Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 30. Nov. 2017 - 7 Sa 90/17

bei uns veröffentlicht am30.11.2017

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Juni 2017 (20 Ca 22/17) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.100,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2017 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch wegen einer vom Kläger behaupteten Diskriminierung als Schwerbehinderter.

2

Der schwerbehinderte Kläger hat sich mit einem Anschreiben vom 27. Dezember 2016 (Anlage B 3, Bl. 100 d. A.) um eine Hauswartstelle bei der Beklagten beworben. Nach einem Vorstellungsgespräch am 04. Januar 2017 arbeitete er vom 09. bis zum 11. Januar 2017 zur Probe bei der Beklagten.

3

Da die Beklagte mit den Leistungen des Klägers bei der Probearbeit sehr zufrieden war, entschloss sie sich, ihm ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten. Hierzu führte sie durch ihren technischen Leiter Herrn B. am 11. Januar 2017 ein Gespräch mit dem Kläger, in dem sie ihm unter anderem mitteilte, dass ihre durchschnittlichen Einstiegsgehälter zwischen € 2.300,00 und € 2.500,00 lägen. Die Parteien einigten sich schließlich auf ein Einstiegsgehalt von € 2.700,00 brutto. Am selben Tag übergab die Beklagte dem Kläger den von ihr bereits unterzeichneten, als Anlage K 1 (Bl. 4 bis 9 d. A.) vorliegenden Arbeitsvertrag. Dieser beinhaltet in § 1 Abs. 1 eine Befristung des Arbeitsverhältnisses vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Januar 2018 sowie in § 5a die Regelung, dass dem Mitarbeiter kein Dienstwagen zur Verfügung steht. § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

4

„Der Mitarbeiter versichert, dass er arbeitsfähig ist, nicht an einer infektiösen Erkrankung leidet und keine sonstigen Umstände vorliegen, die ihm die vertraglich zu leistende Arbeit jetzt oder in naher Zukunft wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Der Mitarbeiter erklärt weiter, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt. Sofern etwa die Voraussetzungen dafür später eintreten, wird er das Unternehmen hiervon unverzüglich in Kenntnis setzen.“

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Der Kläger hat diesen Vertrag nicht sogleich unterschrieben, sondern mit nach Hause genommen, um ihn sich in Ruhe durchzulesen.

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Am 12. Januar 2017 teilte er der Beklagten per E-Mail mit, dass er einige Änderungswünsche hinsichtlich des Vertragsinhalts habe. So wünschte er in § 1 Abs. 1 des Vertrages eine Ergänzung dahingehend, dass ihm spätestens zum 31. Oktober 2017 mitgeteilt werden solle, ob eine Entfristung erfolge. Ferner begehrte er die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens für berufliche Zwecke. § 9 Abs. 1 sollte in Gänze gestrichen werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der E-Mail wird auf deren Inhalt (Anlage B 1, Bl. 29 bis 31 d. A.) verwiesen.

7

Aufgrund dieser E-Mail kam es noch am selben Tag zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin Frau K., in dem der Kläger der Beklagten erstmals mitteilte, dass er schwerbehindert sei. Was im Rahmen des Telefonats des Weiteren gesagt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

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Am 13. Januar 2017 führte der Kläger mit Frau E. von der Beklagten zwei Telefonate, deren Gesprächsinhalte ebenfalls streitig sind; in einem dritten Telefonat teilte Frau E. ihm noch am selben Tag mit, dass man ihn nicht einstellen wolle. Parallel hierzu kommunizierte Frau E. mit der Geschäftsführerin der Beklagten per E-Mail bzw. whatsapp. Dort heißt es u.a. (Anl. B 5, Bl. 104 ff d.A.):

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...Keine 10 Min. später rief er an und meinte, er müsse seinem jetzigen Arbeitgeber bis 15.00 Uhr eine Entscheidung mitteilen, sonst wäre die Vereinbarung, eine kürzere Kündigungsfrist zuzulassen, hinfällig. Ich bohrte dann ein bisschen nach und auch ich fand das Gespräch an sich sehr positiv. ...

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Meine Meinung: Wenn ich mit Herrn G. spreche, hört sich immer alles ganz toll an... er kann gut reden... allerdings bin ich mir nicht zu 100% sicher, dass wir uns mit ihm einen Gefallen tun. ...

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Auf die Frage in einer weiteren Nachricht, was sie tun solle, sie habe gesagt, sie rufe ihn in einer halben Stunde zurück, antwortete die Geschäftsführerin:

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„nix. bzw. nein: Bitte Absagen. zu viele Versionen. Dabei bleibt es. Trotzdem danke für Ihre Mühe. Jetzt keine Zeit mehr daran verschwenden...

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Wegen des weiteren Inhalts der E-Mail- bzw. whatsapp-Kommunikation wird auf die Anlage B 5 Bezug genommen.

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Mit einer E-Mail vom 13. Januar 2017 (Anlage B 2, Bl. 32 ff. d. A.) wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass sie sich nicht in Bezug auf seine Schwerbehinderung gegen ihn entscheiden könne, dass er den Arbeitsvertrag bereits am 12. Januar 2017 unterschrieben habe und dass sie ihm wegen einer Diskriminierung eine Entschädigung von drei Monatsgehältern, d.h. insgesamt in Höhe von € 8.100,00 zahlen müsse.

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Diese Entschädigung hat der Kläger mit seiner am 24. Januar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 01. Februar 2017 der Beklagten zugestellten Klage sodann gerichtlich geltend gemacht.

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Der Kläger hat vorgetragen, am 12. Januar 2017 habe ihn Frau K. am Telefon gefragt, was für ein Problem er mit der Regelung in § 9 des Arbeitsvertrages habe. Daraufhin habe er ihr mitgeteilt, dass er schwerbehindert sei. Frau K. habe gesagt, sie müsse in Anbetracht dieser neuen Information „eine Nacht über die Sache schlafen“, bisher habe sie keine schwerbehinderten Mitarbeiter. Am 13. Januar 2017 habe ihm Frau E. am Telefon mitgeteilt, dass er einen „denkbar schlechten Start hingelegt“ habe, weil er seine Schwerbehinderung zunächst verschwiegen habe. Sie habe gesagt, er dürfe nicht vergessen, dass Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz genössen. Sodann sei wörtlich der Satz gefallen: „Das möchten wir hier nicht haben.“ Frau E. habe ihm schließlich gesagt, dass sie das nicht allein entscheiden, sondern mit Frau K. Rücksprache halten wolle. Nach dem Telefonat habe ihm seine Ehefrau den Vorwurf gemacht, dass er nicht auf einer Entscheidung bestanden habe. Deshalb habe er kurze Zeit später erneut Frau E. angerufen und gesagt, dass er eine Antwort bzgl. der Schwerbehinderung haben wolle, da er noch andere Bewerbungen laufen habe, aber gerne für die Beklagte arbeiten wolle. Frau E. habe erneut gesagt, dass man den Kläger wegen des Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte nicht beschäftigen wolle. Daraufhin habe er gesagt, dass der Kündigungsschutz erst nach 6 Monaten greife. Frau E. habe sodann zugesagt, nochmals mit Frau K. Rücksprache halten zu wollen. Den Inhalt beider Telefonate mit Frau E. könne seine Ehefrau bezeugen, die die Telefonate habe mithören können, weil der Hörer aufgrund einer Hörbehinderung seines Sohnes sehr laut gestellt sei. Die Nichtberücksichtigung allein aufgrund seiner Schwerbehinderung stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung i.S.d. AGG dar.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger 8.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Die Beklagte hat vorgetragen, im Rahmen der Probearbeit habe der Kläger ihr mitgeteilt, dass er bisher in seinem ungekündigten Arbeitsverhältnis € 3.200,00 brutto im Monat verdiene, zzgl. Zulagen in Höhe von rund € 200,00. Die Einstiegsgehälter der bei ihr derzeit beschäftigten Hauswarte lägen zwischen € 1.900,00 und € 2.400,00. Der Kläger habe den Vertrag nicht gleich am 11. Januar 2017 unterschrieben, weil Frau K. ihm gesagt habe, dass er über den Vertrag noch einmal in Ruhe nachdenken solle. Frau K. habe selbst mit dem Vertrag, insbesondere mit der großen Gehaltsdifferenz, „Bauchschmerzen“ gehabt. Mit den angebotenen € 2.700,00 sei sie ohnehin an ihre „Schmerzgrenze“ gegangen. In dem Telefonat am 12. Januar 2017 habe sie die für sie unerwarteten Änderungswünsche des Klägers besprechen und nachvollziehen wollen. Der Kläger habe in dem Telefonat freiwillig und ungefragt offenbart, dass er schwerbehindert sei. Hierauf habe sie gesagt, dass das nichts zur Sache tue, da er eine gute Probearbeitszeit abgeliefert habe. Auf ihre Nachfrage, warum er schwerbehindert sei, habe er gesagt, dass er etwas mit den Venen habe und deshalb Thrombosestrümpfe tragen müsse. Eigentlich habe er die Schwerbehinderung erst nach der Probezeit ansprechen wollen; er habe das Thema aber nun wegen des Dienstwagens angesprochen. Sie, die Beklagte, habe lediglich gesagt, dass sie (derzeit) keinen anderen schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftige. Bei dieser Äußerung habe sie lediglich „laut“ gedacht, dass sie mit der Einstellung des Klägers die Ausgleichsabgabe vermeiden könne. Bis Oktober 2016 habe sie einen schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftigt, der mit Rentenbezug aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Letztlich sei das Gespräch ergebnislos beendet worden, da sie den Änderungswünschen nicht ohne Beratung habe entsprechen wollen. Man sei übereingekommen, sich am nächsten Tag wieder in Verbindung zu setzen. Anschließend habe Frau K., die zu diesem Zeitpunkt im Urlaub gewesen sei, Frau E. gebeten, ihren Rechtsanwalt zu kontaktieren, um zu erfragen, was eine Schwerbehinderung für die Befristung des Arbeitsverhältnisses bedeute. Die E-Mail von Frau K. an Frau E. vom 12. Januar 2017 laute auszugsweise wie folgt:

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„Herr G. und ich haben mittlerweile einander erreicht. Er kam gleich zur Sache, weil ihm wohl auch nicht wohl bei der Sache war...

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Es ist so, dass wir nicht gefragt haben, ob er schwerbehindert ist. Er hat es aus Angst einer spontanen Absage lieber unerwähnt gelassen. Dann kam der Vertrag. Deshalb auch das Thema Dienstwagen. Hängt wohl zusammen. Habe ich aber nicht ganz verstanden. Ich habe gesagt, dass ich erst mal nachdenken muss, es aber gut finde, dass er jetzt den offenen Weg wählt (...)

24

Grundlegend war das Gespräch aber sehr positiv, weil er sehr offen wirkte. Das sei noch erwähnt.“

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Frau E. habe am nächsten Tag ausweislich des Inhalts der Anlage B 4 Herrn Rechtsanwalt H. kontaktiert, um die rechtlichen Konsequenzen zu erfragen; dieser habe allerdings erst am 17. Januar 2017 eine ausführliche Antwort übersenden können. Am 13. Januar 2017 habe der Kläger Frau E. angerufen. Diese habe ihm in der Tat mitgeteilt, dass die Parteien einen denkbar schlechten Start gehabt hätten; diese Äußerung habe sich allerdings nicht auf die Schwerbehinderung, sondern auf die Änderungswünsche, den großen Gehaltsunterschied und die urlaubsbedingte Abwesenheit von Frau K., die eine Abstimmung erschwert habe, bezogen. Über die Schwerbehinderung sei nicht gesprochen worden. Frau E. habe den Kläger gefragt, warum er sein derzeitiges Arbeitsverhältnis beenden wolle. Er habe ihr mitgeteilt, dass sein derzeitiges Arbeitsverhältnis im Zuge einer Umstrukturierung auf ein anderes Unternehmen übergehen solle. Der neue Arbeitgeber habe gesagt, dass er keine schwerbehinderten Arbeitnehmer beschäftigen wolle. Daraufhin habe Frau E. ihn gefragt, warum er nicht gegen eine solche Kündigung vorgehen wolle, da er aufgrund seiner Schwerbehinderung einen besonderen Kündigungsschutz habe. Der Kläger habe gesagt, dass er damit nicht vor Gericht ziehen wolle und wörtlich gesagt: „Daran gehe ich zugrunde.“ Bzgl. der Änderungswünsche habe sie mit dem Kläger letztlich einen Besprechungstermin für den 17. Januar 2017 vereinbart. Etwa 10 Minuten später habe der Kläger wieder angerufen und mitgeteilt, dass er bis heute, 15:00 Uhr eine Entscheidung benötige, da ihm ansonsten nicht mehr die verkürzten Kündigungsfristen seines alten Arbeitgebers zur Verfügung stünden. Der Kläger habe auf eine verbindliche Antwort bis zu diesem Zeitpunkt bestanden, obwohl ihm Frau E. gesagt habe, dass das Arbeitsverhältnis auch später beginnen könne. Frau E. habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass sie dies nicht allein entscheiden, sondern mit Frau K. besprechen müsse, was schwierig sei, da diese im Ausland sei. Wider Erwarten habe Frau K. Frau E. erreicht, die ihr ausweislich der WhatsApp-Nachricht, Anlage B 6, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 106, 107 d. A.), letztlich mitgeteilt habe, dass sie absagen solle („Bitte absagen. Zu viele Versionen.“). Für ihre Entscheidung, den Kläger nicht zu beschäftigen, sei nicht seine Schwerbehinderung kausal, sondern seine überzogenen Forderungen und sein weiteres Verhalten im Rahmen der Verhandlungen. Sie habe sich durch das „Ultimatum“ des Klägers ungebührlich unter Druck gesetzt gefühlt. Zudem habe sie den Änderungswünschen nicht ohne rechtliche Beratung zustimmen wollen. Diese habe innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist nicht erfolgen können. Sie habe die umfangreichen Änderungswünsche unbedingt überprüfen wollen. Allein aus diesem Grund habe Frau E. dem Kläger letztlich mitgeteilt, dass sie vom Abschluss eines Arbeitsverhältnisses Abstand nehme. Aus der WhatsApp-Nachricht von Frau E. werde deutlich, dass sie sich nicht wegen der Schwerbehinderung, sondern wegen der immer neuen und nicht immer nachvollziehbaren Erklärungen des Klägers und wegen des Ultimatums gegen seine Einstellung entschieden habe. Das Ultimatum aufgrund einer angeblich verkürzten Kündigungsfrist sei für sie nicht nachvollziehbar gewesen, da der Kläger bereits in seinem Anschreiben mitgeteilt habe, dass er eine vierwöchige Kündigungsfrist habe. Sie habe die vertraglichen Regelungen über die Befristung und den Dienstwagen nicht ändern wollen, sondern nur durch ihren Anwalt prüfen lassen wollen, ob aufgrund der Schwerbehinderung Vertragsänderungen notwendig seien. Die Klausel in § 9 des Arbeitsvertrages indiziere keine Benachteiligung. Es handele sich um einen Musterarbeitsvertrag. Für sie sei nicht von Bedeutung, ob ein Mitarbeiter schwerbehindert sei; ihr komme es nur darauf an, ob er seine Tätigkeit ausüben könne. Sie gehe davon aus, dass der Kläger tatsächlich kein ernsthaftes Interesse an der Stelle gehabt habe. Dafür spreche, dass er sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit höherer Vergütung befinde, nicht akzeptable Forderungen stelle, die erkennbar den Interessen des Arbeitsgebers zuwiderliefen und inakzeptabel seien und eine Entschädigung in einem pauschal formulierten Forderungsschreiben geltend gemacht habe.

26

Mit dem der Beklagten am 5. Juli 2017 zugestellten Urteil vom 27. Juni 2017 (20 Ca 22/17, Bl. 131 ff d.A.), auf das zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG seien erfüllt gewesen. Das Entschädigungsverlangen des Klägers sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Ihm sei es tatsächlich um die Einstellung gegangen. Es hätten hinreichend Indizien für eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vorgelegen, die die Beklagte nicht habe entkräften können. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass die Schwerbehinderung mitursächlich für die Entscheidung der Beklagten gewesen sei, den Kläger nicht einzustellen. Ihm sei aber nur eine Entschädigung in Höhe von zwei, nicht in Höhe der beantragten drei Gehälter zuzusprechen gewesen.

27

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung vom 19. Juli 2017, beim Landesarbeitsgericht per Fax vorab eingegangen am selben Tag, gegen das vorgenannte Urteil. Mit Schriftsatz vom 31. August 2017, am selben Tag beim Landesarbeitsgericht vorab per Fax eingegangen, hat die Beklagte ihre Berufung begründet. Die Berufungsbegründung ist dem Kläger am 6. September 2017 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 28. September 2017, am 5. Oktober 2017 vorab per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangen, hat der Kläger Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

28

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von Indizien, die für eine Diskriminierung sprächen, sowie von einer Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung ausgegangen. Die Entscheidung, den Kläger nicht einzustellen, sei ausschließlich deshalb getroffen worden, weil der Kläger zahlreiche Änderungswünsche geltend gemacht habe, die die Beklagte zunächst rechtlich habe prüfen wollen und der Kläger sodann ohne ersichtlichen Grund eine sehr kurze Frist für die Rückmeldung hierzu gesetzt habe. Hinzu sei gekommen, dass der Kläger als Begründung für die Fristsetzung unterschiedliche Versionen zu seinem bestehenden Arbeitsverhältnis hervorgebracht habe. Die Schwerbehinderung des Klägers habe für die Entscheidung der Beklagten keine Rolle gespielt. Das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Fehlerhaft sei es schon davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 22 AGG erfüllt sei. Das Vorliegen der Klausel in § 9 des Arbeitsvertrags sei nicht geeignet, um ein Indiz im Sinne des § 22 AGG begründen zu können. Durch die Frage nach der Schwerbehinderung und deren wahrheitsgemäße Beantwortung würden behinderte Arbeitnehmer gegenüber Nichtbehinderten nicht zurückgesetzt. Die Frage nach der Schwerbehinderung solle es dem Arbeitgeber ermöglichen, den besonderen Schutz des Schwerbehinderten zu verwirklichen, insbesondere den Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes zu beachten. Auch könne die Frage gestellt werden, weil der Arbeitgeber bevorzugt Schwerbehinderte einstellen wolle oder damit er auf die spezifischen Bedürfnisse Rücksicht nehmen könne. Das Arbeitsgericht habe insoweit den Sachvortrag der Beklagten, dass sie keine Schwerbehinderten beschäftige und daher keine Ausgleichsabgabe zahle, nicht gewürdigt. Stattdessen habe es vermutet, dass ein Arbeitgeber mit der Frage nach der Schwerbehinderung ausschließlich den Zweck verfolge, einen Schwerbehinderten nicht einzustellen, um die mit der Schwerbehinderung verbundenen „Schwierigkeiten“ zu vermeiden. Dass ein Arbeitgeber ein Interesse an der Beschäftigung eines Schwerbehinderten haben könne, habe das Arbeitsgericht nicht in Erwägung gezogen. Die Klausel könne auch deshalb für sich genommen kein Indiz für eine Benachteiligung darstellen, weil sie vorgebe, dass eine Änderung der Verhältnisses, also eine später anerkannte Schwerbehinderung, anzuzeigen sei. Das zeige gerade, dass der Arbeitgeber nur Klarheit über die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers haben wolle. Daneben zeige aber auch die Gesamtbetrachtung des Falls, dass ein Indiz nach § 22 AGG durch § 9 des Arbeitsvertrags nicht begründet werden könne. Diese zeige, dass nicht die Schwerbehinderung, sondern die geltend gemachten Änderungswünsche und die Fristsetzung Auslöser für die Absage gegenüber dem Kläger gewesen seien. Ein Indiz, dass die Schwerbehinderung Auslöser für die Absage gewesen sei, hätte nur dann angenommen werden können, wenn die Beklagte im Rahmen des Vorstellungsgesprächs nach einer Schwerbehinderung gefragt habe. Das habe sie aber unstreitig nicht getan. Hinzu komme, dass die Beklagte nach Mitteilung der Schwerbehinderung das Angebot nicht sofort wieder zurückgezogen habe. Vielmehr habe sie sich über die Offenheit des Klägers erfreut gezeigt und habe die Änderungswünsche im Hinblick auf die Schwerbehinderung rechtlich prüfen lassen wollen. Im Übrigen habe die Beklagte die Indizwirkung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung widerlegt. Sie habe plausible Erklärungen für ihre Entscheidung dargelegt und Beweis dafür angeboten, dass die Entscheidung nichts mit der Schwerbehinderung des Klägers zu tun gehabt habe. Das Arbeitsgericht hätte Beweis erheben müssen. Der unterzeichnete Vertrag sei dem Kläger versehentlich mitgegeben worden. Die Geschäftsführerin habe ihn unterschrieben, weil sie davon ausgegangen sei, dass der Kläger mit dem Arbeitsvertrag einverstanden sei. Als sich am 11. Januar 2017 jedoch gezeigt habe, dass der Kläger bezüglich vieler Punkte Bedenken geäußert habe und insbesondere mit seinem wesentlich höheren Gehalt „gepokert“ habe, sei klar gewesen, dass der Vertrag zu diesem Zeitpunkt nicht geschlossen werden würde. Deshalb habe der Kläger den Vertrag mit nach Hause nehmen und in Ruhe lesen sollen. Tatsächlich habe ihm aber ein nicht unterzeichnetes Exemplar mitgegeben werden sollen. Das Angebot sei erst nach dem Ultimatum des Klägers zurückgezogen worden. Die Geschäftsführerin habe gegenüber dem Kläger betont, dass seine Schwerbehinderung kein Problem darstelle. Bis zur Setzung des Ultimatums sei man davon ausgegangen, dass der Kläger bei der Beklagten anfangen werde. Das Ultimatum sei der einzige Grund für den Abbruch der Vertragsverhandlungen gewesen.

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Die Annahme des Arbeitsgerichts gehe fehl, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Schwerbehinderung mitursächlich für die Entscheidung gewesen sei. Auch der Hinweis auf die „verschiedenen Versionen“ des Klägers als Grund für die Absage habe nichts mit seiner Schwerbehinderung zu tun gehabt, was aus dem Sachvortrag der Beklagten hinreichend hervorgehe. In die Aussage „zu viele Versionen“ könne nicht hineininterpretiert werden, dass dazu auch die Mitteilung über die Schwerbehinderung gehöre. Den Änderungswünschen des Klägers habe sie nicht nachkommen wollen. Nach der Mitteilung der Schwerbehinderung habe sie die Änderungswünsche jedoch rechtlich prüfen lassen wollen, nämlich ob diese aufgrund der Schwerbehinderung berechtigt bzw. erforderlich seien (z.B. ob der Kläger wegen seiner Behinderung Anspruch auf einen Firmenwagen, ggf. auch zur privaten Nutzung, habe). Hätte der Kläger seine Schwerbehinderung nicht mitgeteilt und weiterhin auf den Änderungswünschen bestanden, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Insofern könne die Schwerbehinderung nicht ursächlich für die Entscheidung gewesen sein. Jedenfalls aber wäre aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers ein Schadensersatzanspruch der Höhe nach nicht gegeben, da das Verschulden des Klägers das der Beklagten überwogen habe. Der Kläger habe durch sein Verhalten, das Setzen eines Ultimatums, maßgeblich zur Absage durch die Beklagte beigetragen.

30

Die Beklagte beantragt,

31

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27.06.2017, Aktenzeichen 20 Ca 22/17, abzuändern, soweit die Beklagte zur Zahlung von € 5.400,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen verurteilt wurde und die Klage insgesamt abzuweisen.

32

Der Kläger beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen,

34

sowie im Rahmen seiner Anschlussberufung,

35

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27.06.2017 zum Aktenzeichen 20 Ca 22/17 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, € 8.100,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

38

Der Kläger verteidigt das Urteil der ersten Instanz weitgehend und wiederholt dabei seinen erstinstanzlichen Sachvortrag weitestgehend. Unstreitig sei der Arbeitsvertrag von der Beklagten bereits unterzeichnet gewesen. Hätte der Kläger ebenfalls unterschrieben, so wäre er ohne Offenbarung seiner Schwerbehinderung sicherlich eingestellt worden. Bedenken habe der Kläger wegen der Klausel in § 9 gehabt. Zudem habe er weitere Änderungswünsche gehabt. So sei es ihm u.a. darum gegangen, nicht mit seinem PKW zu den Objekten fahren zu müssen. Es sei aber nicht um die Nutzung eines Firmen-PKWs zu privaten Zwecken gegangen. In dem Telefonat vom 12. Januar 2017 habe die Geschäftsführerin nach der Offenbarung der Schwerbehinderung durch den Kläger geäußert, darüber müsse sie eine Nacht schlafen, bisher habe sie keine schwerbehinderten Mitarbeiter gehabt. Die sonstigen Änderungswünsche seien nicht Thema gewesen. Am 13. Januar 2017 habe Frau E. geäußert, der Kläger habe einen denkbar schlechten Start hingelegt, weil er seine Schwerbehinderung zunächst verschwiegen habe. Auch sei die Äußerung gefallen, so etwas – den besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte – wolle man nicht haben. Ein Ultimatum habe der Kläger der Beklagten nicht gesetzt. In dem weiteren Telefonat sei erneut geäußert worden, wegen des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen wolle man den Kläger nicht beschäftigen. § 9 des Arbeitsvertrags indiziere hinreichend eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Die Formulierung sei eindeutig: es können nur Arbeitnehmer eingestellt werden, die nicht schwerbehindert sind, wenn der Arbeitsvertrag in der vorgelegten Form unterzeichnet werde. Denn der Arbeitnehmer solle ja gerade versichern, nicht schwerbehindert zu sein. Auch die Anlage B 4 zeige, dass die Beklagte sich nach der Offenbarung der Schwerbehinderung damit beschäftigt habe, welche (negativen) Konsequenzen es für die Beklagte habe, einen schwerbehinderten Menschen einzustellen. Die gegebene Indizwirkung im Sinne von § 22 AGG werde durch ein Ultimatum des Klägers nicht widerlegt, da es ein solches Ultimatum nicht gegeben habe. Zudem hätten die Änderungswünsche keine wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags betroffen. Ein Dienstwagen sei – unstreitig – mündlich bereits zugesagt gewesen. Der Kläger habe nur eine Regelung in dem Arbeitsvertrag haben wollen. Erst als es darum gegangen sei, § 9 abzuändern, sei er gefragt worden, welches Problem er damit habe. Darauf habe er die Schwerbehinderung offenbart, anschließend seien die Änderungswünsche problematisch gewesen. Ein Mitverschulden auf Seiten des Klägers habe es nicht gegeben. Im Hinblick auf die Höhe der Entschädigung hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Formulierung im Arbeitsvertrag offenbar in einer Vielzahl von Fällen angewendet worden sei, so dass mutmaßlich eine Vielzahl von Bewerbern benachteiligt worden seien. Auch müsse die Entschädigung so hoch sein, dass sie geeignet sei, den Arbeitgeber von weiteren Diskriminierungen abzuhalten.

39

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die jeweiligen Schriftsätze im Berufungsverfahren sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

40

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig, allerdings unbegründet, da die Klage begründet ist. Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig und erfolgreich, da ihm eine höhere Entschädigung zuzusprechen war.

1.

41

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6, ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet. Die Anschlussberufung des Klägers ist gem. §§ 64 Abs. 4 ArbGG, 524 ZPO statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt.

2.

42

Das Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, die Anschlussberufung des Klägers war hingegen begründet, da die Klage zulässig und begründet war.

43

Die Beklagte hat den Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und damit gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX verstoßen. Der Kläger hat daher gegen die Beklagte gemäß §§ 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX, 15 Abs. 2 AGG i.V.m. § 22 AGG einen Anspruch auf Entschädigungszahlung und zwar in Höhe von € 8.100,00.

a)

44

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

b)

45

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht eine Entschädigung in Höhe von € 8.1000,00 gemäß §§ 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX, 15 Abs. 2 S. 2 AGG i.V.m. § 22 AGG zu.

aa)

46

Nach § 1 AGG sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern. Nach § 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX dürfen Schwerbehinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. § 81 Abs. 2 S. 2 SGB IX verweist im Übrigen auf die Regelungen im AGG.

47

Gemäß den Vorschriften des § 15 AGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1, S. 2 AGG kann ein nicht berücksichtigter Bewerber bei Vorliegen einer nach dem AGG unzulässigen Benachteiligung Schadensersatz und Entschädigung beanspruchen (vgl. BAG, 27.01.2011, 8 AZR 580/09; zit. nach iuris). Voraussetzung für Zahlungsansprüche nach § 15 AGG ist ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs.1 AGG. Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist, unter Zugrundelegung des § 1 AGG gegeben, wenn die Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt. Der für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG erforderliche Kausalzusammenhang ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung – d.h. eine nachteilige, ungünstige Folge bzw. ungünstigere Behandlung als sie andere Bewerber, auf die die Merkmale von § 1 AGG nicht zutreffen, erfahren – an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft und dadurch motiviert ist. Dabei ist eine Mitursächlichkeit ausreichend für die Annahme einer Benachteiligung, d.h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein in § 1 AGG genannter Grund als negatives Kriterium in einem Motivbündel enthalten ist, das die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat (BAG, 26.9.2013, 8 AZR 650/12; zit. nach juris; vgl. auch Hey, AGG, § 3 AGG Rn. 2). Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an (BAG, 7.7.2011, 2 AZR 396/10; 21.7.2009, 9 AZR 431/08; zit. nach juris).

bb)

48

Diese Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG verstoßen. Der Kläger hat ausreichende Indizien dafür vorgetragen, dass er wegen seiner Schwerbehinderung im Rahmen des Einstellungsverfahrens benachteiligt worden ist.

49

aaa)

50

Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er ausweislich der Anlage B 3 (Bl. 100 d. A.) am 27. Dezember 2016 eine Bewerbung bei der Beklagten um eine Hauswartstelle eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff.

51

bbb)

52

Es war nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger nur deshalb beworben hat, um sich den formalen Status als Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. AGG unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verschaffen und sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig zu eröffnen (vgl. BAG, 11.8.2016, 8 AZR 4/15; zit. nach juris).

53

Aus dem Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten ist dies nicht hinreichend erkennbar. Es wird insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in seinem Urteil vom 27. Juni 2017 Bezug genommen. Die Beklagte hat diese im Rahmen der Berufungsbegründung auch nicht weiter angegriffen.

54

ccc)

55

Eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung nach § 3 Abs. 1 AGG ergibt sich zunächst unmittelbar dadurch, dass die Beklagte ihm als schwerbehinderten Menschen einen Arbeitsvertrag mit der in § 9 Abs. 1 S. 2 enthaltenen Erklärung zur Unterzeichnung vorgelegt hat.

i)

56

§ 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages beinhaltet nach seinem Wortlaut die Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen. Das SGB IX stellt jedoch zwingendes Recht dar, das in Teilen auch für nicht-schwerbehinderte und nicht gleichgestellte Menschen gilt, z. B. die Bestimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX. Als zwingendes Recht ist es vertraglich nicht abdingbar.

57

Aus Sicht eines verständigen Empfängers in der Situation des Klägers (§§ 133, 157 BGB) ist die Klausel so zu verstehen, dass er erklären soll, weder behindert noch gleichgestellt i.S.d. § 2 SGB IX zu sein. Für dieses Verständnis spricht insbesondere die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages, dass er eine später eintretende Veränderung dem Unternehmen unverzüglich mitteilen soll.

ii)

58

Die so gefasste Klausel benachteiligte den Kläger. Sie führt nämlich zu einer ungünstigeren Behandlung im Vergleich zu nicht schwerbehinderten Bewerbern, ohne dass dies gerechtfertigt wäre, denn sie schafft eine Entscheidungssituation, die negative Folgen für den Arbeitnehmer, der die Klausel bzw. den Arbeitsvertrag unterzeichnen soll, haben kann. Mit dieser Klausel bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass es ihm für das Arbeitsverhältnis darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer nicht i.S.d. § 2 SGB IX behindert ist. Die erwartete Erklärung ist tätigkeitsneutral, d.h. sie zielt nicht lediglich darauf ab, zu erfahren, ob der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit ausüben kann. Vorliegend wird dies durch die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsvertrages besonders deutlich, die - im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages - eine konkrete Erklärung bzgl. gesundheitlicher, der Arbeit ggf. entgegenstehender Beeinträchtigungen beinhaltet.

59

Die Klausel in § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages zwang den Kläger dazu, entweder mit seiner Unterschrift unter den Vertrag wahrheitswidrig zu erklären, nicht schwerbehindert zu sein oder aber – wie es der Kläger getan hat – den Vertrag mit der Bitte um entsprechende Änderung nicht zu unterschreiben. In beiden Fällen ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer in einer ungünstigeren Situation als ein nicht-behinderter Bewerber. Er hat nur die Wahl, seinen neuen Arbeitgeber bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses über seine Schwerbehinderung zu täuschen oder sich vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags zu offenbaren und seine Schwerbehinderung offen zu legen. Im ersten Fall läuft er Gefahr, dass sein Arbeitsvertrag später von seinem Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB angefochten wird (vgl. z.B. BAG, 7.7.2011, 2 AZR 396/10; zit. nach juris). Im zweiten Fall besteht das Risiko, dass er gar nicht erst eingestellt oder aber sein Arbeitsverhältnis innerhalb der ersten sechs Monate, in welchen er noch keinen besonderen Kündigungsschutz genießt, gekündigt wird.

60

Diese Situation, die § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags schafft und die den Schwerbehinderten unter Entscheidungsdruck setzt sowie Gewissenskonflikte schafft, führt dazu, dass der Schwerbehinderte durch eine solche Klausel unmittelbar benachteiligt wird. Der Nicht-Behinderte sieht sich mit der Unterzeichnung einer solchen Erklärung keinen Problemen und keinem Entscheidungsdruck ausgesetzt. Der Schwerbehinderte muss abwägen, wie er sich verhalten soll und welche rechtlichen Probleme sein Verhalten jeweils mit sich bringen kann. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Schwerbehinderten erfordert es jedoch, dass er grundsätzlich selbst entscheiden können muss, wann, auf welche Art und Weise und aus welchem Grund er wem gegenüber seine Schwerbehinderung mitteilen möchte. Dem steht die Klausel in § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags entgegen.

61

Das ist rechtlich nicht hinnehmbar und mit dem AGG sowie dem Schwerbehindertenrecht nicht vereinbar. Gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX n. F. dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nämlich nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Nach § 1 AGG, dem die Richtlinie 2000/78/EG zugrunde liegt, sollen u.a. Benachteiligungen wegen einer Behinderung verhindert oder beseitigt werden. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG sind Benachteiligungen u.a. wegen einer Behinderung beim Zugang zu einer Erwerbstätigkeit unzulässig. § 7 AGG statuiert ein Benachteiligungsverbot u.a. wegen der Schwerbehinderung für Beschäftigte. Aus diesen Regelungen wird insgesamt deutlich, dass schwerbehinderte Beschäftigte nicht allein aufgrund ihrer Behinderung ungerechtfertigt benachteiligt werden dürfen. Durch die Normierung dieses Verbots hat der Gesetzgeber klar gemacht, dass das Anknüpfen einer Auswahlentscheidung an eine Schwerbehinderung unzulässig ist, solange nicht eine Ausnahme nach § 8 AGG vorliegen sollte. Die mit einer Einstellung eines schwerbehinderten Bewerbers u. U. einhergehenden wirtschaftlichen und organisatorischen Belastungen für den Arbeitgeber sind somit hinzunehmen. Ist aber das der Fall, dann erweist sich die Frage nach einer Schwerbehinderung oder wie vorliegend die Erwartung der Abgabe einer Erklärung, nicht schwerbehindert zu sein, im Regelfall als unzulässig. Häufig liegt nämlich das Interesse des Arbeitgebers bei Fragen nach einer Schwerbehinderung oder wie hier bei der erwarteten Abgabe der Erklärung, nicht schwerbehindert zu sein, darin, einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber aufgrund der genannten Schwierigkeiten nicht einzustellen. Das ist ein nicht schützenswertes Interesse gegenüber dem schwerer wiegenden Diskriminierungsschutz und –verbot in §§ 1, 2, 7 AGG, § 81 Abs. 2 SGB IX (Joussen, Fragerecht, Schwerbehinderung und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; vgl. auch EK-Schlachter, 11. Aufl., § 2 AGG, Rn. 4).

62

Eine sachliche Rechtfertigung für eine solche Benachteiligung war und ist nicht erkennbar. Das gilt jedenfalls für die Fälle, in denen – wie vorliegend – die Schwerbehinderung keinerlei Auswirkungen auf die auszuübende Tätigkeit hat bzw. haben kann und somit keinerlei legitimes Interesse auf Seiten des Arbeitgebers erkennbar ist, eine derartige Erklärung von einem schwerbehinderten Mitarbeiter bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrags zu fordern. Anders mag es zu beurteilen sein, wenn die Schwerbehinderung der auszuübenden Tätigkeit tatsächlich entgegensteht. Dann hätte der Arbeitgeber unter Umständen ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an einer derartigen Erklärung des Arbeitnehmers, weil die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung in Frage steht. Allerdings muss die Klausel in so einem Fall entsprechend angepasst formuliert sein, was vorliegend nicht gegeben war. Es war auch nicht etwa darauf hingewiesen worden, dass das Unterzeichnen dieser Klausel freiwillig sei und eine nicht wahrheitsgemäße Angabe ohne rechtliche Konsequenzen bliebe.

63

Soweit die Beklagte darauf abgestellt hat, die Frage nach der Schwerbehinderung könne zulässig sein, weil es dem Arbeitgeber ggf. darum geht, den Schutz der Schwerbehinderten zu ermöglichen oder die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten zu erfüllen bzw. bevorzugt Schwerbehinderte einstellen zu wollen, rechtfertigen diese Aspekte jedenfalls vorliegend die Klausel in § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags nicht. Zum einen ist zu beachten, dass es grundsätzlich dem Schwerbehinderten freigestellt sein muss, ob, wann, wie und wem gegenüber er seine Schwerbehinderung offenbaren möchte, ob er einer besonderen Förderung und eines besonderen Schutzes bedarf. Das gilt insbesondere, solange der schwerbehinderte Arbeitnehmer noch nicht über den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX verfügt (vgl. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Zum anderen gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es der Beklagten darum ging, schwerbehinderte Menschen einzustellen, den Kläger zu schützen, zu fördern oder dass sie die Schwerbehindertenquote erfüllen wollte. Sachvortrag hierzu gibt es nicht. Hiergegen spricht zudem die Formulierung in § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags. Die Beklagte hatte den Kläger nicht – unter Mitteilung ihrer Motive – nach der Schwerbehinderung gefragt, sondern eine Erklärung erwartet, dass er nicht schwerbehindert ist.

64

Im Ergebnis ließ die Formulierung der Klausel den Schluss zu, dass es der Beklagten darum ging, keine schwerbehinderten Menschen zu beschäftigen.

65

iii)

66

Darauf, ob die Beklagte dem Kläger das Arbeitsvertragsformular versehentlich in unterzeichneter Form übergeben hat, kommt es nicht an. Unabhängig hiervon hat die Beklagte nämlich mit Überreichen allein des Vertragsformulars verdeutlicht, dass sie den Arbeitsvertrag mit der Klausel in § 9 Abs. 1 S. 2 abschließen wollte und von dem Kläger im Fall des Vertragsschlusses die Erklärung gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags erwartete.

67

ddd)

68

Darüber hinaus hat die Beklagte den Kläger wegen seiner Schwerbehinderung auch dadurch benachteiligt, dass sie ihn nach der Offenbarung seiner Schwerbehinderung entgegen ihrer ursprünglichen Absicht nicht eingestellt hat. Hierfür hat der Kläger hinreichende Indizien vorgetragen, die die Beklagte nicht entkräften konnte. Die Indizien für diese Benachteiligung ergeben sich daraus, dass die Beklagte dem Kläger als schwerbehinderten Menschen einen Arbeitsvertrag mit der in § 9 Abs. 1 S. 2 enthaltenen Erklärung zur Unterzeichnung vorgelegt und ihr Angebot, ihn einstellen zu wollen, in zeitlichem unmittelbaren Zusammenhang zur Offenbarung seiner Schwerbehinderung wieder zurückgezogen hat. Es konnte nach dem Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung des Klägers für ihre Entscheidung, ihn letztlich zu seinem Nachteil nicht einzustellen, zumindest mitursächlich war.

i)

69

Es ist insoweit die Beweislastregelung des § 22 AGG zu beachten. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Indizien, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt diejenige Partei, die sich auf eine Benachteiligung beruft. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist (vgl. BAG, 17.12.2009, 8 AZR 670/08; BAG, 19.08.2010, 8 AZR 530/09; zit. nach iuris). Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist (vgl. BAG, 11. August 2016, 8 AZR 406/14; 20.05.2010, 8 AZR 287/0; zit. nach iuris).

70

Indizien, auf die sich der/die Anspruchssteller/in beruft, müssen substantiiert dargelegt werden und im Bestreitensfall in vollem Umfang bewiesen werden. Behauptungen „ins Blaue hinein“ stellen keinen ausreichenden Tatsachenvortrag dar und sind deshalb nicht geeignet, die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung zu begründen (BAG, 25.4.2013, 8 AZR 287/087, zit. nach iuris).

ii)

71

Die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen, indiziert in Verbindung mit der Rücknahme eines Einstellungsangebots nach Mitteilung der Schwerbehinderung durch den Bewerber eine Benachteiligung wegen einer Behinderung.

72

Mit einer solchen Klausel bringt der Arbeitgeber – wie bereits dargelegt – zunächst zum Ausdruck, dass es ihm für das Arbeitsverhältnis darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer nicht i.S.d. § 2 SGB IX behindert ist. Es wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Hinzu kam vorliegend der Umstand, dass die Beklagte ihr Angebot, den Kläger einstellen zu wollen, wieder zurückgezogen hatte, nachdem dieser die Schwerbehinderung offenbart hatte.

73

Die vorstehenden Indizien wurden zudem noch durch folgende Umstände verstärkt: so hatte die Beklagte nach Kenntnis von der Schwerbehinderung des Klägers sich rechtlich beraten lassen, was die Schwerbehinderung für das Arbeitsverhältnis bedeutet. Wäre es ihr tatsächlich um die Einstellung des Klägers als schwerbehinderten Menschen gegangen, wäre eine rechtliche Beratung vor Einstellung des Klägers nicht erforderlich gewesen. Aus der Anlage B 4 (Bl. 126 d.A.) geht hervor, dass Herr Rechtsanwalt H. erläutern sollte, „was das alles für das Arbeitsverhältnis bedeutet, von Anfang bis Ende. Die 5 Urlaubstage mehr habe ich mir schon notiert“. Aus der Verbindung zu den 5 Urlaubstagen mehr, die einem schwerbehinderten Arbeitnehmer zustehen (§ 125 SGB IX), wird deutlich, dass es der Beklagten um eine Beratung dahingehend ging, welche Folgen sich aus der Einstellung eines Schwerbehinderten ergeben. Soweit die Beklagte eingewandt hat, sie habe nur den Arbeitsvertrag rechtlich absichern wollen, hat das die Kammer nicht überzeugt, denn es ging ausweislich der E-Mail vom 13. Januar 2017 nicht nur um Fragen in Bezug auf den Arbeitsvertrag, sondern darum „was das alles für das Arbeitsverhältnis bedeutet“ – also um eine generelle Aufklärung und Darstellung der Folgen, wobei die 5 Mehrurlaubstage schon mitgeteilt worden waren.

74

Insgesamt lagen demnach hinreichende Indizien vor, dass die Beklagte den Kläger letztlich wegen seiner Schwerbehinderung nicht eingestellt und ihr Angebot wieder zurückgezogen hatte.

75

iii)

76

Die Beklagte hat diese Indizwirkung der Benachteiligung des Klägers nicht entkräftet.

77

Wie dargestellt, kommt es für den Entschädigungsanspruch nicht darauf an, ob die Schwerbehinderung das ausschlaggebende Kriterium für die Nichteinstellung war. Es reicht aus, wenn die Schwerbehinderung – auch – ein Motiv für die Entscheidung war, den Kläger nicht einzustellen. Das Gericht muss davon überzeugt werden, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf der Behinderung beruht hat. Damit müssen Tatsachen und Umstände vortragen und gegebenenfalls bewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und in dem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war (BAG, 22.8.2013, 8 AZR 563/12, zit. nach juris).

78

Hiernach konnte aufgrund des Vortrags der Beklagten nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung zumindest mitursächlich für ihre Entscheidung war, den Kläger entgegen der ursprünglichen Absicht doch nicht einzustellen. Der Kläger hat seine Schwerbehinderung zunächst unstreitig verschwiegen. Er hatte erfolgreich Probearbeitstage absolviert und die Beklagte wollte ihn einstellen, hatte sogar bereits ihrerseits den Arbeitsvertrag unterzeichnet. Seine Schwerbehinderung hatte der Kläger erst am 12. Januar 2017 – nach Vorlage des von der Beklagten bereits unterschriebenen Arbeitsvertrages – offenbart. Am 13. Januar 2017 erhielt der Kläger sodann nach einigen Telefonaten die Absage. Schon dieser zeitliche Zusammenhang spricht dafür, dass die Schwerbehinderung auch eine Rolle bei der Entscheidung der Beklagten spielte.

