25 Prozent des Tariflohnniveaus.

69

Eine Verschiebung der nunmehr auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannten Grenze von 2/3 des maßgeblichen Tarifentgelts ist auch nicht aufgrund der besonderen Umstände vorliegenden Falles gerechtfertigt. Zwar wenden die Beklagten den hohen Anteil von Zeiten der Bereitschaft innerhalb der vergüteten Arbeitszeit ein. Dies ist aber ein Umstand, der die geringfügig Beschäftigten aufgrund von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen mit dem Vergütungssystem, das auch beim Kläger zur Anwendung kam, von den geringfügig Beschäftigten, die tariflich wegen eines längerfristig bestehenden Arbeitsverhältnisses nach den Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte zum DRK-Tarifvertrag auf Stundenbasis bezahlt wurden, gar nicht unterscheidet. Auch die tariflich vergüteten geringfügig Beschäftigten hatten im streitgegenständlichen Zeitraum unabhängig vom Anfall von Zeiten bloßer Bereitschaft oder Arbeitsbereitschaft Anspruch auf Zahlung des Stundensatzes, der nunmehr als Vergleichsmaßstab angelegt wird.

70

4.4 Der Tatbestand des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) setzt weiterhin voraus, dass der "Wucherer" die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht (BAG 22.04.2009, a. a. O., II. 3 a).

71

Dabei meint die Zwangslage einen zwingenden Bedarf an einer Geldleistung. Die Unerfahrenheit in diesem Sinne bezeichnet einen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung. Beide Voraussetzungen hat der Kläger im vorliegenden Fall unter Einbeziehung seines zweitinstanzlichen Vorbringens nicht schlüssig vorgetragen.

72

Eine wirtschaftliche Zwangslage in diesem Sinne kann bereits deshalb nicht als naheliegend vorausgesetzt werden, da die Beschäftigung nicht dem Haupterwerb diente, sondern insgesamt nebenerwerbliche Tätigkeiten vorlagen und dies in schwankendem insgesamt geringem Umfang. Die Auffassung des Klägers, das Kriterium der Zwangslage sei schon aufgrund des typischen strukturellen Ungleichgewichts im Arbeitsverhältnis zu bejahen, ist im Hinblick auf die weitreichenden Folgen sowohl nach § 138 Abs. 2 BGB als auch des gleichlautenden Straftatbestandes des § 291 StGB zurückzuweisen. Es wird der gesetzlichen Voraussetzung nicht gerecht, diese per se in jeder Arbeitsvertragsverhandlung als gegeben zu betrachten. Vielmehr ist der Norm zu entnehmen, dass das Kriterium der Ausnutzung einer Zwangslage eine eigenständige Bedeutung haben soll. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung und Sinn und Zweck unter besonderer Berücksichtigung der weitreichenden Folgen gebieten es, hier nur besondere Schwächesituationen einzubeziehen.

73

Soweit der Kläger meint, die Voraussetzung der Unerfahrenheit sei gegeben, da er "quasi Berufsanfänger" gewesen sei, so ist es für die Kammer mangels Substantiierung unmöglich, zu erkennen, welche konkreten Defizite hier einen besonderen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung begründen sollen. Auch hier gilt, dass es keine allgemeine Vermutung für ein Vorliegen der gesetzlich vorausgesetzten besonderen Schwächesituation gibt.

74

4.5 Kommt danach eine Unwirksamkeit im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB wegen Lohnwuchers nicht in Betracht, so kann gemäß § 138 Abs. 1 BGB das bestehende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Falle des Hinzukommens weiterer Umstände wie einer verwerflichen Gesinnung die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede begründen.

75

Im Hinblick auf die von den Parteien vorgetragenen besonderen Umstände des vorliegenden Falles erkennt die Kammer weder in dem Vortrag der Klägerseite zur Ausnutzung einer Monopolstellung durch die Beklagten die Begründung einer besonderen Verwerflichkeit noch ist nach der Einschätzung der Kammer die Beklagtenseite vor der Bewertung ihres Handelns als verwerflich geschützt aufgrund ihres Vorbringens, sie arbeite nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern ausschließlich und in nach Abgabenrecht anerkannter Weise gemeinnützig im öffentlichen Interesse, die Beklagten hätten auch bei dem Kläger und seinen Kollegen ehrenamtliches Engagement vorausgesetzt.

76

Zwar verschiebt die monopolartige Stellung der Beklagten, die sie in der Region Westpfalz, betrachtet man den hohen Anteil der von ihnen durchgeführten Rettungseinsätze, innehaben, die Verhandlungsgewichte zu ihren Gunsten im Verhältnis zu Bewerbern um Arbeitsverhältnisse. Dies ist allerdings nicht hinreichend, um bereits auf eine Verwerflichkeit bei der Vereinbarung einer auffällig niedrigen Vergütung zu schließen. Andere Umstände des vorliegenden Falls sprechen gegen eine besondere Verwerflichkeit. Rücksichtslose Eigennützigkeit lässt typischerweise auf eine verwerfliche Gesinnung schließen. Demgegenüber fehlt es bei den Beklagten an einer Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagten sind steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Allerdings gibt es nach der Einschätzung der erkennenden Kammer auch eine sittliche Grenze für die Benachteiligung Einzelner und die Vernachlässigung von deren Interessen, auch wenn sie zugunsten des Gemeinwohls erfolgt. Von ehrenamtlichem Engagement des Klägers und seiner Kollegen konnten die Beklagten bereits deshalb nicht ausgehen, da die durch die Übernahme von Diensten verfolgte Erwerbsabsicht für die Beklagten hinreichend deutlich zu Tage trat. Die geringfügig in gleicher Weise wie der Kläger Beschäftigten erstrebten die versprochene Vergütung und konkurrierten um die Dienste. Insgesamt lassen die Umstände weder auf eine besondere Verwerflichkeit schließen, noch wird durch diese Umstände die Verwerflichkeit der Haltung der Beklagten ausgeschlossen.

77

Allerdings kann auch bei Abwesenheit besonderer die Verwerflichkeit begründender Umstände das Maß des auffälligen Missverhältnisses ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten sprechen. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um ein besonders auffälliges - krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handelt. In diesen Fällen lässt das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu, der Arbeitgeber müsse sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG, a. a. O., II. 3. b). Einen Maßstab zur Bestimmung eines besonders auffälligen bzw. krassen Missverhältnisses hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht festgehalten. Der Bundesgerichtshof hat für mehrere unterschiedliche Rechtsverhältnisse - wie oben bereits ausgeführt - die Grenze von 50 Prozent des Werts der Gegenleistung für maßgeblich erachtet. Dem hat sich für Arbeitsverhältnisse das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der Entscheidung vom 02.11.2010 angeschlossen (5 Sa 91/10, a. a. O., Leitsatz 4). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwändig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einhergeht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht, muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O.).

78

Dies gilt in vorliegendem Fall bereits deshalb, da die beklagten Arbeitgeber in der L., die den Tarifvertrag geschlossen hat, organisiert sind. Es ist deshalb der Schluss gerechtfertigt, dass dann, wenn Leistungen und Gegenleistungen in einem krass auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, wofür auch die erkennende Kammer die 50-Prozent-Grenze für maßgeblich erachtet, sich die Arbeitgeberseite der Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

79

Eine andere Grenze als die 50-Prozent-Grenze anzusetzen, hält die Kammer jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht für angebracht im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeberin der Vergleich einerseits aufgrund von deren Tarifbindung leicht möglich war, sie andererseits durch Vereinbarung eines anderen Vergütungssystems im maßgeblichen Zeitraum 2007 (Differenzierung von Tag- und Nachtstunden) das Maß der Abweichung nicht auf einen Blick und ohne weitere Berechnung feststellen konnte.

80

Der 50-Prozent-Rahmen ist angesichts der oben geschilderten Feststellungen weder im Zeitraum 2007 noch im Zeitraum 2008 unterschritten worden. Es verbleibt deshalb bei einem auffälligen, nicht jedoch im Sinne dieser Grenzziehung krass auffälligen Missverhältnis, so dass angesichts des Fehlens weiterer die Verwerflichkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ausmachender Umstände - und mangels einer für die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB vorausgesetzten besonderen Schwächesituation (siehe oben II. 4.4) - sich insgesamt nicht die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung aus § 138 BGB ergibt.

81

Damit kann der Kläger ausschließlich die Verurteilung zur Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung im Zeitraum der Tarifbindung mit Erfolg verlangen - in vollem Umfang für den Zeitraum Juni bis Dezember 2008, allerdings ohne den erneut trotz rechtskräftiger Entscheidung eingeklagten Anspruch für Januar 2009. Die Hauptforderung ist, wie beantragt, ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Eine Korrektur des Rechtshängigkeitsdatums, das das erstinstanzliche Urteil zugrunde gelegt hat, zugunsten des Klägers ist ausgeschlossen, da diese Forderung nicht in der Berufung anhängig ist.

82

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern war hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung in der Hauptsache entsprechend abzuändern.

III.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO. Unter Anwendung der Baumbach'schen Formel war zu bestimmen, in welchem Anteil die jeweiligen Parteien unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Anteils am Gesamtrechtsstreit unterlegen sind und deshalb die Kosten zu tragen haben.

84

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen der bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Grenzziehung für ein ohne weiteres für Verwerflichkeit nach § 138 Abs. 1 BGB sprechendes, besonders auffälliges Missverhältnis bei arbeitsvertraglichen Entgeltvereinbarungen.

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010 - Az.: 2 Ca 151/09 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 815,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 04.02.2009, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz haben die Klägerin zu 92 %, die Beklagte zu 2) zu 8 %,

die Gerichtskosten der zweiten Instanz sowie die in der Berufung erwachsenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin zu 87 %, die Beklagte zu 2) zu 13 %,

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die Klägerin,

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin zu 80 % zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen (nebst Zuschlägen und Sonderzuwendung) aufgrund tariflicher Ansprüche bzw. wegen des Streits um die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung.

2

Die 31-jährige Klägerin nahm von August 2002 bis Dezember 2008 Dienste als Rettungsassistentin für die Rettungswache K. wahr. Schriftliche Verträge wurden zwischen den Parteien nicht geschlossen.

3

Die Rettungswache K. war bis zum 31.03.2008 dem Beklagten zu 1. und seit dem 01.04.2008 der Beklagten zu 2. zugeordnet.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei den Beklagten etablierten Prinzip:

5

Die Klägerin und die anderen, etwa 200 in gleicher Weise eingesetzten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie sich im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit, bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten die Klägerin oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (einen Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Die geringfügig beschäftigten Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war die Klägerin in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihr zu beachten waren.

8

Die Klägerin und die Beklagte zu 2. führten vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern und in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einen Rechtsstreit (2 Ca 835/09 - 11 Sa 654/09), in dem die Anträge der Klägerin auf Feststellung, "dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht" sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz begründete die Abweisung des Feststellungsantrags auf der Basis des vorstehenden unstreitigen Sachverhalts im Wesentlichen wie folgt:

9

Aus dem Verhalten der Parteien lasse sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt worden sei, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht der Klägerin herbeizuführen. Die Vergabe der Einsätze sei stets nur aufgrund der "Bewerbung" der Klägerin auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit der Klägerin erfolgt. Die Einigung sei stets für den konkreten Bedarfsfall und begrenzt auf dessen Dauer erfolgt. Die Klägerin sei weder verpflichtet gewesen, überhaupt oder in bestimmtem Umfang Bewerbungen auf einzelne Einsätze vorzunehmen, noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Auch die Aufnahme in einen Pool oder eine Liste sei kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Aus dem ursprünglich nicht vereinbarten Dauerarbeitsverhältnis sei auch nicht im Laufe der Zeit aufgrund häufiger Heranziehung ohne größere Unterbrechungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Im konkreten Fall der Klägerin seien die Einsätze regelmäßig auf ihre Bewerbungen und nur ausnahmsweise auf Anfrage der Beklagten abgesprochen worden, die Einsätze seien keinem erkennbaren System gefolgt, sondern hätten eine große Schwankungsbreite gehabt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten gerade Studenten wegen der wechselnden Inanspruchnahme durch Studium und Nebenerwerb nur für einen begrenzten Zeitraum übersehen, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten sie sich neben dem Studium noch arbeitsvertraglich binden könnten. Soweit die Parteien sich mithin auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt hätten, habe die Klägerin die letzte - formunwirksame - Befristung nicht (auch nicht in der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG) angegriffen. Da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, habe die Klägerin auch keinen Annahmeverzugsanspruch vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 (Urteil vom 18.03.2010 - 11 Sa 654/09 - veröffentlicht in JURIS).

10

Für ihre Einsätze erhielt die Klägerin eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde. Aufgrund ihres Eintritts in die Gewerkschaft ver.di im Juni 2008 ist die Klägerin seit Juli 2008 tarifgebunden. Zwischen der B., in der beide beklagten Parteien organisiert sind, und der Gewerkschaft ver.di ist der DRK-Reformtarifvertrag vereinbart, der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte enthält. § 3 der Sonderregelungen bestimmt in der unstreitig auf die Rettungsassistenten anwendbaren Vergütungsgruppe IV (Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern) in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung 8,50 EUR Stundenvergütung. Zuvor galt für diese Vergütungsgruppe ein Stundensatz von 8,00 EUR.

11

Außer der Klägerin und ihren drei Kollegen, die Kläger der drei Parallelverfahren sind (11 Sa 566/10, 11 Sa 567/10, 11 Sa 568/10), waren im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten insgesamt ca. 200 Personen mit vergleichbaren Bedingungen - insbesondere gleicher Entgelthöhe - in jeweils einzeln oder für mehrere einzelne Einsätze abgesprochenen Diensten tätig. Bei diesen handelte es sich insgesamt um Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die wochentags andere Verpflichtungen haben bzw. hatten.

12

Die Klägerin machte ihre Zahlungsforderungen gegenüber dem Beklagten zu 1. zu Händen des Geschäftsführers beider Beklagter mit Schreiben vom 23.05.2008, 28.08.2008 und 15.12.2008 geltend. Wegen der Einzelheiten der Geltendmachungsschreiben wird auf Bl. 81 ff. d. A. verwiesen.

13

Die Klägerin hat vorgetragen, die ihr gezahlte Vergütung liege mehr als 30 Prozent unter dem üblichen Lohn, der durch den Tarifvertrag bestimmt werde. Sie hat die Auffassung vorgetragen, daher sei ihr Lohn sittenwidrig.

14

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

15

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.524,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

16

Die Beklagten haben beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie haben vorgetragen, sie seien von ehrenamtlicher Tätigkeit ausgegangen. Die Zahlungen seien deshalb als Aufwandsentschädigung erfolgt, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Vergütung sei aber auch im Falle der Bewertung als Arbeitsvergütung nicht sittenwidrig. Die verkehrsübliche Vergütung liege unterhalb des Tariflohns. Die Beklagten verweisen auf die der Klägerin und ihren über 180 Kollegen bei gleichen Konditionen gezahlten Vergütungen. Bundesweit sei der Tarifvertrag, auf den sich die Klägerin beziehe, nur für 16.000 von über 100.000 Arbeitsverhältnissen im Deutschen Roten Kreuz maßgeblich.

19

Weiterhin haben sie sich auf die Geltung der tariflichen Ausschlussfristen nach Eintritt der Tarifbindung bezogen.

20

Die Klägerin hat in erster Instanz ihren Klageantrag teilweise zurückgenommen (Zuschläge für Januar bis Juni 2008) und teilweise erweitert (September 2006 bis November 2007, Dezember 2008). Mit ihrem zuletzt erhobenen Antrag hat sie die Zahlung von Entgeltdifferenzen zum tariflichen Stundensatz (September 2006 bis Dezember 2008), von Zuschlägen (Juli bis Dezember 2008) und der Sonderzuwendung 2008 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat durch das Urteil vom 02.09.2010 der Klage gegen die Beklagte zu 2. überwiegend stattgegeben und den Beklagten zu 1. in Höhe von 2.167,91 EUR als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2. zur Zahlung verurteilt. In Höhe der beantragten Zahlung der Sonderzuwendung hat es die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hat es zusammengefasst wie folgt begründet:

21

Die Klägerin habe Anspruch auf den Tariflohn als übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Dabei hafte der Beklagte zu 1. als bisheriger Arbeitgeber nach § 613 a Abs. 2 BGB neben der Beklagten zu 2. lediglich für die Vergütung bis einschließlich März 2008. Der vereinbarte Stundenlohn sei nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Ein auffälliges Missverhältnis liege vor, da die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Weiterhin sei es den Beklagten nach §§ 138, 242 BGB verwehrt, sich auf tarifliche Ausschlussfristen bei der Geltendmachung zu berufen. Demgegenüber sei die Forderung der Jahressonderzahlung nicht begründet, da die tarifliche Voraussetzung nicht gegeben sei, dass der Mitarbeiter am 01.12. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe und mindestens seit 01.06. beschäftigt sei, da nur befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 02.09.2010 Seite 5, 6 (Bl. 105, 106 d. A.) verwiesen.

22

Gegen das ihnen am 27.09.2010 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 21.10.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.11.2010, eingegangen am 26.11.2010, begründet.

23

Nach Maßgabe dieses Schriftsatzes sowie des ergänzenden Schriftsatzes vom 08.02.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 123 ff. d. A., 158 ff. d. A.) begründen sie die eingelegte Berufung zusammengefasst wie folgt: Der Tariflohn spiegele nicht das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet wieder. Maßgebliche Region sei die Westpfalz. Dort sei die Beklagte zu 2. die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin und habe im Jahr 2008 83 Prozent aller Einsatzfahrten durchgeführt. Weiterhin setzten die Beklagten im Rettungsdienstbereich ca. 190 Personen zu den gleichen Bedingungen wie die Klägerin ein, bei gleicher Vergütung. Bei der Bewertung, ob es sich um eine sittenwidrige Ausnutzung handele, seien die gesamten Umstände heranzuziehen. Dies sei hier insbesondere der erhebliche Anfall von Zeiten der Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaft innerhalb der Dienste. Die Tarifvertragsparteien hätten der geringeren Wertigkeit solcher Leistungen im Falle der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten oberhalb der geringfügigen Beschäftigung durch eine insgesamt verlängerte Wochenarbeitszeit von 48 statt 38,5 Stunden bezogen auf die Vollzeit bei regelmäßig anfallenden Zeiten der Arbeitsbereitschaft Rechnung getragen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht ohne Prüfung und aufgrund bloßer Anwendung der 2/3-Rechnung ein besonders auffälliges Missverhältnis angenommen und hieraus ohne weiteres eine verwerfliche Gesinnung gefolgert, obwohl die Beklagten als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt seien und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürften sowie verfolgten. Es sei den Beklagten stets bewusst gewesen, erst Recht, da sie von ehrenamtlicher Tätigkeit der Klägerin ausgegangen seien, dass diese keine Verpflichtungen eingegangen sei, auf Abruf oder aufgrund einseitiger Leistungsbestimmung rund um die Uhr an allen Kalendertagen Dienste zu übernehmen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sei es vorliegend ein relevanter Umstand, dass die Klägerin keinerlei Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterlag, im Rahmen dessen sie zu bestimmten Arbeitsleistungen hätte verpflichtet werden können. Die Klägerin und ihre Kollegen seien auch weder unerfahren gewesen, noch hätten sie sich in einer Zwangslage befunden.

24

Sie beantragen,

25

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Aktenzeichen: 2 Ca 148/09, abzuändern und die Klage insgesamt abzu-weisen.

26

Die Klägerin beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen,

28

hilfsweise stellt sie den Antrag,

29

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2010, Az: 2 Ca 151/09, abzuändern und

30

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin 2.167,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen und

31

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin 1.890,97 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen.

32

Zur Begründung trägt sie vor, die Ansicht des Arbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren wie auch des Landesarbeitsgerichts im Verfahren 11 Sa 654/09, es handele sich um jeweils befristete Tagesarbeitsverhältnisse, werde nochmals zur Entscheidung gestellt. Nach Auffassung der Klägerin handele es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf 400-Euro-Basis. Hierfür spreche insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Klägerin auch bei spontanem Personalbedarf zur Arbeit zu rufen, und sich die Klägerin dazu verpflichtet habe, solchen Spontanrufen auch zu folgen. Solche Anfragen habe die Klägerin nie abgelehnt. Hätte sie es getan, wäre nämlich in der Folge die einvernehmliche Absprache der Dienste nicht mehr reibungslos gelaufen. Faktisch habe ein einem Dauerarbeitsverhältnis entsprechendes Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin bestanden. Das Institut einzelner befristeter Tagesarbeitsverhältnisse sei auch aufgrund unzulässiger Verkürzung effektiven Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen höchst bedenklich. Je nach Lage der Einsätze komme der Rechtschutz bei Beachtung der Dreiwochenfrist fast zwangsläufig zu spät. Für den Fall, dass das erkennende Gericht von fehlender gesamtschuldnerischer Haftung wegen der Annahme von Tagesarbeitsverhältnissen ausgehe, würden die Hilfsanträge gestellt.

33

Für die Bemessung der Sittenwidrigkeit der Vergütung müsse das einschlägige Tarifwerk schon deshalb herangezogen werden, da die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag in der Region absolute Marktführerinnen seien, sie also selbst den marktüblichen Preis festsetzten, ohne dabei von irgendeinem regulierenden Marktmechanismus kontrolliert zu werden. Sie müssten sich aber auch aufgrund ihrer Tarifbindung an dieser Verpflichtung messen lassen. Auch für die Zeit vor Erhöhung der tariflichen Vergütung auf 8,00 EUR (gemeint ist im Fall der Klägerin wohl 8,50 EUR) sei dieser Betrag als maßgeblicher Stundensatz anzusetzen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den normal Beschäftigten. Beziehe man die üblicherweise zu zahlenden Zuschläge und die Sonderzahlungen in die Vergleichsberechnung mit ein, werde auch bei einem 0,50 EUR niedrigeren Grundstundenlohn für die Jahre 2005 und 2006 unproblematisch die 66-Prozent-Grenze unterschritten. Aber auch bei einem Lohnniveau von 68,14 Prozent für das Jahr 2006 (ohne Berücksichtigung der Zuschläge) sei an Sittenwidrigkeit zu denken, aufgrund der Nähe zur 66-Prozent-Grenze. Die folgenden Besonderheiten des Einzelfalls seien zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen: Die Beklagten seien tarifgebunden und leugneten ihren eigenen Tarifvertrag, und sie nutzten darüber hinaus ihre Monopolstellung in der Region aus, um das niedrige Lohnniveau zu halten. Weiterhin zeige sich in vorliegendem Fall deutlich das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Aushandlung von Arbeitsverträgen. Bereits dieses deute daraufhin, dass bei der Vereinbarung des Entgelts eine Zwangslage der Klägerin gegeben gewesen sei. Hinzu komme die arbeitsrechtliche Unerfahrenheit der Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrags quasi als Berufsanfängerin.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien wird auf die vorgetragenen Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

36

In der Sache ist die Berufung der Beklagten teilweise erfolgreich. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2. Anspruch auf Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung für den Zeitraum der Tarifbindung, soweit diese nach der tariflichen Ausschlussfrist rechtzeitig geltend gemacht wurden (August 2008 bis November 2008), weiterhin unter Abzug einer auf einem Rechenfehler beruhenden Zuvielforderung von 100 Euro, nicht jedoch darüber hinaus.

37

Für den Zeitraum September 2006 bis Juni 2008 wie auch Dezember 2008 besteht über die durch die jeweilige Arbeitgeberin geleisteten Zahlungen hinaus kein Vergütungsanspruch, da die Voraussetzungen der §§ 612, 138 BGB nicht gegeben sind.

38

1. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 2) Anspruch auf Zahlung von 815,04 Euro für August bis November 2008. Dieser Anspruch gründet in rechnerisch unstreitiger Höhe auf der Differenz der geleisteten Zahlung von 5,11 EUR pro Stunde zu tariflich geschuldeten 8,50 EUR pro Stunde nebst Nacht- und Sonntagszuschlägen. Die tabellarische Aufstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 29.06.2010 (Bl. 95 d. A.) enthält allerdings einen Additionsfehler in der Zeile, die den November 2008 betrifft. Die Summe aus Stundenvergütung von 419,50 Euro, Zuschlägen von 11,52 Euro und von 53,13 Euro ergibt 481,15 Euro, nicht wie irrtümlich berechnet 581,15 Euro. 100,00 Euro waren deshalb in Abzug zu bringen.

39

Im genannten Zeitraum findet der Tarifvertrag unstreitig kraft beiderseitiger Tarifbindung auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse Anwendung.

40

Die Fälligkeit der Vergütung ist in § 29 Abs. 1 des Tarifvertrags dahingehend geregelt, dass die Zahlung für den laufenden Monat am Monatsletzten zu erfolgen hat. Nach § 41 Abs. 1 DRK-Reformtarifvertrag verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

41

Die Sechsmonatsfrist zur schriftlichen Geltendmachung wird durch die am 04.02.2009 zugestellte Klageschrift für den Zeitraum ab August 2008, allerdings nicht für die in der Klageschrift nicht enthaltene Forderung für Dezember 2008 gewahrt.

42

Eine frühere schriftliche Geltendmachung ist nicht durch die in das Verfahren eingeführten Schreiben erfolgt. Sämtliche Geltendmachungsschreiben beziehen sich auf "rückwirkende Geltendmachung", wobei der Zeitraum erstmals mit Schreiben vom 15.12.2008 benannt wird. Dort heißt es:

43

"Aus diesem Grund mache ich für den Zeitraum vom 24.12.2007 bis zum Zeitpunkt meiner Tarifgebundenheit ab dem 1.7.2008 für meine Tätigkeit als Rettungsassistentin einen Stundenlohn von 8,50 Euro zuzüglich aller entsprechenden Zulagen geltend."

44

Damit ist ein konkret bestimmter Geltendmachungszeitraum mit Beginn und Ende angegeben. Die Ansprüche für Juli und Dezember 2008 werden nicht erfasst. Diese sind deshalb verfallen.

45

Eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten zu 1. für diese Ansprüche kommt unter keinem rechtlichen Gesichtpunkt in Betracht, wegen dieser war die Klage gegen den Beklagten zu 1. auch abgewiesen worden durch das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern. Das Urteil ist insoweit rechtskräftig, da ausschließlich die Beklagten Berufung eingelegt haben.

46

2. Die Klägerin kann ihre geltend gemachten Vergütungsdifferenzansprüche auch nicht auf § 612 BGB in Verbindung mit § 138 BGB für den Zeitraum August 2006 bis April 2008 sowie für Dezember 2008 stützen. Ein Anspruch auf weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der üblichen Vergütung nach § 612 BGB besteht angesichts der zwischen den Parteien getroffenen Vergütungsabrede nicht. Die Voraussetzungen für die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede gemäß § 138 BGB liegen nicht vor.

47

2.1 Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis (BAG 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - BAGE 130, 338 ff.).

48

Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und dem als Gegenleistung dafür von dem Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelt. Der Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zunächst zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht.

49

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Abs. 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslagen ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB vor. Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 02.11.2010 - 5 Sa 91/10 - zitiert nach JURIS, BAG 22.04.2009 a. a. O.).

50

Bereits der Bundesgerichtshof hat am 13.06.2001 (XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55 ff.) erkannt, dass bei bestimmten Vertragstypen allein wegen eines krassen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden könne, auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechenden Umstände hinzu kamen. Bei Grundstücksverträgen war der Bundesgerichtshof bereits zuvor von einem entsprechenden Missverhältnis schon dann ausgegangen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Er hat diesen Maßstab von 50 % in der zitierten Entscheidung auf gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse übertragen und hinsichtlich des möglichen Rückschlusses auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ausgeführt, ein hinreichend sicherer Rückschluss hierauf sei möglich unter der Voraussetzung, dass sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Missverhältnis vor, wovon jedenfalls nur auszugehen sein könne, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war.

51

Nach all diesen Ausführungen, denen sich auch die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, setzt sowohl die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und damit der Tatbestand des Wuchers als auch die Bestimmung eines krass auffälligen Missverhältnisses im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit der Tatbestand des "wucherähnlichen Geschäfts" die Bestimmung des Marktwerts der Leistung voraus.

52

2.2 Die Bestimmung des Werts der Leistung folgt nach allgemeiner Auffassung objektiven Kriterien. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 ausgeführt: Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG a. a. O., II. 1 a).

