Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. April 2017 (21 Ca 288/16) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über variable Vergütungen des Klägers sowie über die Zulässigkeit eines Einspruchs der Beklagten gegen ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin seit 2001 als übertariflicher Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem Jahr 2014 herrscht Streit zwischen den Parteien über das Bestehen und den Umfang von Ansprüchen des Klägers auf Jahressonderzahlungen für die Jahre ab 2012. Für die Jahre 2012 und 2013 hat der Kläger eine rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg erstritten (7 Sa 53/15). Mit der am 7. Juli 2016 vor dem Arbeitsgericht Hamburg erhobenen Klage hat der Kläger Jahreszahlungen für die Jahre 2014 und 2015 geltend gemacht.

3

Die Klage wurde der Beklagten am 13. Juli 2016 zugestellt. Die Beklagte ist zur Güteverhandlung am 25. August 2016 ordnungsgemäß geladen worden. Zu diesem Termin ist der Kläger mit seiner Prozessbevollmächtigten erschienen, für die Beklagte dagegen niemand.

4

Der Kläger hat daraufhin den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt sowie,

5

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Jahreszahlung für 2014 in Höhe von € 2.300,85 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2015 zu zahlen, sowie eine Jahreszahlung für 2015 in Höhe von € 2.300,85 brutto abzgl. bereits gezahlter € 460,17 zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz auf € 1.840,68 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Das Arbeitsgericht Hamburg hat am 25. August 2016 ein den klägerischen Anträgen voll stattgebendes Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen, das dieser am 7. September 2016 an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg zugestellt worden ist.

7

Das Versäumnisurteil enthielt die folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

8

„Rechtsbehelfsbelehrung

9

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Einspruch einlegen.

10

Der Einspruch muss schriftlich, d.h. mit Unterschrift versehen, beim Arbeitsgericht eingelegt werden. Er kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts erklärt werden.

11

Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beträgt eine Woche; sie kann nicht verlängert werden. Innerhalb dieser Frist muss der Einspruch beim Arbeitsgericht eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.

12

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

13

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;

14

2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

15

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

16

Wird der Einspruch nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt, so ist er als unzulässig zu verwerfen.

17

Die Anschrift des Arbeitsgerichts Hamburg lautet:

18

Osterbekstraße 96, 22083 Hamburg
Dr. D.“

19

Der elektronische Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht ist seit dem 1. Dezember 2014 in allen Verfahren eröffnet (vgl. Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28. Januar 2008).

20

Mit Schriftsatz vom 19. September 2016, bei Gericht per Fax vorab am 19. September 2016 eingegangen, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begehrt, den Einspruch als fristgemäß zu behandeln, hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

21

Die Beklagte hat vorgetragen, der Einspruch gegen das Versäumnisurteil sei fristgemäß eingelegt worden, da die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei. In der Rechtsbehelfsbelehrung finde sich weder ein Hinweis auf die Telefaxnummer des Arbeitsgerichts noch auf die Möglichkeit, den Einspruch mittels des elektronischen Rechtsverkehrs einzulegen. Da die Rechtsbehelfsbelehrung insofern unterblieben oder unrichtig sei, betrage die Frist für die Einlegung des Einspruchs ein Jahr. Jedenfalls sei der Beklagten aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn durch die Zustellung an den Hamburger Standort der Beklagten sei sie, da dort weder eine Geschäftsleitung noch eine Rechtsabteilung existierten, unverschuldet an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen.

22

Die Beklagte hat (gemäß Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils) beantragt,

23

den Einspruch als fristgemäß zu behandeln, hilfsweise der Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

24

Der Kläger hat (gemäß Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils) beantragt,

25

den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

26

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht fehlerhaft gewesen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da ein Organisationsverschulden der Beklagten vorliege.

27

Mit Urteil vom 11. April 2017 hat das Arbeitsgericht den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. August 2016 als unzulässig verworfen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Einspruchsfrist habe eine Woche betragen, diese habe die Beklagte nicht eingehalten. Ob § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG anwendbar sei nicht, könne offenbleiben, denn die Rechtsbehelfsbelehrung, die dem Versäumnisurteil beigefügt gewesen sei, sei nicht fehlerhaft, sondern ordnungsgemäß erfolgt. Nach § 59 S. 3 ArbGG ist der Betroffene mit der Zustellung des Versäumnisurteils schriftlich darauf hinzuweisen, dass der Einspruch in Wochenfrist schriftlich oder durch Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen sei. Nach § 9 Abs. 5 S. 2, 3 ArbGG, eine entsprechende Anwendung vorausgesetzt, sei für den Lauf der Rechtsmittelfrist Voraussetzung, dass über das Rechtsmittel, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen sei, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Form und Frist schriftlich belehrt werde. Diesen Anforderungen sei die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung gerecht geworden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 11. April 2017 Bezug genommen (Bl. 313 ff d.A.).

28

Das Urteil ist der Beklagten am 15. Mai 2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 9. Juni 2017 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Juli 2017, am selben Tag vorab beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründet.

29

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft entschieden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei fehlerhaft gewesen. Die Einspruchsfrist habe daher nicht in Gang gesetzt werden können, weshalb der Einspruch noch fristgemäß erfolgt sei. Rechtsfehlerhaft sei bereits die Ansicht des Arbeitsgerichts, die Rechtsbehelfsbelehrung müsse nicht darauf hinweisen, dass ein Einspruch per Telefax eingelegt werden könne. Zur Vervollständigung einer Rechtsbehelfsbelehrung bedürfe es der Angabe der Anschrift des Gerichts. Hierzu gehöre neben der postalischen Anschrift auch die Angabe der Faxnummer. Die Einlegung von Rechtsmitteln durch Telefax sei praxisüblich, weshalb erst die Faxnummer die Anschrift des Gerichts vervollständige. Diese Angabe hätte auch nicht dazu geführt, dass die Verständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung nicht mehr gegeben gewesen wäre. Entsprechendes gelte für einen Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr. Auch hierüber hätte belehrt werden müssen. Zudem sei durch den Hinweis auf die notwendige Schriftform des Einspruchs die Belehrung irreführend, weil der Eindruck erweckt werden könne, der Einspruch sei nur in einer verschriftlichten Ausfertigung auf Papier möglich, nicht aber auf elektronischem Wege. Erwägungen dahingehend, ob das Unterlassen der Belehrung über die Möglichkeit der Einspruchseinlegung mittels elektronischem Rechtsverkehr oder Telefax geeignet gewesen sei, einen Betroffenen von der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels abzuhalten, hätten nicht erfolgen müssen. Solche Erwägungen spielten keine Rolle im Rahmen von § 59 ArbGG. Von Bedeutung sei lediglich, ob die Rechtsbehelfsbelehrung objektiv fehlerhaft gewesen sei. Unerheblich sei, ob der Mangel der Rechtsbehelfsbelehrung dazu geführt habe, die Einlegung des Rechtsmittels zu behindern oder zu erschweren. Zudem sei die Ansicht des Arbeitsgerichts, die Einlegung des Einspruchs mittels elektronischen Rechtsverkehrs stelle keine Vereinfachung der Einspruchsregelung dar, von Rechtsfehlern getragen. Vielmehr könne dieser Weg sogar ein vereinfachter Weg sein, Einspruch einzulegen. Auch sei die Auffassung fehlerhaft, der fehlende Hinweis auf das Telefax sei nicht geeignet, einen Betroffenen von der rechtzeitigen Einlegung eines Rechtsmittels abzuhalten. Zumindest aber hätte das Arbeitsgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Die Beklagte sei ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, die Einspruchsfrist zu wahren. Da sich der Hauptsitz in M. befinde, hätte das Versäumnisurteil dort zugestellt werden müssen. Die Kombination der Umstände, die örtliche Distanz der Standorte M. und Hamburg sowie die kurze Notfrist von einer Woche sprächen gegen ein Verschulden der Beklagten an der Fristsäumnis. Jedenfalls aber werde nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 233 S. 2 ZPO fehlendes Verschulden vermutet, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung, wie vorliegend, fehlerhaft gewesen sei.

30

Die Beklagte beantragt,

31

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. April 2017, Az. 21 Ca 288/16, aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht Hamburg zurück zu verweisen.

32

Der Kläger beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und trägt vor, der Einspruch sei verfristet, die Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß gewesen. Die Anforderungen von § 59 ArbGG seien erfüllt. Der Hinweis auf die Möglichkeit des schriftlichen Einspruchs erfasse die Einlegung des Einspruchs per Telefax der auf dem Wege des elektronischen Rechtsverkehrs. Beide stellten keine eigenständige Form dar, sondern nur eine Ausgestaltung der Schriftform. Es müsse nicht jede mögliche Art der Schriftform angeführt werden. § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG sei weder direkt noch analog anzuwenden. Schließlich habe das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt, dass der elektronische Rechtsverkehr keine Vereinfachung für die Einreichung eines Einspruchs darstelle, da dieser Zugang nicht jedem offen stehe und diverse technische Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zu Recht abgelehnt worden. Die Beklagte habe die Fristversäumnis zu vertreten.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

36

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zulässig, aber nicht begründet, da der Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu Rechts als unzulässig verworfen worden ist.

1.

37

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6, ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet.

2.

38

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zu Rechts als unzulässig verworfen worden. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren gegen die Erwägungen des Arbeitsgerichts vorgetragenen Argumente überzeugen letztendlich nicht. Dazu sei Folgendes ausgeführt:

a)

39

Unstreitig war das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. August 2016 ordnungsgemäß am 7. September 2016 zugestellt worden. Unstreitig hat die Beklagte nicht innerhalb von einer Woche ihren Einspruch eingelegt, sondern erst am 19. September 2016.

40

Der am 19. September 2016 eingelegte Einspruch war verfristet. Nach § 59 S. 1 ArbGG kann gegen ein Versäumnisurteil binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch eingelegt werden. Demnach beginnt die Notfrist von einer Woche grundsätzlich mit der Zustellung des Versäumnisurteils. Ob die Notfrist bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung nicht zu laufen beginnt oder ob trotz fehlerhafter/fehlender Rechtsbehelfsbelehrung die Notfrist bereits mit Zustellung des Versäumnisurteils zu laufen beginnt (so etwa BGH, 15.12.2010, XII ZR 27/09 zu § 338 S. 2 ZPO a.F.), sodann aber einem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben ist, kann dahinstehen. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung war vorliegend nicht fehlerhaft. Soweit der Beklagtenvertreter rügt, die Rechtsbehelfsbelehrung hätte auch die Faxnummer des Arbeitsgerichts beinhalten und einen Hinweis auf die Möglichkeit eines Einspruchs per elektronischem Rechtsverkehr enthalten müssen, kann dem nicht gefolgt werden.

b)

41

Mit der vorliegenden Rechtsbehelfsbelehrung wurde dem Wortlaut des § 59 S. 2 ArbGG Genüge getan. Es wurde auf die Möglichkeit des Einspruchs hingewiesen und die Notwendigkeit der Schriftform mitgeteilt bzw. alternativ die Möglichkeit des Einspruchs per Abgabe einer Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle. Zudem wurde die Anschrift des Arbeitsgerichts mitgeteilt. Das war ausreichend. Dem Wortlaut dieser Bestimmung ist weder zu entnehmen, dass auf die Möglichkeit des Einspruchs per elektronischem Rechtsverkehr hinzuweisen ist noch auf die Möglichkeit des Einspruchs per Fax unter Mitteilung der Faxnummer des Gerichts (vgl. BFH, 18.1.2017, VII B 158/16 zur Frage der Notwendigkeit der Angabe der Faxnummer).

42

aaa)

43

Eine Rechtsbehelfsbelehrung sollte so einfach und klar wie möglich gehalten werden, um im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden. Deshalb erscheint es als ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet (BFH, 10.11.2016, X B 85/16, m.w.N.; zit. nach juris). Auf dieser Grundlage reicht es aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Formerfordernisses für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 59 ArbGG wiedergibt, d.h. einen Hinweis dahingehend enthält, dass der Einspruch schriftlich beim Arbeitsgericht oder durch Abgabe einer Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Die Angabe der Anschrift des Arbeitsgerichts wird von § 59 ArbGG nicht gefordert.

44

bbb)

45

Sodann gilt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung erst dann unrichtig ist, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich abgefasst ist, dass durch sie die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (BFH, 10.11.2016, X B 85/16; 9.11.2009, IV B 54/09; zit. nach juris).

46

Weitergehend wird vertreten, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig ist, wenn sie die in der Belehrungsnorm zwingend geforderten Angaben nicht enthält, sondern auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. BVerwG, 21.3.2002, 4 C 2/01; zit. nach juris). Allerdings wird auch hiernach vertreten, dass es sich im Hinblick auf die Formerfordernisse eines Rechtsbehelfs um Hinweise handelt, die die Belehrungshinweisnorm in der Aufzählung der erforderlichen Inhalte einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht erfasst und die damit nicht zwingend enthalten sein müssen. Sofern die Belehrung dergestaltete Hinweise aber enthält, entsprechen diese Zusätze nur dann den Anforderungen der Rechtsbehelfshinweisnorm, wenn sie keinen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt haben, der generell geeignet ist, den Betroffenen von der (ordnungsgemäßen) Einlegung des Rechtsbehelfs abzuhalten (BVerwG, 30.4.2009, 3 C 23/08; zit. nach juris). Nicht entscheidend sei dabei, ob der beanstandete Zusatz der Belehrung im konkreten Fall tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt habe, dass das Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Es genüge, dass der irreführende Zusatz objektiv geeignet gewesen sei, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren (BVerwG, 30.4.2009, 3 C 23/08; zit. nach juris).

47

ccc)

48

Nach den vorstehenden Grundsätzen und Ansichten kann vorliegend nicht von einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung ausgegangen werden.

49

Die vorliegende Belehrung war in ihren Aussagen weder unzutreffend noch unvollständig oder missverständlich abgefasst. Es war der Hinweis auf die erforderliche Schriftform enthalten, wobei sogar der Zusatz enthalten war, was dies bedeutet („d.h. mit Unterschrift versehen“). Zudem war der Hinweis enthalten, dass der Einspruch auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts erklärt werden. Den Erfordernissen des § 59 ArbGG war damit Genüge getan. Insbesondere war nicht die Faxnummer anzugeben, da § 59 ArbGG – im Gegensatz zu § 9 Abs. 5 ArbGG – nicht die Angabe der Anschrift des Arbeitsgerichts fordert. Zudem zählt die Faxnummer nicht zur Anschrift des Gerichts.

50

Soweit der fehlende Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr und einen Einspruch mittels Fax gerügt worden ist, gilt, dass von dem Hinweis auf die Schriftform zugleich die Einreichung mittels elektronischen Rechtsverkehrs umfasst ist. Der elektronische Rechtsverkehr stellt keine eigenständige Form dar. Vielmehr ist gesetzlich geregelt, dass insoweit die Schriftform gewahrt ist (§ 46c Abs. 1 S. 1 ArbGG). Ebenso verhält es sich mit der Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs durch Telefax oder Computerfax. Auch diese Wege wahren die Schriftform (vgl. zB LAG Köln, 10.4.2001, 6 Ta 58/01; zit. nach juris) ebenso wie Telekopie, Telegramm oder Fotokopie eines handschriftlichen Einspruchs (vgl. EK-Koch, § 60 ArbGG Rn. 10). Notwendig in diesen Fällen ist lediglich, dass die Unterschrift des Originals erkennbar ist.

51

Die Rechtsbehelfsbelehrung war auch nicht objektiv geeignet, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren. Sie stand nicht der Rechtsschutzgarantie entgegen, ebenso war dem Grundsatz der Wahrung rechtlichen Gehörs ausreichend Rechnung getragen (vgl. BVerfG, 2.3.1993, 1 BvR 249/92; zit. nach juris). Die vorliegende Rechtsbehelfsbelehrung war nach dem zugrunde zu legenden objektiven Empfängerhorizont nicht geeignet, eine Fehlvorstellung über die Art, Einspruch einlegen zu können, hervorzurufen (vgl. BFH, 12.12.2012, I B 127/12; zit. nach juris). Es war klar erkennbar, dass der Einspruch schriftlich – möglich auf diversen Wegen – oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann.

52

Im Hinblick auf den elektronischen Rechtsverkehr ist ferner zu beachten, dass der Gesetzgeber die Einlegung von Rechtsbehelfen auf elektronischem Wege durch die Aufnahme entsprechender Vorschriften lediglich zugelassen hat. Er hat aber keine Veranlassung gesehen, diese Option neben der schriftlichen und mündlichen (zur Niederschrift) Form als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren (so BSG, Urt. v. 14.03.2013, B 13 R 19/12 R; zit. nach juris). Ausgehend vom Sinn und Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, nämlich zu verhüten, dass jemand aus Unkenntnis den Rechtsweg nicht ausschöpft, muss eine „korrekte“ Belehrung nicht stets allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen. Es reicht aus, wenn sie die Beteiligten in die richtige Richtung lenkt (BSG, a.a.O.). Dies ist bei einer Belehrung, die auf die „klassischen“ und allgemein gebräuchlichen Möglichkeiten der Einlegung hinweist, der Fall. Eine solche Belehrung zeigt die offenstehenden Wege hinreichend klar und deutlich auf (BSG, a.a.O.). Die Aufnahme aller möglichen Varianten, einen Einspruch einlegen zu können, kann zur Unübersichtlichkeit der Rechtsbehelfsbelehrung führen oder auch – bei Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr – ggf. die Fehlvorstellung hervorrufen, dass eine Einlegung per einfacher E-Mail genügt (vgl. LSG Darmstadt, 20.06.2011, l 7 AL 87/10; zit. nach juris). Hinzu kommt schließlich, dass ein Einspruch per elektronischem Rechtsverkehr, wenn sie denn die nach gesetzgeberischer Vorstellung erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllen soll, mit erheblichem Informations- und Vorbereitungsaufwand verbunden ist und keine Vereinfachung des Rechtsschutzzugangs im Vergleich zur schriftlichen Erhebung oder zur Erklärung zur Niederschrift darstellt, jedenfalls nicht für den durchschnittlichen Adressaten. Für diesen zieht der fehlende Hinweis auf diese Möglichkeit kein Risiko für einen Verlust eines Rechtsmittels nach sich (OVG Bremen, 08.08.2012, 2 A 53/12.A; zit. nach juris).

53

Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass der durchschnittliche Adressat einer Rechtsbehelfsbelehrung sich ohnehin erkundigen wird und muss, was unter „Schriftform“ zu verstehen ist, da sich dies nicht von selbst erklärt. Eine solche Erkundigung ist ihm auch möglich und zumutbar. Dabei kann sodann geklärt werden, ob ein Einspruch per Telefax oder auf elektronischem Weg möglich ist.

c)

54

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 20.07.2000 ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Er wurde rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO (in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG) eingelegt. Der Antrag enthält auch Angaben über die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen, außerdem ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist ordnungsgemäß nachgeholt worden, wie dies § 236 Abs. 2 ZPO vorschreibt.

55

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

56

Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Antrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. D.h., dass alle Tatsachen, die ihn stützen sollen, innerhalb der Frist vollständig, ausdrücklich und bestimmt angegeben werden müssen. Hierzu gehören auch alle subjektiven Vorgänge zu Kenntnis oder Unkenntnis von Tatsachen, Irrtum, Kausalität und fehlendem Verschulden. Alle später vorgebrachten Tatsachen können nicht mehr berücksichtigt werden.

