Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2015:0601.9SA1146.14.00
bei uns veröffentlicht am01.06.2015

Tenor

1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 08.10.14, Az. 4 Ca 2878/13 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.863,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinnsatz seit dem 20.12.13 zu zahlen.

2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14 zitiert 31 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung


(1) Die Verjährung wird gehemmt durch1.die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,1a.die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 87 Mitbestimmungsrechte


(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrags


(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen könne

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung


(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführ

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan


(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126 Schriftform


(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnun

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 14 Arbeitsentgelt


(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus de

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 145 Bindung an den Antrag


Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 288 Gerichtliches Geständnis


(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind. (

Einkommensteuergesetz - EStG | § 42d Haftung des Arbeitgebers und Haftung bei Arbeitnehmerüberlassung


(1) Der Arbeitgeber haftet 1. für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,2. für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,3. für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angab

Bundesberggesetz - BBergG | § 55 Zulassung des Betriebsplanes


(1) Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn 1. für die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen die erforderliche Berechtigung nachgewiesen ist,2. nicht Tatsachen die Annahme rechtfert

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 126a Elektronische Form


(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatu

Bundesberggesetz - BBergG | § 51 Betriebsplanpflicht


(1) Aufsuchungsbetriebe, Gewinnungsbetriebe und Betriebe zur Aufbereitung dürfen nur auf Grund von Plänen (Betriebsplänen) errichtet, geführt und eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der zuständigen Behörde zugelassen worden si

Bundesberggesetz - BBergG | § 131 Hauptstellen für das Grubenrettungswesen


(1) Unternehmer, die einen untertägigen Gewinnungsbetrieb oder einen Gewinnungsbetrieb mit brand- oder explosionsgefährdeten Anlagen oder mit Anlagen betreiben, in denen unatembare oder giftige Gase oder Dämpfe auftreten können, müssen zur Wahrnehmun

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14 zitiert oder wird zitiert von 21 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14 zitiert 17 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2007 - IV ZR 330/05

bei uns veröffentlicht am 13.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 330/05 Verkündetam: 13.Juni2007 Fritz Justizangestellte alsUrkundsbeamtin derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: nein BGB § 398

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 5 AZR 611/12

bei uns veröffentlicht am 24.09.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12

bei uns veröffentlicht am 22.07.2014

Tenor 1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Feb. 2014 - 3 AZR 808/11

bei uns veröffentlicht am 18.02.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. August 2011 - 3 Sa 60/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Okt. 2013 - 1 AZR 544/12

bei uns veröffentlicht am 15.10.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. März 2012 - 11 Sa 1634/10 - teilweise aufgehoben und unter Berücksichtigung des in der R

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11

bei uns veröffentlicht am 20.06.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2011 - 6 Sa 9/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Mai 2013 - 6 AZR 836/11

bei uns veröffentlicht am 16.05.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. September 2011 - 2 Sa 716/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Apr. 2013 - 8 AZR 453/12

bei uns veröffentlicht am 25.04.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 2011 - 5 Sa 19/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Apr. 2013 - 7 AZR 523/11

bei uns veröffentlicht am 24.04.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2011 - 1 Sa 507/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. März 2013 - 3 AZR 68/11

bei uns veröffentlicht am 26.03.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 9 Sa 428/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. März 2012 - 7 AZR 147/11

bei uns veröffentlicht am 14.03.2012

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. November 2010 - 1 Sa 367/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Jan. 2012 - 6 AZR 496/10

bei uns veröffentlicht am 18.01.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Juni 2010 - 12 Sa 1580/09 E - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Nov. 2011 - 10 AZR 549/10

bei uns veröffentlicht am 16.11.2011

Tenor 1. Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2010 - 11 Ca 3640/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Okt. 2011 - 8 AZR 514/10

bei uns veröffentlicht am 13.10.2011

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Juli 2010 - 5 Sa 18/10 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Sept. 2011 - 8 AZR 846/09

bei uns veröffentlicht am 15.09.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2009 - 16 Sa 1557/08 - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen d

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Apr. 2011 - 1 AZR 412/09

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. April 2009 - 17 Sa 1522/08 - teilweise aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Jan. 2011 - 4 AZR 159/09

bei uns veröffentlicht am 26.01.2011

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15. Januar 2009 - 4 Sa 269/08 - wird zurückgewiesen.
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Juni 2015 - 9 Sa 1146/14.

Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 09. Juni 2016 - 11 Sa 1389/15

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbG Herne vom 11.08.2015 – 2 Ca 2188/14 – wird zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Herne vom 11.08.2015 – 2 Ca 2188/14 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass

Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 09. Juni 2016 - 11 Sa 526/15

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Herne vom 11.03.2015 – 1 Ca 2938/14 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand 2Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des Zusc

Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 09. Juni 2016 - 11 Sa 501/15

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Herne vom 10.03.2015 – 2 Ca 2187/14 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Zinsen bei den nachstehenden Daten nicht ab dem 3. des Folgemonats sondern ab dem

Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 09. Juni 2016 - 11 Sa 1390/15

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Herne vom 11.08.2015 – 2 Ca 2908/14 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Zinsen für die einzelnen Monate jeweils ab dem 3. des Folgemonats, erstmals ab de

Referenzen

(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.

(1) Unternehmer, die einen untertägigen Gewinnungsbetrieb oder einen Gewinnungsbetrieb mit brand- oder explosionsgefährdeten Anlagen oder mit Anlagen betreiben, in denen unatembare oder giftige Gase oder Dämpfe auftreten können, müssen zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Grubenrettungs- und Gasschutzwesens Hauptstellen für das Grubenrettungswesen bilden und unterhalten oder solchen angeschlossen sein.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Vorschriften über Aufgaben, Anzahl, Organisation und Ausstattung der Hauptstellen zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Sicherheitsaufgaben und zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft der Hauptstellen und ihrer Einrichtungen erforderlich ist.

(3) Auf Hauptstellen für das Grubenrettungswesen sind die §§ 58 bis 62 und, soweit die Hauptstellen nicht von einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung unterhalten werden, für die Überwachung der Einhaltung des Absatzes 1, der §§ 58 bis 62 und der Rechtsverordnungen nach Absatz 2 die §§ 69 bis 74 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2011 - 1 Sa 507/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten, mit dem Kläger (wieder) ein Arbeitsverhältnis zu begründen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. September 1980 bis zum 31. Dezember 1986 als technischer Angestellter, zuletzt im EDV-Bereich beschäftigt. Zum 1. Januar 1987 ging sein Arbeitsverhältnis im Zuge eines Betriebsübergangs auf die neu gegründete C I GmbH über. Die Beklagte hatte ihr Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme ausgegliedert und in die C I GmbH überführt, einem von der Beklagten und der S AG neu gegründeten Joint Venture. Die Firmenbezeichnung dieser Gesellschaft stand Ende 1986 noch nicht fest; die Beklagte hielt nach ihrer Darstellung zunächst 66,5 % und die S AG 33,5 % der Gesellschaftsanteile. In der C Gruppe war der Kläger zuletzt bei der C S GmbH beschäftigt. Anschließend schloss er einen Arbeitsvertrag mit der A GmbH, die das Servicegeschäft von der C S GmbH übernommen hatte. Während der Probezeit kündigte der Kläger dieses Arbeitsverhältnis und wechselte zu einem anderen Arbeitgeber.