53

Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Demgegenüber ist der Organisationsgrad der Arbeitnehmer weniger aussagekräftig, denn dieser führt ohne Tarifbindung der Arbeitgeber nicht zur Üblichkeit entsprechender Tarifentgelte (BAG, a. a. O., II. 2 c).

54

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geht die Kammer, da die Beklagten das Verhältnis der durch die Beklagten wahrgenommenen Rettungseinsätze in der maßgeblichen Region Westpfalz gegenüber den Wettbewerbern von 83 Prozent zu 17 Prozent in den Prozess eingeführt haben, davon aus, dass die Üblichkeit der tariflichen Vergütung sich aus der zweiten vom Bundesarbeitsgericht aufgeführten Alternative ergibt, da die maßgeblichen Arbeitgeber, die ihrerseits organisiert und damit tarifgebunden sind, bei dieser monopolartigen Stellung zumindest 50 Prozent der Arbeitnehmer im Wirtschaftsgebiet beschäftigen.

55

3.3 Das Kriterium des auffälligen Missverhältnisses ist erfüllt, wenn dieses einem Kundigen, gegebenenfalls nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 22.04.2009 für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung dem bereits in der Rechtsprechung der Instanzgerichte herrschenden Richtwert von 2/3 des üblichen Lohnes angeschlossen und ausgeführt, es halte eine Grenze von 2/3 für zutreffend, unterhalb derer mangels besonderer Umstände des Falls Lohnwucher anzunehmen sei. Werde der übliche Lohn in einem derartigen Ausmaß unterschritten, liege eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifische Rechtfertigung bedürfe. Diese Grenzziehung berücksichtige bereits, dass Tarifverträge vielfach Zusatzleistungen vorsehen. Zu vergleichen sei demnach die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn. Tarifliche Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeiten und Arbeitszeiten oder aus bestimmten Anlässen seien ebenso wenig einzubeziehen, wie unregelmäßige Zusatzleistungen eines Arbeitgebers im streitigen Arbeitsverhältnis. Derartige Leistungen bestimmten grundsätzlich weder den verkehrsüblichen Wert der Arbeit als solchen, noch den Charakter des Arbeitsverhältnisses. Nur die generalisierende Betrachtungsweise ermögliche eine praktikable Bestimmung des maßgeblichen Grenzwerts (BAG, a. a. O., II. 1. B. aa) sowie bb)).

56

Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen sich die erkennende Kammer anschließt, ist im vorliegenden Fall wegen des Zahlungszeitraums 2006 sowie wegen des weiteren Zahlungszeitraumes 2007/2008 zu unterscheiden. Die Klägerin erhielt durchgängig eine Vergütung von 5,11 EUR pro Stunde. Demgegenüber betrug der tarifliche Stundensatz 8,00 Euro in 2006 und 8,50 Euro ab dem 01.01.2007. Die Vergütung der Klägerin erreichte mithin im Jahr 2006 65 Prozent und 2007 sowie 2008 60 Prozent des tariflichen Niveaus.

57

Eine Verschiebung der nunmehr auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannten Grenze von 2/3 des maßgeblichen Tarifentgelts ist auch nicht aufgrund der besonderen Umstände vorliegenden Falles gerechtfertigt. Zwar wenden die Beklagten den hohen Anteil von Zeiten der Bereitschaft innerhalb der vergüteten Arbeitszeit ein. Dies ist aber ein Umstand, der die geringfügig Beschäftigten aufgrund von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen mit dem Vergütungssystem, das auch bei der Klägerin zur Anwendung kam, von den geringfügig Beschäftigten, die tariflich wegen eines längerfristig bestehenden Arbeitsverhältnisses nach den Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte zum DRK-Tarifvertrag auf Stundenbasis bezahlt wurden, gar nicht unterscheidet. Auch die tariflich vergüteten geringfügig Beschäftigten hatten im streitgegenständlichen Zeitraum unabhängig vom Anfall von Zeiten bloßer Bereitschaft oder Arbeitsbereitschaft Anspruch auf Zahlung des Stundensatzes, der nunmehr als Vergleichsmaßstab angelegt wird.

58

2.4 Der Tatbestand des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) setzt weiterhin voraus, dass der "Wucherer" die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zu Nutze macht (BAG 22.04.2009, a. a. O., II. 3 a).

59

Dabei meint die Zwangslage einen zwingenden Bedarf an einer Geldleistung. Die Unerfahrenheit in diesem Sinne bezeichnet einen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung. Beide Voraussetzungen hat die Klägerin im vorliegenden Fall unter Einbeziehung ihres zweitinstanzlichen Vorbringens nicht schlüssig vorgetragen.

60

Eine wirtschaftliche Zwangslage in diesem Sinne kann bereits deshalb nicht als naheliegend vorausgesetzt werden, da die Beschäftigung nicht dem Haupterwerb diente, sondern insgesamt nebenerwerbliche Tätigkeiten vorlagen und dies in schwankendem insgesamt geringem Umfang. Die Auffassung der Klägerin, das Kriterium der Zwangslage sei schon aufgrund des typischen strukturellen Ungleichgewichts im Arbeitsverhältnis zu bejahen, ist im Hinblick auf die weitreichenden Folgen sowohl nach § 138 Abs. 2 BGB als auch des gleichlautenden Straftatbestandes des § 291 StGB zurückzuweisen. Es wird der gesetzlichen Voraussetzung nicht gerecht, diese per se in jeder Arbeitsvertragsverhandlung als gegeben zu betrachten. Vielmehr ist der Norm zu entnehmen, dass das Kriterium der Ausnutzung einer Zwangslage eine eigenständige Bedeutung haben soll. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung und Sinn und Zweck unter besonderer Berücksichtigung der weitreichenden Folgen gebieten es, hier nur besondere Schwächesituationen einzubeziehen.

61

Soweit die Klägerin meint, die Voraussetzung der Unerfahrenheit sei gegeben, da sie "quasi Berufsanfängerin" gewesen sei, so ist es für die Kammer mangels Substantiierung unmöglich, zu erkennen, welche konkreten Defizite hier einen besonderen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung begründen sollen. Auch hier gilt, dass es keine allgemeine Vermutung für ein Vorliegen der gesetzlich vorausgesetzten besonderen Schwächesituation gibt.

62

2.5 Kommt danach eine Unwirksamkeit im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB wegen Lohnwuchers nicht in Betracht, so kann gemäß § 138 Abs. 1 BGB das bestehende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Falle des Hinzukommens weiterer Umstände wie einer verwerflichen Gesinnung die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede begründen.

63

Im Hinblick auf die von den Parteien vorgetragenen besonderen Umstände des vorliegenden Falles erkennt die Kammer weder in dem Vortrag der Klägerseite zur Ausnutzung einer Monopolstellung durch die Beklagten die Begründung einer besonderen Verwerflichkeit noch ist nach der Einschätzung der Kammer die Beklagtenseite vor der Bewertung ihres Handelns als verwerflich geschützt aufgrund ihres Vorbringens, sie arbeite nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern ausschließlich und in nach Abgabenrecht anerkannter Weise gemeinnützig im öffentlichen Interesse, die Beklagten hätten auch bei der Klägerin und ihren Kollegen ehrenamtliches Engagement vorausgesetzt.

64

Zwar verschiebt die monopolartige Stellung der Beklagten, die sie in der Region Westpfalz, betrachtet man den hohen Anteil der von ihnen durchgeführten Rettungseinsätze, innehaben, die Verhandlungsgewichte zu ihren Gunsten im Verhältnis zu Bewerbern um Arbeitsverhältnisse. Dies ist allerdings nicht hinreichend, um bereits auf eine Verwerflichkeit bei der Vereinbarung einer auffällig niedrigen Vergütung zu schließen. Andere Umstände des vorliegenden Falls sprechen gegen eine besondere Verwerflichkeit. Rücksichtslose Eigennützigkeit lässt typischerweise auf eine verwerfliche Gesinnung schließen. Demgegenüber fehlt es bei den Beklagten an einer Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagten sind steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Allerdings gibt es nach der Einschätzung der erkennenden Kammer auch eine sittliche Grenze für die Benachteiligung Einzelner und die Vernachlässigung von deren Interessen, auch wenn sie zugunsten des Gemeinwohls erfolgt. Von ehrenamtlichem Engagement der Klägerin und ihrer Kollegen konnten die Beklagten bereits deshalb nicht ausgehen, da die durch die Übernahme von Diensten verfolgte Erwerbsabsicht für die Beklagten hinreichend deutlich zu Tage trat. Die geringfügig in gleicher Weise wie die Klägerin Beschäftigten erstrebten die versprochene Vergütung und konkurrierten um die Dienste. Insgesamt lassen die Umstände weder auf eine besondere Verwerflichkeit schließen, noch wird durch diese Umstände die Verwerflichkeit der Haltung der Beklagten ausgeschlossen.

65

Allerdings kann auch bei Abwesenheit besonderer die Verwerflichkeit begründender Umstände das Maß des auffälligen Missverhältnisses ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten sprechen. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um ein besonders auffälliges - krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handelt. In diesen Fällen lässt das bestehende Missverhältnis bereits einen hinreichend sicheren Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu, der Arbeitgeber müsse sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG, a. a. O., II. 3. b). Einen Maßstab zur Bestimmung eines besonders auffälligen bzw. krassen Missverhältnisses hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht festgehalten. Der Bundesgerichtshof hat für mehrere unterschiedliche Rechtsverhältnisse - wie oben bereits ausgeführt - die Grenze von 50 Prozent des Werts der Gegenleistung für maßgeblich erachtet. Dem hat sich für Arbeitsverhältnisse das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der Entscheidung vom 02.11.2010 angeschlossen (5 Sa 91/10, a. a. O., Leitsatz 4). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwändig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einhergeht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht, muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O.).

66

Dies gilt in vorliegendem Fall bereits deshalb, da die beklagten Arbeitgeber in der L., die den Tarifvertrag geschlossen hat, organisiert sind. Es ist deshalb der Schluss gerechtfertigt, dass dann, wenn Leistungen und Gegenleistungen in einem krass auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, wofür auch die erkennende Kammer die 50-Prozent-Grenze für maßgeblich erachtet, sich die Arbeitgeberseite der Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

67

Eine andere Grenze als die 50-Prozent-Grenze anzusetzen, hält die Kammer jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht für angebracht im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeberin der Vergleich aufgrund von deren Tarifbindung leicht möglich war.

68

Der 50-Prozent-Rahmen ist angesichts der oben geschilderten Feststellungen deutlich nicht erreicht worden. Vielmehr wurde eine Vergütung gezahlt, die jedenfalls 2006 annähernd 2/3 des Tarifniveaus erreicht. Es verbleibt deshalb bei einem auffälligen, nicht jedoch im Sinne dieser Grenzziehung krass auffälligen Missverhältnis, so dass angesichts des Fehlens weiterer die Verwerflichkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ausmachender Umstände - und mangels einer für die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB vorausgesetzten besonderen Schwächesituation (siehe oben II. 2.4) - sich insgesamt nicht die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung aus § 138 BGB ergibt.

69

Damit kann die Klägerin ausschließlich die Verurteilung zur Zahlung der Differenzen zur tariflichen Vergütung im Zeitraum der Tarifbindung mit Erfolg verlangen, soweit sie diese rechtzeitig geltend gemacht hat. Die Hauptforderung ist, wie beantragt, ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Das Rechtshängigkeitsdatum war aber auf das in vorliegendem Fall zutreffende Zustelldatum, den 04.02.2009 zu korrigieren.

70

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern war hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung in der Hauptsache entsprechend abzuändern.

III.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO. Unter Anwendung der Baumbach'schen Formel war zu bestimmen, in welchem Anteil die jeweiligen Parteien unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Anteils am Gesamtrechtsstreit unterlegen sind und deshalb die Kosten zu tragen haben.

72

Für die Zulassung der Revision besteht aufgrund der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG kein Anlass. Insbesondere besteht keine grundsätzliche Bedeutung, da die Entscheidung angesichts des Maßes der Abweichung vom Tarifentgelt nicht abhängig ist von der bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Grenzziehung für ein ohne weiteres für Verwerflichkeit nach § 138 Abs. 1 BGB sprechendes, besonders auffälliges Missverhältnis bei arbeitsvertraglichen Entgeltvereinbarungen.

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.


Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009, Az. 2 Ca 833/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein ungekündigtes, unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht sowie über einen Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn bzw. auf Vergütung wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot.

2

Der am ... Juli 1981 geborene Kläger war nebenberuflich seit Mai 2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Rettungssanitäter tätig. Er war auf der Rettungswache R. eingesetzt.

3

Ein schriftlicher (Arbeits-)Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei der Beklagten etabliertem Prinzip:

5

Der Kläger und die etwa 200 anderen nicht vollzeitbeschäftigten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (ein Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung, es war aber immer einen Geben und Nehmen zwischen den nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitätern und dem Wachenleiter. Die nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied von ver.di mit der Folge einer Tarifbindung ab Juni 2008.

9

Der ABC-Reformtarifvertrag enthält in seiner Anlage 5 folgende " Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte ":

10

"§ 1 Geltungsbereich

11

Für geringfügig beschäftigte Mitarbeiter i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB IV gelten die Arbeitsbedingungen nach diesem Tarifvertrag, soweit in dieser Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist.

12

§ 2 Arbeitszeit

13

Die Arbeitszeit wird zwischen den Arbeitsvertragsparteien so festgelegt, dass die für geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 geltende Höchstgrenze für das monatliche Einkommen nicht überschritten wird. Die Arbeitszeit wird unter Berücksichtigung der gesetzlichen und/oder tariflichen Änderungen angepasst.

14

§ 3 Vergütung

15

I) Abweichend von § 18 erhält der geringfügig Beschäftigte eine Stundenvergütung nach Maßgabe der folgenden Entgelttabelle:

16

I. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die keine oder nur geringe Fachkenntnisse erfordern

     € 6,75,

II. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern

     € 7,50,

III. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern

     € 8,00,

IV. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern

     € 8,50.

17

II) Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)."

18

Der Kläger leistete in der Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2008 folgende Dienste:

19

Im Januar 2008 am 12., 21., 26. und 27. (insgesamt 63 Stunden),

im Februar 2008 am 8., 9., 21., 22. und 25. (insgesamt 65 Stunden),

im März 2008 am 8. und 9. (insgesamt 24 Stunden),

im April 2008 am 19., 25. und 26. (insgesamt 37 Stunden),

im Mai 2008 am 3., 10., 17. und 23. (insgesamt 52 Stunden),

im Juni 2008 am 7., 12., 13. und 20. (insgesamt 52 Stunden),

im Juli 2008 am 13., 19. und 27. (insgesamt 33 Stunden),

im August 2008 am 15., 16., 17. und 24. (insgesamt 44 Stunden),

im September 2008 am 6., 12., 20. und 28. (insgesamt 46 Stunden),

im Oktober 2008 am 11., 12. und 25. (insgesamt 37 Stunden),

im November 2008 am 21. und 23. (insgesamt 24 Stunden) sowie

im Dezember 2008 am 12., 13., 20. und 21. (insgesamt 46 Stunden).

20

Im Einzelnen wird auf die Stundennachweise des Klägers (Bl. 6 ff. in 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern) Bezug genommen.

21

Der Kläger erhielt seitens der Beklagten ausweislich der Überweisungsaufträge der Beklagten „Vergütung“. Die Beklagte entrichtete für den Kläger Beiträge zur Zusatzversorgung bei der B. Versorgungskammer - ZVK - und führte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – zumindest wenn der Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG ausgeschöpft war - pauschaliert in Höhe von 30,00 € ab.

22

Im November 2008 bot die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag an. In diesem heißt es unter anderem:

" § 1

23

Der Mitarbeiter wird ab dem ..... im Arbeitsverhältnis auf Abruf gemäß § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse (TzBfG) beim ABC als Aushilfe im Rettungsdienst (Rettungssanitäter) eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet. Es wird bestätigt, dass der Mitarbeiter bereits seit ….. geringfügig im Rettungsdienst des ABC beschäftigt ist.

§ 2

24

Vereinbart ist eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 5,00 Stunden. Das Arbeitsverhältnis ist ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB V.

25

Innerhalb der gesetzlichen Grenzen für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis kann der vereinbarte Beschäftigungsumfang einvernehmlich überschritten werden.

26

Die Heranziehung zur Arbeit erfolgt in der Weise, dass das ABC dem Mitarbeiter die Lage seiner Arbeitszeit mindestens 8 Tage im Voraus mitteilt. Soweit nicht anders im Einzelfall einvernehmlich vereinbart, erfolgt die Heranziehung zur Arbeit jeweils für mindestens 6 aufeinander folgende Stunden.

§ 3

27

Als Entgelt erhält der Mitarbeiter eine Vergütung in Höhe von € 8,00 pro Stunde.

28

Das ABC trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), soweit nicht Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 26 EStG besteht oder mit dem Mitarbeiter in Schulausbildung oder Studium eine Versteuerung der Einkünfte über Lohnsteuerkarte vereinbart ist, weil dessen/deren Gesamteinkünfte unterhalb des zustehenden Grundfreibetrags bleiben.

§ 4

29

Der Arbeits- und Einsatzbereich sind die Rettungswachen der ABC-Rettungsdienst W. GmbH.

§ 5

30

Für das Arbeitsverhältnis gilt der ABC-Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Die Vergütung richtet sich nach der Anlage 5 zum ABC-Tarifvertrag ("Sonderregelungen für Geringfügig Beschäftigte") in ihrer jeweils gültigen Fassung; im Falle einer Kündigung der Sonderregelung durch eine Tarifvertragspartei in der zuletzt gültigen Fassung.

(...)

§ 7

31

Der Mitarbeiter ist weiter verpflichtet, auf Verlangen des ABC an den im ABC Rheinland-Pfalz zentral angebotenen regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst teilzunehmen, um jederzeit die in den Ausbildungsrichtlinien des ABC sowie im Rettungsdienstgesetz und im Landesrettungsdienstplan von Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung enthaltenen Anforderungen erfüllen zu können.

32

(…)".

33

Die Beklagte meldete den Kläger zum 31. Dezember 2008 bei der B. Versorgungskammer bezüglich der betrieblichen Altersversorgung ab. Eine Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger erfolgte nicht.

34

Der Kläger leistete am 21. Dezember 2008 seinen bis dato letzten Einsatz. Er bot gegenüber der Beklagten mehrfach seine Arbeitskraft an, wurde jedoch ab Januar 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt.

35

Mit einer am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern (2 Ca 1845/08) eingegangener Klage verfolgte der Kläger Ansprüche unter anderem auf Zahlung einer höheren Vergütung. Während die Beklagte den Kläger zuletzt mit 5,11 €/geleisteter Stunde vergütete, begehrte der Kläger die Zahlung von 8,00 €/Stunde. Dieser Rechtsstreit ist bislang nicht abgeschlossen.

36

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger neben der Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, mit seiner am 20. Mai 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 25. Mai 2009 zugestellten Klage weiter die Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis April 2009 sowie mit der am 2. Juli 2009 eingegangenen, der Beklagten am 2. Juli 2009 zugestellten Klageänderung die Zahlung von Vergütung für die Monate Mai und Juni 2009.

37

Der Kläger war der Ansicht,

38

ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehe unverändert. Die geleisteten Dienste seien nicht als einzelne befristete Tagesarbeitverhältnisse anzusehen. Es mangele ihnen an der erforderlichen Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG stehe einer wiederholten Befristung entgegen. Die Berufung der Beklagten auf § 17 TzBfG sei treuwidrig. Diese Vorschrift sei vorliegend nicht anwendbar, da es um die Frage gehe, ob überhaupt eine Befristung vereinbart sei.

39

Die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug. Seine Forderung beruhe auf durchschnittlich 43,58 Stunden/Monat, errechnet aus den Stunden im Jahr 2008 und einem Stundenlohn in Höhe von 8,00 €. Seine Weigerung, zu neuen Konditionen zu arbeiten, stelle keine Ablehnung einer Arbeitsleistung dar. Die dort unterbreiteten neuen Vertragsinhalte seien gerade noch nicht Bestandteil des bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Hierzu hätte sich die Beklagte der Änderungskündigung bedienen müssen. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus § 612 a BGB, da der Geschäftsführer der Beklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern im Rechtsstreit 2 Ca 1845/08 am 19. März 2009 ausdrücklich erklärt habe, der Arbeitnehmer, der geklagt hätte und von dem er menschlich enttäuscht sei, würde nicht mehr eingesetzt.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

42

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

43

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

44

Die Beklagte hat beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte war der Ansicht,

47

zwischen den Parteien bestehe jedenfalls kein ständiges, unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zu keinem Zeitpunkt sei ein fester, regelmäßiger Beschäftigungsumfang vereinbart worden. Die Parteien hätten sich über die einzelnen zu leistenden Dienste geeinigt. Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger oder seinen in gleicher Rechtsbeziehung zur Beklagten stehenden Kollegen über einen oder mehrere zu leistende Dienste sei nach vereinbarungsgemäßer Übernahme dieser Dienste und Zahlung der zustehenden Vergütung hierfür durch die Beklagte vollständig erfüllt. Es habe keine Vereinbarung bestanden, die ihr gestattet hätte, vom Kläger die Übernahme bestimmter Dienste zu fordern. Auch gebe es keine Vereinbarung, die dem Kläger Angebote für zu übernehmende Dienste in einem definierten Umfang zusichere. Die den einzelnen Tagesarbeitsverhältnissen innewohnenden Befristungen seien zwar möglicherweise unwirksam, was in der gesetzlich vorgesehenen Weise geltend gemacht werden könne. Dass diese Gestaltung als solches einen Gesetzesverstoß darstelle, sei dagegen unzutreffend. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger hätten diese gewählte rechtliche Gestaltung deshalb als unbedenklich angesehen, weil sie zum einen davon ausgegangen seien, es handele sich nicht um Arbeitsverhältnisse, zum anderen, weil sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger und seine Kollegen an einer unbefristet wirkenden rechtlichen Bindung gar nicht interessiert gewesen seien. Die den Einzelvereinbarungen innewohnenden Befristungen seien jedenfalls nicht unbestimmt gewesen. Sie seien jeweils mit der Ableistung des letzten konkret vereinbarten Dienstes eingetreten. Weil die An- und Abmeldung von Mitarbeitern zur zusätzlichen Altersversorgung dort einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand darstelle, habe sie – soweit sie den Kläger und seine Kollegen zur Zusatzversorgung angemeldet gehabt habe – von ständigen Ab- und Neuanmeldungen abgesehen, angemeldete Mitarbeiter vielmehr angemeldet gelassen, so lange eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen habe, dass diese demnächst weitere konkrete Dienstverpflichtungen übernehmen würden. Die Klage sei auf jeden Fall gemäß § 17 TzBfG verfristet.

48

Annahmeverzug sei nicht gegeben, da der Kläger den von ihr angebotenen unbefristeten Arbeitsvertrag abgelehnt habe. In 2009 seien dem Kläger keine Dienste mehr angeboten worden, da dieser zu erkennen gegeben habe, dass er zur Übernahme von Diensten nur gegen die Gewährung der tariflichen Vergütung für geringfügig Beschäftigte gemäß ABC-TV bereit sei, umgekehrt jedoch nicht bereit gewesen sei, die üblicherweise mit einem unbefristeten, geringfügigen Beschäftigungsverhältnis einhergehenden Arbeitnehmerpflichten, für die Anforderung der Arbeitsleistung in zumutbarem Umfang zur Verfügung zu stehen, zu übernehmen.

49

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe kein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis. Die Parteien hätten sich in der Vergangenheit immer nur auf Einsätze an bestimmten Tagen geeinigt. Hierbei handele es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, und zwar in dem zeitlichen Umfang, wie er absprachegemäß im Dienstplan erfolgt sei. Dabei sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, die ihm angebotenen Dienste für bestimmte Tage zu übernehmen. Er habe sie auch ablehnen dürfen. Auch die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger konkrete Angebote zu machen. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich. Deshalb liege auch kein Fall von Abrufarbeit nach § 12 TzBfG, sondern allenfalls eine Rahmenvereinbarung vor, die aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründe. Die letzte Befristung sei auch wirksam, weil der Kläger nicht innerhalb von drei Wochen gemäß § 17 TzBfG Entfristungsklage erhoben habe. Da ab Januar 2009 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe, könne der Kläger auch keine Vergütung verlangen.

50

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 (Bl. 27 f. d. A.) Bezug genommen.

51

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 1. Oktober 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 28. Oktober 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht innerhalb der durch Beschluss vom 2. Dezember 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen, begründet. Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 45 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

52

Zwischen den Parteien seien keine befristeten Arbeitsverhältnisse abgeschlossen worden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer Befristung trage die Partei, die hieraus für sich eine günstige Rechtsfolge herleite. Das sei vorliegend die Beklagte. Diese habe vor Beginn der einschlägigen Rechtsstreite nie darauf hingewiesen, es handele sich um den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Damit habe bereits der zur Abgabe eines einschlägigen Vertragsangebots erforderliche Erklärungswille gefehlt. Klägerseitig habe man die gesamte Vertragsgestaltung nur so verstehen können, dass es sich insgesamt um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Hierfür spreche insbesondere auch die Handhabung der zusätzlichen Altersversorgung. Zudem gehe die Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass dem TzBfG die Wertung zugrunde liege, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sei.

53

Ein Arbeitnehmer, der nicht darauf hingewiesen werde, in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu stehen, könne auch nicht verpflichtet sein, innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des Vertrages eine Entfristungsklage zu erheben. Soweit sich die Beklagte auf die Einhaltung dieser Frist berufe, erscheine dies treuwidrig, denn sie selbst sei ursprünglich nicht davon ausgegangen, in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu stehen. Die Beklagte habe die Weiterbeschäftigung bereits zu einem Zeitpunkt unterlassen, als alle Beteiligten noch entweder von unbefristeten ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnissen oder von unbefristeten Arbeitsverhältnissen ausgegangen seien. Als das Arbeitsgericht Kaiserslautern geraume Zeit später auf die Idee gekommen sei, es könnten befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorliegen, seien etwaige Klagefristen nach § 17 TzBfG schon lange abgelaufen gewesen.

54

Der von der Beklagten im Jahr 2008 angebotene unbefristete Arbeitsvertrag habe deutliche Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtsposition des Klägers enthalten. So hätte etwa der Einsatzbereich auf eine wesentlich größere Fläche ausgedehnt werden sollen als dies zuvor der Fall gewesen sei. Wegen dieser Verschlechterungen habe das Vertragsangebot der Beklagten insoweit nicht angenommen werden können. Durch das Unterlassen der weiteren Beschäftigung befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug.

55

Der Kläger beantragt,

56

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 – 2 Ca 833/09 abzuändern und

57

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

58

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

59

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

60

Die Beklagte beantragt,

61

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

62

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. Januar 2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 57 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Zwischen den Parteien sei kein regelmäßiger, fester Beschäftigungsumfang vereinbart worden, auch nicht in Form eines durchschnittlichen Beschäftigungsumfangs. Die Parteien hätten sich vielmehr stets über zu leistende Dienste einzeln oder für mehrere Dienste auf einmal einvernehmlich verständigt. Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien könne nicht als fortdauerndes Arbeitsverhältnis, Teilzeitarbeitsverhältnis oder Abrufarbeitsverhältnis angesehen werden. Unerheblich sei, dass sie die Dienste des Klägers nicht als im Rahmen von Tagesarbeitsverhältnissen geleistet, sondern als ehrenamtlich übernommene Dienstverpflichtung angesehen habe. Da ehrenamtliche Tätigkeit immer freiwillige Tätigkeit bedeute, wären auch hier konkrete Vereinbarungen über einzelne vom Kläger zu übernehmende Dienste stets befristete Vereinbarungen gewesen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit kenne weder ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht noch Annahmeverzug.

63

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

64

Das Landesarbeitsgericht hat die Akte 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.

65

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

66

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers jedoch keinen Erfolg.

67

Zwischen den Parteien besteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis Juni 2009 weder unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs noch unter demjenigen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB. Im Einzelnen:

68

1. Zwischen den Parteien besteht kein – unbefristetes – Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor. Auch haben beide Parteien nicht vorgetragen, dass die Beklagte bzw. die Rechtsvorgänger der Beklagten, nämlich bis zum 31. Dezember 2006 der Kreisverband Kirchheimbolanden, bis zum 31. März 2008 der ABC Kreisverband K.-Stadt e. V., dem Kläger ausdrücklich den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses angeboten haben, was dieser angenommen hat. Die Parteien haben auch nicht durch konkludente Willenserklärungen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Zwar kann der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages – da keine Formerfordernisse eingreifen – auch durch konkludente Willenserklärungen erfolgen. Solche liegen hier jedoch nicht vor.