57

Hinreichende Tatsachen, die erkennen ließen, dass die Beklagte ohne ihr Verschulden verhindert war, den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 25. August 2016 rechtzeitig einzulegen, enthält die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches vom 27.09.2000 nicht. Die Erklärungen lassen nicht erkennen, weshalb es der Beklagten nicht möglich war, die Einspruchsfrist zu wahren. Das Versäumnisurteil ist wirksam und ordnungsgemäß an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg zugestellt worden (§§ 178, 180 ZPO). Der Umstand, dass die Beklagte in Hamburg keine Zentrale, keine Geschäftsführung und keine Rechtsabteilung unterhält, hindert die Zustellung am Ort der Niederlassung nicht. Gemäß § 178 Abs. 1 ZPO kann die Zustellung (eines Urteils) nämlich auch in dem Geschäftsraum erfolgen, und zwar an eine dort beschäftigte Person. Geschäftsraum ist jeder Raum, in dem Geschäfte, welcher Art auch immer, ausgeübt werden (ZPO-Zöller, 30. Aufl., § 178 ZPO Rn. 15). Dabei ist es unerheblich, ob es sich um das Hauptgeschäft oder um eine Zweigniederlassung handelt (vgl. ZPO-Zöller, 30. Aufl., § 178 ZPO Rn. 15 ff). Unter der Adresse in Hamburg unterhielt die Beklagte unstreitig einen Geschäftsraum. Ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 48 d.A.) wurde das Versäumnisurteil dort einem Beschäftigen der Beklagten übergeben. Damit ist das Versäumnisurteil wirksam und ersatzweise zugestellt worden.

58

Leitet sodann die Niederlassung bzw. die dort beschäftigen Arbeitnehmer gerichtliche Schreiben nicht rechtzeitig an die intern zuständigen Personen weiter, so ist das ein Versäumnis der Beklagten. In so einem Fall liegt ein internes Organisationsversagen vor, welches nicht ein fehlendes Verschulden im Hinblick auf eine Fristwahrung begründen kann. Die Beklagte hätte dafür sorgen müssen, dass gerichtliche – oder auch sonstige wichtige Schriftstücke – umgehend an die Zentrale weitergeleitet werden, insbesondere wenn sich wie hier aus einer Rechtsbehelfsbelehrung ergibt, dass eine kurze Frist zu wahren ist. Ein Tatsachenvortrag, aus dem sich die Schuldlosigkeit an der Versäumung der Einspruchsfrist ergibt, ist damit nicht gegeben.

3.

59

Abschließend ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass mit dieser Entscheidung das Verfahren insgesamt erledigt ist.

60

Soweit der von der Beklagten im Schriftsatz vom 22. November 2016 angekündigte Widerklageantrag in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts vom 11. April 2017 nicht gestellt und beschieden wurde, ist dies unschädlich. Da der Klagabweisungsantrag inhaltlich durch das Verwerfen des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil als unzulässig entschieden wurde, ist inhaltlich zugleich über den Widerklageantrag befunden worden. Der Widerklageantrag bezog sich nämlich auf die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorläufig gezahlte Jahreszahlung für 2014 und 2015. Mit der Widerklage begehrte die Beklagte die Rückzahlung der vorläufig gezahlten Beträge. Hierauf hätte die Beklagte aber nur dann einen Anspruch gehabt, wenn der Einspruch als zulässig erachtet und die Klaganträge als unbegründet zurückgewiesen worden wären. Da aber schon der Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen worden ist, hat der Kläger die bereits – zur Abwendung der Zwangsvollstreckung – gezahlten Beträge zu Recht erhalten. Damit ist zugleich geklärt, dass die Beklagte die mit der Widerklage geltend gemachten Beträge von dem Kläger nicht zurückverlangen kann.

II.

61

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte Kläger (§ 97 ZPO).

62

Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - XII ZR 27/09

bei uns veröffentlicht am 15.12.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL XII ZR 27/09 Verkündet am: 15. Dezember 2010 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 11. Apr. 2017 - 21 Ca 288/16

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

Tenor 1) Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. August 2016 mit Aktenzeichen 21 Ca 288/16 wird als unzulässig verworfen. 2) Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen. Tatbestand

Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Jan. 2017 - VII B 158/16

bei uns veröffentlicht am 18.01.2017

Tenor Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 2016  9 K 2161/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Beschluss, 10. Nov. 2016 - X B 85/16

bei uns veröffentlicht am 10.11.2016

Tenor Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. April 2016  9 K 1558/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 14. März 2013 - B 13 R 19/12 R

bei uns veröffentlicht am 14.03.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. April 2012 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. N

Bundesfinanzhof Beschluss, 12. Dez. 2012 - I B 127/12

bei uns veröffentlicht am 12.12.2012

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob eine Anordnung eines Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) mit Blick auf ein zwischenzeitlich über da

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Tenor

1) Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. August 2016 mit Aktenzeichen 21 Ca 288/16 wird als unzulässig verworfen.

2) Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über variable Vergütung des Klägers. Nach Ergehen eines Versäumnisurteils streiten die Parteien nun über die Zulässigkeit des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin seit 2001 als übertariflicher Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem Jahr 2014 herrscht Streit zwischen den Parteien über das Bestehen und den Umfang von Ansprüchen des Klägers auf Jahressonderzahlungen für die Jahre ab 2012. Für die Jahre 2012 und 2013 hat der Kläger eine rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg erstritten. Mit der am 7. Juli 2016 vor dem Arbeitsgericht Hamburg erhobenen Klage will der Kläger die Beklagte zu bezifferten Jahreszahlungen für die Jahre 2014 und 2015 verurteilt wissen. Die Klage wurde der Beklagten am 13. Juli 2016 zugestellt und die Beklagte zur Güteverhandlung am 25. August 2016 geladen. Zu dieser Verhandlung erschien der Kläger mit seiner Prozessbevollmächtigten. Für die Beklagte erschien niemand.

3

Der Kläger beantragte daraufhin,

4

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Jahreszahlung für 2014 in Höhe von 2.300,85 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2015 zu zahlen, sowie eine Jahreszahlung für 2015 in Höhe von 2.300,85 € brutto abzgl. bereits gezahlter 460,17 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz auf 1.840,68 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Der Kläger beantragte weiter den Erlass eines Versäumnisurteils.

6

Das Arbeitsgericht Hamburg erließ am 25. August 2016 ein den klägerischen Anträgen voll stattgebendes Versäumnisurteil, das der Beklagten am 7. September 2016 an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg zugestellt wurde. Das Versäumnisurteil enthielt die folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

7

Rechtsbehelfsbelehrung

8

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Einspruch einlegen.

9

Der Einspruch muss schriftlich, d.h. mit Unterschrift versehen, beim Arbeitsgericht eingelegt werden. Er kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts erklärt werden.

10

Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beträgt eine Woche; sie kann nicht verlängert werden. Innerhalb dieser Frist muss der Einspruch beim Arbeitsgericht eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.

11

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

12

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

13

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

14

Wird der Einspruch nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt, so ist er als unzulässig zu verwerfen.

15

Die Anschrift des Arbeitsgerichts Hamburg lautet:

16

Osterbekstraße 96, 22083 Hamburg
Dr. D.“

17

Der elektronische Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht ist seit dem 1. Dezember 2014 in allen Verfahren eröffnet, vgl. Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28. Januar 2008, Anlage.

18

Mit Schriftsatz vom 19. September 2016, bei Gericht per Fax vorab eingegangen am 19. September 2016, legten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 begehrten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, den Einspruch als fristgemäß zu behandeln, hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

19

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Einspruch gegen das Versäumnisurteil fristgemäß eingelegt wurde, da die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei. In der Rechtsbehelfsbelehrung finde sich nämlich weder ein Hinweis auf die Telefaxnummer des Gerichts noch auf die Möglichkeit, Einspruch mittels des elektronischen Rechtsverkehrs einzulegen. Da die Rechtsbehelfsbelehrung insofern unterblieben oder unrichtig sei, betrage die Frist für die Einlegung des Einspruchs ein Jahr. Jedenfalls sei der Beklagten aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn durch die Zustellung an dem Hamburger Standort der Beklagten war sie, da dort weder eine Geschäftsleitung noch eine Rechtsabteilung existierten, unverschuldet an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert.

20

Die Beklagte beantragt,

21

den Einspruch als fristgemäß zu behandeln, hilfsweise der Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

22

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht fehlerhaft gewesen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da es sich um ein Organisationsverschulden der Beklagten handele.

23

Der Kläger beantragt,

24

den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

25

Auf den Tatsachenvortrag der Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlagen sowie in ihren protokollierten Erklärungen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Der Einspruch der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen. Sie hat die Einspruchsfrist versäumt. Das Gericht hat über die Zulässigkeit des Einspruchs in richtiger Besetzung entschieden (1.), der Einspruch war unzulässig (2.) und es war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (3.).

27

1. Das Gericht konnte über die Verwerfung des Einspruchs der Klägerin als Kammer entscheiden. Zwar ist in § 55 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG geregelt, dass der Vorsitzende außerhalb der streitigen Verhandlung allein über die Verwerfung eines Einspruchs als unzulässig entscheidet. Soweit allerdings eine mündliche Verhandlung unter Anwesenheit ehrenamtlicher Richter stattfindet, ist die Entscheidung durch die Kammer zu treffen (ArbG Bamberg, Versäumnisurteil vom 29. Oktober 1997 - 1 Ca 675/97 = NZA 1998, 904; Germelmann/Germelmann, 8. Aufl. 2013, ArbGG § 55 Rn. 3a; NomosKommentarArbGG/Hohmann, 3. Auflage 2014, § 55 Rn. 1; Grunsky/Benecke, 8. Auflage 2014, ArbGG § 55 Rn. 3; Hauck/Helml, 4. Aufl. 2011, ArbGG § 55 Rn. 6; a.A. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4 März 1997 - 6 Sa 1235/96 = NZA 1197,1071).

28

2. Die Beklagte hat den Einspruch gegen das ihr am 7. September 2016 zugestellte Versäumnisurteil vom 25. August 2016 außerhalb der Frist zur Einlegung des Einspruchs eingelegt. Die Einspruchsfrist betrug eine Woche, § 59 Abs. 1 S. 1 ArbGG, sodass die Frist zur Einlegung des Einspruchs bei Zustellung am 7. September 2017 mit Ablauf des 14. September 2017 geendet hat. Der Einspruch wurde erst am 19. September 2017 eingelegt.

29

Die Einspruchsfrist betrug nicht nach § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG in entsprechender Anwendung ein Jahr, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde. § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG ist auf die von der Beklagten gerügte Rechtsbehelfsbelehrung nicht unmittelbar anwendbar; eine unmittelbare Anwendung erfolgt nur hinsichtlich von Rechtsmittelbelehrungen. Hinsichtlich von Versäumnisurteilen ist in § 59 ArbGG geregelt, dass die Partei mit der Zustellung schriftlich darauf hinzuweisen ist, dass der Einspruch beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt wird. Ob eine Anwendung von § 9 Abs. 5 ArbGG neben § 59 ArbGG ausscheidet (BAG, Beschluss vom 1. April 1980 – 4 AZN 77/80 = BAG AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 5; LAG Nürnberg Urteil vom 10. Mai 1988 – 7 Sa 16/88) musste das Gericht nicht entscheiden, da auch unabhängig von einer Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG die Verlängerung der Einspruchsfrist auf ein Jahr oder der Nichtbeginn des Laufs der Einspruchsfrist nicht in Betracht kommt. Denn der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs mittels des elektronischen Rechtsverkehrs und die fehlende Angabe der Telefaxnummer des Gerichts führen nicht zu der Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung.

30

Eine Belehrung über das einzulegende Rechtsmittel ist dann unrichtig, wenn sie einen einzelgesetzlich festgelegten Inhalt einer Rechtsmittelbelehrung nicht aufweist. Sie ist auch dann unrichtig, wenn sie unzutreffenden oder irreführenden Inhalt hat, der geeignet ist, einen Betroffenen davon abzuhalten, ein Rechtsmittel rechtzeitig und in der richtigen Weise einzulegen (vgl. BVerwG Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 2/01 mwN; OVG Bremen, Urteil vom 8. August 2012 – 2 A 53/12.A). Es gilt ein abstrakter, objektiver Maßstab, sodass es nicht auf eine Kausalität einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung oder auf die speziellen Kenntnissen des Betroffenen ankommt (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 23/08; BVerwG Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 2/01). Die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung muss vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Anspruch auf eine Belehrung über einzulegende Rechtsmittel, Ausdruck der Rechtsschutzgarantie, dem Anspruch auf rechtliches Gehör, und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 - 1 BvR 249/92) beurteilt werden. Folglich ist auch wertend einzubeziehen, dass der Anspruch an eine Verständlichkeit der Belehrung über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, einer vollständigen Aufführung aller Möglichkeiten zur Einreichung von Erklärungen an ein Gericht entgegensteht. Es ist auch nicht über alle Möglichkeiten der Formwahrung, etwa über die Ersetzung der Schriftform durch notarielle Beurkundung oder durch notarielle Beglaubigung eines Handzeichens zu belehren. Es reicht damit für die Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung nicht aus, dass die Rechtsmittelbelehrung bei dem Betroffenen den Eindruck erwecken könnte, dass eine konkrete Möglichkeit der Formwahrung nicht gegeben sei (so aber: OVG Koblenz, Urteil vom 08. März 2012 - 1 A 11258/11.OVG mwN). Vielmehr muss möglich sein, dass der Betroffene deshalb das Rechtsmittel nicht einlegt.

31

Nach § 59 S. 3 ArbGG ist der Betroffene mit der Zustellung des Versäumnisurteils schriftlich darauf hinzuweisen, dass der Einspruch in Wochenfrist schriftlich oder durch Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen ist. Nach § 9 Abs. 5 S. 2, 3 ArbGG, eine entsprechende Anwendung vorausgesetzt, ist für den Lauf der Rechtsmittelfrist Voraussetzung, dass über das Rechtsmittel, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Form und Frist schriftlich belehrt worden ist.

32

Diesen Anforderungen wird die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung gerecht. Die Beklagte ist mit der Rechtsbehelfsbelehrung über das Gericht, bei dem der Einspruch einzulegen ist und die Frist in der der Einspruch einzulegen ist, richtig belehrt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung hat auch über die einzuhaltende Form richtig belehrt. Denn sie hat zutreffend und vollständig aufgeführt, dass die Einlegung des Einspruchs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann. Die Einreichung mittels elektronischen Rechtsverkehrs ist keine eigenständige Form, sondern wahrt die Schriftform, § 46c Abs. 1 S. 1 ArbGG. Ebenso verhält es sich nach Auffassung der Kammer mit einer unterbliebenen Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs durch Telefax, da auch diese Möglichkeit in systematischer Betrachtung – auch nach Einführung des (§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit) § 130 Nr. 6 ZPO – die Schriftform nur ersetzen soll.

33

Die Kammer hat deshalb die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob das Unterlassen der Belehrung über die Möglichkeit der Einspruchseinlegung mittels des elektronischen Rechtsverkehrs oder Telefax geeignet ist, einen Betroffenen von der rechtzeitigen, wirksamen Einlegung des Einspruchs abzuhalten.

34

Hierzu ist folgendes auszuführen: Der Betroffene muss sich ohnehin über die Voraussetzungen zur Einhaltung der Schriftform erkundigen und kann dies wegen des Hinweises auf die Möglichkeit der schriftlichen Einlegung auch. Was schriftlich ist und wie eine schriftliche Erklärung erstellt wird, erklärt sich für den unkundigen Betroffenen nicht von selbst. Dem Betroffenen, der aus welchen Gründen auch immer nicht willens oder in der Lage ist, ein Rechtsmittel mittels eines Schriftstückes einzureichen, wird die Möglichkeit der Abgabe der Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle hinreichend erkennbar deutlich. Die Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle stellt auch eine einfachere Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs dar, da derjenige, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, kein Schriftstück anfertigen muss. Die Kammer ist hingegen der Auffassung, dass die Einlegung des Einspruchs mittels des elektronischen Rechtsverkehrs gerade keine Vereinfachung der Einspruchseinlegung darstellt. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass wegen einer fehlenden Belehrung über die Möglichkeit zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs die Einlegung eines Einspruchs unterbleiben könnte. Das Unterlassen des Hinweises ist nicht geeignet, einen Betroffenen von der Einlegung des Einspruchs abzuhalten. Der Zugang zu dem elektronischen Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht Hamburg ist von zahlreichen besonderen Zugangsvoraussetzungen abhängig, insbesondere der Beifügung einer elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz. Neben der Identifikation des Nutzers einer qualifizierten Signatur, verschiedenen technischen Voraussetzungen, vor allem des Betriebes einer Signatureinheit, ist die Unterrichtung des angehenden Nutzers einer qualifizierten Signatur über die Wirkung der Nutzung der qualifizierten Signatur im Rechtsverkehr gemäß § 6 Abs. 2 des Signaturgesetzes vorgeschrieben. Wer an dem elektronischen Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht Hamburg teilnehmen möchte, ist bereits darüber unterrichtet, dass der Nutzung einer qualifizierten Signatur die gleiche Wirkung im Rechtsverkehr wie einer eigenhändigen Unterschrift zukommt. Der Nutzer wird ebenfalls über zahlreiche möglich Anwendungsprobleme und Gefahren der Verwendung einer qualifizierten Signatur unterrichtet, etwa der Möglichkeit des Zeitablaufs einer Signatur, der Notwendigkeit von Neusignierungen, Sicherheitsmaßnahmen und der Aufbewahrung der Signaturkarte, vgl. Signaturgesetz in Verbindung mit der Verordnung zur elektronischen Signatur.

35

Auch der fehlende Hinweis auf die mögliche Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax ist nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, einen Betroffenen von der rechtzeitigen Einlegung eines Rechtsmittels abzuhalten. Zwar ist die Nutzung eines Telefaxes von weniger Voraussetzungen als die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs abhängig. Nach Auffassung der Kammer kann aber ein Betroffener auch ohne Aufklärung über die Möglichkeit der Nutzung eines Telefaxes das Rechtsmittel rechtzeitig einlegen. Hinzu kommt, dass die Nutzung eines Telefaxgerätes wiederum Überwachungshandlungen des Nutzers erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2016 – VII ZB 17/16; BGH, Beschluss vom 16.11.2016 – VII ZB 35/14). Sollte in Einzelfällen die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsmittels tatsächlich durch einen fehlenden Hinweis auf eine Möglichkeit der Wahrung der Schriftform kausal bedingt worden sein, genügt die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Interessen des Betroffenen in ausreichendem Maße.

36

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zurückzuweisen. Denn die Beklagte war nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert. Das Versäumnisurteil wurde an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg, dem Beschäftigungsort des Klägers zugestellt. Soweit eine Weiterleitung unterblieben ist, weil die Beklagte dort keine Rechtsabteilung und keine Geschäftsleitung unterhält, stellt dies ein Organisationsverschulden der Beklagten dar. Sie hätte die Mitarbeiter in der Niederlassung in Hamburg anweisen müssen, gerichtliche Schreiben umgehend an die Geschäftsleitung weiterzuleiten und gegebenenfalls Telekopien oder Scans vorab zu übermitteln.

II.

37

1. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG).