3

Die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat führten vor der Ausgliederung auf die C I GmbH Verhandlungen über deren Folgen. Am 4. Dezember 1986 schlossen sie eine mit „Rahmenbedingungen für in das Joint-Venture B/S übertretende B AG-Mitarbeiter“ (im Folgenden: JVR 1986) überschriebene Vereinbarung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

         

„Aus Anlaß der Ausgliederung des Geschäfts mit kompatiblen Großcomputern und Peripheriesystemen aus der B AG zum 01.01.87 wird zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat folgendes vereinbart:

        

1.    

…       

        

15.     

Die B AG garantiert den am 01.01.87 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der B AG, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.

        

…“    

4

In der Zeit nach dem 1. Januar 1987 erwarb die Beklagte von der S AG sukzessive deren Geschäftsanteile an diesem Unternehmen. In drei Tranchen - am 1. Mai 1996, am 16. Juli 1998 sowie am 25. Oktober 1999 - veräußerte sie die Anteile an die P D H GmbH, die später in C D H GmbH umfirmierte. Mit Schreiben vom 14. August 2003 teilte die Beklagte ihren ehemaligen Mitarbeitern - darunter auch dem Kläger - Folgendes mit:

        

„…    

        

Sofern Sie von dem geplanten Ausgliederungsvorhaben erfasst sind und für Sie die Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von dem Ausgliederungsvorhaben unberührt.“

5

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2009 wurde über das Vermögen der C S GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Zuvor hatte der vorläufige Insolvenzverwalter das Wartungs- und Servicegeschäft („IT-Service“) der C S GmbH auf die A GmbH und den Bereich Druckerwartung auf ein drittes Unternehmen veräußert.

6

Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 1. Oktober 2009 betriebsbedingt zum 31. Januar 2010 und stellte ihn von der Arbeit frei. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage. Die bei der A GmbH weiterbeschäftigten Arbeitnehmer führten ihre Tätigkeit nach dem Übergang ihres Betriebes am 5. Oktober 2009 an ihren alten Arbeitsplätzen unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur fort. Dieses Unternehmen hatte einschließlich des Führungspersonals mindestens 51 von 81 Mitarbeitern der C GmbH übernommen. Bis zu seiner Eigenkündigung während der Probezeit wurde der Kläger auf der Grundlage eines am 1. Oktober 2009 geschlossenen Arbeitsvertrags von der A GmbH weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 4. November 2009 machte er sein „Rückkehrrecht“ gegenüber der Beklagten spätestens zum 1. Februar 2010 geltend. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19. November 2009 ab.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zu einer Neubegründung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Nr. 15 JVR 1986 beinhalte ein zeitlich nicht befristetes Rückkehrrecht allein unter der Bedingung, dass eine Weiterbeschäftigung in der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich sei. Die Bedingungen für das Rückkehrrecht seien am 1. Oktober 2009 durch die Kündigung des Insolvenzverwalters der C S GmbH eingetreten. Aufgrund der betriebsbedingten Kündigung und Stilllegung bei der C S GmbH sei eine Weiterbeschäftigung nicht mehr möglich. Selbst ein etwaiger Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH ändere nichts an dem Eintritt der Bedingung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Einstellung mit Wirkung zum 1. Februar 2010 als technischen Mitarbeiter zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto anzunehmen,

        

hilfsweise,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Wiedereinstellung mit Wirkung zum 1. Februar 2010 als technischen Angestellten oder auf einer seinen heutigen Tätigkeiten und Fähigkeiten entsprechenden Stelle zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto anzunehmen,

        

hilfsweise,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 1. Februar 2010 als technischen Angestellten oder auf einer seiner Tätigkeit und Fähigkeit entsprechenden Stelle zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto entsprechend seiner letzten Gehaltsbezüge bei der C S GmbH zu beschäftigen,

        

hilfsweise,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn mit sofortiger Wirkung als technischen Angestellten oder auf einer seiner heutigen Tätigkeit und Fähigkeit entsprechenden Stelle zu den betriebsüblichen Bedingungen der Beklagten unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 16. März 1985 zu einer Jahresvergütung iHv. 70.000,00 Euro brutto entsprechend seiner letzten Gehaltsbezüge bei der C S GmbH zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zuletzt insbesondere noch die Auffassung vertreten, einem Rückkehrrecht stünde jedenfalls entgegen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die A GmbH übergegangen sei. Dort habe für den Kläger weiterhin eine Beschäftigungsmöglichkeit iSd. Nr. 15 JVR 1986 bestanden.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb beim Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zutreffend abgewiesen.

12

A. Der vom Kläger zuletzt als Hauptantrag gestellte Antrag zu 1. ist zulässig.

13

I. Dieser Antrag ist nach seinem Wortlaut unzweifelhaft auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Annahmeerklärung gerichtet. Ihm geht es mit der erstrebten Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO um das endgültige Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme(§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken möchte. Die Abgabe eines Angebots ist in dem Anwaltsschreiben vom 4. November 2009 zu sehen. Die auf Abgabe der Annahmeerklärung gerichtete Klage entspricht dem Regelfall des mit einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willens des Arbeitnehmers (vgl. zB BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 16; 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14; 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 11, BAGE 123, 358; 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 23).

14

II. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Inhalt des anzunehmenden Arbeitsvertrags ist ausreichend konkretisiert. Der Kläger hat den Inhalt des mit der erstrebten Annahmeerklärung zustande kommenden Arbeitsvertrags näher beschrieben. Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe der Annahmeerklärung - der 1. Februar 2010 - ist genannt. Die wesentlichen Vertragsbestandteile, insbesondere Art der Tätigkeit als technischen Mitarbeiter, sind bezeichnet. Die im Klageantrag angeführten „betriebsüblichen Bedingungen bei der Beklagten“ sind für die Bestimmtheit nicht unerlässlich.

15

B. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die vom Kläger begehrte Willenserklärung abzugeben. Zwar regelt Nr. 15 JVR 1986 in zulässiger Weise für die zum 1. Januar 1987 in die C I GmbH wechselnden Arbeitnehmer das Recht einer Rückkehr zur Beklagten, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Das Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten beendete das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht nicht. Das Rückkehrrecht ist auch weder mit einem Betriebsübergang auf die C S GmbH, in die die Servicefunktionen der C I GmbH zum 1. September 2003 ausgegliedert wurden, noch mit dem Übergang des Betriebsteils IT-Service auf die A GmbH erloschen. Ein aufschiebend bedingter Rückkehranspruch nach Nr. 15 JVR 1986 besteht auch für den Fall fort, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers auf einen Betriebserwerber nach § 613a Abs. 1 BGB übergeht. Die aufschiebende Bedingung, unter der das Rückkehrrecht steht, ist vorliegend nicht eingetreten. Die Beschäftigung des Klägers bei der A GmbH ist nicht aus betrieblichen Gründen unmöglich geworden. Vielmehr hat der Kläger während der Probezeit selbst ohne betriebliche Veranlassung gekündigt, um ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zu begründen.

16

I. Der Antrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deswegen unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung zum 1. Februar 2010 (rück-)wirken soll.

17

1. Mit der Abgabe der Annahmeerklärung kommt das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande, denn mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Erklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung oder einen Vertragsschluss zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann(vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 26 mwN). Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Annahmeerklärung greift, ist daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, BAGE 134, 223; 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 28).