69

Der Arbeitsvertrag ist nach seiner gesetzlichen Systematik ein Unterfall des Dienstvertrags. Er setzt daher notwendig voraus, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Arbeitnehmer ist daher, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Nicht notwendig ist für einen Arbeitsvertrag, dass die Arbeitsleistung schon von vornherein festgelegt ist. Vielmehr kann die arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dahin getroffen werden, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 315 BGB zu treffende Weisung auslöst. Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf, § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Der Arbeitnehmer ist dann allerdings konkret nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn ihm der Arbeitgeber die Lage seiner Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag ist somit stets eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Dienstleistung (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG). Ob die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen ( Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß §12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, nicht selten als Rahmenvereinbarung ausgestaltet. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu §12 TzBfG; Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Mit Hilfe beider kann ein vorhersehbar immer wieder auftretender Arbeitsbedarf erfüllt werden ( Annuß/Thüsing , TzBfG, § 12 Rn. 13). § 12 TzBfG zwingt die Arbeitsvertragsparteien nicht, statt befristeten einzelnen Eintagesarbeitsverhältnissen ein Abrufarbeitsverhältnis zu vereinbaren (BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996; ErfKomm- Preis , 10. Aufl. 2010, § 12 TzBfG Rn. 12; Henssler in MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2009, § 12 TzBfG Rn. 4 m. w. N.).

70

Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (vgl. BAG, Urt. vom 20. März 1996 – 7 AZR 524/95 – zitiert nach juris für Extrawachen auf den Stationen eines Krankenhauses). Die Vergabe der Einsätze erfolgte stets nur aufgrund der „Bewerbung“ des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall, begrenzt auf dessen Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung zu den einzelnen Einsätzen nur dahin verstehen, dass lediglich auf die einzelnen Einsätze, allenfalls die Dauer des Dienstplans befristete einzelne Eintagesarbeitsverhältnisse abgeschlossen werden sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Zu Beginn ihrer Rechtsbeziehungen haben die Parteien den Umfang der Arbeitsleistung nicht auf Dauer vertraglich festgelegt. Der Kläger war weder verpflichtet, überhaupt oder in bestimmtem Umfang „Bewerbungen“ auf einzelne Einsätze vorzunehmen noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte jedenfalls dann, wenn einzelne Schichten unbesetzt bleiben sollten, berechtigt sein sollte, die Teilzeitkräfte auch einseitig zur Arbeit einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht (so aber im vom BAG durch Urteil vom 12. Juni 1996 – 5 AZR 960/94 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent entschiedenen Fall einer Tankwartaushilfe). Rechtliche Konsequenzen hatte weder die Nichteintragung im PC der Rettungswache (unter Umständen auch für mehrere Monate) noch die Mitteilung bei den kurzfristigen Anfragen, zum angefragten Zeitpunkt nicht zur Verfügung zu stehen. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn nach mehreren „Absagen“ auf kurzfristige Anfragen solche seitens der Beklagten nicht mehr erfolgt sein sollten. Konnte oder wollte ein Rettungsassistent oder –sanitäter mehrfach nicht kurzfristig eingesetzt werden, konnte die Beklagte hieraus den Schluss ziehen, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse hat, solche nicht längere Zeit im Voraus geplante Einsätze zu leisten.

71

Auch in der Aufnahme des Klägers in eine „Liste“, einen „Pool“ von Rettungsassistenten bzw. –sanitätern für kurzfristige Anfragen ist nicht der Abschluss eines unbefristeten einheitlichen Arbeitsverhältnisses durch die Parteien zu sehen. Durch die Aufnahme in den „Pool“, die „Liste“ konnte der Kläger nicht mit dauernden Einsätzen rechnen. Die Aufnahme in eine Liste von Interessenten ist kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Dazu bedürfte es weiterer Umstände, aus denen erkennbar werden müsste, dass die Beteiligten vom Fortbestehen rechtlicher Bindungen über die Zeit des einzelnen Einsatzes hinaus ausgegangen sind (vgl. BAG, Urt. vom 11. November 1998 – 5 AZR 119/98 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Werkstudent m. w. N. für studentische Sitzwachen in einem psychiatrischen Krankenhaus).

72

Allerdings kann bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder beschäftigter Personen ("Pool") trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Arbeitsverhältnis entstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) kann ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn dem Mitarbeiter erklärt wird, er sei nicht verpflichtet, die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst in Kraft, wenn ihm die einzelnen Mitarbeiter nicht widersprächen oder ihr Erscheinen zu dem vorgesehenen Termin jeweils bestätigten. Daran ändere auch das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen, nichts Ein Dauerarbeitsverhältnis könne weiter auch dann entstehen, wenn den Einsätzen jeweils telefonische Anfragen, ob der Mitarbeiter zur Verfügung stehe, vorausgingen. Das solle jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdecke, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötige, als er unbefristet eingestellt habe. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) jedoch, dass der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen wird und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen kann, auch in Zukunft herangezogen zu werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht für den Bereich des Rundfunks entschiedenen Falls ging der Einteilung des Klägers jedoch nur im Fall kurzfristigen Bedarfs ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten voraus. In den Fällen der Berücksichtigung im Dienstplan kam hingegen die Vereinbarung eines Einsatzes jedoch nur dann zustande, wenn er selbst durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung an die Beklagte mitgeteilt hatte, an den konkreten Einsätzen interessiert zu sein. Unterblieb eine solche "Bewerbung" des Klägers, erhielt er keinen Einsatz. Der einzelne Einsatz des Klägers beruhte weiter stets auf einer zwischen den Parteien ausdrücklich getroffenen Absprache betreffend den jeweiligen Einsatz. Für die Annahme eines auf Dauer angelegten Bindungswillens fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Einsätze des Klägers erfolgten auch nach keinem erkennbaren System, ihre Abfolge und ihr Umfang schwankte von Monat zu Monat. So schwankten seine Einsatzzeiten zwischen 24 Stunden und 65 Stunden/Monat. Zwischen dem 9. März 2008 und dem 19. April 2008 war der Kläger ebenso wenig tätig wie im Zeitraum zwischen dem 25. Oktober und dem 21. November 2008.

73

Aus den dem Kläger erteilten Verdienstabrechnungen und der Anmeldung bei der B. Versorgungskammer zur Zusatzversorgung kann nicht auf die Vereinbarung eines Dauerarbeitsverhältnisses geschlossen werden. Die monatliche Abrechnung liegt auch bei häufig wiederkehrenden jeweils kurzfristig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Auch die Vereinfachung des Meldeverfahrens bei der Zusatzversorgung durch den Verzicht auf regelmäßige Ab- und erneute Anmeldungen dient der Praktikabilität der Abwicklung einzelner kurzfristiger Einsätze. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Höhe der zu leistenden Beiträge allein nach der Höhe des erzielten Verdienstes, nicht jedoch nach dem Zeitraum, für den eine Anmeldung besteht, richtet.

74

Durch die vorliegende Vertragsgestaltung wird auch verfassungsrechtlich gebotener Bestandsschutz nicht umgangen. Zwar haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Vertragsgestaltung zu einer Beseitigung oder unzulässigen Beschränkung des auf Grund von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Bestandsschutzes führt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch die vertragliche Vereinbarung zwingender gesetzlicher Kündigungsschutz oder die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle umgangen wird. Durch die vorliegende Vereinbarung jeweils nur einzelner Einsätze wurde der verfassungsrechtlich gebotene Bestandsschutz nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Dem Kläger wurde hierdurch nicht die Möglichkeit genommen, die Vereinbarung der einzelnen Einsätze der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zuzuführen (vgl. BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996). Ohne Bedeutung ist für die Kontrolle der gewählten Vertragsgestaltung, ob der Arbeitnehmer von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht (vgl. BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.).

75

Soweit die Parteien sich auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt haben, hat der Kläger die letzte – formunwirksame – Befristung nicht (auch nicht in der Drei-Wochen-Frist des § 17 S. 1 TzBfG) angegriffen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit hat er keinen Befristungsschutzantrag gestellt. Nach § 17 S. 1 TzBfG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (vgl. nur LAG Düsseldorf, Urt. v. 26. September 2002 – 5 Sa 748/02 – NZA-RR 2003, 175; Laux/Schlachter , TzBfG, § 17 Rn. 5; Schaub/Koch , Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf § 242 BGB berufen. Er hat die Befristung überhaupt nicht (gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung) angegriffen, auch nicht nachdem dieser Gesichtspunkt im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - 2 Ca 1845/08 - thematisiert worden ist. Die Befristung war daher vorliegend nicht zu überprüfen. Ihr Formmangel konnte nicht zur Begründetheit des Feststellungsantrags führen. Ebenso nicht zu prüfen war die Frage einer Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Mehrfachbefristungen beim selben Arbeitgeber ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

76

2. Da zwischen den Parteien – wie unter 1. dargelegt – in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 kein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestand, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für diese Monate unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, § 611 Abs. 1 in Verbindung mit § 615 S. 1 BGB, §§ 293 ff. BGB.

77

Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 612 a BGB ist nicht gegeben. Gemäß § 612 a BGB hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf die anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung, wenn er bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme benachteiligt wird, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen seiner Rechtsausübung, der Klage auf tarifliche Vergütung, im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses benachteiligt, sondern ihm neue „Einsätze“ nur auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit dem Gegenstand einer Arbeit auf Abruf angeboten. Hierdurch hat die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise auf die Auffassung des Klägers und weiterer Rettungsassistenten und –sanitäter reagiert, sie seien bereits in unbefristeten Arbeitsverhältnissen tätig.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.


Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009, Az. 2 Ca 833/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein ungekündigtes, unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht sowie über einen Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn bzw. auf Vergütung wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot.

2

Der am ... Juli 1981 geborene Kläger war nebenberuflich seit Mai 2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Rettungssanitäter tätig. Er war auf der Rettungswache R. eingesetzt.

3

Ein schriftlicher (Arbeits-)Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei der Beklagten etabliertem Prinzip:

5

Der Kläger und die etwa 200 anderen nicht vollzeitbeschäftigten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (ein Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung, es war aber immer einen Geben und Nehmen zwischen den nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitätern und dem Wachenleiter. Die nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied von ver.di mit der Folge einer Tarifbindung ab Juni 2008.

9

Der ABC-Reformtarifvertrag enthält in seiner Anlage 5 folgende " Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte ":

10

"§ 1 Geltungsbereich

11

Für geringfügig beschäftigte Mitarbeiter i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB IV gelten die Arbeitsbedingungen nach diesem Tarifvertrag, soweit in dieser Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist.

12

§ 2 Arbeitszeit

13

Die Arbeitszeit wird zwischen den Arbeitsvertragsparteien so festgelegt, dass die für geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 geltende Höchstgrenze für das monatliche Einkommen nicht überschritten wird. Die Arbeitszeit wird unter Berücksichtigung der gesetzlichen und/oder tariflichen Änderungen angepasst.

14

§ 3 Vergütung

15

I) Abweichend von § 18 erhält der geringfügig Beschäftigte eine Stundenvergütung nach Maßgabe der folgenden Entgelttabelle:

16

I. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die keine oder nur geringe Fachkenntnisse erfordern

     € 6,75,

II. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern

     € 7,50,

III. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern

     € 8,00,

IV. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern

     € 8,50.

17

II) Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)."

18

Der Kläger leistete in der Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2008 folgende Dienste:

19

Im Januar 2008 am 12., 21., 26. und 27. (insgesamt 63 Stunden),

im Februar 2008 am 8., 9., 21., 22. und 25. (insgesamt 65 Stunden),

im März 2008 am 8. und 9. (insgesamt 24 Stunden),

im April 2008 am 19., 25. und 26. (insgesamt 37 Stunden),

im Mai 2008 am 3., 10., 17. und 23. (insgesamt 52 Stunden),

im Juni 2008 am 7., 12., 13. und 20. (insgesamt 52 Stunden),

im Juli 2008 am 13., 19. und 27. (insgesamt 33 Stunden),

im August 2008 am 15., 16., 17. und 24. (insgesamt 44 Stunden),

im September 2008 am 6., 12., 20. und 28. (insgesamt 46 Stunden),

im Oktober 2008 am 11., 12. und 25. (insgesamt 37 Stunden),

im November 2008 am 21. und 23. (insgesamt 24 Stunden) sowie

im Dezember 2008 am 12., 13., 20. und 21. (insgesamt 46 Stunden).

20

Im Einzelnen wird auf die Stundennachweise des Klägers (Bl. 6 ff. in 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern) Bezug genommen.

21

Der Kläger erhielt seitens der Beklagten ausweislich der Überweisungsaufträge der Beklagten „Vergütung“. Die Beklagte entrichtete für den Kläger Beiträge zur Zusatzversorgung bei der B. Versorgungskammer - ZVK - und führte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – zumindest wenn der Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG ausgeschöpft war - pauschaliert in Höhe von 30,00 € ab.

22

Im November 2008 bot die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag an. In diesem heißt es unter anderem:

" § 1

23

Der Mitarbeiter wird ab dem ..... im Arbeitsverhältnis auf Abruf gemäß § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse (TzBfG) beim ABC als Aushilfe im Rettungsdienst (Rettungssanitäter) eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet. Es wird bestätigt, dass der Mitarbeiter bereits seit ….. geringfügig im Rettungsdienst des ABC beschäftigt ist.

§ 2

24

Vereinbart ist eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 5,00 Stunden. Das Arbeitsverhältnis ist ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB V.

25

Innerhalb der gesetzlichen Grenzen für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis kann der vereinbarte Beschäftigungsumfang einvernehmlich überschritten werden.

26

Die Heranziehung zur Arbeit erfolgt in der Weise, dass das ABC dem Mitarbeiter die Lage seiner Arbeitszeit mindestens 8 Tage im Voraus mitteilt. Soweit nicht anders im Einzelfall einvernehmlich vereinbart, erfolgt die Heranziehung zur Arbeit jeweils für mindestens 6 aufeinander folgende Stunden.

§ 3

27

Als Entgelt erhält der Mitarbeiter eine Vergütung in Höhe von € 8,00 pro Stunde.

28

Das ABC trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), soweit nicht Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 26 EStG besteht oder mit dem Mitarbeiter in Schulausbildung oder Studium eine Versteuerung der Einkünfte über Lohnsteuerkarte vereinbart ist, weil dessen/deren Gesamteinkünfte unterhalb des zustehenden Grundfreibetrags bleiben.

§ 4

29

Der Arbeits- und Einsatzbereich sind die Rettungswachen der ABC-Rettungsdienst W. GmbH.

§ 5

30

Für das Arbeitsverhältnis gilt der ABC-Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Die Vergütung richtet sich nach der Anlage 5 zum ABC-Tarifvertrag ("Sonderregelungen für Geringfügig Beschäftigte") in ihrer jeweils gültigen Fassung; im Falle einer Kündigung der Sonderregelung durch eine Tarifvertragspartei in der zuletzt gültigen Fassung.

(...)

§ 7

31

Der Mitarbeiter ist weiter verpflichtet, auf Verlangen des ABC an den im ABC Rheinland-Pfalz zentral angebotenen regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst teilzunehmen, um jederzeit die in den Ausbildungsrichtlinien des ABC sowie im Rettungsdienstgesetz und im Landesrettungsdienstplan von Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung enthaltenen Anforderungen erfüllen zu können.

32

(…)".

33

Die Beklagte meldete den Kläger zum 31. Dezember 2008 bei der B. Versorgungskammer bezüglich der betrieblichen Altersversorgung ab. Eine Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger erfolgte nicht.

34

Der Kläger leistete am 21. Dezember 2008 seinen bis dato letzten Einsatz. Er bot gegenüber der Beklagten mehrfach seine Arbeitskraft an, wurde jedoch ab Januar 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt.

35

Mit einer am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern (2 Ca 1845/08) eingegangener Klage verfolgte der Kläger Ansprüche unter anderem auf Zahlung einer höheren Vergütung. Während die Beklagte den Kläger zuletzt mit 5,11 €/geleisteter Stunde vergütete, begehrte der Kläger die Zahlung von 8,00 €/Stunde. Dieser Rechtsstreit ist bislang nicht abgeschlossen.

36

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger neben der Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, mit seiner am 20. Mai 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 25. Mai 2009 zugestellten Klage weiter die Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis April 2009 sowie mit der am 2. Juli 2009 eingegangenen, der Beklagten am 2. Juli 2009 zugestellten Klageänderung die Zahlung von Vergütung für die Monate Mai und Juni 2009.

37

Der Kläger war der Ansicht,

38

ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehe unverändert. Die geleisteten Dienste seien nicht als einzelne befristete Tagesarbeitverhältnisse anzusehen. Es mangele ihnen an der erforderlichen Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG stehe einer wiederholten Befristung entgegen. Die Berufung der Beklagten auf § 17 TzBfG sei treuwidrig. Diese Vorschrift sei vorliegend nicht anwendbar, da es um die Frage gehe, ob überhaupt eine Befristung vereinbart sei.

39

Die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug. Seine Forderung beruhe auf durchschnittlich 43,58 Stunden/Monat, errechnet aus den Stunden im Jahr 2008 und einem Stundenlohn in Höhe von 8,00 €. Seine Weigerung, zu neuen Konditionen zu arbeiten, stelle keine Ablehnung einer Arbeitsleistung dar. Die dort unterbreiteten neuen Vertragsinhalte seien gerade noch nicht Bestandteil des bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Hierzu hätte sich die Beklagte der Änderungskündigung bedienen müssen. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus § 612 a BGB, da der Geschäftsführer der Beklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern im Rechtsstreit 2 Ca 1845/08 am 19. März 2009 ausdrücklich erklärt habe, der Arbeitnehmer, der geklagt hätte und von dem er menschlich enttäuscht sei, würde nicht mehr eingesetzt.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

42

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

43

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

44

Die Beklagte hat beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte war der Ansicht,

47

zwischen den Parteien bestehe jedenfalls kein ständiges, unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zu keinem Zeitpunkt sei ein fester, regelmäßiger Beschäftigungsumfang vereinbart worden. Die Parteien hätten sich über die einzelnen zu leistenden Dienste geeinigt. Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger oder seinen in gleicher Rechtsbeziehung zur Beklagten stehenden Kollegen über einen oder mehrere zu leistende Dienste sei nach vereinbarungsgemäßer Übernahme dieser Dienste und Zahlung der zustehenden Vergütung hierfür durch die Beklagte vollständig erfüllt. Es habe keine Vereinbarung bestanden, die ihr gestattet hätte, vom Kläger die Übernahme bestimmter Dienste zu fordern. Auch gebe es keine Vereinbarung, die dem Kläger Angebote für zu übernehmende Dienste in einem definierten Umfang zusichere. Die den einzelnen Tagesarbeitsverhältnissen innewohnenden Befristungen seien zwar möglicherweise unwirksam, was in der gesetzlich vorgesehenen Weise geltend gemacht werden könne. Dass diese Gestaltung als solches einen Gesetzesverstoß darstelle, sei dagegen unzutreffend. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger hätten diese gewählte rechtliche Gestaltung deshalb als unbedenklich angesehen, weil sie zum einen davon ausgegangen seien, es handele sich nicht um Arbeitsverhältnisse, zum anderen, weil sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger und seine Kollegen an einer unbefristet wirkenden rechtlichen Bindung gar nicht interessiert gewesen seien. Die den Einzelvereinbarungen innewohnenden Befristungen seien jedenfalls nicht unbestimmt gewesen. Sie seien jeweils mit der Ableistung des letzten konkret vereinbarten Dienstes eingetreten. Weil die An- und Abmeldung von Mitarbeitern zur zusätzlichen Altersversorgung dort einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand darstelle, habe sie – soweit sie den Kläger und seine Kollegen zur Zusatzversorgung angemeldet gehabt habe – von ständigen Ab- und Neuanmeldungen abgesehen, angemeldete Mitarbeiter vielmehr angemeldet gelassen, so lange eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen habe, dass diese demnächst weitere konkrete Dienstverpflichtungen übernehmen würden. Die Klage sei auf jeden Fall gemäß § 17 TzBfG verfristet.

48

Annahmeverzug sei nicht gegeben, da der Kläger den von ihr angebotenen unbefristeten Arbeitsvertrag abgelehnt habe. In 2009 seien dem Kläger keine Dienste mehr angeboten worden, da dieser zu erkennen gegeben habe, dass er zur Übernahme von Diensten nur gegen die Gewährung der tariflichen Vergütung für geringfügig Beschäftigte gemäß ABC-TV bereit sei, umgekehrt jedoch nicht bereit gewesen sei, die üblicherweise mit einem unbefristeten, geringfügigen Beschäftigungsverhältnis einhergehenden Arbeitnehmerpflichten, für die Anforderung der Arbeitsleistung in zumutbarem Umfang zur Verfügung zu stehen, zu übernehmen.

49

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe kein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis. Die Parteien hätten sich in der Vergangenheit immer nur auf Einsätze an bestimmten Tagen geeinigt. Hierbei handele es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, und zwar in dem zeitlichen Umfang, wie er absprachegemäß im Dienstplan erfolgt sei. Dabei sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, die ihm angebotenen Dienste für bestimmte Tage zu übernehmen. Er habe sie auch ablehnen dürfen. Auch die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger konkrete Angebote zu machen. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich. Deshalb liege auch kein Fall von Abrufarbeit nach § 12 TzBfG, sondern allenfalls eine Rahmenvereinbarung vor, die aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründe. Die letzte Befristung sei auch wirksam, weil der Kläger nicht innerhalb von drei Wochen gemäß § 17 TzBfG Entfristungsklage erhoben habe. Da ab Januar 2009 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe, könne der Kläger auch keine Vergütung verlangen.

50

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 (Bl. 27 f. d. A.) Bezug genommen.

51

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 1. Oktober 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 28. Oktober 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht innerhalb der durch Beschluss vom 2. Dezember 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen, begründet. Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 45 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

52

Zwischen den Parteien seien keine befristeten Arbeitsverhältnisse abgeschlossen worden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer Befristung trage die Partei, die hieraus für sich eine günstige Rechtsfolge herleite. Das sei vorliegend die Beklagte. Diese habe vor Beginn der einschlägigen Rechtsstreite nie darauf hingewiesen, es handele sich um den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Damit habe bereits der zur Abgabe eines einschlägigen Vertragsangebots erforderliche Erklärungswille gefehlt. Klägerseitig habe man die gesamte Vertragsgestaltung nur so verstehen können, dass es sich insgesamt um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Hierfür spreche insbesondere auch die Handhabung der zusätzlichen Altersversorgung. Zudem gehe die Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass dem TzBfG die Wertung zugrunde liege, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sei.

53

Ein Arbeitnehmer, der nicht darauf hingewiesen werde, in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu stehen, könne auch nicht verpflichtet sein, innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des Vertrages eine Entfristungsklage zu erheben. Soweit sich die Beklagte auf die Einhaltung dieser Frist berufe, erscheine dies treuwidrig, denn sie selbst sei ursprünglich nicht davon ausgegangen, in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu stehen. Die Beklagte habe die Weiterbeschäftigung bereits zu einem Zeitpunkt unterlassen, als alle Beteiligten noch entweder von unbefristeten ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnissen oder von unbefristeten Arbeitsverhältnissen ausgegangen seien. Als das Arbeitsgericht Kaiserslautern geraume Zeit später auf die Idee gekommen sei, es könnten befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorliegen, seien etwaige Klagefristen nach § 17 TzBfG schon lange abgelaufen gewesen.

54

Der von der Beklagten im Jahr 2008 angebotene unbefristete Arbeitsvertrag habe deutliche Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtsposition des Klägers enthalten. So hätte etwa der Einsatzbereich auf eine wesentlich größere Fläche ausgedehnt werden sollen als dies zuvor der Fall gewesen sei. Wegen dieser Verschlechterungen habe das Vertragsangebot der Beklagten insoweit nicht angenommen werden können. Durch das Unterlassen der weiteren Beschäftigung befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug.

55

Der Kläger beantragt,

56

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 – 2 Ca 833/09 abzuändern und

57

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

58

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

59

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

60

Die Beklagte beantragt,

61

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

62

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. Januar 2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 57 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Zwischen den Parteien sei kein regelmäßiger, fester Beschäftigungsumfang vereinbart worden, auch nicht in Form eines durchschnittlichen Beschäftigungsumfangs. Die Parteien hätten sich vielmehr stets über zu leistende Dienste einzeln oder für mehrere Dienste auf einmal einvernehmlich verständigt. Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien könne nicht als fortdauerndes Arbeitsverhältnis, Teilzeitarbeitsverhältnis oder Abrufarbeitsverhältnis angesehen werden. Unerheblich sei, dass sie die Dienste des Klägers nicht als im Rahmen von Tagesarbeitsverhältnissen geleistet, sondern als ehrenamtlich übernommene Dienstverpflichtung angesehen habe. Da ehrenamtliche Tätigkeit immer freiwillige Tätigkeit bedeute, wären auch hier konkrete Vereinbarungen über einzelne vom Kläger zu übernehmende Dienste stets befristete Vereinbarungen gewesen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit kenne weder ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht noch Annahmeverzug.

63

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

64

Das Landesarbeitsgericht hat die Akte 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.

65

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

66

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers jedoch keinen Erfolg.

67

Zwischen den Parteien besteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis Juni 2009 weder unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs noch unter demjenigen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB. Im Einzelnen:

68

1. Zwischen den Parteien besteht kein – unbefristetes – Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor. Auch haben beide Parteien nicht vorgetragen, dass die Beklagte bzw. die Rechtsvorgänger der Beklagten, nämlich bis zum 31. Dezember 2006 der Kreisverband Kirchheimbolanden, bis zum 31. März 2008 der ABC Kreisverband K.-Stadt e. V., dem Kläger ausdrücklich den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses angeboten haben, was dieser angenommen hat. Die Parteien haben auch nicht durch konkludente Willenserklärungen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Zwar kann der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages – da keine Formerfordernisse eingreifen – auch durch konkludente Willenserklärungen erfolgen. Solche liegen hier jedoch nicht vor.

69

Der Arbeitsvertrag ist nach seiner gesetzlichen Systematik ein Unterfall des Dienstvertrags. Er setzt daher notwendig voraus, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Arbeitnehmer ist daher, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Nicht notwendig ist für einen Arbeitsvertrag, dass die Arbeitsleistung schon von vornherein festgelegt ist. Vielmehr kann die arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dahin getroffen werden, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 315 BGB zu treffende Weisung auslöst. Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf, § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Der Arbeitnehmer ist dann allerdings konkret nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn ihm der Arbeitgeber die Lage seiner Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag ist somit stets eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Dienstleistung (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG). Ob die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen ( Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß §12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, nicht selten als Rahmenvereinbarung ausgestaltet. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu §12 TzBfG; Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Mit Hilfe beider kann ein vorhersehbar immer wieder auftretender Arbeitsbedarf erfüllt werden ( Annuß/Thüsing , TzBfG, § 12 Rn. 13). § 12 TzBfG zwingt die Arbeitsvertragsparteien nicht, statt befristeten einzelnen Eintagesarbeitsverhältnissen ein Abrufarbeitsverhältnis zu vereinbaren (BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996; ErfKomm- Preis , 10. Aufl. 2010, § 12 TzBfG Rn. 12; Henssler in MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2009, § 12 TzBfG Rn. 4 m. w. N.).