38

2. Die Berufung hat die Kammer gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG).

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

Tenor

1) Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. August 2016 mit Aktenzeichen 21 Ca 288/16 wird als unzulässig verworfen.

2) Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über variable Vergütung des Klägers. Nach Ergehen eines Versäumnisurteils streiten die Parteien nun über die Zulässigkeit des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin seit 2001 als übertariflicher Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem Jahr 2014 herrscht Streit zwischen den Parteien über das Bestehen und den Umfang von Ansprüchen des Klägers auf Jahressonderzahlungen für die Jahre ab 2012. Für die Jahre 2012 und 2013 hat der Kläger eine rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg erstritten. Mit der am 7. Juli 2016 vor dem Arbeitsgericht Hamburg erhobenen Klage will der Kläger die Beklagte zu bezifferten Jahreszahlungen für die Jahre 2014 und 2015 verurteilt wissen. Die Klage wurde der Beklagten am 13. Juli 2016 zugestellt und die Beklagte zur Güteverhandlung am 25. August 2016 geladen. Zu dieser Verhandlung erschien der Kläger mit seiner Prozessbevollmächtigten. Für die Beklagte erschien niemand.

3

Der Kläger beantragte daraufhin,

4

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Jahreszahlung für 2014 in Höhe von 2.300,85 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2015 zu zahlen, sowie eine Jahreszahlung für 2015 in Höhe von 2.300,85 € brutto abzgl. bereits gezahlter 460,17 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz auf 1.840,68 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Kläger beantragte weiter den Erlass eines Versäumnisurteils.

6

Das Arbeitsgericht Hamburg erließ am 25. August 2016 ein den klägerischen Anträgen voll stattgebendes Versäumnisurteil, das der Beklagten am 7. September 2016 an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg zugestellt wurde. Das Versäumnisurteil enthielt die folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

7

Rechtsbehelfsbelehrung

8

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Einspruch einlegen.

9

Der Einspruch muss schriftlich, d.h. mit Unterschrift versehen, beim Arbeitsgericht eingelegt werden. Er kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts erklärt werden.

10

Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beträgt eine Woche; sie kann nicht verlängert werden. Innerhalb dieser Frist muss der Einspruch beim Arbeitsgericht eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.

11

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

12

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

13

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

14

Wird der Einspruch nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt, so ist er als unzulässig zu verwerfen.

15

Die Anschrift des Arbeitsgerichts Hamburg lautet:

16

Osterbekstraße 96, 22083 Hamburg
Dr. D.“

17

Der elektronische Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht ist seit dem 1. Dezember 2014 in allen Verfahren eröffnet, vgl. Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28. Januar 2008, Anlage.

18

Mit Schriftsatz vom 19. September 2016, bei Gericht per Fax vorab eingegangen am 19. September 2016, legten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2016 begehrten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, den Einspruch als fristgemäß zu behandeln, hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

19

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Einspruch gegen das Versäumnisurteil fristgemäß eingelegt wurde, da die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei. In der Rechtsbehelfsbelehrung finde sich nämlich weder ein Hinweis auf die Telefaxnummer des Gerichts noch auf die Möglichkeit, Einspruch mittels des elektronischen Rechtsverkehrs einzulegen. Da die Rechtsbehelfsbelehrung insofern unterblieben oder unrichtig sei, betrage die Frist für die Einlegung des Einspruchs ein Jahr. Jedenfalls sei der Beklagten aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn durch die Zustellung an dem Hamburger Standort der Beklagten war sie, da dort weder eine Geschäftsleitung noch eine Rechtsabteilung existierten, unverschuldet an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert.

20

Die Beklagte beantragt,

21

den Einspruch als fristgemäß zu behandeln, hilfsweise der Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

22

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht fehlerhaft gewesen sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da es sich um ein Organisationsverschulden der Beklagten handele.

23

Der Kläger beantragt,

24

den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

25

Auf den Tatsachenvortrag der Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlagen sowie in ihren protokollierten Erklärungen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Der Einspruch der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen. Sie hat die Einspruchsfrist versäumt. Das Gericht hat über die Zulässigkeit des Einspruchs in richtiger Besetzung entschieden (1.), der Einspruch war unzulässig (2.) und es war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (3.).

27

1. Das Gericht konnte über die Verwerfung des Einspruchs der Klägerin als Kammer entscheiden. Zwar ist in § 55 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG geregelt, dass der Vorsitzende außerhalb der streitigen Verhandlung allein über die Verwerfung eines Einspruchs als unzulässig entscheidet. Soweit allerdings eine mündliche Verhandlung unter Anwesenheit ehrenamtlicher Richter stattfindet, ist die Entscheidung durch die Kammer zu treffen (ArbG Bamberg, Versäumnisurteil vom 29. Oktober 1997 - 1 Ca 675/97 = NZA 1998, 904; Germelmann/Germelmann, 8. Aufl. 2013, ArbGG § 55 Rn. 3a; NomosKommentarArbGG/Hohmann, 3. Auflage 2014, § 55 Rn. 1; Grunsky/Benecke, 8. Auflage 2014, ArbGG § 55 Rn. 3; Hauck/Helml, 4. Aufl. 2011, ArbGG § 55 Rn. 6; a.A. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4 März 1997 - 6 Sa 1235/96 = NZA 1197,1071).

28

2. Die Beklagte hat den Einspruch gegen das ihr am 7. September 2016 zugestellte Versäumnisurteil vom 25. August 2016 außerhalb der Frist zur Einlegung des Einspruchs eingelegt. Die Einspruchsfrist betrug eine Woche, § 59 Abs. 1 S. 1 ArbGG, sodass die Frist zur Einlegung des Einspruchs bei Zustellung am 7. September 2017 mit Ablauf des 14. September 2017 geendet hat. Der Einspruch wurde erst am 19. September 2017 eingelegt.

29

Die Einspruchsfrist betrug nicht nach § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG in entsprechender Anwendung ein Jahr, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde. § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG ist auf die von der Beklagten gerügte Rechtsbehelfsbelehrung nicht unmittelbar anwendbar; eine unmittelbare Anwendung erfolgt nur hinsichtlich von Rechtsmittelbelehrungen. Hinsichtlich von Versäumnisurteilen ist in § 59 ArbGG geregelt, dass die Partei mit der Zustellung schriftlich darauf hinzuweisen ist, dass der Einspruch beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt wird. Ob eine Anwendung von § 9 Abs. 5 ArbGG neben § 59 ArbGG ausscheidet (BAG, Beschluss vom 1. April 1980 – 4 AZN 77/80 = BAG AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 5; LAG Nürnberg Urteil vom 10. Mai 1988 – 7 Sa 16/88) musste das Gericht nicht entscheiden, da auch unabhängig von einer Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG die Verlängerung der Einspruchsfrist auf ein Jahr oder der Nichtbeginn des Laufs der Einspruchsfrist nicht in Betracht kommt. Denn der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs mittels des elektronischen Rechtsverkehrs und die fehlende Angabe der Telefaxnummer des Gerichts führen nicht zu der Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung.

30

Eine Belehrung über das einzulegende Rechtsmittel ist dann unrichtig, wenn sie einen einzelgesetzlich festgelegten Inhalt einer Rechtsmittelbelehrung nicht aufweist. Sie ist auch dann unrichtig, wenn sie unzutreffenden oder irreführenden Inhalt hat, der geeignet ist, einen Betroffenen davon abzuhalten, ein Rechtsmittel rechtzeitig und in der richtigen Weise einzulegen (vgl. BVerwG Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 2/01 mwN; OVG Bremen, Urteil vom 8. August 2012 – 2 A 53/12.A). Es gilt ein abstrakter, objektiver Maßstab, sodass es nicht auf eine Kausalität einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung oder auf die speziellen Kenntnissen des Betroffenen ankommt (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 23/08; BVerwG Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 2/01). Die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung muss vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Anspruch auf eine Belehrung über einzulegende Rechtsmittel, Ausdruck der Rechtsschutzgarantie, dem Anspruch auf rechtliches Gehör, und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 - 1 BvR 249/92) beurteilt werden. Folglich ist auch wertend einzubeziehen, dass der Anspruch an eine Verständlichkeit der Belehrung über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, einer vollständigen Aufführung aller Möglichkeiten zur Einreichung von Erklärungen an ein Gericht entgegensteht. Es ist auch nicht über alle Möglichkeiten der Formwahrung, etwa über die Ersetzung der Schriftform durch notarielle Beurkundung oder durch notarielle Beglaubigung eines Handzeichens zu belehren. Es reicht damit für die Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung nicht aus, dass die Rechtsmittelbelehrung bei dem Betroffenen den Eindruck erwecken könnte, dass eine konkrete Möglichkeit der Formwahrung nicht gegeben sei (so aber: OVG Koblenz, Urteil vom 08. März 2012 - 1 A 11258/11.OVG mwN). Vielmehr muss möglich sein, dass der Betroffene deshalb das Rechtsmittel nicht einlegt.

31

Nach § 59 S. 3 ArbGG ist der Betroffene mit der Zustellung des Versäumnisurteils schriftlich darauf hinzuweisen, dass der Einspruch in Wochenfrist schriftlich oder durch Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen ist. Nach § 9 Abs. 5 S. 2, 3 ArbGG, eine entsprechende Anwendung vorausgesetzt, ist für den Lauf der Rechtsmittelfrist Voraussetzung, dass über das Rechtsmittel, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Form und Frist schriftlich belehrt worden ist.

32

Diesen Anforderungen wird die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung gerecht. Die Beklagte ist mit der Rechtsbehelfsbelehrung über das Gericht, bei dem der Einspruch einzulegen ist und die Frist in der der Einspruch einzulegen ist, richtig belehrt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung hat auch über die einzuhaltende Form richtig belehrt. Denn sie hat zutreffend und vollständig aufgeführt, dass die Einlegung des Einspruchs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann. Die Einreichung mittels elektronischen Rechtsverkehrs ist keine eigenständige Form, sondern wahrt die Schriftform, § 46c Abs. 1 S. 1 ArbGG. Ebenso verhält es sich nach Auffassung der Kammer mit einer unterbliebenen Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs durch Telefax, da auch diese Möglichkeit in systematischer Betrachtung – auch nach Einführung des (§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit) § 130 Nr. 6 ZPO – die Schriftform nur ersetzen soll.

33

Die Kammer hat deshalb die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob das Unterlassen der Belehrung über die Möglichkeit der Einspruchseinlegung mittels des elektronischen Rechtsverkehrs oder Telefax geeignet ist, einen Betroffenen von der rechtzeitigen, wirksamen Einlegung des Einspruchs abzuhalten.

34

Hierzu ist folgendes auszuführen: Der Betroffene muss sich ohnehin über die Voraussetzungen zur Einhaltung der Schriftform erkundigen und kann dies wegen des Hinweises auf die Möglichkeit der schriftlichen Einlegung auch. Was schriftlich ist und wie eine schriftliche Erklärung erstellt wird, erklärt sich für den unkundigen Betroffenen nicht von selbst. Dem Betroffenen, der aus welchen Gründen auch immer nicht willens oder in der Lage ist, ein Rechtsmittel mittels eines Schriftstückes einzureichen, wird die Möglichkeit der Abgabe der Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle hinreichend erkennbar deutlich. Die Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle stellt auch eine einfachere Möglichkeit der Einlegung des Einspruchs dar, da derjenige, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, kein Schriftstück anfertigen muss. Die Kammer ist hingegen der Auffassung, dass die Einlegung des Einspruchs mittels des elektronischen Rechtsverkehrs gerade keine Vereinfachung der Einspruchseinlegung darstellt. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass wegen einer fehlenden Belehrung über die Möglichkeit zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs die Einlegung eines Einspruchs unterbleiben könnte. Das Unterlassen des Hinweises ist nicht geeignet, einen Betroffenen von der Einlegung des Einspruchs abzuhalten. Der Zugang zu dem elektronischen Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht Hamburg ist von zahlreichen besonderen Zugangsvoraussetzungen abhängig, insbesondere der Beifügung einer elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz. Neben der Identifikation des Nutzers einer qualifizierten Signatur, verschiedenen technischen Voraussetzungen, vor allem des Betriebes einer Signatureinheit, ist die Unterrichtung des angehenden Nutzers einer qualifizierten Signatur über die Wirkung der Nutzung der qualifizierten Signatur im Rechtsverkehr gemäß § 6 Abs. 2 des Signaturgesetzes vorgeschrieben. Wer an dem elektronischen Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht Hamburg teilnehmen möchte, ist bereits darüber unterrichtet, dass der Nutzung einer qualifizierten Signatur die gleiche Wirkung im Rechtsverkehr wie einer eigenhändigen Unterschrift zukommt. Der Nutzer wird ebenfalls über zahlreiche möglich Anwendungsprobleme und Gefahren der Verwendung einer qualifizierten Signatur unterrichtet, etwa der Möglichkeit des Zeitablaufs einer Signatur, der Notwendigkeit von Neusignierungen, Sicherheitsmaßnahmen und der Aufbewahrung der Signaturkarte, vgl. Signaturgesetz in Verbindung mit der Verordnung zur elektronischen Signatur.

35

Auch der fehlende Hinweis auf die mögliche Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax ist nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, einen Betroffenen von der rechtzeitigen Einlegung eines Rechtsmittels abzuhalten. Zwar ist die Nutzung eines Telefaxes von weniger Voraussetzungen als die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs abhängig. Nach Auffassung der Kammer kann aber ein Betroffener auch ohne Aufklärung über die Möglichkeit der Nutzung eines Telefaxes das Rechtsmittel rechtzeitig einlegen. Hinzu kommt, dass die Nutzung eines Telefaxgerätes wiederum Überwachungshandlungen des Nutzers erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2016 – VII ZB 17/16; BGH, Beschluss vom 16.11.2016 – VII ZB 35/14). Sollte in Einzelfällen die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsmittels tatsächlich durch einen fehlenden Hinweis auf eine Möglichkeit der Wahrung der Schriftform kausal bedingt worden sein, genügt die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Interessen des Betroffenen in ausreichendem Maße.

36

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zurückzuweisen. Denn die Beklagte war nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert. Das Versäumnisurteil wurde an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg, dem Beschäftigungsort des Klägers zugestellt. Soweit eine Weiterleitung unterblieben ist, weil die Beklagte dort keine Rechtsabteilung und keine Geschäftsleitung unterhält, stellt dies ein Organisationsverschulden der Beklagten dar. Sie hätte die Mitarbeiter in der Niederlassung in Hamburg anweisen müssen, gerichtliche Schreiben umgehend an die Geschäftsleitung weiterzuleiten und gegebenenfalls Telekopien oder Scans vorab zu übermitteln.

II.

37

1. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG).

38

2. Die Berufung hat die Kammer gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG).

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 27/09 Verkündet am:
15. Dezember 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Fb, 234 C, 338, 85; EuVTVO Art. 18
a) Veranlasst die Geschäftsstelle des Gerichts die nochmalige Zustellung eines
Versäumnisurteils, weil sie irrig davon ausgeht, die bereits erfolgte Zustellung
sei wegen fehlender Belehrung über den Einspruch unwirksam, so wird der
bereits mit der ersten Zustellung ausgelöste Lauf der Einspruchsfrist davon
nicht berührt.
b) Etwas anderes folgt auch nicht aus den europarechtlichen Vorgaben für eine
Bestätigung des Versäumnisurteils als Europäischer Vollstreckungstitel.
c) Den Rechtsanwalt, der sich wegen der wiederholten Zustellung beim Gericht
nach dem Grund erkundigt und von der Geschäftsstelle die nicht näher erläuterte
Auskunft erhält, die erste Zustellung sei unwirksam und könne als gegenstandslos
betrachtet werden, trifft jedenfalls dann kein Verschulden, wenn
die Auskunft nicht offensichtlich fehlerhaft ist. Eine Pflicht zu einer weiteren
Nachfrage nach dem konkreten Grund der Unwirksamkeit trifft ihn nicht.
d) Hat das erstinstanzliche Gericht den Einspruch als zulässig behandelt und in
der Sache entschieden und wird die Versäumung der Einspruchsfrist erst
vom Berufungsgericht aufgedeckt, so ist die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist
nach § 234 Abs. 3 ZPO allein dem Gericht zuzurechnen und steht
einer Wiedereinsetzung nicht entgegen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse
vom 20. Februar 2008 - XII ZB 179/07 - FamRZ 2008, 978 und vom
7. Juli 2004 - XII ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1478).
BGH, Versäumnisurteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 27/09 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Dezember 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr.
Klinkhammer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Januar 2009 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Eheleute und streiten um Trennungsunterhalt.
2
Die Parteien heirateten im August 1999. Aus der Ehe ist ein 2001 geborenes Kind hervorgegangen. Das Kind ist schwer behindert und lebt seit seiner Geburt in einer Pflegefamilie. Seit Ende März 2004 leben die Parteien getrennt. Der Beklagte ist Unternehmensberater. Die Klägerin ist ausgebildete Bankkauf- frau. Sie ist als selbständige Promoterin tätig, erzielt aus dieser Tätigkeit aber keinen Gewinn.
3
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht - Familiengericht - am 12. Oktober 2006 ein Versäumnisurteil erlassen, durch das der Beklagte zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.894 € ab Juli 2004 verurteilt worden ist.
4
Das Versäumnisurteil ist dem damaligen Rechtsanwalt des Beklagten am 25. Oktober 2006 zugestellt worden. Die Zustellungsurkunde trägt den vom 9. November 2006 datierenden Vermerk des mit der Verwaltung der Geschäftsstelle betrauten Justizamtsinspektors: "Zustellung unwirksam! Es fehlt ZP 18". Das Versäumnisurteil ist am 3. November 2006 erneut zugestellt worden, diesmal mit dem Formular ZP 18, das die in § 338 Satz 2 ZPO vorgeschriebene Belehrung enthält. Mit dem am 17. November 2006 eingegangenen Schriftsatz seines Rechtsanwalts hat der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
5
Der Beklagte hat sodann die Aufhebung des Versäumnisurteils und die Abweisung der Klage beantragt. Ferner hat er Widerklage auf Rückzahlung von ihm geleisteter Unterhaltsbeträge erhoben. Das Amtsgericht hat auf den Einspruch in der Sache entschieden. Es hat den Unterhalt unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils herabgesetzt und die Klägerin zur teilweisen Rückzahlung der vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen verurteilt.
6
Auf die Berufung beider Parteien hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen , dass der Beklagte die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts versäumt habe. Es hat sodann den Einspruch des Beklagten im Umfang des von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrags verworfen und die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt. Die Widerklage hat es vollständig abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

7
Auf das Verfahren findet nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht Anwendung (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - zur Veröffentlichung bestimmt).
8
Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
9
Die Revision hat Erfolg.

I.