79

Zudem hat sich die Beklagte nach Kenntnis von der Schwerbehinderung rechtlich darüber beraten lassen wollen, was für rechtliche Konsequenzen die Einstellung eines Schwerbehinderten mit sich bringt. Zwar war die Beratung wohl noch nicht vollständig erfolgt, aber jedenfalls teilweise. So war der Beklagten zumindest schon bekannt gegeben worden, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer 5 Urlaubstage mehr erhält (Anl. B 4). Ihre Behauptung, sie habe die vertraglichen Regelungen nur absichern wollen, erschien der Kammer vorgeschoben. So ergibt sich aus der Anlage B 4 eindeutig, dass es nicht nur um die Klauseln eines Arbeitsvertrags ging, sondern was die Schwerbehinderung insgesamt für ein Arbeitsverhältnis bedeutet. Wäre es ihr tatsächlich nicht auf die Schwerbehinderung angekommen, so hätte eine entsprechende rechtliche Beratung nicht kurzfristig vor Abschluss des Arbeitsvertrags erfolgen müssen, sondern diese hätte auch nach der Einstellung des Klägers erfolgen können. Auch aus § 9 des Arbeitsvertrags wird deutlich, dass es der Beklagten durchaus darum ging, keinen schwerbehinderten Arbeitnehmer einzustellen. Anderenfalls wäre die Klausel überflüssig gewesen, zumal die Beklagte mit der Probearbeit des Klägers zufrieden war und ihm sogar ein höheres Entgelt als bei ihr üblich angeboten hatte. Dies wurde erst Makulatur, als die Beklagte von der Schwerbehinderung erfuhr.

80

Ihr Erklärungsversuch, das Verhalten des Klägers im Rahmen der Vertragsverhandlungen sei ursächlich für ihre Entscheidung der Nichteinstellung gewesen, hat die Kammer nicht überzeugt. Im Einzelnen:

81

Die Beklagte hat vorgetragen, die Absage sei ausschließlich deshalb getroffen worden, weil der Kläger zahlreiche Änderungswünsche geltend gemacht habe, die die Beklagte zunächst rechtlich habe prüfen wollen, sodann habe der Kläger ohne ersichtlichen Grund eine sehr kurze Frist für die Rückmeldung hierzu gesetzt. Hinzu sei gekommen, dass der Kläger als Begründung für die Fristsetzung unterschiedliche Versionen zu seinem bestehenden Arbeitsverhältnis hervorgebracht habe. Hierzu ist festzustellen, dass der Kläger nicht zahlreiche Änderungswünsche hatte. Es ging lediglich um § 9 des Arbeitsvertrags, um die Aufnahme einer mündlich zugesagten Dienstwagenregelung und um den Wunsch, drei Monate vor Ablauf der Befristung mitgeteilt zu bekommen, ob der Arbeitsvertrag verlängert werden wird. Diese Änderungswünsche des Klägers sind überschaubar, auch im Hinblick auf die rechtlichen Fragestellungen, und nicht überzogen. Hätte die Schwerbehinderung keine Rolle gespielt, dann hätte es für die Beklagte kein Problem sein müssen, § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags ersatzlos zu streichen. Im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Mitteilung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses drei Monate vor Ablauf des Arbeitsvertrags hätte es ebenfalls keiner rechtlichen Beratung bedurft. Die Beklagte hätte sich nur entscheiden müssen, ob sie sich so früh festlegen wollte oder nicht. Im Hinblick auf den Dienstwagen hätte die Beklagte den Kläger schlicht darauf verweisen können, dass es bei ihr eine gesonderte Dienstwagenregelung gibt, die sodann auch für den Kläger Geltung gehabt hätte. Der Erklärungsversuch, sie habe klären wollen, ob er Kläger als Schwerbehinderter einen Anspruch auch auf die private Nutzung eines Dienstwagens hätte, überzeugte nicht. Dies war nicht einmal Thema der Änderungswünsche des Klägers.

82

Ihr Hinweis, sie habe nach Mitteilung der Schwerbehinderung das Angebot nicht sofort wieder zurückgezogen, führte ebenfalls nicht zur Entkräftung der Indizwirkung. Dieser Aspekt schließt es aufgrund der sonstigen geschilderten Umstände nicht aus, dass die Schwerbehinderung nicht auch ein Motiv von mehreren war, dem Kläger letztlich abzusagen.

83

Zu beachten ist, dass dem Kläger ein unterzeichneter Vertrag übergeben worden war, die Entscheidung der Beklagten also aufgrund der guten Probearbeit des Klägers festgestanden hatte, ihn einzustellen. Der Hinweis, dieses Exemplar sei versehentlich übergeben worden, überzeugte nicht. So hat die Beklagte nicht geschildert, dass sie in dem Gespräch mit dem Kläger am 11. Januar 2017 zwei Exemplare hatte und sie versehentlich zu dem unterzeichneten Exemplar gegriffen habe. Hatte sie aber in dem Gespräch nur eine Version vorliegen, so war ihr bewusst, dass das das Exemplar war, was zuvor unterschrieben worden war.

84

Die weitere und von ihr maßgeblich angeführte Erklärung, das Angebot sei erst nach und aufgrund des Ultimatums des Klägers zurückgezogen worden, verfing ebenfalls nicht. Betrachtet man die E-Mail- bzw. whatsapp-Korrespondenz zwischen der Mitarbeiterin E. und der Geschäftsführerin der Beklagten, so zeigt sich, dass ein Ultimatum des Klägers überhaupt keine, jedenfalls keine ausschlaggebende Rolle spielte. Diese Kommunikation beinhaltet lediglich den Hinweis des Klägers, dass er seinem jetzigen Arbeitgeber bis 15.00 Uhr eine Entscheidung mitteilen müsse, anderenfalls wäre die Vereinbarung, eine kürzere Kündigungsfrist „zuzulassen“, hinfällig. Zudem bewertete Frau E. das Gespräch als sehr positiv. Ein Ultimatum des Klägers mit dem Inhalt, die Beklagte müsse ihm bis 15.00 Uhr eine Entscheidung in Bezug auf seine Änderungswünsche mitteilen, findet sich hier nicht wieder. Auch hat der Kläger keinerlei Konsequenzen im Hinblick auf seine Entscheidung, für die Beklagte arbeiten zu wollen, angedroht. Im Raum stand nur der Aspekt, dass er ggf. erst später bei der Beklagten hätte anfangen können, wenn sein bisheriger Arbeitgeber auf der üblichen Kündigungsfrist bestanden hätte. Die Angabe der Beklagten, bis zur Setzung des Ultimatums sei sie davon ausgegangen, dass der Kläger bei der Beklagten anfangen werde, stand letztlich auch nach der Nennung des Zeitpunkts „15.00 Uhr“ nicht in Frage, da der Kläger ausweislich der vorgelegten Korrespondenz nicht erklärt hatte, danach für die Beklagte nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

85

Auch zeigt der Vortrag der Beklagten, hätte der Kläger seine Schwerbehinderung nicht mitgeteilt und weiterhin auf den Änderungswünschen bestanden, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, insofern könne die Schwerbehinderung nicht ursächlich für die Entscheidung gewesen sein, dass die Schwerbehinderung eben doch ein Motiv für die Absage war. Die Formulierung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ ist nämlich nicht gleich bedeutend mit „mit Sicherheit“. Ausgedrückt wurde vielmehr, dass der Kläger ohne seine Schwerbehinderung trotz Beharrens auf seinen Änderungswünschen möglicherweise doch eingestellt worden wäre, jedenfalls war dies mit Blick auf nur eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ nicht gänzlich auszuschließen.

86

Selbst wenn aber der Kläger ein Ultimatum gesetzt hätte, hätte die Beklagte einfach bei ihrem Angebot bleiben und das Ultimatum verstreichen lassen können. Nachteile wären ihr hieraus nicht erwachsen. Ein Zwang, das Angebot zurückzuziehen, gab es nicht.

cc)

87

Dem Kläger steht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung für einen Schaden, der Nichtvermögensschaden ist, zu. Dabei hielt das Gericht vorliegend eine Entschädigung von drei Monatsverdiensten des zunächst angebotenen Arbeitsvertrags für angemessen.

88

aaa)

89

Voraussetzung ist zunächst, dass der Kläger einen Nicht-Vermögensschaden erlitten hat. Davon war vorliegend auszugehen, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt wurde, indem die Verhaltensweisen der Beklagten seine Würde und die Entfaltung seiner Persönlichkeit beeinträchtigt haben. Eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung verletzt nämlich regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen.

90

bbb)

91

§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falles berücksichtigen zu können. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Für die Höhe der festzusetzenden Entschädigung sind dabei Art und Schwere der Verstöße sowie die Folgen für den schwerbehinderten Kläger von Bedeutung (BAG, 24.1.2013, 8 AZR 188/12; 13.10.2011, 8 AZR 608/10; zit. nach juris). Auch das Vorliegen eines Wiederholungsfalles kann berücksichtigt werden (BAG, 18.03.2010, 8 AZR 1044/08; zit. nach juris) sowie der Sanktionszweck der Norm. Die Höhe ist insoweit danach zu bemessen, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist (BAG, 22.1.2009, 8 AZR 906/07; zit. nach juris).

92

Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Diese Grenze gilt vorliegend nicht, da der Kläger – wie sich aus den vorherigen Ausführungen ergibt – ohne die Benachteiligung wegen seiner Behinderung eingestellt worden wäre.

93

ccc)

94

Ausgehend hiervon hielt die Kammer die Festsetzung einer Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern (€ 8.100,00) für angemessen und erforderlich.

95

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Kläger berechtigte Erwartungen hatte, bei der Beklagten eingestellt zu werden. Er hatte positive Probearbeitet geleistet und die Beklagte war sogar bereit gewesen, dem Kläger ein höheres Entgelt als üblich zahlen zu wollen.

96

Die Ablehnung durch die Beklagte hat zwar nicht die berufliche Entwicklung des Klägers beeinträchtigt, zumindest war das nicht erkennbar. Aber der Kläger war darauf angewiesen, sich erneut um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen. Zwar war sein bisheriges Arbeitsverhältnis nicht gekündigt. Der Kläger hatte jedoch den Wunsch, sich beruflich verändern zu wollen, und hätte dies gern bei der Beklagten verwirklicht.

97

Darüber hinaus war zu beachten, dass die Beklagte den Kläger auf zweierlei Art benachteiligt hat: zum einen aufgrund der Klausel in § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags und zum anderen in Form der Absage der konkret in Aussicht gestellten Einstellung. Schließlich konnte berücksichtigt werden, dass die Beklagte das Arbeitsvertragsformular und somit die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 2 standardmäßig verwendet hat bzw. verwendet.

98

Ein etwaiges Mitverschulden des Klägers spielt keine Rolle bei der Zumessung der Entschädigungshöhe. § 15 Abs. 2 AGG ist (im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 AGG) verschuldensunabhängig ausgestaltet, so dass § 254 BGB keine Berücksichtigung findet. Allenfalls könnte anspruchsmindernd erwägt werden, ob eine Benachteiligung provoziert oder anderweitig mitverursacht worden ist. Vorliegend fehlt es jedoch sowohl an einem Mitverschulden des Klägers als auch an einer Provokation oder sonstigen Mitverursachung der Benachteiligungen durch den Kläger. Insbesondere war – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht davon auszugehen, dass der Kläger diese mit einem Ultimatum im Hinblick auf ihre Entscheidung unter Druck gesetzt hatte. Wie dargelegt, war aus der maßgeblichen Mailkorrespondenz (Anlage B 5) nicht erkennbar, dass ein Ultimatum des Klägers die Entscheidung der Beklagten ausgelöst hatte. Zudem waren irgendwelche negativen Konsequenzen für den Fall des Ablaufs der Frist von 15.00 Uhr, die der damalige Arbeitgeber des Klägers diesem gesetzt hatte, nicht in Aussicht gestellt, eine Drucksituation für die Beklagte nicht kreiert worden. Es wird insoweit auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen.

99

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte, wie sie meint, nicht vor der Wahl stand, den Kläger zu seinen Bedingungen einstellen oder eine Entschädigung zahlen zu müssen. Die Beklagte hätte einfach bei ihrem ursprünglichen Angebot bleiben und dem Kläger die Wahl überlassen können, ob er zu diesen Bedingungen mit ihr ein Arbeitsverhältnis eingehen wollte oder nicht.

100

Insgesamt erschien – auch mit Blick auf Sanktionszweck der Norm – unter Abwägung der o.a. Umstände die Festsetzung von drei Gehältern erforderlich und angemessen.

dd)

101

Der zuerkannte Betrag ist gemäß §§ 288, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit der Klage zu verzinsen.

II.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91 ZPO.

103

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

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(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 81 Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten


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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen


(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt

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Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selb

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 125 Inhalt der schriftlichen Vereinbarung


(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:1.Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) un

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Referenzen - Urteile

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Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 30. Nov. 2017 - 7 Sa 90/17 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 30. Nov. 2017 - 7 Sa 90/17 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 27. Juni 2017 - 20 Ca 22/17

bei uns veröffentlicht am 27.06.2017

Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2017 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Kosten des Rechtsstreit

Bundesarbeitsgericht Urteil, 11. Aug. 2016 - 8 AZR 4/15

bei uns veröffentlicht am 11.08.2016

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 29. August 2014 - 12 Sa 15/14 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 11. Aug. 2016 - 8 AZR 406/14

bei uns veröffentlicht am 11.08.2016

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2014 - 3 Sa 27/13 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Aug. 2013 - 8 AZR 563/12

bei uns veröffentlicht am 22.08.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 2011 - 2 Sa 851/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Jan. 2013 - 8 AZR 188/12

bei uns veröffentlicht am 24.01.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 23. Dezember 2011 - 4 Sa 1008/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Okt. 2011 - 8 AZR 608/10

bei uns veröffentlicht am 13.10.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. September 2010 - 4 Sa 18/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Juli 2011 - 2 AZR 396/10

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

Tenor 1. Die Revisionen der Parteien gegen das Teilurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2010 - 6/7 Sa 1373/09 - werden zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Jan. 2011 - 8 AZR 580/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Juni 2009 - 3 Sa 499/09 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Aug. 2010 - 8 AZR 530/09

bei uns veröffentlicht am 19.08.2010

Tenor Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 3. Juni 2009 - 10 Sa 719/08 - werden zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08

bei uns veröffentlicht am 18.03.2010

Tenor Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurü

Referenzen

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu einem Drittel der Kläger und zu zwei Drittel die Beklagte zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.100,00 € festgesetzt.

5. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, wird die Berufung gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch wegen einer vom Kläger behaupteten Diskriminierung als Schwerbehinderter.

2

Der schwerbehinderte Kläger hat sich mit einem Anschreiben vom 27. Dezember 2016 (Anlage B 3, Bl. 100 d. A.) um eine Hauswartstelle bei der Beklagten beworben. Nach einem Vorstellungsgespräch am 04. Januar 2017 arbeitete er vom 09. bis zum 11. Januar 2017 zur Probe bei der Beklagten.

3

Da die Beklagte mit den Leistungen des Klägers bei der Probearbeit sehr zufrieden war, entschloss sie sich, ihm ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten. Hierzu führte sie durch ihren technischen Leiter Herrn B. am 11. Januar 2017 ein Gespräch mit dem Kläger, in dem sie ihm unter anderem mitteilte, dass ihre durchschnittlichen Einstiegsgehälter zwischen 2.300,00 € und 2.500,00 € lägen. Die Parteien einigten sich schließlich auf ein Einstiegsgehalt von 2.700,00 € brutto. Am selben Tag übergab die Beklagte dem Kläger den von ihr bereits unterzeichneten, als Anlage K 1 (Bl. 4 bis 9 d. A.) vorliegenden Arbeitsvertrag. Dieser beinhaltet in § 1 Abs. 1 eine Befristung des Arbeitsverhältnisses vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Januar 2018 sowie in § 5a die Regelung, dass dem Mitarbeiter kein Dienstwagen zur Verfügung steht. § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

4

„Der Mitarbeiter versichert, dass er arbeitsfähig ist, nicht an einer infektiösen Erkrankung leidet und keine sonstigen Umstände vorliegen, die ihm die vertraglich zu leistende Arbeit jetzt oder in naher Zukunft wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Der Mitarbeiter erklärt weiter, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt. Sofern etwa die Voraussetzungen dafür später eintreten, wird er das Unternehmen hiervon unverzüglich in Kenntnis setzen.“

5

Der Kläger hat diesen Vertrag nicht sogleich unterschrieben, sondern mit nach Hause genommen, um ihn sich in Ruhe durchzulesen.

6

Am 12. Januar 2017 teilte er der Beklagten per E-Mail mit, dass er einige Änderungswünsche hinsichtlich des Vertragsinhalts habe. So wünschte er in § 1 Abs. 1 des Vertrages eine Ergänzung dahingehend, dass ihm spätestens zum 31. Oktober 2017 mitgeteilt werden soll, ob eine Entfristung erfolgt. Ferner begehrte er die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens für berufliche Zwecke. § 9 Abs. 1 sollte in Gänze gestrichen werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der E-Mail wird auf deren Inhalt (Anlage B 1, Bl. 29 bis 31 d. A.) verwiesen.

7

Aufgrund dieser E-Mail kam es noch am selben Tag zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin Frau K., in dem der Kläger der Beklagten erstmals mitteilte, dass er schwerbehindert sei. Was im Rahmen des Telefonats des Weiteren gesagt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 13. Januar 2017 führte der Kläger mit Frau E. von der Beklagten zwei Telefonate, deren Gesprächsinhalte ebenfalls streitig sind; in einem dritten Telefonat teilte Frau E. ihm noch am selben Tag mit, dass man ihn nicht einstellen wolle.

9

Mit einer E-Mail vom 13. Januar 2017 (Anlage B 2, Bl. 32 ff. d. A.), wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass sie sich nicht in Bezug auf seine Schwerbehinderung gegen ihn entscheiden könne, dass er den Arbeitsvertrag bereits am 12. Januar 2017 unterschrieben habe und dass sie ihm wegen einer Diskriminierung eine Entschädigung von drei Monatsgehältern, d.h. insgesamt in Höhe von 8.100,00 €, zahlen müsse.

10

Diese Entschädigung begehrt der Kläger mit seiner am 24. Januar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 01. Februar 2017 der Beklagten zugestellten Klage weiter.

11

Der Kläger trägt vor, am 12. Januar 2017 habe ihn Frau K. am Telefon gefragt, was für ein Problem er mit der Regelung in § 9 des Arbeitsvertrages habe. Daraufhin habe er ihr mitgeteilt, dass er schwerbehindert sei. Frau K. habe gesagt, sie müsse in Anbetracht dieser neuen Information „eine Nacht über die Sache schlafen“, bisher habe sie keine schwerbehinderten Mitarbeiter.

12

Am 13. Januar 2017 habe ihm Frau E. am Telefon mitgeteilt, dass er einen „denkbar schlechten Start hingelegt“ habe, weil er seine Schwerbehinderung zunächst verschwiegen habe. Sie habe gesagt, er dürfe nicht vergessen, dass Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz genössen. Sodann sei wörtlich der Satz gefallen: „Das möchten wir hier nicht haben.“ Frau E. habe ihm schließlich gesagt, dass sie das nicht allein entscheiden, sondern mit Frau K. Rücksprache halten wolle. Nach dem Telefonat habe ihm seine Ehefrau den Vorwurf gemacht, dass er nicht auf einer Entscheidung bestanden habe. Deshalb habe er kurze Zeit später erneut Frau E. angerufen und gesagt, dass er eine Antwort bzgl. der Schwerbehinderung haben wolle, da er noch andere Bewerbungen laufen habe, aber gerne für die Beklagte arbeiten wolle. Frau E. habe erneut gesagt, dass man den Kläger wegen des Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte nicht beschäftigen wolle. Daraufhin habe er gesagt, dass der Kündigungsschutz erst nach 6 Monaten greife. Frau E. habe sodann zugesagt, nochmals mit Frau K. Rücksprache halten zu wollen. Den Inhalt beider Telefonate mit Frau E. könne seine Ehefrau bezeugen, die die Telefonate habe mithören können, weil der Hörer aufgrund einer Hörbehinderung seines Sohnes sehr laut gestellt sei.

13

Die Nichtberücksichtigung allein aufgrund seiner Schwerbehinderung stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung iSd AGG dar.

14

Der Kläger beantragt,

15

die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger 8.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte trägt vor, im Rahmen der Probearbeit habe der Kläger ihr mitgeteilt, dass er bisher in seinem ungekündigten Arbeitsverhältnis 3.200,00 € brutto im Monat verdiene, zzgl. Zulagen in Höhe von rund 200,00 €. Die Einstiegsgehälter der bei ihr derzeit beschäftigten Hauswarte lägen zwischen 1.900,00 € und 2.400,00 €.

19

Der Kläger habe den Vertrag nicht gleich am 11. Januar 2017 unterschrieben, weil Frau K. ihm gesagt habe, dass er über den Vertrag noch einmal in Ruhe nachdenken solle. Frau K. habe selbst mit dem Vertrag, insbesondere mit der großen Gehaltsdifferenz, „Bauchschmerzen“ gehabt. Mit den angebotenen 2.700,00 € sei sie ohnehin an ihre „Schmerzgrenze“ gegangen.

20

In dem Telefonat am 12. Januar 2017 habe sie die für sie unerwarteten Änderungswünsche des Klägers besprechen und nachvollziehen wollen. Der Kläger habe in dem Telefonat freiwillig und ungefragt offenbart, dass er schwerbehindert sei. Hierauf habe sie gesagt, dass das nichts zur Sache tue, da er eine gute Probearbeitszeit abgeliefert habe. Auf ihre Nachfrage, warum er schwerbehindert sei, habe er gesagt, dass er etwas mit den Venen habe und deshalb Thrombosestrümpfe tragen müsse. Eigentlich habe er die Schwerbehinderung erst nach der Probezeit ansprechen wollen; er habe das Thema aber nun wegen des Dienstwagens angesprochen. Sie, die Beklagte, habe lediglich gesagt, dass sie (derzeit) keinen anderen schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftige. Bei dieser Äußerung habe sie lediglich „laut“ gedacht, dass sie mit der Einstellung des Klägers die Ausgleichsabgabe vermeiden könne. Bis Oktober 2016 habe sie einen schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftigt, der mit Rentenbezug aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Letztlich sei das Gespräch ergebnislos beendet worden, da sie den Änderungswünschen nicht ohne Beratung habe entsprechen wollen. Man sei übereingekommen, sich am nächsten Tag wieder in Verbindung zu setzen.

21

Anschließend habe Frau K., die zu diesem Zeitpunkt im Urlaub gewesen sei, Frau E. gebeten, ihren Rechtsanwalt zu kontaktieren, um zu erfragen, was eine Schwerbehinderung für die Befristung des Arbeitsverhältnisses bedeute. Die E-Mail von Frau K. an Frau E. vom 12. Januar 2017 laute auszugsweise wie folgt:

22

„Herr G. und ich haben mittlerweile einander erreicht. Er kam gleich zur Sache, weil ihm wohl auch nicht wohl bei der Sache war…

23

Es ist so, dass wir nicht gefragt haben, ob er schwerbehindert ist. Er hat es aus Angst einer spontanen Absage lieber unerwähnt gelassen. Dann kam der Vertrag. Deshalb auch das Thema Dienstwagen. Hängt wohl zusammen. Habe ich aber nicht ganz verstanden. Ich habe gesagt, dass ich erst mal nachdenken muss, es aber gut finde, dass er jetzt den offenen Weg wählt (…)

24

Grundlegend war das Gespräch aber sehr positiv, weil er sehr offen wirkte. Das sei noch erwähnt.“

25

Frau E. habe am nächsten Tag ausweislich des Inhalts der Anlage B 4 Herrn Rechtsanwalt H. kontaktiert, um die rechtlichen Konsequenzen zu erfragen; dieser habe allerdings erst am 17. Januar 2017 ein ausführliche Antwort übersenden können.

26

Am 13. Januar 2017 habe der Kläger Frau E. angerufen. Diese habe ihm in der Tat mitgeteilt, dass die Parteien einen denkbar schlechten Start gehabt hätten; diese Äußerung habe sich allerdings nicht auf die Schwerbehinderung, sondern auf die Änderungswünsche, den großen Gehaltsunterschied und die urlaubsbedingte Abwesenheit von Frau K., die eine Abstimmung erschwert habe, bezogen. Über die Schwerbehinderung sei nicht gesprochen worden. Frau E. habe den Kläger gefragt, warum er sein derzeitiges Arbeitsverhältnis beenden wolle. Er habe ihr mitgeteilt, dass sein derzeitiges Arbeitsverhältnis im Zuge einer Umstrukturierung auf ein anderes Unternehmen übergehen solle. Der neue Arbeitgeber habe gesagt, dass er keine schwerbehinderten Arbeitnehmer beschäftigen wolle. Daraufhin habe Frau E. ihn gefragt, warum er nicht gegen eine solche Kündigung vorgehen wolle, da er aufgrund seiner Schwerbehinderung einen besonderen Kündigungsschutz habe. Der Kläger habe gesagt, dass er damit nicht vor Gericht ziehen wolle und wörtlich gesagt: „Daran gehe ich zugrunde.“ Bzgl. der Änderungswünsche habe sie mit dem Kläger letztlich einen Besprechungstermin für den 17. Januar 2017 vereinbart.

27

Etwa 10 Minuten später habe der Kläger wieder angerufen und mitgeteilt, dass er bis heute, 15:00 Uhr eine Entscheidung benötige, da ihm ansonsten nicht mehr die verkürzten Kündigungsfristen seines alten Arbeitgebers zur Verfügung stünden. Der Kläger habe auf eine verbindliche Antwort bis zu diesem Zeitpunkt bestanden, obwohl ihm Frau E. gesagt habe, dass das Arbeitsverhältnis auch später beginnen könne. Frau E. habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass sie dies nicht allein entscheiden, sondern mit Frau K. besprechen müsse, was schwierig sei, da diese im Ausland sei.

28

Wider Erwarten habe Frau K. Frau E. erreicht, die ihr ausweislich der WhatsApp-Nachricht, Anlage B 6, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 106, 107 d. A.), letztlich mitgeteilt habe, dass sie absagen solle („Bitte absagen. Zu viele Versionen.“).

29

Für ihre Entscheidung, den Kläger nicht zu beschäftigen, sei nicht seine Schwerehinderung kausal, sondern seine überzogenen Forderungen und sein weiteres Verhalten im Rahmen der Verhandlungen.

30

Sie habe sich durch das „Ultimatum“ des Klägers ungebührlich unter Druck gesetzt gefühlt. Zudem habe sie den Änderungswünschen nicht ohne rechtliche Beratung zustimmen wollen. Diese habe innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist nicht erfolgen können. Sie habe die umfangreichen Änderungswünsche unbedingt überprüfen wollen. Allein aus diesem Grund habe Frau E. dem Kläger letztlich mitgeteilt, dass sie vom Abschluss eines Arbeitsverhältnisses Abstand nehme.

31

Zuletzt trägt die Beklagte vor, aus der WhatsApp-Nachricht von Frau E. werde deutlich, dass sie sich nicht wegen der Schwerbehinderung, sondern wegen der immer neuen und nicht immer nachvollziehbaren Erklärungen des Klägers und wegen des Ultimatums gegen seine Einstellung entschieden habe. Das Ultimatum aufgrund einer angeblich verkürzten Kündigungsfrist sei für sie nicht nachvollziehbar gewesen, da der Kläger bereits in seinem Anschreiben mitgeteilt habe, dass er eine vierwöchige Kündigungsfrist habe. Sie habe die vertraglichen Regelungen über die Befristung und den Dienstwagen nicht ändern wollen, sondern nur durch ihren Anwalt prüfen lassen wollen, ob aufgrund der Schwerbehinderung Vertragsänderungen notwendig seien.

32

Die Klausel in § 9 des Arbeitsvertrages indiziere keine Benachteiligung. Es handele sich um einen Musterarbeitsvertrag. Für sie sei nicht von Bedeutung, ob ein Mitarbeiter schwerbehindert sei; ihr komme es nur darauf an, ob er seine Tätigkeit ausüben könne.

33

Sie gehe davon aus, dass der Kläger tatsächlich kein ernsthaftes Interesse an der Stelle gehabt habe. Dafür spreche, dass er sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit höherer Vergütung befinde, nicht akzeptable Forderungen stelle, die erkennbar den Interessen des Arbeitsgebers zuwiderliefen und inakzeptabel seien und eine Entschädigung in einem pauschal formulierten Forderungsschreiben geltend gemacht habe.

34

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2017 Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 S. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG).

Entscheidungsgründe

35

Die zulässige Klage ist in Höhe des zuerkannten Betrages begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.400,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Ein über diesen Betrag hinausgehender Entschädigungsanspruch besteht nicht.

36

1. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 15 Abs. 2 AGG.

37

a. Nach dieser Vorschrift kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 AGG nicht ausdrücklich klar, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG. Gemäß § 7 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Gründe benachteiligt werden (BAG, Urteil vom 22. Januar 2009, 8 AZR 906/07, zit. nach juris Rn. 27 f., 61, m.w.N.). Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt sein muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft und dadurch motiviert ist. Dabei ist eine Mitursächlichkeit ausreichend für die Annahme einer Benachteiligung, d.h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein in § 1 AGG genannter Grund als negatives Kriterium in einem Motivbündel enthalten ist, das die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 21. Juli 2009, 9 AZR 431/08, zit. nach juris Rn. 40 m.w.N.).

38

b. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

39

aa. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSv § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er ausweislich der Anlage B 3 (Bl. 100 d. A.) am 27. Dezember 2016 eine Bewerbung bei der Beklagten um eine Hauswartstelle eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Auf die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ kommt es nicht an. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat (BAG, Urteil vom 11. August 2016, 8 AZR 4/15, zit. nach juris Rn. 37, 38 m.w.N.).

40

bb. Nach dem Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB). Aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger sich beworben hat, um die Stelle zu bekommen.

41

(1) Der Kläger hat ausweislich der Anlage B 3 eine den üblichen Gepflogenheiten entsprechende Bewerbung eingereicht und auch die Probearbeit zur Zufriedenheit der Beklagten absolviert. Sein Begehren um die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens und um die rechtzeitige Mitteilung, ob eine Entfristung erfolgt, sprechen dafür, dass es ihm tatsächlich auf die Stelle ankam, für die er ausweislich des Inhalts seines Anschreibens auch nicht offensichtlich ungeeignet ist.

42

(2) Ob der Kläger in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis tatsächlich durchschnittlich 3.400,00 € brutto im Monat verdient und sich mit den letztlich vereinbarten 2.700,00 € brutto um 700,00 € brutto verschlechtert hätte, kann dahin gestellt bleiben, da eine derartige Gehaltseinbuße kein zureichendes Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstellt. Ein Arbeitnehmer kann durchaus legitime Gründe haben, eine schlechter bezahlte Stelle anzunehmen, nicht zuletzt eine drohende Arbeitslosigkeit oder Differenzen mit seinem Arbeitgeber.

43

(3) Die Auffassung der Beklagten, der Rechtsmissbrauch werde auch dadurch indiziert, dass der Kläger nicht akzeptable Forderungen gestellt habe, die erkennbar den Interessen des Arbeitsgebers zuwiderliefen, erschließt sich nicht. Dass ein Hausmeister für seine Arbeit einen Dienstwagen zur dienstlichen Nutzung haben möchte, um die zu betreuenden Objekte anzufahren, ist ebenso nachvollziehbar wie sein Begehren, spätestens drei Monate vor Fristablauf zu erfahren, ob sein Arbeitsverhältnis verlängert wird. Hierbei handelt es sich jedenfalls nicht um völlig abwegige, offensichtlich inakzeptable Forderungen, die nur dem Zweck dienen, eine Absage zu provozieren.

44

(4) Auch die von der Beklagten in Bezug genommene E-Mail vom 13. Januar 2017 (Anlage B 2, Bl. 32 d. A.), mit der der Kläger einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hat, belegt nicht, dass es ihm als sog. „AGG-Hopper“ nur auf eine Entschädigung ankam. Die E-Mail ist konkret auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen und beinhaltet lediglich einen offenbar aus dem Internet kopierten Text zu Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen. Im Übrigen ist das Schreiben sachlich formuliert.

45

cc. Der Kammer erscheint fraglich, ob die Beklagte den Kläger bereits dadurch unmittelbar iSv § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt hat, dass sie ihm als schwerbehinderten Menschen einen Arbeitsvertrag mit der in § 9 Abs. 1 S. 2 enthaltenen Erklärung vorgelegt hat.

46

(1) § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages beinhaltet nach seinem Wortlaut die Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen. Das SGB IX stellt jedoch zwingendes Recht dar, das in Teilen auch für nicht-schwerbehinderte und nicht gleichgestellte Menschen gilt, z. B. die Bestimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX. Als zwingendes Recht ist es vertraglich nicht abdingbar. Aus Sicht eines verständigen Empfängers in der Situation des Klägers (§§ 133, 157 BGB) ist die Klausel so zu verstehen, dass er erklären soll, weder behindert noch gleichgestellt iSd § 2 SGB IX zu sein. Für dieses Verständnis spricht insbesondere die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages, dass er eine später eintretende Veränderung dem Unternehmen unverzüglich mitteilen soll

47

(2) Die Klausel in § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zwingt ihn, entweder wahrheitswidrig zu erklären, nicht schwerbehindert zu sein oder aber – wie es der Kläger getan hat – den Vertrag mit der Bitte um entsprechende Änderung nicht zu unterschreiben. In beiden Fällen ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer in einer ungünstigeren Situation als ein nicht-behinderter Bewerber.

48

dd. Diese Frage kann letztlich dahin gestellt bleiben, weil die Klausel in § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zumindest eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung indiziert, die die Beklagte nicht entkräftet hat. Es kann nach dem Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung des Klägers für ihre Entscheidung, ihn letztlich nicht einzustellen, zumindest mitursächlich war.

49

(1) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall ein schwerbehinderter Beschäftigter oder Bewerber Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorliegt, d.h., dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (BAG, Urteile vom 13. Oktober 2011, 8 AZR 608/10, Rn. 49, und vom 11. August 2016, 8 AZR 406/14, Rn. 28, beide zit. nach juris).

50

(2) Die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen, indiziert eine Benachteiligung wegen einer Behinderung. Denn mit dieser Klausel bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass es ihm für das Arbeitsverhältnis darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer nicht iSd § 2 SGB IX behindert ist. Die Erklärung ist tätigkeitsneutral, d.h. sie zielt nicht lediglich darauf ab, zu erfahren, ob der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit ausüben kann. Im Streitfall wird dies durch die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsvertrages besonders deutlich, der – im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages - eine konkrete Erklärung bzgl. gesundheitlicher, der Arbeit ggf. entgegenstehende Beeinträchtigungen beinhaltet.

51

(3) Ob die tätigkeitsneutrale Frage des Arbeitgebers im Einstellungsgespräch nach einer Schwerbehinderung als zulässig angesehen werden kann, war lange Zeit heftig umstritten (vgl. zum Meinungsstand: Hess. LAG, Urteil vom 24. März 2010, 6/7 Sa 1373/09, zit. nach juris, Rn. 41). Das BAG hat diese Frage zuletzt offen gelassen (BAG, Urteil vom 07. Juli 2011, 2 AZR 396/10, zit. nach juris Rn. 16, 17). Nach Auffassung der Kammer ist die tätigkeitsneutrale Frage nach einer Schwerbehinderung bei einer Einstellung unzulässig. Gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX n. F. dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Aus § 81 Abs. 2 SGB IX n.F. und der zugrunde liegenden Richtlinie 2000/78/EG wird deutlich, dass schwerbehinderte Beschäftigte nicht allein aufgrund ihrer Behinderung ungerechtfertigt benachteiligt werden sollen. Durch die Normierung dieses Verbots hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass das Anknüpfen einer Auswahlentscheidung an eine Schwerbehinderung unzulässig ist. Daraus folgt, dass die mit einer Einstellung eines schwerbehinderten Bewerbers u. U. einhergehenden wirtschaftlichen und organisatorischen Belastungen für den Arbeitgeber, die nicht wegzudiskutieren sind, hingenommen werden müssen. Da das Interesse des Arbeitgebers bei der Frage nach einer Schwerbehinderung häufig darin liegt, einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber aufgrund der genannten Schwierigkeiten nicht einzustellen, liegt darin ein nicht schützenswertes Interesse gegenüber dem schwerer wiegenden Diskriminierungsverbot, das das Ziel des § 81 Abs. 2 SGB IX darstellt (Joussen, Fragerecht, Schwerbehinderung und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174).

52

(4) Die sich aus der Unzulässigkeit der Frage ergebende Indizwirkung wird im Streitfall noch durch den Umstand bestärkt, dass es sich nicht um eine offene Frage, sondern um die ausdrückliche Erklärung, nicht schwerbehindert zu sein, handelt. Ob die Beklagte den Vertrag selber erstellt oder auf ein Formular zurückgegriffen hat, ist rechtlich unerheblich, da sie sich als Verwenderin deren Inhalt zurechnen lassen muss.

53

(5) Die Beklagte hat die Indizwirkung nicht entkräftet. Deshalb kann dahin gestellt bleiben, ob Frau E. am 13. Januar 2017 die vom Kläger behaupteten Erklärungen bzgl. der Schwerbehinderung ihm gegenüber am Telefon abgegeben hat und ob eine Beweisaufnahme in Form der Zeugenvernehmung seiner Ehefrau über den Inhalt der Telefonate im Hinblick auf ein Beweisverwertungsverbot zulässig ist.

54

(a) Nach dem Vortrag der Beklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung zumindest mitursächlich für ihre Entscheidung war, den Kläger nicht einzustellen. Der Kläger hat seine Schwerbehinderung zunächst unstreitig verschwiegen und erstmals am 12. Januar 2017 – nach Vorlage des von der Beklagten bereits unterschriebenen Arbeitsvertrages – offenbart.

55

(b) Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie aufgrund der Schwerbehinderung zunächst den Vertrag habe überprüfen lassen wollen, um festzustellen, welche Konsequenzen die Schwerbehinderung hat und ob Vertragsänderungen notwendig sind. Die Beklagte hat zuletzt explizit vorgetragen, dass sie die Befristungsregelung und die Dienstwagenregelung nicht habe ändern wollen, sondern nur eine rechtliche Überprüfung aufgrund der Schwerbehinderung habe vornehmen lassen wollen. Erst dieses Aufschieben einer Entscheidung hat den Kläger veranlasst – aus welchen Gründen auch immer – der Beklagten ein „Ultimatum“ für die Entscheidung zu setzen, das dann letztlich auch ein Grund für die Entscheidung der Beklagten war, ihn nicht einzustellen.

56

(c) Des Weiteren trägt die Beklagte vor, dass das weitere Verhalten des Klägers im Rahmen der Vertragsverhandlungen ursächlich für ihre Entscheidung der Nichteinstellung gewesen sei. Zu diesem Verhalten gehört nicht nur das letztlich durch die Schwerbehinderung und deren Überprüfung ausgelöste (vom Kläger bestrittene) „Ultimatum“, sondern auch der Umstand, dass der Kläger seine Schwerhinderung zunächst verschwiegen hat. Dass die Beklagte sich hieran gestört hat, ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus der E-Mail der Frau K., in der sie Frau E. mitteilt, dass der Kläger die Schwerbehinderung aus Angst vor einer spontanen Absage unerwähnt gelassen habe und dass sie es gut finde, dass er jetzt den offenen Weg wähle. Auch das ist eine „neue Version“, die letztlich mitursächlich für die Entscheidung der Frau K. gewesen sein könnte, den Kläger nicht einzustellen („Bitte absagen. Zu viele Versionen.“).

57

(d) Der Beklagten kam es auf die Schwerbehinderung und deren Folgen erkennbar an. Dies ergibt sich aus ihrem Bestreben der rechtlichen Überprüfung vor Abschluss des Vertrages und aus der Frage von Frau K., welche Erkrankung der Schwerbehinderung zugrunde liegt. Die Beklagte widerspricht sich, wenn sie einerseits vorträgt, die Behinderung sei für sie unerheblich, da der Kläger eine gute Probearbeit geleistet habe, andererseits vorträgt, den Kläger gefragt zu haben, welche Erkrankung zugrunde liegt. Die Schwerbehinderung könnte für die übrigen Vertragsinhalte, z. B. für die Gestaltung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes und das Erfordernis eines Dienstwagens (§ 81 Abs. 4 SGB IX), relevant sein, wobei auch Frau K. darauf hinweist, dass für den Kläger wohl ein Zusammenhang zwischen der Schwerbehinderung und dem Dienstwagen besteht. Von der Nichtzurverfügungstellung eines Dienstwagens will die Beklagte jedoch nach ihrem eigenen Vortrag nicht abweichen.

58

dd. Das Entschädigungsverlangen ist auch nicht verfristet. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klage auf Entschädigung innerhalb der in § 61b Abs. 1 ArbGG bestimmten Frist erhoben. Die Klage wurde der Beklagten bereits am 01. Februar 2017 zugestellt.

59

2. Dem Kläger steht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung zu.

60

a. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falls berücksichtigen zu können (BAG, Urteil vom 17. August 2010, 9 AZR 839/08, zit. nach juris Rn. 59). Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Im Übrigen sind für die Höhe der festzusetzenden Entschädigung Art und Schwere der Verstöße sowie die Folgen für den schwerbehinderten Kläger von Bedeutung (BAG, Urteil vom 24. Januar 2013, 8 AZR 188/12, zit. nach juris Rn. 49).

61

b. Nach dieser Maßgabe sind für die Entschädigungshöhe die folgenden Umstände zu berücksichtigen:

62

aa. Der Kläger hat sich nicht nur schriftlich und persönlich in einem Vorstellungsgespräch beworben, sondern bereits vom 09. bis 11. Januar 2017 zur Probe bei der Beklagten gearbeitet. Die Beklagte war mit den Leistungen des Klägers zufrieden und wollte ihn bereits zum 01. Februar 2017 einstellen. Dementsprechend hat sie ihm auch bereits einen von ihr unterschriebenen Vertrag ausgehändigt. Daran ändert auch die Erklärung der Geschäftsführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nichts, dass sie sich mit der Einstellung unsicher gewesen sei, auch wegen der großen Gehaltsdifferenz, und dass sie dem Kläger keinen unterschriebenen Vertrag habe aushändigen wollen. Letztlich muss sich die Beklagte an ihrem Handeln, d.h. an der Übergabe eines bereits unterschriebenen Vertrages zum 01. Februar 2017, festhalten lassen.

63

bb. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger – auch nach dem Vortrag des Klägers – nach der Offenbarung seiner Schwerbehinderung – nicht sogleich abgesagt, sondern zunächst zugesagt hat, die Auswirkungen überprüfen zu wollen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die tätigkeitsneutrale Frage nach der Schwerbehinderung zumindest bis zur Neufassung des § 81 Abs. 2 SGB IX für zulässig gehalten wurde (vgl. BAG, Urteil vom 05. Oktober 1995, 2 AZR 923/94, zit. nach juris).

64

cc. Unter Abwägung der o.a. Umstände erscheint die Festsetzung von zwei Gehältern erforderlich, aber auch ausreichend.

65

dd. Der zuerkannte Betrag ist gemäß §§ 288, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit der Klage zu verzinsen.

II.

66

1. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu einem Drittel der Kläger und zu zwei Drittel die Beklagte zu tragen, weil diese Quote dem Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens und Unterliegens entspricht (§ 92 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG).

67

2. Der Wert des Streitgegenstandes (§ 61 Abs. 1 ArbGG) entspricht dem Wert der Klag- / Hauptforderung.

68

3. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, war die Berufung gesondert zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 64 Abs. 2 lit. a) i.V.m. Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG). Soweit ersichtlich hat das Bundesarbeitsgericht die Zulässigkeit einer tätigkeitsneutralen Frage nach einer Behinderung und einer sich daraus ergebenden Indizwirkung iSd § 22 AGG noch nicht entschieden.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu einem Drittel der Kläger und zu zwei Drittel die Beklagte zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.100,00 € festgesetzt.

5. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, wird die Berufung gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch wegen einer vom Kläger behaupteten Diskriminierung als Schwerbehinderter.

2

Der schwerbehinderte Kläger hat sich mit einem Anschreiben vom 27. Dezember 2016 (Anlage B 3, Bl. 100 d. A.) um eine Hauswartstelle bei der Beklagten beworben. Nach einem Vorstellungsgespräch am 04. Januar 2017 arbeitete er vom 09. bis zum 11. Januar 2017 zur Probe bei der Beklagten.