70

Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (vgl. BAG, Urt. vom 20. März 1996 – 7 AZR 524/95 – zitiert nach juris für Extrawachen auf den Stationen eines Krankenhauses). Die Vergabe der Einsätze erfolgte stets nur aufgrund der „Bewerbung“ des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall, begrenzt auf dessen Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung zu den einzelnen Einsätzen nur dahin verstehen, dass lediglich auf die einzelnen Einsätze, allenfalls die Dauer des Dienstplans befristete einzelne Eintagesarbeitsverhältnisse abgeschlossen werden sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Zu Beginn ihrer Rechtsbeziehungen haben die Parteien den Umfang der Arbeitsleistung nicht auf Dauer vertraglich festgelegt. Der Kläger war weder verpflichtet, überhaupt oder in bestimmtem Umfang „Bewerbungen“ auf einzelne Einsätze vorzunehmen noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte jedenfalls dann, wenn einzelne Schichten unbesetzt bleiben sollten, berechtigt sein sollte, die Teilzeitkräfte auch einseitig zur Arbeit einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht (so aber im vom BAG durch Urteil vom 12. Juni 1996 – 5 AZR 960/94 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent entschiedenen Fall einer Tankwartaushilfe). Rechtliche Konsequenzen hatte weder die Nichteintragung im PC der Rettungswache (unter Umständen auch für mehrere Monate) noch die Mitteilung bei den kurzfristigen Anfragen, zum angefragten Zeitpunkt nicht zur Verfügung zu stehen. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn nach mehreren „Absagen“ auf kurzfristige Anfragen solche seitens der Beklagten nicht mehr erfolgt sein sollten. Konnte oder wollte ein Rettungsassistent oder –sanitäter mehrfach nicht kurzfristig eingesetzt werden, konnte die Beklagte hieraus den Schluss ziehen, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse hat, solche nicht längere Zeit im Voraus geplante Einsätze zu leisten.

71

Auch in der Aufnahme des Klägers in eine „Liste“, einen „Pool“ von Rettungsassistenten bzw. –sanitätern für kurzfristige Anfragen ist nicht der Abschluss eines unbefristeten einheitlichen Arbeitsverhältnisses durch die Parteien zu sehen. Durch die Aufnahme in den „Pool“, die „Liste“ konnte der Kläger nicht mit dauernden Einsätzen rechnen. Die Aufnahme in eine Liste von Interessenten ist kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Dazu bedürfte es weiterer Umstände, aus denen erkennbar werden müsste, dass die Beteiligten vom Fortbestehen rechtlicher Bindungen über die Zeit des einzelnen Einsatzes hinaus ausgegangen sind (vgl. BAG, Urt. vom 11. November 1998 – 5 AZR 119/98 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Werkstudent m. w. N. für studentische Sitzwachen in einem psychiatrischen Krankenhaus).

72

Allerdings kann bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder beschäftigter Personen ("Pool") trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Arbeitsverhältnis entstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) kann ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn dem Mitarbeiter erklärt wird, er sei nicht verpflichtet, die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst in Kraft, wenn ihm die einzelnen Mitarbeiter nicht widersprächen oder ihr Erscheinen zu dem vorgesehenen Termin jeweils bestätigten. Daran ändere auch das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen, nichts Ein Dauerarbeitsverhältnis könne weiter auch dann entstehen, wenn den Einsätzen jeweils telefonische Anfragen, ob der Mitarbeiter zur Verfügung stehe, vorausgingen. Das solle jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdecke, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötige, als er unbefristet eingestellt habe. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) jedoch, dass der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen wird und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen kann, auch in Zukunft herangezogen zu werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht für den Bereich des Rundfunks entschiedenen Falls ging der Einteilung des Klägers jedoch nur im Fall kurzfristigen Bedarfs ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten voraus. In den Fällen der Berücksichtigung im Dienstplan kam hingegen die Vereinbarung eines Einsatzes jedoch nur dann zustande, wenn er selbst durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung an die Beklagte mitgeteilt hatte, an den konkreten Einsätzen interessiert zu sein. Unterblieb eine solche "Bewerbung" des Klägers, erhielt er keinen Einsatz. Der einzelne Einsatz des Klägers beruhte weiter stets auf einer zwischen den Parteien ausdrücklich getroffenen Absprache betreffend den jeweiligen Einsatz. Für die Annahme eines auf Dauer angelegten Bindungswillens fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Einsätze des Klägers erfolgten auch nach keinem erkennbaren System, ihre Abfolge und ihr Umfang schwankte von Monat zu Monat. So schwankten seine Einsatzzeiten zwischen 24 Stunden und 65 Stunden/Monat. Zwischen dem 9. März 2008 und dem 19. April 2008 war der Kläger ebenso wenig tätig wie im Zeitraum zwischen dem 25. Oktober und dem 21. November 2008.

73

Aus den dem Kläger erteilten Verdienstabrechnungen und der Anmeldung bei der B. Versorgungskammer zur Zusatzversorgung kann nicht auf die Vereinbarung eines Dauerarbeitsverhältnisses geschlossen werden. Die monatliche Abrechnung liegt auch bei häufig wiederkehrenden jeweils kurzfristig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Auch die Vereinfachung des Meldeverfahrens bei der Zusatzversorgung durch den Verzicht auf regelmäßige Ab- und erneute Anmeldungen dient der Praktikabilität der Abwicklung einzelner kurzfristiger Einsätze. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Höhe der zu leistenden Beiträge allein nach der Höhe des erzielten Verdienstes, nicht jedoch nach dem Zeitraum, für den eine Anmeldung besteht, richtet.

74

Durch die vorliegende Vertragsgestaltung wird auch verfassungsrechtlich gebotener Bestandsschutz nicht umgangen. Zwar haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Vertragsgestaltung zu einer Beseitigung oder unzulässigen Beschränkung des auf Grund von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Bestandsschutzes führt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch die vertragliche Vereinbarung zwingender gesetzlicher Kündigungsschutz oder die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle umgangen wird. Durch die vorliegende Vereinbarung jeweils nur einzelner Einsätze wurde der verfassungsrechtlich gebotene Bestandsschutz nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Dem Kläger wurde hierdurch nicht die Möglichkeit genommen, die Vereinbarung der einzelnen Einsätze der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zuzuführen (vgl. BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996). Ohne Bedeutung ist für die Kontrolle der gewählten Vertragsgestaltung, ob der Arbeitnehmer von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht (vgl. BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.).

75

Soweit die Parteien sich auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt haben, hat der Kläger die letzte – formunwirksame – Befristung nicht (auch nicht in der Drei-Wochen-Frist des § 17 S. 1 TzBfG) angegriffen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit hat er keinen Befristungsschutzantrag gestellt. Nach § 17 S. 1 TzBfG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (vgl. nur LAG Düsseldorf, Urt. v. 26. September 2002 – 5 Sa 748/02 – NZA-RR 2003, 175; Laux/Schlachter , TzBfG, § 17 Rn. 5; Schaub/Koch , Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf § 242 BGB berufen. Er hat die Befristung überhaupt nicht (gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung) angegriffen, auch nicht nachdem dieser Gesichtspunkt im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - 2 Ca 1845/08 - thematisiert worden ist. Die Befristung war daher vorliegend nicht zu überprüfen. Ihr Formmangel konnte nicht zur Begründetheit des Feststellungsantrags führen. Ebenso nicht zu prüfen war die Frage einer Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Mehrfachbefristungen beim selben Arbeitgeber ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

76

2. Da zwischen den Parteien – wie unter 1. dargelegt – in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 kein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestand, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für diese Monate unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, § 611 Abs. 1 in Verbindung mit § 615 S. 1 BGB, §§ 293 ff. BGB.

77

Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 612 a BGB ist nicht gegeben. Gemäß § 612 a BGB hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf die anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung, wenn er bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme benachteiligt wird, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen seiner Rechtsausübung, der Klage auf tarifliche Vergütung, im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses benachteiligt, sondern ihm neue „Einsätze“ nur auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit dem Gegenstand einer Arbeit auf Abruf angeboten. Hierdurch hat die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise auf die Auffassung des Klägers und weiterer Rettungsassistenten und –sanitäter reagiert, sie seien bereits in unbefristeten Arbeitsverhältnissen tätig.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.

(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.

(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.


Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009, Az. 2 Ca 833/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein ungekündigtes, unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht sowie über einen Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn bzw. auf Vergütung wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot.

2

Der am ... Juli 1981 geborene Kläger war nebenberuflich seit Mai 2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Rettungssanitäter tätig. Er war auf der Rettungswache R. eingesetzt.

3

Ein schriftlicher (Arbeits-)Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen.

4

Die Gestaltung der Dienste erfolgte nach folgendem, seit Jahrzehnten bei der Beklagten etabliertem Prinzip:

5

Der Kläger und die etwa 200 anderen nicht vollzeitbeschäftigten Rettungsassistenten bzw. -sanitäter konnten sich - nach der Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 - 30 % offenen Dienste bei den Wachenleitern "bewerben". Im Monat vorher trugen sie im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie theoretisch Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe.

6

Darüber hinaus bestand seitens der Beklagten die Möglichkeit bei zum Beispiel krankheitsbedingtem Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter äußerst kurzfristig (ein Tag oder nur wenige Stunden vorher) anzurufen und zu ihrer Bereitschaft, den Dienst abzuleisten, zu befragen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung, es war aber immer einen Geben und Nehmen zwischen den nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitätern und dem Wachenleiter. Die nicht in Vollzeit tätigen Rettungsassistenten und -sanitäter "konkurrierten" untereinander um Dienste.

7

Während der übernommenen Dienste war der Kläger in den Betrieb der jeweiligen Rettungswache eingegliedert, welches beinhaltete, dass die zur Durchführung der Einsatzfahrten sowie der einsatz- bzw. schichtbezogenen Nebenarbeiten (Fahrzeugcheck, Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft, Dokumentation der durchgeführten Einsätze) im Betrieb der Beklagten bzw. der jeweiligen Rettungswache für das hauptamtliche Personal geltenden Regelungen auch von ihm zu beachten waren.

8

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied von ver.di mit der Folge einer Tarifbindung ab Juni 2008.

9

Der ABC-Reformtarifvertrag enthält in seiner Anlage 5 folgende " Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte ":

10

"§ 1 Geltungsbereich

11

Für geringfügig beschäftigte Mitarbeiter i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB IV gelten die Arbeitsbedingungen nach diesem Tarifvertrag, soweit in dieser Sonderregelung nichts anderes bestimmt ist.

12

§ 2 Arbeitszeit

13

Die Arbeitszeit wird zwischen den Arbeitsvertragsparteien so festgelegt, dass die für geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 geltende Höchstgrenze für das monatliche Einkommen nicht überschritten wird. Die Arbeitszeit wird unter Berücksichtigung der gesetzlichen und/oder tariflichen Änderungen angepasst.

14

§ 3 Vergütung

15

I) Abweichend von § 18 erhält der geringfügig Beschäftigte eine Stundenvergütung nach Maßgabe der folgenden Entgelttabelle:

16

I. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die keine oder nur geringe Fachkenntnisse erfordern

     € 6,75,

II. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern

     € 7,50,

III. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse und eine Einarbeitung erfordern

     € 8,00,

IV. Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern

     € 8,50.

17

II) Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)."

18

Der Kläger leistete in der Zeit von Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2008 folgende Dienste:

19

Im Januar 2008 am 12., 21., 26. und 27. (insgesamt 63 Stunden),

im Februar 2008 am 8., 9., 21., 22. und 25. (insgesamt 65 Stunden),

im März 2008 am 8. und 9. (insgesamt 24 Stunden),

im April 2008 am 19., 25. und 26. (insgesamt 37 Stunden),

im Mai 2008 am 3., 10., 17. und 23. (insgesamt 52 Stunden),

im Juni 2008 am 7., 12., 13. und 20. (insgesamt 52 Stunden),

im Juli 2008 am 13., 19. und 27. (insgesamt 33 Stunden),

im August 2008 am 15., 16., 17. und 24. (insgesamt 44 Stunden),

im September 2008 am 6., 12., 20. und 28. (insgesamt 46 Stunden),

im Oktober 2008 am 11., 12. und 25. (insgesamt 37 Stunden),

im November 2008 am 21. und 23. (insgesamt 24 Stunden) sowie

im Dezember 2008 am 12., 13., 20. und 21. (insgesamt 46 Stunden).

20

Im Einzelnen wird auf die Stundennachweise des Klägers (Bl. 6 ff. in 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern) Bezug genommen.

21

Der Kläger erhielt seitens der Beklagten ausweislich der Überweisungsaufträge der Beklagten „Vergütung“. Die Beklagte entrichtete für den Kläger Beiträge zur Zusatzversorgung bei der B. Versorgungskammer - ZVK - und führte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – zumindest wenn der Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG ausgeschöpft war - pauschaliert in Höhe von 30,00 € ab.

22

Im November 2008 bot die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag an. In diesem heißt es unter anderem:

" § 1

23

Der Mitarbeiter wird ab dem ..... im Arbeitsverhältnis auf Abruf gemäß § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse (TzBfG) beim ABC als Aushilfe im Rettungsdienst (Rettungssanitäter) eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet. Es wird bestätigt, dass der Mitarbeiter bereits seit ….. geringfügig im Rettungsdienst des ABC beschäftigt ist.

§ 2

24

Vereinbart ist eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 5,00 Stunden. Das Arbeitsverhältnis ist ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB V.

25

Innerhalb der gesetzlichen Grenzen für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis kann der vereinbarte Beschäftigungsumfang einvernehmlich überschritten werden.

26

Die Heranziehung zur Arbeit erfolgt in der Weise, dass das ABC dem Mitarbeiter die Lage seiner Arbeitszeit mindestens 8 Tage im Voraus mitteilt. Soweit nicht anders im Einzelfall einvernehmlich vereinbart, erfolgt die Heranziehung zur Arbeit jeweils für mindestens 6 aufeinander folgende Stunden.

§ 3

27

Als Entgelt erhält der Mitarbeiter eine Vergütung in Höhe von € 8,00 pro Stunde.

28

Das ABC trägt die pauschale Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), soweit nicht Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 26 EStG besteht oder mit dem Mitarbeiter in Schulausbildung oder Studium eine Versteuerung der Einkünfte über Lohnsteuerkarte vereinbart ist, weil dessen/deren Gesamteinkünfte unterhalb des zustehenden Grundfreibetrags bleiben.

§ 4

29

Der Arbeits- und Einsatzbereich sind die Rettungswachen der ABC-Rettungsdienst W. GmbH.

§ 5

30

Für das Arbeitsverhältnis gilt der ABC-Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung. Die Vergütung richtet sich nach der Anlage 5 zum ABC-Tarifvertrag ("Sonderregelungen für Geringfügig Beschäftigte") in ihrer jeweils gültigen Fassung; im Falle einer Kündigung der Sonderregelung durch eine Tarifvertragspartei in der zuletzt gültigen Fassung.

(...)

§ 7

31

Der Mitarbeiter ist weiter verpflichtet, auf Verlangen des ABC an den im ABC Rheinland-Pfalz zentral angebotenen regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst teilzunehmen, um jederzeit die in den Ausbildungsrichtlinien des ABC sowie im Rettungsdienstgesetz und im Landesrettungsdienstplan von Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung enthaltenen Anforderungen erfüllen zu können.

32

(…)".

33

Die Beklagte meldete den Kläger zum 31. Dezember 2008 bei der B. Versorgungskammer bezüglich der betrieblichen Altersversorgung ab. Eine Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger erfolgte nicht.

34

Der Kläger leistete am 21. Dezember 2008 seinen bis dato letzten Einsatz. Er bot gegenüber der Beklagten mehrfach seine Arbeitskraft an, wurde jedoch ab Januar 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt.

35

Mit einer am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern (2 Ca 1845/08) eingegangener Klage verfolgte der Kläger Ansprüche unter anderem auf Zahlung einer höheren Vergütung. Während die Beklagte den Kläger zuletzt mit 5,11 €/geleisteter Stunde vergütete, begehrte der Kläger die Zahlung von 8,00 €/Stunde. Dieser Rechtsstreit ist bislang nicht abgeschlossen.

36

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger neben der Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, mit seiner am 20. Mai 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 25. Mai 2009 zugestellten Klage weiter die Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis April 2009 sowie mit der am 2. Juli 2009 eingegangenen, der Beklagten am 2. Juli 2009 zugestellten Klageänderung die Zahlung von Vergütung für die Monate Mai und Juni 2009.

37

Der Kläger war der Ansicht,

38

ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehe unverändert. Die geleisteten Dienste seien nicht als einzelne befristete Tagesarbeitverhältnisse anzusehen. Es mangele ihnen an der erforderlichen Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG stehe einer wiederholten Befristung entgegen. Die Berufung der Beklagten auf § 17 TzBfG sei treuwidrig. Diese Vorschrift sei vorliegend nicht anwendbar, da es um die Frage gehe, ob überhaupt eine Befristung vereinbart sei.

39

Die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug. Seine Forderung beruhe auf durchschnittlich 43,58 Stunden/Monat, errechnet aus den Stunden im Jahr 2008 und einem Stundenlohn in Höhe von 8,00 €. Seine Weigerung, zu neuen Konditionen zu arbeiten, stelle keine Ablehnung einer Arbeitsleistung dar. Die dort unterbreiteten neuen Vertragsinhalte seien gerade noch nicht Bestandteil des bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Hierzu hätte sich die Beklagte der Änderungskündigung bedienen müssen. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus § 612 a BGB, da der Geschäftsführer der Beklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern im Rechtsstreit 2 Ca 1845/08 am 19. März 2009 ausdrücklich erklärt habe, der Arbeitnehmer, der geklagt hätte und von dem er menschlich enttäuscht sei, würde nicht mehr eingesetzt.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

42

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

43

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

44

Die Beklagte hat beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte war der Ansicht,

47

zwischen den Parteien bestehe jedenfalls kein ständiges, unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zu keinem Zeitpunkt sei ein fester, regelmäßiger Beschäftigungsumfang vereinbart worden. Die Parteien hätten sich über die einzelnen zu leistenden Dienste geeinigt. Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger oder seinen in gleicher Rechtsbeziehung zur Beklagten stehenden Kollegen über einen oder mehrere zu leistende Dienste sei nach vereinbarungsgemäßer Übernahme dieser Dienste und Zahlung der zustehenden Vergütung hierfür durch die Beklagte vollständig erfüllt. Es habe keine Vereinbarung bestanden, die ihr gestattet hätte, vom Kläger die Übernahme bestimmter Dienste zu fordern. Auch gebe es keine Vereinbarung, die dem Kläger Angebote für zu übernehmende Dienste in einem definierten Umfang zusichere. Die den einzelnen Tagesarbeitsverhältnissen innewohnenden Befristungen seien zwar möglicherweise unwirksam, was in der gesetzlich vorgesehenen Weise geltend gemacht werden könne. Dass diese Gestaltung als solches einen Gesetzesverstoß darstelle, sei dagegen unzutreffend. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger hätten diese gewählte rechtliche Gestaltung deshalb als unbedenklich angesehen, weil sie zum einen davon ausgegangen seien, es handele sich nicht um Arbeitsverhältnisse, zum anderen, weil sie davon ausgegangen seien, dass der Kläger und seine Kollegen an einer unbefristet wirkenden rechtlichen Bindung gar nicht interessiert gewesen seien. Die den Einzelvereinbarungen innewohnenden Befristungen seien jedenfalls nicht unbestimmt gewesen. Sie seien jeweils mit der Ableistung des letzten konkret vereinbarten Dienstes eingetreten. Weil die An- und Abmeldung von Mitarbeitern zur zusätzlichen Altersversorgung dort einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand darstelle, habe sie – soweit sie den Kläger und seine Kollegen zur Zusatzversorgung angemeldet gehabt habe – von ständigen Ab- und Neuanmeldungen abgesehen, angemeldete Mitarbeiter vielmehr angemeldet gelassen, so lange eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen habe, dass diese demnächst weitere konkrete Dienstverpflichtungen übernehmen würden. Die Klage sei auf jeden Fall gemäß § 17 TzBfG verfristet.

48

Annahmeverzug sei nicht gegeben, da der Kläger den von ihr angebotenen unbefristeten Arbeitsvertrag abgelehnt habe. In 2009 seien dem Kläger keine Dienste mehr angeboten worden, da dieser zu erkennen gegeben habe, dass er zur Übernahme von Diensten nur gegen die Gewährung der tariflichen Vergütung für geringfügig Beschäftigte gemäß ABC-TV bereit sei, umgekehrt jedoch nicht bereit gewesen sei, die üblicherweise mit einem unbefristeten, geringfügigen Beschäftigungsverhältnis einhergehenden Arbeitnehmerpflichten, für die Anforderung der Arbeitsleistung in zumutbarem Umfang zur Verfügung zu stehen, zu übernehmen.

49

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe kein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis. Die Parteien hätten sich in der Vergangenheit immer nur auf Einsätze an bestimmten Tagen geeinigt. Hierbei handele es sich um befristete Arbeitsverhältnisse, und zwar in dem zeitlichen Umfang, wie er absprachegemäß im Dienstplan erfolgt sei. Dabei sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, die ihm angebotenen Dienste für bestimmte Tage zu übernehmen. Er habe sie auch ablehnen dürfen. Auch die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger konkrete Angebote zu machen. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich. Deshalb liege auch kein Fall von Abrufarbeit nach § 12 TzBfG, sondern allenfalls eine Rahmenvereinbarung vor, die aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründe. Die letzte Befristung sei auch wirksam, weil der Kläger nicht innerhalb von drei Wochen gemäß § 17 TzBfG Entfristungsklage erhoben habe. Da ab Januar 2009 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe, könne der Kläger auch keine Vergütung verlangen.

50

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 (Bl. 27 f. d. A.) Bezug genommen.

51

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 1. Oktober 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 28. Oktober 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht innerhalb der durch Beschluss vom 2. Dezember 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen, begründet. Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 45 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

52

Zwischen den Parteien seien keine befristeten Arbeitsverhältnisse abgeschlossen worden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer Befristung trage die Partei, die hieraus für sich eine günstige Rechtsfolge herleite. Das sei vorliegend die Beklagte. Diese habe vor Beginn der einschlägigen Rechtsstreite nie darauf hingewiesen, es handele sich um den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Damit habe bereits der zur Abgabe eines einschlägigen Vertragsangebots erforderliche Erklärungswille gefehlt. Klägerseitig habe man die gesamte Vertragsgestaltung nur so verstehen können, dass es sich insgesamt um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Hierfür spreche insbesondere auch die Handhabung der zusätzlichen Altersversorgung. Zudem gehe die Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass dem TzBfG die Wertung zugrunde liege, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sei.

53

Ein Arbeitnehmer, der nicht darauf hingewiesen werde, in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu stehen, könne auch nicht verpflichtet sein, innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des Vertrages eine Entfristungsklage zu erheben. Soweit sich die Beklagte auf die Einhaltung dieser Frist berufe, erscheine dies treuwidrig, denn sie selbst sei ursprünglich nicht davon ausgegangen, in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu stehen. Die Beklagte habe die Weiterbeschäftigung bereits zu einem Zeitpunkt unterlassen, als alle Beteiligten noch entweder von unbefristeten ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnissen oder von unbefristeten Arbeitsverhältnissen ausgegangen seien. Als das Arbeitsgericht Kaiserslautern geraume Zeit später auf die Idee gekommen sei, es könnten befristete Tagesarbeitsverhältnisse vorliegen, seien etwaige Klagefristen nach § 17 TzBfG schon lange abgelaufen gewesen.

54

Der von der Beklagten im Jahr 2008 angebotene unbefristete Arbeitsvertrag habe deutliche Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Rechtsposition des Klägers enthalten. So hätte etwa der Einsatzbereich auf eine wesentlich größere Fläche ausgedehnt werden sollen als dies zuvor der Fall gewesen sei. Wegen dieser Verschlechterungen habe das Vertragsangebot der Beklagten insoweit nicht angenommen werden können. Durch das Unterlassen der weiteren Beschäftigung befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug.

55

Der Kläger beantragt,

56

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17. September 2009 – 2 Ca 833/09 abzuändern und

57

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,

58

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.394,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

59

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 697,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

60

Die Beklagte beantragt,

61

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

62

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. Januar 2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 57 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Zwischen den Parteien sei kein regelmäßiger, fester Beschäftigungsumfang vereinbart worden, auch nicht in Form eines durchschnittlichen Beschäftigungsumfangs. Die Parteien hätten sich vielmehr stets über zu leistende Dienste einzeln oder für mehrere Dienste auf einmal einvernehmlich verständigt. Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien könne nicht als fortdauerndes Arbeitsverhältnis, Teilzeitarbeitsverhältnis oder Abrufarbeitsverhältnis angesehen werden. Unerheblich sei, dass sie die Dienste des Klägers nicht als im Rahmen von Tagesarbeitsverhältnissen geleistet, sondern als ehrenamtlich übernommene Dienstverpflichtung angesehen habe. Da ehrenamtliche Tätigkeit immer freiwillige Tätigkeit bedeute, wären auch hier konkrete Vereinbarungen über einzelne vom Kläger zu übernehmende Dienste stets befristete Vereinbarungen gewesen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit kenne weder ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht noch Annahmeverzug.

63

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

64

Das Landesarbeitsgericht hat die Akte 2 Ca 1845/08 Arbeitsgericht Kaiserslautern beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.

65

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

66

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers jedoch keinen Erfolg.

67

Zwischen den Parteien besteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Monate Januar bis Juni 2009 weder unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs noch unter demjenigen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB. Im Einzelnen:

68

1. Zwischen den Parteien besteht kein – unbefristetes – Arbeitsverhältnis. Die Parteien haben zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor. Auch haben beide Parteien nicht vorgetragen, dass die Beklagte bzw. die Rechtsvorgänger der Beklagten, nämlich bis zum 31. Dezember 2006 der Kreisverband Kirchheimbolanden, bis zum 31. März 2008 der ABC Kreisverband K.-Stadt e. V., dem Kläger ausdrücklich den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses angeboten haben, was dieser angenommen hat. Die Parteien haben auch nicht durch konkludente Willenserklärungen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Zwar kann der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages – da keine Formerfordernisse eingreifen – auch durch konkludente Willenserklärungen erfolgen. Solche liegen hier jedoch nicht vor.

69

Der Arbeitsvertrag ist nach seiner gesetzlichen Systematik ein Unterfall des Dienstvertrags. Er setzt daher notwendig voraus, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Arbeitnehmer ist daher, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Nicht notwendig ist für einen Arbeitsvertrag, dass die Arbeitsleistung schon von vornherein festgelegt ist. Vielmehr kann die arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dahin getroffen werden, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 315 BGB zu treffende Weisung auslöst. Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf, § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Der Arbeitnehmer ist dann allerdings konkret nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn ihm der Arbeitgeber die Lage seiner Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag ist somit stets eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Dienstleistung (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG). Ob die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen ( Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß §12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, nicht selten als Rahmenvereinbarung ausgestaltet. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu §12 TzBfG; Laux/Schlachter , TzBfG, § 3 Rn. 8). Mit Hilfe beider kann ein vorhersehbar immer wieder auftretender Arbeitsbedarf erfüllt werden ( Annuß/Thüsing , TzBfG, § 12 Rn. 13). § 12 TzBfG zwingt die Arbeitsvertragsparteien nicht, statt befristeten einzelnen Eintagesarbeitsverhältnissen ein Abrufarbeitsverhältnis zu vereinbaren (BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996; ErfKomm- Preis , 10. Aufl. 2010, § 12 TzBfG Rn. 12; Henssler in MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2009, § 12 TzBfG Rn. 4 m. w. N.).

70

Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich nicht schließen, dass der Beklagten über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 BGB die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (vgl. BAG, Urt. vom 20. März 1996 – 7 AZR 524/95 – zitiert nach juris für Extrawachen auf den Stationen eines Krankenhauses). Die Vergabe der Einsätze erfolgte stets nur aufgrund der „Bewerbung“ des Klägers auf diese bzw. im Fall des kurzfristigen Ausfalls eines Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer telefonischen Anfrage seitens der Beklagten in Absprache des einzelnen Einsatzes mit dem Kläger. Eine Einigung erfolgte stets für den konkreten Bedarfsfall, begrenzt auf dessen Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung zu den einzelnen Einsätzen nur dahin verstehen, dass lediglich auf die einzelnen Einsätze, allenfalls die Dauer des Dienstplans befristete einzelne Eintagesarbeitsverhältnisse abgeschlossen werden sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Zu Beginn ihrer Rechtsbeziehungen haben die Parteien den Umfang der Arbeitsleistung nicht auf Dauer vertraglich festgelegt. Der Kläger war weder verpflichtet, überhaupt oder in bestimmtem Umfang „Bewerbungen“ auf einzelne Einsätze vorzunehmen noch auf kurzfristige Anrufe zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte jedenfalls dann, wenn einzelne Schichten unbesetzt bleiben sollten, berechtigt sein sollte, die Teilzeitkräfte auch einseitig zur Arbeit einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht (so aber im vom BAG durch Urteil vom 12. Juni 1996 – 5 AZR 960/94 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent entschiedenen Fall einer Tankwartaushilfe). Rechtliche Konsequenzen hatte weder die Nichteintragung im PC der Rettungswache (unter Umständen auch für mehrere Monate) noch die Mitteilung bei den kurzfristigen Anfragen, zum angefragten Zeitpunkt nicht zur Verfügung zu stehen. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn nach mehreren „Absagen“ auf kurzfristige Anfragen solche seitens der Beklagten nicht mehr erfolgt sein sollten. Konnte oder wollte ein Rettungsassistent oder –sanitäter mehrfach nicht kurzfristig eingesetzt werden, konnte die Beklagte hieraus den Schluss ziehen, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse hat, solche nicht längere Zeit im Voraus geplante Einsätze zu leisten.