10
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen. Die Wahrung der Einspruchsfrist sei auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Die Frist habe aufgrund der (ersten) Zustellung am 25. Oktober 2006 zu laufen begonnen. Die Zustellung sei ungeachtet der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung nach §§ 338 Satz 2, 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO (ZP 18) wirksam gewesen. Denn diese hindere lediglich die Ingangsetzung der Einspruchsbe- gründungsfrist, nicht aber der Einspruchsfrist. Durch die spätere erneute Zustellung werde keine neue Einspruchsfrist in Gang gesetzt.
11
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil die Frist nicht ohne Verschulden versäumt worden sei. Dem Beklagten sei das Verschulden seines Rechtsanwalts zuzurechnen. Diesem habe es oblegen, die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil genau zu ermitteln. Nachdem die Einspruchsfrist aufgrund der ersten Zustellung zunächst richtig eingetragen worden sei, habe er nach der zweiten Zustellung sorgfältig prüfen müssen, ob eine fehlerhafte erste Zustellung des Versäumnisurteils vorgelegen habe. Er habe wissen müssen, dass durch die Wiederholung einer wirksamen Zustellung keine erneute Einspruchsfrist zu laufen beginne. Demgemäß habe er sich auch veranlasst gesehen, Nachforschungen beim Amtsgericht hinsichtlich der Wirksamkeit der ersten Zustellung anzustellen. Diese seien jedoch nicht ausreichend gewesen.
12
Der Rechtsanwalt habe seinen Bürovorsteher damit beauftragt, beim Amtsgericht in Erfahrung zu bringen, was es mit den beiden Zustellungen auf sich gehabt habe. Dieser habe daraufhin zwei Telefonate geführt und beim zweiten Gespräch die Auskunft erhalten, das erste zugestellte Versäumnisurteil sei wegen fehlerhafter Zustellung als gegenstandslos zu betrachten, maßgeblich sei das am 3. November 2006 zugestellte Versäumnisurteil. Daraufhin habe der Rechtsanwalt verfügt, den nach der ersten Zustellung notierten Fristablauf im Fristenkalender zu streichen.
13
Dem Rechtsanwalt sei vorzuwerfen, dass er sich mit der lapidaren Auskunft zur Unwirksamkeit der ersten Zustellung des Versäumnisurteils wegen Fehlerhaftigkeit zufrieden gegeben habe. Als Zustellungsempfänger habe er keinen Anlass gehabt, die Wirksamkeit der ersten Zustellung zu bezweifeln. Er habe vielmehr die genauen Gründe der vom Amtsgericht angenommenen Unwirksamkeit der Zustellung erfragen und überprüfen müssen. Der Umstand, dass die falsche Information aus dem Bereich des Gerichts stammte, stehe dem Verschulden des Rechtsanwalts nicht entgegen. Er habe nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der zweiten Zustellung um eine sinnvolle Maßnahme gehandelt habe und dass erst diese Zustellung den Lauf der Einspruchsfrist in Gang gesetzt habe. Soweit der Bundesgerichtshof dies in einzelnen Fällen angenommen habe, seien diese mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Ein Rechtsirrtum könne den Rechtsanwalt nicht entlasten , weil er bei den zu stellenden hohen Anforderungen nicht unvermeidbar gewesen sei. Auch wenn er vom Amtsgericht den konkreten Grund der erneuten Zustellung erfahren habe, habe er anhand von Rechtsprechung und Literatur sorgfältig prüfen müssen, wie sich die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung auf die Wirksamkeit der Zustellung auswirke.

II.

14
Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
15
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch im Berufungsverfahren die Zulässigkeit des Einspruchs gegen das in erster Instanz ergangene Versäumnisurteil überprüft. Dem Berufungsgericht ist ferner darin zu folgen, dass das Fehlen der nach §§ 338 Satz 2, 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung für die Wirksamkeit der Zustellung und den Lauf der Einspruchsfrist ohne Bedeutung ist.
16
a) Die zweiwöchige Einspruchsfrist beginnt nach § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO mit der Zustellung des Versäumnisurteils.
17
aa) Die Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der nach §§ 166 ff. ZPO vorgesehenen Form (§ 166 Abs. 1 ZPO), die hier eingehalten worden ist. Das zuzustellende Dokument ist das Versäumnisurteil, nicht auch die Belehrung über den Einspruch. Nach § 317 Abs. 1 ZPO werden verkündete Versäumnisurteile der unterliegenden Partei zugestellt. Sowohl aus § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO als auch aus § 317 Abs. 1 ZPO ergibt sich somit, dass das zuzustellende Dokument - nur - das Versäumnisurteil ist. Auch aus § 338 Satz 2 ZPO ist zu ersehen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht Bestandteil des Versäumnisurteils oder seiner Zustellung ist, weil auf den Einspruch nur "zugleich mit der Zustellung" hinzuweisen ist. Abgesehen davon stünde aber auch eine als vorgeschriebener Bestandteil der Entscheidung fehlende Rechtsbehelfsbelehrung der Wirksamkeit der Zustellung nicht ohne weiteres entgegen (vgl. etwa §§ 39, 17 Abs. 2 FamFG).
18
Die Revision meint, bei fehlender Belehrung beginne die Einspruchsbegründungsfrist nicht zu laufen, was bei fehlender Belehrung über die Einspruchsfrist ebenfalls gelten müsse. Dem ist nicht zu folgen.
19
Die Revision vernachlässigt, dass zwischen den beiden Fristen ein grundlegender Unterschied besteht. Dass die Einspruchsbegründung mit dem Einspruch zu erfolgen hat und die beiden Fristen demnach im Ausgangspunkt übereinstimmen, kann deren grundsätzliche Verschiedenheit nicht verdecken. Das zeigt sich daran, dass die Einspruchsbegründungsfrist verlängert werden kann (§ 340 Abs. 3 Satz 2 ZPO), die Einspruchsfrist dagegen nicht (§ 224 Abs. 2 ZPO). Die Einspruchsbegründungsfrist betrifft die Frage, ob das Vorbringen einer Partei noch zu berücksichtigen oder als verspätet zurückzuweisen ist. Dagegen regelt die Einspruchsfrist die Frage, ob der Rechtsstreit nach Erlass eines Versäumnisurteils fortzusetzen ist und das Gericht überhaupt noch in der Sache entscheidet oder aber der Einspruch - bei verspäteter Einlegung - als unzulässig verworfen werden muss. Während bei fehlender Belehrung über die Einspruchsbegründungsfrist spätestens nach der abschließenden mündlichen Verhandlung eine das Verfahren beendende Entscheidung ergeht, bliebe das Verfahren bei nicht anlaufender Einspruchsfrist in der Schwebe, denn der Einspruch könnte jederzeit nachgeholt werden. Demgemäß besteht schon im Interesse der Rechtssicherheit kein Anlass für eine einschränkende Interpretation der in § 339 Abs. 1 ZPO getroffenen - eindeutigen - gesetzlichen Anordnung, dass die Einspruchsfrist mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt.
20
bb) Durch die Veranlassung einer nochmaligen Zustellung konnte die Geschäftsstelle die Rechtswirkungen der bereits erfolgten Zustellung nicht mehr rückgängig machen. Denn jedenfalls nach der erfolgreichen Zustellung liegt es nicht mehr in der Hand der Geschäftsstelle, die Wirkungen der Zustellung zu beseitigen und diese durch eine erneute Zustellung zu ersetzen.
21
b) Etwas anderes folgt nicht aus den europarechtlichen Vorgaben, auf denen die Belehrungspflicht nach § 338 Satz 2 ZPO beruht. Diese erfordern es nicht, dass die Einspruchsfrist erst nach einer Belehrung über den Einspruch zu laufen beginnt.
22
Die gesetzliche Belehrungspflicht nach § 338 Satz 2 ZPO ist durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005 (BGBl. I S. 2477) eingeführt worden. Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (ABl. EU L 143 S. 15 - EuVTVO) verfolgt das Ziel, den Zugang zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 2 Abs. 3 EuVTVO) als dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung ergangen ist, ohne erforderliche Zwischenmaßnahmen zu beschleu- nigen und zu vereinfachen (Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Demgemäß soll - nur der Mitgliedstaat der Ausgangsentscheidung (Ursprungsmitgliedstaat) die für die Vollstreckung im anderen Staat (Vollstreckungsmitgliedstaat) erforderliche Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (Art. 6 EuVTVO) ausstellen und die Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbar sein, ohne dass es eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens bedarf (Art. 5 EuVTVO; vgl. Erwägungsgrund 18 der Verordnung).
23
Zur Sicherung des fairen Verfahrens nach Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. EG C 364) enthalten Art. 12 - 19 EuVTVO Mindestvorschriften für das Verfahren, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist (Art. 12 Abs. 1 EuVTVO; vgl. Erwägungsgrund 11 der Verordnung). Zu den Mindestvorschriften gehören neben der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Art. 13 - 15 EuVTVO) die Unterrichtung des Schuldners über die Forderung (Art. 16 EuVTVO) und über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung (Art. 17 EuVTVO), wozu auch der Hinweis auf die Konsequenzen des Nichterscheinens gehört (Art. 17 lit. b EuVTVO; vgl. BGH Urteil vom 22. September 2010 - VIII ZR 182/09 - MDR 2010, 1340).
24
Die Belehrung über den Einspruch zugleich mit der Versäumnisentscheidung ist dagegen nach der EuVTVO nicht als Mindestvorschrift für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel vorgesehen. Diese hat vielmehr eine andere Funktion. Denn die Belehrung führt nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO zur Heilung, wenn die Verfahrensvorschriften nach Art. 13 - 17 EuVTVO nicht eingehalten worden sind. Dementsprechend ist die Erfüllung der Belehrungspflicht nach § 338 Satz 2 ZPO zur Erteilung der Bestätigung gemäß Art. 6, 12 Abs. 1 EuVTVO nicht erforderlich.
25
Dem Gebot des fairen Verfahrens ist im Übrigen durch die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Genüge getan (vgl. BVerfG NJW 2000, 1633).
26
c) Demnach war die Zustellung des Versäumnisurteils am 25. Oktober 2006 wirksam und hat die Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO in Lauf gesetzt. Die nochmalige Zustellung des Versäumnisurteils am 3. November 2006 konnte den Lauf der Frist nicht mehr beeinflussen (vgl. BGH Beschluss vom 20. Oktober 2005 - IX ZB 147/01 - NJW-RR 2006, 563 für den Fall einer bereits abgelaufenen Rechtsmittelfrist). Die Einspruchsfrist lief demzufolge mit dem 8. November 2006 ab. Durch den am 17. November 2006 beim Amtsgericht eingegangenen Einspruchsschriftsatz konnte die Frist somit nicht mehr gewahrt werden.
27
2. Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung versagt, weil der Rechtsanwalt des Beklagten sich nicht mit der Auskunft des Amtsgerichts hätte zufrieden geben dürfen und statt dessen weitere Nachfragen hätte anstellen müssen. Auf eine Nachfrage hätte er sodann erkennen müssen, dass der Geschäftsstellenbeamte des Amtsgerichts sich im Irrtum befunden habe und schon die erste Zustellung wirksam gewesen sei.
28
Dem kann nicht beigetreten werden.
29
a) Ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung auch der anwaltlich vertretenen Partei zu gewähren ist, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Zum einen ist die Rechtsmittelbelehrung nachgeholt worden, zum anderen war die Einspruchsfrist dem Rechtsanwalt des Beklagten ohnedies bekannt (zur fehlenden Ursächlichkeit einer unzureichenden Rechtsmittelbelehrung Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10 - FamRZ 2010, 1425). Die verspätete Einlegung des Einspruchs ist vielmehr auf dessen Irrtum über die die Frist auslösende Zustellung zurückzuführen.
30
b) Richtig ist ferner der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Rechtsanwalt sich auf eine unzutreffende Rechtsauskunft des Gerichts nicht ohne weiteres verlassen darf, sondern verpflichtet ist, die sich bei der Prozessführung stellenden Rechtsfragen in eigener Verantwortung zu überprüfen. Dementsprechend schließen selbst ursächliche Gerichtsfehler im Allgemeinen ein anwaltliches Verschulden nicht aus (vgl. für die Anwaltshaftung BGHZ 174, 205, 209 und BGH Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 - NJW 2009, 987).
31
Ob sich ein Rechtsanwalt auf eine unzutreffende gerichtliche Auskunft verlassen darf und aus diesem Grund eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist versäumt wird, ist in mehreren Zusammenhängen Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gewesen. In einem Fall der irreführenden Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf nach einem zweiten Versäumnisurteil hat der Bundesgerichtshof ein Verschulden des Rechtsanwalts bejaht, weil die unrichtige Rechtsmittelbelehrung offenkundig falsch gewesen sei und nicht zu einem unvermeidbaren oder entschuldbaren Rechtsirrtum geführt habe (BGH Beschluss vom 11. Juni 1996 - VI ZB 10/96 - VersR 1996, 1522). In anderen Entscheidungen ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass der Rechtsanwalt sich auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen darf (BGH Beschluss vom 23. September 1993 - LwZR 10/92 - NJW 1993, 3206: unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch einen Fachsenat beim Oberlandesgericht ; BGH Beschluss vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03 - ZIP 2003, 2382 mwN).
32
Im Fall einer unzutreffenden Auskunft über die Zustellung und eines durch sie ausgelösten Rechtsirrtums über den Lauf einer Frist hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass der Rechtsanwalt sich auf die Auskunft verlassen und die Frist entsprechend der ihm erteilten Auskunft berechnen darf (BGH Beschluss vom 7. Oktober 1986 - VI ZB 8/86 - VersR 1987, 258: Erneute Zustellung, nachdem bereits die für den Prozessgegner vorgesehene Ausfertigung zugestellt worden war; Beschluss vom 26. Oktober 1994 - IV ZB 12/94 - VersR 1995, 680: Erneute Zustellung wegen falscher Aktenzeichen auf den Empfangsbekenntnissen; Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 38/04 - NJW-RR 2005, 1658: Erneute Zustellung nach Rückforderung der zunächst zugestellten, aber mangelhaften Ausfertigung).
33
Ob die vorgenannten Entscheidungen in Anbetracht des Umstands, dass die letztgenannten Entscheidungen jeweils für den Rechtsanwalt erkennbar falsche Auskünfte des Gerichts betrafen, in vollem Umfang miteinander vereinbar sind, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall war die Auskunft der Geschäftsstelle für den Rechtsanwalt des Beklagten weder offenkundig fehlerhaft, noch traf diesen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - eine Pflicht zu weiteren Erkundigungen, die den Fehler des Amtsgerichts hätte offenbaren können.
34
Dem Rechtsanwalt des Beklagten wurde die Auskunft erteilt, das erste zugestellte Versäumnisurteil sei wegen fehlerhafter Zustellung als gegenstandslos zu betrachten. Maßgeblich sei das am 3. November 2006 zugestellte Versäumnisurteil. Aufgrund dieser Auskunft war für den Rechtsanwalt nicht offenkundig , dass die erste Zustellung entgegen der Meinung des zuständigen Geschäftsstellenbeamten wirksam war. Denn für eine Unwirksamkeit der Zustellung kamen neben der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung weitere Ursachen in Betracht. So hätte das Versäumnisurteil etwa noch nicht vom Richter unter- schrieben und versehentlich ein Entwurf zugestellt worden sein können. Dass die zweite Zustellung nunmehr mit der Rechtsbehelfsbelehrung verbunden war, musste den Rechtsanwalt nicht darauf schließen lassen, dass die erneute Zustellung - nur - deswegen durchgeführt worden war.
35
Dementsprechend hat das Berufungsgericht dem Rechtsanwalt auch nicht vorgeworfen, dass die Wirksamkeit der ersten Zustellung für ihn offensichtlich gewesen sei, und auch nicht, dass er die Auskunft durch seinen Bürovorsteher einholen ließ. Vielmehr hat es ihm vorgehalten, dass er sich mit der "lapidaren" Auskunft zufrieden gegeben habe und statt dessen nach den genauen Gründen der vom Amtsgericht angenommenen Unwirksamkeit habe fragen müssen. Dann habe er erkennen müssen, dass die erste Zustellung nicht unwirksam gewesen sei.
36
Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht sich mit dieser Auffassung entgegen seiner Begründung nicht im Einklang mit der oben aufgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung bei doppelter Zustellung befindet, traf den Rechtsanwalt jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls keine Verpflichtung zu weiteren Nachfragen. Da er von der Geschäftsstelle die Auskunft erhalten hatte, die erste Zustellung sei unwirksam und gegenstandslos, konnte er sich ohne gegenteilige Anhaltspunkte darauf verlassen. Die von der Geschäftsstelle erteilte Auskunft war jedenfalls nicht offenkundig falsch, denn sie konnte auch auf anderen Unwirksamkeitsgründen beruhen als der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung. Den Rechtsanwalt traf überdies keine Pflicht, durch weitere Nachfrage danach zu forschen, ob die erste Zustellung womöglich dennoch wirksam war. Denn die Nachfrage hätte sich auf gerichtsinterne Vorgänge beziehen müssen, die der Rechtsanwalt jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang von sich aus nicht aufklären muss. Das gilt umso mehr, als die Geschäftsstelle gemäß §§ 168 Abs. 1, 176 Abs. 1 ZPO die Zustellung in eigener Verantwortung veranlasst. Bei dieser Sachlage kann sich der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der ihm erteilten Auskunft verlassen und würde eine Pflicht zu weiterer Nachforschung die an ihn gestellten Sorgfaltsanforderungen überspannen.
37
c) Dass der Beklagte seinen Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 234 Abs. 3 ZPO gestellt hat, hindert eine Wiedereinsetzung nicht. Denn abgesehen von der möglichen Gewährung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO beruht die Fristüberschreitung darauf, dass der Beklagte im weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht davon ausgehen durfte , dass sein Einspruch rechtzeitig war. Damit ist die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 3 ZPO jedenfalls allein dem Gericht zuzurechnen und steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - XII ZB 179/07 - FamRZ 2008, 978, 979 und vom 7. Juli 2004 - XII ZB 12/03 FamRZ 2004, 1478, 1479 f.).

III.

38
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, schon weil das Berufungsgericht noch nicht in der Sache entschieden hat.
Hahne Wagenitz Vézina Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 08.04.2008 - 20 F 266/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 29.01.2009 - 12 UF 39/08 -

Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 2016  9 K 2161/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat die  Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Haftungsbescheid vom 3. Juli 2012 als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen. Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Die vom zuständigen Sachbearbeiter des FA Herrn K erstellte Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2014, der eine Rechtsbehelfsbelehrung unter Angabe der Telefaxnummer des FA, nicht jedoch der Telefaxnummer des Finanzgerichts (FG) beigefügt war, wurde mit einfachem Brief an die Klägerin persönlich versendet. Am 27. Juni 2014 ging die gegen die Verwaltungsentscheidungen gerichtete Klage beim FG ein, die das FG als unzulässig zurückwies. Zur Begründung führte es aus, dass nach erfolgter Beweiserhebung und Vernehmung des K als Zeugen feststehe, dass die Einspruchsentscheidung am 22. Mai 2014 zur Post aufgegeben und der Klägerin gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) am 26. Mai 2014 bekanntgegeben worden sei. Infolgedessen habe der Klageeingang erst am 27. Juni 2014 die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gewahrt. Entgegen der Auffassung der Klägerin erfordere eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nicht die Angabe der Telefaxnummer des FG. Darauf deute bereits der insoweit eindeutige Wortlaut des § 55 Abs. 1 FGO hin. Hinsichtlich der Einspruchseinlegung (§ 357 Abs. 1 Satz 1 AO) habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine Rechtsmittelbelehrung, die nur den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung wiederhole, nicht wegen des fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der Klageerhebung auf elektronischem Wege rechtsfehlerhaft sei. Im Übrigen hätte die Klägerin die Klage fristwahrend beim FA erheben können, worauf in der streitgegenständlichen Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden sei.