18

2. Hiernach steht der Umstand, dass der Kläger die Begründung eines Arbeitsverhältnisses rückwirkend zum 1. Februar 2010 begehrt, der Begründetheit des Anspruchs nicht entgegen. Das Anwaltsschreiben vom 4. November 2009, mit dem der Beklagten mitgeteilt wurde, der Kläger mache sein „Rückkehrrecht in die B SE (vormals B AG) spätestens zum 01.02.2010 geltend“, enthält bei der nach § 133 BGB gebotenen Auslegung ein hinreichend konkretes Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags und nicht nur die Ankündigung eines solchen. Die Beklagte konnte dieses Schreiben, mit dem die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der C S GmbH zum 31. Januar 2010 mitgeteilt wird, dahin verstehen, dass der Kläger ihr im Anschluss daran die ihm von der Beklagten zugesagte Rückkehr anträgt. Spätestens mit der Klageschrift vom 15. Dezember 2009 musste der Beklagten klar sein, dass sich das in der Geltendmachung des Rückkehrrechts liegende Angebot auf den 1. Februar 2010 bezieht. Die Annahme dieses Angebots würde mit einer gerichtlichen Entscheidung nach § 894 Satz 1 ZPO fingiert.

19

II. Der Kläger hat jedoch, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keinen Anspruch auf Abgabe der begehrten Willenserklärung. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus Nr. 15 JVR 1986. Zwar haben die Betriebsparteien darin für die unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer das Recht zu einer Rückkehr zu der Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung geregelt, dass eine Weiterbeschäftigung innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Diesem kollektiv-rechtlichen Wiedereinstellungsversprechen begegnen auch keine grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken. Das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht steht nicht unter dem - ungeschriebenen - Vorbehalt der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten. Es endet nicht mit der Ausgliederung der Servicefunktionen zunächst auf die C S GmbH und anschließend auf die A GmbH. Die Voraussetzungen des Rückkehrrechts sind im vorliegenden Fall jedoch nicht eingetreten, nachdem der Kläger, der nach Ausspruch der Kündigung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage eines vor dem Betriebsübergang geschlossenen Arbeitsvertrags weiterbeschäftigt worden ist, der A GmbH selbst gekündigt hat.

20

1. Nr. 15 JVR 1986 regelt in zulässiger Weise für die zum 1. Januar 1987 in die C I GmbH wechselnden Arbeitnehmer das Recht einer Rückkehr zur Beklagten, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 32 ff.).

21

a) Die JVR 1986 gilt für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zum 1. Januar 1987 von der Beklagten auf die C I GmbH übergegangen sind. Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis.

22

b) Das in Nr. 15 JVR 1986 „garantierte“ Rückkehrrecht ist wirksam. Die Betriebsparteien sind nicht grundsätzlich gehindert, einen Wiedereinstellungsanspruch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund eines bevorstehenden Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergehen, zu regeln. Nr. 15 JVR 1986 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

23

aa) Mit der Regelung in Nr. 15 JVR 1986 in ihrem Verständnis als Wiedereinstellungsanspruch haben die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz nicht überschritten.

24

(1) Bei der JVR 1986 handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung im Sinne eines kollektiv-rechtlichen Normenvertrags zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Eine Betriebsvereinbarung kann über alle Fragen und Angelegenheiten abgeschlossen werden, die nach dem Gesetz der Zuständigkeit des Betriebsrats unterliegen. Dies ist in erster Linie bei mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt den Betriebsparteien aber auch eine umfassende Kompetenz zu, durch freiwillige Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu treffen (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 36 mwN).

25

(2) Hiernach betrifft Nr. 15 JVR 1986 im Verständnis eines - aufschiebend bedingten - Rückkehrrechts für die von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zur „neuen Gesellschaft“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 1987 betroffenen Arbeitnehmer einen zulässigen Regelungsgegenstand. Ein Wiedereinstellungsversprechen kann als Abschlussnorm grundsätzlich zulässiger Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 37 mwN).

26

(a) Freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG sind nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt, sondern können - wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt - auch andere Gegenstände erfassen. Die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG zeigt, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 38 mwN). Auch steht einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Normsetzungsbefugnis nicht entgegen, dass Regelungen zum Arbeitsverhältnis ein solches begriffsnotwendig voraussetzten. Bei Wiedereinstellungsbestimmungen, die - wie im vorliegenden Streitfall - Arbeitnehmer betreffen, die (noch) in einem Arbeitsverhältnis stehen, können die Betriebsparteien Regelungen zu diesen Arbeitsverhältnissen treffen (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 39).

27

(b) Der Regelungsgegenstand unterliegt der sachlich-funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrats. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass er sich auf den Betrieb und auf die Interessen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer bezieht. Dies ist vorliegend der Fall. Bei Abschluss der JVR 1986 waren die von ihrer Nr. 15 erfassten Arbeitnehmer (noch) vom Betriebsrat repräsentiert. Die Vorschrift richtet sich nicht an eine „betriebsfremde Belegschaft“. Die Bestimmung in der Betriebsvereinbarung regelt damit nicht in unzulässiger Weise eine Arbeitsbedingung in einem Betrieb eines anderen Arbeitgebers, für deren Gestaltung der Betriebsrat nicht sachlich legitimiert wäre. Sie knüpft zwar - hinsichtlich der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen - an einen Sachverhalt an, der sich bei einer anderen Gesellschaft stellt. Die Rechtsfolge der Verpflichtung zur (Wieder-)Begründung des Arbeitsverhältnisses betrifft aber allein die Beklagte. Dies unterfällt der Regelungskompetenz des bei ihr bestehenden Betriebsrats. Die Rückkehrklausel regelt keinen Erwerbertatbestand, sondern einen den Betriebsteilveräußerer - die Beklagte - anbelangenden Sachverhalt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 40).

28

bb) Nr. 15 JVR 1986 ist nicht wegen des Vorrangs einer tariflichen Bestimmung nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Sie betrifft keinen Sachverhalt, der (mittlerweile) durch Tarifvertrag geregelt ist.

29

(1) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Etwas anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 45 mwN).

30

(2) Hiernach verstößt Nr. 15 JVR 1986 nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Gegenstand der Betriebsvereinbarungsbestimmung ist keine durch den Manteltarifvertrag Bergbau, Chemie, Energie vom 24. Juni 1992 - zuletzt in der Fassung vom 16. März 2009 - (MTV) geregelte Arbeitsbedingung. Die einzig in Betracht kommende Bestimmung nach § 13 Abschn. VI Ziff. 1 des MTV lautet:

        

„Wiedereinstellung und betriebsbedingte Umsetzungen

        

Aus betriebsbedingten Gründen entlassene Arbeitnehmer, die länger als 12 Monate dem Betrieb angehört haben und deren Entlassung nicht mehr als 12 Monate zurückliegt, werden im Falle der Neubesetzung von für sie geeigneten Arbeitsplätzen bevorzugt wieder eingestellt.

        

Kommen mehr entlassene Arbeitnehmer in Betracht, als Arbeitsplätze wieder zur Verfügung stehen, hat der Arbeitgeber unter Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG eine sachgerechte Auswahl zu treffen.“

31

Damit regelt § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV nach seinem unmissverständlichen Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck zwar auch einen Wiedereinstellungsanspruch. Dieser ist aber von vornherein auf eine andere Sachmaterie bezogen als die von Nr. 15 JVR 1986 geregelte. Während § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV eine Wiedereinstellung im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen vorsieht, legt die Betriebsvereinbarungsbestimmung einen solchen im Zusammenhang mit einem bevorstehenden Übergang von Arbeitsverhältnissen auf eine „andere Gesellschaft“ fest. Tarifnorm und Betriebsvereinbarungsregel ordnen damit zwar die gleiche Rechtsfolge an, regeln aber nicht die gleichen Sachverhalte (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 47).