3

Da die Beklagte mit den Leistungen des Klägers bei der Probearbeit sehr zufrieden war, entschloss sie sich, ihm ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten. Hierzu führte sie durch ihren technischen Leiter Herrn B. am 11. Januar 2017 ein Gespräch mit dem Kläger, in dem sie ihm unter anderem mitteilte, dass ihre durchschnittlichen Einstiegsgehälter zwischen 2.300,00 € und 2.500,00 € lägen. Die Parteien einigten sich schließlich auf ein Einstiegsgehalt von 2.700,00 € brutto. Am selben Tag übergab die Beklagte dem Kläger den von ihr bereits unterzeichneten, als Anlage K 1 (Bl. 4 bis 9 d. A.) vorliegenden Arbeitsvertrag. Dieser beinhaltet in § 1 Abs. 1 eine Befristung des Arbeitsverhältnisses vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Januar 2018 sowie in § 5a die Regelung, dass dem Mitarbeiter kein Dienstwagen zur Verfügung steht. § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

4

„Der Mitarbeiter versichert, dass er arbeitsfähig ist, nicht an einer infektiösen Erkrankung leidet und keine sonstigen Umstände vorliegen, die ihm die vertraglich zu leistende Arbeit jetzt oder in naher Zukunft wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Der Mitarbeiter erklärt weiter, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt. Sofern etwa die Voraussetzungen dafür später eintreten, wird er das Unternehmen hiervon unverzüglich in Kenntnis setzen.“

5

Der Kläger hat diesen Vertrag nicht sogleich unterschrieben, sondern mit nach Hause genommen, um ihn sich in Ruhe durchzulesen.

6

Am 12. Januar 2017 teilte er der Beklagten per E-Mail mit, dass er einige Änderungswünsche hinsichtlich des Vertragsinhalts habe. So wünschte er in § 1 Abs. 1 des Vertrages eine Ergänzung dahingehend, dass ihm spätestens zum 31. Oktober 2017 mitgeteilt werden soll, ob eine Entfristung erfolgt. Ferner begehrte er die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens für berufliche Zwecke. § 9 Abs. 1 sollte in Gänze gestrichen werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der E-Mail wird auf deren Inhalt (Anlage B 1, Bl. 29 bis 31 d. A.) verwiesen.

7

Aufgrund dieser E-Mail kam es noch am selben Tag zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin Frau K., in dem der Kläger der Beklagten erstmals mitteilte, dass er schwerbehindert sei. Was im Rahmen des Telefonats des Weiteren gesagt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 13. Januar 2017 führte der Kläger mit Frau E. von der Beklagten zwei Telefonate, deren Gesprächsinhalte ebenfalls streitig sind; in einem dritten Telefonat teilte Frau E. ihm noch am selben Tag mit, dass man ihn nicht einstellen wolle.

9

Mit einer E-Mail vom 13. Januar 2017 (Anlage B 2, Bl. 32 ff. d. A.), wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass sie sich nicht in Bezug auf seine Schwerbehinderung gegen ihn entscheiden könne, dass er den Arbeitsvertrag bereits am 12. Januar 2017 unterschrieben habe und dass sie ihm wegen einer Diskriminierung eine Entschädigung von drei Monatsgehältern, d.h. insgesamt in Höhe von 8.100,00 €, zahlen müsse.

10

Diese Entschädigung begehrt der Kläger mit seiner am 24. Januar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 01. Februar 2017 der Beklagten zugestellten Klage weiter.

11

Der Kläger trägt vor, am 12. Januar 2017 habe ihn Frau K. am Telefon gefragt, was für ein Problem er mit der Regelung in § 9 des Arbeitsvertrages habe. Daraufhin habe er ihr mitgeteilt, dass er schwerbehindert sei. Frau K. habe gesagt, sie müsse in Anbetracht dieser neuen Information „eine Nacht über die Sache schlafen“, bisher habe sie keine schwerbehinderten Mitarbeiter.

12

Am 13. Januar 2017 habe ihm Frau E. am Telefon mitgeteilt, dass er einen „denkbar schlechten Start hingelegt“ habe, weil er seine Schwerbehinderung zunächst verschwiegen habe. Sie habe gesagt, er dürfe nicht vergessen, dass Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz genössen. Sodann sei wörtlich der Satz gefallen: „Das möchten wir hier nicht haben.“ Frau E. habe ihm schließlich gesagt, dass sie das nicht allein entscheiden, sondern mit Frau K. Rücksprache halten wolle. Nach dem Telefonat habe ihm seine Ehefrau den Vorwurf gemacht, dass er nicht auf einer Entscheidung bestanden habe. Deshalb habe er kurze Zeit später erneut Frau E. angerufen und gesagt, dass er eine Antwort bzgl. der Schwerbehinderung haben wolle, da er noch andere Bewerbungen laufen habe, aber gerne für die Beklagte arbeiten wolle. Frau E. habe erneut gesagt, dass man den Kläger wegen des Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte nicht beschäftigen wolle. Daraufhin habe er gesagt, dass der Kündigungsschutz erst nach 6 Monaten greife. Frau E. habe sodann zugesagt, nochmals mit Frau K. Rücksprache halten zu wollen. Den Inhalt beider Telefonate mit Frau E. könne seine Ehefrau bezeugen, die die Telefonate habe mithören können, weil der Hörer aufgrund einer Hörbehinderung seines Sohnes sehr laut gestellt sei.

13

Die Nichtberücksichtigung allein aufgrund seiner Schwerbehinderung stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung iSd AGG dar.

14

Der Kläger beantragt,

15

die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger 8.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte trägt vor, im Rahmen der Probearbeit habe der Kläger ihr mitgeteilt, dass er bisher in seinem ungekündigten Arbeitsverhältnis 3.200,00 € brutto im Monat verdiene, zzgl. Zulagen in Höhe von rund 200,00 €. Die Einstiegsgehälter der bei ihr derzeit beschäftigten Hauswarte lägen zwischen 1.900,00 € und 2.400,00 €.

19

Der Kläger habe den Vertrag nicht gleich am 11. Januar 2017 unterschrieben, weil Frau K. ihm gesagt habe, dass er über den Vertrag noch einmal in Ruhe nachdenken solle. Frau K. habe selbst mit dem Vertrag, insbesondere mit der großen Gehaltsdifferenz, „Bauchschmerzen“ gehabt. Mit den angebotenen 2.700,00 € sei sie ohnehin an ihre „Schmerzgrenze“ gegangen.

20

In dem Telefonat am 12. Januar 2017 habe sie die für sie unerwarteten Änderungswünsche des Klägers besprechen und nachvollziehen wollen. Der Kläger habe in dem Telefonat freiwillig und ungefragt offenbart, dass er schwerbehindert sei. Hierauf habe sie gesagt, dass das nichts zur Sache tue, da er eine gute Probearbeitszeit abgeliefert habe. Auf ihre Nachfrage, warum er schwerbehindert sei, habe er gesagt, dass er etwas mit den Venen habe und deshalb Thrombosestrümpfe tragen müsse. Eigentlich habe er die Schwerbehinderung erst nach der Probezeit ansprechen wollen; er habe das Thema aber nun wegen des Dienstwagens angesprochen. Sie, die Beklagte, habe lediglich gesagt, dass sie (derzeit) keinen anderen schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftige. Bei dieser Äußerung habe sie lediglich „laut“ gedacht, dass sie mit der Einstellung des Klägers die Ausgleichsabgabe vermeiden könne. Bis Oktober 2016 habe sie einen schwerbehinderten Mitarbeiter beschäftigt, der mit Rentenbezug aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Letztlich sei das Gespräch ergebnislos beendet worden, da sie den Änderungswünschen nicht ohne Beratung habe entsprechen wollen. Man sei übereingekommen, sich am nächsten Tag wieder in Verbindung zu setzen.

21

Anschließend habe Frau K., die zu diesem Zeitpunkt im Urlaub gewesen sei, Frau E. gebeten, ihren Rechtsanwalt zu kontaktieren, um zu erfragen, was eine Schwerbehinderung für die Befristung des Arbeitsverhältnisses bedeute. Die E-Mail von Frau K. an Frau E. vom 12. Januar 2017 laute auszugsweise wie folgt:

22

„Herr G. und ich haben mittlerweile einander erreicht. Er kam gleich zur Sache, weil ihm wohl auch nicht wohl bei der Sache war…

23

Es ist so, dass wir nicht gefragt haben, ob er schwerbehindert ist. Er hat es aus Angst einer spontanen Absage lieber unerwähnt gelassen. Dann kam der Vertrag. Deshalb auch das Thema Dienstwagen. Hängt wohl zusammen. Habe ich aber nicht ganz verstanden. Ich habe gesagt, dass ich erst mal nachdenken muss, es aber gut finde, dass er jetzt den offenen Weg wählt (…)

24

Grundlegend war das Gespräch aber sehr positiv, weil er sehr offen wirkte. Das sei noch erwähnt.“

25

Frau E. habe am nächsten Tag ausweislich des Inhalts der Anlage B 4 Herrn Rechtsanwalt H. kontaktiert, um die rechtlichen Konsequenzen zu erfragen; dieser habe allerdings erst am 17. Januar 2017 ein ausführliche Antwort übersenden können.

26

Am 13. Januar 2017 habe der Kläger Frau E. angerufen. Diese habe ihm in der Tat mitgeteilt, dass die Parteien einen denkbar schlechten Start gehabt hätten; diese Äußerung habe sich allerdings nicht auf die Schwerbehinderung, sondern auf die Änderungswünsche, den großen Gehaltsunterschied und die urlaubsbedingte Abwesenheit von Frau K., die eine Abstimmung erschwert habe, bezogen. Über die Schwerbehinderung sei nicht gesprochen worden. Frau E. habe den Kläger gefragt, warum er sein derzeitiges Arbeitsverhältnis beenden wolle. Er habe ihr mitgeteilt, dass sein derzeitiges Arbeitsverhältnis im Zuge einer Umstrukturierung auf ein anderes Unternehmen übergehen solle. Der neue Arbeitgeber habe gesagt, dass er keine schwerbehinderten Arbeitnehmer beschäftigen wolle. Daraufhin habe Frau E. ihn gefragt, warum er nicht gegen eine solche Kündigung vorgehen wolle, da er aufgrund seiner Schwerbehinderung einen besonderen Kündigungsschutz habe. Der Kläger habe gesagt, dass er damit nicht vor Gericht ziehen wolle und wörtlich gesagt: „Daran gehe ich zugrunde.“ Bzgl. der Änderungswünsche habe sie mit dem Kläger letztlich einen Besprechungstermin für den 17. Januar 2017 vereinbart.

27

Etwa 10 Minuten später habe der Kläger wieder angerufen und mitgeteilt, dass er bis heute, 15:00 Uhr eine Entscheidung benötige, da ihm ansonsten nicht mehr die verkürzten Kündigungsfristen seines alten Arbeitgebers zur Verfügung stünden. Der Kläger habe auf eine verbindliche Antwort bis zu diesem Zeitpunkt bestanden, obwohl ihm Frau E. gesagt habe, dass das Arbeitsverhältnis auch später beginnen könne. Frau E. habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass sie dies nicht allein entscheiden, sondern mit Frau K. besprechen müsse, was schwierig sei, da diese im Ausland sei.

28

Wider Erwarten habe Frau K. Frau E. erreicht, die ihr ausweislich der WhatsApp-Nachricht, Anlage B 6, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 106, 107 d. A.), letztlich mitgeteilt habe, dass sie absagen solle („Bitte absagen. Zu viele Versionen.“).

29

Für ihre Entscheidung, den Kläger nicht zu beschäftigen, sei nicht seine Schwerehinderung kausal, sondern seine überzogenen Forderungen und sein weiteres Verhalten im Rahmen der Verhandlungen.

30

Sie habe sich durch das „Ultimatum“ des Klägers ungebührlich unter Druck gesetzt gefühlt. Zudem habe sie den Änderungswünschen nicht ohne rechtliche Beratung zustimmen wollen. Diese habe innerhalb der vom Kläger gesetzten Frist nicht erfolgen können. Sie habe die umfangreichen Änderungswünsche unbedingt überprüfen wollen. Allein aus diesem Grund habe Frau E. dem Kläger letztlich mitgeteilt, dass sie vom Abschluss eines Arbeitsverhältnisses Abstand nehme.

31

Zuletzt trägt die Beklagte vor, aus der WhatsApp-Nachricht von Frau E. werde deutlich, dass sie sich nicht wegen der Schwerbehinderung, sondern wegen der immer neuen und nicht immer nachvollziehbaren Erklärungen des Klägers und wegen des Ultimatums gegen seine Einstellung entschieden habe. Das Ultimatum aufgrund einer angeblich verkürzten Kündigungsfrist sei für sie nicht nachvollziehbar gewesen, da der Kläger bereits in seinem Anschreiben mitgeteilt habe, dass er eine vierwöchige Kündigungsfrist habe. Sie habe die vertraglichen Regelungen über die Befristung und den Dienstwagen nicht ändern wollen, sondern nur durch ihren Anwalt prüfen lassen wollen, ob aufgrund der Schwerbehinderung Vertragsänderungen notwendig seien.

32

Die Klausel in § 9 des Arbeitsvertrages indiziere keine Benachteiligung. Es handele sich um einen Musterarbeitsvertrag. Für sie sei nicht von Bedeutung, ob ein Mitarbeiter schwerbehindert sei; ihr komme es nur darauf an, ob er seine Tätigkeit ausüben könne.

33

Sie gehe davon aus, dass der Kläger tatsächlich kein ernsthaftes Interesse an der Stelle gehabt habe. Dafür spreche, dass er sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit höherer Vergütung befinde, nicht akzeptable Forderungen stelle, die erkennbar den Interessen des Arbeitsgebers zuwiderliefen und inakzeptabel seien und eine Entschädigung in einem pauschal formulierten Forderungsschreiben geltend gemacht habe.

34

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2017 Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 S. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG).

Entscheidungsgründe

35

Die zulässige Klage ist in Höhe des zuerkannten Betrages begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.400,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Ein über diesen Betrag hinausgehender Entschädigungsanspruch besteht nicht.

36

1. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 15 Abs. 2 AGG.

37

a. Nach dieser Vorschrift kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 AGG nicht ausdrücklich klar, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG. Gemäß § 7 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Gründe benachteiligt werden (BAG, Urteil vom 22. Januar 2009, 8 AZR 906/07, zit. nach juris Rn. 27 f., 61, m.w.N.). Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt sein muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft und dadurch motiviert ist. Dabei ist eine Mitursächlichkeit ausreichend für die Annahme einer Benachteiligung, d.h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein in § 1 AGG genannter Grund als negatives Kriterium in einem Motivbündel enthalten ist, das die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 21. Juli 2009, 9 AZR 431/08, zit. nach juris Rn. 40 m.w.N.).

38

b. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

39

aa. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSv § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er ausweislich der Anlage B 3 (Bl. 100 d. A.) am 27. Dezember 2016 eine Bewerbung bei der Beklagten um eine Hauswartstelle eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Auf die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ kommt es nicht an. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat (BAG, Urteil vom 11. August 2016, 8 AZR 4/15, zit. nach juris Rn. 37, 38 m.w.N.).

40

bb. Nach dem Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB). Aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger sich beworben hat, um die Stelle zu bekommen.

41

(1) Der Kläger hat ausweislich der Anlage B 3 eine den üblichen Gepflogenheiten entsprechende Bewerbung eingereicht und auch die Probearbeit zur Zufriedenheit der Beklagten absolviert. Sein Begehren um die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens und um die rechtzeitige Mitteilung, ob eine Entfristung erfolgt, sprechen dafür, dass es ihm tatsächlich auf die Stelle ankam, für die er ausweislich des Inhalts seines Anschreibens auch nicht offensichtlich ungeeignet ist.

42

(2) Ob der Kläger in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis tatsächlich durchschnittlich 3.400,00 € brutto im Monat verdient und sich mit den letztlich vereinbarten 2.700,00 € brutto um 700,00 € brutto verschlechtert hätte, kann dahin gestellt bleiben, da eine derartige Gehaltseinbuße kein zureichendes Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstellt. Ein Arbeitnehmer kann durchaus legitime Gründe haben, eine schlechter bezahlte Stelle anzunehmen, nicht zuletzt eine drohende Arbeitslosigkeit oder Differenzen mit seinem Arbeitgeber.

43

(3) Die Auffassung der Beklagten, der Rechtsmissbrauch werde auch dadurch indiziert, dass der Kläger nicht akzeptable Forderungen gestellt habe, die erkennbar den Interessen des Arbeitsgebers zuwiderliefen, erschließt sich nicht. Dass ein Hausmeister für seine Arbeit einen Dienstwagen zur dienstlichen Nutzung haben möchte, um die zu betreuenden Objekte anzufahren, ist ebenso nachvollziehbar wie sein Begehren, spätestens drei Monate vor Fristablauf zu erfahren, ob sein Arbeitsverhältnis verlängert wird. Hierbei handelt es sich jedenfalls nicht um völlig abwegige, offensichtlich inakzeptable Forderungen, die nur dem Zweck dienen, eine Absage zu provozieren.

44

(4) Auch die von der Beklagten in Bezug genommene E-Mail vom 13. Januar 2017 (Anlage B 2, Bl. 32 d. A.), mit der der Kläger einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hat, belegt nicht, dass es ihm als sog. „AGG-Hopper“ nur auf eine Entschädigung ankam. Die E-Mail ist konkret auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen und beinhaltet lediglich einen offenbar aus dem Internet kopierten Text zu Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen. Im Übrigen ist das Schreiben sachlich formuliert.

45

cc. Der Kammer erscheint fraglich, ob die Beklagte den Kläger bereits dadurch unmittelbar iSv § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt hat, dass sie ihm als schwerbehinderten Menschen einen Arbeitsvertrag mit der in § 9 Abs. 1 S. 2 enthaltenen Erklärung vorgelegt hat.

46

(1) § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages beinhaltet nach seinem Wortlaut die Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen. Das SGB IX stellt jedoch zwingendes Recht dar, das in Teilen auch für nicht-schwerbehinderte und nicht gleichgestellte Menschen gilt, z. B. die Bestimmung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX. Als zwingendes Recht ist es vertraglich nicht abdingbar. Aus Sicht eines verständigen Empfängers in der Situation des Klägers (§§ 133, 157 BGB) ist die Klausel so zu verstehen, dass er erklären soll, weder behindert noch gleichgestellt iSd § 2 SGB IX zu sein. Für dieses Verständnis spricht insbesondere die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages, dass er eine später eintretende Veränderung dem Unternehmen unverzüglich mitteilen soll

47

(2) Die Klausel in § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zwingt ihn, entweder wahrheitswidrig zu erklären, nicht schwerbehindert zu sein oder aber – wie es der Kläger getan hat – den Vertrag mit der Bitte um entsprechende Änderung nicht zu unterschreiben. In beiden Fällen ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer in einer ungünstigeren Situation als ein nicht-behinderter Bewerber.

48

dd. Diese Frage kann letztlich dahin gestellt bleiben, weil die Klausel in § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrages zumindest eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung indiziert, die die Beklagte nicht entkräftet hat. Es kann nach dem Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung des Klägers für ihre Entscheidung, ihn letztlich nicht einzustellen, zumindest mitursächlich war.

49

(1) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall ein schwerbehinderter Beschäftigter oder Bewerber Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorliegt, d.h., dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (BAG, Urteile vom 13. Oktober 2011, 8 AZR 608/10, Rn. 49, und vom 11. August 2016, 8 AZR 406/14, Rn. 28, beide zit. nach juris).

50

(2) Die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen, indiziert eine Benachteiligung wegen einer Behinderung. Denn mit dieser Klausel bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass es ihm für das Arbeitsverhältnis darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer nicht iSd § 2 SGB IX behindert ist. Die Erklärung ist tätigkeitsneutral, d.h. sie zielt nicht lediglich darauf ab, zu erfahren, ob der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit ausüben kann. Im Streitfall wird dies durch die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsvertrages besonders deutlich, der – im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages - eine konkrete Erklärung bzgl. gesundheitlicher, der Arbeit ggf. entgegenstehende Beeinträchtigungen beinhaltet.

51

(3) Ob die tätigkeitsneutrale Frage des Arbeitgebers im Einstellungsgespräch nach einer Schwerbehinderung als zulässig angesehen werden kann, war lange Zeit heftig umstritten (vgl. zum Meinungsstand: Hess. LAG, Urteil vom 24. März 2010, 6/7 Sa 1373/09, zit. nach juris, Rn. 41). Das BAG hat diese Frage zuletzt offen gelassen (BAG, Urteil vom 07. Juli 2011, 2 AZR 396/10, zit. nach juris Rn. 16, 17). Nach Auffassung der Kammer ist die tätigkeitsneutrale Frage nach einer Schwerbehinderung bei einer Einstellung unzulässig. Gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX n. F. dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Aus § 81 Abs. 2 SGB IX n.F. und der zugrunde liegenden Richtlinie 2000/78/EG wird deutlich, dass schwerbehinderte Beschäftigte nicht allein aufgrund ihrer Behinderung ungerechtfertigt benachteiligt werden sollen. Durch die Normierung dieses Verbots hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass das Anknüpfen einer Auswahlentscheidung an eine Schwerbehinderung unzulässig ist. Daraus folgt, dass die mit einer Einstellung eines schwerbehinderten Bewerbers u. U. einhergehenden wirtschaftlichen und organisatorischen Belastungen für den Arbeitgeber, die nicht wegzudiskutieren sind, hingenommen werden müssen. Da das Interesse des Arbeitgebers bei der Frage nach einer Schwerbehinderung häufig darin liegt, einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber aufgrund der genannten Schwierigkeiten nicht einzustellen, liegt darin ein nicht schützenswertes Interesse gegenüber dem schwerer wiegenden Diskriminierungsverbot, das das Ziel des § 81 Abs. 2 SGB IX darstellt (Joussen, Fragerecht, Schwerbehinderung und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174).

52

(4) Die sich aus der Unzulässigkeit der Frage ergebende Indizwirkung wird im Streitfall noch durch den Umstand bestärkt, dass es sich nicht um eine offene Frage, sondern um die ausdrückliche Erklärung, nicht schwerbehindert zu sein, handelt. Ob die Beklagte den Vertrag selber erstellt oder auf ein Formular zurückgegriffen hat, ist rechtlich unerheblich, da sie sich als Verwenderin deren Inhalt zurechnen lassen muss.

53

(5) Die Beklagte hat die Indizwirkung nicht entkräftet. Deshalb kann dahin gestellt bleiben, ob Frau E. am 13. Januar 2017 die vom Kläger behaupteten Erklärungen bzgl. der Schwerbehinderung ihm gegenüber am Telefon abgegeben hat und ob eine Beweisaufnahme in Form der Zeugenvernehmung seiner Ehefrau über den Inhalt der Telefonate im Hinblick auf ein Beweisverwertungsverbot zulässig ist.

54

(a) Nach dem Vortrag der Beklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwerbehinderung zumindest mitursächlich für ihre Entscheidung war, den Kläger nicht einzustellen. Der Kläger hat seine Schwerbehinderung zunächst unstreitig verschwiegen und erstmals am 12. Januar 2017 – nach Vorlage des von der Beklagten bereits unterschriebenen Arbeitsvertrages – offenbart.

55

(b) Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie aufgrund der Schwerbehinderung zunächst den Vertrag habe überprüfen lassen wollen, um festzustellen, welche Konsequenzen die Schwerbehinderung hat und ob Vertragsänderungen notwendig sind. Die Beklagte hat zuletzt explizit vorgetragen, dass sie die Befristungsregelung und die Dienstwagenregelung nicht habe ändern wollen, sondern nur eine rechtliche Überprüfung aufgrund der Schwerbehinderung habe vornehmen lassen wollen. Erst dieses Aufschieben einer Entscheidung hat den Kläger veranlasst – aus welchen Gründen auch immer – der Beklagten ein „Ultimatum“ für die Entscheidung zu setzen, das dann letztlich auch ein Grund für die Entscheidung der Beklagten war, ihn nicht einzustellen.

56

(c) Des Weiteren trägt die Beklagte vor, dass das weitere Verhalten des Klägers im Rahmen der Vertragsverhandlungen ursächlich für ihre Entscheidung der Nichteinstellung gewesen sei. Zu diesem Verhalten gehört nicht nur das letztlich durch die Schwerbehinderung und deren Überprüfung ausgelöste (vom Kläger bestrittene) „Ultimatum“, sondern auch der Umstand, dass der Kläger seine Schwerhinderung zunächst verschwiegen hat. Dass die Beklagte sich hieran gestört hat, ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus der E-Mail der Frau K., in der sie Frau E. mitteilt, dass der Kläger die Schwerbehinderung aus Angst vor einer spontanen Absage unerwähnt gelassen habe und dass sie es gut finde, dass er jetzt den offenen Weg wähle. Auch das ist eine „neue Version“, die letztlich mitursächlich für die Entscheidung der Frau K. gewesen sein könnte, den Kläger nicht einzustellen („Bitte absagen. Zu viele Versionen.“).

57

(d) Der Beklagten kam es auf die Schwerbehinderung und deren Folgen erkennbar an. Dies ergibt sich aus ihrem Bestreben der rechtlichen Überprüfung vor Abschluss des Vertrages und aus der Frage von Frau K., welche Erkrankung der Schwerbehinderung zugrunde liegt. Die Beklagte widerspricht sich, wenn sie einerseits vorträgt, die Behinderung sei für sie unerheblich, da der Kläger eine gute Probearbeit geleistet habe, andererseits vorträgt, den Kläger gefragt zu haben, welche Erkrankung zugrunde liegt. Die Schwerbehinderung könnte für die übrigen Vertragsinhalte, z. B. für die Gestaltung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes und das Erfordernis eines Dienstwagens (§ 81 Abs. 4 SGB IX), relevant sein, wobei auch Frau K. darauf hinweist, dass für den Kläger wohl ein Zusammenhang zwischen der Schwerbehinderung und dem Dienstwagen besteht. Von der Nichtzurverfügungstellung eines Dienstwagens will die Beklagte jedoch nach ihrem eigenen Vortrag nicht abweichen.

58

dd. Das Entschädigungsverlangen ist auch nicht verfristet. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klage auf Entschädigung innerhalb der in § 61b Abs. 1 ArbGG bestimmten Frist erhoben. Die Klage wurde der Beklagten bereits am 01. Februar 2017 zugestellt.

59

2. Dem Kläger steht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung zu.

60

a. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falls berücksichtigen zu können (BAG, Urteil vom 17. August 2010, 9 AZR 839/08, zit. nach juris Rn. 59). Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Im Übrigen sind für die Höhe der festzusetzenden Entschädigung Art und Schwere der Verstöße sowie die Folgen für den schwerbehinderten Kläger von Bedeutung (BAG, Urteil vom 24. Januar 2013, 8 AZR 188/12, zit. nach juris Rn. 49).

61

b. Nach dieser Maßgabe sind für die Entschädigungshöhe die folgenden Umstände zu berücksichtigen:

62

aa. Der Kläger hat sich nicht nur schriftlich und persönlich in einem Vorstellungsgespräch beworben, sondern bereits vom 09. bis 11. Januar 2017 zur Probe bei der Beklagten gearbeitet. Die Beklagte war mit den Leistungen des Klägers zufrieden und wollte ihn bereits zum 01. Februar 2017 einstellen. Dementsprechend hat sie ihm auch bereits einen von ihr unterschriebenen Vertrag ausgehändigt. Daran ändert auch die Erklärung der Geschäftsführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nichts, dass sie sich mit der Einstellung unsicher gewesen sei, auch wegen der großen Gehaltsdifferenz, und dass sie dem Kläger keinen unterschriebenen Vertrag habe aushändigen wollen. Letztlich muss sich die Beklagte an ihrem Handeln, d.h. an der Übergabe eines bereits unterschriebenen Vertrages zum 01. Februar 2017, festhalten lassen.

63

bb. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger – auch nach dem Vortrag des Klägers – nach der Offenbarung seiner Schwerbehinderung – nicht sogleich abgesagt, sondern zunächst zugesagt hat, die Auswirkungen überprüfen zu wollen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die tätigkeitsneutrale Frage nach der Schwerbehinderung zumindest bis zur Neufassung des § 81 Abs. 2 SGB IX für zulässig gehalten wurde (vgl. BAG, Urteil vom 05. Oktober 1995, 2 AZR 923/94, zit. nach juris).

64

cc. Unter Abwägung der o.a. Umstände erscheint die Festsetzung von zwei Gehältern erforderlich, aber auch ausreichend.

65

dd. Der zuerkannte Betrag ist gemäß §§ 288, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit der Klage zu verzinsen.

II.

66

1. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu einem Drittel der Kläger und zu zwei Drittel die Beklagte zu tragen, weil diese Quote dem Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens und Unterliegens entspricht (§ 92 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG).

67

2. Der Wert des Streitgegenstandes (§ 61 Abs. 1 ArbGG) entspricht dem Wert der Klag- / Hauptforderung.

68

3. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, war die Berufung gesondert zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 64 Abs. 2 lit. a) i.V.m. Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG). Soweit ersichtlich hat das Bundesarbeitsgericht die Zulässigkeit einer tätigkeitsneutralen Frage nach einer Behinderung und einer sich daraus ergebenden Indizwirkung iSd § 22 AGG noch nicht entschieden.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Juni 2009 - 3 Sa 499/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen einer Benachteiligung bei einer Bewerbung aufgrund ihrer Behinderung.

2

1987 hatte die Klägerin eine Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen. 1997/1998 hat sie erfolgreich an einer Ausbildung zur Fachkraft „Sekretariat - Allroundausbildung mit Englisch“ teilgenommen. Schließlich ließ sie sich von September 2004 bis Juni 2006 zur Kauffrau im Gesundheitswesen ausbilden. Danach war sie nicht berufstätig.

3

Ausweislich eines Bescheides des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - vom 10. Dezember 2002 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Auf einen Gleichstellungsantrag wurde ihr mit Bescheid vom 28. Juni 2007 von der Bundesagentur für Arbeit Berlin Süd die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen für den Fall zugesichert, dass im Zuge der Vermittlungsbemühungen oder eigener Bemühungen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes der künftige Arbeitgeber die Einstellung der Klägerin von einer vorherigen Gleichstellung abhängig machen sollte.

4

In der Berliner Morgenpost vom 13. Januar 2008 schaltete die Beklagte, deren Gesellschaftsanteile vollständig vom Land Berlin gehalten werden, eine Anzeige, deren Inhalt auszugsweise lautet:

        

„…    

        

Für das Zentrum für Brusterkrankungen im V suchen wir zum 1. März 2008 eine/einen

        

Sekretärin/Sekretär des Chefarztes

        

befristet für die Dauer von voraussichtlich zwei Jahren.

        

…       

        

Ihre Aufgaben:

        

-       

Sie führen das Chefarztsekretariat

        

-       

Sie erledigen alle anfallenden Tätigkeiten sowie Korrespondenzen selbständig

        

-       

Sie schreiben nach Stichworten, Diktat oder eigener Verantwortung

        

-       

Sie planen die Termine für den Chefarzt in Outlook

        

-       

Sie organisieren, bereiten vor und koordinieren Dienstreisen, Konferenzen und Mitarbeiterbesprechungen

        

-       

Sie erstellen Organigramme und Prozessabläufe

        

-       

Sie sind für die organisatorische Abwicklung und Koordination der Ambulanz verantwortlich

        

-       

Sie planen und organisieren interne Veranstaltungen

        

-       

Sie betreuen Studien und Studienpatienten mit

        

Ihr Profil:

        

-       

Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Sekretär/in im Gesundheitswesen

        

-       

Sie beherrschen die fachspezifische medizinische Nomenklatur

        

-       

Sie besitzen hohe kommunikative Kompetenz und Organisationstalent

        

-       

Sie verfügen über ein freundliches und kompetentes Auftreten

        

-       

Sie besitzen die Bereitschaft zu konstruktiver Teamarbeit

        

-       

Sie besitzen sehr gute Kenntnisse in MS Office Anwendungen (Word, Excel, Power Point), ORBIS, E-Mail- und Internetkenntnisse (Outlook) sowie Englischkenntnisse in Schrift und Sprache

                 
        

Ihre Perspektiven:

        

-       

Eine Vergütung, die sich grundsätzlich nach dem BAT richtet.

        

…“    

        
5

In ihrem Bewerbungsschreiben um die mit ca. 2.200,00 EUR brutto pro Monat vergütete Stelle vom 15. Januar 2008 führte die Klägerin ua. aus:

        

„…    

        

ich bewerbe mich bei Ihnen als Gesundheitskauffrau um Ihre Stelle als Sekretärin für den Chefarzt für das Zentrum für Brusterkrankungen.

        

Als Industriekauffrau seit 1987 mit Abitur und Sekretariatsassistentin mit Englisch seit 1998, sowie Gesundheitskauffrau seit dem 19.06.2006 denke ich Ihren Anforderungen voll zu entsprechen. Als mehrfache Kauffrau kann ich gut organisieren, planen, protokollieren, rechnen und diverse EDV-Programme bedienen.

        

Ich arbeite gewissenhaft, ich bin rechtschreibsicher und schreibe ca. 250 A/Min. Ich verfasse gerne Schreiben selbständig, nur nach Anweisungen oder Stichpunkten, auch Phondiktat ist mir gut bekannt. In Qualitätsmanagement und in medizinischer Terminologie hatte ich ein ‚gut’ im Zeugnis. Organisationstalent und sehr gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift bringe ich mit.

        

Ich verfüge diverse Sekretariatserfahrungen, konnte im Gesundheitswesen erste Erfahrungen machen. Meine Praktika zur Gesundheitsausbildung absolvierte ich in der Diakonie und bei der AOK.

        

Ich verfüge eine ‚Zusicherung der Gleichstellung’ bei einem GdB von 40 durch die Arbeitsagentur, bin insofern besonders förderungswürdig, auch aufgrund einer Arbeitslosigkeit über 1 Jahr.

        

Eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch wäre lt. AGG zu befolgen und vorteilhaft.

        

Dann könnten wir Details Ihrer Anforderungen und meiner Kenntnisse im medizinischen Bereich besprechen. Ich danke Ihnen im voraus für Ihre freundliche Bearbeitung.

        

…“    

6

Nachdem der zuständige Chefarzt, für dessen Sekretariat die Stelle ausgeschrieben worden war, sich für eine andere Bewerbung entschieden hatte, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2008 der Klägerin mit, dass einer anderen Bewerberin der Vorrang gegeben worden sei.

7

Mit Telefax vom 19. Februar 2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung geltend. Sie forderte die Beklagte auf, ihr entweder eine gleichwertige Stelle zu beschaffen oder ihr eine Entschädigung iHv. zwei Gehältern der ausgeschriebenen Stelle zu zahlen. Andernfalls werde sie auf Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern klagen. Im Antwortschreiben vom 21. Februar 2008 verwies die Beklagte darauf, dass die von der Klägerin eingereichten Bewerbungsunterlagen die geforderte Qualifikation nicht ausreichend hatten erkennen lassen.

8

Mit ihrer am 9. Mai 2008 rechtshängig gewordenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Entschädigung weiter.

9

Sie ist der Auffassung, die Vermutung einer Diskriminierung wegen ihrer Behinderung lasse sich aus verschiedenen Verstößen der Beklagten gegen Bestimmungen des SGB IX ableiten. Sie hält die Beklagte für einen öffentlichen Arbeitgeber, da ihre Gesellschaftsanteile vollständig vom Land Berlin gehalten würden und sie sich selbst in der Stellenanzeige als kommunaler Klinikkonzern bezeichnet habe. Weil der Schutzbereich des AGG nicht nur schwerbehinderte Menschen und diesen gleichgestellte Menschen, sondern auch behinderte Menschen erfasse, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies um so mehr, als ihr von der Agentur für Arbeit die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen zugesichert worden sei. Zudem gebiete die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 einen umfassenden Schutz wegen Behinderung. Auch nach Einführung des AGG und der Neufassung des § 81 SGB IX bestehe ein Umsetzungsdefizit, das bei richtlinienkonformer Auslegung des § 81 SGB IX gebiete, diese Norm auch auf (einfach-)behinderte Menschen anzuwenden. Daher spreche für die Vermutung einer Diskriminierung, dass die Beklagte ihre Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht unterrichtet habe und auch nicht entsprechend § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX am Bewerbungsverfahren beteiligt habe. Ebenso wenig sei die Schwerbehindertenvertretung nach § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX an der Prüfung beteiligt worden, ob der freie Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden könne. Auch die Bundesagentur für Arbeit sei über die zu besetzende Stelle nicht informiert worden.

10

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.400,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte mit der Auffassung begründet, die Schwerbehindertenvertretung ausreichend informiert zu haben. Mit Betriebsrat, Frauenvertreterin und Vertrauensperson der Schwerbehinderten sei vereinbart gewesen, dass diesen die Bewerberunterlagen im Bereich des Personalservice zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Dem Betriebsrat sei am 28. Januar 2008 das Formblatt „Personalwirtschaftliche Maßnahme“ übersandt worden. Per Fax sei dieses auch der Frauenvertreterin bekannt gemacht worden, die gleichzeitig gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten sei. Ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung der Klägerin sei gewesen, dass diese - anders als die ausgewählte Bewerberin - keine Kenntnis des Patienten-EDV-Systems ORBIS nachgewiesen habe, ihre berufliche Biographie Lücken aufweise und die Erfahrung zugrunde gelegt worden sei, dass die geforderte Kenntnis der medizinischen Nomenklatur nur bei ständiger praktischer Übung das erforderliche Niveau erreiche.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung vermuten lassen.

14

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

15

Im Zeitpunkt ihrer Bewerbung sei die Klägerin kein gleichgestellter behinderter Mensch iSd. § 2 Abs. 3 SGB IX gewesen, da ein entsprechender Feststellungsbescheid zwar für den Eintritt bestimmter Voraussetzungen zugesichert worden, aber bis dahin nicht ergangen sei. Jedoch sei die Klägerin behindert iSv. §§ 1, 7 AGG. Die §§ 81, 82 SGB IX seien auch bei einfach-behinderten Menschen zu beachten, die nicht schwerbehindert und nicht gleichgestellt seien. Bei der Behandlung der Bewerbung der Klägerin habe die Beklagte mehrfach gegen § 81 Abs. 1 SGB IX verstoßen. Zwar sei die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen gewesen, da diese nur für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte Menschen iSd. SGB IX zuständig sei. Jedoch hätte die Beklagte den Betriebsrat als ein Gremium iSd. § 93 SGB IX über die Bewerbung der Klägerin informieren müssen, da dieser darauf zu achten habe, dass der Arbeitgeber die nach dem SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfülle. Ebenso habe die Beklagte gegen die ihr obliegende Prüfungs- und Meldepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit verstoßen und in diesem Zusammenhang den Betriebsrat wiederum nicht beteiligt, § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 und 6 SGB IX. Diese Verstöße ließen darauf schließen, dass die Klägerin den Nachteil eines nicht diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens erlitten habe.

16

Diese Vermutung habe die Beklagte jedoch widerlegen können. Zutreffend habe sie die Nichtberücksichtigung der Klägerin auf den Sachgrund gestützt, diese beherrsche die medizinische Nomenklatur nicht hinreichend. Dies sei dadurch belegt, dass die Klägerin zwischen dem Abschluss ihrer Ausbildung im Juni 2006 bis zur Bewerbung keinerlei einschlägige Berufserfahrung gesammelt und die erforderlichen Kenntnisse nicht durch ständige praktische Übung habe erhalten können.

17

B. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis.

18

I. Das AGG findet auf den Streitfall Anwendung, da die Bewerberauswahl durch die Beklagte Anfang 2008 nach dem Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 stattfand (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 28, NZA 2010, 1412; BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 15 mwN, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

19

II. Die Parteien fallen in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen einer Behinderung oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligen.

20

1. Auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gelten als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Die Klägerin hat sich für eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle beworben. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Tatbestandsvoraussetzung für Ansprüche nach § 15 AGG ist, da aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und nach dem beiderseitigen Parteivorbringen keine Anhaltspunkte erkennbar sind, die gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung der Klägerin sprechen(Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32, NZA 2010, 1412; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 16, AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2).

21

2. Die Beklagte ist Arbeitgeberin nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG, da sie als juristische Person um Bewerbungen gebeten hat und somit Personen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG „beschäftigt“.

22

III. Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt.

23

1. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 AGG muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten, beginnend mit dem Zugang der Ablehnung, schriftlich geltend gemacht werden(§ 15 Abs. 4 AGG). Die Klägerin hat ihre Ansprüche mit Telefax vom 19. Februar 2008, der Beklagten spätestens am 21. Februar 2008 zugegangen, geltend gemacht und somit fristgerecht nach der Ablehnungsmitteilung der Beklagten vom 6. Februar 2008. Mit dem Schreiben hat sie einen finanziellen Ausgleich gefordert, der zumindest zwei Bruttomonatsgehälter der ausgeschriebenen Stelle betragen sollte. Damit hat sie ihren Entschädigungsanspruch nach dem Lebenssachverhalt individualisiert und der ungefähren Höhe nach angegeben, was ausreicht (Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 77; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 56).

24

2. Die Geltendmachung erfolgte auch formgerecht. Das Schriftformgebot des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG verlangt nicht die gesetzliche Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, ausreichend ist vielmehr die Textform nach § 126b BGB(Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 42 ff. mwN, NZA 2010, 1412). Das Telefax der Klägerin vom 19. Februar 2008 genügte den Erfordernissen des § 126b BGB, weil es der Beklagten unstreitig zugegangen ist und ihr damit in Form eines Ausdruckes vorgelegen hat(BGH 3. Juni 1987 - IVa ZR 292/85 - BGHZ 101, 276).

25

3. Die am 2. Mai 2008 beim Arbeitsgericht eingegangene und am 9. Mai 2008 der Beklagten zugestellte Klage wahrte die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG, da sie innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs erhoben worden ist, § 253 Abs. 1 ZPO.

26

IV. Die Klägerin ist auch benachteiligt worden, da sie im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung erfahren hat als die später eingestellte Bewerberin. Die Situation beider war vergleichbar, da die Klägerin nach den Ausschreibungskriterien nicht als objektiv ungeeignet anzusehen war und eine Benachteiligung auch in der Versagung einer Chance liegen kann (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 51, NZA 2010, 1412; 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 31, AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1).

27

V. Nach den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen ist jedoch eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung nicht zu vermuten.

28

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung dann vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 genannten Grundes, also auch wegen einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Da die weniger günstige Behandlung wegen der Behinderung erfolgen muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG). Ausreichend ist, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, NZA 2011, 153; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 38, 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). Es genügt, wenn vom Arbeitgeber unterlassene Maßnahmen objektiv geeignet sind, behinderten Menschen keine oder schlechtere Chancen einzuräumen (BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 30, BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 44, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14 jeweils zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 54, NZA 2010, 1412; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, aaO).

29

2. Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(Senat 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

30

3. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen oder unstreitigen Tatsachen eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einer Behinderung und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (Senat 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, NZA 2010, 1412; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34, NZA 2011, 153; Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 28, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF bzgl. einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung).

31

4. Das Landesarbeitsgericht hat nicht ohne Rechtsfehler angenommen, die Klägerin sei ihrer Darlegungslast nach § 22 AGG nachgekommen. Zwar ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte gegen verschiedene Bestimmungen des § 81 Abs. 1 SGB IX verstoßen hat, es hat aber verkannt, dass diese Bestimmungen des SGB IX auf die Klägerin nicht anzuwenden sind.

32

a) Die Klägerin unterliegt nicht dem unmittelbaren Anwendungsbereich des SGB IX. Die Regelungen des zweiten Teils des SGB IX, §§ 68 - 160, gelten nach § 68 Abs. 1 SGB IX für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Schwerbehindert sind Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Ihnen sollen solche behinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 aber mindestens 30 gleichgestellt werden, bei denen die übrigen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen und die infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können, § 2 Abs. 3 SGB IX. Die Gleichstellung erfolgt aufgrund einer Feststellung nach § 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Dabei wirkt die Entscheidung konstitutiv (BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 22, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19; 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - zu B II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

33

Für eine Gleichstellung fehlt es im Falle der Klägerin an diesem konstitutiven Akt, obwohl sie mit 40 einen für eine Gleichstellung ausreichenden Grad der Behinderung aufweist. Die konstitutive Feststellung wird auch nicht durch die Zusicherung nach § 34 SGB X ersetzt. Die schriftliche Zusicherung der zuständigen Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt, hier die Gleichstellung, später zu erlassen, verpflichtet die Behörde zwar grundsätzlich zu einem entsprechenden Verwaltungshandeln, ersetzt aber den zugesicherten Verwaltungsakt als solchen gerade nicht, § 34 Abs. 3 SGB X(BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn.35, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr.19).

34

b) Auf die Klägerin finden die §§ 81 ff. SGB IX in der Fassung ab 18. August 2006 auch keine entsprechende Anwendung.

35

aa) Art. 1 der Richtlinie des Rates 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27. November 2000 stellt einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung auch wegen Behinderung im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedsstaaten dar. In solchen Fällen darf es keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe geben, Art. 2 RL 2000/78/EG. Nach Art. 5 der Richtlinie sind angemessene Vorkehrungen zu treffen, die Anwendung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Nach Art. 17 RL 2000/78/EG müssen die Mitgliedsstaaten Sanktionen festlegen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der Richtlinie zu verhängen sind. Weiter müssen sie alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Durchführung der Vorschriften zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein. Der Umsetzung dieser Vorgaben der RL 2000/78/EG sollte zunächst § 81 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 17. August 2006 geltenden Fassung (aF) dienen. In § 81 Abs. 2 SGB IX aF war ein Benachteiligungsverbot schwerbehinderter und diesen gleichgestellter Menschen geregelt sowie ein Entschädigungsanspruch für den Fall des Verstoßes. Jedoch gab es daneben keine weiteren gesetzlichen Regelungen, um Benachteiligung wegen einer Behinderung zu verhindern oder zu sanktionieren. Im Februar 2006 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die notwendig seien, um der RL 2000/78/EG Geltung zu verschaffen (EuGH 23. Februar 2006 - C-43/05 - AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 2).