71

Auch in der Aufnahme des Klägers in eine „Liste“, einen „Pool“ von Rettungsassistenten bzw. –sanitätern für kurzfristige Anfragen ist nicht der Abschluss eines unbefristeten einheitlichen Arbeitsverhältnisses durch die Parteien zu sehen. Durch die Aufnahme in den „Pool“, die „Liste“ konnte der Kläger nicht mit dauernden Einsätzen rechnen. Die Aufnahme in eine Liste von Interessenten ist kein hinreichender Anhaltspunkt für das Bestehen eines Dauerarbeitsverhältnisses. Dazu bedürfte es weiterer Umstände, aus denen erkennbar werden müsste, dass die Beteiligten vom Fortbestehen rechtlicher Bindungen über die Zeit des einzelnen Einsatzes hinaus ausgegangen sind (vgl. BAG, Urt. vom 11. November 1998 – 5 AZR 119/98 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Werkstudent m. w. N. für studentische Sitzwachen in einem psychiatrischen Krankenhaus).

72

Allerdings kann bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder beschäftigter Personen ("Pool") trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Arbeitsverhältnis entstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) kann ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn dem Mitarbeiter erklärt wird, er sei nicht verpflichtet, die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst in Kraft, wenn ihm die einzelnen Mitarbeiter nicht widersprächen oder ihr Erscheinen zu dem vorgesehenen Termin jeweils bestätigten. Daran ändere auch das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen, nichts Ein Dauerarbeitsverhältnis könne weiter auch dann entstehen, wenn den Einsätzen jeweils telefonische Anfragen, ob der Mitarbeiter zur Verfügung stehe, vorausgingen. Das solle jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdecke, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötige, als er unbefristet eingestellt habe. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 – AP Nr. 25 zu § 611 BGB Rundfunk) jedoch, dass der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen wird und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen kann, auch in Zukunft herangezogen zu werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht für den Bereich des Rundfunks entschiedenen Falls ging der Einteilung des Klägers jedoch nur im Fall kurzfristigen Bedarfs ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten voraus. In den Fällen der Berücksichtigung im Dienstplan kam hingegen die Vereinbarung eines Einsatzes jedoch nur dann zustande, wenn er selbst durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung an die Beklagte mitgeteilt hatte, an den konkreten Einsätzen interessiert zu sein. Unterblieb eine solche "Bewerbung" des Klägers, erhielt er keinen Einsatz. Der einzelne Einsatz des Klägers beruhte weiter stets auf einer zwischen den Parteien ausdrücklich getroffenen Absprache betreffend den jeweiligen Einsatz. Für die Annahme eines auf Dauer angelegten Bindungswillens fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Einsätze des Klägers erfolgten auch nach keinem erkennbaren System, ihre Abfolge und ihr Umfang schwankte von Monat zu Monat. So schwankten seine Einsatzzeiten zwischen 24 Stunden und 65 Stunden/Monat. Zwischen dem 9. März 2008 und dem 19. April 2008 war der Kläger ebenso wenig tätig wie im Zeitraum zwischen dem 25. Oktober und dem 21. November 2008.

73

Aus den dem Kläger erteilten Verdienstabrechnungen und der Anmeldung bei der B. Versorgungskammer zur Zusatzversorgung kann nicht auf die Vereinbarung eines Dauerarbeitsverhältnisses geschlossen werden. Die monatliche Abrechnung liegt auch bei häufig wiederkehrenden jeweils kurzfristig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe (BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.). Auch die Vereinfachung des Meldeverfahrens bei der Zusatzversorgung durch den Verzicht auf regelmäßige Ab- und erneute Anmeldungen dient der Praktikabilität der Abwicklung einzelner kurzfristiger Einsätze. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Höhe der zu leistenden Beiträge allein nach der Höhe des erzielten Verdienstes, nicht jedoch nach dem Zeitraum, für den eine Anmeldung besteht, richtet.

74

Durch die vorliegende Vertragsgestaltung wird auch verfassungsrechtlich gebotener Bestandsschutz nicht umgangen. Zwar haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Vertragsgestaltung zu einer Beseitigung oder unzulässigen Beschränkung des auf Grund von Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Bestandsschutzes führt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch die vertragliche Vereinbarung zwingender gesetzlicher Kündigungsschutz oder die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle umgangen wird. Durch die vorliegende Vereinbarung jeweils nur einzelner Einsätze wurde der verfassungsrechtlich gebotene Bestandsschutz nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Dem Kläger wurde hierdurch nicht die Möglichkeit genommen, die Vereinbarung der einzelnen Einsätze der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zuzuführen (vgl. BAG, Urt. vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 – AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1996). Ohne Bedeutung ist für die Kontrolle der gewählten Vertragsgestaltung, ob der Arbeitnehmer von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht (vgl. BAG, Urt. vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 – AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m. w. N.).

75

Soweit die Parteien sich auf die Ableistung kurzfristiger Dienste geeinigt haben, hat der Kläger die letzte – formunwirksame – Befristung nicht (auch nicht in der Drei-Wochen-Frist des § 17 S. 1 TzBfG) angegriffen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit hat er keinen Befristungsschutzantrag gestellt. Nach § 17 S. 1 TzBfG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (vgl. nur LAG Düsseldorf, Urt. v. 26. September 2002 – 5 Sa 748/02 – NZA-RR 2003, 175; Laux/Schlachter , TzBfG, § 17 Rn. 5; Schaub/Koch , Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf § 242 BGB berufen. Er hat die Befristung überhaupt nicht (gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung) angegriffen, auch nicht nachdem dieser Gesichtspunkt im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - 2 Ca 1845/08 - thematisiert worden ist. Die Befristung war daher vorliegend nicht zu überprüfen. Ihr Formmangel konnte nicht zur Begründetheit des Feststellungsantrags führen. Ebenso nicht zu prüfen war die Frage einer Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Mehrfachbefristungen beim selben Arbeitgeber ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

76

2. Da zwischen den Parteien – wie unter 1. dargelegt – in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 kein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestand, hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung für diese Monate unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, § 611 Abs. 1 in Verbindung mit § 615 S. 1 BGB, §§ 293 ff. BGB.

77

Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 612 a BGB ist nicht gegeben. Gemäß § 612 a BGB hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf die anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung, wenn er bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme benachteiligt wird, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen seiner Rechtsausübung, der Klage auf tarifliche Vergütung, im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses benachteiligt, sondern ihm neue „Einsätze“ nur auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit dem Gegenstand einer Arbeit auf Abruf angeboten. Hierdurch hat die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise auf die Auffassung des Klägers und weiterer Rettungsassistenten und –sanitäter reagiert, sie seien bereits in unbefristeten Arbeitsverhältnissen tätig.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.

(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.

(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muß ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.

(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte verurteilt, weitere 534,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 30 Prozent und im Übrigen der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die ARGE Stralsund, die im Gebiet der Hansestadt Stralsund für die Vergabe von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zuständig ist, klagt aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Arbeitsvergütung. Denn sie hat für fünf Personen über viele Monate hinweg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (umgangssprachlich "Hartz IV" genannt) erbracht, die während des Anspruchszeitraums beim beklagten Arbeitgeber in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis standen, dort jedoch - so die Klägerin - sittenwidrig niedrig entlohnt worden sind.

2

Der Beklagte hat im Streitzeitraum in Stralsund ein kleines Restaurant mit einem Pizzalieferservice betrieben. Bei ihm waren unter anderem die Arbeitnehmer Ol. und Fi. als Pizzaauslieferungsfahrer, die Arbeitnehmerin Ku. als Kellnerin sowie die Arbeitnehmerinnen Ka. und Wi. als Küchenhilfe beschäftigt. Die genannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben während ihrer Tätigkeit für den Beklagten gleichzeitig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II von der Klägerin erhalten. Im Einzelnen stellen sich die Dinge wie folgt dar.

3

Der Beklagte beschäftigte den Arbeitnehmer Ol. ab Mai 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich Januar 2009 konstant 80,00 EUR monatlich und ab Februar 2009 konstant 120,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über den Arbeitnehmer angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel, max. 14,9 Stunden wöchentlich". Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 42 und 54 Stunden - insgesamt 495 Stunden - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 31 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Ol. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

4

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Ol. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 458,19 EUR, von August 2008 bis einschließlich Februar 2009 in Höhe von monatlich 607,59 EUR und im März, April und jedenfalls auch noch im Mai 2009 in Höhe von monatlich 591,28 EUR (Anlagen K 4 und K 7 - Blatt 27 und 31 d. A., ergänzt durch die Angaben im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diesen setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 2.451,64 EUR (Blatt 31).

5

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ka. ab September 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel wöchentlich 14 Stunden" (Anlage K 8.2, hier Blatt 33). Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 36 und 56 Stunden - insgesamt 895 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ka. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

6

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ka. von Oktober 2007 bis jedenfalls einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von 825,13 EUR oder mehr (nur im Juli 2008 waren es mit 793,88 EUR weniger). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe mit 887,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 914,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 932,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.159,29 EUR (Blatt 58).

7

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Wi. vom 22. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Die Arbeitnehmerin hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass sie einer Nebenbeschäftigung im Umfang von 14,9 Stunden wöchentlich gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug für den anteiligen Mai 30,00 EUR und für Juni 80,00 EUR. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat im anteiligen Mai 2008 16 Stunden und im Juni 2008 38 Stunden, insgesamt also 54 Stunden gearbeitet (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 69 der Akte). Für weitere Monate macht die Klägerin bei dieser Arbeitnehmerin keine Ansprüche geltend.

8

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Wi. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 653,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479) und im Monat Juli 2008 in Höhe von 657,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe für 2008 mit 914,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1). Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 174,75 EUR (Blatt 69).

9

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ku. ab Oktober 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Kellnerin. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: max. 14 Stunden wöchentlich flexibel einsetzbar nach Vereinbarung" (Anlage K 19, hier Blatt 66). Das Arbeitsentgelt betrug von Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2008 konstant 80,00 EUR monatlich. Von August 2008 bis einschließlich November 2008 betrug das Monatseinkommen konstant 120,00 EUR. Seit Dezember 2008 beträgt es wieder konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 30 und 70 Stunden - insgesamt 859 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ku. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

10

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ku. von Oktober 2007 jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von anfangs 512,05 EUR, später ansteigend auf bis zu 978,05 EUR und zuletzt noch in Höhe von 681,05 EUR monatlich; wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Blatt 93 und Blatt 125, verwiesen sowie - wegen der Darstellung des Versatzes zwischen dem Arbeitsmonat und dem Bedarfsmonat - auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Oktober 2010 (hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Kellnerin mit 971,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 2) bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 1.000,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 1.020,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.083,04 EUR (Blatt 93) zuzüglich 185,38 EUR (Klageerweiterung vom 27. Juli 2009, Blatt 123), rechnerisch erläutert Blatt 125.

11

Der Beklagte beschäftigte schließlich den Arbeitnehmer Fi. ab September 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass er einer Nebenbeschäftigung im Umfang von durchschnittlich 14 Stunden wöchentlich mit flexibler Arbeitszeit gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 18 und 54 Stunden - insgesamt 362 - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 107 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Fi. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

12

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Fi. im Betrachtungszeitraum jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 Sozialleistungen in Höhe von 576,22 EUR monatlich. Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 1.939,33 EUR (Blatt 107), den sie im Berufungsrechtszug um 47,10 EUR (resultierend aus dem Arbeitsmonat Mai 2009 bzw. dem Bedarfsmonat Juni 2009) reduziert hat (Blatt 500).

13

Die Klägerin hat den Beklagten außergerichtlich mit Schreiben vom 18. Mai 2009 zur Zahlung von 5.320,88 EUR aufgefordert (Blatt 108). Dieser Betrag bezieht sich auf die übergegangenen Ansprüche des Arbeitnehmers Ol. und der Arbeitnehmerinnen Wi. und Ka. Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 erhöhte die Klägerin die Forderung gegen den Beklagten auf nunmehr insgesamt 10.495,62 EUR unter Einbeziehung der übergegangenen Ansprüche der weiteren Arbeitnehmerin Ku. und des weiteren Arbeitnehmers Fi. Der Beklagte hat Zahlung abgelehnt. Die Klägerin verfolgt daher mit Klageschrift vom 25. Juni 2009, beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangen am 29. Juni 2009, ihr Begehren in Höhe von nunmehr 10.844,05 EUR klagweise weiter. Sie hat die Forderung im Laufe des Rechtsstreits um 185,38 EUR brutto erhöht. Die Erhöhung ergibt sich aus der Ergänzung um den Arbeitsmonat März 2008 bezogen auf die Arbeitnehmerin Ku., der in der ursprünglichen Klagforderung nicht enthalten war.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. Januar 2010 in Höhe von 6.617,42 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (ArbG Stralsund 26.01.2010 - 4 Ca 166/09 - info also 2010, 128 mit Anmerkung Spindler). Es hat den Streitwert auf 11.029,43 EUR festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat die vertraglich vereinbarte und die tatsächlich gezahlte Vergütung als sittenwidrig niedrig eingestuft und die stattdessen zu zahlende übliche Vergütung aus den Entgelttarifverträgen abgeschlossen zwischen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) entnommen. Zu Lasten der Klägerin hat es die Pizzafahrer aber lediglich als zur Tarifgruppe 1 gehörend bewertet und hat im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die den Arbeitnehmern voll oder anteilig zu belassenden Entgeltbestandteile (nach § 11 Absatz 2 und § 30 SGB II) von der rechnerischen Höhe des Anspruchsübergangs in Abzug gebracht. - Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

15

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr Begehren in vollem Umfang weiter und verlangt daher auch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Sie hat ihre Klage lediglich im Umfang von 41,70 EUR bezogen auf den Arbeitnehmer Fi. und dessen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Beklagten bezogen auf den Arbeitsmonat Mai 2009 zurückgenommen (Blatt 500 der Akte).

16

Die Klägerin ist der Ansicht, die von dem Beklagten an die betroffenen Arbeitnehmer im Streitzeitraum gezahlten Arbeitsentgelte seien sittenwidrig niedrig. Für die Bemessung der üblichen Vergütung im Wirtschaftsgebiet seien die räumlich und fachlich einschlägigen Entgelttarifverträge für das Hotel- und Gaststättengewerbe Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen zwischen dem DEHOGA Landesverband MV (Schwerin), und der Gewerkschaft NGG (zukünftig als ETV MV bezeichnet) heranzuziehen.

17

Für eine Tätigkeit als Pizzafahrer müsse man von einer Eingruppierung in die Tarifgruppe 4 ausgehen. Das ergebe sich aus § 4 ETV MV ("Fachbereiche - Positionsraster"), wo im Abschnitt "V. Sonstige Dienstleistungen" für Kraftfahrer die Eingruppierung mit "4-5" vorgesehen sei. Danach sei für das Jahr 2008 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.200,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.224,00 EUR brutto zu zahlen. Daraus resultiere ein Stundenlohn in Höhe von 6,92 EUR für das Jahr 2008 sowie in Höhe von 7,06 EUR für das Jahr 2009.

18

Für eine Tätigkeit als Küchenhilfe sei mindestens die Tarifgruppe 1 des Entgelttarifvertrages heranzuziehen. Diese sehe für das Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 887,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 in Höhe von 914,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 in Höhe von 932,00 EUR vor. Hieraus ergäbe sich ein Stundenlohn in Höhe von 5,11 EUR für das Jahr 2007, von 5,27 EUR für das Jahr 2008 und von 5,37 EUR für das Jahr 2009.

19

Die Tätigkeit einer Kellnerin sei wenigstens der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Danach sei an diesen Personenkreis im Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 971,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 eine Monatsbruttovergütung in Höhe von 1.000,00 EUR sowie für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.020,00 EUR brutto zu zahlen. Der entsprechende Stundenlohn liege dann im Jahr 2007 bei 5,60 EUR brutto, im Jahr 2008 bei 5,76 EUR brutto und im Jahr 2009 bei 5,88 EUR brutto.

20

Zwar könne die Klägerin nicht nachweisen, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber im Wirtschaftsgebiet tarifgebunden seien oder aber die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer des Wirtschaftsgebietes beschäftigten. Dessen ungeachtet könnte jedoch der Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern zur Bestimmung der üblichen Vergütung für die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer herangezogen werden, denn er gäbe die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wieder, was sich aus der Verwertung allgemein zugänglicher Statistiken ergebe (Verdienststrukturerhebung 2006, Angaben auf www.lohnspiegel.de und auf www. gehaltscheck.de).

21

Auch nach den eigenen Erkenntnissen der Klägerin bzw. der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Vermittlung von Arbeitsuchenden auf freie Arbeitsplätze erzielten in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung Küchenhilfen im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 5,96 EUR, Kellner im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 6,20 EUR und Pizzafahrer einen Stundenlohn in der Spanne zwischen 4,96 EUR und 8,36 EUR. Aus den genannten Quellen sei ersichtlich, dass sich die regional gezahlten Arbeitsentgelte für Küchenhilfen, Pizzafahrer und Kellner, unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitgeber, an den tariflichen Löhnen orientierten, häufig lägen sie über den zugrunde gelegten Tariflöhnen. Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergütung sei deshalb mindestens auf die herangezogenen Tarifentgelte zurückzugreifen.

22

Die Zahlung sittenwidrig niedriger Arbeitsvergütung durch den Beklagten sei diesem auch subjektiv vorwerfbar, denn es liege bei den gezahlten Stundensätzen, die allesamt unterhalb der Hälfte der im Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern ausgewiesenen Tariflöhne liegen, ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Dies spräche ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Beklagten. Jedenfalls müsse man nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen, dass sich der Beklagte leichtfertig der Erkenntnis verschlossen habe, dass ein derartiges auffälliges Missverhältnis zwischen der üblichen Vergütung und den von ihm gezahlten Stundensätzen vorliege. Es könne in diesem Zusammenhang auch davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Tariflöhne den Arbeitgebern bekannt seien, da sie für die Arbeitgeber einerseits von hohem Interesse, andererseits aber ohne besondere Schwierigkeit zu beschaffen seien. Deshalb sei der Marktwert der Arbeitsleistung zumindest erkennbar, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - der als Vergleichsmaßstab herangezogene räumlich und fachlich einschlägige Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern auch die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wiedergebe.

23

Bei der Höhe der nach § 115 SGB X übergegangenen noch nicht erfüllten Anteile der Arbeitsentgeltansprüche der benannten Arbeitnehmer auf die Klägerin seien die Freibetragsregelungen in den §§ 11 und 30 SGB II jedenfalls nicht zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen. Die genannten Freibetragsregelungen stellten keine Schutzvorschriften zugunsten von Arbeitgebern dar, die durch die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen erst ihre Arbeitnehmer in die Zwangslage versetzten, bei der Klägerin einen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu stellen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie seien nur zu Gunsten der erwerbstätigen Arbeitnehmer im Rahmen der Berechnung ihrer Hilfsbedürftigkeit anzuwenden. Für den Fall des Klageerfolges sei vorgesehen, den Anteil der Klagforderung, der nach §§ 11 Absatz 2, 30 SGB II den Arbeitnehmern gebühre, an diese auszukehren.

24

Die Klägerin beantragt unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme

25

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.364,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 2.006,36 EUR seit dem 3. Juni 2009 und in Höhe von 2.305,51 EUR seit dem 8. Juli 2009 sowie auf weitere 53,04 EUR seit dem 1. August 2009 zu zahlen;

26

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

27

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

28

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es den Beklagten belastet, abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen;

29

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

30

Der Beklagte meint, die genannten Arbeitnehmer hätten gegen ihn keine offenen Vergütungsansprüche mehr, die nach § 115 Absatz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen sein könnten.

31

Die von ihm mit den Arbeitnehmern vereinbarten Vergütungen seien nicht sittenwidrig niedrig. Die Arbeitnehmer hätten die Arbeitsverträge mit ihm freiwillig und unter Kenntnis der Arbeitsbedingungen, insbesondere zu Arbeitszeit und Lohn, abgeschlossen. Sie hätten sich auch nicht in einer Zwangslage befunden, seien weder unerfahren gewesen noch litten sie unter mangelndem Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche. Der Beklagte habe daher keine Ausbeutungslage der Beschäftigen zu seinem Vorteil ausgenutzt. Den Beschäftigten sei es vielmehr möglich gewesen, sich eine andere Beschäftigung zu anderen Konditionen zu suchen. Dem Beklagten sei es jedenfalls nicht bewusst gewesen, dass die vereinbarten Vergütungen sittenwidrig niedrig seien, weshalb es ausgeschlossen sei, ihm eine verwerfliche Einstellung vorzuwerfen.

32

Die zwischen dem Beklagten und seinen Arbeitnehmern getroffene Vergütungsregelung sei jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, für einen Rückgriff auf die übliche Vergütung sei daher kein Raum.

33

Die insoweit beweisbelastete Klägerin habe es nicht vermocht schlüssig darzulegen, dass der von ihr herangezogene Tarifvertrag die übliche Vergütung widerspiegele. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie nicht nachweisen könne, dass 50 Prozent der Arbeitgeber tarifunterworfen seien oder jedenfalls so viele Arbeitgeber tarifunterworfen seien, dass 50 Prozent der Arbeitnehmer nach Tarif bezahlt würden. Diese 50-Prozent-Marke sei vom Bundesarbeitsgericht als eine abschließende Definition eingeführt worden. Der von der Klägerin versuchte indirekte Beweis der Üblichkeit des Tariflohns über diverse statistische Daten sei daher nicht geeignet, den notwendigen Nachweis zu führen. Im Übrigen seien die Daten nicht verwertbar, da sie anonym erhoben bzw. mitgeteilt seien und daher vom Beklagten nicht überprüft werden könnten; mit Recht könne der Beklagte diese Daten daher mit Nichtwissen bestreiten. - Aus denselben Gründen würde das vorgelegte Zahlenmaterial auch nicht ausreichen, um zuverlässige Hinweise auf das allgemeine Lohnniveau in der Wirtschaftsregion zu geben.

34

Ergänzend steht der Beklagte auf dem Standpunkt, dass die Pizzafahrer nicht in die Tarifgruppe 4 einzugruppieren seien. Nach der Tarifgruppe 4 des in Bezug genommenen Tarifvertrages seien dort Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr einzureihen. Diese Anforderungen habe ein Pizzafahrer in seinem Betrieb nicht erfüllen müssen.

35

Schließlich bestreitet der Beklagte den von der Klägerin behaupteten Anspruchsübergang in der beschriebenen Höhe. Er vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass bei einem höheren Vergütungsanspruch nach den Regelungen der §§ 11 und 30 SGB II für die betreffenden Arbeitnehmer auch höhere Freibeträge anzurechnen gewesen seien.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

37

Beide Berufungen sind der Beschwer nach statthaft und unterliegen auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Berufung der Klägerin hat in geringem Umfang Erfolg, denn ihre Klage ist zwar zulässig, sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

A.

38

Die Klage ist zulässig, die Klägerin ist zur Durchsetzung von übergegangenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen der von ihr betreuten Kunden vor den Gerichten für Arbeitssachen als parteifähig im Sinne von § 50 ZPO anzusehen. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 ZPO). Das trifft auf die Klägerin - jedenfalls soweit es die hier streitigen Ansprüche betrifft - zu.

39

Die Klägerin ist eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 44b SGB II. Nach § 44b Absatz 3 SGB II nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Bundesagentur als dem eigentlichen Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 SGB II wahr. Auf Basis des Vertrages über die Bildung dieser Arbeitsgemeinschaft hat auch die Hansestadt Stralsund auf die Klägerin die Aufgaben übertragen, deren Träger sie selbst ist. Die Arbeitsgemeinschaft ist vom Gesetzgeber mit beschränkter Rechtsfähigkeit ausgestattet worden, was sich indirekt dadurch ergibt, dass in § 44 Absatz 2 SGB II geregelt ist, wer die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

40

Diese beschränkte Rechtsfähigkeit zielt zwar in erster Linie darauf, im Rahmen der Aufgabenstellung Anträge zu bescheiden und damit zusammenhängende Streitigkeiten - gegebenenfalls auch vor Gericht - auszufechten. Da aber nach § 115 SGB X auf die ARGE auch zivilrechtliche Ansprüche übergehen können, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihr auch insoweit Rechtsfähigkeit zuerkennen wollte. In Anlehnung an die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften im Sinne von § 70 SGG (grundlegend BSG 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 33 Nr. 1 RNr. 16, vgl. auch KSW/Spellbrink, § 6 SGB II RNr. 8) ist daher anzunehmen, dass die nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften - und damit auch die Klägerin - auch vor den Gerichten für Arbeitssachen als Partei auftreten können, soweit sie Forderungen einklagen, die ihnen nach § 115 SGB X zugewachsen sind.

B.

41

Die Klage ist jedoch nur zu einem Teil begründet. Zwar hat die Klägerin den Umfang der vom Beklagten noch nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche der fünf Arbeitnehmer im Wesentlichen richtig bestimmt. Die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Beklagten sind jedoch, was das Arbeitsgericht bereits zutreffend herausgearbeitet hat, nur zu einem Teil auf die Klägerin nach § 115 SGB X übergegangen.

I.

42

Der beklagte Arbeitgeber hat die Entgeltansprüche der bei ihm beschäftigten hier betroffenen fünf Arbeitnehmer bisher nicht in vollem Umfang erfüllt. Die noch offenen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer summieren sich auf 9.933,81 EUR.

43

Zwar hat der Beklagte das Entgelt bezahlt, das die Parteien vertraglich vereinbart hatten. Die vertragliche Entgeltabreden sind in allen Arbeitsverträgen jedoch nach § 138 Absatz 1 BGB nichtig, da die dort vereinbarten Vergütungssätze sittenwidrig niedrig sind. Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Das trifft auf die Vergütungsabreden zu.

1.

44

Was der Gesetzgeber im Bereich der gegenseitigen Verträge - auf den Arbeitsvertrag zutreffend - als sittenwidrig ansieht, hat er in § 138 Absatz 2 BGB hinsichtlich des Wuchertatbestandes konkretisiert. Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und des als Gegenleistung dafür vom Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelts. Der Wuchertatbestand nach § 138 Absatz 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zusätzlich zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit und die anderen im Gesetz benannten Umstände) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zunutze macht (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 1599 = NZA 2009, 837).

45

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Absatz 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslage ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB vor.

46

Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG aaO unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55, 56 = DB 2001, 2285 = MDR 2001, 1105). Das ist hier der Fall.

47

Die Feststellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung setzt zunächst voraus, dass man eine Einheit findet, nach der man den Vergleich vornehmen kann. Diese Einheit wird hier in dem Stundenlohn gesehen, also in dem Verdienst, der dem Arbeitnehmer pro Stunde an geleisteter Arbeit zusteht. Diese Einheit ist für den notwendigen Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem üblichen Einkommen geeignet, da es die übliche Einheit ist, in der man im unteren Einkommenssegment üblicherweise die Höhe des Einkommens aus Arbeit bemisst.

2.

48

Der Wert der Arbeitsleistung der vom Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer bemisst sich nach den Vergütungssätzen aus den Entgelttarifverträgen für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern, abgeschlossen zwischen dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA (Landesverband Mecklenburg-Vorpommern), Schwerin, und der Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten (NGG), Landesbezirk Nord, Kiel (zukünftig abgekürzt als ETV MV bezeichnet), denn in ihnen drückt sich - jedenfalls in den unteren tariflichen Entgeltgruppen - die übliche Vergütung für Arbeitnehmer in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern aus, und der Betrieb des Beklagten gehörte zum Gastgewerbe.

a)

49

Der Wert der Leistung im Sinne von § 138 BGB meint den objektiven Wert der Arbeitsleistung. Früher hat die Rechtsprechung versucht, den objektiven Wert analytisch aus den Anforderungen an die Arbeit abzuleiten, also zum Beispiel anhand der Dauer der Arbeit, deren Schwierigkeitsgrad oder der dafür erforderlichen körperlichen und geistigen Beanspruchung (BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 322/72 - AP Nr. 30 zu § 138 BGB = DB 1973, 727 = SAE 1974, 33).