32

2. Das Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten beendete das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht nicht. Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist die „Garantie eines Rückkehrrechts“ nach Nr. 15 JVR 1986 nicht für die Zeit der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten befristet.

33

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 49 mwN).

34

b) Hiernach steht die Geltung der Rückkehrzusage nicht unter dem Vorbehalt einer Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum Konzernverbund der Beklagten. Dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.

35

aa) Der Wortlaut von Nr. 15 JVR 1986 gibt keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Das Rückkehrrecht bezieht sich auf die in die „neue Gesellschaft“ überwechselnden Mitarbeiter. Andere Voraussetzungen oder Bedingungen als der Wegfall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen in dieser „neuen Gesellschaft“ sind nicht explizit ausgedrückt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 51).

36

bb) Der Gesamtzusammenhang und die Regelungssystematik deuten nicht zwingend darauf, das Rückkehrrecht zur Beklagten auf die Zeit der Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum B-Konzern zu beschränken. Die JVR 1986 enthält zahlreiche Bestimmungen, die - ungeachtet ihrer jeweiligen kollektiv-rechtlichen Wirksamkeit - die Beibehaltung der bisher bei der Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich deren Verschlechterungen und Vergünstigungen zeitlich nicht begrenzen. Damit unterscheidet sich die JVR 1986 von der gleichfalls ein Rückkehrrecht beinhaltenden Betriebsvereinbarung, die von der Beklagten mit den zuständigen Betriebsräten am 4. Dezember 1990 anlässlich der Ausgliederung ihrer Magnetproduktaktivitäten in ein Tochterunternehmen geschlossen worden ist und die der Entscheidung des Senats vom 19. Oktober 2005 zugrunde lag (- 7 AZR 32/05 - [Magnetic]). Die Betriebspartner haben in dem Wissen darum, dass es sich bei der Gesellschaft, in die das Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme zum 1. Januar 1987 ausgegliedert worden ist, um ein Joint Venture mit der S AG handelte, den wechselnden Arbeitnehmern das bei der Beklagten bestehende Niveau der Arbeitsbedingungen sichern wollen. Ein alleiniger Einfluss der Beklagten auf die C I GmbH war bereits bei Abschluss der JVR 1986 ausgeschlossen. Dies kann dafür sprechen, dass die in der JVR 1986 geregelten Leistungen für die wechselnden Arbeitnehmer - ungeachtet ihrer Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit - nach der Vorstellung der Betriebspartner nur so lange gelten sollten, wie die Beklagte überhaupt eine Einflussmöglichkeit auf die C I GmbH als konzernzugehöriges Unternehmen hat (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 52).

37

cc) Sinn und Zweck des in Nr. 15 JVR 1986 geregelten Rückkehrrechts sprechen deutlich dafür, dieses nicht unter dem ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe zu verstehen. Die Betriebspartner haben die Konditionen eines Wechsels von Arbeitnehmern zu einer anderen Vertragsarbeitgeberin festgelegt, vor allem aber den Ausgleich der Nachteile geregelt, die den überwechselnden Arbeitnehmern durch die Ausgliederung des Geschäftsfelds der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme ggf. entstehen können. Die Ausgleichsnotwendigkeit ist durch den Wegfall des Arbeitsplatzes der betroffenen Arbeitnehmer bei der Beklagten veranlasst. Entscheidend ist weniger die Kompensation von Nachteilen wegen eines Wechsels zu einer ganz bestimmten (konzernzugehörigen) Arbeitgeberin, sondern wegen der Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Hierfür haben die Betriebspartner ein Äquivalent in der Form einer Wiedereinstellungszusicherung geschaffen und die Bedingung hierfür folgerichtig allein an das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen innerhalb der „neuen Gesellschaft“ geknüpft. Gegen den ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe spricht auch, dass es anderenfalls die Beklagte als beherrschendes Unternehmen weitgehend in der Hand hätte, allein durch die Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile die Rückkehransprüche der begünstigten Arbeitnehmer kompensationslos zu beseitigen. Deren Rechtspositionen könnten von der Konzernmutter der Beklagten durch einseitige Maßnahmen ersatzlos entwertet werden. Anderes würde nur dann gelten, wenn in einem solchen Fall des Ausscheidens aus der B-Gruppe der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung des Rückkehrrechts gelegen und dieses somit - bereits - zu diesem Zeitpunkt entstanden wäre. So kann Nr. 15 JVR 1986 aber nicht verstanden werden. Auch die Beklagte beruft sich nicht auf eine derartige Deutung. Bei einem ungeschriebenen Vorbehalt des Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe bliebe schließlich völlig unklar, ob ein solcher Verbleib bereits mit dem Verlust der Mehrheitsanteile und der Beendigung des Konzernverhältnisses oder erst mit der Aufgabe jeglicher Beteiligung an der „neuen Gesellschaft“ endete. Auch dies spricht gegen einen derartigen ungeschriebenen Vorbehalt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 53).

38

3. Das für den Kläger bestehende, aufschiebend bedingte Rückkehrrecht ist auch nicht mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zur C S GmbH, in die die Servicefunktionen der C I GmbH zum 1. September 2003 ausgegliedert wurden, erloschen. Abgesehen davon, dass die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14. August 2003 für einen Wechsel zur C S GmbH die Fortgeltung des Rückkehrrechts entsprechend der Nr. 15 JVR 1986 zugesagt hat (vgl. auch BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 56 ff.), wird dieser Anspruch durch einen Betriebsübergang nach § 613a BGB nicht berührt.

39

a) Bisher hat der Senat die Frage offengelassen, ob sich die Wiedereinstellungszusage nach Nr. 15 JVR 1986 sachlich auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei der C I GmbH beschränkt oder auch auf einen solchen bei deren Rechtsnachfolgern erstreckt (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 31, 55). Eine Auslegung der Regelung in Nr. 15 JVR 1986 ergibt, dass das Rückkehrrecht durch den Übergang eines Betriebes bzw. Betriebsteils weder ausgelöst wird noch verloren geht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer der Überleitung seines Arbeitsverhältnisses nicht widerspricht.

40

aa) Der Wortlaut der Regelung in Nr. 15 JVR 1986 verhält sich nicht ausdrücklich zur Frage der Rechtsnachfolge. Die Wortwahl „neue Gesellschaft“ spricht zwar eher dafür, dass die Betriebsparteien allein die C I GmbH und nicht auch etwaige Rechtsnachfolger oder Betriebsübernehmer gemeint haben. Der Ausdruck ist gewählt worden, weil die Firmenbezeichnung des Joint Venture im Zeitpunkt des Abschlusses der JVR 1986 noch nicht festgestanden hat. Der das Rückkehrrecht auslösende Wegfall der Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen „innerhalb der neuen Gesellschaft“ könnte daher allein auf einen solchen bei der C I GmbH - und nicht bei rechtsnachfolgenden Gesellschaften - verstanden werden (BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 31, 55).