36

bb) In der Folgezeit hat das Bundesarbeitsgericht die Bestimmung des § 81 Abs. 2 SGB IX aF als nicht gemeinschaftskonform angesehen, da der in der Richtlinie verwendete Begriff der Behinderung nicht auf die im SGB IX geregelten Anwendungsfälle der Schwerbehinderung und der Gleichstellung beschränkt sei, sondern auch einfach Behinderte umfasse. Die Bestimmung sei daher gemeinschaftsrechtskonform auf alle Bewerber mit einer Behinderung im Sinne der Richtlinie anzuwenden (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 18 ff., BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 36 f., AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Da die durch Art. 18 RL 2000/78/EG gesetzte Frist zur Richtlinienumsetzung am 2. Dezember 2003 abgelaufen war, musste der Anwendungsbereich von § 81 Abs. 2 SGB IX aF zwingend europarechtskonform erweitert werden, da es bis zur Einführung des AGG keine Vorschriften zum Schutz einfach-behinderter Menschen vor Benachteiligung wegen ihrer Behinderung und keine Sanktionen zur Durchsetzung dieser Vorschriften gab. Mit der Einführung des AGG sind diese Vorschriften jedoch nunmehr vorhanden.

37

cc) Soweit das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertreten hat, die Bestimmungen des § 81 Abs. 1 SGB IX seien auch(weiterhin) bei behinderten Menschen iSd. §§ 1, 7 AGG anzuwenden, die nicht unter den Anwendungsbereich des SGB IX fallen, folgt dem der Senat nicht. Zum einen wird damit die Reichweite der Übergangsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Zwecke der Richtlinienumsetzung bis zum Inkrafttreten des AGG verkannt. Das Bundesarbeitsgericht hat § 81 Abs. 2 SGB IX aF auf einfach-behinderte Menschen angewendet, um für diese im Grundsatz den europarechtlich gebotenen Entschädigungsanspruch annehmen zu können. Auf die Frage, ob Verstöße gegen das SGB IX eine „Vermutungstatsache“ darstellen können, kam es bei der einen Entscheidung schon deswegen nicht an, da die Behinderung ausdrücklich zum Gegenstand der Ablehnung gemacht worden war (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15). Im weiteren vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet sei, seine besonderen Pflichten nach § 82 Satz 2 SGB IX gegenüber nicht oder nicht bekannt schwerbehinderten Bewerbern zu erfüllen(BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 48, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Zum anderen wird verkannt, dass nunmehr der Begriff der Behinderung im AGG weiterreichend ist als der Behindertenbegriff im SGB IX. Das AGG schützt auch die einfach-behinderten Menschen vor Diskriminierung, also diejenigen, deren Grad der Behinderung unter 50 liegt und die nicht gleichgestellt wurden. Mit der Einführung des AGG wurde das bestehende Umsetzungsdefizit beseitigt (Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl. § 81 Rn. 8, 19; Fabricius in: jurisPK-SGB IX § 81 Rn. 24; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 11; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 81 Rn. 24).

38

c) Findet somit das SGB IX auf die nicht schwerbehinderte und nicht gleichgestellte Klägerin im Zeitpunkt der Bewerbungsentscheidung keine Anwendung, so kann sich die Klägerin nicht im Sinne von Vermutungstatsachen darauf berufen, die Beklagte habe bei der Behandlung ihrer Bewerbung gegen Vorschriften der §§ 81, 82 SGB IX verstoßen. Andere Tatsachen außerhalb der Regelungen des SGB IX, die ihre Benachteiligung wegen ihrer Behinderung indizierten, hat die Klägerin nicht angeführt. Infolgedessen kann auf eine Kausalität zwischen der Ablehnung der Bewerbung der Klägerin und ihrer Behinderung nicht geschlossen werden. Daher kommt es auf die weitere Überlegung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Vermutung einer Benachteiligung der Klägerin zu widerlegen vermocht, nicht an.

39

C. Die Klägerin hat nach § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Hermann    

        

    Pauli    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

1. Die Revisionen der Parteien gegen das Teilurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2010 - 6/7 Sa 1373/09 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen zu 7/9 der Klägerin, zu 2/9 der Beklagten zur Last.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung und einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Sie streiten ferner über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

2

Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen mit Sitz in D. Sie beschäftigt bundesweit mehr als 1200 Arbeitnehmer. Sie unterhält ua. eine Niederlassung in B. Dort war die Klägerin seit dem 1. März 2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 31. Januar 2007 als Angestellte im Außendienst (Vertrieb) tätig. Ihr durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug 7.082,67 Euro. Die Klägerin war seit Juli 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

3

Vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags der Parteien im Januar 2007 hatte die Beklagte der Klägerin einen Personalfragebogen vorgelegt. Die Frage, ob sie anerkannte Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sei, hatte die Klägerin verneint.

4

Am 7. Oktober 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie als Schwerbehinderte anerkannt sei. Die Beklagte hatte ihr zuvor unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe nahegelegt, gegen eine Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.

5

Noch am Abend des 7. Oktober 2008 stellte die Beklagte die Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Sie forderte sie auf, ihre persönlichen Sachen aus ihrem Büro zu entfernen und die Firmenkreditkarte sowie den Computer abzugeben. Zudem sperrte sie ihre Zugangsberechtigungen zu den betrieblichen Kommunikationsmitteln, der EDV, den Kundendatenbanken und dem Firmenkonto. Die Beklagte hat behauptet, dabei habe es sich wie bei jeder streitigen Trennung von Mitarbeitern, insbesondere von solchen aus dem Vertrieb, um eine völlig normale und unbedingt angezeigte Maßnahme gehandelt.

6

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2008 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Sie warf der Klägerin vor, die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung in dem Personalfragebogen unwahr beantwortet zu haben. Zudem kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamts mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

7

Die Klägerin hat rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, weder Anfechtung noch Kündigung hätten das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Die Frage nach dem Bestehen einer anerkannten Schwerbehinderung habe sie wegen der darin liegenden Diskriminierung falsch beantworten dürfen. Ein Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung liege nicht vor. Die auf die falsche Antwort gestützte Kündigung sei gleichermaßen diskriminierend und deshalb unwirksam. Zudem stehe ihr ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008 und die Kündigungserklärung vom 22. Oktober 2008 beruhten auf ihrer falschen Antwort im Personalfragebogen. Die Diskriminierung ergebe sich außerdem aus der Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008 ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, sowie aus dem Prozessverhalten der Beklagten. Diese versuche, ihr eine Behinderung aus psychischen Gründen zu unterstellen.

8

Die Klägerin hat - soweit im Revisionsverfahren unter diversen weiteren Anträgen von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 8. Oktober 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, welche einen Betrag von 96.000,00 Euro nicht unterschreiten möge, nebst Zinsen zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung sei auch unter Geltung des AGG zulässig. Sie habe die Frage in erster Linie gestellt, weil sie die Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb habe erhöhen wollen. Mit einer wahrheitsgemäßen Antwort wären die Einstellungschancen der Klägerin noch größer gewesen. Sie wäre genauso eingestellt worden. Die Klägerin habe eine zulässige Frage bewusst unwahr beantwortet. Sie habe damit zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Dies rechtfertige die Anfechtung und auch die außerordentliche Kündigung. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch der Klägerin lägen nicht vor. Die Frage sei nicht diskriminierend gewesen. Der Grund für Anfechtung und Kündigung sei nicht die Behinderung der Klägerin gewesen, sondern der mit der Lüge hervorgerufene Vertrauensbruch. Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander zählten zu den festen Bestandteilen ihrer „Unternehmenskultur“. Bei einer falschen Antwort auf eine andere, gleich bedeutsame Frage hätte sie in gleicher Weise reagiert.

10

Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsanträgen der Klägerin stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die Berufungen beider Parteien durch Teilurteil zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung auch der Feststellungsanträge, die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision den Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen haben keinen Erfolg. Der Erlass eines Teilurteils verstieß nicht gegen § 301 ZPO(I.). Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtung der Beklagten vom 8. Oktober 2008 noch durch die Kündigung vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden (II.). Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG besteht nicht(III.).

12

I. Das angefochtene Teilurteil ist nicht bereits deswegen von Amts wegen aufzuheben, weil sein Erlass gegen § 301 ZPO verstoßen hätte. Die Streitgegenstände waren teilbar. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Entscheidungsreife habe nur hinsichtlich der mit dem Teilurteil beschiedenen Anträge vorgelegen. Die über sie ergangene Entscheidung hing nicht von der Entscheidung über die übrigen Streitgegenstände ab. Eine mögliche Vorgreiflichkeit des entschiedenen Teils für den Rest-Streit steht dem Erlass eines Teilurteils nicht entgegen. Der Gefahr einer Widersprüchlichkeit der Entscheidungen kann ggf. durch eine Aussetzung des Rest-Streits nach § 148 ZPO begegnet werden.

13

II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtungserklärung der Beklagten noch durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

14

1. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe den nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits nicht nach § 148 ZPO aussetzen dürfen, geht als Verfahrensrüge gegen das Teilurteil ins Leere. Der Aussetzungsbeschluss betrifft den durch dieses nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits. Die Frage, ob dem Verfahren hinsichtlich dieses Teils Fortgang hätte gegeben werden müssen, berührt nicht die in die Revision gelangten Streitgegenstände. Das Teilurteil teilt den Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren (BGH 30. Oktober 1997 - VII ZR 299/95 - zu II 3 a der Gründe, NJW 1998, 686).

15

2. Die Anfechtung vom 8. Oktober 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Beklagte ist nicht durch die falsche Antwort der Klägerin zum Abschluss des Arbeitsvertrags bestimmt worden. Auf einen Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB stützt sie die Anfechtung nicht.

16

a) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten(BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 96, 123; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 81, 120). Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war (vgl. für die widerrechtliche Drohung BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 41, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 59, BAGE 125, 70).

17

b) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber weiterhin nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ohne Bedeutung ist (vgl. dazu bisher BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - BAGE 96, 123; 3. Dezember 1998 - 2 AZR 754/97 - zu II 2 der Gründe, BAGE 90, 251; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120). Dies ist seit Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum 18. August 2006, insbesondere im Hinblick auf Art. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates, umstritten(verneinend Deinert in Deinert/Neumann Handbuch SGB IX 2. Aufl. § 17 Rn. 17; LPK-SGB IX/Düwell 3. Aufl. § 85 Rn. 16 f., 20; ders. BB 2001, 1527, 1529 und BB 2006, 1741, 1743; KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 32; HaKo/Fiebig 3. Aufl. §§ 85-92 SGB IX Rn. 19; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. Rn. 36; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 68 Rn. 43; Messingschlager NZA 2003, 301, 303; Nollert-Borasio/Perreng AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 17 f.; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 272, 274; Rolfs/Paschke BB 2002, 1260, 1261; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1046, 1049; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1522; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 173; bejahend Schaub NZA 2003, 299, 300; differenzierend Joussen NZA 2007, 174, 176 ff.). Selbst wenn die Frage der Beklagten zulässig gewesen wäre und die Klägerin sie wahrheitsgemäß hätte beantworten müssen, wäre der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht ursächlich gewesen. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.

18

c) Die Beklagte vermag die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht darauf zu stützen, die Klägerin habe sie über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Ihre Annahme, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Hätte die Klägerin die Frage richtig beantwortet, wäre die Beklagte ebenso von ihrer Ehrlichkeit ausgegangen.

19

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 22. Oktober 2008 beendet worden. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

20

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wird durch eine Möglichkeit zur Anfechtung ebenso wenig ausgeschlossen wie umgekehrt. Beide Gestaltungsrechte bestehen nebeneinander (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 119 Nr. 3 = EzA BGB § 119 Nr. 5). Die Anfechtung setzt zwar einen Grund voraus, der schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorgelegen hat, während die Kündigung dazu dient, ein durch nachträgliche Umstände belastetes oder sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis zu beenden (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO). Denkbar ist aber, dass ein Anfechtungsgrund im zustande gekommenen Arbeitsverhältnis so stark nachwirkt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 45; APS/Preis 3. Aufl. Grundlagen K Rn. 23; MünchArbR/Wank 2. Aufl. § 120 Rn. 12).

21

b) Es kann auch in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Klägerin verpflichtet war, die Frage nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte wahrheitsgemäß zu beantworten. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, läge ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Die Täuschung wirkte nicht in einer Weise nach, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin war mehr als eineinhalb Jahre im Arbeitsverhältnis tätig, ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte.

22

4. Die ordentliche Kündigung ist ebenfalls unwirksam. Sie ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 KSchG. Auf das Arbeitsverhältnis fand im Zeitpunkt der Kündigung das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG). Ein Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist nicht gegeben. Die Täuschung der Klägerin wirkte auch nicht in der Weise fort, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls über die Kündigungsfrist hinaus unzumutbar gewesen wäre.

23

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX.

24

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

25

a) § 15 Abs. 2 AGG eröffnet die Möglichkeit, die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Den Gerichten wird insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss allerdings Tatsachen benennen, die zur Bestimmung des Betrags herangezogen werden können, und muss die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 11; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 16, EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367).

26

b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und hat den Mindestbetrag einer aus ihrer Sicht angemessenen Entschädigung mit 96.000,00 Euro beziffert.

27

2. Die Klage auf Entschädigung ist unbegründet. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt. Es bedarf deshalb keiner Klärung, ob § 15 Abs. 2 AGG nach § 2 Abs. 4 AGG auf Benachteiligungen durch Kündigungen überhaupt anwendbar ist(offen gelassen auch durch BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20, NJW 2011, 2458).

28

a) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

29

aa) Sie hat den Anspruch zwar nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die schriftliche Erhebung kann aber durch die Klageerhebung ersetzt werden, sofern die Klage innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG dem Arbeitgeber zugestellt worden ist(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 55). Die Klageerweiterung mit dem Entschädigungsantrag wurde der Beklagten am 25. November 2008 zugestellt. Die Klägerin stützt den Anspruch auf Umstände, die ihr nicht länger als zwei Monate zuvor zur Kenntnis gelangt waren, nämlich die Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008 ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008, die Kündigung vom 22. Oktober 2008 und den Prozessvortrag der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.

30

bb) Durch die am 25. November 2008 zugestellte Klageerweiterung ist auch die Dreimonatsfrist gem. § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.

31

b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung sind aber nicht gegeben.

32

aa) Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab 18. August 2006 geltenden Fassung dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gelten hierzu die Regelungen des ebenfalls am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. § 15 Abs. 2 AGG regelt zwar nicht ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG voraussetzt(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 29, EzA AGG § 15 Nr. 11; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, BAGE 129, 181). Dies ergibt sich aber aus dem Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 AGG(vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 24, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1). Der Verstoß braucht nicht schuldhaft erfolgt zu sein (BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).

33

bb) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Der Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund jedenfalls mitursächlich war(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 27, AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, BAGE 131, 232). Für den Begriff der Benachteiligung gilt § 3 AGG.

34

cc) Die Beweislastregel des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wirkt sich auf die Verteilung der Darlegungslast aus. Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, NZA 2011, 737; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen (BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 40, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a BGB). Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 25, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7).

35

dd) Danach hat die Beklagte die Klägerin nicht iSv. § 7 Abs. 1 AGG bzw. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX benachteiligt.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG seien erfüllt. Es hat angenommen, ein Entschädigungsanspruch bestehe selbst dann nicht, weil die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bereits durch den materiellen Schadensersatz ausgeglichen sei.

37

(2) Dies hält jedenfalls im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ungeachtet der Erwägungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an hinreichenden Indiztatsachen iSv. § 22 AGG für die Annahme, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihrer Behinderung benachteiligt.

38

(a) Allerdings bestand ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige ihrer Schwerbehinderung durch die Klägerin und den Umständen, auf die sie ihren Entschädigungsanspruch stützt. Ob schon ein solcher zeitlicher Zusammenhang geeignet sein kann, die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen, bedarf keiner Entscheidung(offen gelassen zu § 611a BGB in BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 37, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Er reicht dafür jedenfalls im Streitfall nicht aus. Das Landesarbeitsgericht ist von der Richtigkeit der Einlassung der Beklagten ausgegangen, nicht der Umstand, dass die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte sei, sondern deren falsche Antwort auf die entsprechende Frage sei der Grund für die Anfechtung und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.

39

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch den Hinweis der Klägerin auf ihre seit Juli 1998 bestehende Anerkennung als Schwerbehinderte hatte die Beklagte nicht nur erstmalig Kenntnis von diesem Umstand erlangt. Vielmehr wurde damit zugleich offenbar, dass die Klägerin vor der Einstellung eine falsche Auskunft gegeben hatte. Die Beklagte hat durchgängig vorgetragen, ausschließlich darauf und auf eine durch die falsche Auskunft bewirkte Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und nicht auf die Schwerbehinderung als solche reagiert zu haben. Dem entspricht die Formulierung im Schreiben vom 8. Oktober 2008, die Anfechtung erfolge wegen der Lüge im Personalfragebogen. Auch aus dem weiteren Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Anfechtung oder Kündigung wegen der Behinderung der Klägerin ausgesprochen worden wären.

40

(b) Eine Benachteiligung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Maßnahmen, welche die Beklagte im Zusammenhang mit der Freistellung am 7. Oktober 2008 anordnete. Diese waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten auch in anderen Fällen einherging.

41

(c) Die Mutmaßung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Februar 2009, die Schwerbehinderung der Klägerin habe „psychologische Ursachen“, und die sich daran anschließenden Ausführungen lassen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung vermuten. Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht darauf schließen, Freistellung, Anfechtung oder Kündigung seien eben deshalb erfolgt. Die Beklagte hatte lediglich auf den Vortrag reagiert, die Klägerin weise keine körperlichen Defizite auf.

42

(d) Die Klägerin beruft sich nicht darauf, bereits die Frage nach einer Schwerbehinderung als solche habe eine unzulässige Benachteiligung dargestellt. Es kann daher dahinstehen, ob insoweit die Fristen gem. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wären.

43

Die Frage ist auch als Indiztatsache für eine spätere Benachteiligung durch die Freistellung und die diese begleitenden Maßnahmen oder durch die Anfechtung und Kündigung nicht geeignet. Aus ihr lässt sich auf eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit schließen. Die Beklagte kann die Frage - so wie sie geltend macht - auch aus dem Grund gestellt haben, bevorzugt Schwerbehinderte einstellen zu wollen.

44

(e) Auch aus den Gesamtumständen folgen keine hinreichenden Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin. Die zeitliche Nähe von Freistellung, Anfechtung und Kündigung zur Anzeige der Schwerbehinderung genügt selbst unter Berücksichtigung der vor der Einstellung gestellten Frage nicht, um die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen. Die Beklagte hat sich - plausibel - darauf berufen, sie habe allein den Umstand, dass die Klägerin unehrlich gewesen sei, zum Anlass für die fraglichen Maßnahmen genommen. Das wird nicht dadurch widerlegt, dass sie die Klägerin vor der Einstellung nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte gefragt hatte.

45

IV. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Parteien gem. § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Eulen    

        

    Sieg    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 29. August 2014 - 12 Sa 15/14 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

2

Der 1953 geborene Kläger ist seit 1988 als Einzelanwalt in R tätig. In den Jahren 1979 und 1983 absolvierte er die beiden juristischen Staatsprüfungen in Baden-Württemberg jeweils mit der Note befriedigend (7 Punkte). Im Jahr 1982 promovierte er zum Doktor beider Rechte und erzielte dabei die Note „cum laude“. Der Kläger nahm mit Erfolg am Fachanwaltslehrgang Medizinrecht teil. Den Fachanwaltstitel darf er nicht führen, da es ihm an der nötigen Anzahl in der Praxis bearbeiteter Fälle fehlt. Von April bis Dezember 1983 war der Kläger als Rechtsanwalt in F tätig. Von Januar 1984 bis Ende Februar 1988 war er Assistent der Geschäftsführung und Justiziar der S.

3

Die Beklagte ist eine Anwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ihre beiden Gesellschafter sind beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte.

4

Im Juni 2013 veröffentlichte die Beklagte in der Neuen Juristischen Wochenschrift die folgende Stellenanzeige:

        

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5

Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom 13. Juni 2013 bei der Beklagten auf diese Stelle. In seinem Anschreiben, dem weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt waren, heißt es:

        

„…    

        

ich bewerbe mich auf Ihre Stellenanzeige. Ich bin seit 1988 hier in R als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei baden-württembergische Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert, was eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise belegt. Daraus und aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt folgen die geforderten hervorragenden Rechtskenntnisse und die gewünschte prägante und überzeugende schriftliche Ausdrucksweise.

        

Sehr gute Englisch- und MSOffice-Kenntnisse sind selbstverständlich.

                 
        

Ich freue mich, demnächst von Ihnen zu hören und bleibe

        

mit freundlichen kollegialen Grüßen

        

…“    

6

Mit Schreiben vom 18. Juni 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

        

„…    

        

verbindlichen Dank für Ihr Interesse an der von uns ausgeschriebenen Stelle und Ihre freundliche Bewerbung, die in der vergangenen Woche per E-Mail hier eingegangen ist. Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, daß wir uns entschieden haben, einer anderen Bewerbung den Vorzug zu geben. Für Ihre berufliche Zukunft dürfen wir Ihnen gleichwohl alles Gute wünschen.

        

…“    

7

Mit Schreiben vom 5. Juli 2013 forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz. In diesem Schreiben heißt es:

        

„…    

        

ich hatte mich mit Schreiben vom 13. Juni 2013 unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen auf die von Ihnen in der NJW ausgeschriebene Stelle als Rechtsanwalt beworben. Mit Schreiben vom 18. Juni 2013 haben Sie die Bewerbungsunterlagen an mich zurückgesendet und mitgeteilt, daß man einer anderen Bewerbung den Vorzug gegeben habe.

        

Die Behandlung meiner Bewerbung erfolgte ganz offensichtlich unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen ihres Alters oder wegen eines anderen in § 1 genannten Grundes benachteiligen. Das gilt auch für Stellenbewerber (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Daß Sie gegen diese Vorschrift verstoßen haben, belegt bereits ein Blick in die Stellenanzeige, wo ganz offen gesagt wird, man suche Kollegen ‚mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger‘, mithin jünger als ich.

        

Sie schulden demnach eine Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 AGG. Mangels genauer Kenntnis der näheren Umstände und der von Ihnen gezahlten Gehälter etc. können diese Forderungen derzeit nur geschätzt werden. Insoweit fordere ich eine angemessene Entschädigung bzw. Schadensersatz in Höhe eines durchschnittlichen Jahreseinkommens von

        

60.000,00 EUR.

        

Ich fordere Zahlung dieses Betrags bis spätestens

        

Freitag, den 19. Juli 2013

        

auf mein Konto bei der Sparkasse R Nr. (BLZ:) widrigenfalls ich ohne Weiteres Klage erheben werde.

        

Sollte der oben genannte Betrag pünktlich gezahlt werden, werde ich keine weiteren Forderungen mehr geltend machen, was hiermit ausdrücklich versichert wird.

        

Für den Fall der Fristversäumung fordere ich Sie bereits jetzt auf, Auskunft über die eingestellten Bewerber und deren Qualifikation sowie deren Bezahlung zu erteilen.

        

…“    

8

Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 19. Juli 2013:

        

„…    

        

auf Ihr Anspruchsschreiben vom 05.07.2013 teile ich Ihnen im Auftrag des Kollegen Dr. B mit, daß eine Diskriminierung aus Altersgründen nicht vorliegt. Ausschlaggebend für die Ablehnung Ihrer Bewerbung waren vielmehr allein Ihre unzureichende fachliche Qualifikation und fehlende Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Ihre - im übrigen auch der Höhe nach völlig unrealistische - Forderung entbehrt deshalb jeder Grundlage.

        

…“    

9

Im Schreiben des Klägers vom 26. Juli 2013 heißt es:

        

„…    

        

meine Ihrer Ansicht nach bedauerliche ‚unzureichende fachliche Qualifikation‘ schließt die Vermutung einer Altersdiskriminierung nicht aus … . Über die Höhe meines Anspruchs bin ich bereit zu verhandeln. Sofern allerdings insoweit bis

        

Freitag, den 2. August 2013

        

keine verbindliche Einigung zustande kommt und Zahlung erfolgt, sehe ich mich verpflichtet, Klage zu erheben.

        

…“    

10

Die Beklagte hat ua. eine 37-jährige Bewerberin mit siebenjähriger Berufserfahrung und einen 42-jährigen Bewerber mit vierzehnjähriger Berufserfahrung zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und Letzteren eingestellt.

11

Mit seiner am 5. August 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 10. August 2013 zugestellten Klage hat der Kläger sein Begehren nach Zahlung einer Entschädigung iHv. mindestens drei geschätzten Bruttomonatsverdiensten à 5.000,00 Euro weiter verfolgt.

12

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn entgegen den Vorgaben von § 7 Abs. 1 AGG wegen seines Alters benachteiligt. Die Beklagte habe mit der Stellenanzeige einen Rechtsanwalt „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ gesucht. Dieser Umstand begründe mangels sachlicher Rechtfertigung die Vermutung, dass er im Stellenbesetzungs-/Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Seine Qualifikation entspreche dem Anforderungsprofil der Stellenanzeige, an das die Beklagte für die Dauer des Auswahlverfahrens gebunden sei. Seine Rechtskenntnisse seien wegen seiner zwei Prädikatsexamina, seiner Promotion und seiner nahezu 30-jährigen Berufserfahrung hervorragend iSd. Stellenanzeige. In der Stellenanzeige sei auch keine Mindestnote genannt worden, eine solche könne deshalb auch nicht nachträglich gefordert werden. Bei diskriminierungsfreier Auswahl hätte er die Stelle erhalten müssen. Seinem Entschädigungsanspruch stehe auch nicht der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Die Vielzahl seiner Bewerbungen und Entschädigungsklagen lasse nicht den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung zu.

13

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 15.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei schon kein Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG, da er sich nicht ernsthaft auf die ausgeschriebene Stelle beworben habe. Jedenfalls sei das Entschädigungsverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe sich auf die bei ihr ausgeschriebene Stelle - wie auch auf eine Vielzahl weiterer Stellenanzeigen, mit denen Bewerber/innen mit erster Berufserfahrung oder als Berufsanfänger gesucht wurden - von vornherein ausschließlich in der Absicht beworben, eine Ablehnung zu provozieren, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Ausweislich eines in der Zeitschrift J erschienenen Berichts habe der Kläger sich in 15 weiteren Fällen auf ihm diskriminierend erscheinende Stellenanzeigen beworben und anschließend Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG eingeklagt. Auch dort habe sich der Kläger unabhängig von der jeweils vorausgesetzten speziellen Qualifikation und Kanzleiausrichtung beworben, wobei ihm die für die jeweilige Stelle erforderliche Qualifikation offensichtlich gefehlt habe. Zudem sei er in seinen Bewerbungsschreiben auf die in der jeweiligen Stellenanzeige genannten Anforderungen nicht konkret eingegangen, sondern habe lediglich pauschale Behauptungen zu seinen Qualifikationen aufgestellt oder auf jahrzehntealte Zeugnisse Bezug genommen sowie standardisierte, gleichlautende Geltendmachungsschreiben und Klageschriften verwendet, wobei er stets 60.000,00 Euro Entschädigung und Schadensersatz geltend gemacht und 15.000,00 Euro eingeklagt habe. Im Übrigen sei der Kläger für die ausgeschriebene Stelle auch objektiv nicht geeignet gewesen.

15

Soweit mit der Stellenanzeige auch Rechtsanwält/innen „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ angesprochen worden seien, liege darin kein Indiz, das eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters iSv. § 22 AGG vermuten lasse. Das Kriterium der „Berufserfahrung“ sei altersunabhängig und schließe nicht etwa mittelbar bestimmte Altersgruppen aus. Angesichts unterschiedlicher beruflicher Lebensläufe könne nicht einmal typisierend davon ausgegangen werden, dass nur bestimmte Altersgruppen erste Berufserfahrung hätten. Mit der Formulierung in der Stellenausschreibung werde nur verdeutlicht, dass langjährige Berufserfahrung keine Bedingung für eine Einstellung sei.

16

Die Bewerbung des Klägers auf die von ihr ausgeschriebene Stelle sei im Übrigen nicht wegen seines Lebensalters, sondern ausschließlich wegen seiner fehlenden Qualifikation erfolglos geblieben. Der Kläger habe nicht im Ansatz belegt, über die geforderten hervorragenden Rechtskenntnisse - auf allen Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts - und über eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise zu verfügen. Zudem habe sie von vornherein nur Bewerber in die engere Wahl gezogen und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, die über mindestens ein vollbefriedigendes Examen verfügten. Darüber hinaus sei ihr die für ihre Kanzlei nicht genügende Arbeitsweise des Klägers aus der Vergangenheit bekannt gewesen. Ihr liege aus einem früheren Revisionsverfahren eine Revisionsbegründung vor, die der Kläger selbst gefertigt habe und die sowohl in fachlich-rechtlicher als auch in sprachlicher Hinsicht den Anforderungen an eine Revisionsbegründungsschrift nicht ansatzweise entsprochen habe.

17

Letztlich sei eine etwaige Benachteiligung des Klägers wegen seines Lebensalters nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG gerechtfertigt. Der Kläger würde im Fall einer Einstellung zunächst etwa ein Jahr für die Abwicklung seiner bestehenden Kanzlei benötigen; hinzu kämen weitere drei Jahre der Einarbeitung in die Arbeitsweise ihrer auf Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof spezialisierten Kanzlei. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Bewerbung das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatte, wäre er erst kurz vor Eintritt in den Ruhestand uneingeschränkt produktiv einsetzbar gewesen.

18

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

20

A. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

21

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, da er für die zu besetzende Stelle von vornherein objektiv nicht geeignet gewesen sei und sich deshalb unabhängig von seinem Alter nicht in einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG mit den eingeladenen Mitbewerber/innen befunden habe. Aus der Stellenanzeige der Beklagten ergäbe sich unmittelbar die - im Übrigen nicht überzogene - Anforderung hervorragender Rechtskenntnisse auf den Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts. Weder den Bewerbungsunterlagen noch dem Vortrag des Klägers lasse sich jedoch entnehmen, dass diese Anforderung erfüllt werde. Aus denselben Gründen scheide auch eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG aus.

22

II. Das Landesarbeitsgericht durfte die Berufung des Klägers nicht mit der Begründung zurückweisen, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet, weshalb es an dem Erfordernis der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG fehle. Soweit es um eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung - zu treffende Auswahlentscheidung des Arbeitgebers geht, befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29).

23

1. Zwar ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorliegen einer „vergleichbaren Situation“ bzw. „vergleichbaren Lage“ nicht nur im Rahmen von § 3 Abs. 1 AGG, der die unmittelbare Benachteiligung zum Gegenstand hat, sondern auch im Rahmen von § 3 Abs. 2 AGG, der die mittelbare Benachteiligung definiert, von Bedeutung ist.

24

a) Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters. Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

25

b) § 3 Abs. 2 AGG enthält nach seinem Wortlaut - anders als dies bei § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG der Fall ist - nicht ausdrücklich das Erfordernis „in einer vergleichbaren Situation“. Da allerdings das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes ist und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung generell verlangen, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist(vgl. ua. EuGH 20. September 2007 - C-116/06 - [Kiiski] Rn. 54, Slg. 2007, I-7643; 26. Juni 2001 - C-381/99 - [Brunnhofer] Rn. 28, Slg. 2001, I-4961), ist auch bei einer mittelbaren Diskriminierung die Frage nach einer „vergleichbaren Situation“ bzw. einer „vergleichbaren Lage“ von Bedeutung (vgl. ua. EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 39 - 41; 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 54 - 56, Slg. 2009, I-6525; 12. Oktober 2004 - C-313/02 - [Wippel] Rn. 56 f., Slg. 2004, I-9483).

26

2. Soweit das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen hat, vergleichbar sei die Auswahlsituation nur für Bewerber/innen, die gleichermaßen für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet seien, was beim Kläger nicht der Fall sei, da dieser nach seinen Bewerbungsunterlagen das Anforderungsmerkmal der Stellenausschreibung „hervorragende Rechtskenntnisse“ nicht erfülle, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

27

a) Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist (vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

28

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

29

aa) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ schon der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

30

bb) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass ihm die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

31

(1) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG würde den Entschädigungsprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

32

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass sich die objektive Eignung nicht ohne Weiteres durch einen Abgleich mit dem vom Arbeitgeber erstellten formellen Anforderungsprofil bestimmt, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den/die Bewerber/in keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

33

(2) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG aber auch aus einem anderen Grund übermäßig erschweren.

34

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine „vergleichbare Situation“ bzw. eine „vergleichbare Lage“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer „vergleichbaren Situation“ oder „vergleichbaren Lage“ würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation oder vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012C-415/10  - [Meister]), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

35

(3) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

36

B. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

37

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

38

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

39

II. Der Kläger wurde dadurch, dass er von der Beklagten nicht eingestellt wurde, auch unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren, als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber.

40

III. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).

41

C. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob und ggf. in welcher Höhe die zulässige Klage begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

42

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob das Entschädigungsverlangen des Klägers dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

43

1. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu beachten haben, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers - entgegen dessen Rechtsauffassung - dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB)ausgesetzt wäre, sofern dieser sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

44

a) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

45

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

46

b) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

47

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

48

Bereits mit diesen Bestimmungen hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht, und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

49

c) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

50

aa) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 37; 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

51

bb) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

52

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ. etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75, aaO). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

53

cc) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

54

Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

55

2. Das Landesarbeitsgericht wird ferner zu beachten haben, dass die von der Beklagten bislang vorgetragenen Umstände weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zulassen.

56

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen sich dem Bewerbungsschreiben des Klägers und den beigefügten Bewerbungsunterlagen bereits keine objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben würden. Soweit die Beklagte ausführt, das Bewerbungsschreiben weise insoweit Mängel auf, als es auffällig inhaltslos und floskelhaft formuliert sei, zudem sei das Schreiben insgesamt knapp gehalten und lasse nicht erkennen, was den Kläger in besonderer Weise für die ausgeschriebene Stelle qualifiziere und woraus sich sein besonderes Interesse für die Stelle ergebe, legt sie ihren Ausführungen nur ihre Vorstellungen darüber zugrunde, wodurch sich ein gutes, ansprechendes und erfolgversprechendes Bewerbungsschreiben auszeichnet. Wie viel „Mühe“ ein Bewerber sich mit seinem Bewerbungsschreiben und den weiteren Bewerbungsunterlagen gegeben hat, wie ansprechend seine Präsentation ist und wie eindringlich und überzeugend er ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet hat, mag zwar ein Umstand sein, der für die konkrete Auswahlentscheidung des Arbeitgebers den Ausschlag geben kann. Es existiert hingegen weder ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein solches Bewerbungsschreiben verfasst, an der Stelle interessiert ist, noch der gegenteilige Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspricht, sich nur mit dem Ziel bewirbt, die formale Position des Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können.

57

b) Die Beklagte kann den Rechtsmissbrauchseinwand auch nicht mit Erfolg darauf stützen, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich ungeeignet, weshalb davon auszugehen sei, dass er die Ablehnung seiner Bewerbung provoziert habe. Der Umstand, dass ein/e Bewerber/in nicht alle in der Stellenausschreibung genannten Anforderungen erfüllt, mag zwar ebenfalls die Erfolgsaussichten der Bewerbung mindern, er lässt aber noch nicht den Schluss zu, die betreffende Person habe nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen wollen mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen. Insoweit kommt zum Tragen, dass Bewerber/innen, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, grundsätzlich des Schutzes vor Diskriminierung bedürfen, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 27 mwN). Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich ein Arbeitgeber aufgrund der konkreten Bewerberlage letztlich für eine Bewerberin/einen Bewerber entscheidet, die/der die in der Stellenausschreibung festgelegten Anforderungen nicht vollständig erfüllt. Es kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen eine andere Bewertung geboten sein kann, wenn der/die Bewerber/in das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle offensichtlich völlig verfehlt. Derartige Umstände hat die Beklagte nicht dargetan.

58

c) Die Beklagte kann sich bislang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe sich in 15 weiteren Fällen - unabhängig von der jeweils vorausgesetzten speziellen Qualifikation und Kanzleiausrichtung - auf ihm diskriminierend erscheinende Stellenanzeigen beworben, ohne die geforderte Qualifikation aufzuweisen und anschließend Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG eingeklagt, zudem habe er auch in diesen Fällen standardisierte, gleichlautende Geltendmachungsschreiben sowie Klageschriften verwendet, wobei er stets 60.000,00 Euro Entschädigung und Schadensersatz geltend gemacht und letztlich eine Entschädigung iHv. 15.000,00 Euro eingeklagt habe. Die von der Beklagten bislang vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil die Beklagte - sei es bereits unter dem Druck des Geltendmachungsschreibens oder im Verlauf des Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

59

aa) Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt.

60

bb) Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Person sich häufig auf solche Stellenausschreibungen beworben hat, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthalten, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe die Stelle entgegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden darf, ausgeschrieben. Dies folgt bereits daraus, dass der/die Bewerber/in auch in einem solchen Fall mit einer Entschädigungsklage grundsätzlich ein nicht unerhebliches Risiko eingeht, den Prozess zu verlieren und damit nicht nur keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu erlangen, sondern auch mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden.

61

(1) Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung nicht bereits deshalb, weil die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und damit erst recht nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben. Das Gesetz knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen.

62

(2) Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist vielmehr, dass der/die abgelehnte Bewerber/in entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Zudem darf die mit einer negativen Auswahlentscheidung des Arbeitgebers verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig sein. Obgleich nicht zu verkennen ist, dass eine erfolglose Bewerbung auf eine Stellenausschreibung, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, die Erfolgsaussichten einer späteren Entschädigungsklage erhöht, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass die Klage abgewiesen wird, weil der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Grund iSv. § 1 AGG und der benachteiligenden Handlung nicht gegeben ist oder weil sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des Bewerbers/der Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

63

(a) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

64

(b) Auch wenn eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, begründet dies nicht ohne Weiteres die Vermutung, der/die Bewerber/in sei im Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden. Eine solche Vermutung kann vielmehr nur dann bestehen, wenn die Stellenausschreibung gegen § 11 AGG verstößt. Dies ist indes selbst bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines § 1 AGG genannten Grundes bewirken, dann nicht der Fall, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist. Und bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, scheidet nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann aus, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Obwohl § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG verweist, muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare oder die unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist.

65

(c) Aber auch dann, wenn die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und die Vermutung besteht, dass der/die erfolglose Bewerber/in wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde, genügt dies nicht ohne Weiteres für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs. Dem Arbeitgeber bleibt es nämlich unbenommen, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

66

(d) Zudem ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin im Einzelfall nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

67

cc) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

68

dd) Es kann dahinstehen, ob das Entschädigungsverlangen des Klägers in den anderen von der Beklagten angeführten 15 Verfahren dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt wäre; die bislang von der Beklagten vorgetragenen Umstände rechtfertigen jedenfalls nicht den Schluss, auch die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungsklage seien Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen des unter Rn. 67 dargestellten „Geschäftsmodells“. Vielmehr verbleibt die „gute Möglichkeit“, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hatte, und dass er mit der Erhebung der Entschädigungsklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrgenommen hat.

69

(1) Selbst wenn der Kläger sich häufig oder stets auf Stellen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten beworben hat und bewirbt, rechtfertigt dies - für sich betrachtet - nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers im oben beschriebenen Sinne. Ein solches Verhalten - für sich betrachtet - kann ebenso dafür sprechen, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung bei der Beklagten ernst war, weil er beispielsweise aus seiner bisherigen Tätigkeit als Einzelanwalt keine hinreichenden Einkünfte erzielen konnte und deshalb eine berufliche Veränderung anstrebte.

70

(2) Auch allein der Umstand, dass der Kläger ggf. auch in anderen Fällen nach Ablehnung seiner Bewerbung stets Schadensersatz und Entschädigung iHv. 60.000,00 Euro geltend gemacht und später eine Entschädigung iHv. 15.000,00 Euro eingeklagt hat, stellt die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung bei der Beklagten nicht infrage. Zum einen ist die Annahme, der Kläger habe darauf spekuliert, die Beklagte sei nicht in der Lage, die Risiken eines Prozesses einzuschätzen und werde sich deshalb bereits durch das Geltendmachungsschreiben so sehr beeindrucken lassen, dass sie allein zur Vermeidung weiterer Kosten frühzeitig „klein beigibt“, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem potentieller Arbeitgeber eine Rechtsanwaltskanzlei ist, fernliegend. Zum anderen hält sich eine Entschädigungsforderung iHv. drei geschätzten Bruttomonatsverdiensten vor dem Hintergrund der in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG getroffenen Regelung, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, im üblichen Rahmen.

71

(3) Umstände, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ggf. eine andere Beurteilung gebieten könnten, hat die Beklagte bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

72

Zwar kann der Umstand, dass eine Person sich lediglich oder fast ausschließlich auf Stellenausschreibungen bewirbt, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, ein Indiz (Hilfstatsache) sein, das im jeweiligen Streitfall den Schluss darauf erlaubt, die Person habe mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten wollen, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG angestrebt mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen. Bewirbt sich eine Person lediglich oder fast ausschließlich auf derartige Stellenausschreibungen, kann die Annahme gerechtfertigt sein, ihr sei es nur darum gegangen, die Erfolgsaussichten eines Entschädigungsprozesses zu erhöhen. In einem solchen Fall könnte die Person ihrer Darlegungslast im Hinblick auf die Kausalität des Grundes iSv. § 1 AGG für die Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG allein mit dem Hinweis auf den Inhalt der Ausschreibung genügen, sodass es nun Sache des Arbeitgebers wäre, entweder darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Stelle nicht unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde oder den Anforderungen des § 22 AGG entsprechend die Vermutung der Kausalität zu widerlegen oder die unmittelbare Benachteiligung, die die Person durch die Ablehnung ihrer Bewerbung erfahren hat, zu rechtfertigen. Allerdings hängt die Annahme, der Person sei es im konkreten Streitfall nur darum gegangen, die Voraussetzungen für einen möglichst erfolgversprechenden Entschädigungsprozess zu schaffen, nicht nur davon ab, auf wie viele Stellenausschreibungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, die Person sich im Übrigen beworben hat, sondern auch und insb. davon, ob sich das Vorgehen (auch) im Streitfall als Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens im Rahmen des unter Rn. 67 erläuterten Geschäftsmodells darstellt. Dies kann regelmäßig nur angenommen werden, wenn über die im Streitfall vom Arbeitgeber konkret ausgeschriebene Stelle hinaus in demselben Medium weitere Stellen ausgeschrieben waren, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung wegen des von der Person geltend gemachten Grundes bot und auf die die Person sich ohne Weiteres hätte bewerben können, dies aber unterlassen hat. Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - nur behauptet, der Kläger habe sich - auch im Übrigen - lediglich oder fast ausschließlich auf Stellenausschreibungen beworben, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden; sie hätte zumindest auch substantiiert darlegen müssen, dass in der Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift, in der die bei ihr zu besetzende Stelle ausgeschrieben war, weitere Stellen ausgeschrieben waren, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung wegen des Alters bot und dass der Kläger sich auf diese Stellen hätte bewerben können.

73

Sollte die Beklagte ihr Vorbringen entsprechend ergänzen, wird es Sache des Klägers sein darzutun, dass sein Verhalten eine andere Erklärung hat als nur die Erlangung einer Entschädigung (vgl. etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75). Insoweit könnte auch von Bedeutung sein, ob und wann der Kläger sich - im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Bewerbung und auch im Übrigen - auf welche Stellenausschreibungen, die keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung wegen des Alters boten, beworben hat.

74

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung schließlich auch nicht mit Bindungswirkung für den Senat festgestellt, dass die Bewerbung des Klägers darauf ausgerichtet war, abgelehnt zu werden.

75

a) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung einer Partei wahr oder nicht wahr ist, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht nach § 559 Abs. 2 ZPO bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung nicht nur für tatsächliche Umstände (§ 138 Abs. 1 ZPO), sondern auch für Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist (vgl. etwa BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 38 mwN; 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 22, BAGE 149, 18; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 487/09 - Rn. 36 mwN, BAGE 136, 340; BGH 19. März 2004 - V ZR 104/03 - zu II 1 a aa der Gründe mwN, BGHZ 158, 295; 13. März 1998 - V ZR 190/97 - zu II 2 b der Gründe). Zu prüfen ist allerdings, ob der jeweilige Begriff eine solche Einfachheit für sich beanspruchen kann. Darauf, ob die Feststellung seiner Voraussetzungen rechtlich und tatsächlich schwierig sein kann, kommt es hingegen nicht an (BAG 14. November 2007 - 4 AZR 861/06 - Rn. 28 mwN; BGH 13. März 1998 - V ZR 190/97 - zu II 2 b der Gründe).

76

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei Bewerber um eine Arbeitsstelle iSv. § 6 Abs. 1 AGG. Zwar könne nicht festgestellt werden, dass er sich ernsthaft um die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle beworben habe; seine Bewerbung sei darauf ausgerichtet gewesen, abgelehnt zu werden. Der Kläger habe seinem Bewerbungsschreiben bewusst nichts hinzugefügt, was ihn für die ausgeschriebene Stelle empfahl. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts komme es aber für die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht darauf an, ob eine Bewerbung ernsthaft erfolgt sei.