50

In den letzten Jahren ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar bei dem Begriff des objektiven Wertes verblieben, hat sich aber von einer analytischen Bewertung verabschiedet und bestimmt heute den Wert der Arbeitsleitung ausschließlich nach ihrem Marktwert, also dem (verkehrs-)üblichen Wert der Arbeitsleistung wie er sich aus tariflichen Regelungen oder aus anderen Erkenntnisquellen ergeben kann. Unerheblich ist dagegen sowohl der Wert, den die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hat (sog. Aneignungswert) als auch ein wie auch immer abgeleiteter normativer Wertbegriff, den man aus dem Sozialhilfeniveau, den Pfändungsfreigrenzen oder anderen normativen Quellen abzuleiten versucht (vgl. zu ersterem BAG 22. April 2009 aaO und zur Ablehnung des normativen Wertbegriffs BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79 = AP Nr. 59 zu § 138 BGB = DB 2004, 1432).

51

Vom gedanklichen Ansatz her geht man also bei der Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung heute genauso vor wie in dem Fall, in dem die Arbeitsvertragsparteien es verabsäumt haben, eine Lohnabrede im Arbeitsverhältnis zu treffen, und dann nach § 612 Absatz 2 BGB die taxmäßige Vergütung oder die übliche Vergütung zu ermitteln ist, da diese nach dieser Norm dann als vereinbart gilt. Taxierte Vergütungen gibt es im Arbeitsrecht praktisch nicht. Unter einer taxmäßigen Vergütung versteht man eine durch öffentlich-rechtliche Normen vorgegebene Vergütung. Staatliche Normen, die die Vergütung im Streitfall vorgeben, sind nicht ersichtlich. Also ist auf die übliche Vergütung abzustellen.

52

Die übliche Vergütung ist die Vergütung, die für den betrachteten Teil des Arbeitsmarktes prägend ist. Das setzt voraus, dass die Vergütung in einer erheblichen Anzahl von Arbeitsverhältnissen tatsächlich vereinbart ist. Die übliche Vergütung kann daher nicht ohne Weiteres mit der statistisch ermittelten durchschnittlichen Vergütung auf dem betrachteten Teilarbeitsmarkt gleichgesetzt werden, denn der rein rechnerisch ermittelte durchschnittliche Stundenlohn in einer Branche braucht in keinem einzigen Arbeitsverhältnis tatsächlich vereinbart zu sein.

53

Ausgangspunkt für die Ermittlung der üblichen Vergütung sind im Arbeitsverhältnis in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 aaO sowie zuvor schon BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - aaO und BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 321/72 - AP Nr. 110 zu Art. 3 GG = DB 1973, 728 = AuR 1973, 87).

54

Ob das Bundesarbeitsgericht sich mit der gewählten Formulierung der von der Klägerin und Teilen der Literatur vertretenen Meinung anschließen wollte, nach der dem Tarifvertrag eine Art Indiz- oder Vermutungswirkung zukomme, die vom Arbeitgeber widerlegt werden müsse (so Reinecke: Vertragskontrolle im Arbeitsverhältnis, NZA-Beilage 2000, Heft 3, Seite 23, 33; Preis in ErfK § 612 BGB RNr. 38: "im Regelfall ist die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung", ähnlich auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung; vgl. auch ArbG Wuppertal 24.07.2008 - 7 Ca 1177/08), ist nicht ganz klar. Für die Entscheidung des Gerichts kann offen bleiben, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts so gemeint ist, denn vorliegend kann sogar positiv festgestellt werden, dass die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung darstellt.

b)

55

Die Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne Weiteres angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (BAG 22. April 2009 aaO). Mit dieser Überlegung lässt sich hier nicht feststellen, dass der von der Klägerin herangezogene Flächentarifvertrag zwischen der DEHOGA MV und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist.

56

Denn nach den Erkenntnissen der Verdienststrukturerhebung 2006 gab es im Referenzmonat Oktober 2006 im Gastgewerbe Mecklenburg-Vorpommern lediglich 1.762 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, in deren Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kam, während es 6.214 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gab, bei denen das nicht der Fall war (vgl. Statistische Berichte des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Februar 2009 zum Thema "Verdienststrukturerhebung in Mecklenburg-Vorpommern 2006", S. 25, zitiert nach der auf der Internetseite des Amtes veröffentlichten pdf-Datei - hier abgekürzt mit VSE 2006 zitiert). Es sind keine Indizien dafür vorhanden, dass sich die Verhältnisse bei Einbeziehung aller Beschäftigter, also auch der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, des Gastgewerbes anders darstellen würde. Es gibt auch keine Indizien dafür, dass sich die Verhältnisse zwischen Oktober 2006 und heute wesentlich verschoben hätten.

c)

57

Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur 50-Prozent-Marke dürfen aber nicht dahin missverstanden werden, dass der Tarifvertrag nur dann Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung sein könne, wenn eines der beiden genannten Kriterien erfüllt ist. Vielmehr kann sich die Erkenntnis, dass der im Wirtschaftszweig maßgebliche Tarifvertrag Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist, auch aus anderen Erkenntnisquellen ergeben. So liegen die Dinge hier.

58

Denn der Tariflohn und der sich aus der VSE 2006 ergebene Durchschnittslohn im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern liegt jedenfalls in den hier bedeutsamen unteren Lohngruppen in den streitrelevanten Jahren 2007 bis 2009 so nahe beieinander, dass aus der Höhe des statistischen Durchschnittslohn auf die prägende Kraft des Tarifvertrages geschlossen werden kann und muss.

59

Die Verdienststrukturerhebung (früher: Gehalts- und Lohnstrukturerhebung) wird alle 4 Jahre durchgeführt und sie basiert inzwischen auf dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz - VerdStatG) vom 21.12.2006, das das Lohnstatistikgesetz abgelöst hat. Sie ist eine repräsentative Stichprobenerhebung mit Auskunftspflicht der befragten Arbeitgeber. Die Stichprobe wird zweistufig gezogen. Auf der 1. Stufe werden die Betriebe geschichtet nach Bundesland, Wirtschaftszweig und Betriebsgrößenklasse ausgewählt. Auf der 2. Stufe werden innerhalb des Betriebes die Arbeitnehmer zufällig ausgesucht. Zur Datenbasis heißt es in der aus den Angaben der Länder zusammengeführten Bundesstatistik zur Verdienststrukturerhebung 2006 (im Internet unter destatis.de veröffentlicht) in der Erläuterung der methodischen Grundlagen: "Die Erhebung wird als Stichprobe bei 34 000 Betrieben mit 10 und mehr Beschäftigten (zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung) durchgeführt. Diese Betriebe beziehen bundesweit rund 1.800.000 Beschäftigte aus dem Produzierenden Gewerbe und den Wirtschaftsabschnitten Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Gastgewerbe, Verkehr ... ein. Hinzu kommen ca. 1.400.000 Arbeitnehmer aus der Personalstandstatistik für den Wirtschaftsabschnitt Erziehung und Unterricht." Da in der Bundesrepublik um die 35 Mill. Arbeitnehmer tätig sind, liegen der Statistik also die Einkommensverhältnisse von fast 10 Prozent der Arbeitnehmer der Bundesrepublik zu Grunde. Die Sorge des Beklagten, die VSE 2006 sei möglicherweise nicht repräsentativ, ist daher nicht berechtigt.

60

Nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 lit. f VerdStatG wird auch die "Vergütungs- oder Leistungsgruppe" als Element des Arbeitsverdienstes erhoben. Zu diesem Zwecke werden 5 Leistungsgruppen unterschieden, die ähnliche wie tarifliche Normen für jede Stufe die notwendigen bzw. typischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Arbeitnehmer besitzen muss, beschreiben. Die Leistungsgruppe 5 umfasst einfachste Arbeiten für ungelernte und angelernte Arbeitnehmer, die Leistungsgruppe 3 umfasst die Arbeitnehmer mit Berufsausbildung in den ersten Berufsjahren und die Leistungsgruppe 1 umfasst die Spitzenpositionen. Außerdem wird der Wirtschaftszweig, dem der Betrieb angehört, erhoben (§ 4 Absatz 1 Nr. 1 VerdStatG).

61

Aus der Verdienststrukturerhebung 2006 (VSE 2006) ergibt sich auf dieser Basis für das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern in der Leistungsgruppe 5 ("Ungelernte Arbeitnehmer mit einfachen, schematischen Tätigkeiten oder isolierten Arbeitsvorgängen, für deren Ausübung keinen berufliche Ausbildung erforderlich ist. Das erforderliche Wissen und die notwendigen Fertigkeiten können durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden" - vgl. VSE 2006, S. 8) im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 5,39 EUR (VSE 2006 S. 27). Für die Leistungsgruppe 4 ("Angelernte Arbeitnehmer mit überwiegend einfachen Tätigkeiten, für deren Ausführung keine berufliche Ausbildung, aber besondere Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben, erforderlich sind. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten werden in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu 2 Jahren erworben." - VSE 2006, S. 8) ergibt sich im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 6,55 EUR (VSE 2006 S. 27).

62

Die Entgelttarifverträge zwischen der DEHOGA, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) sehen keine Stundenlöhne sondern nur Monatslöhne vor. Nach § 3 Nr. 1 des Manteltarifvertrages vom 30. April 2003 beträgt die monatliche Arbeitszeit genau 173 Stunden. Aus dem Tariflohn der Tarifgruppe 1 (§ 3 ETV MV: "Einfache Tätigkeiten - Arbeitnehmer / innen mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern") für das Jahr 2007 in Höhe von 887,00 EUR brutto errechnet sich demnach ein Stundenlohn für das Jahr 2007 in Höhe von 5,13 EUR brutto. Durch den Entgelttarifvertrag aus Dezember 2007 erhöhte sich in dieser Tarifgruppe das Einkommen ab dem 1. Januar 2008 auf 914,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,28 EUR ergibt, und am 1. Januar 2009 auf 932,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,39 EUR ergibt. Alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben. Die Abweichung der hier ermittelten Stundenlöhne von den Angaben der Klägerin und den vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegten Werten ergeben sich daraus, dass beide wohl von einer 40-Stunden-Woche (173,33 Monatsstunden) im Gastgewerbe ausgegangen sind, woraus sich rechnerisch geringfügig geringere Stundenlöhne errechnen.

63

Die tarifliche Entgeltgruppe 1 aus § 3 ETV MV und die Leistungsgruppe 5 aus der amtlichen Statistik beziehen sich auf denselben Kreis von Arbeitnehmern und Arbeitsverhältnissen. Beide Gruppen umfassen die jeweils niedrigsten Arbeiten, die keine Ausbildung und keine bzw. nur eine geringfügige Anlernzeit voraussetzen. Diese Feststellung wird indirekt durch die vom Statistischen Bundesamt vorgenommene Zuordnung der Tarifgruppen zu den Leistungsgruppen der VSE 2006 bestätigt. Ausweislich der Angaben aus der dortigen Online-Tarifdatenbank zum hiesigen Tarifvertrag (dort der Tarifvertrag mit der Nummer TV 55101150) werden Arbeitnehmer der Tarifgruppe 1 der Leistungsgruppe 5 zugeordnet. Damit sind beide Gruppen vergleichbar, und es ist die Aussage erlaubt, dass das statistisch erhobene durchschnittliche Monatseinkommen für einfache Tätigkeiten im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern und der Tariflohn nahezu gleich sind. Die Differenz zwischen Tariflohn und Durchschnittslohn beträgt rechnerisch ungefähr fünf Prozent. Für genauere Angaben müsste man die Werte aus der VSE 2006, die ja nur ein Schlaglicht auf die Verhältnisse im Oktober 2006 setzen, anhand der allgemeinen Lohnentwicklung in der Branche fortschreiben und die fortgeschriebenen Werte mit den Tariflöhnen vergleichen. Eine solche Detailgenauigkeit ist aber für die hier vom Gericht gezogenen Folgerungen nicht erforderlich.

64

Denn das Gericht möchte aus dem Umstand, dass der Tariflohn der untersten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe leicht unterhalb des statistisch ermittelten Durchschnittslohns im Gastgewerbe liegt, lediglich folgern, dass der Tarifvertrag in dieser Tarifgruppe die übliche Vergütung im Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegelt. Denn wenn der statistisch erhobene Durchschnittslohn praktisch dieselbe Höhe erreicht wie der Tariflohn, ist dies ein indirektes aber sehr starkes Indiz dafür, dass der Tarifvertrag die Lohnfindung in der Branche prägt. - Ob die marginalen Unterschiede zwischen der Statistik und dem Tariflohn ausreichen würden, um den Nachweis zu führen, dass der übliche Lohn hier im Lande sogar oberhalb des Tarifniveaus liegt, kann hier dahinstehen, da die Klägerin für ihre Berechnungen (lediglich) den Tariflohn zu Grunde gelegt hat.

65

Ähnliches kann für die Löhne aus der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV festgestellt werden. Der Tariflohn der Tarifgruppe 2 ("Angelernte Tätigkeiten - Arbeitnehmer/innen mit geringen fachlichen Kenntnissen und Arbeitnehmer/innen der ETV-Gruppe 1, die erhöhten Belastungen und besonderen Erschwernissen unterliegen") war für das Jahr 2007 in Höhe von 971,00 EUR festgesetzt, woraus sich ein Stundenlohn von Höhe von 5,61 EUR ergibt. Aufgrund des vorerwähnten Entgelttarifvertrages aus Dezember 2007 beträgt das Monatsentgelt in dieser Entgeltgruppe seit dem 1. Januar 2008 nun 1.000,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR ergibt, und seit 1. Januar 2009 nun 1.020,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,90 EUR ergibt (alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben).

66

Der nach VSE 2006 ermittelte Durchschnittslohn in der Leistungsgruppe 4 im Referenzmonat Oktober 2006 liegt zwar mit 6,55 EUR deutlich über den tariflichen Werten. Das stellt aber nicht die gerichtliche Feststellung in Frage, dass man von dem statistisch ermittelten Durchschnittslohn auf die Üblichkeit der Tarifvergütung schließen kann. Dabei ist zunächst einmal hervorzuheben, dass auch in der VSE 2006 selbst die Arbeitnehmer der Tarifgruppe 2 der Leistungsgruppe 4 zugeordnet werden (vgl. die Angaben in der bereits oben erwähnten Tarifdatenbank auf destatis.de). Auch die textliche Umschreibung der beiden Gruppen im Tarifvertrag einerseits und in der VSE 2006 andererseits sprechen dafür, dass damit dieselbe Arbeitnehmergruppe erfasst wird. Dass die VSE-Werte so deutlich oberhalb des Tarifniveaus liegen, erklärt sich aus der Sicht des Gerichts dadurch, dass die VSE 2006 lediglich 5 verschiedenen Stufen kennt, während der Tarifvertrag insgesamt 10 Stufen kennt (§ 2 ETV MV). Daher sind in der Leistungsgruppe 4 der VSE 2006 auch Arbeitnehmer erfasst, die nach dem Tarifvertrag schon einer höheren Tarifgruppe zuzuordnen wären.

d)

67

Auch die weiteren Erkenntnisse aus der VSE 2006 sprechen nicht gegen die hier gezogenen Folgerungen. Im Rahmen der Verdienststrukturerhebung wird auch ermittelt, welche durchschnittlichen Löhne in einer Branche - gemittelt über alle Leistungsgruppen - gezahlt werden, wobei nach gegebener oder fehlender Tarifbindung unterschieden wird ("Bruttomonatsverdienste nach Wirtschaftszweig und Tarifbindung im Oktober 2006"). Danach liegt der Bruttostundenverdienst (gemittelt über alle Leistungsgruppen) ohne Tarifbindung bei 8,37 EUR und mit Tarifbindung bei 9,52 EUR (VSE 2006, S. 25).

68

Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Löhne des ETV MV oberhalb des allgemeinen Lohnniveaus im Wirtschaftsgebiet liegen. Denn es muss beachtet werden, dass im Gastgewerbe neben dem ETV MV weitere Tarifverträge gelten, die vielfach deutlich bessere Vergütungen vorsehen. Beispielhaft wurde in der mündlichen Verhandlung vom Gericht der Bundestarifvertrag für die Systemgastronomie angeführt, der im Vergleich der beiden jeweils niedrigsten Tarifgruppen im Jahre 2009 mit 6,56 EUR brutto ungefähr 20 Prozent über dem Wert aus dem ETV MV (5,39 EUR) liegt. Auch die Tarifverträge der Verkehrsgastronomie, soweit sie hier bekannt sind, liegen alle deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV. Soweit die großen Hotels im Lande über ihre Einbindung in Hotelketten an Tarifverträge gebunden sind oder eigene Tarifverträge abgeschlossen haben (zum Beispiel Neptun Hotel in Rostock), liegen auch diese deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV.

69

Der in der VSE 2006 ausgewiesene Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Lohn in Betrieben mit und ohne Tarifbindung kann daher nicht auf den hier betrachteten ETV MV zurückgeführt werden. Es bleibt daher bei der aus der Detailbetrachtung der Verdienste nach Leistungsgruppen im Gastgewerbe gezogenen Folgerung, dass der Tariflohn nach ETV MV in den unteren beiden Tarifgruppen genau dem Durchschnittslohn der Branche trifft oder sogar leicht darunter liegt. Diese Erkenntnis wird indirekt auch durch die weitere Tarifentwicklung hier im Lande bestätigt. Denn die Tarifvertragsparteien haben im Oktober 2010 einen neuen Entgelttarifvertrag verabschiedet mit Lohnsteigerungen, die weit oberhalb der in diesem Jahr in anderen Branchen beobachtbaren Werte liegen. So ist nicht nur die Tarifgruppe 1 insgesamt abgeschafft worden, die Entgelte in allen Tarifgruppen sind zudem linear um fünf Prozent angehoben worden. Wenn die Tarifvertragsparteien aber erkannt haben, dass in der Lohnentwicklung offensichtlich ein Nachholbedarf bestanden hat, wird man im Umkehrschluss aber auch davon ausgehen dürfen, dass die hier wichtigen Tariflöhne in den Jahren 2007 bis 2009 entweder den üblicherweise gezahlten Lohn widerspiegelten oder sogar noch etwas unterhalb des üblichen Niveaus lagen.

e)

70

Der Beklagte muss sich bei seinen Entgeltabreden an dem Tariflohn messen lassen, denn er fällt mit seinem Betrieb in den Geltungsbericht des vorerwähnten Tarifvertrages. Nach § 1 ETV MV gilt der Tarifvertrag fachlich "für alle Betriebe, die gewerbsmäßig Reisende beherbergen, den Verkauf von Speisen und/oder Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle betreiben, einschließlich Eisdielen... sowie Trinkhallen, Imbissstände, Fischbratküchen, Vereinshäuser, Erholungsheime, Selbstbedienungsrestaurants, Handels,- System-, Fast-food-Gastronomie, Catering usw." Der Betrieb, den der Beklagte unterhalten hatte, unterfiel dem fachlichen Geltungsbereich, denn der Betrieb umfasste auch ein Restaurant, in dem Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle dargeboten wurden. Das Gericht hatte im ersten Teil der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage angesprochen, ob der Betrieb vom Geltungsbereich erfasst ist, da hier über den Umfang des Restaurantbetriebes im Vergleich zum Umfang des Lieferservice nichts bekannt ist. Diese Argument ist vom Beklagten nicht durch weiteren Tatsachenvortrag aufgegriffen worden, so dass man davon ausgehen muss, dass der Betrieb des Beklagten wegen des dort unterhaltenen Restaurants auf jeden Fall unter den fachlichen Geltungsbereich des TV fällt.

f)

71

Der von der Beklagten geforderte Sonderstatus als Kleinstbetrieb mit unter 10 Arbeitnehmern kann nicht anerkannt werden. Zum einen hat die Beklagte an keiner Stelle der Akte einmal ausdrücklich erklärt, wie viele Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigt waren. Zum anderen kann aber auch nicht anerkannt werden, dass es einen Sonderarbeitsmarkt für Kleinstbetriebe gibt, auf dem die Einkommen schlechter sind als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Branche. Denn dazu liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Schon die Ergebnisse der amtlichen Statistik aus der VSE 2006 stehen dem entgegen. Denn die Branche ist hier im Lande geradezu geprägt durch Klein- und Kleinstbetriebe. Und dennoch weist die Statistik ein durchschnittliches Einkommen in der untersten Stufe aus, das nominell sogar leicht über dem tariflichen Einkommen liegt. Im Übrigen gilt es zu betonen, dass sich die Arbeitgeber des gesamten Gastgewerbes unabhängig von der Betriebsgröße desselben Arbeitsmarkts zur Versorgung mit Arbeitskräften bedienen müssen, was zur Folge hat, dass die Einkommen vergleichbar bleiben.

72

Mit gewissen Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der VSE 2006 nur Daten zu Grunde liegen, die in Betrieben mit 10 oder mehr Arbeitnehmern erhoben wurden. Damit ist aber noch nicht die Folgerung möglich, dass die erhobenen Zahlen keine Aussagekraft für Betriebe mit unter 10 Arbeitnehmern hat. Denn die Erhebungsgrenze dient nicht der Abgrenzung in der Realität beobachtbarer verschiedener Teilarbeitsmärkte, sondern sie ist lediglich dem Zwang geschuldet, Aufwand und Nutzen bei der Datenerhebung sowohl für das Amt als auch für die zur Mitwirkung verpflichteten Arbeitgeber im Rahmen zu halten. Die Vorstellung, in Kleinstbetrieben würden geringere Vergütungen erzielt, als in der übrigen Branche, ist im Übrigen spekulativ geblieben und kann daher der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden.

g)

73

Ob man - wie vom Beklagten gewünscht - innerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages nochmals Teilarbeitsmärkte in Hinblick auf die Besonderheiten einer bestimmten Region im Tarifgebiet unterscheiden muss, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen. Denn es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es für die Hansestadt Stralsund im Gastgewerbe einen Arbeitsmarkt gibt, auf dem signifikant niedrigere Löhne üblich sind als im übrigen Tarifgebiet.

74

Die denkbaren Sachgesichtspunkte halten sich die Waage. Es mag zwar sein, dass es zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil des Bundeslandes Einkommensunterschiede gibt. Aber ergänzend müsste bei einer solchen Differenzierung gewürdigt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb im städtisch geprägten Stralsund betrieben hatte, und ebenso Einkommensunterschiede im Vergleich von Städten und Landkreisen bestehen. Soweit zu dieser Frage Zahlenmaterial vorliegt, spricht dies sogar eher gegen die Vorstellung, es gäbe einen regionalen Teilarbeitsmarkt Stralsund, auf dem ein insgesamt niedrigeres Lohnniveau zu verzeichnen sei. So hat das statistische Landesamt im Juni 2010 eine Statistik über das Einkommensniveau in den Städten und Landkreisen des Landes im Jahre 2008 veröffentlicht, wonach in allen sechs kreisfreien Städten des Landes, also auch in Stralsund, das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen um bis zu 9 Prozent über dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen im gesamten Land lag. Stralsund mit einem Index von 107,5 (landesweites Durchschnittseinkommen = 100) lag sogar an Platz 2 der Einkommensskala. Auch die Platzierung der sechs kreisfreien Städte lässt keine Rückschlüsse auf ein systematisches West-Ost-Gefälle zu. Dasselbe Bild ergibt sich bei einem Vergleich der Einkommen in den Landkreisen, die Indexzahlen von 87,4 bis 102 aufweisen. Gestaffelt nach dem erreichten Einkommensniveau ergibt sich eine bunte Reihe von Landkreisen aus dem östlichen wie dem westlichen Landesteil, ohne das irgendwie eine Regel erkennbar ist.

h)

75

Nach dem insoweit also maßgeblichen ETV MV beträgt die übliche Vergütung für Küchenhilfen in der Tarifgruppe 1 nach § 3 ETV MV (Frau Ka. und Frau Wi.) ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,13 EUR brutto (2007), 5,28 EUR brutto (2008) und 5,39 EUR brutto (2009).

76

Die Kellnerin Frau Ku. ist von der Klägerin der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV zugeordnet worden. Bezüglich der Bewertung der Tätigkeit der Frau Ku. macht sich das Berufungsgericht die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen. Möglicherweise wäre insoweit sogar eine noch bessere Eingruppierung möglich gewesen. Das kann hier aber dahinstehen, da die Klägerin den Gegenstand ihrer Klage bestimmt und nicht das Gericht. Für die Eingruppierung in die von der Klägerin zu Grunde gelegte Tarifgruppe 2 spricht zumindest der Zuschnitt des Betriebes des Beklagten, der wohl nicht darauf angewiesen war, zur Erfüllung seines Betriebszwecks eine voll ausgebildete Kellnerin zu beschäftigen.

77

Der übliche Lohn für Arbeiten der Tarifgruppe 2 des ETV MV beträgt ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,61 EUR brutto (2007), 5,78 EUR brutto (2008) und 5,90 EUR brutto (2009).

78

Auch die beiden Pizzafahrer sind der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Das Arbeitsgericht hat diese Arbeitnehmer nur der Tarifgruppe 1 aus § 3 ETV MV zugeordnet. Dieser Bewertung schließt sich das Berufungsgericht nicht an. In die Tarifgruppe 1 fallen nach § 2 ETV MV Arbeitnehmer mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern. Als Beispiele sind im Positionsraster in § 4 ETV MV aufgeführt die Manglerin, die Garderobefrau, die Toilettenfrau, Nachtwachen, Hausdiener, Garagenwächter und ähnliche Funktionen.

79

Die Aufgabe des Pizzaauslieferungsfahrers fällt nicht in die Bewertungsgruppe 1, da der Auslieferungsfahrer fachliche Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten benötigt. Er muss zum einen eine Fahrerlaubnis besitzen, deren Erwerb an sich schon eine erhebliche Bildungsinvestition ist. Außerdem tätigt er für seinen Arbeitgeber Bargeschäfte mit den Kunden und muss daher zumindest über kaufmännische Grundkenntnisse (und eine dem entsprechende Zuverlässigkeit) verfügen. Schließlich transportiert er leicht verderbliche Speisen und muss daher über Kenntnisse verfügen, wie er sicherstellen kann, dass die Speisen auf dem Weg vom Betrieb zum Kunden nicht durch Abkühlen, unsachgemäße Lagerung oder sonstige Einflüsse verdorben werden. Letztlich benötigt ein Pizzaauslieferungsfahrer wie eine Servierkraft auch gewisse kommunikative Fähigkeiten, um ein Gespräch mit dem Kunden führen zu können.

80

Der Pizzaauslieferungsfahrer ist vielmehr der Bewertungsgruppe 2 aus § 3 ETV MV zuzuordnen. Dieser Bewertungsgruppe gehören nach dem Text des Tarifvertrages unter anderem Arbeitnehmer mit geringen fachlichen Kenntnissen an. Nach dem Positionsraster in § 4 ETV MV gehören dazu beispielsweise Telefonisten, Hotel-Portiers, Wäschebeschließer, Näher, Bügler, Restaurantkassierer, Hausmeister sowie der oder die Serviererin ("angelernt/ungelernt"). Es handelt sich also um typische Anlerntätigkeiten, die jedoch noch keine Berufsausbildung voraussetzen.

81

Das Gericht sieht den Pizzaauslieferungsfahrer hier als eine atypisch tätige Servierkraft an, die die Speisen nicht innerhalb des Betriebes von der Küche zum Tisch im Gastraum befördert, sondern vom Betrieb zur Haustür des Kunden. Dass die beiden Pizzafahrer hier zutreffend eingestuft sind, ergibt sich auch aus der Nähe dieser Tätigkeit zum Restaurantkassierer. Das Positionsraster in § 4 ETV sieht zwar sowohl für die Servierkraft als auch für den Restaurantkassierer die Zuordnung zur Bewertungsgruppe 2 nur als unterste Stufe vor, die durch eine Bandbreite bis zur Stufe 4 oder gar 5 erweitert ist. Ein Aufrücken innerhalb der Bandbreite scheitert jedoch hier an den bescheidenen Verhältnissen des Betriebes des Beklagten. Innerhalb der denkbaren Bandbreite von Betrieben des Gastgewerbes ist der hier betrachtete Betrieb ein einfachster kleiner Betrieb, der sich in einer kleinen Marktnische durch Anpassung des Betriebsmodells an die Kaufkraft der Kunden einige Zeit gehalten hat.