2

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Für die Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post trage das FA die Feststellungslast. Ein Absendevermerk durch K oder die Poststelle des FA sei weder auf der Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2014 noch in den Akten. Zur Klärung der Frage, wann die Einspruchsentscheidung zur Post aufgegeben worden sei, sei die Vernehmung des K nicht geeignet gewesen, zumal dieser lediglich ausgesagt habe, die Entscheidung in das in seinem Zimmer befindliche Postausgangsfach gelegt zu haben. Eine Vernehmung eines Mitarbeiters der Poststelle des FA --z.B. zum Beweisthema der Sortierung der versandfertigen Bescheide nach Datum in unterschiedliche Fächer-- habe das FG unterlassen. Zu ihren Gunsten sei im Streitfall davon auszugehen, dass die Einspruchsentscheidung nicht vor dem 26. Mai 2014 zur Post gegeben worden sei. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nach § 55 Abs. 1 FGO neben der Angabe des Sitzes des Gerichts, bei dem die Klage anzubringen ist, auch die Angabe der Telefaxnummer erfordert bzw. ob eine Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung jedenfalls dann nicht unrichtig i.S. des § 55 FGO ist, wenn dort zwar das anzurufende FG nicht konkret angegeben ist, zugleich jedoch auf die Möglichkeit des Anbringens der Klage beim FA hingewiesen wird und das hierfür zuständige FA zutreffend bezeichnet worden ist.

3

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen. Der aufgeworfenen Frage kommt mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der behauptete Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung liegt nicht vor.

5

1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).

6

Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, dass dem Wortlaut dieser Bestimmung das Erfordernis der Angabe einer Telefaxnummer nicht zu entnehmen ist. Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Rechtsmittelbelehrung nicht deshalb unrichtig, weil das FA nicht auf die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs statt in schriftlicher in elektronischer Form hingewiesen hat (BFH-Urteile vom 20. November 2013 X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236; vom 5. März 2014 VIII R 51/12, BFH/NV 2014, 1010; vom 18. März 2014 VIII R 33/12, BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, und vom 18. Juni 2015 IV R 18/13, BFH/NV 2015, 1349) oder wenn dort zwar das anzurufende FG nicht konkret angegeben, jedoch auf die Möglichkeit des Anbringens der Klage beim FA hingewiesen und das hierfür zuständige FA zutreffend bezeichnet worden ist (BFH-Urteil vom 17. Mai 2000 I R 4/00, BFHE 192, 15, BStBl II 2000, 539). Daraus folgt, dass die Angabe des Gerichts und seines Sitzes als ausreichend zu betrachten ist, wobei es offen bleiben kann, ob die Bezeichnung des Sitzes die Angabe der postalischen Anschrift erfordert. Über die Wiedergabe des Wortlauts des § 55 Abs. 1 FGO hinaus ist es somit nicht erforderlich, in der Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich eine Internet-Verbindung oder eine Telefaxnummer anzugeben, zumal die Ermittlung einer Internet-Verbindung oder einer Telefaxnummer bei Nutzung moderner Recherchemöglichkeiten keine besonderen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

7

Auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum geht davon aus, dass die Angabe der Telefaxnummer nicht erforderlich ist (Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 FGO Rz 26; Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 55 Rz 16; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 55 Rz 17; Dumke in Schwarz/ Pahlke, AO, FGO, § 55 FGO Rz 16b; a.A. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Rz 9, und Rößler, Muss die Rechtsbehelfsbelehrung die Telefax-Nummer des FG angeben?, Deutsche Steuer-Zeitschrift 1995, 563). Selbst eine unterlassene Angabe des Gerichts ist dann unschädlich, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit hingewiesen wird, dass die Klageschrift fristwahrend bei der Finanzbehörde eingereicht werden kann. Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage kommt daher keine grundsätzliche Bedeutung zu.

8

Im Übrigen ergaben sich im Streitfall die Bezeichnung des Gerichts und dessen postalische Anschrift sowie der Hinweis auf die fristwahrende Klageerhebung durch die Anbringung der Klage beim FA aus der vom FA erteilten Rechtsbehelfsbelehrung, so dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, ihre Klage fristwahrend beim FA oder schriftlich beim FG einzureichen. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte auf die Angabe einer Telefaxnummer des FG angewiesen gewesen wäre.

9

2. Soweit die Klägerin eine Verletzung der dem FG nach § 76 Abs. 1 FGO obliegenden Sachaufklärungspflicht rügt, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Das FG hat in seiner Urteilsbegründung nachvollziehbar dargelegt, warum es zu dem Ergebnis einer Absendung der Einspruchsentscheidung am 22. Mai 2014 gekommen ist. Dabei hat es sich auf die Aussage des als Zeugen vernommenen K und auf das beim FA praktizierte Postausgangsverfahren bezogen. In verfahrensrechtlich zulässiger Weise hat es als zusätzliches Indiz für das angenommene Absendedatum den Umstand gewertet, dass ein weiteres Schreiben mit Datum vom 22. Mai 2014 nachweisbar am Folgetag eingegangen war. Dabei hat es ersichtlich einer Sortierung der versandfertigen Bescheide nach Datum in unterschiedliche Fächer keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Schlussfolgerungen des FG sind zwar nicht zwingend, jedoch möglich (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824).

10

Soweit die Klägerin beanstandet, das FG habe die Vernehmung eines Mitarbeiters der Poststelle unterlassen, ist dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ein entsprechender Beweisantrag nicht zu entnehmen, so dass die in der Verhandlung fachkundig vertretene Klägerin insoweit ihr Rügerecht verloren hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

11

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. April 2016  9 K 1558/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.   

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.   

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 8. Dezember 2014 die Einkommensteuer des Streitjahres des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) fest. Dieser Bescheid wurde, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, am gleichen Tag zur Post gegeben.

2

Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 legte der Kläger Einspruch ein. Es ging am 13. Januar 2015 beim FA ein. Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Januar 2015 mit, dass der Einspruch verfristet eingelegt worden sei und wies ihn auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin.

3

Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe sich darüber geirrt, dass für die Einlegung des Einspruchs nicht die Absendung des Schriftstücks, sondern der Eingang beim FA maßgeblich sei. Hierüber habe das FA im Rahmen seiner formularmäßigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht belehrt.

4

Das FA lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Den Einspruch verwarf es als unzulässig. Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Auch das Finanzgericht (FG) sah den Einspruch als verfristet an. Die Rechtsbehelfsbelehrung, die den Gesetzeswortlaut des § 356 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) wiederhole, sei richtig erteilt worden, so dass die Jahresfrist nicht zum Tragen komme. Eine Belehrung darüber, dass die Einspruchsfrist nur gewahrt sei, wenn der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist zugehe, sehe das Gesetz nicht vor. Zu Recht habe das FA auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Soweit der Kläger sich in einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Wahrung der Einspruchsfrist befunden habe, sei dieser nicht unverschuldet gewesen. Soweit er trotz der Rechtsbehelfsbelehrung insoweit verfahrensrechtliche Zweifel gehabt habe, habe er es unterlassen, Rechtsrat einzuholen, den er auch kostenfrei beim FA hätte erhalten können.

5

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und aufgrund eines Verfahrensmangels.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

7

Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Form dargelegt worden sind, jedenfalls nicht vor. Weder ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen noch liegt ein Ver-fahrensmangel vor.

8

1. Für die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche ab-strakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 2. Februar 2016 X B 95/15, BFH/NV 2016, 732, unter II.1., m.w.N.). Insbesondere in einem solchen Fall muss sich der Beschwerdeführer auch mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzen und substantiiert darlegen, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt hat (so auch BFH-Beschluss vom 14. April 2016 III B 108/15, BFH/NV 2016, 1250, unter II.1.a, m.w.N.). Bei Streitfragen, die maßgeblich von der Beurteilung des Einzelfalls abhängen, bedarf es substantiierter Darlegungen, weshalb der Rechtsfrage ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2015 VII B 176/14, BFH/NV 2016, 595, unter II.1., m.w.N.).

9

a) Soweit der Kläger eine Revisionszulassung zur (weiteren) Klärung des Umfangs der Rechtsbehelfsbelehrung begehrt, ist bereits zweifelhaft, ob die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen im Allgemeininteresse liegen. Jedenfalls aber lassen sie sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH und des Gesetzes beantworten, so dass eine Klärungsbedürftigkeit nicht vorliegt.

10

aa) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache reicht nicht der Hinweis darauf, die Revisionsentscheidung sei für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung; denn daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (so schon Senatsbeschluss vom 27. März 2014 X B 75/13, BFH/NV 2014, 1073, unter II.1.a, m.w.N.). Auch reicht es nicht aus, darauf zu verweisen, die aufgeworfenen Fragen seien in der veröffentlichten finanzgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht erörtert worden. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf eine fehlende Entscheidung des BFH die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ersetzen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 21. September 2011 XI B 24/11, BFH/NV 2012, 277, unter II.2.b).

11

Änderungen an diesem Erfordernis haben sich auch nicht durch die Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ergeben. Wie vor dieser Änderung muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, unter II.1.a, m.w.N. auf die bisherige ständige Rechtsprechung).

12

Allerdings kann auf eine ausführliche Darlegung der Klärungsbedürftigkeit verzichtet werden, wenn sie offenkundig ist und nähere Angaben unnötige Förmelei wären (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1073, unter II.1.a, m.w.N.).

13

bb) Jedenfalls aber lassen sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, soweit sie im Zusammenhang mit der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung stehen, anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH und des Gesetzes beantworten. Es fehlt deshalb an der Klärungsbedürftigkeit.

14

(1) Soweit der Kläger die Fragen geklärt wissen will,

- ob durch eine Belehrung über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren des Einspruchs nach §§ 347 ff. AO, die keinen Hinweis auf § 130 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und die sich hieraus für die Fristwahrung ergebenden Folgen enthält, die Einspruchsfrist in Gang gesetzt wird ("beginnt") und

- ob im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren eine Rechtsbehelfsbelehrung einen Hinweis darüber enthalten muss, dass die Rechtsbehelfsfrist nur durch Eingang bei der zuständigen Finanzbehörde gewahrt wird, nicht aber durch Absendung des an die Finanzbehörde zu adressierenden Einspruchsschreibens,

begehrt er sinngemäß die Klärung, ob es ausreichen kann, wenn im Rahmen einer (formularmäßigen) Rechtsbehelfsbelehrung der Hinweis fehlt, dass der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde eingegangen sein muss.

15

(a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO zwingend geforderten Angaben nicht enthält (vgl. nur BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1250, unter II.1.b aa, m.w.N.). Sie ist dies aber auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abhält, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272, unter II.2.b, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (sog. objektiver Verständnishorizont, vgl. BFH-Beschluss in BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272, unter II.2.b, m.w.N.). Unerheblich ist, ob eine unrichtige Belehrung für die Fristversäumung ursächlich war (BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448, Rz 7, m.w.N.).

16

(b) Nachdem der Senat schon früher entschieden hatte, dass eine Rechtsmittelbelehrung so einfach und klar wie möglich gehalten werden solle, um im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden, und es deshalb ausreiche, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergebe und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichte (Senatsurteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455, unter II.2.c), haben sich dieser Rechtsprechung verschiedene Senate des BFH angeschlossen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 28. April 2015 VI R 65/13, BFH/NV 2015, 1074, unter II.1.b, m.w.N.). Auf dieser Grundlage hat der Senat seine Rechtsprechung sodann dahingehend fortgeführt, dass es ausreiche, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Formerfordernisses für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergebe (Senatsurteil vom 20. November 2013 X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, unter II.3.b). Denn an die Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO seien, seien keine höheren Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung seien. Wenn es schon bei der im Einzelfall mitunter sehr komplizierten Berechnung der Frist ausreiche, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, müsse dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung seien (Senatsurteil in BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, unter II.3.c).

17

(c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist klar, dass eine Belehrung über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach §§ 347 ff. AO keines Hinweises auf § 130 Abs. 3 BGB bedarf, da der Wortlaut des § 356 Abs. 1 AO dies nicht vorsieht. Somit bedarf es auch keines Hinweises (ohne Nennung der Norm), dass die Rechtsbehelfsfrist nur durch Eingang bei der zuständigen Finanzbehörde gewahrt wird, nicht aber durch Absendung des an die Finanzbehörde adressierten Einspruchs.

18

(2) Gleichzeitig ergibt sich aus der gefestigten bisherigen Rechtsprechung, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht auf §§ 108 ff., 122, 347, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1, 357 Abs. 2 Satz 1 AO hinweisen muss, sondern allein eine --hier vorliegende-- Nennung der Voraussetzungen des § 356 Abs. 1 AO genügt. Einer vollständigen Wiederholung des Gesetzestextes des § 356 Abs. 1 AO bedarf es nicht (so auch schon Senatsbeschluss in BFH/NV 2016, 732, unter II.1.c). Eine darüber hinausgehende Auslegung, die den Beginn der dort genannten Einspruchsfrist betrifft und letztlich auch auf § 130 Abs. 3 BGB verweisen muss, ist nicht nötig.

19

(3) Der Kläger hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, warum bzw. unter welchen Gesichtspunkten es im Streitfall einer neuerlichen Entscheidung des BFH zu den von ihm gestellten Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung bedarf.

20

(a) Soweit der Kläger darauf verweist, dass die bisherige BFH-Rechtsprechung im Konkreten noch nicht zur Frage des Hinweises auf § 130 Abs. 3 BGB entschieden habe, verkennt er die Ab-straktheit dieser Entscheidungen, die, wie gezeigt, auch die Fragen im Zusammenhang mit § 130 Abs. 3 BGB eindeutig entscheiden - wenn auch nicht im Sinne des Klägers.

21

(b) Die Hinweise und Ausführungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Gebot des aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) sind ebenfalls nicht geeignet, den Senat davon zu überzeugen, im Rahmen eines Revisionsverfahrens erneut zum Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung zu entscheiden. Aus Sicht des Senats wahrt die bisherige BFH-Rechtsprechung durch ihre Deutlichkeit und Klarheit dieses Rechtsstaatsprinzip, da sie dazu beiträgt, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht zu überfrachten und damit dem Steuerpflichtigen, auch wenn er nicht beraten ist, hilft, rechtzeitig den Einspruch einzulegen. Denn anders als im Fall des Klägers wird davon auszugehen sein, dass ein Steuerpflichtiger grundsätzlich annimmt, diese Frist werde erst durch den Eingang gewahrt. Hinweise auf § 130 Abs. 3 BGB oder die Unterscheidung zwischen Absendung beim Steuerpflichtigen oder Eingang bei der Finanzbehörde schaffen eher Verwirrung.

22

(c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Hinweise des Klägers auf die Rechtsprechung in anderen Gerichtszweigen.

23

(aa) Soweit der Kläger auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 14. November 1969 II WDB 28.69 (BVerwGE 43, 26) abstellt, der eine Rechtsmittelbelehrung, aus der sich nicht ergibt, dass die Einlegungsfrist nur gewahrt sei, wenn der schriftliche Rechtsbehelf vor Ablauf dieser Frist bei Gericht eingehe, als unrichtig ansieht, ist diese Rechtsprechung --worauf bereits das FG zutreffend hingewiesen hat-- durch nachfolgende Entscheidungen des BVerwG aufgegeben worden. Inzwischen ist geklärt, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung nicht hierauf beziehen muss (vgl. statt aller BVerwG-Beschluss vom 16. März 1989  8 B 26/89).

24

(bb) Nicht vergleichbar sind die vom Kläger dargelegten Fälle, bei denen Rechtsmittelbelehrungen zu Fristen der Strafprozessordnung, die einen Antrag oder ein Rechtsmittel in Gang setzen sollen, jeweils auf die Notwendigkeit des Eingangs innerhalb dieser Frist hinweisen müssen. Aussagekraft für andere Gerichtszweige haben diese Fälle nicht. Insbesondere ergeben sich hieraus keine Folgen für Steuerverfahrensvorschriften.

25

b) Grundsätzliche Bedeutung kommt auch den Rechtsfragen des Klägers im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu. Diese zielen auf eine Klärung des Verschuldens des Klägers ab. Sie sind, obwohl wie abstrakte Fragen aufgeworfen, erkennbar auf den vorliegenden Einzelfall hin formuliert worden. Der Kläger macht insoweit letztlich geltend, das FG habe bei seiner Bewertung einen falschen Verschuldensmaßstab herangezogen bzw. unzulässigerweise eine Wahlfeststellung vorgenommen. Damit wendet sich der Kläger gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Hieraus ergibt sich kein Zulassungsgrund (vgl. etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1250, unter II.1.b cc).

26

2. Sollte der Kläger aufgrund der aufgeworfenen Rechtsfragen auch eine Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) begehren, kann dieser Vortrag ebenfalls keinen Erfolg haben. Dieser Zulassungsgrund ist ein Spezialfall der Grundsatzrevision (vgl. nur Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 X B 171/14, BFH/NV 2015, 1243, unter II.5., m.w.N.). Es sind deshalb die gleichen Voraussetzungen --insbesondere auch eine im Allgemeininteresse liegende klärungsbedürftige Rechtsfrage-- zu verlangen, die hier, wie unter II.1. gezeigt, nicht vorliegen.

27

3. Das FG-Urteil leidet nicht unter einem vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

28

a) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

29

aa) Bei dem von ihm geltend gemachten Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) handelt es sich nicht um eine Rüge nach § 119 Nr. 3 FGO, bei der die Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung unwiderleglich vermutet wird. Denn eine solche Rüge betrifft nach ständiger Rechtsprechung nur solche Fälle, in denen die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Gesamtergebnis des Verfahrens erfasst. Bezieht sich der vermeintliche Gehörsverstoß dagegen, wie im Streitfall, lediglich auf einzelne Feststellungen --hier den "Zweifel des Klägers über den genauen Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist"--, so ist die mögliche Kausalität des beanstandeten Verfahrensmangels für das Urteil --unter Zugrundelegung des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG-- vom Kläger darzulegen und vom Beschwerdegericht zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2015 X B 92/14, BFH/NV 2015, 955, unter II.2.a, m.w.N.).

30

bb) Das FG hat vorliegend bei Prüfung des Verschuldens (Seite 11 f.) dem Kläger solche Zweifel nicht unterstellt. Vielmehr hat es darauf hingewiesen, dass er sich Gewissheit über die Richtigkeit seiner Rechtsansicht hätte verschaffen müssen, weil die Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Einspruchs-frist von einem Monat hinwies und keine Aussagen darüber ent-hielt, in welcher Weise er diese Einspruchsfrist hätte wahren können oder müssen.

31

In einer solchen Situation wäre es ihm --so das FG zu Recht-- als Verschulden anzurechnen, von dem für ihn günstigsten Fall auszugehen. Selbst für den Fall, dass eine rechtzeitige Absendung wie im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechte ausreiche, hätten ihm Zweifel kommen müssen, ob dies auch für den Einspruch nach der AO gelte.

32

Damit macht das FG deutlich, dass es selbst für den Fall, dass der Kläger zweifelsfrei von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgegangen wäre, ein Verschulden annehme. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte selbst dann keinen Erfolg haben können.

33

Unter Zugrundelegung dieses materiell-rechtlichen Standpunkts des FG ist nicht erkennbar, wie die vom Kläger angemahnte weitergehende Erörterung eines ggf. vorhandenen Zweifels das Gesamtergebnis des Verfahrens hätte beeinflussen sollen.