41

bb) Entstehungsgeschichte und Regelungszweck lassen demgegenüber darauf schließen, dass der betroffene Arbeitnehmer eine Rückkehr zur Beklagten nach Maßgabe der Nr. 15 JVR 1986 auch - oder nur dann - beanspruchen kann, wenn er bei einem Rechtsnachfolger der „neuen Gesellschaft“ nicht mehr weiterbeschäftigt werden kann. Dies gilt in den Fällen des Betriebsübergangs jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer von der Möglichkeit, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB zu widersprechen, keinen Gebrauch macht, sondern mit seinem Einverständnis bei einer Rechtsnachfolgerin der „neuen Gesellschaft“ weiterbeschäftigt wird. Das Rückkehrrecht soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der betroffene Arbeitnehmer mit der Beklagten im Verhältnis zu einem neu gegründeten Unternehmen, das wirtschaftlich schwächer ist, eine „sichere“ Arbeitgeberin verliert. Der damit von den Betriebsparteien verfolgte Zweck, das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers an einer arbeitsvertraglichen Beschäftigungsmöglichkeit zu sichern, besteht auch, wenn an die Stelle der „neuen Gesellschaft“ nach § 613a Abs. 1 BGB ein weiterer neuer Arbeitgeber tritt. Dem entspricht es, dass das Rückkehrrecht nur dann ausgelöst wird, wenn bei dem - letzten - Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Diese Voraussetzung tritt aber allein durch einen Betriebsteilübergang bzw. Betriebsübergang nicht ein. Geht das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, bleibt der Arbeitnehmer vor dem Verlust einer Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen durch Nr. 15 JVR 1986 weiter umfassend geschützt.

42

b) Die Servicefunktionen der C I GmbH sind zum 1. September 2003 auf die C S GmbH ausgegliedert worden. Bei dieser Ausgliederung handelt es sich nach den unstreitigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um einen Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB. Damit bestand das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht über den 1. September 2003 hinaus fort.

43

4. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten ist, nachdem das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 BGB von der C S GmbH im Anschluss an die betriebsbedingte Insolvenzkündigung auf die A GmbH übergegangen ist und der Kläger dort während der Probezeit ohne betriebliche Veranlassung selbst gekündigt hat, um ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zu begründen.

44

a) Der für den Kläger maßgebliche Betriebsteil „IT-Service“ der C S GmbH, der sich mit Tätigkeiten im Wartungs- und Installationsbereich befasst, ist auf die A GmbH nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen.

45

aa) Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613a Abs. 1 BGB setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Eine solche besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Als Teilaspekte der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel wie beweglicher Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu ( BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 30 ff. mwN).

46

Dem Übergang eines gesamten Betriebes steht der Übergang eines Betriebsteils gleich. Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebes bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben. Beim bisherigen Betriebsinhaber musste also eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorhanden sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde. Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen keine andersartigen Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen, wobei der übertragene Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren muss. Vielmehr genügt es, dass der Betriebs(teil)erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 33).

47

bb) Wie der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts zu vorliegendem Sachverhalt bereits entschieden hat, hat die A GmbH nicht den gesamten Betrieb der C S GmbH, sondern nur den Betriebsteil „IT-Service“ durch Rechtsgeschäft nach § 613a Abs. 1 BGB übernommen(BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 30 ff.; vgl. auch - 8 AZR 243/11 und 8 AZR 244/11 -); der daneben bestehende Bereich der „Druckerwartung“ der C S GmbH ist ein eigenständiger Betriebsteil, der nicht übernommen worden ist (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 71). Der Senat schließt sich den Erwägungen des Achten Senats uneingeschränkt an und sieht von deren erneuter Darstellung ab.

48

b) Die in Nr. 15 JVR 1986 vorgesehene, das Rückkehrrecht auslösende aufschiebende Bedingung ist nicht eingetreten. Für den Kläger bestand nach dem mit Wirkung ab 5. Oktober 2009 übernommenen Betriebsteil „IT-Service“ trotz der Insolvenzverwalterkündigung vom 1. Oktober 2009 eine unveränderte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der A GmbH. Diese ist nicht aus betrieblichen Gründen entfallen, sondern durch die Eigenkündigung des Klägers.

49

aa) Dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung für den Rückkehranspruch steht allerdings nicht etwa entgegen, dass der Kläger die betriebsbedingte Kündigung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der C S GmbH vom 1. Oktober 2009 nicht gerichtlich angegriffen hat. Nr. 15 JVR 1986 verlangt nur, dass „eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist“. Eine rechtswirksame betriebsbedingte Kündigung ist nicht zwingend erforderlich. Der Wiedereinstellungsanspruch setzt nur die Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen voraus. Weder Wortlaut, Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung enthalten Anhaltspunkte dafür, dass die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der „neuen Gesellschaft“ den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG entsprechen - und ggf. sogar einer gerichtlichen Prüfung unterzogen sein - muss. In einem solchen Verständnis hielte das Rückkehrrecht im Übrigen auch der Binnenschranke einer Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht stand. Es handelte sich um eine dem Arbeitnehmer unzumutbare, mit § 75 Abs. 1 BetrVG unvereinbare Bedingung(BAG 14. März 2012 - 7 AZR 147/11 - Rn. 63).

50

bb) Die auflösende Bedingung ist jedoch deshalb nicht eingetreten, weil die Weiterbeschäftigung des Klägers bei der A GmbH nicht aus betrieblichen Gründen, sondern wegen der Eigenkündigung des Klägers unmöglich wurde. Die nach dem Betriebsübergang weiter bestehende Beschäftigungsmöglichkeit iSd. Nr. 15 JVR 1986 ist auch nicht etwa vor der Eigenkündigung des Klägers durch betriebliche Gründe entfallen. Das von der Rückkehrregelung in Nr. 15 JVR 1986 erfasste Risiko eines Arbeitsplatzverlustes aus betrieblichen Gründen hat sich nicht realisiert. Soweit im Anschluss an die Rechtsprechung zum Anspruch auf eine Sozialplanabfindung (BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 30, BAGE 121, 168) und zur Anzahl von Arbeitnehmern bei Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG(BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 48) auch in diesem Zusammenhang erwogen werden könnte, ein Rückkehrrecht bei einer von der Rechtsnachfolgerin veranlassten Beendigung aufgrund Aufhebungsvertrags oder Eigenkündigung anzunehmen, bedarf es dazu hier keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt nicht vor.

51

C. Die Hilfsanträge sind dem Senat damit nicht zur Entscheidung angefallen. Der Hilfsantrag zu 2. ist, wie die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, nur für den Fall gestellt, dass der Senat einen Wiedereinstellungsanspruch als technischen Mitarbeiter verneinen sollte. Die Hilfsanträge zu 3. und zu 4. sind nur für den Fall des Obsiegens des Klägers mit dem Hauptantrag oder dem Hilfsantrag zu 2. gestellt.

        

    Linsenmaier    

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

        

        

    Willms    

        

    Busch    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. November 2010 - 1 Sa 367/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bis zur Rücknahme der Revision des Klägers haben der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch über eine Verpflichtung der Beklagten, mit dem Kläger (wieder) ein Arbeitsverhältnis zu begründen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1980 als Servicetechniker beschäftigt. Zum 1. Januar 1987 gliederte die Beklagte ihr Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme aus und überführte es in die C I GmbH, einem von der Beklagten und der S AG neu gegründeten Joint Venture. Die Firmenbezeichnung dieser Gesellschaft stand Ende 1986 noch nicht fest; die Beklagte hielt nach ihrer Darstellung zunächst 66,5 % sowie die S AG 33,5 % der Gesellschaftsanteile.

3

In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 4. November 1986 informierte die Beklagte ihn - wie auch die anderen für einen Wechsel in die C I GmbH vorgesehenen Mitarbeiter - über das Ausgliederungsvorhaben und führte wörtlich ua. aus:

        

„Hinsichtlich der vorgesehenen vertraglichen Rahmenbedingungen möchten wir Ihnen folgendes mitteilen:

        

○       

...     