82

Der Wunsch der Klägerin, die beiden Pizzafahrer der Bewertungsgruppe 4 aus § 3 ETV MV zuzuordnen, weil § 4 ETV MV ein Positionsraster ausweist, in dem unter "V. Sonstige Dienstleistungen" der Kraftfahrer mit einer Zuordnung zu den Bewertungsgruppen 4 oder 5 auftaucht, lässt sich rechtlich nicht begründen.

83

Maßgeblich für die Eingruppierung sind die in § 3 ETV MV aufgestellten 10 Bewertungsgruppen. Das ergibt sich zwingend aus § 2 ETV MV, wo es heißt, dass für die Einordnung in die einzelnen Bewertungsgruppen die ausgeübte Tätigkeit maßgeblich sei. Wenn aber der Tarifvertrag auf die Tätigkeiten und nicht auf die Berufsbezeichnung oder die Benennung der Position im Betrieb abstellt, ist § 3 ETV MV für die Eingruppierung maßgeblich. Das Positionsraster in § 4 ETV MV hat demgegenüber nicht einmal die Funktion von Regelbeispielen. Vielmehr handelt es sich um eine typisierende Bewertung betrieblicher Funktionen, die für Standardfälle eine analytische Bewertung des Arbeitsplatzes überflüssig machen kann. Das Positionsraster ist aber nicht dazu geeignet, die Subsumtion unter die Bewertungsgruppen aus § 3 ETV MV zu ersetzen.

84

Gemessen an den allgemeinen Bewertungsmerkmalen der Gruppe 4 aus § 3 ETV MV, fällt die Arbeit als Pizzaauslieferungsfahrer nicht unter dieses Eingruppierungsmerkmal. Das Merkmal lautet: "Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr." Es ist weder dargelegt, dass Herr Ol. oder Herr Fi. eine Ausbildung als Berufskraftfahrer besitzen, noch ist dargelegt, dass sie als angelernte Kräfte bereits seit mehr als 7 Jahren wie ein Berufskraftfahrer eingesetzt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass für die Arbeitsaufgabe eines Pizzaauslieferungsfahrers die Berufsausbildung als Berufskraftfahrer notwendig ist.

85

Aus ähnlichen Erwägungen kommt eine Zuordnung zur Tarifgruppe 3 aus § 3 ETV MV nicht in Betracht, da auch diese für Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung vorgesehen ist.

3.

86

Die vom Beklagten tatsächlich gezahlte Vergütung bleibt weit hinter der üblichen Vergütung zurück. Der Beklagte hat Stundenlöhne zwischen 1,70 EUR und 2,67 EUR bezahlt.

a)

87

Die vom Beklagten Herrn Ol. gezahlte Vergütung in Höhe von 80,00 EUR und später 120,00 EUR entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR bzw. 2,67 EUR (bei 80,00 bzw. bei 120,00 EUR Monatslohn).

88

Die durch die Bescheinigungen, die der Beklagte auf Wunsch der Klägerin erteilt hat, teilweise dokumentierten rechtsgeschäftlichen Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis des Herrn Ol. mit dem Beklagten enthält keine Vergütungsabrede, die ohne Weiteres die Ermittlung eines Stundenlohns zulässt, denn der fest vereinbarten Vergütung steht keine fest vereinbarte Anzahl von zu leistenden Arbeitsstunden gegenüber. Vielmehr sollte die Arbeitszeit flexibel gehandhabt werden bis zu einer Grenze von 14,9 Arbeitsstunden pro Woche, was rechnerisch einer monatlichen Maximalarbeitszeit im Umfang von 64,57 Stunden entsprechen würde (Wochenstunden mal 13 Wochen dividiert durch 3 Monate) und damit einen Stundenlohn in Höhe von ungefähr 1,25 EUR bzw. 1,88 EUR ergeben würde. Da diese Grenze offensichtlich aus naheliegenden sozialrechtlichen Gründen gewählt wurde, damit der Bezug von Arbeitslosengeld nicht in Frage steht, hält es das Gericht allerdings nicht für möglich, den Stundenlohn auf Basis dieser maximal möglichen Stundenanzahl zu ermitteln. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte oder beide Parteien des Arbeitsverhältnisses jemals im Sinn hatten, den Arbeitnehmer tatsächlich im Umfang der rechnerisch möglichen Heranziehung auch tatsächlich zur Arbeit heranzuziehen. Vielmehr ist darauf abzustellen, wie die Parteien ihr Arbeitsverhältnis gehandhabt haben. Denn die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses gibt Aufschluss darüber, wie die Parteien ihre vertraglichen Abreden verstanden haben.

89

Allerdings ergibt sich aus der rechtsgeschäftlichen Abrede, die auch durch die tatsächliche Handhabung bestätigt wird, dass der Arbeitnehmer einen festen Monatslohn beziehen sollte, der nicht in Abhängigkeit von der Anzahl der geleisteten Stunden steht. Dieser Umstand rechtfertigt es, für die Ermittlung des Stundenlohns als Vergleichsgröße für die Bemessung des auffälligen Missverhältnisses auf die durchschnittliche monatliche Heranziehung zur Arbeit über den gesamten Streitzeitraum abzustellen.

90

Damit weicht das Berufungsgericht in diesem Punkt von der Herangehensweise des Arbeitsgerichts ab, das den Stundenlohn monatsweise anhand der in jedem Monat konkret erbrachten Arbeitsleistung ermittelt hat. Bei dem Ansatz des Arbeitsgerichts bleibt jedoch der rechtsgeschäftliche Wille zu einem festen Monatslohn bei variabler Arbeitszeit unberücksichtigt. Der methodische Ansatz des Arbeitsgerichts führt zu einer Atomisierung der Betrachtung, die nur die Gefahr in sich birgt, den wahren Charakter des vereinbarten Rechtsgeschäfts zu verdunkeln. Die hier vorgenommene Betrachtungsweise steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 22. April 2009 (5 AZR 436/08 aaO). Das BAG hat dort lediglich ausgeführt, eine Entgeltvereinbarung könne zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch wirksam sein, jedoch im Laufe der Zeit, wenn sie nicht im Rahmen der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, zu einem späteren Zeitpunkt zu einem auffälligen Missverhältnis führen und damit sittenwidrig werden (so auch schon BAG Urteil vom 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66 = AP Nr. 63 zu § 138 BGB = DB 2006, 2467). Diese Urteilspassagen sind auf den vorliegenden Fall nicht direkt übertragbar. Sie betreffen in beiden Fällen andere Sachverhalte, nämlich Arbeitsverhältnisse, die bereits längere Zeit durchgeführt wurden und in denen zweifelhaft war, ob die Vergütungsabrede, die am Anfang der Zusammenarbeit stand, bereits sittenwidrig war, oder ob die Sittenwidrigkeit erst später durch eine fehlende Anpassung der Entgeltabrede entstanden ist. Aus den zitierten Urteilspassagen ergibt sich aber nicht, dass die Gerichte gezwungen wären, jeden einzelnen Lohnzahlungszeitraum gesondert und isoliert zu betrachten. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtungsweise, die sich an den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien orientiert. Haben die Arbeitsvertragsparteien - wie hier - eine konstante Vergütung bei variabler Arbeitszeit vereinbart, muss man zur Ermittlung der tatsächlich vereinbarten Vergütungshöhe auf die Handhabung des Arbeitsverhältnisses abstellen. Je mehr Monate man dabei in die Betrachtung mit einbezieht, desto genauer trifft man den wahren Willen der Parteien zur Höhe der Vergütung.

91

Der Durchschnittslohn muss daher hier auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit in allen 11 streitgegenständlichen Monaten (Mai 2008 sowie Juli 2008 bis einschließlich April 2009) ermittelt werden. - Die weiteren Monate seit Mai 2009 sind in die Durchschnittsbewertung dagegen nicht mehr mit einzubeziehen. Da der Arbeitnehmer seit diesem Zeitpunkt nur noch zu maximal 20 Stunden im Monat zur Arbeit herangezogen wurde, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien als Reaktion auf die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2009 die rechtsgeschäftlichen Grundlagen ihrer Zusammenarbeit abgeändert und damit die Sittenwidrigkeit der Lohnabrede beseitigt haben. Es hat also im Arbeitsverhältnis eine Zäsur stattgefunden. Die Zeit der extrem starken monatlichen Heranziehung zur Arbeit endete mit Ablauf des April 2009.

92

Herr Ol. hat beim Beklagten in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 insgesamt 495 Stunden gearbeitet, wobei die Monatswerte zwischen 42 und 54 Stunden schwanken, und er hat dafür monatlich entweder 80,00 oder 120,00 EUR erhalten. Demnach hat er einen Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. in Höhe von 2,67 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) erhalten. Diese Werte ergeben sich, wenn man die gesamten vom Kläger in den streitigen 11 Monaten geleisteten Arbeitsstunden durch die Anzahl der streitigen Monate teilt und mit der so ermittelten durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit (45 Monatsstunden) den Stundenlohn ermittelt.

93

Eine kleine methodische Ungenauigkeit bei der Ermittlung des Stundenlohn ergibt sich allerdings daraus, dass die Klägerin für den Lohn aus dem Arbeitsmonat Juni 2008 keine Ansprüche geltend gemacht hat obwohl Herr Ol. nach der eigenen Aufstellung der Klägerin (vgl. Anlage K7, hier Blatt 31) auch in diesem Monat 80,00 EUR Entgelt bezogen hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte aber nicht festgestellt werden, ob Herr Ol. in diesem Monat gar keine Arbeitsleistung erbracht hat, oder aus welchem anderen Grund die Klägerin für diesen Monate keine übergegangenen Ansprüche geltend macht. Die Ungenauigkeit kann hier hingenommen werden. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass Herr Ol. in diesem Monat Urlaub hatte, oder die ausgefallenen Stunden später nachgearbeitet hat, würde das den ermittelten Stundenlohn nur geringfügig verändern. Die Anzahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden (495) müsste dann durch 12 statt durch 11 Monate dividiert werden. Das würde eine durchschnittliche Heranziehung zu 41,25 Stunden pro Monat ergeben, woraus sich dann ein Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) errechnen würde.

b)

94

Ähnliche Stundenlöhne hat der Beklagte auch den anderen Arbeitnehmern bezahlt.

95

Herr Fi. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und er wurde in den 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 insgesamt 362 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR.

96

Frau Ku. hat, mit Ausnahme der Monate August bis einschließlich November 2008, in denen sie 120,00 EUR verdient hatte, durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt 859 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bezogen auf 80,00 EUR Monatsentgelt) bzw. 2,67 EUR (bezogen auf 120,00 EUR Monatsentgelt).

97

Frau Ka. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt zu 895 Arbeitsstunden herangezogen, also durchschnittlich 47 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich kaufmännisch gerundet ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 1,70 EUR.

98

Frau Wi. hat für den Beklagten im Mai und Juni 2008 nur rund 6 Wochen gearbeitet, in dieser Zeit 54 Stunden geleistet und dafür 110,00 EUR Entgelt erhalten, woraus sich ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 2,04 EUR errechnet.

4.

99

Setzt man die in den einzelnen Jahren jeweils übliche Vergütung mit 100 an, erreichte der tatsächliche Verdienst der fünf Arbeitnehmer nur zwischen etwas über 30 bis maximal 46,19 Prozentpunkte davon. Daraus ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Entgeltabrede ohne Weiteres.

a)

100

Herr Ol. hat 2008 und im Januar 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 30,80 Prozent bzw. im Januar 2009 dann 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von Februar bis April 2009 hat Herr Ol. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,90 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 45,25 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

101

Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten auch den Monat Juni 2008 mit in die Berechnung des Stundenlohns mit einbezieht, erreicht die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung. Denn der dann anzusetzende Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) würde immer noch nur 33,56 Prozent (80,00 EUR Einkommen im Jahre 2008) bzw. 49,32 Prozent (120,00 EUR im Jahre 2009) der üblichen Vergütung erreichen

102

Herr Fi. hat 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Fi. hat im Jahre 2008 also nur 30,80 Prozent und im Jahre 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

103

Frau Ku. hat im Jahre 2007, überwiegend im Jahre 2008 und im Jahre 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,61 EUR, 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat 2007 also nur 31,73 Prozent, 2008 also nur 30,80 Prozent und 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von August bis einschließlich November 2009 hat Frau Ku. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,78 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat in dieser Zeit also nur 46,19 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

104

Frau Ka. hat in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,70 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,13 EUR, 2008 bei 5,28 EUR und 2009 bei 5,39 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ka. hat 2007 also nur 33,14 Prozent, 2008 also nur 32,20 Prozent und 2009 nur 31,54 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

105

Frau Wi. hat 2008 zu einem Stundenlohn von 2,04 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,28 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Wi. hat also nur 38,64 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

b)

106

Die Entgeltabreden des Beklagten mit seinen Arbeitnehmern lassen auf ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung zum wucherähnlichen Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB schließen. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis kann ohne weiteren Sachvortrag ausgegangen werden, wenn die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Dies hat der Bundesgerichtshof für den Grundstückskaufvertrag so entschieden (BGH 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487 = MDR 2000, 514). Diese Rechtsprechung ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwendig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten; vgl. dazu BGH 13. Juni 2001 aaO). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einher geht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist. Dies gilt jedenfalls hier, wo positiv festgestellt werden kann, dass sich im Tarifvertrag das marktübliche Lohnniveau widerspiegelt.

107

Wegen des besonders auffälligen und krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in den Arbeitsverträgen der hier betroffenen fünf Arbeitnehmer muss auch davon ausgegangen werden, dass der Beklagte wusste, dass seine Löhne weit unter dem marktüblichen Niveau gelegen haben. Zumindest muss man davon ausgehen, dass er sich dieser Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

108

Dies reicht zur Feststellung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabreden bereits aus. Weitere Umstände kommen noch hinzu.

109

Zum einen ist zu beachten, dass die Arbeitsverhältnisse offensichtlich ohne Gewährung von Urlaub oder Ersatzfreitagen für Arbeit am Wochenende und an Feiertagen durchgeführt wurden. Dies ergibt sich zwingend aus den zur Akte gereichten Stundenzetteln der Arbeitnehmer, die der Beklagte selber ausgefüllt hat.

110

Zum anderen ist es besonders verwerflich, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses die aus staatlichen Mitteln finanzierte tatsächlich bestehende Grundversorgung der betroffenen Arbeitnehmer zum Anlass genommen haben, Entgelte weit unterhalb der verkehrsüblichen Vergütung zu vereinbaren. Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber missbrauchen die Leistungsmöglichkeiten, die das Sozialgesetzbuch II für arbeitssuchende Personen bereitstellt, wenn sie in einer Art Mischkalkulation Löhne vereinbaren, denen der Arbeitnehmer nur zustimmt, weil er über die staatlich finanzierte Grundsicherung abgesichert ist. Würde man diese Mischkalkulation zulassen, würden die Regeln der staatlichen Grundsicherung entgegen der gesetzlichen Intention in der Tat zu einer Lohnspirale nach unten führen.

111

Da der Beklagte nichts anders dazu vorgetragen hat, muss auch davon ausgegangen werden, dass er die Zusammenhänge zwischen dem besonders geringfügigen Lohn, den er bezahlt hat und den Sozialleistungen, die die Arbeitnehmer gleichzeitig bezogen haben, kannte. Damit steht fest, dass er verwerflich gehandelt hat. Ob auch die Arbeitnehmer verwerflich gehandelt haben, kann daher hier dahinstehen.

II.

112

Verstößt eine Entgeltabrede gegen § 138 BGB ist nur diese Abrede nichtig, der Arbeitsvertrag im Übrigen bleibt bestehen. Die nunmehr fehlende Vergütungsvereinbarung wird nach § 612 BGB durch die Ansetzung der üblichen Vergütung ersetzt (BAG Urteil vom 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 114 = NZA 2009, 837). Das ist hier - wie oben bereits ausgeführt - der Tariflohn aus dem Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe MV (ETV MV). Daher hat der Beklagte die Vergütungsanspruche der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch nicht vollständig erfüllt, offen ist noch ein Betrag in Höhe von 9.933,81 EUR.

113

Der Arbeitnehmer Ol. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Mai 2008 bis einschließlich April 2009 neun Monate lang je 80,00 EUR erhalten und drei Monate je 120,00 EUR, in Summe also 1.080,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 317 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.832,26 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 178 Stunden 1.050,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Ol. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.882,46 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.080,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.802,46 EUR offen.

114

Die Arbeitnehmerin Ka. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über alle 19 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten, in Summe also 1.520,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 151 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 774,63 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,13 EUR brutto. Für die 558 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 2.946,24 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 186 Stunden 1.002,54 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,39 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ka. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.723,41 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.520,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.203,41 EUR offen.

115

Die Arbeitnehmerin Wi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten Mai und Juni 2008 in Summe 110,00 EUR erhalten. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 51 Stunden, die sie geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 285,12 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Abzüglich der bisher geleisteten 110,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 175,12 EUR offen.

116

Die Arbeitnehmerin Ku. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über 15 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten und für 4 Monate im Jahre 2008 je 120,00 EUR, in Summe also 1.680,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 152 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 852,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,61 EUR brutto. Für die 551 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 3.184,78 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 156 Stunden 920,40 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ku. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.957,90 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.680,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.277,90 EUR offen.

117

Der Arbeitnehmer Fi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 in allen 8 Monaten 80,00 EUR erhalten, in Summe also 640,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 174 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.005,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 188 Stunden 1.109,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Fi. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.114,92 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 640,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.474,92 EUR offen.

118

Die noch nicht erfüllten Entgeltansprüche der betroffenen fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Beklagten summieren sich also auf 9.933,81 EUR.

III.

119

Dieser noch nicht erfüllte Anteil der den Arbeitnehmern noch zustehenden Vergütung ist nicht in vollem Umfang auf die Klägerin übergegangen, sondern nur im Umfang von 7.151,46 EUR.

1.

120

Gemäß § 115 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistung über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt - hier gegeben - und deshalb ein Leistungsträger - hier die Klägerin - Sozialleistungen erbracht hat.

121

Das trifft hier zu. Die Klägerin hat für alle fünf Arbeitnehmer während des gesamten Streitzeitraums Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erbracht und zwar in einem Umfang, der stets weit oberhalb der Vergütung lag, die die Arbeitnehmer bezogen hätten, wenn sie wie üblich vergütet worden wären. Da die fünf Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. nach der Beseitigung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede ab Mai 2009 noch im Leistungsbezug verblieben sind, braucht dem Umstand, dass das Arbeitseinkommen wegen der nachschüssigen Bezahlung immer erst in die Berechnung der Sozialleistung im Folgemonat einfließt, keine besondere Beachtung geschenkt werden.

122

Das Gericht geht im Weiteren davon aus, dass alle fünf betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Klägerin Anspruch auf den vollen Regelsatz hatten. Dazu hat die Klägerin zwar wegen des Sozialgeheimnisses keine näheren Angaben gemacht. Bei lebensnaher Betrachtungsweise und in Angesicht der Höhe der gezahlten Sozialleistungen kann aber dieser Umstand als gegeben erachtet werden. Daher kann vorliegend die Frage dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch dann gegeben wäre, wenn die Klägerin mit ihrer Leistung nicht den Bedarf der Arbeitnehmer sondern anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft befriedigt hätte.

123

Mit der Wendung im Text von § 115 SGB X "... und deshalb ... Sozialleistungen erbracht hat" soll sichergestellt werden, dass letztlich die Person die Kosten der Sozialleistung zu tragen hat, die nach zivilrechtlichen Maßstäben eigentlich zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Zahlt die ARGE also an einen Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II aus, nur weil der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Lohnzahlung nicht nachkommt, geht der nicht erfüllte Lohnanspruch des Antragstellers und Arbeitnehmers auf die ARGE über. Der Anspruchsübergang unterliegt allerdings einer doppelten Begrenzung. Zum einen kann er ohnehin nur bis zur Höhe der gewährten Sozialleistung übergehen. Zum anderen geht er aber auch nur insoweit über, als die Gewährung der Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers beruht. Ein Anspruchsübergang kann daher nur stattfinden, wenn der Leistungsträger deshalb geleistet hat, weil der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Es muss also eine Kausalität zwischen der Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes und der Zahlung der Sozialleistung bestehen (vgl. Pickel § 115 SGB X RNr. 2 und 11). Zweck der Vorschrift ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre (BAG 26. Mai 1993 - 5 AZR 405/92 - BAGE 73, 186 = AP Nr. 3 zu § 115 SGB X = DB 1993, 2035).

124

Im Umkehrschluss heißt dies allerdings, dass ein Anspruchsübergang auf den Sozialleistungsträger nicht stattfindet, soweit Sozialleistungen auch hätten erbracht werden müssen, wenn der Arbeitgeber seiner Vergütungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Daher muss also fiktiv ermittelt werden, in welchem Umfang die ARGE auch dann zur Gewährung von Sozialleistungen verpflichtet gewesen wäre, wenn der Beklagte als Arbeitgeber seiner Entgeltzahlungspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre. Denn nur in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen Zahlung und der fiktiven Zahlungsverpflichtung der ARGE bei vollständiger Erfüllung der Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers (hier des Beklagten) beruht die tatsächlich gewährte Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers.

125

In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, dass die vom Beklagten nicht erfüllten Entgeltansprüche bei den betroffenen Arbeitnehmern verbleiben, soweit diese, unterstellt sie wären vollständig vergütet worden, das dann erzielte Einkommen ohne Anrechnung auf die gewährten Sozialleistungen für sich hätten behalten dürfen (ebenso Kater in Kassler Kommentar § 115 SGB X RNr. 31d; Maul-Sartori, Übergang von Arbeitsentgeltansprüchen infolge Arbeitslosengeld II-Zahlungen, BB 2010, 3021, 3024). Dabei geht es zum einen um den pauschalierten Ansatz von Werbungskosten nach § 11 Absatz 2 SGB II in Höhe von 100,00 EUR, um den das erzielte Einkommen vor einer Anrechnung zu kürzen ist. Zum anderen geht es um die Anreizfunktion aus § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, nach der bis zu einem Monatseinkommen von 800,00 EUR 20 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Betrages ebenfalls anrechnungsfrei bleiben.

126

Die Einwände der Beklagten gegen diese Aufteilung des unerfüllten Teils der Arbeitseinkommen der betroffenen Arbeitnehmer greifen nicht durch. Insbesondere trifft es nicht zu, dass durch diese Gesetzesauslegung der sittenwidrig handelnde Arbeitgeber noch bevorteilt wird, da er dann "weniger zahlen müsse" (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. August 2010, hier Blatt 418) als bei vollem Anspruchsübergang. Denn es geht im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X nur um die Frage, in welchem Verhältnis die noch nicht erfüllten Anteile des Arbeitseinkommens auf die betroffenen Arbeitnehmer und die ARGE aufgeteilt werden. In der Summe bleiben die Ansprüche, die der Beklagte noch zu erfüllen hat, stets gleich; ein rechtlicher Vorteil ist daher für den Arbeitgeber nicht zu erkennen. - Bedenklich ist auch die weitergehende Vorstellung der Beklagten, sie könne auch die den Arbeitnehmern noch zustehenden Einkommensanteile beitreiben, um sie dann nachträglich an die Arbeitnehmer auszukehren, denn es gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben der ARGE, zivilrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber einzuklagen und beizutreiben.

127

Schließlich sind die Ausführungen der Beklagten zu der sozialrechtlichen Behandlung der Situation, in der der Arbeitnehmer zunächst Ausfälle im Arbeitseinkommen hat und später eine größere Nachzahlung in einem Block erhält, nicht hilfreich. Denn eine solche Situation liegt hier nicht vor. Der Arbeitgeber hat bisher keine Nachzahlung auf seine noch offene Schuld an die Arbeitnehmer geleistet, so dass offen bleiben kann, wie diese auf die laufenden Sozialleistungen zu verrechnen wäre. Schon gar nicht können die dabei anzuwendenden Rechtsregeln die Auslegung von § 115 SGB X beeinflussen. Wenn der Beklagte letztlich wie ausgeurteilt an die Klägerin zahlen wird, braucht die Klägerin nichts mehr zu verrechnen. Sie hat den ausgezahlten Betrag monatsweise anteilig dadurch erworben, dass sie den betroffenen Arbeitnehmern Sozialleistungen gewährt hat; Verrechnungsprobleme tauchen dabei nicht auf.

2.

128

Der begründete Teil der Klagforderung errechnet sich aus den folgenden Einzelheiten.

a)

129

Der Arbeitnehmer Ol. hat im Jahre 2008 von Mai bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.832,26 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Mai hat das Einkommen bei 48 Arbeitsstunden 277,44 EUR betragen, im Juli 312,12 EUR (bei 54 Stunden), im August 161,84 EUR (bei 28 Stunden), im September 277,44 EUR (bei 48 Stunden), im Oktober 242,76 EUR (bei 42 Stunden), im November 254,32 EUR (bei 44 Stunden) und im Dezember 306,34 EUR (bei 53 Stunden).

130

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im Mai 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 277,44 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 177,44 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 35,49 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Ol. in Höhe von 135,49 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 141,95 EUR. Für Juni 2008 macht die Klägerin aus nicht erklärbaren Gründen keinen Anspruchsübergang geltend. Legt man die obige Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Juli 169,70 EUR des Einkommens in Höhe von 312,12 EUR zu, für August 49,47 EUR von 161,84 EUR, im September 141,95 EUR von 277,44 EUR, im Oktober 114,21 EUR von 242,76 EUR, im November 123,46 EUR von 254,32 EUR und im Dezember 165,07 EUR von 306,34 EUR.

131

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 247,80 EUR ein Anteil in Höhe von 118,24 EUR zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in diesem Monat 120,00 EUR tatsächliche Vergütung bezogen hat, so dass in Höhe von 16,00 EUR (80,00 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Einkommens) durch Reduzierung der tatsächlich geflossenen Sozialleistung bereits bei der Auszahlung der Sozialleistung eine Teilverrechnung stattgefunden hat. Der Anteil an dem Einkommen, der auf die Beklagte übergehen kann, reduziert sich daher um diesen Betrag von 118,24 EUR auf dann nur noch 102,24 EUR. Für die weiteren drei Monate, in denen der Arbeitnehmer auch 120,00 EUR verdient hatte, gilt Ähnliches. Im März hat der Arbeitnehmer einen Entgeltanspruch in Höhe von 283,20 EUR, der in Höhe von 146,56 EUR auf seinen sozialrechtlichen Bedarf anzurechnen ist. Da eine Anrechnung im Umfang von 16,00 EUR bereits erfolgt ist, sind die Ansprüche nur im Umfang von 140,56 EUR auf die Klägerin übergegangen, der restliche Anspruch verbleibt dem Arbeitnehmer. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 247,80 EUR - rechnerisch identisch mit den Werten aus dem Februar 2009 - noch ein Betrag in Höhe von 102,24 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

132

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Ol. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.377,97 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 2.451,62 EUR.

b)

133

Die Arbeitnehmerin Ka. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,13 EUR insgesamt 774,63 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Oktober hat das Einkommen bei 49 Arbeitsstunden 251,37 EUR betragen, im November bei 50 Stunden 256,50 EUR und im Dezember bei 52 Stunden 266,76 EUR.

134

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 251,37 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 151,37 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 30,27 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ka. in Höhe von 130,27 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 121,10 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 125,20 EUR des Einkommens in Höhe von 256,50 EUR zu und im Dezember 133,41 EUR von 266,76 EUR.

135

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 2.946,24 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 41 Stunden Arbeit 216,48 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 93,18 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 56 Arbeitsstunden 295,68 EUR verdient, wovon der Klägerin 156,54 EUR zustehen. Im März hat sie bei 49 Arbeitsstunden 258,72 EUR verdient, wovon der Klägerin 126,98 EUR zustehen. Im April hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Mai hat sie bei 46 Arbeitsstunden 242,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 114,30 EUR zustehen. Im Juni hat sie bei 36 Arbeitsstunden 190,08 EUR verdient, wovon der Klägerin 72,06 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 274,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 139,65 EUR zustehen. Im August hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im September hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Oktober hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im November hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Und im Dezember hat sie bei 50 Arbeitsstunden 264,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 131,20 EUR zustehen.