77

c) Abgesehen davon, dass das Landesarbeitsgericht insoweit nicht geprüft hat, ob das Entschädigungsverlangen des Klägers dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist, sondern die Frage nach der Ernsthaftigkeit der Bewerbung und nach einer etwaigen Provokation einer Ablehnung im Zusammenhang mit der Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG aufgeworfen hat und dabei wohl davon ausgegangen ist, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung traf, hat es weder tatsächliche Umstände noch einen Tatsachen einkleidenden einfachen Rechtsbegriff festgestellt, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist. Seine Annahme, die Bewerbung des Klägers sei darauf ausgerichtet gewesen, abgelehnt zu werden, ist vielmehr Ergebnis einer Bewertung des Verhaltens des Klägers im Zusammenhang mit seiner Bewerbung. Im Übrigen entbehrt die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe seinem Bewerbungsschreiben „bewusst“ nichts hinzugefügt, was ihn für die ausgeschriebene Stelle empfahl, jeglicher Grundlage, denn der Kläger hatte seiner Bewerbung weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt.

78

II. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - ebenfalls nicht geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht ggf. nachzuholen haben.

79

1. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte die Stelle, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG) ausgeschrieben hat.

80

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass das in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderungskriterium, mit dem ein Rechtsanwalt (m/w) „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann iSv. § 3 Abs. 2 AGG.

81

Sowohl bei dem Begriff „Berufsanfänger/in“ als auch bei der Wendung „mit erster Berufserfahrung“ handelt es sich um Begriffe, die dem Anschein nach neutral sind iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch sind beide Begriffe mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Bewerber/innen mit erster Berufserfahrung und gegenüber Berufsanfänger/innen typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Da die Beklagte mit der in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderung „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ signalisiert, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/innen zu haben, ist diese Anforderung geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters in besonderer Weise zu benachteiligen. Typischerweise werden ältere Personen allein wegen dieser Anforderung häufig von vornherein von einer Bewerbung absehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass berufliche Lebensläufe heutzutage vielfältiger sind als früher und ein Wechsel von einer juristischen Tätigkeit in eine andere juristische Tätigkeit auch nach längeren Berufsjahren, ggf. auch erst nach dem Erreichen des regulären Pensionsalters erfolgen kann. Der Befund, dass Berufsanfänger/innen und Menschen mit „erster Berufserfahrung“ im anwaltlichen Beruf typischerweise junge Menschen sind, besteht jedoch nach wie vor.

82

b) Zwar kann - wie unter Rn. 80 f. ausgeführt - das in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderungskriterium, mit dem ein Rechtsanwalt (m/w) „mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen iSv. § 3 Abs. 2 AGG und ist damit grundsätzlich geeignet, die Vermutung zu begründen, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit allerdings zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG dann nicht bestünde, wenn die Beklagte substantiiert dazu vortragen und im Bestreitensfall beweisen sollte, dass das og. Anforderungskriterium durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sowie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. In diesem Fall würde bereits der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG entfallen.

83

aa) § 3 Abs. 2 AGG dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 3 Abs. 2 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen.

84

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG unterscheidet zwischen Diskriminierungen, die unmittelbar auf den in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angeführten Merkmalen beruhen, und den mittelbaren Diskriminierungen. Während eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nur nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 und - des hier nicht einschlägigen Abs. 2 - der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden kann, können diejenigen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen bewirken können, nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG schon der Qualifikation als Diskriminierung entgehen, sofern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind ( EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569; vgl. etwa BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - Rn. 41, BAGE 149, 297; 18. Februar 2014 - 3 AZR 833/12 - Rn. 42; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 31, BAGE 131, 342).

85

Das von dem neutralen Kriterium verfolgte „rechtmäßige“ Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, muss deshalb zwar kein „legitimes“ Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG sowie von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung sein, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Es muss sich aber um ein objektives Ziel handeln, das selbst nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verbotenen Anknüpfungsgrundes nach § 1 AGG zu tun hat(vgl. etwa EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 50 mwN, Slg. 2003, I-2741; 17. Juni 1998 - C-243/95 - [Hill und Stapleton] Rn. 34 mwN, Slg. 1998, I-3739). Zudem muss das differenzierende Kriterium zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels erforderlich und angemessen sein.

86

bb) Die Darlegungs- und Beweislast für die die Rechtfertigung iSv. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG begründenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber.

87

Für eine solche Auslegung von § 3 Abs. 2 AGG spricht nicht nur die inhaltsgleiche Formulierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG „es sei denn“, sondern auch der Umstand, dass der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung nicht erfüllt ist, wenn ua. das neutrale Kriterium durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sowie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Bei § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG handelt es sich demnach um eine für den Arbeitgeber günstige Ausnahmebestimmung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entstehungsgeschichte von § 3 Abs. 2 AGG. Zwar ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, dass der sehr weite Anwendungsbereich, der von § 3 Abs. 2 Halbs. 1 AGG eröffnet werde, nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG einer Einschränkung bedürfe, für die der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trage (BT-Drs. 16/1780 S. 33). Diese Vorstellung des nationalen Gesetzgebers ist jedoch unbeachtlich. Eine Auslegung von § 3 Abs. 2 AGG dahin, dass der Arbeitnehmer, der den Grund für die neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren iSv. § 3 Abs. 2 AGG regelmäßig nicht kennt, darzulegen und zu beweisen hätte, dass die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nicht vorliegen, wäre unvereinbar mit den Vorgaben des Unionsrechts, wonach dem Arbeitnehmer die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte nicht übermäßig erschwert werden darf(vgl. etwa EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23).

88

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hat, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

89

a) Solche Gründe können zwar in der Regel nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber es in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, im Rahmen dessen die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

90

b) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

91

c) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/des Berufs an sich ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge in der Regel kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

92

d) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt.

93

aa) Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

94

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ (hier: juristische) Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Abschluss- oder Examensnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Abschluss- oder Examensnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden dürfen. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

95

bb) Vorliegend hat die Beklagte zwar Vortrag zur Widerlegung einer etwaigen Vermutung geleistet, der Kläger sei von ihr wegen seines Alters benachteiligt worden. Insoweit hat sie nicht nur behauptet, Rechtsanwalt T, der zum damaligen Zeitpunkt angestellter Rechtsanwalt bei der Beklagten war, habe ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin gesichtet, ob die Bewerber/innen mindestens ein Staatsexamen mit der Note „vollbefriedigend“ absolviert hatten und habe all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausgeschieden, bei denen dies - wie auch im Fall des Klägers - nicht der Fall gewesen sei. Sie hat auch - anonymisiert - unter Angabe der Examensnoten mitgeteilt, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung, wegen deren Fehlens der Kläger aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden und welcher Bewerber aus diesem Kreis schließlich eingestellt wurde. Auch ist die von der Beklagten nach ihrem Vorbringen der Vorauswahl zugrunde gelegte Anforderung, dass die Bewerber/innen mindestens ein Staatsexamen mit der Note „vollbefriedigend“ absolviert haben mussten, nicht zu beanstanden. Diese Anforderung lässt sich ohne Weiteres aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil, wonach die Tätigkeit „hervorragende Rechtskenntnisse“ erfordert, ableiten. Hiergegen kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, die Note „befriedigend“, mit der er seine beiden Staatsexamina in Baden-Württemberg in den Jahren 1979/1983 abgelegt hatte, müsste im Ergebnis jeweils wie ein „vollbefriedigend“ bewertet werden. Es war der Beklagten unbenommen, sich im Rahmen des von ihr dargelegten Verfahrens der Vorauswahl an den in den Examenszeugnissen attestierten Noten und damit an der „Papierform“ zu orientieren. Mit der Darlegung eines Verfahrens, dem ein solches Kriterium zugrunde liegt, hätte die Beklagte ausreichend dargetan, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

96

cc) Allerdings hat die Beklagte noch nicht dazu vorgetragen, wie viele Bewerbungen insgesamt bei ihr eingegangen waren. Ebenso fehlt es an einem substantiierten Vorbringen der Beklagten dazu, dass die übrigen Bewerber/innen, die nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen wurden, ebenso nicht über mindestens ein mit der Note „vollbefriedigend“ abgeschlossenes Staatsexamen verfügten. Zudem hatte der Kläger - entgegen der Auffassung der Beklagten - deren Vorbringen zum Verfahren der Vorauswahl zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, § 138 Abs. 4 ZPO. Insoweit hat er jedenfalls in der Berufungsbegründung „klargestellt und wiederholt, daß sämtlicher Sachvortrag der Beklagten zu den dortigen Interna des Bewerbungsverfahrens (Einladung anderer Bewerber, Alter der anderen Bewerber, Anzahl und Gründe der Ablehnungen, Gründe der Nichtberücksichtigung des Klägers etc. pp.) und überhaupt aus dem internen Bereich der Beklagten“ mit Nichtwissen bestritten wird.

97

dd) Sollte die Beklagte ihr Vorbringen zur Vorauswahl um die noch erforderlichen Angaben ergänzen, wird das Landesarbeitsgericht deshalb ggf. dem Beweisantritt der Beklagten auf Vernehmung von Rechtsanwalt T als Partei nachzugehen haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass eine Vernehmung von Rechtsanwalt T als Partei nach § 447 ZPO ausscheidet, da es an dem erforderlichen Einverständnis des Klägers fehlt. Dieser ist im Gegenteil einer Parteieinvernahme des bisherigen Zeugen und nunmehrigen Sozius Rechtsanwalt T ausdrücklich entgegengetreten. In Betracht kommt allerdings eine Vernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO. Eine Vernehmung der beweispflichtigen Partei gemäß § 448 ZPO setzt allerdings voraus, dass die Partei sich in Beweisnot befindet, ihr also keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder diese nicht ausreichen (BGH 26. März 1997 - IV ZR 91/96 - zu I 2 a der Gründe) und dass für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. BGH 9. März 1990 - V ZR 244/88 - zu I 1 b der Gründe, BGHZ 110, 363; 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - zu II 2 b bb der Gründe mwN; BAG 14. November 2013 - 8 AZR 813/12 - Rn. 17; 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 2 f dd der Gründe; 6. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00 - zu B III 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 52), wobei Erklärungen, die eine Partei im Rahmen ihrer Anhörung nach § 141 Abs. 1 ZPO abgibt, als Inhalt der Verhandlung iSv. § 286 ZPO in die richterliche Überzeugungsbildung eingehen können(vgl. BGH 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - aaO). Werden die von der beweisbelasteten Partei bei einer Anhörung nach § 141 ZPO aufgestellten Behauptungen vom Gegner substantiiert bestritten, bedarf es einer förmlichen Beweisaufnahme. Diese kann bei Fehlen anderer Beweismittel auch in einer Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO bestehen, sofern sich aus dem Eindruck bei der Anhörung bereits der erforderliche Anfangsbeweis ergibt(Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 141 Rn. 1a; vgl. BGH 24. April 1991 - IV ZR 172/90 - zu 2 der Gründe).

98

e) Soweit die Beklagte sich schließlich darauf berufen hat, dass sie auch Bewerber/innen eingeladen und letztlich einen Bewerber eingestellt habe, die nicht nur „erste“, sondern längere Berufserfahrung haben, reicht dies indes nicht aus, um darzutun, dass andere als in § 1 AGG genannte Gründe dazu geführt haben, dass der Kläger vorzeitig aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurde. Dass ggf. andere Personen nicht nach dem Kriterium der Berufserfahrung vorab ausgenommen wurden, sagt nichts darüber aus, ob der Kläger wegen seines Alters nicht berücksichtigt wurde.

99

3. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch die Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise nach § 8 Abs. 1 AGG oder § 10 AGG zulässig war. Sowohl § 8 Abs. 1 AGG als auch § 10 AGG enthalten für den Arbeitgeber günstige Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagte - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in diesen Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

100

a) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

101

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das Landesarbeitsgericht wird bei einer evtl. Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG nicht nur zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann, sondern auch, dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158). Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, aaO).

102

b) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ). Hierzu gehört nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG auch der Tatbestand der Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand, auf den sich die Beklagte ausdrücklich stützt. Bei einer evtl. Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

103

aa) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 12 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

104

bb) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

105

cc) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

106

dd) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

107

4. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt und dem Kläger stehe nach § 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach eine Entschädigung zu, wird es zu beachten haben, dass auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen sind(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63, mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO).

108

D. Im Hinblick auf die vom Landesarbeitsgericht zu treffende Kostenentscheidung weist der Senat darauf hin, dass sich diese - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 91 ff. ZPO richtet, wobei bei einem nur teilweisen Obsiegen/Unterliegen des Klägers Veranlassung bestehen kann, von der in § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar trifft es zu, dass Verfahren, die Klagen wegen Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zum Gegenstand haben, nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als Klageverfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz) und dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (Grundsatz der Effektivität) (st. Rspr. des EuGH, vgl. nur 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 61 mwN). Dies ist aber bei Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, nach denen sich der gerichtliche Kostenausspruch generell und einheitlich nach Obsiegen und Unterliegen richtet, ohne nach der „Herkunft“ des geltend gemachten Klageanspruchs zu differenzieren, nicht der Fall.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski    

        

    Wein    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Tenor

1. Die Revisionen der Parteien gegen das Teilurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2010 - 6/7 Sa 1373/09 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen zu 7/9 der Klägerin, zu 2/9 der Beklagten zur Last.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung und einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Sie streiten ferner über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

2

Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen mit Sitz in D. Sie beschäftigt bundesweit mehr als 1200 Arbeitnehmer. Sie unterhält ua. eine Niederlassung in B. Dort war die Klägerin seit dem 1. März 2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 31. Januar 2007 als Angestellte im Außendienst (Vertrieb) tätig. Ihr durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug 7.082,67 Euro. Die Klägerin war seit Juli 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

3

Vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags der Parteien im Januar 2007 hatte die Beklagte der Klägerin einen Personalfragebogen vorgelegt. Die Frage, ob sie anerkannte Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sei, hatte die Klägerin verneint.

4

Am 7. Oktober 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie als Schwerbehinderte anerkannt sei. Die Beklagte hatte ihr zuvor unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe nahegelegt, gegen eine Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.

5

Noch am Abend des 7. Oktober 2008 stellte die Beklagte die Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Sie forderte sie auf, ihre persönlichen Sachen aus ihrem Büro zu entfernen und die Firmenkreditkarte sowie den Computer abzugeben. Zudem sperrte sie ihre Zugangsberechtigungen zu den betrieblichen Kommunikationsmitteln, der EDV, den Kundendatenbanken und dem Firmenkonto. Die Beklagte hat behauptet, dabei habe es sich wie bei jeder streitigen Trennung von Mitarbeitern, insbesondere von solchen aus dem Vertrieb, um eine völlig normale und unbedingt angezeigte Maßnahme gehandelt.

6

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2008 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Sie warf der Klägerin vor, die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung in dem Personalfragebogen unwahr beantwortet zu haben. Zudem kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamts mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

7

Die Klägerin hat rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, weder Anfechtung noch Kündigung hätten das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Die Frage nach dem Bestehen einer anerkannten Schwerbehinderung habe sie wegen der darin liegenden Diskriminierung falsch beantworten dürfen. Ein Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung liege nicht vor. Die auf die falsche Antwort gestützte Kündigung sei gleichermaßen diskriminierend und deshalb unwirksam. Zudem stehe ihr ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008 und die Kündigungserklärung vom 22. Oktober 2008 beruhten auf ihrer falschen Antwort im Personalfragebogen. Die Diskriminierung ergebe sich außerdem aus der Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008 ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, sowie aus dem Prozessverhalten der Beklagten. Diese versuche, ihr eine Behinderung aus psychischen Gründen zu unterstellen.

8

Die Klägerin hat - soweit im Revisionsverfahren unter diversen weiteren Anträgen von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 8. Oktober 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, welche einen Betrag von 96.000,00 Euro nicht unterschreiten möge, nebst Zinsen zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung sei auch unter Geltung des AGG zulässig. Sie habe die Frage in erster Linie gestellt, weil sie die Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb habe erhöhen wollen. Mit einer wahrheitsgemäßen Antwort wären die Einstellungschancen der Klägerin noch größer gewesen. Sie wäre genauso eingestellt worden. Die Klägerin habe eine zulässige Frage bewusst unwahr beantwortet. Sie habe damit zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Dies rechtfertige die Anfechtung und auch die außerordentliche Kündigung. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch der Klägerin lägen nicht vor. Die Frage sei nicht diskriminierend gewesen. Der Grund für Anfechtung und Kündigung sei nicht die Behinderung der Klägerin gewesen, sondern der mit der Lüge hervorgerufene Vertrauensbruch. Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander zählten zu den festen Bestandteilen ihrer „Unternehmenskultur“. Bei einer falschen Antwort auf eine andere, gleich bedeutsame Frage hätte sie in gleicher Weise reagiert.

10

Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsanträgen der Klägerin stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die Berufungen beider Parteien durch Teilurteil zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung auch der Feststellungsanträge, die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision den Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen haben keinen Erfolg. Der Erlass eines Teilurteils verstieß nicht gegen § 301 ZPO(I.). Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtung der Beklagten vom 8. Oktober 2008 noch durch die Kündigung vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden (II.). Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG besteht nicht(III.).

12

I. Das angefochtene Teilurteil ist nicht bereits deswegen von Amts wegen aufzuheben, weil sein Erlass gegen § 301 ZPO verstoßen hätte. Die Streitgegenstände waren teilbar. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Entscheidungsreife habe nur hinsichtlich der mit dem Teilurteil beschiedenen Anträge vorgelegen. Die über sie ergangene Entscheidung hing nicht von der Entscheidung über die übrigen Streitgegenstände ab. Eine mögliche Vorgreiflichkeit des entschiedenen Teils für den Rest-Streit steht dem Erlass eines Teilurteils nicht entgegen. Der Gefahr einer Widersprüchlichkeit der Entscheidungen kann ggf. durch eine Aussetzung des Rest-Streits nach § 148 ZPO begegnet werden.

13

II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtungserklärung der Beklagten noch durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

14

1. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe den nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits nicht nach § 148 ZPO aussetzen dürfen, geht als Verfahrensrüge gegen das Teilurteil ins Leere. Der Aussetzungsbeschluss betrifft den durch dieses nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits. Die Frage, ob dem Verfahren hinsichtlich dieses Teils Fortgang hätte gegeben werden müssen, berührt nicht die in die Revision gelangten Streitgegenstände. Das Teilurteil teilt den Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren (BGH 30. Oktober 1997 - VII ZR 299/95 - zu II 3 a der Gründe, NJW 1998, 686).

15

2. Die Anfechtung vom 8. Oktober 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Beklagte ist nicht durch die falsche Antwort der Klägerin zum Abschluss des Arbeitsvertrags bestimmt worden. Auf einen Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB stützt sie die Anfechtung nicht.

16

a) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten(BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 96, 123; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 81, 120). Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war (vgl. für die widerrechtliche Drohung BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 41, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 59, BAGE 125, 70).

17

b) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber weiterhin nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ohne Bedeutung ist (vgl. dazu bisher BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - BAGE 96, 123; 3. Dezember 1998 - 2 AZR 754/97 - zu II 2 der Gründe, BAGE 90, 251; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120). Dies ist seit Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum 18. August 2006, insbesondere im Hinblick auf Art. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates, umstritten(verneinend Deinert in Deinert/Neumann Handbuch SGB IX 2. Aufl. § 17 Rn. 17; LPK-SGB IX/Düwell 3. Aufl. § 85 Rn. 16 f., 20; ders. BB 2001, 1527, 1529 und BB 2006, 1741, 1743; KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 32; HaKo/Fiebig 3. Aufl. §§ 85-92 SGB IX Rn. 19; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. Rn. 36; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 68 Rn. 43; Messingschlager NZA 2003, 301, 303; Nollert-Borasio/Perreng AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 17 f.; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 272, 274; Rolfs/Paschke BB 2002, 1260, 1261; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1046, 1049; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1522; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 173; bejahend Schaub NZA 2003, 299, 300; differenzierend Joussen NZA 2007, 174, 176 ff.). Selbst wenn die Frage der Beklagten zulässig gewesen wäre und die Klägerin sie wahrheitsgemäß hätte beantworten müssen, wäre der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht ursächlich gewesen. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.

18

c) Die Beklagte vermag die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht darauf zu stützen, die Klägerin habe sie über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Ihre Annahme, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Hätte die Klägerin die Frage richtig beantwortet, wäre die Beklagte ebenso von ihrer Ehrlichkeit ausgegangen.

19

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 22. Oktober 2008 beendet worden. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

20

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wird durch eine Möglichkeit zur Anfechtung ebenso wenig ausgeschlossen wie umgekehrt. Beide Gestaltungsrechte bestehen nebeneinander (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 119 Nr. 3 = EzA BGB § 119 Nr. 5). Die Anfechtung setzt zwar einen Grund voraus, der schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorgelegen hat, während die Kündigung dazu dient, ein durch nachträgliche Umstände belastetes oder sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis zu beenden (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO). Denkbar ist aber, dass ein Anfechtungsgrund im zustande gekommenen Arbeitsverhältnis so stark nachwirkt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 45; APS/Preis 3. Aufl. Grundlagen K Rn. 23; MünchArbR/Wank 2. Aufl. § 120 Rn. 12).

21

b) Es kann auch in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Klägerin verpflichtet war, die Frage nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte wahrheitsgemäß zu beantworten. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, läge ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Die Täuschung wirkte nicht in einer Weise nach, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin war mehr als eineinhalb Jahre im Arbeitsverhältnis tätig, ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte.

22

4. Die ordentliche Kündigung ist ebenfalls unwirksam. Sie ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 KSchG. Auf das Arbeitsverhältnis fand im Zeitpunkt der Kündigung das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG). Ein Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist nicht gegeben. Die Täuschung der Klägerin wirkte auch nicht in der Weise fort, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls über die Kündigungsfrist hinaus unzumutbar gewesen wäre.

23

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX.

24

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

25

a) § 15 Abs. 2 AGG eröffnet die Möglichkeit, die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Den Gerichten wird insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss allerdings Tatsachen benennen, die zur Bestimmung des Betrags herangezogen werden können, und muss die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 11; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 16, EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367).

26

b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und hat den Mindestbetrag einer aus ihrer Sicht angemessenen Entschädigung mit 96.000,00 Euro beziffert.

27

2. Die Klage auf Entschädigung ist unbegründet. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt. Es bedarf deshalb keiner Klärung, ob § 15 Abs. 2 AGG nach § 2 Abs. 4 AGG auf Benachteiligungen durch Kündigungen überhaupt anwendbar ist(offen gelassen auch durch BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20, NJW 2011, 2458).

28

a) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

29

aa) Sie hat den Anspruch zwar nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die schriftliche Erhebung kann aber durch die Klageerhebung ersetzt werden, sofern die Klage innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG dem Arbeitgeber zugestellt worden ist(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 55). Die Klageerweiterung mit dem Entschädigungsantrag wurde der Beklagten am 25. November 2008 zugestellt. Die Klägerin stützt den Anspruch auf Umstände, die ihr nicht länger als zwei Monate zuvor zur Kenntnis gelangt waren, nämlich die Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008 ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008, die Kündigung vom 22. Oktober 2008 und den Prozessvortrag der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.

30

bb) Durch die am 25. November 2008 zugestellte Klageerweiterung ist auch die Dreimonatsfrist gem. § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.

31

b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung sind aber nicht gegeben.

32

aa) Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab 18. August 2006 geltenden Fassung dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gelten hierzu die Regelungen des ebenfalls am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. § 15 Abs. 2 AGG regelt zwar nicht ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG voraussetzt(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 29, EzA AGG § 15 Nr. 11; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, BAGE 129, 181). Dies ergibt sich aber aus dem Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 AGG(vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 24, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1). Der Verstoß braucht nicht schuldhaft erfolgt zu sein (BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).

33

bb) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Der Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund jedenfalls mitursächlich war(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 27, AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, BAGE 131, 232). Für den Begriff der Benachteiligung gilt § 3 AGG.

34

cc) Die Beweislastregel des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wirkt sich auf die Verteilung der Darlegungslast aus. Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, NZA 2011, 737; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen (BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 40, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a BGB). Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 25, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7).

35

dd) Danach hat die Beklagte die Klägerin nicht iSv. § 7 Abs. 1 AGG bzw. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX benachteiligt.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG seien erfüllt. Es hat angenommen, ein Entschädigungsanspruch bestehe selbst dann nicht, weil die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bereits durch den materiellen Schadensersatz ausgeglichen sei.

37

(2) Dies hält jedenfalls im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ungeachtet der Erwägungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an hinreichenden Indiztatsachen iSv. § 22 AGG für die Annahme, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihrer Behinderung benachteiligt.

38

(a) Allerdings bestand ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige ihrer Schwerbehinderung durch die Klägerin und den Umständen, auf die sie ihren Entschädigungsanspruch stützt. Ob schon ein solcher zeitlicher Zusammenhang geeignet sein kann, die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen, bedarf keiner Entscheidung(offen gelassen zu § 611a BGB in BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 37, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Er reicht dafür jedenfalls im Streitfall nicht aus. Das Landesarbeitsgericht ist von der Richtigkeit der Einlassung der Beklagten ausgegangen, nicht der Umstand, dass die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte sei, sondern deren falsche Antwort auf die entsprechende Frage sei der Grund für die Anfechtung und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.

39

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch den Hinweis der Klägerin auf ihre seit Juli 1998 bestehende Anerkennung als Schwerbehinderte hatte die Beklagte nicht nur erstmalig Kenntnis von diesem Umstand erlangt. Vielmehr wurde damit zugleich offenbar, dass die Klägerin vor der Einstellung eine falsche Auskunft gegeben hatte. Die Beklagte hat durchgängig vorgetragen, ausschließlich darauf und auf eine durch die falsche Auskunft bewirkte Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und nicht auf die Schwerbehinderung als solche reagiert zu haben. Dem entspricht die Formulierung im Schreiben vom 8. Oktober 2008, die Anfechtung erfolge wegen der Lüge im Personalfragebogen. Auch aus dem weiteren Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Anfechtung oder Kündigung wegen der Behinderung der Klägerin ausgesprochen worden wären.

40

(b) Eine Benachteiligung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Maßnahmen, welche die Beklagte im Zusammenhang mit der Freistellung am 7. Oktober 2008 anordnete. Diese waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten auch in anderen Fällen einherging.

41

(c) Die Mutmaßung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Februar 2009, die Schwerbehinderung der Klägerin habe „psychologische Ursachen“, und die sich daran anschließenden Ausführungen lassen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung vermuten. Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht darauf schließen, Freistellung, Anfechtung oder Kündigung seien eben deshalb erfolgt. Die Beklagte hatte lediglich auf den Vortrag reagiert, die Klägerin weise keine körperlichen Defizite auf.

42

(d) Die Klägerin beruft sich nicht darauf, bereits die Frage nach einer Schwerbehinderung als solche habe eine unzulässige Benachteiligung dargestellt. Es kann daher dahinstehen, ob insoweit die Fristen gem. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wären.

43

Die Frage ist auch als Indiztatsache für eine spätere Benachteiligung durch die Freistellung und die diese begleitenden Maßnahmen oder durch die Anfechtung und Kündigung nicht geeignet. Aus ihr lässt sich auf eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit schließen. Die Beklagte kann die Frage - so wie sie geltend macht - auch aus dem Grund gestellt haben, bevorzugt Schwerbehinderte einstellen zu wollen.

44

(e) Auch aus den Gesamtumständen folgen keine hinreichenden Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin. Die zeitliche Nähe von Freistellung, Anfechtung und Kündigung zur Anzeige der Schwerbehinderung genügt selbst unter Berücksichtigung der vor der Einstellung gestellten Frage nicht, um die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen. Die Beklagte hat sich - plausibel - darauf berufen, sie habe allein den Umstand, dass die Klägerin unehrlich gewesen sei, zum Anlass für die fraglichen Maßnahmen genommen. Das wird nicht dadurch widerlegt, dass sie die Klägerin vor der Einstellung nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte gefragt hatte.

45

IV. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Parteien gem. § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Eulen    

        

    Sieg    

                 

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 3. Juni 2009 - 10 Sa 719/08 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger 95 vH und die Beklagte 5 vH zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Entschädigung wegen Nichtberücksichtigung bei einem Stellenbesetzungsverfahren.

2

Der 1958 geborene Kläger hat beide juristischen Staatsexamina mit „gut“ bestanden und ist seit 1988 als selbstständiger Rechtsanwalt tätig.

3

Die Beklagte schaltete im März 2007 eine Stellenanzeige in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) 11/2007 mit folgendem Inhalt:

        

„Die T GmbH ist ein Lizenzhandelsunternehmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten BR, MDR, SWR sowie des Schweizer Fernsehens SRG SSR idée suisse.

        

Zum sofortigen Eintritt suchen wir für unsere Rechtsabteilung - zunächst auf ein Jahr befristet - eine(n) junge(n), engagierte(n)

        

Volljuristin/Volljuristen           

        

Ihre Aufgaben umfassen insbesondere die Verhandlung und Erstellung von Lizenzverträgen für die Bereiche ‚Programmbeschaffung’ und ‚Internationaler Programmvertrieb’.

        

Sie verfügen über befriedigende Examina, erste Berufserfahrungen (bis 2 Jahre) im Medienbereich bzw. Lizenzgeschäft, Teamfähigkeit, Belastbarkeit und ein überzeugendes Auftreten. Verhandlungssichere Englischkenntnisse sind erforderlich; Französischkenntnisse sind von Vorteil.

        

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellungen an:

        

…“    

4

Auf diese Anzeige bewarb sich der Kläger am 26. März 2007 mit folgender E-Mail:

        

„Sehr geehrte Damen und Herren,

        

Sie suchen für ein Jahr befristet einen Volljuristen für den Bereich des Aushandelns und des Erstellens von Lizenzverträgen.

        

Ich denke, daß ich Ihre Anforderungen vollumfänglich erfülle.

        

Ich bin seit 20 Jahren umfassend im Zivil- und Wirtschaftsrecht und besonders auch im Lizenz- und Vertragsrecht tätig; einige hundert einschlägige Verträge/AGBen habe ich selbst entworfen, deutlich mehr habe ich begutachtet/begleitet. Mein Schwerpunkt liegt im Bereich des Immaterialgüterrechts, was jedoch auch zur Folge hat, daß ich meine meist gewerblichen Mandanten in allen wirtschaftsrechtlich relevanten Angelegenheiten (ausgenommen Familienrecht und Verwaltungsrecht) umfassend betreue.

        

Kurz zu meinen papiernen Qualifikationen: Beide Staatsexamina (Hessen) ‚gut’, Promotion (Hessen, EDV-Recht) ‚summa cum laude’, ca. 200 primär einschlägige Publikationen.

        

Teamfähigkeit, Belastbarkeit und überzeugendes Auftreten sind selbstverständlich.

        

Zur Abkürzung darf ich zunächst ergänzend auf meinen anliegenden Kurzlebenslauf sowie die anliegenden Zeugnisse Bezug nehmen.

        

Die ausgeschriebene befristete Anstellung findet mein besonderes Interesse, da ich aus bestimmten Gründen (zunächst) nur an einer befristeten Anstellung interessiert bin; in einem persönlichen Gespräch erläutere ich gerne die Hintergründe.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

…“    

5

Mit Schreiben vom 10. April 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

        

„Sehr geehrter Herr Dr. K,

        

nochmals herzlichen Dank für die Übersendung Ihrer Bewerbungsunterlagen für die Stelle als Volljurist und das damit verbundene Interesse und Vertrauen.

        

Nach sorgfältiger Prüfung Ihrer Unterlagen müssen wir Ihnen nun mitteilen, dass Sie für die vakante Stelle leider nicht in Betracht kommen.

        

Wir wünschen Ihnen für Ihren weiteren Berufsweg viel Erfolg und verbleiben

        

mit freundlichen Grüßen

        

…“    

6

Ende April 2007 schloss die Beklagte einen befristeten Arbeitsvertrag mit der damals 33-jährigen Frau S. In diesem vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008 befristeten Vertrag wurde eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende während einer dreimonatigen Probezeit bzw. von zwei Monaten zum Monatsende nach Ablauf der Probezeit sowie ein Bruttojahresgehalt von 43.472,00 Euro, zahlbar in 13 Monatsraten zu 3.344,00 Euro, vereinbart. Frau S hatte beide juristischen Staatsprüfungen mit „ausreichend“ bestanden und war vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten bei der „N Filmgesellschaft mbH“ beschäftigt und dort ausweislich des Zeugnisses vom 2. Juli 2007 ua. mit der Prüfung und Erstellung von Lizenz- und Vertriebsverträgen in deutscher und englischer Sprache befasst.

7

Mit einer E-Mail und einem gleichlautenden Telefaxschreiben vom 26. Juni 2007 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass die Vermutung bestehe, er sei von ihr wegen seines Alters im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden. Er machte einen Schadensersatzanspruch wegen des entgangenen Gehalts für ein Jahr sowie einen Schmerzensgeldanspruch wegen der erlittenen Altersdiskriminierung in Höhe von 25.000,00 Euro geltend.

8

Mit Anwaltschriftsatz vom 28. Juni 2007 ließ die Beklagte die Ansprüche zurückweisen.

9

Mit seiner am 9. Juli 2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 19. Juli 2007 zugestellten Klage hat der Kläger einen Schadensersatz- und einen Schmerzensgeldanspruch sowie einen Auskunftsanspruch über die Höhe der maximal vorgesehenen Jahresvergütung für das Stellenangebot in der NJW 11/2007 geltend gemacht.

10

Der Kläger behauptet, seine Bewerbung sei ausschließlich wegen seines Alters nicht berücksichtigt worden. Er habe gezielt keine Gehaltsvorstellung angegeben, um sich die Chance eines Vorstellungsgesprächs zu erhalten. Auch sei er zum damaligen Zeitpunkt aufgrund seiner persönlichen Situation gerade an einer vorübergehenden Beschäftigung interessiert gewesen. Das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 10. April 2007 sei ihm erst am 2. Mai 2007 zugegangen.

11

Der Kläger meint, ihm stehe ein Auskunftsanspruch über die Höhe der maximal vorgesehenen Vergütung für die ausgeschriebene Stelle zu. Auch könne er als Schadensersatz ein Jahresgehalt beanspruchen, da die Stelle auf ein Jahr ausgeschrieben gewesen sei und befristete Arbeitsverhältnisse nicht vorzeitig gekündigt werden könnten. Als Höhe der Entschädigung seien 25.000,00 Euro angemessen.

12

Im Übrigen ist der Kläger der Ansicht, die Vermutungswirkung des § 22 AGG erstrecke sich auch darauf, dass er als der bestqualifizierte Bewerber ohne die erfolgte Diskriminierung tatsächlich eingestellt worden wäre. Infolgedessen müsse die Beklagte beweisen, dass bei der Entscheidung für Frau S das Alter des Klägers keine Rolle gespielt habe.

13

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen,

        

a)    

ihm Auskunft über die maximal vorgesehene Jahresvergütung für die im Stellenangebot in NJW 11/2007 S. L ausgeschriebene Stelle zu erteilen;

        

b)    

ihm den sich aus der Auskunft ergebenden Betrag entsprechend der erteilten Auskunft aus Klageantrag 1.a) als Schadensersatz zuzüglich fünf Prozentpunkte über Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

ihm Schmerzensgeld in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens aber 25.000,00 Euro, zuzüglich fünf Prozentpunkte über Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

15

Sie vertritt die Auffassung, die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche seien weder frist- noch formgemäß geltend gemacht worden. Sie behauptet, das Absageschreiben vom 10. April 2007 sei spätestens am Folgetag versandt worden und dem Kläger daher am 12. April 2007 zugegangen. Die Geltendmachung der Ansprüche durch den Kläger sei erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit Schreiben vom 26. Juni 2007 erfolgt. Im Übrigen wahre dieses Schreiben, welches ihr ausschließlich per Fax und per E-Mail übersandt worden sei, mangels eigenhändiger Unterschrift nicht die erforderliche Schriftform des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG.

16

Die Beklagte behauptet, weder das Alter des Klägers noch dasjenige der eingestellten Frau S hätten bei der Einstellungsentscheidung eine Rolle gespielt. Die Bewerbung des Klägers sei vielmehr sofort aussortiert worden, da diese keine Angabe zu der in der Anzeige geforderten Gehaltsvorstellung des Bewerbers enthalten habe und es sich daher um keine vollständige Bewerbung gehandelt habe. Auch seien für die Beklagte nur Bewerber aus dem Großraum München in Betracht gekommen, da man aus Kostengründen die Zahlung von Fahrtkosten zu den Vorstellungsgesprächen habe sparen wollen und man auswärtigen Bewerbern aufgrund der Befristung der Stelle einen Umzug nach München nicht habe zumuten wollen, zumal ein solcher Umzug die beabsichtigte Einstellung zeitlich verzögert hätte. Daher seien von den etwa 100 Bewerbungen alle aussortiert worden, die keine Gehaltsvorstellungen enthalten hätten oder von Personen stammten, die nicht im Großraum München wohnten.

17

Die Beklagte meint, die Vermutung des § 22 AGG erstrecke sich nicht darauf, dass der Kläger bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre. Tatsächlich sei dieser nicht der bestgeeignete Bewerber gewesen. Im Gegensatz zu der eingestellten Frau S verfüge er über keine einschlägige Erfahrung in der Medien- und Filmbranche. Entscheidend für die Einstellung von Frau S seien deren Erfahrung, deren spezifische Kenntnisse sowie eine Einstellungsempfehlung der vormaligen Stelleninhaberin gewesen.

18

Das Arbeitsgericht hat der Entschädigungsklage in Höhe eines Monatsgehalts stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das arbeitsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass es dem Kläger aus dem ausgeurteilten Betrag auch Zinsen ab Rechtshängigkeit zugesprochen hat. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision und mittels Anschlussrevision die Klageabweisung in vollem Umfange beantragt.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig, aber unbegründet.

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I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe mit der Übersendung des Telefax am 26. Juni 2007 seine Ansprüche gegenüber der Beklagten form- und fristgerecht geltend gemacht.

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Es ist weiterhin davon ausgegangen, dass sich aus der nicht altersneutralen Stellenausschreibung die Vermutung einer Altersdiskriminierung des Klägers ergebe. Diese habe die Beklagte nicht widerlegt. Daher stehe dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Dieser sei mit einem Gehalt angemessen.

22

Das Landesarbeitsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 15 Abs. 1 AGG verneint, da sich die Vermutungsregelung des § 22 AGG nicht auf die Kausalität zwischen Benachteiligung und Schaden erstrecke. Der Kläger hätte mithin darlegen und beweisen müssen, dass er bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. Dies habe er nicht getan. Zwar habe er im Gegensatz zur eingestellten Bewerberin S die besseren Examensergebnisse erzielt, in der Stellenanzeige seien aber auch Berufserfahrung im Medienbereich bzw. Lizenzgeschäft gefordert worden. Der Kläger habe den Vortrag der Beklagten, die eingestellte Frau S sei wegen ihrer einschlägigen Berufserfahrung besser geeignet und schneller einsetzbar gewesen, nicht widerlegt. Die selbstständige anwaltliche Tätigkeit des Klägers weise zwar mit der Tätigkeit in einer Rechtsabteilung gewisse Überschneidungen auf, dennoch sei es eine andere Tätigkeit, so dass nicht von einer einschlägigen Berufserfahrung des Klägers gesprochen werden könne. Es sei vor dem Hintergrund, dass die Stelle keine sehr hohen juristischen Anforderungen stelle, nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Bewerberauswahl ein größeres Gewicht auf die einschlägige Berufserfahrung als auf die Noten im Staatsexamen gelegt habe.

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II. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil ihm die über den ausgeurteilten Entschädigungsbetrag hinaus geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen.

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1. Die Klage ist zulässig.

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a) Der auf die Erteilung der Auskunft gerichtete Antrag ist erst nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger begehrt nach dem Wortlaut seines Antrages die Erteilung einer Auskunft über die maximal vorgesehene Jahresvergütung für die ausgeschriebene Stelle. Der vom Kläger im Antrag verwendete Begriff der „maximal vorgesehenen Jahresvergütung“ ist nicht hinreichend bestimmt. Wie der Kläger in der Revisionsverhandlung klargestellt hat, begehrt er die Auskunft, in welchem Umfang die Geschäftsleitung der Beklagten bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle als Volljuristin/Volljurist bereit war, das für die Besetzung der Stelle der Fachabteilung zugesagte Jahresbudget von 40.000,00 Euro im Falle eines bestgeeigneten Bewerbers zu überschreiten. In diesem Sinne ist der Auskunftsantrag hinreichend bestimmt.

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b) Der auf Zahlung einer der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Entschädigung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Steht dem Gericht ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Entschädigungshöhe zu bzw. hängt die Bestimmung eines Betrages vom billigen Ermessen des Gerichtes ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (Senat 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 18, AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht und eine Angabe zur Größenordnung der Entschädigung, nämlich mindestens 25.000,00 Euro, gemacht.

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2. Die Klage ist lediglich in dem vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten Umfange begründet.

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a) Das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG findet auf den Streitfall Anwendung. Die im März 2007 erschienene Stellenanzeige in der NJW 11/2007, auf die sich der Kläger beworben hatte, stellt den Anknüpfungszeitpunkt für die behauptete Benachteiligungshandlung dar. Dieser Zeitpunkt liegt nach dem Inkrafttreten des AGG.

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b) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen ihres Alters oder wegen eines anderen in § 1 genannten Grundes benachteiligen. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG, da er als Beschäftigter gilt und die Beklagte Arbeitgeberin ist.

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aa) Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis.

31

Der Kläger ist ein solcher Bewerber. Der Begriff „Bewerber“ im Sinne des AGG setzt nicht die objektive Eignung eines Bewerbers für die in Aussicht genommene Stelle voraus. Vielmehr ist die objektive Eignung eines Bewerbers eine Frage, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt, welche Voraussetzung für die Annahme einer unmittelbaren Benachteiligung ist(vgl. Senat 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - NZA 2010, 872; 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - NJW 2010, 2970).

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Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Tatbestandsvoraussetzung für Ansprüche nach §§ 15, 6 AGG ist, hat der Senat bislang ausdrücklich offengelassen(vgl. Senat 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - NZA 2010, 872), sie bedarf auch hier keiner Entscheidung. Es sind aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und des Parteivorbringens keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers sprechen.

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Der Einwand der Beklagten, die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung fehle, da der Kläger der Aufforderung in der Anzeige, seine Gehaltsvorstellungen mitzuteilen, nicht nachgekommen sei, greift nicht durch. Der Kläger hat nachvollziehbar erläutert, weshalb er sich bessere Einstellungschancen ausgerechnet hat, wenn er seine Gehaltsvorstellungen erst in einem persönlichen Gespräch darlegt.

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bb) Die Beklagte ist Arbeitgeber iSd. § 15 AGG. Sie ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine juristische Person und sie beschäftigt Arbeitnehmer (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG).

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c) Der Kläger hat am 26. Juni 2007 den Schadensersatzanspruch (§ 15 Abs. 1 AGG) sowie den Entschädigungsanspruch (§ 15 Abs. 2 AGG) frist- und formgerecht geltend gemacht. Auch seine Klage auf Entschädigung hat er innerhalb der Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG erhoben.

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aa) Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten, beginnend mit dem Zugang der Ablehnung, schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben - wie vorliegend nicht - etwas anderes vereinbart.

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Die Ablehnung seiner Bewerbung erhielt der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 10. April 2007. Dieses Schreiben ist ihm nicht länger als zwei Monate vor dem 26. Juni 2007 zugegangen. Einen früheren Zugang hat die diesbezüglich darlegungs- und beweispflichtige Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen.

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§ 15 Abs. 4 AGG bestimmt nicht, wer die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs des Ablehnungsschreibens trägt. Infolgedessen gilt die allgemeine prozessuale Regel, wonach grundsätzlich der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale trägt, während der Anspruchsgegner die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale darlegen und ggf. beweisen muss (BGH 14. Januar 1991 - II ZR 190/89 - BGHZ 113, 222; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 553/08 -). Dies führt dazu, dass im Rahmen der Frage der fristgerechten Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 1, 2 AGG der Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen hat, dass und wann die Frist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG durch Zugang der Ablehnung beim Bewerber in Lauf gesetzt worden ist(v. Roetteken AGG Stand August 2010 § 15 Rn. 89; Däubler/Bertzbach/Deinert AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 164), während der Arbeitnehmer darzulegen und ggf. zu beweisen hat, wann seine schriftliche Geltendmachung dem Arbeitgeber zugegangen ist (Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 61; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 8).

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Da sich die Beklagte darauf beruft, Ansprüche des Klägers aus § 15 Abs. 1, 2 AGG seien mangels rechtzeitiger Geltendmachung ausgeschlossen, hätte sie mithin darlegen und ggf. beweisen müssen, dass und wann die Frist zur Geltendmachung in Lauf gesetzt worden ist. Da der Kläger behauptet, das Ablehnungsschreiben sei ihm erst am 2. Mai 2007 zugegangen, hätte die Beklagte diesen Zugangszeitpunkt substantiiert bestreiten und einen ihr günstigeren, also früheren Zugangszeitpunkt darlegen und beweisen müssen. Allein aus dem Absenden ihres Ablehnungsschreibens am 10. oder 11. April 2007 ergibt sich nicht zwingend, dass dieses dem Kläger am 12. April 2007 zugegangen ist, wie die Beklagte meint. Hieraus folgt, dass das Vorbringen des Klägers, der Zugang des Ablehnungsschreibens sei erst am 2. Mai 2007 erfolgt, durch die Beklagte nicht widerlegt ist.