        

○       

… Am 01.01.1987 treten Sie in unserem Interesse in ein Arbeitsverhältnis zur neuen Gesellschaft über. Dabei ist sichergestellt, daß bestehende arbeitsvertragliche und betriebliche Regelungen der B Aktiengesellschaft Bestandteil ihres Arbeitsvertrages mit der neuen Gesellschaft werden.

        

○       

Für den Fall, daß aus betrieblichen Gründen das Arbeitsverhältnis mit der neuen Gesellschaft endet, wird Ihnen die Wiedereinstellung bei der B Aktiengesellschaft angeboten. Über die Annahme dieses Angebotes haben Sie die B Aktiengesellschaft spätestens einen Monat vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses mit der neuen Gesellschaft zu unterrichten. Im Falle des Wiedereintritts gelten die dann bei der B Aktiengesellschaft üblichen vertraglichen Bedingungen und Ihre letzten Gehaltsbezüge bei der neuen Gesellschaft.

        

In den nächsten Tagen werden wir im Rahmen von Informationsveranstaltungen zu den Fragen Stellung nehmen, die für Sie von allgemeinem und besonderem Interesse sind.“

4

Die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat führten vor der Ausgliederung Verhandlungen über deren Folgen. Am 4. Dezember 1986 schlossen sie eine mit „Rahmenbedingungen für in das Joint-venture B/S übertretende B AG-Mitarbeiter“ (im Folgenden: JVR 1986) überschriebene Vereinbarung. Sie hat folgenden Wortlaut:

        

„Aus Anlaß der Ausgliederung des Geschäfts mit kompatiblen Großcomputern und Peripheriesystemen aus der B AG zum 01.01.87 wird zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat folgendes vereinbart:

        

1.    

Die neue Gesellschaft, die ihren Sitz in Ma haben wird, wird die bisherigen Standorte der zur Ausgliederung aus der B AG anstehenden Betriebsteile in Ma und L ab 01.01.87 beibehalten. Standortveränderungen für die Verkaufsbüros sind z. Zt. nicht beabsichtigt. Bei den Standorten H und M kann es mittelfristig zu Umzügen innerhalb der Standorte kommen.

        

2.    

Die neue Gesellschaft wird Mitglied des Arbeitgeberverbands Chemie Baden-Württemberg e. V.

        

3.    

Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (künftig nur: Mitarbeiter), deren Arbeitsverhältnisse am 01.01.87 auf die neue Gesellschaft übergehen, erhalten von der B AG eine entsprechende - mit dem Betriebsrat abgestimmte - schriftliche Mitteilung. Betroffen hiervon sind grundsätzlich alle derzeit in dem Geschäft mit kompatiblen Großcomputern und Peripheriesystemen tätigen Mitarbeiter. Sonderfälle sind zwischen Mitarbeiter, Betriebsrat und Unternehmensleitung der B AG mit dem ernsthaften Willen zur Einigung zu beraten.

        

4.    

Ungeachtet der Bestimmung von Ziff. 3 Satz 3 kann jeder Mitarbeiter, der eine Mitteilung gem. Ziff. 3 erhalten hat, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses bis spätestens 31.12.86 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch hat zur Folge, daß das mit der B AG bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf die neue Gesellschaft übergeht.

        

5.    

Im Falle des Widerspruchs eines Mitarbeiters ist die B AG verpflichtet, diesem unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten einen adäquaten Arbeitsplatz anzubieten. Sofern ein solcher nicht vorhanden oder frei ist, wird das Arbeitsverhältnis regelmäßig einvernehmlich (Aufhebungsvertrag) oder - unter Beachtung der gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen - durch einseitige Gestaltungserklärung (Kündigung des Mitarbeiters oder des Arbeitgebers) enden. Im Falle einer Kündigung durch den Mitarbeiter ist die B AG grundsätzlich bereit, auf die Einhaltung der Kündigungsfrist über den 31.12.86 hinaus zu verzichten. Die Gewährung der Jahresprämie 1986 wird dadurch nicht berührt.

        

6.    

Mitarbeiter mit mindestens 25 Dienstjahren, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs das 55. Lebensjahr vollendet haben und die nicht mehr in die neue Gesellschaft überwechseln wollen, können auf Wunsch in der B AG verbleiben oder durch Aufhebungsvertrag aus der B AG ausscheiden.

        

7.    

Bezüglich der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse am 01.01.87 auf die neue Gesellschaft übergehen, gilt folgendes:

                 

a)    

Durch den Wechsel in die neue Gesellschaft ändert sich die Tätigkeit der Mitarbeiter in der Regel nicht. Sofern dies im Einzelfall doch der Fall ist, wird die Tätigkeit des Mitarbeiters in der neuen Gesellschaft seiner bisherigen in der B AG zumindest adäquat sein.

                 

b)    

Die mit der B AG abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsverträge gehen zum 01.01.87 vollinhaltlich auf die neue Gesellschaft über. Dies gilt insbesondere auch für die in Teilzeit beschäftigten Mitarbeiter.

                 

c)    

Alle in der B AG zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden kollektiven Regelungen (Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden, betriebliche Übungen), aus denen sich Rechte und Pflichten der Mitarbeiter ergeben, werden mit Wirkung vom 01.01.87 zusätzlicher Bestandteil der jeweiligen Einzelarbeitsverträge der in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeiter (§ 613 a BGB). In Ergänzung und Konkretisierung hierzu wird folgendes festgelegt:

                          

aa)     

Die nachfolgend im einzelnen aufgeführten Regelungen gelten für die am 01.01.87 übertretenden B-Mitarbeiter bis zu ihrem Ausscheiden aus der neuen Gesellschaft fort. Verbesserungen und/oder Verschlechterungen dieser Betriebsvereinbarungen in der B AG nach 1987 führen unmittelbar zu einer entsprechenden Verbesserung/Verschlechterung für die zum 01.01.87 überwechselnden B-Mitarbeiter. Im einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Regelungen:

                                   

•       

B-Altersversorgung

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 3 (Regelungen für Mitarbeiter mit politischen Mandaten und ehrenamtlichen Tätigkeiten)

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 13 (Jubiläumsgaben und Dienstaltersprämien)

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 14 (Leistungen bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit sowie bei Heilverfahren)

                                   

•       

Betriebsvereinbarung Nr. 32 (Entlohnungsgrundsätze für außertarifliche Angestellte) mit der Maßgabe, daß als Bezugsgröße die Bestimmungen der Tarifverträge für Baden-Württemberg gelten.

                                   

•       

Altersteilzeit und Altersfreizeit für AT-Mitarbeiter

                                   

•       

Programm ‚Eltern und Kind’

                                   

•       

‚Absprache zur Behandlung der WSZ bei tariflichen Alters- und Meisterjahressprüngen, bei C.3-Zulagen und Umgruppierungen’, unter Berücksichtigung der baden-württembergischen Tarifgruppenstruktur

                          

bb)     

Ziff. 7 c) aa) gilt entsprechend für folgende, nicht in förmlichen Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden festgelegte Regelungen:

                                   

•       

Die Erhöhung der WSZ bei Tarifmitarbeitern erfolgt bis einschließlich 1992 nach den jährlich in der B AG geltenden Vorgaben.