136

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 215,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 92,48 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 42 Arbeitsstunden 226,38 EUR verdient, wovon der Klägerin 101,10 EUR zustehen. Im März hat sie bei 50 Arbeitsstunden 269,50 EUR verdient, wovon der Klägerin 135,60 EUR zustehen. Im April hat sie bei 54 Arbeitsstunden 291,06 EUR verdient, wovon der Klägerin 152,08 EUR zustehen.

137

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ka. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.258,73 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.195,30 EUR.

c)

138

Die Arbeitnehmerin Wi. hat im Mai und Juni 2008 insgesamt 54 Stunden gearbeitet. Ihr steht dafür ein Einkommen in Höhe von 285,12 EUR zu (siehe oben). Davon sind nach den oben ausgeführten Regeln auf die Klägerin übergegangen 80,51 EUR und zwar aus dem Einkommen in Höhe von 200,64 EUR für 38 Arbeitsstunden im Monat Juni 2008.

d)

139

Die Arbeitnehmerin Ku. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,61 EUR insgesamt 852,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: im Oktober hat das Einkommen bei 50 Arbeitsstunden 280,50 EUR betragen, im November bei 52 Stunden 291,72 EUR und im Dezember bei 50 Stunden 280,50 EUR.

140

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 280,50 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 180,50 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 36,10 EUR ergibt.

141

Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ku. in Höhe von 136,10 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 144,40 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 138,34 EUR des Einkommens in Höhe von 291,72 EUR zu und im Dezember 144,40 EUR von 280,50 EUR.

142

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 3.148,78 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 50 Stunden Arbeit 289,00 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 41 Arbeitsstunden 236,98 EUR verdient, wovon der Klägerin 109,58 EUR zustehen. Im März hat sie bei 46 Arbeitsstunden 265,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 132,70 EUR zustehen. Im April hat sie bei 50 Arbeitsstunden 289,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen.

143

Im Mai 2008 hat Frau Ku. bei 70 Arbeitsstunden 404,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 243,68 EUR zustehen. Das Einkommen von Frau Ku. in diesem Monat lag daher höher als die pauschalierte Regelleistung für den Berechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II, die seinerzeit auf 347,00 EUR festgesetzt war (Mitteilung der Klägerin hier Blatt 485). Wegen der abzurechnenden Freibeträge kann aber dennoch festgestellt werden, dass der übergegangene Teil des Lohnanspruchs der Frau Ku. in Höhe von 243,68 EUR immer noch ausschließlich dazu dient, den eigenen sozialrechtlichen Bedarf der Arbeitnehmerin zu decken bzw. durch Verrechnung auszugleichen. Daher stellt sich trotz des auffällig höheren Einkommens der Frau Ku. für diesen Monat auch hier nicht die Frage, ob der Anspruchsübergang auf die ARGE auch dadurch begrenzt wird, dass er etwa nur für Sozialleistungen gilt, die dem Arbeitnehmer zu Gute kommen, oder ob er auch Sozialleistungen erfasst, die anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu Gute kommen, ob also der Arbeitgeber auch in Anspruch genommen werden kann für Sozialleistungen, die der Träger der Sozialversicherung nicht an den Arbeitnehmer selbst, sondern an andere Personen der Bedarfsgemeinschaft geleistet hat. Diese - in der Rechtsprechung bisher noch nicht geklärte - Frage kann daher für den vorliegenden Rechtsstreit unbeantwortet bleiben.

144

Im Juni 2008 hat Frau Ku. bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen.

145

Im August 2008 hat Frau Ku. 120,00 EUR tatsächlich verdient. Bei 40 Arbeitsstunden hätte sie eigentlich 231,20 EUR verdienen müssen, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen. Wegen des erhöhten tatsächlichen Einkommens hat die Klägerin im Verhältnis zu Frau Ku. allerdings schon im Zuflussmonat September 2008 eine Anrechnung des Einkommens auf die Sozialleistung in Höhe von 16,00 EUR vorgenommen, weshalb hier nur noch weitere 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sein können (Einzelheiten dazu sind oben beim Arbeitnehmer Ol. dargestellt). Im September hat Frau Ku. bei 44 Arbeitsstunden 254,32 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 123,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 107,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Oktober hat sie bei 40 Arbeitsstunden 231,20 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im November hat sie bei 36 Arbeitsstunden 208,08 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 86,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 70,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Dezember 2008 und in den Folgemonaten hat Frau Ku. dann wieder nur 80,00 EUR monatlich tatsächlich verdient. Rechtlich gesehen hat sie im Dezember 2008 bei 30 Arbeitsstunden 173,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 58,72 EUR zustehen.

146

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 36 Arbeitsstunden 212,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 89,92 EUR zustehen. Im März hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im April hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen.

147

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ku. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.382,32 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.268,43 EUR.

e)

148

Der Arbeitnehmer Fi. hat im Jahre 2008 von September bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.005,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im September bei 28 Stunden 161,84 EUR, im Oktober bei 46 Stunden 265,88 EUR, im November bei 50 Stunden 289,00 EUR und im Dezember bei wiederum 50 Stunden abermals 289,00 EUR.

149

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im September 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 161,84 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 61,84 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 12,37 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Fi. in Höhe von 112,37 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 49,47 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Oktober 132,70 EUR des Einkommens in Höhe von 265,88 EUR zu, für November 151,20 EUR von 289,00 EUR und im Dezember ebenfalls 151,20 EUR von 289,00 EUR.

150

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR für 46 Stunden ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden ein Anteil in Höhe von 127,68 EUR zu. Im März hat der Arbeitnehmer ebenfalls einen Entgeltanspruch in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden erworben, der in Höhe von 127,68 EUR auf die Klägerin übergegangen ist. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 318,60 EUR für 54 Stunden ein Betrag in Höhe von 174,88 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

151

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Fi. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.051,94 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 1.892,23 EUR. Bei diesem Wert ist die Teilklagerücknahme im Umfang 47,10 EUR aus der mündlichen Verhandlung (behaupteter Anspruchsübergang für Mai 2009) bereits berücksichtigt.

f)

152

Von den noch nicht erfüllten Lohnforderungen der Betroffenen sind damit auf die Klägerin lediglich Ansprüche im Umfang von 7.151,46 EUR übergegangen.

C.

153

Die Klage ist nur begründet, soweit die noch nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitslohn auf die Klägerin übergegangen sind. Das ergibt einen Betrag in Höhe von 7.151,46 EUR. Dieser Wert liegt um 534,04 EUR über dem 6.617,42 EUR, die das Arbeitsgericht der Klägerin bereits zugesprochen hat. Daher ist die klägerische Berufung in diesem Umfang erfolgreich, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

154

Soweit die Berufung erfolgreich ist, hat das Gericht den geforderten Verzugszins nur ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Forderung zugesprochen, da es nicht möglich erscheint, den Obsiegensanteil der Berufung der Klägerin hinsichtlich der Zinsen auf die verschiedenen Zeitpunkte, zu denen für die einzelnen Teile der Gesamtforderung Verzug eingetreten ist, aufzuteilen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Obsiegensanteil aus vielen kleinen Abweichungen im rechnerischen Ansatz der Klägerin und des Arbeitsgerichts zusammensetzt und eine Zuordnung zu den einzelnen streitigen Monaten und Personen daher nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. - Rechtshängigkeit ist mit Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 29. Juni 2009 eingetreten, da die Klageschrift alsbald danach nämlich am 7. Juli 2009 beim Beklagten zugestellt worden ist (§ 167 ZPO).

155

Aus der dargestellten Rechtslage und dem Vergleich mit dem Ausspruch des Arbeitsgerichts ergibt sich auch, dass die Berufung des Beklagten insgesamt keinen Erfolg hat.

156

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Beide Berufungen hatten zusammen einen Wert in Höhe von 10.982,33 EUR, wovon die Klägerin mit insgesamt 7.151,46 EUR obsiegt hat, was das Gericht mit 70 Prozent bewertet hat. Angesichts der marginalen Unterschiede zwischen der Entscheidung des Arbeitsgerichts und der Rechtslage wie sie das Berufungsgericht sieht, rechtfertigt sich eine Abänderung der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts nicht.

157

Die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 49/99 Verkündet am:
13. Juni 2001
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Im Rahmen der Prüfung, ob bei einem Gaststättenpachtvertrag ein auffälliges
Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und der Vertrag deshalb
als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist auch die
von der EOP-Methode abgeleitete sogenannte "indirekte Vergleichswertmethode"
nicht geeignet, den zum Vergleich heranzuziehenden marktüblichen Pachtzins zu
bestimmen (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.).

b) Besteht bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag ein krasses Mißverhältnis
zwischen dem vereinbarten Miet- oder Pachtzins und dem marktüblichen Mietoder
Pachtzins, so rechtfertigt dies allein - wenn keine weiteren für ein sittenwidriges
Verhalten sprechenden Umstände hinzukommen - den Schluß auf eine verwerfliche
Gesinnung des objektiv Begünstigten regelmäßig nur dann, wenn für ihn
ohne weiteres erkennbar war, wie hoch der marktübliche Miet- oder Pachtzins in
etwa sein dürfte.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Stadt F. verpachtete eine in ihrem Eigentum stehende Trinkhalle an eine Brauerei. Die Brauerei verpachtete die Trinkhalle durch Vertrag vom 19. Juni 1978 weiter an den Kläger. Am 22. Februar 1992 schloß der Kläger - vertreten durch seine Ehefrau - einen bis zum 1. März 1997 laufenden Unterpachtvertrag mit dem Beklagten. Der von dem Beklagten monatlich zu entrichtende Pachtzins sollte 2.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer betragen, außerdem sollte der Beklagte eine unverzinsliche Kaution von 20.000 DM und monatlich eine Nebenkostenvorauszahlung von 300 DM leisten. Weiter verpflich-
tete sich der Beklagte, während der Vertragszeit Bier und alkoholfreie Getränke ausschließlich über eine von der Hauptpächterin - der Brauerei - benannte Firma zu beziehen. Die Brauerei erklärte mit Schreiben vom 4. September 1992 die ordentliche Kündigung des mit dem Kläger abgeschlossenen (Unter-)Pachtvertrages zum 31. Dezember 1992. Grund für diese Kündigung war nach Darstellung des Klägers, daß der Beklagte gegen die Getränkebezugsverpflichtung verstoßen hatte. Die Brauerei schloß jedoch am 12. November 1992 mit der Ehefrau des Klägers einen Anschlußpachtvertrag. Auf die Nutzung der Trinkhalle durch den Beklagten hatte das keinen Einfluß. Mit Schreiben vom 14. Juli 1993 kündigten der Kläger und seine Ehefrau den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten fristlos, unter anderem weil der Beklagte seit Monaten keinen Pachtzins mehr gezahlt hatte. Der Beklagte räumte das Pachtobjekt am 2. Januar 1996. Der Kläger macht mit der Klage für die Zeit bis zur fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung von rückständigem Pachtzins geltend, für die Zeit danach bis zum Auszug des Beklagten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses. Insgesamt verlangt der Kläger 117.450 DM zuzüglich gestaffelter Zinsen abzüglich der geleisteten Kaution von 20.000 DM, die er zum 2. Januar 1996 - dem Tag des Auszugs des Beklagten - verrechnen will. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 29.410 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dahin neu ge-
faßt, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er erreichen will, daß die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen wird, und mit der er im übrigen seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt, soweit ihm das Landgericht nicht stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, der zwischen den Parteien abgeschlossene Unterpachtvertrag sei als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es liege eine schwere Ä quivalenzstörung vor, weil der objektive Pachtwert nur 1.000 DM netto im Monat betrage, der vereinbarte Pachtzins dagegen 2.500 DM netto pro Monat. Der objektive Pachtwert sei von dem Sachverständigen L. nach der sogenannten EOP-Methode mit 1.000 DM zutreffend ermittelt worden. Das von dem Sachverständigen S. unter Berücksichtigung von Vergleichsmieten erstattete Gutachten, das zu einem deutlich höheren Pachtwert komme, sei demgegenüber nicht überzeugend. Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. seien dem Beklagten Leistungen auferlegt worden, die es ihm nicht möglich machten, aus dem verpachteten Betrieb ein Einkommen für seinen Lebensunterhalt zu erzielen. Das besonders krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung indiziere eine verwerfliche Gesinnung des Klägers.
Infolge der Nichtigkeit des Pachtvertrages fehle ein Rechtsgrund für die beiderseits erbrachten Leistungen, so daß diese nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzugewähren seien. Eine Verrechnung der beiderseitigen Leistungen führe nicht zu einem Überschuß zugunsten des Klägers. Für die Zeit bis einschließlich Dezember 1992 habe der Kläger dem Beklagten die Nutzung an der Trinkhalle zur Verfügung gestellt, die entsprechend dem objektiven Pachtwert mit monatlich 1.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu bewerten sei. Dem stehe schon die von dem Beklagten erbrachte Kaution von 20.000 DM gegenüber. Ab dem 1. Januar 1993 sei der Kläger nicht mehr zum Gebrauch der Pachtsache berechtigt und in der Lage gewesen, dem Beklagten die Räumlichkeiten zu überlassen, weil sein Pachtverhältnis mit der Brauerei zum 31. Dezember 1992 wirksam gekündigt worden sei. Insofern fehle es "im Verhältnis der Parteien zueinander an einer durch Leistung des Klägers eingetretenen Vermögensverschiebung". Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, wie die Revision zu Recht rügt, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Der Senat hat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden, daß die sogenannte EOP-Methode (an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung) nicht geeignet ist zur Bewertung einer Gaststättenpacht, wie sie für die Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB erforderlich ist (Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.). Da das Berufungsgericht seine Annahme, es liege ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, und deshalb sei der Vertrag nichtig, ausschließlich auf ein nach der EOP-Methode erstattetes Gutachten gestützt hat, ist seine Beurteilung rechtsfehlerhaft. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
3. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO), auch nicht über einen Teil der Klageforderung.
a) Soweit der Kläger rückständigen Pachtzins geltend macht, hängt die Begründetheit der Klage davon ab, ob der Pachtvertrag wirksam oder nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es den zum Vergleich mit dem vereinbarten Pachtzins heranzuziehenden objektiven Pachtwert in zulässiger Weise ermittelt. Auf die Ausführungen in dem zitierten Senatsurteil wird verwiesen.
b) Auch der von dem Kläger für die Zeit nach der fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses ist nicht zur Entscheidung durch das Revisionsgericht reif. Sollte der Unterpachtvertrag entgegen der Annahme des Berufungsgerichts wirksam sein, so kommt ein entsprechender Anspruch des Klägers nach § 584 b BGB in Betracht. Zwar steht nach Beendigung eines Untermietverhältnisses dem Hauptmieter gegen den Untermieter grundsätzlich kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB mehr zu, wenn auch das Hauptmietverhältnis beendet ist und der Hauptmieter deshalb keine Nutzungsberechtigung mehr hat (Senatsurteil vom 4. Oktober 1995 - XII ZR 215/94 - ZMR 1996, 15 = NJW 1996, 46). Das hat für die Beendigung eines Unterpachtverhältnisses entsprechend zu gelten. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwar das Hauptpachtverhältnis zwischen dem Kläger und der Brauerei zum 31. Dezember 1992 beendet worden ist, daß aber unmittelbar im Anschluß daran die Ehefrau des Klägers einen entsprechenden Hauptpachtvertrag mit der Brauerei abgeschlossen hat und daß durch diese Veränderung die Nutzungsmöglichkeit des Beklagten in keiner Weise beeinträchtigt worden ist. Es liegt nahe anzunehmen, daß die
Ehefrau des Klägers, nachdem die Brauerei den Vertrag mit dem Kläger gekündigt hatte, die Trinkhalle gerade deshalb von der Brauerei angepachtet hat, weil sie es dem Kläger ermöglichen wollte, den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten zu erfüllen. In diesem Fall hatte der Kläger weiterhin eine von seiner Ehefrau abgeleitete Nutzungsberechtigung. Auch insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachholen kann. Im übrigen könnte der Senat auch schon deshalb nicht abschließend nur über die geltend gemachte Nutzungsentschädigung entscheiden, weil sich den Feststellungen des Berufungsurteils - aus der Sicht des Berufungsgerichts zu Recht - nicht entnehmen läßt, welcher Teil des eingeklagten Betrages auf rückständigen Pachtzins entfällt.
c) Der Senat kann auch nicht abschließend entscheiden, soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 31. Juli 1997 die Klageforderung in Höhe von 2.414 DM zuzüglich Zinsen anerkannt hat. Zwar steht der Wirkung dieses Anerkenntnisses, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht entgegen, daß der Kläger keinen Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils (§ 307 Abs. 1 ZPO) gestellt hat. Die Wirkung eines wirksam abgegebenen prozessualen Anerkenntnisses erschöpft sich nämlich nicht darin, lediglich Grundlage für ein Anerkenntnisurteil zu sein. Sie bleibt vielmehr auch dann bestehen, wenn kein Anerkenntnisurteil ergeht. Auch dann sind die Gerichte im Umfang des Anerkenntnisses grundsätzlich der Verpflichtung zur Prüfung des Streitstoffes enthoben. Dies gilt nicht nur für eine Instanz, sondern für den ganzen Prozeß (Senatsurteil vom 17. März 1993 - XII ZR 256/91 - NJW 1993, 1717, 1718 m.N.). Der Senat hat aber bereits entschieden, daß die
Berufung auf ein prozessuales Anerkenntnis gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn das Anerkenntnis nicht der wahren Rechtslage entspricht und die Unrichtigkeit dem Prozeßgegner bekannt ist (Senatsurteil BGHZ 80, 389, 399 m.N.). Sollte der Unterpachtvertrag als wucherähnliches Geschäft sittenwidrig sein, so ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Berufung des Klägers auf ein Anerkenntnis, das der Erfüllung dieses Vertrages dient, gegen Treu und Glauben verstoßen könnte (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO 22. Aufl. § 307 Rdn. 4 m.N.). Auch dieser Punkt bedarf der tatrichterlichen Beurteilung. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Nachdem der Senat entschieden hat, daß die EOP-Methode ungeeignet ist zur Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, ist das Oberlandesgericht München in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung (Urteil vom 4. September 2000 - NZM 2000, 1059) einer Bewertungsmethode gefolgt, der sogenannten "indirekten Vergleichswertmethode" , die in der Literatur von einem Vertreter der EOP-Methode als Reaktion auf die Entscheidung des Senats empfohlen worden ist (Walterspiel, NZM 2000, 70 ff.). Die Gründe, deretwegen der Senat die EOP-Methode für ungeeignet hält, gelten jedoch auch gegenüber der indirekten Vergleichswertmethode. Weder das Oberlandesgericht München noch Walterspiel legen dar, daß bei der offensichtlich der EOP-Methode nachgebildeten neuen Methode Ä nderungen vorgenommen worden sind, die den Beanstandungen des Senats gegenüber der EOP-Methode Rechnung tragen. Die neue Methode stellt - wie die EOP-Methode - "als Basis für die Ermittlung des marktüblichen Mietzinses auf die Umsatzerwartung je Sitzplatz und auf einen betriebsartbezogenen Prozentsatz vom Gesamtertrag" ab (so zutreffend OLG München aaO S. 1061) und
kalkuliert dabei einen als angemessen angesehenen Unternehmensgewinn ein. Insbesondere legt auch sie ihrer Beurteilung statistische Ertragswerte zugrunde , die ein "normalqualifizierter Betreiber" (Walterspiel aaO S. 75) erzielen kann. Auch an diesem Punkt zeigt sich, daß beide Methoden die besondere Marktsituation des konkreten Objekts nicht ausreichend berücksichtigen (Senatsurteil BGHZ aaO S. 265). Es gibt etwa Pachtinteressenten, die überdurchschnittlich qualifiziert sind oder sich bei dem in Frage kommenden Kundenkreis bereits einen guten Ruf erworben haben oder die über besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten verfügen oder die - eventuell einschließlich ihrer Familienangehörigen - bereit sind, besonders viel zu arbeiten. Derartige Interessenten sind in der Lage und - insbesondere wenn nicht viele für sie geeignete Objekte auf dem Markt sind - vielfach auch bereit, einen relativ hohen Pachtzins zu vereinbaren. Handelt es sich um ein entsprechend gefragtes Objekt und besteht dafür auf dem Markt eine Nachfrage von derartigen Interessenten, dann entspricht der Marktpreis dem, was diese Interessenten für ein solches Objekt zu zahlen bereit sind, auch wenn ein "normal qualifizierter Betreiber" sich einen solchen Pachtzins nicht leisten könnte. Entsprechendes gilt, wenn abzusehen ist, daß bei der gegebenen Marktsituation mehrere Brauereien oder Ketten ein solches Objekt dringend suchen. Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem Markt zu zahlen ist (Senatsurteil BGHZ aaO). Bei Miet- oder Pachtverhältnissen ist demnach der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand des Miet- oder Pachtzinses zu ermitteln, der für vergleichbare Objekte erzielt wird (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Es ist zutreffend, daß es Fälle gibt, in denen diese sogenannte Vergleichswertmethode nicht angewendet werden kann, weil es keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt. Auch wenn solche Fälle seltener sind, als die Vertreter der EOP-Methode oder der indi-
rekten Vergleichswertmethode vorgeben, müssen sie in die Betrachtung einbezogen werden. Der Senat hat ausgeführt, daß in solchen Fällen "andere Erfahrungswerte heranzuziehen" seien (BGHZ aaO S. 263). Das bedeutet aber nicht, daß dann die Anwendung der EOP-Methode oder einer ihr nachgebildeten Methode unbedenklich würde (so aber OLG München und Walterspiel jeweils aaO). In solchen Fällen wird es regelmäßig angebracht sein, einen erfahrenen , mit der konkreten Marktsituation vertrauten Sachverständigen beurteilen zu lassen, welcher Mietzins für ein solches Objekt seiner Ansicht nach erzielt werden kann. Es mag sein, daß man bei einem auf diese Weise erstatteten Gutachten mit einer größeren Schätzungstoleranz rechnen muß als bei einem Gutachten, das auf konkreten Vergleichswerten aufbauen kann. Diese Folge muß hingenommen werden. Sie kann jedenfalls nicht dadurch beseitigt oder abgemildert werden, daß man für solche Einzelobjekte von statistischen Durchschnittswerten ausgeht. Daß es für ein Miet- oder Pachtobjekt keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt, kommt nicht nur vor, wenn Räume zum Betrieb einer Gaststätte vermietet oder verpachtet werden, sondern auch dann, wenn ein anderes Gewerbe in ihnen betrieben wird. Auch ein Ladenlokal kann wegen seiner Größe, seines Zuschnitts und seiner Lage mit anderen Ladenlokalen in der Gegend nicht vergleichbar sein. Für die Bewertung, welcher Miet- oder Pachtzins marktüblich ist, bestehen zwischen Miet- oder Pachtverträgen über Gastgewerberäume und Miet- oder Pachtverträgen über andere gewerbliche Räume keine Unterschiede, die es notwendig machten, grundlegend unterschiedliche Bewertungsmethoden zu verwenden.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn Lei-
stung und Gegenleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, Urteil vom 17. April 1980 - III ZR 96/78 - NJW 1980, 2076, 2077). Ein besonders auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (st.Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 - NJW 2000, 2669, 2670 m.w.N.). Für bestimmte Vertragstypen hat der Bundesgerichtshof allein wegen eines krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen , auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechende Umstände hinzukamen. Das gilt insbesondere für Teilzahlungs- oder Ratenkreditverträge mit privaten Kunden (BGHZ 80, 153, 161; 98, 174, 178 m.N.) und für Grundstückskaufverträge (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487, 1488 m.w.N.). Bei Grundstücksverträgen geht der Bundesgerichtshof von einem entsprechenden Mißverhältnis schon dann aus, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO m.N.). Diese Grundsätze sind nicht ohne weiteres auf die Prüfung, ob ein gewerblicher Miet- oder Pachtvertrag als wucherähnliches Geschäft nichtig ist, zu übertragen. Auch in den zitierten Fällen verzichtet die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht etwa auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit. Sie geht lediglich davon aus, daß das vorliegende krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einen hinreichend sicheren Rückschluß darauf zuläßt, daß auch dieses subjektive Element - die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten - gegeben ist. Ein solcher Rückschluß setzt aber voraus , daß sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 284/85 - NJW 1988, 130, 131 m.N.) zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Mißverhältnis vor. Davon kann man jedenfalls nur dann ausgehen, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war. Bei den Darlehensverträgen von Kreditbanken mit Privatpersonen ist das ohne weiteres zu bejahen, weil der Kreditbank der Schwerpunktzins der Bundesbank bekannt ist. Bei Grundstücksgeschäften hat der Bundesgerichtshof diesem Gesichtspunkt insofern Rechnung getragen, als er eine "kritische tatrichterliche Würdigung" für erforderlich hält, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen , daß bei Abschluß des Vertrages aufgrund besonderer Umstände Bewertungsschwierigkeiten bestanden, aufgrund derer der Begünstigte das krasse Mißverhältnis möglicherweise nicht erkannt haben könnte (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO S. 1488). Solche Bewertungsschwierigkeiten kommen beim Abschluß von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen nicht nur in Ausnahmefällen vor. Deshalb ist bei gewerblichen Mietverträgen im Rahmen der Prüfung, ob aus einem auffälligen Mißverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäßig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das krasse Mißverhältnis für den Begünstigten erkennbar war.
Die Mietpreise für gewerbliche Räume sind nicht nur regional sehr unterschiedlich , sie können auch innerhalb ein und derselben Stadt stark schwanken. Dem Senat liegt ein von der Industrie- und Handelskammer Köln herausgegebener Mietspiegel für Gewerbeflächen vor (Stand: März 2000). In diesem Mietspiegel wird die Stadt Köln in neun Stadtbezirke aufgeteilt. Die für die einzelnen Stadtbezirke angegebenen Preise unterscheiden sich erheblich. In dem teuersten Stadtbezirk 1 werden die Quadratmeterpreise für Ladenlokale in der 1 a-Lage (Spitzenlage) angegeben mit 150 bis 300 DM, in der 1 b-Lage (sehr gute Innenstadtlage) mit 50 bis 150 DM. Da es oft schwierig ist zu entscheiden , ob ein in guter Geschäftslage liegendes Objekt der 1 a-Lage oder der 1 b-Lage zuzuordnen ist, ergibt sich eine Preisspanne von 50 bis 300 DM. Hinzu kommt, daß sich im Bereich der gewerblichen Miete das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nicht selten relativ kurzfristig verändert mit der Folge, daß aus einem Vermietermarkt ein Mietermarkt wird oder umgekehrt. Dies hat zur Folge, daß sich die erzielbaren Mietpreise innerhalb kurzer Zeit erheblich verändern können. Eine solche Entwicklung hat beispielsweise in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach dem Beitritt stattgefunden. Bei dieser Sachlage kann es sowohl für einen Vermieter als auch für einen Mieter, insbesondere wenn er nicht ortsansässig und mit der gewerblichen Vermietung nicht vertraut ist, schwierig sein abzuschätzen, welcher Mietpreis angemessen ist. Für eine ortsansässige Brauerei, die ständig Gasträume vermietet und anmietet, gilt das nicht in gleicher Weise. Einem privaten Vermieter, der einen Mietpreis im oberen Bereich der dargelegten Schwankungsbreite durchgesetzt hat, kann man nicht ohne weiteres ein unredliches Verhalten vorwerfen , wenn ein Sachverständiger später überzeugend begründet, daß inner-
halb der Schwankungsbreite ein um die Hälfte niedrigerer Preis marktüblich gewesen wäre. In einem solchen Falle wird es im Rahmen der Prüfung, ob ein wucherähnliches Geschäft i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB vorliegt, darauf ankommen,
ob neben dem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung weitere Umstände oder weitere Regelungen in dem Vertrag für eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners sprechen.
Blumenröhr Krohn Gerber Wagenitz Fuchs

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten

1.
für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen,
2.
für die Gewährung eines Kredits,
3.
für eine sonstige Leistung oder
4.
für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen
Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wirken mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Mißverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt,
2.
die Tat gewerbsmäßig begeht,
3.
sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen läßt.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.