34

b) Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf eine mögliche fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung im FG-Urteil abstellt, kann er diese im vorliegenden Verfahren nicht rügen. Vielmehr muss der Kläger dies durch einen fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend machen (Senatsbeschluss vom 4. März 2015 X B 39/14, BFH/NV 2015, 805, unter II.4.d, m.w.N.). Einen solchen Antrag hat der Kläger jedoch nicht gestellt.

35

4. Letztlich zielt die Beschwerdebegründung allein darauf ab, dass der Kläger eine andere Beurteilung der Voraussetzungen der Einlegung eines fristgerechten Einspruchs wie auch der Berücksichtigung des Verschuldens im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vornimmt und sich somit gegen die Rechtsausführungen des FG insoweit wendet. Hierin liegt jedoch nicht eine Geltendmachung eines Revisionsgrunds, sondern allein die Geltendmachung einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2013 X B 21/12, BFH/NV 2013, 759, m.w.N.).

36

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

37

6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. April 2016  9 K 1558/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.   

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.   

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 8. Dezember 2014 die Einkommensteuer des Streitjahres des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) fest. Dieser Bescheid wurde, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, am gleichen Tag zur Post gegeben.

2

Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 legte der Kläger Einspruch ein. Es ging am 13. Januar 2015 beim FA ein. Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Januar 2015 mit, dass der Einspruch verfristet eingelegt worden sei und wies ihn auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin.

3

Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe sich darüber geirrt, dass für die Einlegung des Einspruchs nicht die Absendung des Schriftstücks, sondern der Eingang beim FA maßgeblich sei. Hierüber habe das FA im Rahmen seiner formularmäßigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht belehrt.

4

Das FA lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Den Einspruch verwarf es als unzulässig. Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Auch das Finanzgericht (FG) sah den Einspruch als verfristet an. Die Rechtsbehelfsbelehrung, die den Gesetzeswortlaut des § 356 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) wiederhole, sei richtig erteilt worden, so dass die Jahresfrist nicht zum Tragen komme. Eine Belehrung darüber, dass die Einspruchsfrist nur gewahrt sei, wenn der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist zugehe, sehe das Gesetz nicht vor. Zu Recht habe das FA auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Soweit der Kläger sich in einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Wahrung der Einspruchsfrist befunden habe, sei dieser nicht unverschuldet gewesen. Soweit er trotz der Rechtsbehelfsbelehrung insoweit verfahrensrechtliche Zweifel gehabt habe, habe er es unterlassen, Rechtsrat einzuholen, den er auch kostenfrei beim FA hätte erhalten können.

5

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und aufgrund eines Verfahrensmangels.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

7

Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Form dargelegt worden sind, jedenfalls nicht vor. Weder ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen noch liegt ein Ver-fahrensmangel vor.

8

1. Für die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche ab-strakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 2. Februar 2016 X B 95/15, BFH/NV 2016, 732, unter II.1., m.w.N.). Insbesondere in einem solchen Fall muss sich der Beschwerdeführer auch mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzen und substantiiert darlegen, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt hat (so auch BFH-Beschluss vom 14. April 2016 III B 108/15, BFH/NV 2016, 1250, unter II.1.a, m.w.N.). Bei Streitfragen, die maßgeblich von der Beurteilung des Einzelfalls abhängen, bedarf es substantiierter Darlegungen, weshalb der Rechtsfrage ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2015 VII B 176/14, BFH/NV 2016, 595, unter II.1., m.w.N.).

9

a) Soweit der Kläger eine Revisionszulassung zur (weiteren) Klärung des Umfangs der Rechtsbehelfsbelehrung begehrt, ist bereits zweifelhaft, ob die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen im Allgemeininteresse liegen. Jedenfalls aber lassen sie sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH und des Gesetzes beantworten, so dass eine Klärungsbedürftigkeit nicht vorliegt.

10

aa) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache reicht nicht der Hinweis darauf, die Revisionsentscheidung sei für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung; denn daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (so schon Senatsbeschluss vom 27. März 2014 X B 75/13, BFH/NV 2014, 1073, unter II.1.a, m.w.N.). Auch reicht es nicht aus, darauf zu verweisen, die aufgeworfenen Fragen seien in der veröffentlichten finanzgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht erörtert worden. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf eine fehlende Entscheidung des BFH die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ersetzen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 21. September 2011 XI B 24/11, BFH/NV 2012, 277, unter II.2.b).

11

Änderungen an diesem Erfordernis haben sich auch nicht durch die Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ergeben. Wie vor dieser Änderung muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, unter II.1.a, m.w.N. auf die bisherige ständige Rechtsprechung).

12

Allerdings kann auf eine ausführliche Darlegung der Klärungsbedürftigkeit verzichtet werden, wenn sie offenkundig ist und nähere Angaben unnötige Förmelei wären (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 1073, unter II.1.a, m.w.N.).

13

bb) Jedenfalls aber lassen sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, soweit sie im Zusammenhang mit der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung stehen, anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH und des Gesetzes beantworten. Es fehlt deshalb an der Klärungsbedürftigkeit.

14

(1) Soweit der Kläger die Fragen geklärt wissen will,

- ob durch eine Belehrung über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren des Einspruchs nach §§ 347 ff. AO, die keinen Hinweis auf § 130 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und die sich hieraus für die Fristwahrung ergebenden Folgen enthält, die Einspruchsfrist in Gang gesetzt wird ("beginnt") und

- ob im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren eine Rechtsbehelfsbelehrung einen Hinweis darüber enthalten muss, dass die Rechtsbehelfsfrist nur durch Eingang bei der zuständigen Finanzbehörde gewahrt wird, nicht aber durch Absendung des an die Finanzbehörde zu adressierenden Einspruchsschreibens,

begehrt er sinngemäß die Klärung, ob es ausreichen kann, wenn im Rahmen einer (formularmäßigen) Rechtsbehelfsbelehrung der Hinweis fehlt, dass der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde eingegangen sein muss.

15

(a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO zwingend geforderten Angaben nicht enthält (vgl. nur BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1250, unter II.1.b aa, m.w.N.). Sie ist dies aber auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abhält, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272, unter II.2.b, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (sog. objektiver Verständnishorizont, vgl. BFH-Beschluss in BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272, unter II.2.b, m.w.N.). Unerheblich ist, ob eine unrichtige Belehrung für die Fristversäumung ursächlich war (BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448, Rz 7, m.w.N.).

16

(b) Nachdem der Senat schon früher entschieden hatte, dass eine Rechtsmittelbelehrung so einfach und klar wie möglich gehalten werden solle, um im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden, und es deshalb ausreiche, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergebe und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichte (Senatsurteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455, unter II.2.c), haben sich dieser Rechtsprechung verschiedene Senate des BFH angeschlossen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 28. April 2015 VI R 65/13, BFH/NV 2015, 1074, unter II.1.b, m.w.N.). Auf dieser Grundlage hat der Senat seine Rechtsprechung sodann dahingehend fortgeführt, dass es ausreiche, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Formerfordernisses für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergebe (Senatsurteil vom 20. November 2013 X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, unter II.3.b). Denn an die Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO seien, seien keine höheren Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung seien. Wenn es schon bei der im Einzelfall mitunter sehr komplizierten Berechnung der Frist ausreiche, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, müsse dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung seien (Senatsurteil in BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, unter II.3.c).

17

(c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist klar, dass eine Belehrung über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach §§ 347 ff. AO keines Hinweises auf § 130 Abs. 3 BGB bedarf, da der Wortlaut des § 356 Abs. 1 AO dies nicht vorsieht. Somit bedarf es auch keines Hinweises (ohne Nennung der Norm), dass die Rechtsbehelfsfrist nur durch Eingang bei der zuständigen Finanzbehörde gewahrt wird, nicht aber durch Absendung des an die Finanzbehörde adressierten Einspruchs.

18

(2) Gleichzeitig ergibt sich aus der gefestigten bisherigen Rechtsprechung, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht auf §§ 108 ff., 122, 347, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1, 357 Abs. 2 Satz 1 AO hinweisen muss, sondern allein eine --hier vorliegende-- Nennung der Voraussetzungen des § 356 Abs. 1 AO genügt. Einer vollständigen Wiederholung des Gesetzestextes des § 356 Abs. 1 AO bedarf es nicht (so auch schon Senatsbeschluss in BFH/NV 2016, 732, unter II.1.c). Eine darüber hinausgehende Auslegung, die den Beginn der dort genannten Einspruchsfrist betrifft und letztlich auch auf § 130 Abs. 3 BGB verweisen muss, ist nicht nötig.

19

(3) Der Kläger hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, warum bzw. unter welchen Gesichtspunkten es im Streitfall einer neuerlichen Entscheidung des BFH zu den von ihm gestellten Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung bedarf.

20

(a) Soweit der Kläger darauf verweist, dass die bisherige BFH-Rechtsprechung im Konkreten noch nicht zur Frage des Hinweises auf § 130 Abs. 3 BGB entschieden habe, verkennt er die Ab-straktheit dieser Entscheidungen, die, wie gezeigt, auch die Fragen im Zusammenhang mit § 130 Abs. 3 BGB eindeutig entscheiden - wenn auch nicht im Sinne des Klägers.

21

(b) Die Hinweise und Ausführungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Gebot des aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) sind ebenfalls nicht geeignet, den Senat davon zu überzeugen, im Rahmen eines Revisionsverfahrens erneut zum Umfang der Rechtsbehelfsbelehrung zu entscheiden. Aus Sicht des Senats wahrt die bisherige BFH-Rechtsprechung durch ihre Deutlichkeit und Klarheit dieses Rechtsstaatsprinzip, da sie dazu beiträgt, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht zu überfrachten und damit dem Steuerpflichtigen, auch wenn er nicht beraten ist, hilft, rechtzeitig den Einspruch einzulegen. Denn anders als im Fall des Klägers wird davon auszugehen sein, dass ein Steuerpflichtiger grundsätzlich annimmt, diese Frist werde erst durch den Eingang gewahrt. Hinweise auf § 130 Abs. 3 BGB oder die Unterscheidung zwischen Absendung beim Steuerpflichtigen oder Eingang bei der Finanzbehörde schaffen eher Verwirrung.

22

(c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Hinweise des Klägers auf die Rechtsprechung in anderen Gerichtszweigen.

23

(aa) Soweit der Kläger auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 14. November 1969 II WDB 28.69 (BVerwGE 43, 26) abstellt, der eine Rechtsmittelbelehrung, aus der sich nicht ergibt, dass die Einlegungsfrist nur gewahrt sei, wenn der schriftliche Rechtsbehelf vor Ablauf dieser Frist bei Gericht eingehe, als unrichtig ansieht, ist diese Rechtsprechung --worauf bereits das FG zutreffend hingewiesen hat-- durch nachfolgende Entscheidungen des BVerwG aufgegeben worden. Inzwischen ist geklärt, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung nicht hierauf beziehen muss (vgl. statt aller BVerwG-Beschluss vom 16. März 1989  8 B 26/89).

24

(bb) Nicht vergleichbar sind die vom Kläger dargelegten Fälle, bei denen Rechtsmittelbelehrungen zu Fristen der Strafprozessordnung, die einen Antrag oder ein Rechtsmittel in Gang setzen sollen, jeweils auf die Notwendigkeit des Eingangs innerhalb dieser Frist hinweisen müssen. Aussagekraft für andere Gerichtszweige haben diese Fälle nicht. Insbesondere ergeben sich hieraus keine Folgen für Steuerverfahrensvorschriften.

25

b) Grundsätzliche Bedeutung kommt auch den Rechtsfragen des Klägers im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu. Diese zielen auf eine Klärung des Verschuldens des Klägers ab. Sie sind, obwohl wie abstrakte Fragen aufgeworfen, erkennbar auf den vorliegenden Einzelfall hin formuliert worden. Der Kläger macht insoweit letztlich geltend, das FG habe bei seiner Bewertung einen falschen Verschuldensmaßstab herangezogen bzw. unzulässigerweise eine Wahlfeststellung vorgenommen. Damit wendet sich der Kläger gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Hieraus ergibt sich kein Zulassungsgrund (vgl. etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1250, unter II.1.b cc).

26

2. Sollte der Kläger aufgrund der aufgeworfenen Rechtsfragen auch eine Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) begehren, kann dieser Vortrag ebenfalls keinen Erfolg haben. Dieser Zulassungsgrund ist ein Spezialfall der Grundsatzrevision (vgl. nur Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 X B 171/14, BFH/NV 2015, 1243, unter II.5., m.w.N.). Es sind deshalb die gleichen Voraussetzungen --insbesondere auch eine im Allgemeininteresse liegende klärungsbedürftige Rechtsfrage-- zu verlangen, die hier, wie unter II.1. gezeigt, nicht vorliegen.

27

3. Das FG-Urteil leidet nicht unter einem vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

28

a) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

29

aa) Bei dem von ihm geltend gemachten Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) handelt es sich nicht um eine Rüge nach § 119 Nr. 3 FGO, bei der die Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung unwiderleglich vermutet wird. Denn eine solche Rüge betrifft nach ständiger Rechtsprechung nur solche Fälle, in denen die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Gesamtergebnis des Verfahrens erfasst. Bezieht sich der vermeintliche Gehörsverstoß dagegen, wie im Streitfall, lediglich auf einzelne Feststellungen --hier den "Zweifel des Klägers über den genauen Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist"--, so ist die mögliche Kausalität des beanstandeten Verfahrensmangels für das Urteil --unter Zugrundelegung des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG-- vom Kläger darzulegen und vom Beschwerdegericht zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2015 X B 92/14, BFH/NV 2015, 955, unter II.2.a, m.w.N.).

30

bb) Das FG hat vorliegend bei Prüfung des Verschuldens (Seite 11 f.) dem Kläger solche Zweifel nicht unterstellt. Vielmehr hat es darauf hingewiesen, dass er sich Gewissheit über die Richtigkeit seiner Rechtsansicht hätte verschaffen müssen, weil die Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Einspruchs-frist von einem Monat hinwies und keine Aussagen darüber ent-hielt, in welcher Weise er diese Einspruchsfrist hätte wahren können oder müssen.

31

In einer solchen Situation wäre es ihm --so das FG zu Recht-- als Verschulden anzurechnen, von dem für ihn günstigsten Fall auszugehen. Selbst für den Fall, dass eine rechtzeitige Absendung wie im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Verbraucherschutzrechte ausreiche, hätten ihm Zweifel kommen müssen, ob dies auch für den Einspruch nach der AO gelte.

32

Damit macht das FG deutlich, dass es selbst für den Fall, dass der Kläger zweifelsfrei von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgegangen wäre, ein Verschulden annehme. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte selbst dann keinen Erfolg haben können.

33

Unter Zugrundelegung dieses materiell-rechtlichen Standpunkts des FG ist nicht erkennbar, wie die vom Kläger angemahnte weitergehende Erörterung eines ggf. vorhandenen Zweifels das Gesamtergebnis des Verfahrens hätte beeinflussen sollen.

34

b) Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf eine mögliche fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung im FG-Urteil abstellt, kann er diese im vorliegenden Verfahren nicht rügen. Vielmehr muss der Kläger dies durch einen fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend machen (Senatsbeschluss vom 4. März 2015 X B 39/14, BFH/NV 2015, 805, unter II.4.d, m.w.N.). Einen solchen Antrag hat der Kläger jedoch nicht gestellt.

35

4. Letztlich zielt die Beschwerdebegründung allein darauf ab, dass der Kläger eine andere Beurteilung der Voraussetzungen der Einlegung eines fristgerechten Einspruchs wie auch der Berücksichtigung des Verschuldens im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vornimmt und sich somit gegen die Rechtsausführungen des FG insoweit wendet. Hierin liegt jedoch nicht eine Geltendmachung eines Revisionsgrunds, sondern allein die Geltendmachung einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2013 X B 21/12, BFH/NV 2013, 759, m.w.N.).

36

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

37

6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von einer Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch wird beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. Hierauf ist die Partei zugleich mit der Zustellung des Urteils schriftlich hinzuweisen. § 345 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(4) Sichere Übermittlungswege sind

1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen.

(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(1) Zur Verkündung des Urteils kann ein besonderer Termin nur bestimmt werden, wenn die sofortige Verkündung in dem Termin, auf Grund dessen es erlassen wird, aus besonderen Gründen nicht möglich ist, insbesondere weil die Beratung nicht mehr am Tag der Verhandlung stattfinden kann. Der Verkündungstermin wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern. Dies gilt auch dann, wenn ein Urteil nach Lage der Akten erlassen wird.

(2) Bei Verkündung des Urteils ist der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn beide Parteien abwesend sind; in diesem Fall genügt die Bezugnahme auf die unterschriebene Urteilsformel.

(3) Die Wirksamkeit der Verkündung ist von der Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter nicht abhängig. Wird ein von der Kammer gefälltes Urteil ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter verkündet, so ist die Urteilsformel vorher von dem Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern zu unterschreiben.

(4) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Wird das Urteil nicht in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, so muß es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefaßt sein. Ein Urteil, das in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet wird, ist vor Ablauf von drei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln; kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser Frist das von dem Vorsitzenden unterschriebene Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe der Geschäftsstelle zu übermitteln. In diesem Fall sind Tatbestand und Entscheidungsgründe alsbald nachträglich anzufertigen, von dem Vorsitzenden besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine Anordnung eines Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) mit Blick auf ein zwischenzeitlich über das Vermögen des Vergütungsgläubigers eröffnetes Insolvenzverfahren von der Vollziehung auszusetzen ist; ein Einspruch gegen die Anordnung wurde nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt.

2

Unternehmensgegenstand der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), einer GmbH, ist der Erwerb, der Umbau, die Verwaltung, Bewirtschaftung und spätere Veräußerung einer im Inland belegenen Gewerbeimmobilie. Die Immobilie war mit notariellem Vertrag vom 28. September 2011 von einer niederländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden für 10.500.000 € erworben worden. Eine "1. Rate" des Kaufpreises (525.000 €) hatte die Antragstellerin bereits vor der Vertragsbeurkundung auflagenfrei auf ein Notaranderkonto eingezahlt. Der Restkaufpreis war innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Absenden der schriftlichen Bestätigung des Notars über den Eintritt weiterer Fälligkeitsvoraussetzungen zu zahlen.

3

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ordnete unter dem 10. Oktober 2011 (Bekanntgabe am 12. Oktober 2011) gegenüber der Antragstellerin gemäß § 50a Abs. 7 (i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG 2009 den Abzug von Körperschaftsteuer in Höhe von 7 % der Vergütungen aus dem Grundstückskaufvertrag an (735.000 €). Der Bescheid trägt keinen Hinweis auf eine E-Mail-Adresse des FA, die sich allerdings aus der allgemeinen Homepage www.finanzamt.nrw.de ergibt; die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautet: "Gegen die Anordnung des Steuerabzuges ist der Einspruch gegeben. ... Der Einspruch ist bei dem auf Seite 1 bezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Auch der Steuerschuldner kann Einspruch einlegen. Die Frist für die Einlegung beträgt ..."

4

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat das FA die Antragstellerin um Mitteilung, wann der Kaufpreis gezahlt und warum gegebenenfalls kein Steuerabzug durchgeführt worden sei. Die Antragstellerin zahlte den "Restkaufpreis" am 20. Januar 2012; später wurde sie als Eigentümerin des Objektes in das Grundbuch eingetragen.