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bb) Der Kläger hat die streitgegenständlichen Ansprüche formgerecht geltend gemacht.

41

Mit seinen Fax- und E-Mail-Schreiben vom 26. Juni 2007 hat er sowohl Schadensersatz in Höhe eines Jahresgehalts wegen des entgangenen Gewinns als auch Schmerzensgeld wegen der erlittenen Diskriminierung in Höhe von 25.000,00 Euro gefordert. Hiermit hat er Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG konkret bezeichnet und geltend gemacht. Eine betragsmäßige Bezifferung des Schadensersatzanspruchs erfolgte zwar nicht, ist aber auch nicht erforderlich (vgl. zu § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX aF: BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 - BAGE 113, 361 = AP SGB IX § 81 Nr. 7 = EzA SGB IX § 81 Nr. 6).

42

Der Kläger hat die Ansprüche auch schriftlich (§ 15 Abs. 4 Satz 1 AGG) geltend gemacht. Dieses Schriftformgebot verlangt nicht die gesetzliche Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB(Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 55; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 72; Schiek/Kocher § 15 Rn. 61; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 92; Adomeit/Mohr KommAGG § 15 Rn. 85; aA Däubler/Bertzbach/Deinert § 15 Rn. 110; HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 15 AGG Rn. 13), ausreichend ist vielmehr die Textform nach § 126b BGB.

43

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das in § 126 BGB vorgesehene Schriftformerfordernis auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden (BAG 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - BAGE 101, 298 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 118 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 139). Daran hat die Ergänzung des § 126 BGB durch § 126a und § 126b BGB nichts geändert. Auch die §§ 126a, 126b BGB sind vielmehr wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls entsprechend (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).

44

Die Geltendmachung eines Anspruchs iSv. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist keine Willenserklärung, sondern eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Während ein Rechtsgeschäft aus einer oder mehreren Willenserklärungen besteht, die allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist (Palandt/Ellenberger 69. Aufl. Überblick vor § 104 Rn. 2), sind geschäftsähnliche Handlungen auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten (Palandt/Ellenberger Überblick vor § 104 Rn. 6). Die Geltendmachung im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge kraft rechtsgeschäftlichen Willens gerichtet, sondern darauf, dass eine im Gesetz angeordnete Rechtsfolge, nämlich das Fortbestehen des Anspruchs nur bei rechtzeitiger Geltendmachung, eintritt.

45

Eine analoge Anwendung von § 126 BGB auf die Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist nicht gerechtfertigt. Normzweck und Interessenlage sind nicht vergleichbar. Angesichts der im Geschäftsleben festzustellenden Üblichkeit der Erklärungsübermittlung per Telefax besteht kein Grund, das Erfordernis der Originalunterschrift in entsprechender Anwendung von § 126 BGB auf Geltendmachungsschreiben zu übertragen, die ihren Sinn und Zweck der Schaffung eines Rechtsfriedens und der Herbeiführung von Rechtssicherheit auch erfüllen, wenn durch lediglich namentliche Bezeichnung die Identität des Erklärenden feststeht. Auch die Vollständigkeit und der inhaltliche Abschluss der Erklärung bedürfen keiner eigenhändigen Unterschrift, sondern lassen sich durch die Anbringung einer Grußformel, die maschinenschriftliche Namenswiedergabe oder Ähnliches unmissverständlich kenntlich machen.

46

Nach der objektiven Sach- und Interessenlage der Beteiligten ist bei der Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 1, 2 AGG die entsprechende Anwendung von § 126b BGB geboten und ausreichend. Nach dieser Bestimmung muss, wenn Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Auf diese Weise stellt § 126b BGB auch ohne das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung sicher, dass die Identitäts- und Vollständigkeitsfunktionen einer schriftlichen Erklärung neben der ohnehin gegebenen Dokumentationsfunktion gewahrt sind(vgl. zu § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).

47

Zumindest das Telefax des Klägers vom 26. Juni 2007 genügte den Erfordernissen des § 126b BGB, weil dieses der Beklagten unstreitig zugegangen ist und ihr damit in Form eines Ausdruckes vorgelegen hat(vgl. BGH 3. Juni 1987 - IVa ZR 292/85 - BGHZ 101, 276).

48

cc) Die dreimonatige Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG für Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG ist gewahrt, weil die Klage am 9. Juli 2007 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 19. Juli 2007 zugestellt und damit innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs erhoben worden ist, § 253 Abs. 1 ZPO.

49

d) Der für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG erforderliche Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot liegt vor.

50

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 genannten Grundes - zu denen auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

51

Der Kläger hat im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung erfahren als die eingestellte Bewerberin S. Seine Bewerbung wurde abgelehnt, ohne dass er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Eine Benachteiligung kann in der Versagung einer Chance liegen. Durch die Nichteinladung wurde dem Kläger die Chance auf Einstellung versagt (vgl. Senat 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 31, AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1).

52

Der Kläger und die Bewerberin S befanden sich in einer vergleichbaren Situation, da beide objektiv für die ausgeschriebene Stelle eines Volljuristen geeignet waren.

53

bb) Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen lassen eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten.

54

Eine weniger günstige Behandlung wegen des Alters ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch sie motiviert ist. Ausreichend ist, dass das Alter Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

55

Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(Senat 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - NZA 2010, 1006). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

56

Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einem in § 1 AGG genannten Merkmal und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und ob sie gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(Senat 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 28, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF bzgl. einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung).

57

Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass sich bereits aus der Stellenanzeige die Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters ergibt. § 11 AGG verbietet die Ausschreibung eines Arbeitsplatzes unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG. Eine Ausschreibung verstößt gegen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Menschen, die ein in § 1 AGG genanntes Merkmal aufweisen, vom Kreis der für die zu besetzende Stelle in Betracht kommenden Personen ausgeschlossen werden.

58

Die von der Beklagten zu besetzende Stelle als Volljurist/in ist unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, da das Alter als Einstellungsvoraussetzung genannt ist. Nach der Stellenanzeige werden „junge“ Volljuristinnen/Volljuristen gesucht. Mit dieser Einschränkung werden solche Personen, die nicht mehr „jung“ sind, vom Kreis derer, die für die zu besetzende Stelle in Betracht kommen, ausgeschlossen.

59

Da der Verstoß gegen die Verpflichtung, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, die Vermutung begründen kann, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten verbotenen Merkmals erfolgt(vgl. Senat 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3 zu § 611b BGB aF),ist die vom Landesarbeitsgericht angenommene Vermutung einer altersbedingten Diskriminierung des Klägers revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist es nicht entscheidend, dass der Begriff „jung“ nicht eindeutig zu definieren ist. Auf jeden Fall liegt dann ein Indiz für die Benachteiligung eines Bewerbers wegen seines Alters vor, wenn ein anderer deutlich jüngerer Bewerber eingestellt worden ist. Dies war vorliegend der Fall.

60

cc) Da der Kläger somit Tatsachen vorgetragen hat, die seine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen, trägt die Beklagte nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorliegt.

61

Zur Widerlegung der Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters muss der Arbeitgeber das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung gerade nicht auf dem Alter beruht. Er muss also Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. zur Benachteiligung wegen Schwerbehinderung: BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 33, 37 f., AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

62

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagte nicht bewiesen hat, dass es ausschließlich andere Gründe als das Alter des Klägers waren, die zu dessen weniger günstigen Behandlung geführt haben. Ihre Behauptung, die Bewerbung des Klägers sei bereits vorab wegen der unterlassenen Angabe der Gehaltsvorstellung und wegen seines nicht im Großraum München liegenden Wohnorts aussortiert worden, ist nach Überzeugung des Landesarbeitsgerichts nicht bewiesen. Die diesbezügliche Würdigung der Zeugenaussage des Mitarbeiters der Beklagten St durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Zeugen ist die Bewerbung des Klägers tatsächlich vorgelegt und damit gerade nicht vorab aussortiert worden. Auch eine Weiterleitung der Bewerbungsmail als „Kuriosum“ ist eine Weitergabe der Bewerbung und kein Aussortieren.

63

dd) Anhaltspunkte für die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung nach §§ 8, 10 AGG sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden.

64

e) Da der Kläger wegen seines Alters von der Beklagten benachteiligt worden ist, hat er gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Der Entschädigungsanspruch setzt weder ein Verschulden der Beklagten voraus noch bedarf es der gesonderten Feststellung des Eintritts eines immateriellen Schadens (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

65

aa) § 15 Abs. 2 AGG entspricht § 253 BGB. Dies bedeutet, dass dem Gericht ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung eingeräumt wird, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falles angemessen berücksichtigen zu können. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dabei ist revisionsrechtlich zu überprüfen, ob das Urteil das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lässt und ob es gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

66

bb) Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. In diesem Fall ist vom Tatsachenrichter zunächst die Höhe einer angemessenen und der Höhe nach nicht begrenzten Entschädigung zu ermitteln und diese dann, wenn sie drei Monatsentgelte übersteigen sollte, zu kappen (Stein in Wendeling-Schröder/Stein § 15 Rn. 44).

67

Ist ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG dem Grunde nach gegeben, hat der Arbeitgeber die für ihn günstigere Tatsache zu beweisen, dass der Bewerber oder die Bewerberin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre und damit die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG festgelegte Höchstgrenze für die Entschädigung zum Tragen kommt(HWK/Annuß/Rupp § 15 AGG Rn. 9; Knittel SGB IX Kommentar 4. Aufl. § 81 Rn. 121; Meinel/Heyn/Herms § 15 Rn. 71; Schiek/Kocher § 15 Rn. 48; vgl. auch EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 36, Slg. 1997, I-2195). Durch § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG wird von dem in § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG aufgestellten Grundsatz, dass die Höhe der Entschädigung nur durch das Kriterium der Angemessenheit begrenzt wird, eine Ausnahme zugunsten des Arbeitgebers geschaffen. Diese Verteilung der Beweislast schließt allerdings nicht aus, dass der Bewerber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast zunächst geltend gemacht haben muss, dass er bei einer benachteiligungsfreien Auswahl eingestellt worden wäre.

68

cc) Die Festsetzung einer Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts der eingestellten Bewerberin S durch das Landesarbeitsgericht hält der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

69

Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung durch das Tatsachengericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu entfalten und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

70

Das angefochtene Urteil lässt das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen und verstößt nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Infolgedessen hält sich die Festsetzung einer Entschädigung iHv. 3.344,00 Euro im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes.

71

Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass kein besonders schwerwiegender Fall einer Diskriminierung vorliegt. Es legt sachgerecht zugrunde, dass es außer einer nicht an den Kläger persönlich gerichteten Stellenanzeige, welche kraft Gesetzes die Vermutung einer Diskriminierung wegen des Alters begründet, kein zu beanstandendes Verhalten der Beklagten gibt. Diese hat sich dem Kläger gegenüber wegen seines Alters weder abwertend noch beleidigend verhalten. Nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang, dass das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der vom Kläger behaupteten negativen Auswirkungen der Diskriminierung, nämlich seines Appetitverlustes und seiner Schlafstörungen, darauf verweist, dass keine adäquate Kausalität zwischen der Absage auf die Bewerbung und der gesundheitlichen Beeinträchtigung feststellbar ist.

72

Soweit das Landesarbeitsgericht folgert, die Beklagte habe wegen des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Budgets einen sich noch nah am Berufseinstieg befindlichen Bewerber gesucht und dies unzulässig mit „jung“ gleichgesetzt, ist auch dies vertretbar. Zwar werden in der Anzeige beide Eigenschaften, also „jung“ und „erste Berufserfahrungen (bis 2 Jahre) im Medienbereich bzw. Lizenzgeschäft“ getrennt formuliert. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass mit „jung“ nicht auch „erste Berufserfahrungen“ gemeint sein kann. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch den Verschuldensgrad in die Abwägung mit einbezogen.

73

Schließlich enthält auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Umstand, dass der Kläger seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr schlecht einschätze, könne nicht dazu führen, dass in der Absage der Beklagten eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung liege, keinen Rechtsfehler. So hat die Diskriminierungshandlung der Beklagten insbesondere keine Auswirkungen auf zukünftige Bewerbungen des Klägers.

74

3. Soweit der Kläger einen Auskunftsanspruch und einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 1 AGG geltend macht, ist seine Klage unbegründet.

75

a) § 15 Abs. 1 AGG begründet einen Anspruch auf Ersatz des durch die verbotene Benachteiligung entstandenen materiellen Schadens. Für den Umfang des Schadensersatzes gelten die §§ 249 ff. BGB, wobei allerdings § 15 Abs. 6 AGG in den dort genannten Fällen eine Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB ausschließt. Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn und mithin das entgangene Arbeitsentgelt.

76

b) Für den Umstand, dass ein Bewerber die Stelle ohne die unzulässige Benachteiligung tatsächlich erhalten hätte, also für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Benachteiligung und dem entstandenen Schaden, ist nach den allgemeinen Beweislastregeln der Bewerber darlegungs- und beweispflichtig.

77

Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen, während der Anspruchsgegner die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale darlegen und ggf. beweisen muss (vgl. oben II 2 c aa). Hiernach hat ein Bewerber, der einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG verfolgt, ua. darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ein Schaden bei ihm eingetreten ist und dieser kausal auf die Benachteiligungshandlung zurückzuführen ist.

78

Von dieser allgemeinen Regel macht § 15 Abs. 2 AGG für den Entschädigungsanspruch eine Ausnahme, die für den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG nicht gilt. Aus der Gesetzesformulierung und der Systematik des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG folgt, dass der Arbeitgeber, der gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat, darlegen und ggf. beweisen muss, dass der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre und damit die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG geregelte Höchstgrenze für die Entschädigungshöhe zum Tragen kommt(vgl. oben II 2 e bb). § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG formuliert nämlich eine Ausnahme vom Grundsatz der Angemessenheit und enthält mithin eine (teilweise) rechtsvernichtende Einwendung, die der Anspruchsgegner darzulegen und zu beweisen hat. Eine dem § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vergleichbare Bestimmung enthält § 15 Abs. 1 AGG nicht. Dies führt dazu, dass im Rahmen der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG den Bewerber die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass er als der am besten geeignete Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte(vgl. zum Schadensersatzanspruch gegen einen öffentlichen Arbeitgeber: Senat 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3).

79

Diese dem Bewerber im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG obliegende Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität wird nicht durch § 22 AGG abgeändert(Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 25; Adomeit/Mohr § 15 Rn. 23; Schiek/Kocher § 15 Rn. 24; DFL/Kramer 3. Aufl. § 15 AGG Rn. 20; Stein in Wendeling-Schröder/Stein § 15 Rn. 53; MünchKommBGB/Thüsing § 22 AGG Rn. 18).

80

Auch § 22 AGG geht von dem allgemeinen Grundsatz aus, dass eine Partei, die eine bestimmte Rechtsfolge für sich in Anspruch nehmen will, grundsätzlich die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. Da eine diskriminierte Person die Tatsachen, die sich in der Sphäre des Diskriminierenden abspielen, häufig nicht kennt und in der Regel auch den Nachweis einer bestimmten Motivation des Diskriminierenden nicht erbringen kann, bezweckt § 22 AGG, dass der Anspruchsteller durch eine „Beweisführungserleichterung“ der ihm nach wie vor grundsätzlichen obliegenden Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung durch den Arbeitgeber leichter nachkommen kann.

81

c) Dem Berufungsgericht ist auch dahin zu folgen, dass der Kläger die Tatsache, dass er bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre, nicht nachgewiesen hat.

82

Nicht zu beanstanden ist zunächst die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger verfüge zwar im Vergleich zu der eingestellten Bewerberin S über die besseren Examensergebnisse, die besseren Examensnoten könnten aber nicht automatisch mit der besseren Eignung für die zu besetzende Stelle gleichgesetzt werden, weil die Beklagte neben der juristischen Qualifikation in der Stellenanzeige Berufserfahrung im Medienbereich bzw. Lizenzgeschäft gefordert habe.

83

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht des Weiteren davon aus, der Kläger habe nicht dargelegt, dass er bei benachteiligungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. Er hat zwar vorgetragen, Frau S besitze „allenfalls eine Qualifikation einer besseren Sekretärin“, während er Hunderte von Verträgen ausgehandelt und entworfen habe, überwiegend im Lizenzrecht tätig gewesen sei und während seiner 20-jährigen Berufstätigkeit wiederholt extrem komplexe und richtungsweisende Verfahren, etwa zur Frage der Verwertungsrechte bei Filmen und Filmmusiken geführt habe. Mit diesem Vorbringen allein hat der Kläger seine bessere Eignung jedoch nicht belegt. So weist das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hin, dass der Kläger nicht in gleichem Maße über einschlägige Berufserfahrung im Medienrecht verfügt wie die eingestellte Bewerberin S.

84

Die Beklagte hat in der Stellenanzeige von den Bewerbern Berufserfahrungen (bis zwei Jahre) im Medienbereich bzw. im Lizenzgeschäft gefordert, um die Aufgabe, welche insbesondere in der „Verhandlung und Erstellung von Lizenzverträgen für die Bereiche Programmbeschaffung und Internationaler Programmvertrieb“ liegt, zu erfüllen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er über solche Erfahrungen in größerem Maße verfügt als die Bewerberin S. Deren Qualifikation ergibt sich insbesondere aus ihrem Bewerbungsschreiben und dem vorgelegten Zeugnis. Der Vortrag des Klägers, aus dem Zeugnis der Frau S, welches „natürlich, wie üblich, die Zeugin selbst entworfen hat“ ergäben „sich allenfalls juristische Karr-, Zuarbeiter- und Hilfsdienste“ ist eine abwertende, unbeachtliche „Behauptung ins Blaue“. Vielmehr ergibt sich aus dem Zeugnis, dass die Bewerberin S im Medienbereich fünf Jahre tätig war und dort Lizenz- und Vertriebsverträge in deutscher und englischer Sprache erstellt und geprüft hat und damit bei ihrem vorherigen Arbeitgeber eine annähernd identische Tätigkeit in einem mit der ausgeschriebenen Stelle vergleichbaren Umfeld, nämlich einer Rechtsabteilung, ausgeübt hat. Hieraus folgt, worauf das Landesarbeitsgericht auch zutreffend abstellt, dass die Bewerberin S über eine solche einschlägige Berufserfahrung verfügt, die es der Beklagten gestattete, Frau S ohne Einarbeitungszeit einzusetzen.

85

Aus dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht folgern, er sei für die ausgeschriebene Stelle hinsichtlich der geforderten einschlägigen Berufserfahrung zumindest ebenso gut geeignet wie die Bewerberin S. Soweit er darauf abstellt, er habe wiederholt extrem komplexe und richtungsweisende Verfahren, etwa zur Frage der Verwertungsrechte bei Filmen und Filmmusiken geführt, stellt dies keinen schlüssigen Vortrag dafür dar, dass er die für die Bereiche „Programmbeschaffung“ und „Internationaler Programmvertrieb“ erforderlichen Kenntnisse im Medienbereich bzw. im diesbezüglichen Lizenzgeschäft besitzt. Es macht nämlich einen Unterschied, in welcher Branche lizenzrechtliche Fragen bearbeitet und Lizenzverträge entworfen werden. Hat jemand eine Vielzahl von Lizenzverträgen in einer bestimmten Branche ausgearbeitet, schließt dies nicht aus, dass er für die Ausarbeitung von Lizenzverträgen in einer anderen Branche einer - ggf. sogar erheblichen - Einarbeitungszeit bedarf.

86

Schließlich ist auch die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts zutreffend, die Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt habe zwar eine gewisse Schnittmenge mit den Tätigkeiten, die in einer Rechtsabteilung anfallen, dennoch handele es sich bei einer selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit nicht um eine einschlägige Berufserfahrung für die ausgeschriebene Stelle. Dies folgt einerseits bereits daraus, dass die Mitarbeit in einer Rechtsabteilung in deutlich höherem Maße Teamfähigkeit erfordert als eine selbstständige anwaltliche Tätigkeit. Auf das Bedürfnis der Teamfähigkeit hatte die Beklagte in der Stellenanzeige auch ausdrücklich hingewiesen. Zum anderen lernt ein Mitarbeiter einer Rechtsabteilung die Branche und deren Strukturen aufgrund seiner dauerhaften Beschäftigung mit diesen deutlich intensiver kennen als ein Rechtsanwalt, der sich mit einer Vielzahl von Sachverhalten und Rechtskreisen gleichermaßen und ggf. auch gleichzeitig befassen muss.

87

d) Da der Kläger keinen Schadensersatzanspruch hat, besteht für ihn auch kein Informationsbedürfnis bzgl. der „maximal vorgesehenen Jahresvergütung“ für die ausgeschriebene Stelle. Wegen des Fehlens dieses Informationsbedürfnisses steht dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch gegen die Beklagte nicht zu (vgl. BAG 15. Juni 1993 - 9 AZR 558/91 - BAGE 73, 229 = AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 40 = EzA HGB § 74 Nr. 55).

88

III. Nachdem die Verurteilung der Beklagten zu einer Entschädigung in Höhe von 3.344,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, erweist sich die diesbezüglich eingelegte Anschlussrevision der Beklagten als unbegründet.

89

IV. Wegen der Erfolglosigkeit der Revision und der Anschlussrevision waren die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Brückmann    

        

    Schulz    

                 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2014 - 3 Sa 27/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sowie Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG zu zahlen.

2

Der 1969 geborene Kläger ist Diplom-Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Personalmanagement. Die Beklagte ist eine international tätige Personalberatung.

3

Am 9. November 2011 veröffentlichte die Beklagte im Internet die folgende Stellenanzeige:

        

„Wir sind eine international tätige Personalberatung für Unternehmen und Bewerber, die überwiegend im produzierenden, mittelständischen Umfeld national und international tätig sind. Mit unseren Standorten in Deutschland, Europa und Mittelamerika bieten wir ein flächendeckendes Netzwerk. Unsere Arbeit zeichnet sich durch einen schnellen, zuverlässigen und qualitativ hochwertigen Service aus.

        

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4

Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom 11. November 2011 bei der Beklagten auf diese Stelle. In seinem Anschreiben, dem weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt waren, heißt es:

        

„... an der von Ihnen o.g. Stellenausschreibung bin ich sehr interessiert. Im Folgenden eine kurze Darstellung meiner Person:

        

Ich bin 42 Jahre alt, Diplom-Betriebswirt (FH) - mit Studienschwerpunkt Personalmanagement, und arbeitete zuletzt als Lehrkraft an einer privaten Fachoberschule für Wirtschaftsfächer in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Zudem war ich in der Vergangenheit u.a. als Existenzgründerberater, Vermittlungscoach und Ausbilder für kaufmännische Berufe tätig. Die modernen HR-Tools sind mir daher bestens vertraut. Was zeichnet mich ferner für die ausgeschriebene Stelle aus?

                 

▪       

Erfahrung im Bewerbermanagement, Bewerberauswahl, Vertragswesen, in der Personalbeschaffung, -betreuung und -planung

                 

▪       

Sehr gute Kenntnisse in Verwaltungsarbeiten und im Büromanagement

                 

▪       

sehr gute MS-Office- (Word, Excel, Power-Point, Outlook) und Englischkenntnisse

                 

▪       

Erfahrung in der Personaladministration, in Projektarbeiten und der Führung/Aufbereitung von Bewerberinterviews

                 

▪       

Sehr gute Kenntnisse in Controlling, Marketing sowie im Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht

                 

▪       

Erfahrung in der konzeptionellen Planung, Durchführung und Evaluation von schulischen und betrieblichen Lehr-Lernarrangements (Personalentwicklungskonzepte)

                 

▪       

analytisches, erfolgsorientiertes Denk- und Handlungsvermögen

                 

▪       

geschult in Pädagogik und Arbeits- und Organisationspsychologie

        

Sehr gern würde ich daher zukünftig in Ihrem Unternehmen als Junior-Consultant tätig werden. Ich könnte viel meiner Erfahrungen einbringen und mich rasch in neue besonders anspruchsvolle Aufgabengebiete einarbeiten. Gerade die Betreuung des Bewerbermanagements und die Neukundenakquise würden mich fachlich sehr reizen. Sie gewinnen einen kommunikativen, flexiblen und engagierten teamfähigen Mitarbeiter. Zudem bin ich selbständiges, genaues und strukturiertes Arbeiten durch meine bisherigen Tätigkeiten gewohnt.

        

Meine Gehaltsvorstellungen liegen bei ca. 3.300,00 Euro p.m.

        

Da ich ortsungebunden bin, könnte ich kurzfristig mein Wirkungsfeld nach M verlagern.

        

Über eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch freue ich mich.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

aus R …“

5

Mit E-Mail vom 17. November 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

        

„… wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse, welches Sie unserem Unternehmen entgegengebracht haben.

        

Nach eingehender Prüfung der eingegangenen Bewerbungen mussten wir eine Auswahl treffen, bei der sich nicht vermeiden ließ, auch Interessenten mit guten Voraussetzungen eine Absage zu erteilen. Dies sollten Sie nicht als persönliche Wertung Ihrer Qualifikationen ansehen. Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen keinen positiven Bescheid geben können.

        

Ihre Unterlagen behalten wir gerne in unserer Datenbank und kontaktieren Sie bei weiteren interessanten Angeboten! Wir wünschen Ihnen für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

        

...“   

6

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Januar 2012 forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz. In diesem Schreiben heißt es:

        

„in der obigen Angelegenheit zeigen wir an, dass wir die rechtlichen Interessen von Herrn K, R wahrnehmen. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern wir anwaltlich.

        

Gegenstand unserer Beauftragung sind Ansprüche nach dem AGG wegen einer Benachteiligung wegen des Alters bei der Stellenbesetzung. Am 17.11.2011 hatten Sie unserem Mandanten mitgeteilt, dass er für die Stelle als ‚Junior Consultant für den Bereich Executive Search/Personalberatung‘ nicht in Frage käme. Da unser Mandant für diese von Ihnen ausgeschriebene Stelle als Diplom-Betriebswirt mit dem Studienschwerpunkt Personal sehr gut qualifiziert war, ist wenig verständlich, warum er innerhalb von wenigen Tagen bereits eine Bewerbungsabsage erhielt. Wir gehen daher davon aus, dass auch sachfremde Erwägungen bei Ihrer ablehnenden Entscheidung eine Rolle gespielt haben dürften.

        

Ausweislich Ihrer Stellenausschreibung haben Sie sich selbst als ‚junges dynamisches Team hervorgehoben‘, so dass wir die Vermutung des § 22 AGG für die Vermutung einer altersbedingten Benachteiligung gegenüber unserem Mandanten als gegeben erachten müssen.

        

Wir machen daher namens und im Auftrag unseres Mandanten dessen Ansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG auf materiellen Schadensersatz sowie auf eine immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend:

        

1.)     

        

Zunächst dürfen wir sie auffordern, uns Auskunft über die Qualifikationen und den beruflichen Werdegang des letztlich erfolgreichen Bewerbers zu erteilen. Ferner beanspruchen wir Auskunft über die Höhe der durchschnittlich für die ausgeschriebene Stelle zu erwartende Bruttomonatsvergütung. Bitte vergessen Sie hierbei nicht Gratifikationen, Boni, vermögenswirksame Leistungen und geldwerte Vorteile.

        

2.)     

        

Da unser Mandant auf die ausgeschriebene Stelle sprichwörtlich wie die Faust aufs Auge passt und wir die Qualifikationen des letztlich eingestellten Bewerbers noch nicht kennen, machen wir den Anspruch auf materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG dem Grunde nach geltend. Eine Bezifferung dieses Anspruchs behalten wir uns bis zum Vorliegen der entsprechenden Auskünfte vor.

        

3.)     

        

Ferner machen wir für unseren Mandanten einen Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von vier Bruttomonatsgehältern geltend. Bei der Höhe der zu erwartenden durchschnittlichen Vergütung gehen wir von EUR 4.000,- aus, da dies für die ausgeschriebene Stelle angemessen erscheint und uns anderweitige Informationen nicht vorliegen. Höchst vorsorglich machen wir sie darauf aufmerksam, dass wir hiermit auch den Anspruch des § 15 Abs. 2 Satz AGG geltend machen.

        

Für die Erfüllung dieser Ansprüche haben wir uns den

        

30.01.2012

        

vorgemerkt. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist müssten wir unserem Mandanten anraten, den Arbeitsgerichtsweg zu beschreiten.

        

Mit freundlichen Grüßen …“

7

Zum Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers beschäftigte die Beklagte keinen „Senior-Consultant“. Sie besetzte die ausgeschriebene Stelle mit dem damals 28 Jahre alten Mitbewerber W.

8

Mit seiner am 12. April 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 18. April 2012 zugestellten Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens sowie auf Zahlung einer Entschädigung weiter verfolgt.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Mit der Stellenanzeige habe die Beklagte nach einem „Junior-Consultant“ gesucht und die Tätigkeit in einem „jungen dynamischen Team“ angeboten. Dieser Umstand begründe mangels sachlicher Rechtfertigung die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Der Begriff „Junior“ könne nicht als neutrale Bezeichnung einer niedrigeren Hierarchieebene verstanden werden. Es komme hinzu, dass die Beklagte keinen „Senior-Consultant“ beschäftige. Mit dem Angebot einer Tätigkeit in einem „jungen dynamischen“ Team habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auch die künftige Zusammensetzung des Teams so vorstelle. Dass er wegen seines Alters abgelehnt worden sei, zeige sich auch daran, dass der eingestellte 28-jährige Mitbewerber jünger sei als er.

10

Da er als diplomierter Betriebswirt mit dem Studienschwerpunkt „Personalmanagement“ die Idealbesetzung für die ausgeschriebene Stelle sei, hätte er diese bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten müssen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der eingestellte Mitbewerber sei wegen seiner Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie wegen seiner Erfahrungen im Vertrieb besser geeignet als er, da diese Anforderungen in der Stellenausschreibung nicht genannt seien. Zudem seien einige der von der Beklagten in der Stellenausschreibung aufgeführten Anforderungen als sogenannte „soft skills“ anzusehen, deren Erfüllung allenfalls im Rahmen eines Vorstellungstermins hätte überprüft werden können. Dies gelte insbesondere für die Team- und Kommunikationsfähigkeit. Jedenfalls sei er als erfahrene Lehrkraft sowohl team- als auch kommunikationsfähig.

11

Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Nachdem er Ende August 2011 seinen vorherigen Arbeitsplatz verloren habe, sei er auf der Suche nach einem neuen Arbeitsverhältnis gewesen. Ein solches habe er erst zum 10. September 2012 mit einer monatlichen Arbeitsvergütung iHv. 2.200,00 Euro brutto begründen können. Damit werde sein Arbeitsentgelt vermutlich bis zum Eintritt in den Ruhestand unterhalb des ihm der Höhe nach nicht bekannten, aber auf durchschnittlich 4.000,00 Euro geschätzten Entgelts liegen, welches er bei der Beklagten hätte erzielen können. Die von ihm beanspruchte Entschädigung solle vier Bruttomonatsgehälter nicht unterschreiten.

12

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt:

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden, die ihm aufgrund der unterlassenen Einstellung der Beklagten vom 17. November 2011 entstanden sind und künftig entstehen werden, zu ersetzen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 16.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31. Januar 2012 nicht unterschreiten sollte.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Verlangen des Klägers nach Entschädigung und Schadensersatz sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Der Kläger habe sich nicht subjektiv ernsthaft, sondern nur beworben, um eine Ablehnung zu provozieren und Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen. Dies ergebe die Gesamtschau verschiedener Indizien. Der Kläger lasse sich durch einen - offenbar mit ihm verwandten - Prozessbevollmächtigten vertreten, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, dass er entschieden für die Rechte aus dem AGG eintrete. Bereits dieser Umstand verdeutliche, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung nur darum gegangen sei, Ansprüche nach dem AGG einzuklagen. Zudem habe der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben an prominenter Stelle auf sein Alter und zudem insgesamt viermal auf seinen Wohnort in R und damit sehr deutlich auf die Entfernung zwischen seinem Wohnort und der angebotenen Arbeitsstelle hingewiesen. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Kläger sich mit dem Ziel beworben habe, möglichst abgelehnt und schon gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Zudem ergebe sich ua. aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M, dass der Kläger auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe.

14

Soweit mit der Stellenanzeige ein „Junior-Consultant“ gesucht werde, liege darin kein Indiz für eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters. Der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich lediglich auf die Stellung in der betrieblichen Hierarchie; gemeint sei die Unterstellung unter höherrangige Mitarbeiter im Team und damit verbunden ein geringerer Verantwortungsbereich sowie eine geringere Entscheidungskompetenz. Auch wenn es bei ihr nicht ausdrücklich die Position eines „Senior-Consultant“ gebe, so sei ihr Geschäftsbereichsleiter dennoch als solcher anzusehen. Auch in der lediglich unter der Rubrik „Das erwartet Sie“ verwendeten Formulierung „mit einem jungen dynamischen Team“ liege kein Indiz, das eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters vermuten lasse. Ein junges Team könne „jung geblieben“ oder auch ein Team sein, das noch nicht lange Zeit bestehe. Letzteres treffe hier zu, da das Team in seiner konkreten Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Stellenanzeige erst gut ein Jahr bestanden habe.

15

Der Kläger könne bei der Auswahlentscheidung im Übrigen nicht wegen seines Alters benachteiligt worden sein. Zum einen sei er damals mit 42 Jahren noch selbst „jung“ gewesen, zum anderen seien zum Zeitpunkt seiner Bewerbung in der betroffenen Abteilung Direct Search sechs Personen im Alter von 26, 28, 28, 35, 51 und 56 Jahren beschäftigt gewesen. Damit sei jeder dritte Mitarbeiter deutlich älter gewesen als der Kläger. Zudem habe sie zum 1. Juni 2012 einen weiteren Berater eingestellt, der zu diesem Zeitpunkt 49 Jahre alt gewesen sei; dieser habe im Übrigen die gleichen Tätigkeiten zu verrichten wie der Inhaber der Stelle, auf die sich der Kläger beworben habe. Eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters folge auch nicht daraus, dass der letztlich eingestellte Bewerber zufällig jünger als der Kläger sei.

16

Der Kläger sei bei der Bewerberauswahl auf die ausgeschriebene Stelle, für die insgesamt 46 Bewerbungen eingegangen seien, aus inhaltlichen Gründen nicht berücksichtigt worden. Sie habe sehr gute Englischkenntnisse, Teamorientierung und Kommunikationsfähigkeit erwartet. Aus den bisherigen Tätigkeiten des Klägers (zuletzt als Lehrkraft an einer privaten Fachoberschule, zuvor als Berater für Existenzgründer, Integrationscoach, Ausbilder für kaufmännische Berufe sowie als Dozent) sei jedoch zu ersehen, dass der Kläger durchgängig weniger im Team als eher auf sich gestellt tätig gewesen sei. Zudem habe sie einschlägige Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie Vertriebserfahrung positiv bewertet. Allein schon aufgrund ihrer Branchen- und Vertriebserfahrung seien von den anderen 45 Bewerbern/innen insgesamt 19 für die ausgeschriebene Stelle besser geeignet gewesen als der Kläger, dem diese Kenntnisse und Erfahrungen fehlten. Der letztlich eingestellte W verfüge über ein abgeschlossenes kaufmännisches Studium, sehr gute Englischkenntnisse, Teamorientierung, Kommunikationsfähigkeit, einschlägige Kenntnisse der Branche sowie über Vertriebserfahrung. Er sei zuvor bei der p AG und davor bei der M GmbH beschäftigt gewesen, einem Unternehmen, das eine der größten Online-Stellenbörsen unterhalte. Im Rahmen weiterer Anstellungsverhältnisse sei Herr W zudem in der Neukundenakquise tätig gewesen, sodass er auch über die notwendige Vertriebserfahrung verfüge.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage - unter Klageabweisung im Übrigen - teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung an den Kläger iHv. 6.000,00 Euro nebst Zinsen seit dem 31. Januar 2012 verurteilt. Hiergegen haben die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten - unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

19

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere wurde sie entgegen der Auffassung der Beklagten ordnungsgemäß begründet.

20

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. ua. BAG 17. Februar 2016 - 10 AZR 600/14 - Rn. 11; 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 15 mwN, BAGE 153, 111; 24. September 2014 - 4 AZR 559/12 - Rn. 11).

21

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Der Kläger wendet sich damit gegen die Auslegung der in der Stellenanzeige enthaltenen Begriffe bzw. Formulierungen „Junior-Consultant“ sowie „junges dynamisches Team“ durch das Landesarbeitsgericht, die mit § 22 AGG und dem zugrundeliegenden Unionsrecht nicht zu vereinbaren seien. Er legt dar, welche Gesichtspunkte das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen habe und weshalb daraus ein anderes Ergebnis folge. Im Fall ihrer Begründetheit wäre diese Sachrüge geeignet, das Berufungsurteil erfolgreich anzugreifen. Das reicht als Revisionsangriff aus.

22

B. Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

23

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe bereits dem Grunde nach gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG. Die Beklagte habe den Kläger bei der Stellenbesetzung nicht wegen seines Alters benachteiligt. Es lägen schon keine Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten ließen. Als Anknüpfungspunkte für die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers wegen des Alters kämen lediglich die Formulierungen in der Stellenausschreibung in Betracht, mit denen die Beklagte einen „Junior-Consultant“ gesucht habe sowie unter „Das erwartet Sie“ ausgeführt habe, „…in einem professionellen Umfeld mit einem jungen dynamischen Team“. Damit habe die Beklagte aber weder direkt noch indirekt auf das Alter des Bewerbers abgestellt. Der Begriff „Junior“ beziehe sich im Zusammenhang mit „Consultant“ auf fehlende bzw. geringe spezifische Berufserfahrung und eine damit verbundene niedrigere Stellung in der betrieblichen Hierarchie; dass es bei der Beklagten keinen „Senior-Consultant“ gebe, ändere daran nichts. Fehlende einschlägige Berufserfahrung sei indes nicht mit einem bestimmten Alter verbunden; auch Quereinsteiger in vorgerücktem Alter könnten dieses Kriterium erfüllen. Mit der Formulierung „mit einem jungen dynamischen Team“ sei keine Angabe zum gewünschten Alter der Stellenbewerber/innen verbunden gewesen. Das Adjektiv „jung“ beziehe sich auf das Team als solches, nicht auf seine Mitglieder. Falls dennoch die Teammitglieder gemeint sein sollten, liege darin lediglich eine Beschreibung des „Ist-Zustands“, keine Erwartung an eine zukünftige Zusammensetzung des Teams mit jungen Menschen.

24

II. Mit dieser Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.

25

1. Sowohl der Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG als auch der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzen einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters.

26

a) Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

27

b) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN).

28

c) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

29

d) Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden.

30

aa) Das AGG knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung oder Schadensersatz auch nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben.

31

bb) Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG aus, so kann dies allerdings die Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes iSv. § 1 AGG benachteiligt wurde. Zwar verweist § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG; dennoch muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder die unmittelbare Benachteiligung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist. Dies hat zur Folge, dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken, ein Verstoß gegen § 11 AGG nicht vorliegt, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist und dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann ausscheidet, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Enthält eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, kann dies nach alledem die Vermutung nach § 22 AGG begründen, der/die erfolglose Bewerber/in sei im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden.

32

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe dem Grunde nach gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG, weil schon keine Indizien vorlägen, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten ließen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde. Soweit das Landesarbeitsgericht die Stellenausschreibung dahin ausgelegt hat, der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung, hat es im Übrigen zu Unrecht eine mittelbare Verknüpfung iSv. § 3 Abs. 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verneint.

33

a) Die Auslegung des Textes veröffentlichter Stellenanzeigen durch das Landesarbeitsgericht unterliegt - wie die Auslegung typischer Willenserklärungen bzw. Allgemeiner Geschäftsbedingungen - der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Unter einer Ausschreibung iSv. § 11 AGG ist die an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Aufforderung eines Arbeitgebers zu verstehen, sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben(vgl. Suckow in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 11 Rn. 13; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 11 Rn. 10). Danach ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (vgl. etwa BAG 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12).

34

b) Die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

35

Mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „dynamisch“, der eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenausschreibung - wie hier - darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass damit nicht nur - wie das Landesarbeitsgericht meint - ein „Istzustand“ beschrieben werden soll, sondern dass der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, dass er einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Andernfalls wäre die so formulierte Passage der Stellenausschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig.

36

c) Es kann vorliegend zwar dahinstehen, ob die in der Stellenausschreibung enthaltene Passage, mit der ein „Junior-Consultant“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Soweit das Landesarbeitsgericht die Stellenausschreibung allerdings dahin ausgelegt hat, der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung, hat es zu Unrecht eine mittelbare Verknüpfung iSv. § 3 Abs. 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verneint. Bei der Berufserfahrung handelt es sich um ein Kriterium, das dem Anschein nach neutral ist iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch ist das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfängern/innen und gegenüber Bewerbern/innen mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Daran ändert es nichts, dass es gelegentlich - und eben nicht typischerweise - Quereinsteiger gibt.

37

C. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die zulässige Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

38

I. Die Klage ist zulässig.

39

1. Für den auf § 15 Abs. 1 AGG gestützten, auf Feststellung gerichteten Klageantrag zu 1. ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Dies gilt sowohl, soweit der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger als auch bereits entstandener Schäden begehrt.

40

Wird Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden erhoben, liegt ein Feststellungsinteresse vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 20; 12. April 2011 - 9 AZR 229/10 - Rn. 36; 19. August 2010 - 8 AZR 315/09 - Rn. 29; offenlassend, ob „die bloße Möglichkeit“ genügt: BGH 2. April 2014 - VIII ZR 19/13 - Rn. 18). Dies ist vorliegend der Fall.

41

Soweit der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz bereits entstandener Schäden begehrt, steht der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags auch dann nicht entgegen, wenn der Kläger die Klage wegen eines Teils des sich entwickelnden Schadens schon bei Klageerhebung hätte beziffern können. Eine Partei ist nicht gehalten, ihre Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn ein Teil des Schadens schon entstanden ist und - wie hier - mit der Entstehung eines weiteren Schadens nach ihrem Vortrag noch zu rechnen ist (BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 20; vgl. auch BGH 6. März 2012 - VI ZR 167/11 - Rn. 3; 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02 - zu II 1 der Gründe).

42

2. Der auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klageantrag zu 2. ist ebenfalls zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Der Kläger hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung, die er mit nicht unter 16.000,00 Euro bestimmt hat, angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags: vgl. etwa BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 16; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16).

43

II. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

44

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

45

III. Der Kläger wurde dadurch, dass er von der Beklagten nicht eingestellt wurde, auch unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren, als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber.

46

IV. Der Kläger hat den Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht (§ 15 Abs. 4 AGG) sowie den Entschädigungsanspruch fristgerecht eingeklagt (§ 61b Abs. 1 ArbGG).

47

V. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist nicht dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt. Die von der Beklagten insoweit vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

48

1. Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG als auch sein/ihr Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch wäre anzunehmen, sofern ein/e Kläger/in sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

49

a) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

50

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

51

b) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

52

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

53

Bereits mit diesen Bestimmungen hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

54

c) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

55

aa) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 37; 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

56

bb) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

57

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75, aaO). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

58

cc) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

59

Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

60

2. Die von der Beklagten bislang vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

61

a) Die Beklagte kann den Rechtsmissbrauchseinwand nicht mit Erfolg darauf stützen, der Kläger lasse sich durch einen - offenbar mit ihm verwandten - Prozessbevollmächtigten vertreten, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, dass er entschieden für die Rechte aus dem AGG eintrete und dass bereits dieser Umstand verdeutliche, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung nur darum gegangen sei, Ansprüche nach dem AGG einzuklagen. Es ist abwegig, Umstände, wie ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen einem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten, eine Spezialisierung des Prozessbevollmächtigten in einem bestimmten rechtlichen Bereich oder einen entschiedenen Einsatz des Prozessbevollmächtigten für die Rechte seiner Mandanten mit dem Rechtsmissbrauchseinwand zu verknüpfen.

62

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen die Angaben des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben zu seinem Alter und zu seinem derzeitigen Wohnort ebenfalls keinen Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu, zumal der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben ausdrücklich ausgeführt hat, ortsungebunden zu sein.

63

c) Die Beklagte kann sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch sei auch deshalb dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, weil der Kläger - wie sich aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M ergebe - auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe. Insoweit hat sie schon keine konkreten objektiven Umstände dargetan, die im Streitfall den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zulassen könnten.

64

Zum einen kann auf Rechtsmissbrauch nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt. Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger gehe hierbei „systematisch“ vor, bleibt völlig offen, was sie hierunter verstehen möchte. Die Beklagte hat insoweit ihre Bewertung des Vorgehens des Klägers nicht im Ansatz durch substantiierten Tatsachenvortrag unterlegt.

65

D. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG sowie ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht und in welcher Höhe ggf. der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag zu 2. begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

66

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht weitergehend geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

67

1. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte die Stelle, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG) ausgeschrieben hat.