                                   

•       

Allgemeine Gesundheitsvorsorgemaßnahmen nach Gruppe II

                                   

•       

Gewährung von Hypothekendarlehen der Pensionskasse sowie von Belegschaftsdarlehen und zinslosen Darlehen durch die B AG

                                   

•       

Urlaubsgeldpauschalen für außertarifliche und schwerbehinderte Mitarbeiter

                                   

•       

Gewährung von Pensionierungsurlaub

                                   

•       

Gewährung von Vorzugsaktien für AT-Mitarbeiter (anstelle vermögenswirksamer Leistungen)

                                   

•       

Möglichkeit des Bezugs von B-Aktien im Rahmen der Netto-Jahresprämie

                                   

•       

Gewährung von Zusatzurlaub für die den Schwerbehinderten gleichgestellten Mitarbeiter

                                   

•       

Mehrarbeitspauschale und Dienstwagenregelung für Außendienst-Mitarbeiter

                                   

•       

‚Richtlinien für Dienstwagen’ sowie für ‚Bereitschaft, Noteinsätze, Meldung von Überstunden und Abfeiern’ (ORGA)

                          

cc)     

Die zum 01.01.87 übertretenden B-Mitarbeiter werden folgende Leistungen entsprechend Ziff. 7 c) aa) - jeweils nach den in der B AG geltenden Regelungen - weiterhin in Anspruch nehmen können:

                                   

•       

Werksärztlicher Dienst der B AG

                                   

•       

Leistungen der Br-Stiftung entsprechend der Satzung

                                   

•       

Werkbücherei

                                   

•       

Privatabgabestellen mit Ausnahme des Technischen Lagers (Schrottlager)

                                   

•       

Belegschaftsrabatt im Verkaufs-Center (Z 23)

                                   

•       

Derzeitiges Kantinenangebot bzw. Essensgeldzuschußzahlung

                                   

•       

Freizeit-/und Abendkursangebot

                          

dd)     

Die B Betriebskrankenkasse wird gesetzliche Pflichtkrankenkasse der neuen Gesellschaft. Freiwillig Versicherte können ihre Mitgliedschaft in der Betriebskrankenkasse fortführen. Mitgliedschaften in der Sterbekasse bleiben unberührt.

                          

ee)     

Bis einschließlich 1990 erhalten die von der B AG in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeiter eine Jahresprämie in Höhe der B AG-Jahresprämie.

                          

ff)     

Die B AG wird sicherstellen, daß die neue Gesellschaft den übertretenden B-Mitarbeitern den in der B AG üblichen Unfallversicherungsschutz (Invaliditätsfall, Todesfall) gewährt.

                          

gg)     

Soweit ein Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis am 01.01.87 auf die neue Gesellschaft übergeht, Mieter einer G/E-Wohnung ist oder ein zinsloses oder verzinsliches Darlehen von der B AG oder der Pensionskasse erhalten hat, werden die Rechte und Pflichten der Mitarbeiter (Mietvertrag, Darlehensbedingungen) durch den Übertritt in die neue Gesellschaft nicht berührt.

        

8.    

Hinsichtlich der Dienstreiserichtlinien, der Umzugskostenregelung einschl. der Bedingungen für die Gewährung eines Mietzuschusses sowie der Versetzungs- und Entsendungsrichtlinien verbleibt es für die übertretenden B-Mitarbeiter ab 01.01.87 bei den bisherigen (B-)Regelungen. Die neue Gesellschaft wird diese Regelungen im Interesse einer Vereinheitlichung neu fassen. Die Neufassung darf und wird jedoch insgesamt nicht zu einer Schlechterstellung der übertretenden B-Mitarbeiter führen.

        

9.    

Die vorstehenden Ausführungen (Ziff. 8) gelten entsprechend für die derzeit für die übertretenden Mitarbeiter gültige Gleitzeitregelung.

        

10.     

Mitarbeitern, die dem Schutz des Schwerbehindertengesetzes unterliegen, dürfen durch den Übertritt in die neue Gesellschaft keine Nachteile entstehen. Bei notwendigen Umsetzungen schwerbehinderter Mitarbeiter gilt das in der B AG für Umschulungen praktizierte Verfahren.

        

11.     

Die übertretenden Mitarbeiter können sich bis einschließlich 1992 zu den in der B AG geltenden Bedingungen an der internen Stellenausschreibung in der BASF-Werkszeitung beteiligen. Danach gelten die Regeln für Inlandsgruppengesellschaften.

        

12.     

Die Ausbildungsleistungen, welche die B bislang für den ausgegliederten Betriebsteil erbracht hat, werden durch die Ausgliederung nicht berührt. Darüber hinaus wird die neue Gesellschaft zur Deckung ihres Personalbedarfs vorrangig B-Ausgebildete einstellen.

        

13.     

Über die zuvor ausdrücklich angesprochenen, mit dem Übertritt in die neue Gesellschaft für die Mitarbeiter verbundenen Rechte und Pflichten hinaus werden die Unternehmensleitung und der Betriebsrat der B AG im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherstellen, daß nach Gründung der neuen Gesellschaft Betriebsrat und Unternehmensleitung dieser Gesellschaft in angemessener Frist ein alle nicht ausdrücklich erwähnte Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden und betriebliche Übungen einschließendes eigenständiges kollektives Regelwerk erstellen, welches für die zum 01.01.87 übertretenden B-Mitarbeiter insgesamt im Vergleich zu den zum Übertrittszeitpunkt in der B AG geltenden Regelungen nicht zu einer Schlechterstellung führen darf.

        

14.     

Die Eingruppierung und das Entgelt der in die neue Gesellschaft übertretenden B-Mitarbeiter richten sich nach dem Gehaltsrahmen-Tarifvertrag Baden-Württemberg für die chemische Industrie sowie dem am 01.01.87 geltenden Gehaltstarifvertrag. Dabei wird sichergestellt, daß sich die Mitarbeiter bei ihrem Übertritt insgesamt nicht schlechter stellen als nach den bisher für sie geltenden Tarifverträgen des Tarifbezirkes Rheinland-Pfalz. Die tarifliche Eingruppierung sowie die Höhe des Entgelts ergeben sich aus der unter Ziff. 3 genannten schriftlichen Mitteilung an die Mitarbeiter, welche diese spätestens am 10.12.86 erhalten sollen.

                 

Für außertarifliche Mitarbeiter ergibt sich die Höhe des Entgelts unter Berücksichtigung der weitergeltenden BV 32 (vgl. Ziff. 7 c) aa)) aus dem übergehenden Einzelarbeitsvertrag.

        

15.     

Die B AG garantiert den am 01.01.87 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der B AG, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.

        

…“    

5

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1986 unterrichtete die Beklagte den Kläger über den Abschluss der JVR 1986 und händigte ihm eine Abschrift hiervon aus. In dem vom Kläger gegengezeichneten und in der Zweitschrift an die Beklagte zurückgesandten Schreiben heißt es, dass er die sich „aus dem Übergang des Arbeitsverhältnisses ergebenden Rechte und Pflichten den Rahmenbedingungen entnehmen“ könne. Mit Wirkung zum 1. Januar 1987 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die C I GmbH über.