5

Die Antragstellerin informierte das FA über die Zahlung des Kaufpreises. Sie verwies zudem auf eine notarielle Bestätigung vom 7. Februar 2012 über den Bestand eines Notaranderkontos in Höhe von 805.925 €. Gemäß der Treuhandabrede habe sie einen entsprechenden Teil des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto hinterlegt. Durch diese Gestaltung habe vermieden werden sollen, dass im Falle einer tatsächlich niedrigeren Steuerfestsetzung aus dem Veräußerungsvorgang die Steuererstattung an die Grundstücksverkäuferin erfolge, um die Bank nicht wirtschaftlich unverhältnismäßig zu benachteiligen.

6

Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 forderte das FA die Antragstellerin erneut auf, die Anmeldung und Zahlung des Betrages von 735.000 € zzgl. Solidaritätszuschlag vorzunehmen. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass zur Sicherung eines eventuellen Steueranspruchs ein Notaranderkonto eingerichtet worden sei. Zugleich beantragte sie, die Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 131 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zu widerrufen. Denn über das Vermögen der Grundstücksverkäuferin sei in den Niederlanden am 16. Februar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieser Umstand sei bei der Anordnung des Steuerabzuges jedenfalls im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, da es ein Fiskusprivileg nicht gebe. Durch den Vollzug des Steuerabzuges würde jedoch der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern der insolventen Gesellschaft bevorzugt, was parallel zur Rechtslage bei der Bauabzugsteuer gemäß §§ 48 ff. EStG (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 2002 I B 147/02, BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716) unrechtmäßig sei. Das FA lehnte den Widerruf der Anordnung mit Schreiben vom 28. März 2012 ab. Über den hiergegen gerichteten Einspruch der Antragstellerin vom 5. April 2012 hat das FA noch nicht entschieden.

7

Mit Schreiben vom 13. April 2012 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Anordnung des Steuerabzuges vom 10. Oktober 2011 ein. Sie vertrat unter Hinweis auf ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 24. November 2011  10 K 275/11 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 292) und das hierzu beim BFH anhängige Revisionsverfahren (Az. X R 2/12) die Auffassung, dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei unrichtig; ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail fehle (Hinweis auf § 356 Abs. 2 AO).

8

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der streitigen Anordnung lehnte das FA ab, da der Einspruch verfristet sei. Ein beim FG Münster gestellter AdV-Antrag blieb ebenfalls erfolglos (FG Münster, Beschluss vom 6. Juli 2012  11 V 1706/12 E, abgedruckt in EFG 2012, 1811).

9

Die Antragstellerin macht mit ihrer --vom FG zugelassenen-- Beschwerde geltend, der Einspruch gegen die streitgegenständliche Anordnung sei fristgerecht eingelegt worden. Es bestünden auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vollziehung der Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 EStG 2009 vom 10. Oktober 2011 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in voller Höhe ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

10

Das FA hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

11

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat die beantragte AdV zu Recht abgelehnt. Es fehlt angesichts der verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs und der daran anschließenden formellen Bestandskraft der streitgegenständlichen Anordnung an den für die AdV-Gewährung erforderlichen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts.

12

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen u.a. dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; z.B. Senatsbeschluss vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611).

13

2. Bei der im Verfahren auf AdV gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung des FA vom 10. Oktober 2011 wegen des Eintritts der formellen Bestandskraft nicht ernstlich zweifelhaft. Der Einspruch der Antragstellerin vom 13. April 2012 ist --was zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht-- erst nach Ablauf der Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO beim FA eingegangen; Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO) sind von der Antragstellerin weder vorgetragen worden noch sind sie sonst ersichtlich. Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf § 356 Abs. 2 Satz 1 AO berufen.

14

a) Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs (§ 355 Abs. 1 AO) bei einem schriftlich oder elektronisch ergangenen Verwaltungsakt nur dann, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Ist die Belehrung i.S. des § 356 Abs. 1 AO unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei.

15

b) Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist dies aber auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BFH-Urteile vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; vom 21. Juni 2007 III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064; s. auch zur vergleichbaren Konstellation des § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung im allgemeinen Verwaltungsprozess Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Urteile vom 13. Dezember 1978  6 C 77/78, BVerwGE 57, 188; vom 27. April 1990  8 C 70/88, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 508; vom 21. März 2002  4 C 2/01, Deutsches Verwaltungsblatt 2002, 1553, m.w.N.). Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung daher weiter gehende (nicht nur notwendige) Angaben, so müssen jene auch richtig, vollständig und unmissverständlich sein (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 XI B 46/05, juris; BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2064; BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (sog. objektiver Verständnishorizont; s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 448, m.w.N.).

16

c) Die in dem Bescheid vom 10. Oktober 2011 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung ist nach diesem Maßstab --und der gebotenen summarischen Prüfung-- nicht unrichtig; die Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO konnte deshalb nicht unbeachtet bleiben.

17

aa) Zwischen den Beteiligten ist nicht in Streit, dass die Rechtsbehelfsbelehrung die in § 356 Abs. 1 AO ausdrücklich angeführten Bestandteile (Belehrung "über den Einspruch", über die Behörde als Adressaten und über die Frist) in der danach notwendigen Form (im konkreten Fall: schriftlich) enthält. Damit ist den gesetzlichen Anforderungen, die an den Inhalt der Belehrung "über den Einspruch" zu stellen sind, genügt. Weiterer über den Wortlaut von § 356 Abs. 1 AO hinausgehender Belehrungen zur Zulässigkeit des Rechtsbehelfs bedarf es nicht (ebenso z.B. Werth in Beermann/Gosch, AO § 356 Rz 15), auch nicht über die Form des Rechtsbehelfs (z.B. BVerwG-Urteile in BVerwGE 57, 188; in NJW 1991, 508; Meissner in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, § 58 Rz 32; Eyermann/Schmidt, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., § 58 Rz 5; Pahlke in Pahlke/ Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 356 Rz 14; a.A. Dumke in Schwarz, AO, § 356 Rz 20; Große/Bludau, Der Betrieb --DB-- 2012, 655, 657; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 18. Aufl., § 58 Rz 10). Dem Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, zu verhindern, dass ein Bürger aus verfahrensrechtlicher Unkenntnis von der Einlegung eines Rechtsbehelfs absieht oder die hierfür vorgesehene Frist versäumt (z.B. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 I R 4/00, BFHE 192, 15, BStBl II 2000, 539; BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455), ist durch die "Mindestangaben" in § 356 Abs. 1 AO und durch die ergänzende Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldeten Verfahrensirrtümern in ausreichender Weise Rechnung getragen (s. auch Meissner in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O.).

18

bb) Dass die der streitgegenständlichen Anordnung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung --dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend-- einen Hinweis auf die (Schrift-)Form des Einspruchs enthält, steht dem nicht entgegen. Das FA hat dadurch nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont keinen unrichtigen bzw. missverständlichen Hinweis zu den Formerfordernissen erteilt. Das FA war deshalb auch nicht gehalten, einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten Schriftform) zu geben, ebenso wie es (umgekehrt) nicht gehalten war, angesichts der (ergänzenden) Regelung des § 87a AO einen Hinweis ausschließlich auf § 357 Abs. 1 Satz 1 AO zu unterlassen.

19

Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass die Abgabenordnung nach dem Inkrafttreten des § 87a AO eine elektronische Kommunikation zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen ermöglicht. Es ist auch zutreffend, insoweit von einer "elektronischen Form" der Rechtsbehelfseinlegung zu sprechen (s. dazu die im BFH-Beschluss vom 26. Juli 2011 VII R 30/10, BFHE 234, 118, BStBl II 2011, 925 zitierte landesrechtliche Regelung), die die (hergebrachte) Schriftform ersetzen kann (s. für das Verwaltungsverfahren § 87a Abs. 3 Satz 1 AO). Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist aber nicht geeignet, bei einem "objektiven" Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht (so im Ergebnis auch BFH-Beschluss vom 2. Februar 2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830; FG Köln, Urteil vom 30. Mai 2012  10 K 3264/11, EFG 2012, 1813; FG Düsseldorf, Urteil vom 20. November 2012  10 K 766/12 E, juris; ebenso Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 356 Rz 2; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO, § 87a Rz 71; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 87a AO Rz 5; s. auch Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 22. September 2011  4 K 540/11.NW, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 18. April 2011  20 ZB 11.349, juris; Skrobotz, jurisPR-ITR 7/2011 Anm. 6; Braun, jurisPR-ITR 15/2011 Anm. 5; a.A. Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2012, 292; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2011 OVG 2 N 10.10, juris; Böwing-Schmalenbrock, Deutsches Steuerrecht 2012, 444; Große/Bludau, DB 2012, 655, 657 f.; Geuer/ Jarasch, jurisPR-ITR 16/2012 Anm. 5; Pfützenreuter, EFG 2012, 1815 f.). Vielmehr lässt sich aus einer solchen, an den gesetzlichen Anforderungen als "Mindeststandard" ausgerichteten Belehrung allenfalls schlussfolgern, dass eine mündliche Einspruchseinlegung (soweit nicht bei der Behörde zur Niederschrift erklärt) ausgeschlossen ist. Zur (Un-)Möglichkeit der elektronischen Form wird jedoch keine positive Aussage getroffen und kann daher auch keine negative Aussage abgeleitet werden. Der Hinweis auf die "Schriftlichkeit" entsprechend § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wirkt deshalb weder irreführend noch rechtsschutzbeeinträchtigend. Er versetzt vielmehr --wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 zur insoweit vergleichbaren Situation der Fristberechnung ausgeführt hat-- den Betroffenen lediglich in die Lage --und gibt ihm Anlass--, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das herkömmliche Verständnis dessen, was unter "schriftlich" aufzufassen ist, angesichts technischer Weiterentwicklungen zu modifizieren ist, sei es durch den "Einsatz" beispielsweise sog. Computerfaxe, sei es durch die elektronische Kommunikation, wie diese zwischenzeitlich durch § 87a AO für das Einspruchsverfahren ermöglicht wird. Erforderlichenfalls ist er gehalten, einschlägigen Rechtsrat oder aber eine finanzbehördliche Auskunft einzuholen. Für eine bloß "mechanische" Übernahme des Schriftformerfordernisses gibt die Belehrung indessen nichts her.

20

Dieses Ergebnis ist schließlich unabhängig davon, ob das FA im streitgegenständlichen Bescheid durch einen direkten Verweis auf eine eigene Homepage oder mittelbar durch den Verweis auf "www.finanzamt.nrw.de" den Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente i.S. des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO (ohne Signaturerfordernis) tatsächlich eröffnet hat. Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob eine Finanzbehörde durch die Anweisung im sog. Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 357 (dort Nr. 1 Satz 2) zur rechtswirksamen Einlegung eines Einspruchs rechtsverbindlich (zweifelnd z.B. Martin/Bergan, Betriebs-Berater 2012, 432) von dem gesetzlichen Erfordernis der qualifizierten Signatur bei einer elektronischen Übermittlung (§ 87a Abs. 3 Satz 2 AO) befreit haben sollte.

21

3. Die Antragstellerin hat nicht geltend gemacht, dass ihrem Aussetzungsantrag nach dem alternativen Aussetzungsgrund der unbilligen Härte zu entsprechen wäre (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 FGO); es ist auch nicht ersichtlich, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Die Beschwerde ist hiernach zurückzuweisen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. April 2012 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. November 2010 wird verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und dabei zunächst um die Frage, ob die nach Ablauf eines Monats erhobene Berufung der Beklagten die Frist gewahrt hat, weil die Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung in elektronischer Form enthielt.

2

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1.6.2009 bis zum 31.5.2012 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren; im Übrigen hat es die auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.11.2010). Die Rechtsmittelbelehrung des der Beklagten am 24.11.2010 zugestellten SG-Urteils enthält den Hinweis, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Hessischen LSG, dessen Anschrift und Fax-Nummer angegeben waren, "schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle" einzulegen sei. Diese Frist sei aber auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist beim SG Kassel schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werde.

3

Die Beklagte hat mit einem am 28.3.2011 beim LSG eingegangenen Schreiben vom 18.2.2011 Berufung eingelegt und geltend gemacht, beim Kläger lägen weder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung noch eine quantitativ ausreichende Minderung des Leistungsvermögens vor. Ihr Rechtsmittel sei auch zulässig; weil die Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung über das elektronische Postfach des LSG enthalte, sei sie unvollständig, sodass ihr nach § 66 Abs 2 SGG eine Jahresfrist zur Verfügung stehe. Die Beklagte hat insoweit auf ein Schreiben des Vorsitzenden des 5. Senats des BSG vom 7.2.2011 zu einem anderen Verfahren (B 5 R 18/11 B) verwiesen; im Hinblick darauf hat sie beantragt, "die Berufung zuzulassen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen".

4

Das LSG hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 13.4.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei fristgerecht eingelegt, weil die Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils unvollständig und somit unrichtig gewesen und daher die Jahresfrist maßgeblich sei. Nach der Rechtsprechung des BSG gehöre zu den wesentlichen Einzelheiten einer vollständigen Rechtsmittelbelehrung auch die Belehrung über die für das Rechtsmittel vorgeschriebene Form. Das umfasse auch die gemäß § 65a Abs 1 S 1 SGG iVm § 1 und Anl 1 Nr 77 der Verordnung des Hessischen Ministers der Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften(vom 26.10.2007, GVBl 699 ) ab 17.12.2007 beim Hessischen LSG für alle Verfahren zugelassene Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente. Dies sei kein Unterfall der Schriftform und auch keine bloße "Auch-Möglichkeit", sondern eröffne einen weiteren "Regelweg" für die Berufungseinlegung, den eine vollständige Rechtsmittelbelehrung aufzeigen müsse. Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass ein Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung in elektronischer Form die Rechtsmittelbelehrung unübersichtlich mache oder überfrachte. In der Sache hat das LSG die Berufung der Beklagten für begründet erachtet.

5

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision, das Berufungsgericht habe das Rechtsmittel der Beklagten zu Unrecht als fristgerecht angesehen und deshalb verfahrensfehlerhaft in der Sache entschieden. Bei der vom Gesetz eröffneten Möglichkeit, Schriftsätze auch auf elektronischem Weg an das Gericht zu übermitteln, handele es sich lediglich um eine besondere Übertragungsweise und damit um die Regelung einer Unterform der Schriftform. Eine gesonderte Belehrung hierüber sei daher nicht erforderlich. Er nimmt insoweit Bezug auf eine Entscheidung des 7. Senats des Hessischen LSG (vom 20.6.2011 - L 7 AL 87/10 - Juris), der die Notwendigkeit einer Belehrung auch über die elektronische Form mit zutreffenden Gründen verneint habe.

6

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. April 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. November 2010 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung in der Sache selbst getroffen. Es fehlt eine von Amts wegen zu beachtende Sachurteilsvoraussetzung, denn die Berufung der Beklagten ist verfristet und deshalb unzulässig (vgl BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 14 f; BSG SozR 3-7610 § 823 Nr 5 S 8).

11

Das LSG hat die von der Beklagten vier Monate nach Zustellung des SG-Urteils eingelegte Berufung zu Unrecht als fristgemäß angesehen. Maßgeblich ist die Monatsfrist nach § 151 Abs 1 SGG, während die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG hier nicht anwendbar ist. Eine Rechtsmittelbelehrung, die - wie jene des SG-Urteils - keinen Hinweis auf die an dem Rechtsmittelgericht (oder dem Ausgangsgericht) bereits eröffnete Möglichkeit der elektronischen Kommunikation enthält, ist nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht "unrichtig" iS dieser Vorschrift (dazu unter 1.). Da der Beklagten auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (dazu unter 2.), ist ihre Berufung unter Aufhebung des LSG-Urteils als unzulässig zu verwerfen (§ 170 Abs 2 S 1 iVm § 158 S 1 SGG).

12

1. Die Rechtsmittelbelehrung eines SG-Urteils ist nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht "unrichtig" iS von § 66 Abs 2 S 1 SGG, wenn sie die Möglichkeit der Berufungseinlegung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht erwähnt, obwohl für das betreffende LSG(oder das ebenfalls in der Rechtsmittelbelehrung benannte SG, vgl § 151 Abs 2 S 1 SGG) nach § 65a Abs 1 SGG iVm einer Verordnung der dort näher bezeichneten zuständigen Stelle die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen ist.

13

Letzteres ist hier der Fall: Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des LSG (§§ 162, 202 S 1 SGG iVm § 560 ZPO) hat das Land Hessen von der in § 65a Abs 1 S 1 SGG eröffneten Befugnis Gebrauch gemacht und gemäß § 1 iVm Anl 1 Nr 77 der Verordnung des Hessischen Ministers der Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften(vom 26.10.2007, GVBl 699 ) ab 17.12.2007 die Einreichung elektronischer Dokumente in allen beim Hessischen LSG geführten Verfahren zugelassen (dasselbe gilt gemäß Anl 1 Nr 81 ElRVerkV Hessen auch für das SG Kassel).

14

a) Gemäß § 66 Abs 1 SGG(hier anzuwenden in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung von Art 4 Nr 4 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.3.2005, BGBl I 837) beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder, was hier allein in Frage kommt, "unrichtig" erteilt, so ist nach § 66 Abs 2 S 1 SGG - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung der angegriffenen Entscheidung zulässig.

15

b) Unrichtig iS des § 66 Abs 2 S 1 SGG ist jede Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht zumindest diejenigen Merkmale zutreffend wiedergibt, die § 66 Abs 1 SGG als Bestandteile der Belehrung ausdrücklich nennt: (1) den statthaften Rechtsbehelf als solchen (also seine Bezeichnung der Art nach), (2) die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, (3) deren bzw dessen Sitz und (4) die einzuhaltende Frist(BSGE 69, 9, 11 = SozR 3-1500 § 66 Nr 1 S 3).

16

Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ist nach ihrem Sinn und Zweck, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur (fristgerechten) Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen (BSGE 79, 293, 294 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6 S 24), aber auch (5) eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erforderlich (stRspr, vgl BSGE 1, 194, 195; BSGE 1, 254, 255; BSGE 7, 1, 2; BSGE 11, 213, 215; BSG vom 26.1.1993 - 1 RK 33/92 - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-1500 § 66 Nr 8 S 35 f). Dem entspricht im Ergebnis weitgehend die neuere Rspr des BVerwG und des BFH, nach der eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann unrichtig ist, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG Urteil vom 21.3.2002 - 4 C 2/01 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr 83 = Juris RdNr 12; BFH Beschluss vom 12.12.2012 - I B 127/12 - BFH/NV 2013, 434 RdNr 15, jeweils mwN; anders möglicherweise noch der 3. Senat des BFH: Beschluss vom 12.10.2012 - III B 66/12 - BFH/NV 2013, 177 RdNr 22). Die Notwendigkeit einer Belehrung auch über die Form des Rechtsbehelfs hat der Gesetzgeber zudem in § 36 SGB X, § 6 Wehrdisziplinarordnung und § 50 Abs 2 OWiG sowie in § 9 Abs 5 S 3 ArbGG, § 39 S 1 FamFG, § 48 Abs 2 S 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, § 35a S 1 StPO und - künftig - in § 232 S 1 ZPO(in der ab 1.1.2014 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.2012, BGBl I 2418) zum Ausdruck gebracht (vgl auch § 195 Abs 2 Nr 3 BEG für Bescheide der Entschädigungsbehörde sowie § 360 Abs 1 Nr 2 BGB für die Widerrufsbelehrung bei Verbraucherverträgen). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens ein geringeres Schutzniveau maßgeblich sein soll, als es in den soeben genannten Vorschriften vorgegeben ist.