68

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass - wie unter Rn. 34 f. ausgeführt - die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in ein Tätigwerden in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG bewirkt, sodass es im Hinblick auf die Frage, ob die Stelle entgegen den Anforderungen des § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, nur noch darauf ankommt, ob die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wäre auch eine etwaige mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt, da die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, 65, 66, Slg. 2009, I-1569; BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 131, 298). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob mit dem Begriff „Junior-Consultant“ in der Stellenausschreibung eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG verbunden ist.

69

b) Das Landesarbeitsgericht wird ferner - auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das von dieser im Bestreitensfall zu beweisen wäre - zu prüfen haben, ob die mit der Formulierung in der Stellenausschreibung, mit der dem/der Bewerber/in ein Tätigwerden in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach § 8 AGG oder nach § 10 AGG zulässig ist.

70

aa) Sowohl § 8 AGG als auch § 10 AGG stellen sich als für den Arbeitgeber günstige Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters, dar(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagte - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in den Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

71

bb) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

72

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, Slg. 2011, I-8003).

73

Das Landesarbeitsgericht wird bei der Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG zudem zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann und dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158).

74

cc) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ).

75

Bei der Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

76

(1) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 2 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

77

(2) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

78

(3) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

79

(4) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

80

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hat, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

81

a) Solche Gründe können zwar in der Regel nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, in dessen Verlauf die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

82

b) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

83

c) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

84

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Studien-/Ausbildungsabschlussnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Abschlussnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Gleiches würde gelten, wenn für eine Tätigkeit in der Personalberatung in einer ersten Sichtung ausnahmslos Bewerber/innen mit Vorkenntnissen in den Bereichen Personalberatung und Headhunting vorausgesucht und all die Bewerber/innen ohne solche Vorkenntnisse von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausgenommen wurden, da sich insofern der erforderliche „Anklang“ ohne Weiteres aus der angebotenen auszuübenden Tätigkeit ergibt. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber - soweit es um die Widerlegung der Vermutung geht - seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

85

d) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/des Berufs an sich ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge in der Regel kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

86

e) Beruft sich der Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - darauf, er habe bei einer weiteren, späteren Einstellung einen älteren Bewerber berücksichtigt, im Übrigen seien in dem fraglichen Tätigkeitsbereich (auch) ältere Personen tätig, so ist dieses Vorbringen allerdings von vornherein nicht geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 22 AGG zu widerlegen. Beide Umstände sagen nichts über das den konkreten Rechtsstreit betreffende Auswahlverfahren aus. Andererseits sagt - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - auch allein der Umstand, dass die letztlich eingestellte Person jünger als der Kläger ist, für sich betrachtet nichts darüber aus, ob der Kläger wegen seines Alters benachteiligt worden ist.

87

3. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Wegen der insoweit maßgebenden Vorgaben von § 8 Abs. 1 und § 10 AGG wird auf die Ausführungen unter Rn. 69 ff. Bezug genommen.

88

4. Im Übrigen hält der Senat den Hinweis für geboten, dass sich die Beklagte gegenüber den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG nicht mit Erfolg darauf berufen könnte, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet.

89

a) Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist(vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

90

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

91

aa) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ bereits der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

92

bb) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG oder materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

93

(1) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde den Entschädigungs- und Schadensersatzprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

94

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass maßgeblich für die objektive Eignung nicht allein das formelle Anforderungsprofil sei, welches der Arbeitgeber erstellt habe, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den/die Bewerber/in keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber/innen die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber/innen, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

95

(2) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde aber auch aus einem anderen Grund sowohl die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG sowie die eines Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG übermäßig erschweren.

96

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer vergleichbaren Situation oder vergleichbaren Lage würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 2 und Abs. 1 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012 C-415/10  - [Meister] Rn. 46 f.), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess bereits im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Situation in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

97

(3) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 Abs. 2 und Abs. 1 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

98

II. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt, wird es Folgendes zu beachten haben:

99

1. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“ (hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BT-Drs. 16/1780 S. 38; vgl. auch BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 16; 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 26 mwN; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 33 mwN, BAGE 127, 367).

100

2. Im Hinblick auf den auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichteten Klageantrag zu 2. wird das Landesarbeitsgericht bei der Bestimmung der Höhe einer Entschädigung Folgendes zu beachten haben:

101

a) Auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63 mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Dass nach dem AGG neben der Entschädigung für Nichtvermögensschäden (§ 15 Abs. 2 AGG) auch der Ersatz materieller Schäden (§ 15 Abs. 1 AGG) verlangt werden kann, führt nicht zu einer Kürzung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden (vgl. BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 73, BGHZ 193, 110).

102

b) Soweit der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG über die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG angegebene Höhe hinaus geltend macht - der Kläger fordert vorliegend eine Entschädigung iHv. vier Bruttomonatsgehältern à 4.000,00 Euro -, obliegt es der Beklagten, sofern sie sich auf die Höchstgrenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG berufen möchte, im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der wegen eines Grundes nach § 1 AGG benachteiligte Kläger auch bei diskriminierungsfreier Auswahl die ausgeschriebene Stelle nicht erhalten hätte(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 78; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 62 mwN). Insoweit hätte die Beklagte, die über sämtliche eingereichten Bewerbungsunterlagen verfügt, zu beweisen, dass der Kläger die zu besetzende Position auch dann nicht erhalten hätte, wenn keine Diskriminierung stattgefunden hätte (EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 36, Slg. 1997, I-2195). Dabei kommt es, da die ausgeschriebene Stelle tatsächlich mit einem Mitbewerber besetzt wurde, im Hinblick auf die Frage der „Besteignung“ nicht allein auf eine Vergleichsbetrachtung mit den Anforderungen der Stellenausschreibung an, sondern insbesondere auf eine Vergleichsbetrachtung mit dem/der tatsächlich eingestellten Bewerber/in (ebenso im Ergebnis ErfK/Schlachter 16. Aufl. § 15 AGG Rn. 4 im Hinblick auf § 15 Abs. 1 AGG).

103

3. Im Hinblick auf den auf § 15 Abs. 1 AGG gestützten Klageantrag zu 1. (Feststellungsantrag) wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

104

a) Nach § 252 BGB gehört zu dem nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Vermögensschaden auch entgangenes Arbeitsentgelt(vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 25; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 26; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 75; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110).

105

b) Streiten die Parteien - wie hier - darüber, ob der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG zum Ersatz eines Vermögensschadens in Form entgangenen Arbeitsentgelts verpflichtet ist, hat der/die Anspruchsteller/in die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Er/Sie muss demnach darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung der entsprechenden Bewerbung ursächlich geworden ist, er/sie also die Stelle bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten hätte (ua. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 76; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110). Dabei können dem/der Anspruchsteller/in allerdings Beweiserleichterungen nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen und Vorschriften zugutekommen.

106

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers führt der Umstand, dass er als Anspruchsteller im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität hat, auch nicht zu einem Wertungswiderspruch innerhalb des Gesetzes im Hinblick auf die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zum Entschädigungsanspruch getroffene Bestimmung(vgl. hierzu Ausführungen unter Rn. 102). § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG macht nur für den Entschädigungsanspruch eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen hat, während der Anspruchsgegner die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale darlegen und ggf. beweisen muss. Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Ersatzes von Vermögensschäden nach § 15 Abs. 1 AGG übertragen werden(vgl. etwa BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 77 ff.). Für eine derartige Übertragung ist weder im nationalen Recht eine Rechtsgrundlage noch im Unionsrecht eine entsprechende Verpflichtung enthalten (vgl. im Ergebnis auch BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110).

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski    

        

    Wein    

                 

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 2011 - 2 Sa 851/11 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger aufgrund einer angeblichen Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren geltend macht.

2

Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 schwerbehindert. Er ist Industriekaufmann mit mehrjähriger Erfahrung im kaufmännischen Bereich. In der Vergangenheit war er in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und auch selbstständig tätig.

3

Das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (im Folgenden: Präsidium), der interne Dienstleister der hessischen Polizei, veröffentlichte im Mai 2010 eine Stellenanzeige. In dieser heißt es ua.:

„Im Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PLTV)

sind mehrere auf ein Jahr befristete Stellen (Elternzeitvertretung) zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen.

Kennziffer 016/2010

Mitarbeiter/in im SAP-Team der Vergabestelle

Die Eingruppierung erfolgt in der Entgeltgruppe 6 TV-H.

Ihre Aufgaben:

● Erstellen von Bestellungen in SAP-MM

● Prüfung eingehender Wareneingangsmeldungen und Rechnungen

Voraussetzungen:

● Kenntnisse in SAP-MM bzw. Einarbeitungswille in SAP-MM (unter Anleitung erfahrener Kolleginnen und Kollegen)

● Ausdauer und Belastbarkeit beim Bearbeiten gleichförmiger Vorgänge

● Teamfähigkeit

Kennziffer 017/2010

Mitarbeiter/in im Bereich öffentlich-rechtliche Forderungen

Die Eingruppierung erfolgt in der Entgeltgruppe 6    TV-H.

Ihre Aufgaben:

● Prüfung und Durchsetzung öffentlich - rechtlicher Ansprüche als Kostenbescheiderteiler/-in von öffentlich-rechtlichen Forderungen nach dem HVwKostG i. V. m. einschlägigen Kostenregelungen für polizeiliche Amtshandlungen.

Voraussetzungen:

● gute Auffassungsgabe

● Verantwortungsbereitschaft

● Belastbarkeit und Einsatzbereitschaft

● Teamfähigkeit

● gute Ausdrucksfähigkeit sowohl schriftlich als auch mündlich

Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Teilzeitbeschäftigung ist grundsätzlich möglich.“

4

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 27. Mai 2010 auf diese Stelle. Der Bewerbung fügte er seinen Lebenslauf, diverse Zeugnisse und die Kopie seines Schwerbehindertenausweises bei, wobei er in dem Anschreiben selbst unter „Anlagen“ „Kopie Schwerbehindertenausweis“ aufführte. Unter dem 31. Mai 2010 bestätigte das Präsidium den Eingang der Bewerbung.

5

Das Präsidium lud zunächst einige Bewerber mit Schreiben vom 5. Juli 2010 zu Vorstellungsgesprächen am 12. Juli 2010 ein. Weitere Vorstellungsgespräche waren für den 19. Juli 2010 geplant, vornehmlich mit schwerbehinderten Bewerbern. Aufgrund einer im Einvernehmen mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Personalrat und der Frauenbeauftragten getroffenen Entscheidung der Personalabteilung wurden dann allerdings nicht alle behinderten Bewerber für denselben Tag zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Daher erfolgte nur eine Einladung einiger behinderter Bewerber zum Termin vom 19. Juli 2010. Einladungsschreiben für diesen Tag, die an weitere behinderte Bewerber, ua. den Kläger, gerichtet gewesen waren, wurden aus dem Postlauf genommen.

6

Sodann erhielt der Kläger - wie auch die anderen nicht eingeladenen behinderten Bewerber - ein Schreiben vom 26. Juli 2010, das mit „Im Auftrag“ von der damaligen Auszubildenden K unterzeichnet war und in dem es ua. heißt:

„Sehr geehrter Herr M,

unter Bezugnahme auf Ihre Bewerbung vom 27. Mai 2010 teile ich Ihnen mit, dass ich mich bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle nicht für Sie entschieden habe.

Ich bedauere, Ihnen keine günstigere Nachricht geben zu können.

Für das von Ihnen gezeigte Interesse an einer Beschäftigung bei meiner Behörde bedanke ich mich nochmals und wünsche Ihnen für Ihren weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute.“

7

Eine Weisung zur Versendung dieses Schreibens hatte die Auszubildende K von keinem zuständigen Mitarbeiter der Personalabteilung erhalten.

8

Mit beim Präsidium am 10. August 2010 eingegangenem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2010 verlangte der Kläger eine Entschädigung iHv. 5.816,37 Euro, weil ihn das beklagte Land trotz Befähigung für die ausgeschriebene Stelle nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe.

9

Das Stellenbesetzungsverfahren war zu jenem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

10

Daraufhin informierte das Präsidium den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2010 darüber, dass es sich bei dem Absageschreiben vom 26. Juli 2010 um ein Missverständnis und ein Büroversehen gehandelt habe und das Auswahlverfahren fortgesetzt werde. Man habe den Kläger in den engeren Bewerberkreis für die Stelle als Mitarbeiter/in im SAP-Team der Vergabestelle aufgenommen und lade ihn daher zu einem Vorstellungsgespräch am 25. August 2010 um 10:30 Uhr in die Dienststelle nach W ein.

11

Mit Anwaltsschreiben vom 23. August 2010 ließ der Kläger dem Präsidium mitteilen:

„Sehr geehrte Frau B,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18.08.2010.

Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Einlassung, das Auswahlverfahren würde fortgesetzt, nicht akzeptieren können und werden. Es wird von unserer Seite angezweifelt, dass das Auswahlverfahren fortgesetzt wird.

Das Auswahlverfahren kann nicht fortgesetzt werden, sobald es abgeschlossen ist.

Aufgrund Ihrer Mitteilung zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens hat mein Mandant, aus gesundheitlichen Gründen terminliche Dispositionen getroffen, die nun nicht mehr verschoben werden können.

Am Vorstellungsgespräch kann daher nicht teilgenommen werden.

Bitte teilen Sie uns genau mit, wie das Bewerbungsverfahren fortgesetzt werden konnte, nachdem es abgeschlossen war.“

12

Mit Schreiben vom 2. September 2010 wandte sich das Präsidium nochmals an die Prozessbevollmächtigte des Klägers und lud ihn erneut zu einem Vorstellungsgespräch nach W ein, dieses Mal für den 8. September 2010, 9:00 Uhr. Auf dieses Schreiben, das dem Kläger erst am 6. September 2010 zuging, reagierte er nicht.

13

Der Kläger ist wegen einer Nierenerkrankung Dialysepatient. Am 25. August 2010 in der Zeit von 2:05 Uhr bis 4:35 Uhr und am 8. September 2010 in der Zeit ab 21:30 Uhr ließ er eine Dialysebehandlung in V in einer Klinik durchführen.

14

Das Präsidium erstellte am 16. September 2010 einen Auswahlvermerk und hörte den Personalrat mit Schreiben vom 24. September 2010 zur Stellenbesetzung an. Eine der ausgeschriebenen Stellen wurde mit einem schwerbehinderten Bewerber besetzt, der zunächst ebenfalls ein Ablehnungsschreiben erhalten und dann an einem Vorstellungsgespräch am 25. August 2010 teilgenommen hatte, ohne einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Zu den beiden zusätzlich anberaumten Vorstellungsgesprächen am 25. August 2010 und am 8. September 2010 waren ausschließlich schwerbehinderte Bewerber eingeladen worden.

15

Mit seiner am 9. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch gerichtlich geltend gemacht.

16

Der Kläger meint, er sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Dass die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht nachgekommen sei, stelle ein Indiz für seine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dar. Dies könne auch nicht durch eine nachgeholte Einladung geheilt werden. Im Übrigen sei ihm aufgrund der Dialysebehandlungen eine Teilnahme an den kurzfristig anberaumten weiteren Vorstellungsterminen nicht möglich oder zumutbar gewesen.

17

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung iHv. 5.816,37 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2010 zu zahlen.

18

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

19

Es meint, der Geschehensablauf rechtfertige keinen Entschädigungsanspruch des Klägers. Das Absageschreiben sei versehentlich an den Kläger verschickt worden. Dadurch, dass er auf das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2010 hin in das noch laufende Bewerbungsverfahren wieder einbezogen worden sei, sei der Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX geheilt. Der Kläger habe diese Chance aufgrund eigener Entscheidung nicht genutzt.

20

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger eine Entschädigung iHv. anderthalb Bruttomonatsgehältern (2.908,18 Euro) zugesprochen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

22

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 SGB IX fehlten. Der Kläger habe keine Tatsachen vorgebracht, die eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten Land vermuten ließen. Zwar sei die Verletzung der Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (§ 82 Satz 2 SGB IX) grundsätzlich eine derartige Tatsache, da dem behinderten Bewerber die Chance genommen werde, den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung zu überzeugen. Allerdings könne der öffentliche Arbeitgeber einen Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX rückgängig machen, wenn er nach einem Hinweis des abgelehnten Bewerbers auf diesen Verstoß diesem in einem noch offenen Bewerbungsverfahren die Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch gebe. Damit genüge er den Anforderungen des § 82 SGB IX in der weitestgehenden Form des Schadensersatzrechts, der Naturalrestitution. Das beklagte Land habe den mit Übersendung des Absageschreibens eingetretenen Verstoß gegen § 82 SGB IX geheilt, indem es den Kläger während des noch laufenden Stellenbesetzungsverfahrens zweimal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Damit liege kein Verfahrensfehler vor, aus dem die Vermutungswirkung nach § 22 AGG folge.

23

Der Kläger sei auch nicht nur pro forma zur Vermeidung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 AGG von dem beklagten Land zu den weiteren Vorstellungsgesprächen eingeladen worden. Das Stellenbesetzungsverfahren sei zum Zeitpunkt der Vorstellungsgespräche am 25. August 2010 und 8. September 2010 noch nicht abgeschlossen gewesen. Zudem sei eine der ausgeschriebenen Stellen letztlich mit einem behinderten Stellenbewerber besetzt worden, der zunächst auch ebenso wie der Kläger ein Absageschreiben erhalten hatte. Dieser Umstand zeige, dass das beklagte Land Schwerbehinderte nicht grundsätzlich aus dem engeren Bewerberkreis habe ausschließen wollen.

24

Der Kläger könne sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Teilnahme an den vorgeschlagenen Gesprächsterminen aufgrund anderweitiger Dispositionen nicht möglich gewesen sei. Die beiden Dialysebehandlungen des Klägers hätten ausweislich der vorgelegten Protokolle in den Nachtstunden stattgefunden, sodass davon auszugehen sei, dass er die Gesprächstermine um 10:30 Uhr bzw. um 9:00 Uhr in W hätte wahrnehmen können, wenn er dies tatsächlich gewollt hätte. Der Kläger habe letztlich kein wirkliches Interesse an der Weiterverfolgung seiner Bewerbung gehabt.

25

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung hätte es die Klage nicht abweisen dürfen.

26

I. Ob die zulässige Klage begründet ist, konnte der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, sodass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen war.

27

1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ im Sinne jenes Gesetzes. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis.

28

Für den Bewerberbegriff kommt es nicht darauf an, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16). Die objektive Eignung eines Bewerbers ist vielmehr für die Frage bedeutsam, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt(BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 29, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

29

Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es im Streitfalle nicht an. Ihr Fehlen könnte allenfalls den Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers begründen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17). Das Vorbringen des beklagten Landes zur fehlenden Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers ist jedoch nicht geeignet, diesen Einwand zu begründen. Nach Erhalt des Absageschreibens hatte der Kläger zunächst seine Rechte wahrgenommen. Dass er den späteren Einladungen nicht nachgekommen war und sich nicht selbst um einen weiteren Vorstellungstermin bemüht hatte, lässt für sich allein nicht den Rückschluss zu, er habe seine Bewerbung nicht ernsthaft betrieben.

30

2. Das beklagte Land ist als „Arbeitgeber“ passiv legitimiert. Arbeitgeber ist auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18, AP AGG § 15 Nr. 12 = EzA AGG § 15 Nr. 20).

31

3. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der Fristen der § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht. Der Anspruch ist somit nicht verfallen.

32

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG), nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 61, AP AGG § 15 Nr. 11 = EzA AGG § 15 Nr. 18). Die Ablehnung der Bewerbung wurde dem Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2010 mitgeteilt, womit er zugleich Kenntnis von einem Indiz - dem Unterbleiben einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch - hatte, aus dem er die Vermutung seiner Benachteiligung herleitet. Mit Anwaltsschreiben vom 6. August 2010 hat der Kläger dann gegenüber dem Präsidium einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht und damit die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG eingehalten.

33

b) Der Kläger hat zudem die Frist zur Klageerhebung gemäß § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt. Seine am 9. September 2010 beim Arbeitsgericht W eingegangene und dem beklagten Land am 20. September 2010 zugestellte Klage wurde innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben.

34

4. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt materiell einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG voraus. § 15 Abs. 2 AGG enthält zwar nur eine Rechtsfolgenregelung, jedoch ist für die Voraussetzungen des Anspruchs auf § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG zurückzugreifen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der gesetzlichen Regelung (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17).

35

5. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass zunächst ein Verstoß des beklagten Landes gegen § 82 Satz 2 SGB IX vorgelegen hatte, weil es den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Ob diesem deshalb ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 iVm. § 7 AGG zusteht, wird das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung des Streitfalls durch den Senat(§ 563 Abs. 2 ZPO) erneut zu entscheiden haben.

36

a) Der Kläger ist von dem beklagten Land unmittelbar benachteiligt worden. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Zum einen erfuhr der Kläger eine weniger günstige Behandlung als der später eingestellte Bewerber. Zum anderen war auch die Behandlung des Klägers im Vergleich mit den vor dem Absageschreiben zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen weiteren (letztlich gleichfalls erfolglosen) Bewerbern weniger günstig. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung, liegt nämlich bereits dann vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgenommen und vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wird. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer Chance (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 22, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2).

37

b) Anspruchsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist nicht, dass der Arbeitgeber selbst oder eine für ihn tätig werdende Person schuldhaft gehandelt hat. Der Entschädigungsanspruch setzt nämlich kein Verschulden oder gar eine Benachteiligungsabsicht voraus (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Es bedarf daher im Streitfalle auch keiner Zurechnung eines schuldhaften Fehlverhaltens der Auszubildenden oder ggf. anderer Mitarbeiter nach § 278 BGB noch einer Zurechnung nach § 831 BGB. Vielmehr geht es ausschließlich um eine Zurechnung der objektiven Handlungsbeiträge oder Pflichtverletzungen der für den Arbeitgeber handelnden Personen im vorvertraglichen Vertrauensverhältnis (vgl. BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 33, BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Rn. 17). Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter (zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 35, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).

38

Jeder Arbeitgeber hat die Erledigung seiner Personalangelegenheiten so zu organisieren, dass die gesetzlichen Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Bewerber erfüllt werden (BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 35, BAGE 127, 367). Das Bewerbungsverfahren hat er fair und diskriminierungsfrei auszugestalten. Die für ihn handelnden Personen, auch Auszubildende, sind ihrerseits gehalten, insbesondere die Pflicht des § 82 Satz 2 SGB IX zu erfüllen. Der Verstoß gegen diese Pflicht ist dem beklagten Land mithin als objektive Pflichtverletzung zuzurechnen.

39

Auf fehlerhafte Geschehensabläufe kann sich der Arbeitgeber zu seiner Entlastung daher ebenso wenig berufen wie auf unverschuldete Personalengpässe. Auch durchgeführte Schulungen oder „mustergültige“ Handreichungen kann er nicht ins Feld führen. Darauf käme es nämlich nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch an (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).

40

Es genügt mithin, dass das Absageschreiben an den Kläger, selbst wenn es sich um ein bloßes „Büroversehen“ gehandelt haben sollte, aus der Verantwortungssphäre des beklagten Landes gestammt hat. Dass eine Auszubildende dieses Schreiben ohne entsprechende Weisung unterschrieben und versandt und somit ggf. ihre Befugnisse im Innenverhältnis überschritten hatte, ist ohne rechtliche Bedeutung. So hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auch die Tatsache, dass eine Urlaubsvertretung die Agentur für Arbeit versehentlich nicht eingeschaltet hatte, für unerheblich gehalten (BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 22, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14).

41

c) Der Kläger befand sich auch mit den zu den Vorstellungsgesprächen vom 12. Juli 2010 und vom 19. Juli 2010 eingeladenen Bewerbern in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG).

42

aa) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17).

43

bb) An der objektiven Eignung des Klägers für die von dem beklagten Land im Mai 2010 ausgeschriebene Stelle bestehen keine Zweifel. Die Eignung des Klägers wird von dem beklagten Land auch nicht in Abrede gestellt.

44

d) Ob das beklagte Land den Kläger allerdings unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG „wegen“ seiner Behinderung weniger günstig behandelt hat, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entscheiden.

45

Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts wird ein möglicher Kausalzusammenhang zwischen der ihn benachteiligenden Behandlung - Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch und Ablehnung - und dem Merkmal der Behinderung allein durch die nachträglichen Einladungen zu Vorstellungsgesprächen nicht beseitigt. Auch waren diese für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung der Benachteiligung wegen Schwerbehinderung iSd. § 22 AGG zu widerlegen.

46

aa) Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal der Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Behinderung - das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6).

47

bb) Hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verpöntem Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Ein erfolgloser Bewerber genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines unzulässigen Merkmals vermuten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen - aus objektiver Sicht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Denn durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 32, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2).

48

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

49

cc) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6).

50

dd) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, es lägen deshalb keine Tatsachen oder Indizien vor, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten lassen, weil das beklagte Land den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX noch im laufenden Stellenbesetzungsverfahren geheilt habe.

51

Zunächst geht das Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass eine unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch die Vermutungswirkung grundsätzlich herbeiführt. Unterlässt es nämlich der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung eine geeignete Hilfstatsache(„Indiz“) nach § 22 AGG, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung wegen der Behinderung spricht(st. Rspr., vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 39; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 46, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17). Für die Annahme, dass dem Kläger die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, sodass nach § 82 Satz 3 SGB IX eine Einladung entbehrlich gewesen wäre, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

52

Weitere Indizien für eine Benachteiligung „wegen“ seiner Behinderung hat der Kläger nicht dargetan, insbesondere keine sonstigen objektiven Verfahrensverstöße. Sie ergeben sich auch nicht aus den Feststellungen des Berufungsgerichts oder dem in Bezug genommenen Vorbringen der Parteien. Zwar enthielt das Ablehnungsschreiben vom 26. Juli 2010 keine Begründung für die dem Kläger ungünstige Entscheidung; diese wurde auch nicht unverzüglich nachgeholt. Jedoch war das beklagte Land nicht verpflichtet, die Beteiligten unverzüglich iSd. § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX über die Gründe für die Auswahlentscheidung zu unterrichten, da das Präsidium die Mindestbeschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt(vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 40 ff.).

53

Allein die unstreitige Tatsache, dass nach der ersten Ablehnung zwei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen durch das Präsidium ausgesprochen worden sind, lässt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Vermutungswirkung nicht rückwirkend entfallen. Der Verfahrensfehler kann nicht nachträglich „geheilt“, der Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht „rückgängig“ und quasi „ungeschehen“ gemacht werden. Anders formuliert: Durch den „actus contrarius“ einer nachträglichen Einladung wird die ursprüngliche Nichteinladung - und schriftliche Absage - nicht zu einem rechtlich unbeachtlichen „nullum“. Der Rechtsprechung des Senats zufolge vermag weder eine später vorgenommene Einstellung noch eine tatsächliche Beschäftigung eine einmal erfolgte ungünstigere Behandlung „aufzuheben“ und damit einen Entschädigungsanspruch zu beseitigen (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).

54

Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang verwendete Begriff „Naturalrestitution“ kann in die Irre führen. Dieser Begriff stammt aus dem Schadensersatzrecht und passt daher nicht zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Darüber hinaus gehört er auf die Rechtsfolgenseite: Wenn ein Schadensersatzanspruch gegeben ist, dann gelten die allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB, in erster Linie und vorrangig § 249 Abs. 1 BGB mit dem Prinzip der Naturalrestitution, wonach der Schädiger „den Zustand herzustellen (hat), der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Rechtsfolgenseite, sondern um die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zu bejahen ist.

55

Ebenso missverständlich ist es, in diesem Zusammenhang von einer „Heilung“ zu sprechen, welcher dem Berufungsgericht zufolge offenbar eine umfassende und „starke“ Wirkung ex tunc zukommen soll. Weder das AGG noch das SGB IX sehen eine „Heilung“ oder gar die vom Berufungsgericht damit verbundene rückwirkende Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen § 82 Satz 2 SGB IX ausdrücklich vor.

56

Eine analoge Anwendung der Heilungsvorschriften des Sozialrechts verbietet sich. Deren abschließender Charakter lässt eine Analogie von vornherein ausscheiden.

57

Die enumerativen Heilungsfälle des § 41 SGB X beziehen sich auf verfahrens- oder formfehlerhafte Verwaltungsakte und sind bereits aus diesem Grund nicht übertragbar auf „Realakte“ wie die Nichteinladung und Ablehnung eines Bewerbers. Zudem handelt es sich nach herrschender Meinung um eine abschließende Aufzählung von - vorliegend thematisch nicht einschlägigen - Heilungsmöglichkeiten, was eine entsprechende Anwendung auf sonstige Verfahrensmängel von vornherein ausschließt (Schütze in v. Wulffen SGB X 7. Aufl. § 41 Rn. 5 mwN).

58

Außerdem hat der Gesetzgeber im SGB IX vereinzelt und gezielt „Heilungsvorschriften“ oder Mechanismen zur „Nachbesserung“ vorgesehen, nicht jedoch bei § 82 Satz 2 SGB IX. Daher ist nicht von einer „ungeplanten Regelungslücke“ auszugehen. So bestimmt etwa § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat. Falls diese Beteiligung unterblieben ist, ist die Durchführung oder Vollziehung der Entscheidung auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; erst danach ist endgültig zu entscheiden (§ 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Eine solche, gewissermaßen „maßgeschneiderte“ Nachbesserungsmöglichkeit enthält § 82 SGB IX jedoch nicht. Daher ist davon auszugehen, dass diese Verfahrensvorschrift absoluten Charakter besitzt und keine wie auch immer geartete „Heilung“ zulässt.

59

Im Übrigen eröffnet die nachträgliche Einladung einem zunächst abgelehnten Bewerber de facto keineswegs dieselbe „Chance“ einer Einstellung wie eine ursprüngliche Einladung, sondern wenn überhaupt nur eine erheblich verminderte Chance - ein deutliches „Minus“, wenn nicht gar einen „Malus“. Dies liegt für einen abgelehnten Bewerber, der nach erfolgter Ablehnung einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung geltend macht, auf der Hand. Es ist weder zu erwarten, dass er selbst unbefangen in ein „nachgeholtes“ Vorstellungsgespräch geht, noch kann davon ausgegangen werden, dass der potentielle Arbeitgeber das - im vorliegenden Fall sogar anwaltliche - „Sich-zur-Wehr-Setzen“ auszublenden vermag. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll der persönliche Kontakt schließlich die Einstellungschancen eines schwerbehinderten Bewerbers verbessern. Über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus soll sich der Arbeitgeber ein Bild von der Persönlichkeit des Bewerbers, seinem Auftreten, seiner Leistungsfähigkeit und seiner Eignung machen. Weiter stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen. Dieser durch § 82 Satz 2 SGB IX intendierte „Chancenvorteil“ gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerbern entfällt jedoch ab dem Moment, ab dem ein Bewerber einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch wegen unterbliebener Einladung zu einem Vorstellungsgespräch geltend gemacht hat. Die nachträgliche Einladung ist kein funktional angemessener Ersatz für die unterbliebene Einladung, dh. sie kann die angestrebten Funktionen nicht mehr erfüllen. Ein nachträglich geführtes Vorstellungsgespräch besitzt nicht dieselbe tatsächliche oder rechtliche Qualität wie ein von vornherein anberaumtes Gespräch.

60

Eine nachträgliche und rückwirkende „Heilung“ wäre zudem mit der Struktur des AGG und insbesondere den hier geltenden strikten Fristenregelungen nicht vereinbar. Ist der Entschädigungsanspruch einmal entstanden, sehen § 15 Abs. 4 AGG und § 61b Abs. 1 ArbGG kurze Ausschlussfristen für dessen Geltendmachung vor. Diese Fristen dienen der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden und der Rechtsklarheit. Insbesondere soll es dem Arbeitgeber angesichts der Regelung des § 22 AGG nicht zugemutet werden, Dokumentationen über Einstellungsverfahren bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen. Umgekehrt muss sich aber auch der benachteiligte Bewerber darauf verlassen dürfen, dass seinem einmal entstandenen Anspruch nicht während laufender Frist nachträglich der Boden entzogen wird. So hat er seine Ansprüche geltend gemacht, Rechtsrat gesucht, Kosten ausgelöst, sich auf eine eventuelle gerichtliche Geltendmachung eingestellt oder bereits Klage erhoben.

61

Hinzu kommt eine nicht unerhebliche Missbrauchs- und Umgehungsgefahr. Ein Arbeitgeber könnte sich bewusst eine „Hintertür“ offenlassen, dh. zunächst von der Einladung schwerbehinderter Bewerber absehen, um dann nur bei entsprechender Rüge des nicht Eingeladenen doch noch eine Einladung auszusprechen. So hätte es ein Arbeitgeber in der Hand, durch gezielte nachträgliche Einladungen und ggf. rein „formale“ Vorstellungsgespräche Ansprüche aus dem AGG ins Leere laufen zu lassen.

62

II. Ob die durch das Indiz der Nichteinladung ausgelöste Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung durch das beklagte Land iSd. § 22 AGG widerlegt oder „entkräftet“ worden ist, wird das Landesarbeitsgericht noch zu prüfen haben. Insoweit war dem Senat eine abschließende Entscheidung gemäß § 563 Abs. 3 ZPO verwehrt, da es sich insoweit um eine Tatsachenbewertung handelt, welche nicht vom Revisionsgericht, sondern von den Tatsacheninstanzen vorzunehmen ist.

63

1. Dem Berufungsgericht ist nicht nur - wie oben dargelegt - ein Beurteilungsspielraum einzuräumen, soweit es um die Frage geht, ob die von dem Bewerber vorgetragenen Hilfstatsachen den Schluss darauf zulassen, er sei wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals abgelehnt worden. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt ebenso für die Frage, ob die von dem Arbeitgeber seinerseits vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat(§ 22 AGG). Auch hier beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle darauf, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

64

2. Dabei wird das Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben: Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorgelegen hat. Er muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (zumindest auch) auf der Behinderung beruht hat. Damit muss er Tatsachen und Umstände vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 41).

65

Dabei kommen auch Umstände, Geschehnisse und Verhaltensweisen in Betracht, die zeitlich nach der Benachteiligung liegen. Mit der Benachteiligung, die spätestens zum Zeitpunkt des Ablehnungsschreibens vorliegt, tritt insoweit keine zeitliche Zäsur oder „Berücksichtigungssperre“ ein. Vielmehr können sich aus dem weiteren Verlauf des Verfahrens sowohl Indizien, die für eine Benachteiligung sprechen, ergeben, als auch solche, die den Arbeitgeber entlasten. Es ist mithin möglich und zulässig, aus späteren Verhaltensweisen des Arbeitgebers bzw. der für ihn handelnden Personen Rückschlüsse darauf zu ziehen, dass in dem zur Benachteiligung führenden „Motivbündel“ kein diskriminierendes Element enthalten gewesen war.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Kandler    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 23. Dezember 2011 - 4 Sa 1008/11 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung bei einer Bewerbung.

2

Der Kläger hat den Meisterbrief im Elektroinstallateurhandwerk erworben und ist ausgebildeter Fahrschullehrer. Er ist im Besitz eines Führerscheins für die Klassen A, B und CE und hat den Personenbeförderungsschein. Er ist ein mit einem GdB von 60 schwerbehinderter Mensch.

3

Während seines Grundwehrdienstes hatte er Kontakt mit speziell ausgebauten Lkws für die Mess- und Nachrichtentechnik. 1989/1990 war er Berufskraftfahrer bei „V“, danach arbeitete er bis 1991 als Fahrschullehrer. Von Mitte 1999 bis Ende 2006 war er bei einem Eigenbetrieb der Stadt B beschäftigt, zunächst als Haushandwerker und Kraftwagenfahrer, später wurden ihm umfangreichere Aufgaben im Bereich der allgemeinen Haustechnik übertragen. Danach arbeitete er bis Ende 2008 als Bürosachbearbeiter und Fahrer bei einem Be Taxiunternehmen.

4

Im Sommer 2009 veröffentlichte das Ressortministerium der Beklagten im Internet eine Stellenanzeige, mit der für ein bis zum 31. März 2012 befristetes Arbeitsverhältnis ein(e) Kraftfahrer/in bei der Bundesanstalt für Straßenwesen gesucht wurde. Die Ausschreibung enthielt dazu folgende Angaben:

        

„Anforderungsprofil

        

-       

Führen von qualifizierten Fahrzeugen, die besondere Anforderungen an spurgenaues Fahren stellen (überschwere Fahrzeuge, Messfahrzeuge)

        

-       

Sonstige Fahrertätigkeit (PKW mit Personenbeförderung)

        

-       

Kleinere Reparaturen, Wartung und Pflege

        

...     

        
        

Tätigkeitsprofil

        

-       

Ausbildung als Berufskraftfahrer/in oder Berufserfahrung als Fahrer/in

        

-       

Fahrerlaubnis der Klasse CE oder Führerschein der Klasse B

        

-       

Gute Auffassungsgabe, Zuverlässigkeit

        

-       

Arbeitssorgfalt und Genauigkeit

        

-       

Möglichst Personenbeförderungsschein

        

-       

PC- und Englischgrundkenntnisse sind von Vorteil

        

…“    

        
5

Mit Schreiben vom 22. Juli 2009 bewarb sich der damals arbeitslose Kläger auf diese Stelle, wobei er bei der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung mit GdB 60 hinwies.

6

Bei der Beklagten gingen insgesamt 126 Bewerbungen ein, 14 Bewerber waren schwerbehindert. Zu einem Fahrtest und Vorstellungsgespräch lud die Beklagte acht Bewerber, davon zwei Schwerbehinderte ein. Diese hatte sie aus dem Kreis der schwerbehinderten Bewerber nach Abstimmung mit der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ausgewählt, weil sie ihr nach den Bewerbungsunterlagen als am besten geeignet erschienen. Eingestellt wurde schließlich ein Bewerber, der nicht schwerbehindert ist.

7

Am 10. Dezember 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Bewerbung keine Berücksichtigung habe finden können. Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 machte der Kläger eine Entschädigung iHv. drei Bruttomonatsgehältern geltend. Dies wies die Beklagte unter dem 1. März 2010 zurück.

8

Mit seiner am 29. April 2010 eingereichten und der Beklagten am 14. Mai 2010 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen Entschädigungsanspruch weiter.

9

Der Kläger sieht sich wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies werde dadurch indiziert, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung, ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht nachgekommen sei. Da er die Anforderungen der Stellenausschreibung erfüllt habe, sei er für die Stelle geeignet gewesen. Von ihrer gesetzlichen Pflicht, nicht offensichtlich ungeeignete schwerbehinderte Bewerber einzuladen, sei die Beklagte weder durch die Vielzahl schwerbehinderter Bewerber noch dadurch freigestellt, dass sie bei der Vorauswahl die Schwerbehindertenvertretung beteiligt habe.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.592,00 Euro zu zahlen.

11

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass der Kläger offensichtlich für die Stelle nicht geeignet gewesen sei. Über Erfahrungen im Umgang mit dem Führen qualifizierter Fahrzeuge, die besondere Anforderungen an spurgenaues Fahren stellen, verfüge der Kläger nicht, jedenfalls nicht in den letzten 20 Jahren. Wegen der Vielzahl der Bewerbungen sieht sich die Beklagte nicht verpflichtet, alle schwerbehinderten Bewerber einzuladen. Mit der Einladung zweier schwerbehinderter Bewerber zu den Vorstellungsgesprächen habe sie die Gruppe schwerbehinderter Menschen schon überproportional berücksichtigt. Eine Vorauswahl nach Eignung und Leistung müsse zulässig sein. Aus der Einbindung der Schwerbehindertenvertretung folge, dass sie die Rechte der Schwerbehinderten ernst nehme. Schließlich stehe die Ernsthaftigkeit der Bewerbung in Frage, da der Kläger ohne jegliche Beziehung zum Rheinland von Be nach G hätte umziehen müssen.

12

Das Arbeitsgericht hat den Entschädigungsanspruch iHv. zwei Bruttomonatsgehältern für begründet gehalten und der Klage teilweise iHv. 3.728,00 Euro stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnte die Klage nicht abgewiesen werden.

14

A. Seine Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: Für die vorgesehene Stelle sei der Kläger fachlich nicht offensichtlich ungeeignet gewesen. Die Beklagte habe daher gegen ihre Pflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX verstoßen, den Kläger als schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies indiziere eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung. Indes habe vorliegend die Beklagte eine Vermutung einer Benachteiligung nach § 22 AGG widerlegen können. Denn die Beklagte habe bei den acht eingeladenen Bewerbern zwei schwerbehinderte Bewerber berücksichtigt. Damit seien schwerbehinderte Bewerber zu 25 %, also überproportional im Verhältnis zur Gesamtzahl der Bewerber berücksichtigt worden. Die Vorauswahl habe die Beklagte unter den schwerbehinderten Bewerbern nach Leistungsgesichtspunkten getroffen und dies mit der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen abgestimmt. Daher habe die Beklagte die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung widerlegt.

15

B. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Indizwirkung für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung des Klägers entkräftet, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Dies führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

16

I. Nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung.

17

1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ iSd. AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Für den Bewerberbegriff kommt es dabei nicht auf die objektive Eignung (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12) an. Die objektive Eignung eines Bewerbers spielt vielmehr bei der Frage eine Rolle, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt(BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Eine fehlende subjektive Ernsthaftigkeit könnte nur zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers führen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - EzA AGG § 15 Nr. 16). Unabhängig davon bestehen an der subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers keine Zweifel. Die Mutmaßung der Beklagten, der Kläger beabsichtigte gar nicht, für die angestrebte Stelle von Be nach G umzuziehen, bewegt sich im Bereich des Spekulativen.

18

2. Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber iSd. Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11). Dies trifft auf die Beklagte aufgrund der Stellenausschreibung zu.

19

3. Der Kläger hat seinen Anspruch innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht.

20

a) Die Ablehnung der Bewerbung wurde dem Kläger mittels Schreibens der Beklagten vom 10. Dezember 2009 mitgeteilt. Mit seinem Brief vom 2. Februar 2010 machte der Kläger Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche geltend. Damit hat er die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG gewahrt. Nicht erforderlich war, dass der Kläger die Entschädigungsforderung bezifferte (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

21

b) Die am 29. April 2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangene Klage, die der Beklagten am 14. Mai 2010 zugestellt wurde, hat die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt. Sie wurde innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben. Für die Fristwahrung genügte nach § 167 ZPO der Eingang der Klage beim Arbeitsgericht, weil deren Zustellung demnächst erfolgte(BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - EzA AGG § 22 Nr. 6; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Dass die Klage zunächst gegen die „Bundesanstalt für Straßenwesen“ erhoben wurde, ist unschädlich. Zwar tritt die Beklagte unter diesem Namen auf, jedoch handelt es sich bei der Bundesanstalt um ein Forschungsinstitut und nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht haben die Parteien am 20. Juli 2011 das Beklagtenrubrum einvernehmlich berichtigt.

22

4. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen lassen einen Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vermuten.

23

a) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, jedoch ist für die Voraussetzungen des Anspruchs auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - BVerwGE 139, 135; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21).

24

b) Der Kläger ist von der Beklagten auch unmittelbar benachteiligt worden. Dies ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Zum einen erfuhr der Kläger eine weniger günstige Behandlung als der eingestellte Bewerber. Zum anderen war auch die Behandlung des Klägers im Vergleich mit den zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen Bewerbern weniger günstig. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung, liegt bereits vor, wenn der Beschäftigte - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgenommen wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - DB 2012, 2811; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - EzA AGG § 15 Nr. 17; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - EzA AGG § 15 Nr. 16; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21).

25

c) Der Kläger befand sich auch in einer vergleichbaren Situation mit den eingeladenen Bewerbern (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG).

26

aa) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

27

Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an den Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

28

Diese Grundsätze gelten allerdings bei der Besetzung von Stellen öffentlicher Arbeitgeber nur eingeschränkt. Während der private Arbeitgeber im Rahmen der oben dargelegten Grundsätze frei ist, welche Anforderungen er in seiner Stellenausschreibung an Bewerber stellt und ob er dann bei seiner Auswahlentscheidung von einzelnen dieser geforderten Qualifikationen abweicht, hat der öffentliche Arbeitgeber Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Hiernach besteht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die mit Arbeitern und Angestellten besetzt werden. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen(sog. Bestenauslese), zum anderen trägt er dem berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung. Art. 33 Abs. 2 GG begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in der Regelung - hier der Stellenausschreibung - genannten Auswahlkriterien(sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

29

Die in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung sind die allein maßgeblichen Kriterien für die Bewerberauswahl; andere Kriterien sind nicht zulässig. Allerdings bestimmt Art. 33 Abs. 2 GG nicht, auf welchen Bezugspunkt sich diese Kriterien beziehen. Dies folgt erst aus dem Anforderungsprofil, welches als Funktionsbeschreibung des Dienstpostens objektiv die Kriterien bestimmt, die der künftige Stelleninhaber erfüllen muss. Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet grundsätzlich der Dienstherr nach seinen organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Es obliegt daher auch seinem organisatorischen Ermessen, wie er einen Dienstposten zuschneiden will und welche Anforderungen demgemäß der Bewerberauswahl zugrunde zu legen sind. Erst aus diesem Zuschnitt des zu vergebenden Amtes oder Dienstpostens werden daher die Anforderungen bestimmt, an denen konkurrierende Bewerber zu messen sind (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

30

Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (vgl. BVerfG 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 - BVerfGK 12, 284). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - BVerwGE 139, 135). Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX(BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - aaO).

31

Für die Dauer des Auswahlverfahrens bleibt der Arbeitgeber an das in der veröffentlichten Stellenbeschreibung bekanntgegebene Anforderungsprofil gebunden (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

32

bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze bestehen unter Zugrundelegung des Anforderungsprofils in der Stellenausschreibung vom Sommer 2009 an der objektiven Eignung des Klägers für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle keine Zweifel. Die sachlichen Anforderungen, die die Beklagte stellte, ergeben sich aus dem - irreführend überschriebenen - „Tätigkeitsprofil“ der Stellenanzeige. Der Kläger verfügt über die Fahrerlaubnis der Klasse CE sowie über einen Personenbeförderungsschein. Er kann Berufserfahrung als Fahrer vorweisen, denn er arbeitete 1989/1990 als Berufskraftfahrer bei „V“, 1990/1991 als Fahrschullehrer, von Mitte 1999 bis Ende 2006 ua. als Fahrer bei S und von Februar 2007 bis Dezember 2008 auch als Taxifahrer. Das Führen von qualifizierten Fahrzeugen, die besondere Anforderungen an spurgenaues Fahren stellen (überschwere Fahrzeuge, Messfahrzeuge) war der Sache nach Teil des Tätigkeitsprofils und nicht des - wiederum falsch bezeichneten - „Anforderungsprofils“ der Stellenausschreibung. Von den Anforderungen her ließ die Beklagte auch den Pkw-Führerschein der Klasse B genügen („oder“). Zudem verfügte der Kläger tatsächlich über Erfahrungen mit dem spurgenauen Fahren besonderer Fahrzeuge, da er während des Wehrdienstes speziell umgebaute und mit Mess- und Nachrichtentechnik ausgestattete Lkws gefahren hat. Die Beklagte kann dabei nicht darauf verweisen, der Kläger verfüge insoweit nicht über Erfahrungen aus jüngerer Zeit, da sie derartiges im Anforderungsprofil der Ausschreibung nicht verlangt hatte.

33

d) Die Beklagte behandelte den Kläger wegen seiner Behinderung weniger günstig.

34

aa) Der schwerbehinderte Kläger, der einen Grad der Behinderung von 60 aufweist, unterfällt dem Behindertenbegriff des § 1 AGG(vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - EzA AGG § 15 Nr. 17).

35

bb) Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal der Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, EzA AGG § 22 Nr. 6; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, EzA AGG § 15 Nr. 17). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - aaO).

36

Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 32, DB 2012, 2811; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat(BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 43, EzA AGG § 15 Nr. 17).

37

Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen oder unstreitigen Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einer Behinderung und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, EzA AGG § 22 Nr. 6; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, EzA AGG § 15 Nr. 16).

38

cc) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe Indizien vorgebracht, die für eine Benachteiligung sprechen.

39

Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber - wie hier - entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies nach st. Rspr. eine geeignete Hilfstatsache nach § 22 AGG, die für das Vorliegen einer Benachteiligung spricht(vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 46, EzA AGG § 15 Nr. 17; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 21, BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerwG 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 - Rn. 17, EzA SGB IX § 82 Nr. 2; 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 27 f., BVerwGE 139, 135).

40

dd) Die durch die Hilfstatsache ausgelöste Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen der Schwerbehinderung hat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Beklagte jedoch nicht erschüttert.

41

(1) Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf der Behinderung beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58, EzA AGG § 15 Nr. 17).

42

Für die Frage, welche Tatsachen geeignet sind, die Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen, sind die Besonderheiten des Bewerbungsverfahrens für ein öffentliches Amt iSv. Art. 33 Abs. 2 GG und die gesetzlichen Regelungen des SGB IX zu beachten. Für den nach § 22 AGG möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung eines Bewerbers entgegen § 82 Satz 2 SGB IX ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, können nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen(BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 29, BVerwGE 139, 135). Hierfür enthält die in § 82 Satz 3 SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der „offensichtlichen“ Nichteignung eine abschließende Regelung. Sie prägt auch die Anforderungen, die bei Verstößen im Bewerbungsverfahren bei auf die fachliche Eignung bezogenen Erwägungen für den Gegenbeweis zugrunde zu legen wären (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 59, EzA AGG § 15 Nr. 17). Die Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren.

43

Dem Berufungsgericht ist zwar nicht nur ein Ermessensspielraum einzuräumen, soweit es um die Frage geht, ob die von dem Bewerber vorgetragenen Hilfstatsachen den Schluss darauf zulassen, er sei wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals abgelehnt worden. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt ebenso für die Frage, ob die von dem Arbeitgeber vorgebrachten Hilfstatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat(§ 22 AGG). Auch hier beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle darauf, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt.

44

(2) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Begründung des Landesarbeitsgerichts dafür, dass die Beklagte die Vermutungswirkung einer diskriminierenden Benachteiligung erschüttert habe, nicht stand.

45

Die Beklagte kann sich zur Widerlegung der aus der unterbliebenen Einladung folgenden Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger sei fachlich gegenüber den zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerbern schlechter qualifiziert. Es schadet mithin nicht, dass der Kläger im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern nicht in jüngerer Zeit erworbene praktische Erfahrung mit dem Führen von überschweren Fahrzeugen (Bussen und schweren Lkws) aufweisen konnte.

46

Auch aus dem Umstand, dass behinderte Bewerber bei den zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerbern gemessen an der Gesamtzahl der Bewerbungen überproportional vertreten waren, kann nicht geschlossen werden, dass die unterbliebene Einladung des Klägers nicht wegen seiner Behinderung erfolgte. Im besonderen Fall der Behinderung kann eine Benachteiligung des einzelnen Bewerbers wegen eines unterbliebenen Vorstellungsgesprächs nicht dadurch widerlegt werden, dass in Bewerbungsverfahren die Gruppe der Schwerbehinderten nicht nachteilig behandelt wurde. § 82 Satz 2 SGB IX gibt dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Die Indizwirkung wird durch die Schlechterstellung des Einzelnen ausgelöst und nicht dadurch aufgehoben, dass ansonsten im Bewerbungsverfahren schwerbehinderte Bewerber als Gruppe nicht nachteilig behandelt wurden. Der Anspruch nach § 82 Satz 2 SGB IX ist vom Gesetzgeber zwingend ausgestaltet worden, es handelt sich um eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers. Er hat insoweit kein Ermessen, weshalb ihm weder eine „freundliche“ noch eine „feindliche“ Einstellung zu Behinderten unterstellt werden kann. Sinn des § 82 Satz 2 SGB IX ist es, den einzelnen schwerbehinderten Bewerbern die Möglichkeit zu geben, den Arbeitgeber in einem persönlichen Vorstellungsgespräch von ihrer Eignung zu überzeugen. Die Beklagte hätte nicht nur zwei, sondern alle nicht offensichtlich ungeeigneten behinderten Bewerber, jedenfalls auch den Kläger, zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Im Falle behinderter Bewerber soll der persönliche Eindruck entscheidend sein und nicht die „Papierform“ (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). Mit diesem Gesetzeszweck lässt sich eine Vorabauswahl nach Leistungsgesichtspunkten nicht vereinbaren. Ebenso wenig kann aus Praktikabilitätserwägungen von der eindeutigen Verfahrensvorschrift abgewichen werden. Auf das öffentliche Interesse an einer effizienten Verwaltung kann die Beklagte sich nicht berufen. Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 28. Mai 2002 - 9 AZR 751/00 - BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = EzA GG Art. 33 Nr. 23) erging zu einem Konkurrentenstreit und verhielt sich nicht zu der Frage, welche Verfahrensvorschriften im Bewerbungsverfahren verbindlich zu beachten sind.

47

Die Indizwirkung des Verfahrensfehlers wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass die Beklagte bei der Vorabauswahl die Schwerbehindertenvertretung beteiligt hat. Auch insoweit ist die Beklagte als Arbeitgeber ihrer Pflicht, die Schwerbehindertenvertretung bei der Bewerbung von Schwerbehinderten umfassend zu beteiligen, zwar nachgekommen, § 81 Abs. 1 Satz 4 bis Satz 9, § 95 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB IX. § 82 SGB IX ist jedoch zwingendes Gesetzesrecht und auch gegenüber einer Vereinbarung mit der Schwerbehindertenvertretung nicht dispositiv. Anders als bei einer Integrationsvereinbarung, § 83 SGB IX, besteht insoweit keine Vereinbarungsbefugnis von Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung. Für den Gesetzesverstoß ist es aber unerheblich, wenn sich der Arbeitgeber im Übrigen gesetzeskonform verhalten hat, zB die gesetzlich vorgesehene Mindestbeschäftigungsquote schwerbehinderter Arbeitnehmer eingehalten hat (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Ein Fall des § 81 Abs. 1 Satz 7 bis Satz 9 SGB IX liegt nicht vor.

48

II. Über die Höhe der dem Kläger nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zuzusprechenden angemessenen Entschädigung kann der Senat nicht selbst entscheiden, weshalb der Rechtsstreit nach § 563 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

49

§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falls berücksichtigen zu können. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 58, EzA AGG § 15 Nr. 16; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 64, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Für die Höhe der festzusetzenden Entschädigung sind Art und Schwere der Verstöße sowie die Folgen für den schwerbehinderten Kläger von Bedeutung (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 59, aaO). Dabei mag auch von Bedeutung sein, dass die Beklagte die Rechte der schwerbehinderten Bewerber zumindest insoweit achtete, als sie zwei von 14 schwerbehinderten Bewerbern zu einem Vorstellungsgespräch einlud und die Schwerbehindertenvertretung beteiligte.

50

Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob auf die Berufung der Beklagten der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag zu bestätigen oder herabzusetzen ist.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    St. Soost    

                 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. September 2010 - 4 Sa 18/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger geltend macht, weil er sich wegen seiner Behinderung bei einer Bewerbung benachteiligt sieht.

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Der 1964 geborene Kläger absolvierte von 1982 bis 1985 eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann. Nachdem er 1987 die Fachhochschulreife erworben hatte, studierte er anschließend bis 1992 Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule F. Er schloss mit dem Diplom als „Betriebswirt FH“ ab. Danach übte der Kläger bis 1996 verschiedene Tätigkeiten aus. Dem schloss sich bis 1998 eine weitere Berufsausbildung als Chemisch-Technischer Assistent an, die in den Folgejahren zu keiner stabilen Beschäftigung führte. Im September 1997 wurde die Schwerbehinderung des Klägers aufgrund eines nicht behandlungsbedürftigen essentiellen Tremors mit einem GdB von 60 anerkannt.

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Von September 2004 bis August 2005 nahm der Kläger bei einer Gemeinde am praktischen Einführungsjahr für den gehobenen Verwaltungsdienst teil. Anschließend studierte er bis September 2008 an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in K. Für das Hauptstudium wählte er das Fach „Wirtschaft“ und das Wahlpflichtfach „Rechnungswesen“. Die Staatsprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst absolvierte der Kläger mit der Gesamtnote „befriedigend“ (7 Punkte).

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Die Beklagte ist eine Gemeinde mit rd. 3.700 Einwohnern, die in ihrer Verwaltung auf acht Stellen zwölf Arbeitnehmer beschäftigt. Im Sommer 2009 schrieb die Beklagte eine Stelle für einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin im Bereich Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt zur Mutterschaftsvertretung aus. Für dieses Aufgabengebiet suchte die Beklagte „eine/n Mitarbeiter/in mit der Qualifikation des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes und umfassenden Kenntnissen“. Die Vergütung sollte gemäß dem TVöD erfolgen. Nach seiner Staatsprüfung hatte sich der Kläger um zahlreiche Stellen im öffentlichen Dienst beworben. Nachdem er anfänglich in den Bewerbungsschreiben auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen hatte, entschloss er sich wegen der Erfolglosigkeit seiner Bewerbungen ab einem bestimmten Zeitpunkt, nur noch den Hinweis auf eine „Behinderung“ zu geben. Vom 12. Januar bis 31. März 2010 arbeitete der Kläger bei einem öffentlichen Arbeitgeber in Oberbayern.

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Mit Schreiben vom 8. Juli 2009 bewarb sich der Kläger um die ausgeschriebene Stelle der Beklagten. Am Ende des Bewerbungsschreibens führte er aus:

        

„Durch meine Behinderung bin ich, insbesondere im Verwaltungsbereich, nicht eingeschränkt.“

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Bei der Beklagten bearbeitete die Beschäftigte M das Bewerbungsverfahren. Diese kannte den Kläger von dem gemeinsamen Besuch der Fachhochschule K her flüchtig. Frau M hatte dabei den Eindruck gewonnen, dass sich der Kläger anderen Studentinnen und Studenten aufdränge. Davon unterrichtete sie den Bürgermeister der Beklagten, der sich daraufhin gegen eine Berücksichtigung des Klägers entschied. Die Beklagte nahm keine Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf und prüfte nicht, ob die ausgeschriebene Stelle mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden könne. Im weiteren Verlauf wurden zwei der ca. zehn Bewerber dem Gemeinderat vorgestellt. Eingestellt wurde schließlich Frau Mü, die ihr Staatsexamen mit acht Punkten bestanden hatte und während des Hauptstudiums den Bereich „Verwaltung“ und das Schwerpunktfach „Kommunalpolitik“ gewählt hatte. Unter dem 30. Juli 2009 sagte die Beklagte dem Kläger schriftlich ab.

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Durch Schreiben seiner damaligen Anwälte ließ der Kläger am 14. August 2009 der Beklagten mitteilen, dass er seit September 1997 im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit einem GdB von 60 sei. Er rügte, nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein und machte vorsorglich Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG dem Grunde nach geltend. Der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers in den Vorinstanzen bezifferte mit Schreiben vom 10. September 2009 die vom Kläger begehrte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auf drei Bruttomonatsgehälter oder 6.689,85 Euro. Mit Schreiben vom 24. September 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass wegen offensichtlich fehlender fachlicher Eignung eine Einladung zum Vorstellungsgespräch entbehrlich gewesen sei.

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Mit Eingang beim Arbeitsgericht am 26. Oktober 2009 hat der Kläger die von ihm verlangte Entschädigung gerichtlich geltend gemacht. Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung betrieb der Kläger in mindestens 27 weiteren Fällen Entschädigungsklagen gegen öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründe bereits die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Behinderung. Auch habe es die Beklagte unterlassen, die freie Stelle der Bundesagentur für Arbeit zu melden und den Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung über seine Bewerbung und die Ablehnungsgründe zu unterrichten. Jedenfalls habe Frau M gewusst, dass er schwerbehindert sei. Dies sei ohne weiteres an seinem Tremor und daran erkennbar gewesen, dass er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nur als Schwerbehinderter die Zulassung zum Studium habe erhalten können. Zumindest habe die Beklagte eine Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund der Zulassungsbestimmungen zur Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst erkennen müssen.

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Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung, mindestens jedoch 6.689,85 Euro nebst fünf % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2009 zu zahlen.

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Den Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass Frau M nicht bekannt gewesen sei, dass der Kläger schwerbehindert sei. Frau M und der Kläger hätten weder im selben Semester studiert noch seien sie näher bekannt gewesen, weshalb Frau M auch das Alter des Klägers nicht gekannt habe. Auch habe die Beklagte aus sonstigen Umständen die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht erkannt bzw. erkennen müssen. Im Übrigen sei die ausgeschriebene Stelle nicht als Arbeitsplatz iSv. SGB IX anzusehen.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers nach Beweisaufnahme zur Frage des Bestehens einer Schwerbehindertenvertretung bzw. eines Personalrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, § 81 Abs. 2 SGB IX. Über die Höhe des Entschädigungsanspruchs kann der Senat nicht entscheiden. Insoweit fehlen tatsächliche Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht innerhalb seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums rechtlich zu würdigen haben wird.

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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG bestehe nicht, da der Kläger nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Zwar habe er Umstände vorgetragen, die als Indiztatsachen iSv. § 22 AGG eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten ließen. Dem Kläger habe die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich gefehlt. Die Beklagte habe als öffentliche Arbeitgeberin gegen ihre Verpflichtung nach den § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 82 SGB IX verstoßen, der Agentur für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze zu melden. Diese Verpflichtung beziehe sich aber nur auf das Vorfeld des eigentlichen Stellenbesetzungsverfahrens. Offenbare ein Bewerber seine Schwerbehinderung nicht, so sei die unterlassene Meldung gegenüber der Agentur für Arbeit nicht kausal für die in Unkenntnis der Schwerbehinderung getroffene Entscheidung des Arbeitgebers. Entsprechendes gelte für den Verstoß gegen die Pflicht der öffentlichen Arbeitgeber zur Einladung zum Vorstellungsgespräch nach § 82 Satz 2 SGB IX. Aus den Bewerbungsunterlagen habe die Beklagte die Schwerbehinderung weder gekannt noch erkennen müssen, auch habe eine Pflicht zur Erkundigung nicht bestanden. Der Beschäftigten M seien die persönlichen Umstände des Klägers nicht bekannt gewesen, weshalb die Beklagte auch nicht von seinem Alter oder den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Studienzulassung auf eine Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers habe schließen müssen. Die Beweisaufnahme habe zum Ergebnis gehabt, dass bei der Beklagten weder ein Personalrat noch eine Schwerbehindertenvertretung bestehe, so dass die Nichtbeteiligung derartiger Gremien kein Indiz darstelle. Im Ergebnis fehle es damit an Indizien, die eine Benachteiligung „wegen“ Behinderung vermuten ließen.

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B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

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I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Grundlage hierfür ist § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, der für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vorsieht. Dem Gericht wird bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 6.689,85 Euro beziffert.

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II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte hat bei der Besetzung der Stelle im Bereich Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt im Juli 2009 gegen das Verbot verstoßen, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, §§ 7 und 1 AGG). Der Kläger hat als benachteiligter schwerbehinderter Beschäftigter nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, § 15 Abs. 2 AGG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

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1. Als Bewerber ist der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG „Beschäftigter“ und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Unerheblich ist dabei, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11).

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2. Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber eines Bewerbers ist also der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11). Aufgrund ihrer Stellenausschreibung trifft dies auf die Beklagte zu.

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3. Der Kläger hat auch die gesetzlichen Fristen nach § 15 Abs. 4 AGG zur Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung gewahrt.

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a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Nach der schriftlichen Ablehnung des Klägers vom 30. Juli 2009 durch die Beklagte war das Schreiben des vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10. September 2009 fristwahrend. Auf das vorangegangene Schreiben seiner ehemaligen Bevollmächtigten vom 14. August 2009 kommt es nicht an. Im Geltendmachungsschreiben vom 10. September 2009 werden unter Vorlage des Schwerbehindertenausweises und unter Bezugnahme auf das Bewerbungsschreiben des Klägers vom 8. Juli 2009 Pflichtverstöße gegen die §§ 81, 82 SGB IX gerügt und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. drei Monatsgehältern mit der Bezifferung auf 6.689,85 Euro geltend gemacht.

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b) Die am 26. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - eingegangene Klage wahrte die Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG. Dass die Klage zunächst bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingereicht und mit Beschluss vom 11. November 2009 an das Arbeitsgericht Pforzheim verwiesen wurde, ist schon deswegen nicht von Bedeutung, weil der Rechtsstreit nach Zustellung der Klage an die Beklagte innerhalb der Klagefrist an das zuständige Gericht verwiesen wurde (vgl. BGH 21. September 1961 - III ZR 120/60 - BGHZ 35, 374; GMP/Germelmann 7. Aufl. § 61b ArbGG Rn. 6).

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4. Die Beklagte hat den Kläger auch benachteiligt. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

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a) Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als Frau Mü, die tatsächlich zum Vorstellungsgespräch bei der Beklagten eingeladen, in die Auswahl einbezogen und schließlich eingestellt wurde. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt vor, wenn der Bewerber - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Slg.1997, I-2195 = AP BGB § 611a Nr. 13 = EzA BGB § 611a Nr. 12; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276 = AP BGB § 611a Nr. 9 = EzA BGB § 611a Nr. 9; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 24; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 13). Wie sich auch aus § 15 Abs. 2 AGG ergibt, ist nicht erforderlich, dass der Bewerber aufgrund des Benachteiligungsgrundes nicht eingestellt worden ist. Auch dann, wenn der Bewerber selbst bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, ist ein Anspruch nicht ausgeschlossen, sondern nur der Höhe nach begrenzt.

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b) Der Kläger und Frau Mü befanden sich auch in einer vergleichbaren Situation.

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aa) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

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Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Für die Dauer des Auswahlverfahrens bleibt der Arbeitgeber an das in der veröffentlichten Stellenbeschreibung bekanntgegebene Anforderungsprofil gebunden (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - mwN, BAGE 131, 232 = AP SBG IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

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bb) Bei der Besetzung von Stellen öffentlicher Arbeitgeber ist weiter Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Hiernach besteht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Darunter sind auch Stellen zu verstehen, die mit Arbeitern und Angestellten besetzt werden. Art. 33 Abs. 2 GG dient mit der Anforderung einer Bestenauslese zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen. Zum anderen trägt sie dem berechtigten Interesse der Bewerber an ihrem beruflichen Fortkommen Rechnung. Art. 33 Abs. 2 GG begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und eine Durchführung des Auswahlverfahrens anhand der in der Regelung genannten Auswahlkriterien(BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13; 23. Januar 2007 - 9 AZR 492/06 - BAGE 121, 67 = AP ZPO 1977 § 233 Nr. 83 = EzA GG Art. 33 Nr. 30). Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist somit verpflichtet, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil festzulegen und nachvollziehbar zu dokumentieren, weil nur so seine Auswahlentscheidung nach den Kriterien der Bestenauslese gerichtlich überprüft werden kann (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - mwN, aaO). Die Festlegung des Anforderungsprofils muss dabei im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein, wobei allerdings der von der Verfassung dem öffentlichen Arbeitgeber gewährte Beurteilungsspielraum nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zulässt.

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cc) Unter Beachtung dieser Maßstäbe bestehen an der objektiven Eignung des Klägers für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle keine Zweifel. Die Beklagte hat mit ihrer Ausschreibung, wonach ein/e Mitarbeiter/in mit „der Qualifikation des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes und umfassenden Kenntnissen“ gesucht wird, das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle aufgestellt und dokumentiert. Weder werden die „umfassenden Kenntnisse“ in einem bestimmten Gebiet verlangt, noch wird zusätzlich zur Qualifikation für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst eine bestimmte Mindestnote in der Staatsprüfung als Voraussetzung aufgestellt. Der Kläger hat die Staatsprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst abgelegt und verfügt damit über umfassende Kenntnisse, wenn auch - aufgrund seiner Schwerpunktsetzung - eher auf betriebswirtschaftlichem Gebiet. Dies ist jedoch im Hinblick auf das verbindliche Anforderungsprofil der Beklagten nicht relevant.

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5. Bei der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle handelt es sich auch um einen Arbeitsplatz iSd. § 82 Satz 1 SGB IX.

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§ 82 Satz 1 SGB IX verweist auf § 73 SGB IX, der in Abs. 1 einen funktionalen Arbeitsplatzbegriff enthält(Großmann GK-SGB IX Stand Oktober 2011 § 73 Rn. 15; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 73 Rn. 5). Danach sind Arbeitsplätze im Sinne des Teils 2 des SGB IX alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Arbeitsplatz ist diejenige Stelle, in deren Rahmen eine bestimmte Tätigkeit auf der Grundlage eines Arbeits-, Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses mit all den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten vollzogen wird (vgl. BVerwG 8. März 1999 - 5 C 5/98 - NZA 1999, 826). Bei der ausgeschriebenen Stelle handelt es sich um einen Arbeitsplatz iSv. §§ 82, 73 Abs. 1 SGB IX. Ob die Einschränkungen des § 73 Abs. 2 SGB IX nur für die Berechnungs- und Anrechnungsvorschriften der §§ 71, 74, 75 und 76 SGB IX von Bedeutung sind und es im Übrigen beim allgemeinen Arbeitsplatzbegriff des § 73 Abs. 1 SGB IX verbleibt, kann vorliegend schon deswegen dahinstehen, weil die von der Beklagten zu besetzende Stelle gerade eine Mutterschaftsvertretung sein sollte, also noch nicht mit einer Vertreterin oder einem Vertreter besetzt war(§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX).

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6. Die nachteilige Behandlung hat der Kläger auch „wegen seiner Behinderung“ erfahren.

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a) Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 1 AGG, wegen der gemäß § 7 AGG Beschäftigte nicht benachteiligt werden dürfen, entspricht der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Menschen sind danach behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Begriff der „Behinderung“ ist damit weiter als der Begriff der „Schwerbehinderung“ im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX; auf einen bestimmten Grad der Behinderung kommt es nicht an (vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 66; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 1 Rn. 39). Die Ausweitung des Benachteiligungsverbots über den Kreis der Schwerbehinderten (§ 81 Abs. 2 SGB IX) auf alle behinderten Menschen ist durch das unionsrechtliche Begriffsverständnis gefordert (vgl. ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 1 AGG Rn. 10 mwN). Im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78/EG ist eine einheitlich geltende Auslegung des Behindertenbegriffs notwendig, der eine Beschränkung auf „Schwerbehinderung“ nicht kennt (vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - aaO). Der Kläger, der an einem essentiellen Tremor leidet und für den seit dem 23. September 1997 ein Grad der Behinderung von 60, also eine Schwerbehinderung, festgestellt ist, unterfällt damit dem Behindertenbegriff des § 1 AGG.

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b) Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 14; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 11; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 3). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

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Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist(BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

36

c) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen oder unstreitigen Tatsachen eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einer Behinderung und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF bzgl. einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung).

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d) Ob die Verletzung einer Unterrichtungspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX Indizwirkung nur bei bestehendem Personalrat und/oder Schwerbehindertenvertretung hat - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - oder aber eine eigenständige, von den Sätzen 4 bis 8 unabhängige Pflicht des Arbeitgebers darstellt, die auch dann besteht, wenn es keinen Betriebs-/Personalrat oder keine Schwerbehindertenvertretung gibt(so Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 81 Rn. 44) kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls ist von einer Indizwirkung iSd. § 22 AGG nur dann auszugehen, wenn wie bei der Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch nach § 82 Satz 2 SGB IX dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft oder die Gleichstellung des Bewerbers bekannt gewesen ist oder er sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können. Andernfalls kann der Pflichtenverstoß dem Arbeitgeber nicht zugerechnet werden (vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; Knittel aaO Rn. 91b; Düwell in: LPK-SGB IX 3. Aufl. § 82 Rn. 19; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 10 zur Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Kausalzusammenhang zwischen Benachteiligung und eines der in § 1 AGG genannten Merkmale kann aus einem Verfahrensverstoß nur dann abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber anhand der objektiv bestehenden Umstände erkannt hat oder erkennen musste, dass ihn eine entsprechende Pflicht trifft. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber positive Kenntnis von der Schwerbehinderung oder Gleichstellung oder zumindest Anlass dazu hatte, eine solche anzunehmen.

38

aa) Daher obliegt es dem abgelehnten Bewerber darzulegen, dass dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung bekannt gewesen ist oder er sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis jedenfalls hätte verschaffen müssen (Düwell in: LPK-SGB IX 3. Aufl. § 82 Rn. 19). Andererseits hat der Arbeitgeber die Erledigung seiner Personalangelegenheiten so zu organisieren, dass er seine gesetzlichen Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Bewerber erfüllen kann. Die für den Arbeitgeber handelnden Personen sind verpflichtet, das Bewerbungsschreiben vollständig zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Ein ordnungsgemäßer Hinweis auf eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es ihm ermöglicht, die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen (BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17). Zwar muss der Bewerber keinen Schwerbehindertenausweis oder seinen Gleichstellungsbescheid vorlegen, jedoch muss sein Hinweis so beschaffen sein, dass ein gewöhnlicher Leser der Bewerbung die Schwerbehinderung oder Gleichstellung zur Kenntnis nehmen kann.

39

bb) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wonach den Bewerbungsunterlagen des Klägers kein ausreichender Hinweis auf eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung des Klägers zu entnehmen war und im Übrigen auch keine positive Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bei der Beklagten bestand.

40

Der Kläger hatte seinen Bewerbungsunterlagen keinen Schwerbehindertenausweis beigelegt, wozu auch keine Pflicht bestand. Allerdings hat er auch im Bewerbungsschreiben ausgeführt „durch meine Behinderung bin ich, insbesondere im Verwaltungsbereich, nicht eingeschränkt“. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, hieraus habe die Beklagte nicht entnehmen müssen, dass beim Kläger eine Schwerbehinderung vorliegt, verstößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze. Aufgrund der Weite des Behindertenbegriffs fallen auch Einschränkungen hierunter, die unterhalb der Schwelle eines Grades der Behinderung von 50 (§ 2 Abs. 2 SGB IX), 30 oder gar 20 liegen und daher die besonderen Pflichten nach §§ 81, 82 SGB IX, die nur für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen gelten(§ 68 Abs. 1 SGB IX), nicht auslöst. Der Senat hat zwischenzeitlich kargestellt, dass sich für die Zeit nach Inkrafttreten des AGG ein einfachbehinderter Bewerber im Sinne von Vermutungstatsachen auf Verstöße des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren gegen die §§ 81 ff. SGB IX nicht mit Erfolg berufen kann (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; Beyer jurisPR-ArbR 35/2011 Anm. 2).

41

Aus den sonstigen Bewerbungsunterlagen, insbesondere dem Lebenslauf des Klägers ergeben sich keine ausreichenden Hinweise auf eine Schwerbehinderung. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass wegen des Alters des Klägers im Zusammenhang mit der Zulassung zum Studium und des Hinweises auf die Behinderung kein ausreichender Hinweis auf eine Schwerbehinderung vorlag. Unabhängig von der Frage, ob ein ausreichender Hinweis auf eine Schwerbehinderung auch dann vorliegt, wenn diese wiederum nur aus sonstigen Umständen wie Lebensalter bei Ausbildungsbeginn etc. abgeleitet werden kann, musste die Beklagte aus dem Lebensalter des am 23. März 1964 geborenen Klägers und dem Beginn des Studiums an der Fachhochschule K im September 2005 (Einführungspraktikum ab September 2004) nicht von einer Schwerbehinderteneigenschaft ausgehen. Denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 2 APrOVw gD BW(Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den gehobenen Verwaltungsdienst Baden-Württemberg) wird zur Ausbildung zugelassen, wer als schwerbehinderter Mensch im Zeitpunkt der Einstellung in den Vorbereitungsdienst das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben wird bzw. wer die Voraussetzungen voraussichtlich zum Zeitpunkt der Einstellung in das Einführungspraktikum erfüllen wird. Hiernach war eine Zulassung des schwerbehinderten Klägers zur Ausbildung gar nicht möglich. Auch der Kläger behauptet dies nicht. Vielmehr trägt der Kläger selbst vor, die ausnahmsweise Zulassung zur Ausbildung habe auf einer Entscheidung des Landespersonalausschusses nach § 55 Landeslaufbahnverordnung Baden-Württemberg iVm. § 6 Abs. 3 APrOVw gD BW beruht.

42

Zu Recht ist schließlich das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass bei Frau M keine positive Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bestand, die der Beklagten zuzurechnen wäre. Selbst wenn zugunsten des Klägers eine Stellung von Frau M unterstellt wird, die eine Wissenszurechnung ermöglicht und darüber hinaus nicht nur das geschäftlich erlangte Wissen von Frau M, sondern auch privat erlangtes Wissen in das zuzurechnende Wissen einbezogen wird (vgl. Palandt/Ellenberger 70. Aufl. § 166 BGB Rn. 6), fehlt es an einer vom Kläger dargelegten positiven Kenntnis Frau M von seiner Schwerbehinderteneigenschaft. Auch mit der Revision bringt der Kläger allein vor, „an der FH K sei bekannt gewesen, dass er schwerbehindert ist“. Dies stellt keinen ausreichenden Sachvortrag zur Kenntnis von Frau M dar, die mit dem Kläger weder im gleichen Semester studiert hat noch näher persönlich bekannt war. Auch der Kläger behauptet nicht, er habe Frau M über seine Schwerbehinderung zu irgendeinem Zeitpunkt informiert. Entsprechendes gilt für den Sachvortrag des Klägers, Frau M habe die Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund seines Alters oder des Tremors erkennen müssen. Auch dieser Sachvortrag ist nicht schlüssig. Der Kläger behauptet nicht, dass Frau M sein Alter bekannt gewesen sei. Auch gibt er nicht an, was Frau M bezüglich seines Tremors wahrgenommen haben soll. Zwar ist der Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft gegenüber dem Arbeitgeber dann entbehrlich, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 703/09 - EzA SGB IX § 85 Nr. 7; 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - mwN, BAGE 125, 345 = AP SGB IX § 85 Nr. 5 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 83). Dabei muss jedoch nicht nur das Vorliegen einer oder mehrerer Beeinträchtigungen offenkundig sein, sondern auch, dass der Grad der Behinderung auf wenigstens 50 in einem Feststellungsverfahren festgesetzt würde. Eine von Frau M wahrgenommene, offenkundige Beeinträchtigung, die ebenso offenkundig auch mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten war, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger hat nicht behauptet, dass seine Bewegungsstörungen so erheblich waren oder sind, dass sie auch von Frau M ohne sozialmedizinische Vorbildung als offensichtliche Schwerbehinderung wahrzunehmen und einzustufen waren. Daher hat das Landesarbeitsgericht zu Recht von einer Beweisaufnahme hierzu abgesehen.

43

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht eine Pflicht des Arbeitgebers, sich nach einer Schwerbehinderteneigenschaft zu erkundigen, abgelehnt. Eine solche, von einem etwa bestehenden Recht zur Erkundigung zu unterscheidende Pflicht zur Erkundigung besteht schon deshalb nicht, weil der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, sich tätigkeitsneutral nach dem Bestehen einer Schwerbehinderteneigenschaft zu erkundigen, wenn er hiermit keine positive Fördermaßnahme verbinden will. Gerade durch solche Nachfragen kann der Arbeitgeber Indiztatsachen schaffen, die ihn bei einer Entscheidung gegen den schwerbehinderten Bewerber in die Darlegungslast nach § 22 AGG bringen können. Eine Pflicht zur Erkundigung zielte auf ein verbotenes Differenzierungsmerkmal nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in Verb. mit § 1 AGG und stellte eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung dar(ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 272 mwN; Düwell in: LPK-SGB IX 3. Aufl. § 85 Rn. 22; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 30, 32 f.). Der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet sein, mit einer Frage zur Schwerbehinderteneigenschaft Tatsachen zu schaffen, die ihm als Indiztatsachen nach § 22 AGG in einem späteren möglichen Prozess entgegengehalten werden können.

44

e) Der Kläger hat aber ein Indiz iSd. § 22 AGG dadurch dargelegt, dass er darauf verwiesen hat, die Beklagte habe ihre Prüf- und Meldepflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX verletzt.

45

aa) Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist ein Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Weiter ist nach § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX jeder Arbeitgeber verpflichtet, vor der Besetzung einer freien Stelle frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Verbindung aufzunehmen. Die Verletzung dieser Pflicht ist als Vermutungstatsache für einen Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Behinderung geeignet (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21).

46

Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts prüfte die Beklagte entgegen der sich aus § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ergebenden Pflicht vor der Besetzung der Stelle nicht, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Auch die Agentur für Arbeit wurde nicht eingeschaltet, § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Daher wurde auch der frei werdende und neu zu besetzende Arbeitsplatz der Agentur für Arbeit nicht gemeldet (§ 82 Satz 1 SGB IX).

47

bb) Der Senat teilt die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht, die Kausalität zwischen dem Merkmal der Behinderung und der benachteiligenden Behandlung entfalle, weil der Kläger der Beklagten nur eine „Behinderung“ mitgeteilt habe. Als schwerbehinderter Mensch (GdB von 60) kann sich der Kläger auf Verstöße gegen § 81 SGB IX berufen(vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3). Der zurechenbare Pflichtverstoß der Beklagten begründet eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die dem Kläger zuteil gewordene benachteiligende Behandlung auf dem Merkmal der Behinderung beruht. Mit ihrem Verhalten erweckt die Beklagte den Anschein, nicht nur an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein, sondern auch möglichen Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen zu wollen (Düwell in: LPK-SGB IX 3. Aufl. § 81 Rn. 57). Der Verstoß gegen die Pflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX deutet darauf hin, dass das Merkmal der Behinderung Teil des Motivbündels der Beklagten bei der benachteiligenden Behandlung von Schwerbehinderten und damit auch des schwerbehinderten Klägers war. Andernfalls würde der durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu gewährende Schutz vor einer Benachteiligung weitgehend leerlaufen (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - Rn. 27, BVerwGE 139, 135). Ob sich ein solcher Verfahrensverstoß in der Auswahlentscheidung konkret ausgewirkt hat, ist unerheblich, da § 15 Abs. 2 AGG auch bei der besseren Eignung von Mitbewerbern eine Entschädigung gewährt. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass § 15 Abs. 2 AGG in Verb. mit § 81 Abs. 2 Satz 1, § 82 Satz 2 SGB IX bereits vor einem diskriminierenden Verfahren schützt(BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 42, BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

48

7. Die Beklagte hat die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung des Klägers nicht widerlegt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigt ihr Vorbringen nicht den Schluss, dass die Behinderung des Klägers in dem Motivbündel nicht enthalten war, das die Beklagte beim Ausschluss des Klägers aus dem Auswahlverfahren beeinflusste.

49

a) Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht auch auf der Behinderung beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung führten (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19), und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war. Für die Mitursächlichkeit reicht es aus, dass die vom Arbeitgeber unterlassenen Maßnahmen objektiv geeignet sind, schwerbehinderten Bewerbern keine oder weniger günstige Chancen einzuräumen, als sie nach dem Gesetz zu gewähren sind (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 44, aaO; Düwell in: LPK-SGB IX 3. Aufl. § 81 Rn. 67).

50

b) Die Beklagte kann die Benachteiligungsvermutung nicht durch den Verweis auf die bessere Eignung der tatsächlich eingestellten Frau Mü widerlegen. Eine solche bessere Eignung der bevorzugten Mitbewerberin schließt eine Benachteiligung nicht aus. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG, wonach selbst dann eine Entschädigung zu leisten ist, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre(vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15). Auch aus dem Vortrag der Beklagten, Frau M habe das Verhalten des Klägers während der Zeit an der Fachhochschule K als aufdrängend wahrgenommen, was den Bürgermeister veranlasst habe, den Kläger nicht weiter am Auswahlverfahren teilnehmen zu lassen, ergibt sich keine Widerlegung der Vermutung. Damit hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung führten. Der Sachgehalt eines solchen Auswahlkriteriums steht zudem in Frage.

51

8. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs, § 242 BGB, ausgeschlossen.

52

a) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen wird(vgl. BGH 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04 - NJW-RR 2005, 619; BAG 28. August 2003 - 2 AZR 333/02 - AP BGB § 242 Kündigung Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 4; 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128 = AP BGB § 242 Kündigung Nr. 9 = EzA BGB § 242 Nr. 39; Palandt/Grüneberg 70. Aufl. § 242 BGB Rn. 38). § 242 BGB eröffnet damit die Möglichkeit jede atypische Interessenlage zu berücksichtigen, bei der ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtslage zwingend erscheint(vgl. BAG 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 61; MünchKommBGB/Roth 5. Aufl. § 242 BGB Rn. 180). Zur Konkretisierung atypischer Interessenlagen wurden Fallgruppen gebildet, in denen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nahe liegt. Hierzu zählt die Fallgruppe des unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung (vgl. BAG 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - aaO; Palandt/Grüneberg aaO Rn. 42 f.).

53

Im Falle von Ansprüchen nach § 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgte, um Entschädigungsansprüche zu erlangen(vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135; Windel RdA 2011, 193, 194 f.; Jacobs RdA 2009, 193, 198 f.; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 15 AGG Rn. 10; HK-ArbR/Berg 2. Aufl. § 15 AGG Rn. 9). Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist dabei ein anerkannter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (EuGH 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 12. Mai 1998 - C-367/96 - [Kefalas ua.] Rn. 20, Slg. 1998, I-2843; Däubler/Bertzbach-Deinert AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 53; Windel RdA 2011, 193 f.).

54

Für die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit, dh. den Rechtsmissbrauch ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet (vgl. MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 17; HK-ArbR/Berg 2. Aufl. § 15 AGG Rn. 9), wobei der Arbeitgeber Indizien vortragen muss, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 15 AGG Rn. 10; Windel RdA 2011, 193, 195; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 6 Rn. 12). Zwar könnte ein krasses Missverhältnis zwischen Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle und der Qualifikation des Bewerbers die Ernsthaftigkeit der Bewerbung in Frage stellen (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2; MünchKommBGB/Thüsing aaO; DFL/Kappenhagen/Kramer 4. Aufl. § 11 AGG Rn. 5). Der Kläger hat jedoch die Staatsprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst abgelegt und besitzt damit die Qualifikation für eine Tätigkeit im gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst. Ein Missverhältnis zwischen Anforderungsprofil und Qualifikation des Klägers als Bewerber liegt nicht vor.

55

b) Danach hat die Beklagte keine ausreichenden Indizien für eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers vorgetragen.

56

Auch wenn der Kläger eine Vielzahl von Entschädigungsklagen gegen öffentliche Arbeitgeber in Folge der Vielzahl seiner Bewerbungen angestrengt hat, so liegt hierin allein kein ausreichender Umstand, der die Bewerbung bei der Beklagten als subjektiv nicht ernsthaft erscheinen ließe (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 54). Der Kläger hat im fortgeschrittenen Alter und trotz vorhandener anderer Berufsabschlüsse das Studium an der Fachhochschule K mit der Staatsprüfung im September 2008 abgeschlossen und sich entsprechend dieser Ausbildung bei einer Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften beworben. Der Kläger stand zum Zeitpunkt der Bewerbung in keinem anderweitigen Arbeitsverhältnis. Die Vielzahl der Bewerbungen spricht - auch angesichts des Lebenslaufs des Klägers - mehr für die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung als dafür, dass es dem Kläger nur um die Erlangung einer Entschädigung gegangen sein könnte. Gegen eine fehlende Ernsthaftigkeit spricht vor allem aber, dass sich der Kläger auch erfolgreich beworben und eine entsprechende Tätigkeit bei einem öffentlichen Arbeitgeber im Zeitraum 12. Januar bis 31. März 2010 in Oberbayern ausgeübt hat.

57

III. Über die Höhe der dem Kläger nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zustehenden angemessenen Entschädigung kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

58

1. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falls berücksichtigen zu können. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80 mwN, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

59

2. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, welche Höhe angemessen ist und ob die Entschädigung in der Höhe auf drei Monatsgehälter begrenzt werden muss. Für die Höhe der festzusetzenden Entschädigung sind Art und Schwere der Verstöße sowie die Folgen für den schwerbehinderten Kläger von Bedeutung (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 55, BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 60, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Hierbei wird das Landesarbeitsgericht insbesondere zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte nicht zurechenbar gegen § 81 Abs. 1 Sätze 4 bis 9, § 82 Satz 2 SGB IX verstoßen hat, sondern allein gegen die Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Döring    

        

    Warnke    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 91% und die Beklagte 9% zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.

2

Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis 20. April 2007 sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.

3

Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom 4. April 2007 „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am 24. Februar 1959 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am 4. April 2007 telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. April 2007, der Beklagten am 16. April 2007 zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 18. April 2007 einen für die Zeit vom 16. bis 20. April 2007 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis 20. April 2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.

5

Unter dem 16. Mai 2007 ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am 12. Juli 2007 die vorliegende Klage.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.

7

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11.294,35 Euro liegen sollte, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2007 zu zahlen.

        
8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am 4. April 2007 irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.

9

Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

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Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.

11

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.

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B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

14

1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. September 2008 die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem 25. November 2008 Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem 30. Dezember 2008 begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom 19. März 2009 - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom 25. November 2008 eingelegt. Das mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.

15

2. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 41/09 - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; 13. September 1972 - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; BGH 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; 29. Juni 1966 - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380 , 383). Ihre Revision vom 25. November 2008 hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am 26. März 2009 zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom 17. April 2009 wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

16

II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom 17. April 2009 wurde ihr am 24. April 2009 zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den 25. Mai 2009 und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.

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C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

18

I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

19

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.

20

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.

21

1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. August 2006 das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am 4. April 2007 als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.

22

2. Die Parteien unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG.

23

a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; offengelassen 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG BAG 27. April 2000 8 AZR 295/99 - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2),kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.

24

b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

25

3. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

26

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.

27

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).

28

bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am 4. April 2007 erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.

29

cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

30

(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am 4. April 2007 abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).

31

(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.

32

(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am 4. April 2007 gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am 4. April 2007 wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom 14. April 2007 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom 4. April 2007 gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.

33

dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am 4. April 2007 wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab 18. April 2007 aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.

34

ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am 4. April 2007 ist der Beklagten auch zuzurechnen.

35

Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).

36

ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.

37

b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.

38

4. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.

39

a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - BGHZ 138, 388).

40

b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

41

aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).

42

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.

43

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am 4. April 2007 für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht(§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.

44

5. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom 4. April 2007 hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und 16. Mai 2007 jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am 12. Juli 2007 hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

45

D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.

46

E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Rosemarie Koglin    

        

    Mallmann    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.