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c) Die hiernach notwendige Belehrung auch über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erfordert es derzeit jedoch nicht, dass auch auf die für das betreffende Gericht durch Rechtsverordnung bereits zugelassene Möglichkeit der Übermittlung verfahrensbestimmender Schriftsätze in der Form eines elektronischen Dokuments hingewiesen wird.

18

aa) Dies folgt allerdings nicht daraus, dass die "elektronische Form" (genauer: die elektronische Übermittlung von Erklärungen an das Gericht in Gestalt eines elektronischen Dokuments) lediglich einen Unterfall bzw eine Sonderform der Schriftform darstellte, wie dies zum Teil vertreten wird (vgl Ellenberger in Palandt, BGB, 72. Aufl 2013, § 126a RdNr 1; Skrobotz, jurisPR-ITR 24/2009 Anm 5; Braun, jurisPR-ITR 15/2011 Anm 5; zur Rechtslage vor Erlass des JKomG ausführlich Skrobotz, Das elektronische Verwaltungsverfahren, Diss Regensburg 2004, S 148 ff, 180 f, 198, 210 ff). Es handelt sich vielmehr bei der elektronischen Form iS des § 65a SGG um eine eigenständige Form, die der Gesetzgeber "als zusätzliche Option neben der bisherigen schriftlichen Form" eingeführt hat(Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein JKomG, BT-Drucks 15/4067 S 27 f - unter VI.). Dies sollte den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eröffnen, "elektronische Kommunikationsformen gleichberechtigt neben der - herkömmlich papiergebundenen - Schriftform oder der mündlichen Form" rechtswirksam zu verwenden (aaO S 24 - unter II.). Die hierdurch geschaffene Trias gleichrangiger prozessualer Formen - schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - kommt auch im Wortlaut des § 158 S 1 SGG zum Ausdruck. Das schließt es aus, die (prozessuale) elektronische Form lediglich als Unterfall der Schriftform anzusehen und deshalb eine Belehrung über die Schriftform so zu behandeln, als umfasse sie zugleich eine Belehrung hinsichtlich der Übermittlung in elektronischer Form (als elektronisches Dokument) erstellter Erklärungen.

19

bb) Dennoch ist es - jedenfalls nach derzeitiger Sach- und Rechtslage - nach § 66 Abs 1 SGG nicht geboten, in Rechtsbehelfsbelehrungen hinsichtlich der Form der Einlegung des Rechtsbehelfs dann, wenn für das betreffende Gericht die elektronische Form durch Rechtsverordnung zugelassen ist, stets auch auf die Möglichkeit der Verwendung dieser Form und ihre Voraussetzungen hinzuweisen. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG führt allein die Einordnung der elektronischen Form als gleichrangige prozessuale Form nicht automatisch dazu, dass diese schon deshalb und schon jetzt als "Regelweg" iS von § 66 Abs 1 SGG anzusehen ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

20

(1) Auch nach der Änderung bzw Ergänzung der sozialgerichtlichen Verfahrensordnung durch das JKomG findet in den spezifischen Vorschriften des SGG, die nähere Vorgaben zur Art und Weise der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln machen, die elektronische Form keine Erwähnung. Das gilt für die Klageerhebung (§ 90 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift") ebenso wie für die Einlegung der Berufung (§ 151 Abs 1 und 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Berufungs-Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Abs 1 S 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Revision (§ 164 Abs 1 S 1 SGG: "schriftlich"), der Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 S 3 SGG: "Beschwerdeschrift"), der sonstigen Beschwerden (§ 173 S 1 und 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Erinnerung gegen Entscheidungen des ersuchten oder beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten (§ 178 S 2 iVm § 173 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift") sowie der Anhörungsrüge (§ 178a Abs 2 S 4 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), in gleicher Weise aber auch für Anträge auf Tatbestandsberichtigung (§ 138 SGG), Urteilsergänzung (§ 140 SGG) oder auf Erlass von Anordnungen im einstweiligen Rechtsschutz (§ 86b SGG). Lediglich am Rande ist in § 160a Abs 1 S 3 bzw in § 164 Abs 1 S 3 SGG bestimmt, dass die Soll-Vorschrift zur Beifügung einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils nicht gilt, "soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden".

21

Diese allenfalls beiläufige Einbeziehung der elektronischen Form in die Grundnormen des SGG zur Art und Weise der Einlegung von Rechtsbehelfen belegt, dass der Gesetzgeber diese Form zwar grundsätzlich auch hierfür erlauben wollte. Er hat aber offenkundig noch keine Veranlassung gesehen, sie neben der Schriftform und der mündlichen Form (zur Niederschrift) als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Postulat der Rechtsmittelklarheit erfordert, die elektronische Form auch in die einzelnen Bestimmungen über die formalen Anforderungen an die Einlegung der jeweiligen Rechtsbehelfe aufzunehmen, um den Rechtsuchenden den Weg zur gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung mit der gebotenen Klarheit vorzuzeichnen (vgl BVerfG BVerfGE 107, 395, 416 f = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 57; s auch BVerfG vom 22.5.2012 - 2 BvR 2207/10 - Juris RdNr 3: " Der Gesetzgeber muss für die Rechtsmittel, die er bereitstellt, die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit in einer dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit entsprechenden Weise bestimmen."). Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Vorschrift des § 65a SGG zur elektronischen Form befasst sich nicht einmal ausdrücklich mit der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln.

22

Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung in § 158 S 1 SGG. Zwar sind hier die drei prozessualen Formen ausdrücklich nebeneinandergestellt ("nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift"). Die genannte Vorschrift wendet sich jedoch von vornherein nicht an die Rechtsuchenden, sondern enthält Vorgaben für das Gericht. Zudem ist sie im Vergleich zu entsprechenden Bestimmungen anderer Prozessordnungen über die Behandlung unzulässiger Rechtsmittel (zB § 125 Abs 2 S 1 VwGO, § 522 Abs 1 ZPO; s auch § 169 SGG für die Revision)hinsichtlich der "gesetzlichen Form" wesentlich detaillierter (und insoweit singulär); nur aus diesem Grund bedurfte sie bei Einführung der elektronischen Form einer redaktionellen Anpassung, weil sie ansonsten unvollständig geworden wäre (vgl BT-Drucks 15/4067 S 42 - zu Art 4, zu Nr 16 <§ 158>). Eine weitergehende Regelungsabsicht, namentlich die Etablierung der elektronischen Form als gleich gewichtiger Regelform, hat der Gesetzgeber damit jedoch nicht verfolgt.

23

(2) Das Erfordernis einer Belehrung auch über die Form des Rechtsbehelfs ist, wie bereits ausgeführt (s oben unter b), aus einer am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten erweiternden Auslegung des § 66 Abs 1 SGG herzuleiten. In Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 S 1 GG; s hierzu zB BVerfGE 40, 272, 275) soll die Regelung in § 66 SGG verhüten helfen, dass jemand aus Unkenntnis den Rechtsweg nicht ausschöpft. Ziel einer jeden Rechtsbehelfsbelehrung muss es demnach sein, den Empfänger über den wesentlichen Inhalt der zu beachtenden Vorschriften zu unterrichten und es ihm so zu ermöglichen, ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur ordnungsgemäßen Einlegung des Rechtsbehelfs einzuleiten (BSGE 79, 293, 294 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6 S 24). Ausgerichtet auf dieses Ziel genügt es, über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften zu informieren (BSG vom 26.1.1993 - 1 RK 33/92 - Juris RdNr 6). Infolgedessen muss eine "richtige" Belehrung nicht stets allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen; es reicht aus, wenn sie die Beteiligten in die richtige Richtung lenkt (BSG SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6 am Ende).

24

Das ist bei einer Rechtsmittelbelehrung, die sich hinsichtlich der formalen Anforderungen auf die "klassischen" und allgemein gebräuchlichen Möglichkeiten einer schriftlichen oder mündlichen (zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) Einlegung der Berufung beschränkt, jedenfalls derzeit noch ersichtlich der Fall. Sie zeigt den Beteiligten die regelmäßig allen Bürgern - auch soweit sie nicht über informationstechnische Spezialkenntnisse und eine spezifische technische Ausstattung verfügen - offenstehenden Wege für die Einlegung des Rechtsmittels klar und deutlich auf (vgl BSGE 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1 S 4). Die hier in Rede stehende Rechtsmittelbelehrung trägt auch in keiner Weise zu einer formwidrigen oder verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs bei (vgl BSG SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6). Sie enthält keine Inhalte, die - bei abstrakter Betrachtungsweise - geeignet sein könnten, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder, was hier von besonderer Bedeutung ist, die Beteiligten von Erkundigungen über möglicherweise im Einzelfall bestehende weitere Möglichkeiten abzuhalten. Sie macht insbesondere keine Angaben, die von Rechtsuchenden dahingehend verstanden werden könnten, dass eine Berufungseinlegung auf elektronischem Weg ausgeschlossen sei.

25

(3) Die Möglichkeit, Schriftsätze in gerichtlichen Verfahren als elektronisches Dokument dem Gericht elektronisch zu übermitteln, hat allein durch ihre rechtliche Zulassung in § 65a SGG iVm einer ausfüllenden Rechtsverordnung noch keine solche praktische Bedeutung erlangt, dass es geboten wäre, die Beteiligten zum Schutz vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit(vgl BSGE 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1 S 4) auch auf diese Form notwendig hinzuweisen. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der mit einer rechtswirksamen elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht gemäß § 65a SGG verbundene Aufwand bei Weitem denjenigen übersteigt, der mit einer Übermittlung auf herkömmliche Weise (schriftlich oder zur Niederschrift) einhergeht. Auch wenn die erforderlichen IT-Geräte und ein ausreichend leistungsfähiger Zugang zum Internet mittlerweile in breiten Bevölkerungskreisen zur Verfügung stehen (zur Berücksichtigung eines Internet-Anschlusses für die Nachrichtenübermittlung bei der Bemessung des Regelbedarfs nach dem SGB II vgl BSG Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - RdNr 74, zur Veröffentlichung in SozR 4-4200 § 20 Nr 17 vorgesehen),wird zusätzlich nach § 2 iVm Anl 2 Nr 1 ElRVerkV Hessen eine spezielle Zugangs- und Übertragungssoftware (Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach - EGVP) benötigt. Diese wird zwar von der Justizverwaltung kostenfrei zur Verfügung gestellt, doch muss der Nutzer ihre fehlerfreie Installation, Konfiguration und Bedienung selbst bewerkstelligen. Außerdem ist zur Anbringung der für die Rechtsmitteleinlegung vorgeschriebenen qualifizierten elektronischen Signatur (§ 65a Abs 1 S 3 SGG iVm § 2 und Anl 2 Nr 2 ElRVerkV Hessen) nicht nur ein Kartenlesegerät, sondern auch eine gültige Signaturkarte erforderlich, die - kostenpflichtig - in einem zeitintensiven Identifizierungsverfahren bei einem zugelassenen Anbieter erworben werden muss.

26

Dieser einer elektronischen Übermittlung in gerichtlichen Verfahren notwendig vorausgehende Zusatzaufwand von erheblichem Ausmaß - insbesondere hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur - hat nach Einschätzung der Bundesregierung dazu geführt, dass die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten auch zehn Jahre nach dessen Einführung "weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist" (Entwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 6.3.2013, BT-Drucks 17/12634 S 1 - unter A. ), sodass auch heute noch die Kommunikation mit der Justiz "fast ausschließlich auf Papier" basiert (aaO). Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls Ende 2010 und auch derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes zwingend eine Belehrung auch über die Möglichkeiten einer elektronischen Kommunikation mit den Gerichten erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als Bürger oder Behörden in der Zugangs- und Übertragungssoftware EGVP ohnehin ein Verzeichnis derjenigen Gerichte vorfinden, mit denen die elektronische Kommunikation möglich ist.

27

(4) Aber auch auf Seiten der Gerichte ist die Fähigkeit zur elektronischen Kommunikation noch längst nicht überall gegeben (vgl BT-Drucks 17/12634 aaO). Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des SG-Urteils im November 2010 war im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in fünf von sechzehn Ländern (in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz) sowie beim BSG die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen. Daran hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert. Seither ist die elektronische Form zusätzlich nur für die Sozialgerichte in Sachsen (zeitlich gestaffelt ab 1.4.2011, 1.7. bzw 1.10.2012, s § 1 iVm Anl Nr 4, 5, 24, 35 der VO vom 6.7.2010, GVBl Sachsen 190) sowie in Nordrhein-Westfalen (ab 1.1.2013, s § 1 iVm Anl der VO vom 7.11.2012, GVBl Nordrhein-Westfalen 551) zugelassen worden. Mithin kann auch jetzt noch in lediglich sieben von sechzehn Ländern die elektronische Form im Sozialgerichtsprozess genutzt werden, wobei so bevölkerungsreiche Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen diese Form noch nicht eröffnet haben. Dies belegt, dass es jedenfalls derzeit nicht gerechtfertigt ist, bei Betrachtung des gesamten Geltungsbereichs des SGG die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen in elektronischer Form als "Regelweg" der Rechtsmitteleinlegung iS der Schutzvorschrift des § 66 Abs 2 SGG anzusehen. Ob dies anders zu beurteilen ist, sobald alle Gerichte durch Bundesgesetz verpflichtet sind, ab einem bestimmten Zeitpunkt die elektronische Kommunikation zu ermöglichen, ist hier nicht zu entscheiden, zumal die entsprechenden Regelungen gemäß dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (BT-Drucks 17/12634, s dort Art 4 Nr 1, Art 24 und 25) noch nicht verabschiedet sind.

28

(5) Zu berücksichtigen ist auch, dass die Anforderungen des § 66 Abs 1 SGG an Rechtsbehelfsbelehrungen nicht nur für solche in gerichtlichen Entscheidungen, sondern ebenso für Rechtsbehelfsbelehrungen in (Widerspruchs-)Bescheiden maßgeblich sind. Während von einem SG erwartet werden kann, dass es den landesrechtlichen Bestimmungen zur Eröffnung der elektronischen Form in diesem Gerichtszweig zeitnah Rechnung trägt, ist dies bei Sozialversicherungsträgern mit Sitz außerhalb des betreffenden Landes faktisch sehr viel schwieriger zu gewährleisten. Auch solche - insbesondere bundesweit zuständige - Träger haben aber vielfach Belehrungen zur Einlegung von Rechtsbehelfen bei Gerichten anderer Länder als demjenigen ihres Sitzes zu erteilen (vgl die Regelung zur örtlichen Zuständigkeit in § 57 Abs 1 und 2 SGG). Deshalb würde es zu einer Häufung unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrungen und damit zu einer Bindung der Beteiligten an entsprechende Bescheide (§ 77 SGG)erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG führen, sähe man zwingend eine Belehrung über die elektronische Form als weiteren Regelweg auch für den Fall vor, dass diese noch vor einer bundesweit einheitlichen Einführung im Rahmen der "Öffnungsklausel" des § 65a Abs 1 SGG bereits lokal zugelassen wurde. Dass der Gesetzgeber des § 65a SGG diese Auswirkungen gewollt oder in Kauf genommen hätte, ist nicht ersichtlich.

29

(6) Soweit sich die oberstgerichtliche Rechtsprechung bislang damit befasst hat, sieht auch sie keine Notwendigkeit, in Rechtsbehelfsbelehrungen über die Möglichkeit einer Einlegung in elektronischer Form zu belehren. So hat der 11. Senat des BSG in einem Fall, in dem die Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde in elektronischer Form enthielt, trotz Rüge einer deswegen fehlerhaften Belehrung die Monatsfrist - wenn auch ohne nähere Begründung - für maßgeblich gehalten (BSG Beschluss vom 9.2.2010 - B 11 AL 194/09 B - Juris RdNr 2; s auch RdNr 5). Der 3. Senat des BFH hat entschieden, dass die Familienkassen in ihren Bescheiden auch dann nicht auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form hinweisen müssen, wenn sie durch Angabe einer E-Mail-Adresse konkludent einen Zugang iS von § 87a Abs 1 S 1 AO eröffnet haben(Beschluss vom 2.2.2010, BFH/NV 2010, 830 RdNr 5; Beschluss vom 12.10.2012, BFH/NV 2013, 177 RdNr 22). In diesem Sinne hat auch der 1. Senat des BFH im Rahmen eines Streits über die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids nach summarischer Prüfung erkannt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig iS von § 356 Abs 2 AO ist, wenn sie zwar auf die Notwendigkeit der Einspruchseinlegung in Schriftform oder zur Niederschrift, nicht aber zugleich auf die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation(§ 87a AO) hinweist (Beschluss vom 12.12.2012, BFH/NV 2013, 434 RdNr 16 ff).

30

2. Die nach alledem für die Einlegung der Berufung maßgebliche Monatsfrist des § 151 Abs 1 SGG hat die Beklagte mit ihrem (in Papierform vorgelegten) Schriftsatz vom 18.2.2011, der am 28.3.2011 beim LSG einging, nicht gewahrt.

31

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist kommt nicht in Betracht. Selbst wenn der Antrag der Beklagten in der Berufungsschrift vom 18.2.2011, "die Berufung zuzulassen", sinngemäß als Antrag auf Wiedereinsetzung auszulegen wäre, bedürfte es keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur Nachholung dieser grundsätzlich ihm obliegenden Entscheidung (§ 67 Abs 4 SGG). Denn aus Rechtsgründen scheidet eine positive Bescheidung des Wiedereinsetzungsgesuchs hier von vornherein aus (vgl BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 145 - Juris RdNr 9; s auch BSGE 71, 17, 19 f = SozR 3-4100 § 103 Nr 8 S 39 zu einem Fall der Gewährung von Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht).

32

Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise auf ein Schreiben des Vorsitzenden des 5. Senats des BSG vom 7.2.2011 in einem anderen Verfahren berufen; hiernach stehe, wenn in der Rechtsmittelbelehrung eines LSG-Urteils ein Hinweis auf die Möglichkeit elektronischer Rechtsmitteleinlegung beim BSG fehle, zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG zur Verfügung. Selbst wenn aufgrund dieses Schreibens bei der Beklagten ein Irrtum über die maßgebliche Frist entstanden sein sollte und fehlendes Verschulden iS von § 67 Abs 1 SGG ausnahmsweise bejaht werden könnte(vgl BVerwG Beschluss vom 29.6.2010 - 3 B 71/09 - Juris RdNr 6), hat dies jedenfalls für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung. Denn die Beklagte kann das genannte Schreiben vom 7.2.2011 frühestens am selben Tag erhalten haben. Zu diesem Zeitpunkt war aber im hier zu entscheidenden Fall die Berufungsfrist längst abgelaufen.

33

3. Der erkennende Senat kann abschließend durch Urteil entscheiden, ohne zuvor gemäß § 41 Abs 2 SGG beim 5. Senat anzufragen. Eine abweichende "Entscheidung" des 5. Senats iS der genannten Vorschrift ist bislang nicht ergangen; Schreiben an Verfahrensbeteiligte zählen hierzu nicht.

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden

1.
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner,
2.
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person,
3.
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.

(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden

1.
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner,
2.
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person,
3.
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.

(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.