6

In den Folgejahren erwarb die Beklagte von der S AG sukzessive deren Geschäftsanteile an der C I GmbH. In drei Tranchen - zum 1. Mai 1996, am 16. Juli 1998 sowie am 25. Oktober 1999 - veräußerte sie die Anteile an die P GmbH, die später in C H GmbH umfirmierte. Im Sommer 2003 informierte die C I GmbH die Beklagte über eine beabsichtigte Verschmelzung auf die C H GmbH, die noch vor der Umwandlung in C GmbH umfirmierte. Auf der Grundlage einer vorherigen Anfrage der C I GmbH erhielten die ehemaligen Mitarbeiter - darunter auch der Kläger - ein Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003. In diesem ist ua. ausgeführt:

        

„… auf Anfrage von C … bestätigen wir Ihnen für den Fall der uns von C mitgeteilten geplanten Verschmelzung … gerne auch persönlich folgendes:

        

Sofern Sie von dem genannten Verschmelzungsvorhaben erfasst sind und für Sie die Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von dem Verschmelzungsvorhaben unberührt.“

7

Zum 1. Februar 2004 verschmolz die C I GmbH auf die C GmbH. Diese informierte Anfang 2005 die Beklagte über die geplante Versetzung mehrerer ihrer ehemaligen Mitarbeiter in neu gegründete Regionalgesellschaften. In diesem Zusammenhang erklärte die Beklagte in einem an ihre - jedenfalls von der Versetzung in die C Nord GmbH & Co. KG und in die C West GmbH & Co. KG betroffenen - ehemaligen Mitarbeiter gerichteten Schreiben vom 10. Februar 2005:

        

„… Sofern auf Sie die Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von der Versetzung unberührt.“

8

Auch der Kläger erhielt dieses Schreiben vom 10. Februar 2005. Zum Ablauf des Jahres 2008 verschmolzen einige Regionalgesellschaften auf die C GmbH.

9

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging im Zuge der Verschmelzung der C I GmbH auf die C GmbH über. Anfang 2005 wechselte der Kläger aufgrund der Ausgliederung in Regionalgesellschaften zu der C R GmbH & Co. KG. Anlässlich der Verschmelzung der Regionalgesellschaften auf die C GmbH zum Ablauf des Jahres 2008 wechselte er wiederum zu dieser Arbeitgeberin und war dort zuletzt als Systemberater beschäftigt.

10

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2009 wurde über das Vermögen der C GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010. Über die hiergegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage war im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch nicht rechtskräftig befunden; jedenfalls war der Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillgelegt. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Oktober 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sowie seine Wiedereinstellung geltend, was diese ablehnte.

11

Mit seiner der Beklagten am 1. April 2010 zugestellten Erweiterung der ursprünglich nur auf eine Verurteilung zur Beschäftigung gerichteten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zu einer Neubegründung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Ziffer 15 der JVR 1986 beinhalte ein zeitlich nicht befristetes Rückkehrrecht allein unter der - nunmehr eingetretenen - Bedingung, dass eine Weiterbeschäftigung in der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich sei. Die Bestimmung stehe nicht unter dem Vorbehalt, dass die neue Gesellschaft im Zeitpunkt der Rückkehr noch zum Konzern der Beklagten gehören müsse; dies zeigten auch die Schreiben der Beklagten an ihn aus den Jahren 2003 und 2005. Mit diesen Schreiben sei überdies eine einzelvertragliche Wiedereinstellungszusage erklärt worden.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren zuletzt noch von Bedeutung - beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Wiedereinstellung mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2009 als Systemberater/technischer Angestellter zu den bei der B üblichen Arbeitsbedingungen mit einer Jahresvergütung in Höhe von 60.000,00 Euro brutto zuzüglich variabler Vergütung unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Januar 1980 anzunehmen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, es bestehe kein kollektiv-rechtlicher Rückkehranspruch. Mit Ziffer 15 der JVR 1986 hätten die Betriebspartner außerhalb ihrer Normsetzungsbefugnis gehandelt und außerdem im Hinblick auf den Wiedereinstellungsanspruch nach § 13 Abschn. VI des für die Beklagte geltenden Manteltarifvertrags Bergbau, Chemie, Energie (MTV) den Tarifvorrang von § 77 Abs. 3 BetrVG verkannt. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen für einen kollektiv-rechtlichen Wiedereinstellungsanspruch nicht gegeben. Das in Ziffer 15 der JVR 1986 vorgesehene Rückkehrrecht sei - wie die gesamten Rahmenbedingungen - auf den Zeitraum befristet, in dem die „neue Gesellschaft“ dem Konzernverbund der Beklagten angehöre. Sachlich sei es auf einen Verlust der Beschäftigungsmöglichkeit in einer Gesellschaft beschränkt, in der der Kläger zuletzt nicht mehr beschäftigt gewesen sei. Ein Wiedereinstellungsanspruch könne nicht auf die Korrespondenz mit den betroffenen Mitarbeitern nach dem Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten gestützt werden. Die Beklagte habe in ihren Schreiben stets auf eine „etwa begründete Rechtsposition“ verwiesen; eine solche habe dem Kläger bereits im Zeitpunkt der Schreiben nicht (mehr) zugestanden.

14

Das Arbeitsgericht hat dem - in der I. Instanz äußerst hilfsweise gestellten - Begehren auf Wiedereinstellung in der Fassung der Antragstellung entsprochen und die ursprünglich vom Kläger in erster Linie sowie hilfsweise verfolgten Beschäftigungsanträge abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - die arbeitsgerichtliche Entscheidung zT abgeändert und den Urteilstenor „zur Klarstellung“ wie folgt gefasst:

        

„Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages ab dem 1. Februar 2010 auf einem adäquaten Arbeitsplatz in der B zu den bei der Beklagten üblichen Bedingungen anzunehmen.“

15

Die die Abweisung der Beschäftigungsanträge betreffende Anschlussberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Der Kläger hat seine - nur diese Anträge betreffende - Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen. Die Beklagte begehrt mit ihrer ua. auf die Rügen einer Verletzung von § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO und von § 313 Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gestützten Revision die Abweisung(auch) des Wiedereinstellungsantrags. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist nicht verfahrensfehlerhaft. Der Entscheidungsausspruch ist weder unbestimmt, noch hat das Berufungsgericht dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO etwas zuerkannt, was dieser nicht beantragt hat. Der Antrag in der vom Landesarbeitsgericht tenorierten Fassung ist zulässig und begründet. Der Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten folgt aus Ziffer 15 der JVR 1986 iVm. den Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 und vom 10. Februar 2005.

17

A. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass der Ausspruch des Berufungsgerichts unbestimmt ist und darüber hinaus dem Kläger etwas zugesprochen hat, was nicht Gegenstand der Klage war.

18

I. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.

19

1. Nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthält ein verfahrensbeendendes Urteil eine Urteilsformel. Diese muss hinreichend deutlich gefasst sein. Das Erfordernis der - von Amts wegen zu prüfenden - Bestimmtheit des Urteilsausspruchs dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSv. § 322 Abs. 1 ZPO und damit die Entscheidungswirkungen müssen festgestellt werden können(vgl. für den Entscheidungsausspruch im Beschlussverfahren BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 25/09 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 48 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 21). Bei diesen Feststellungen sind Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen, wenn die Urteilsformel den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht für sich gesehen erkennen lässt (für eine klageabweisende Entscheidung vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 133, 75; BGH 19. Mai 2011 - I ZB 57/10 - Rn. 7 mwN, BGHZ 190, 1). Insbesondere bei einer Verurteilung zu einer Willenserklärung kann zur Ermittlung des Inhalts einer auslegungsbedürftigen Urteilsformel ein Rückgriff auf Tatbestand und Entscheidungsgründe erforderlich sein (vgl. BGH 8. Juni 2011 - VIII ZR 204/10 - Rn. 9 mwN, NJW-RR 2011, 1382). Ein auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Urteilsspruch ist nur dann bestimmt, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist(vgl. BGH 19. Mai 2011 - I ZB 57/10 - Rn. 7 mwN, aaO). Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt(essentialia negotii) umfassen. Nach § 611 Abs. 1 BGB gehören hierzu die „versprochenen Dienste“, also Art und Beginn der Arbeitsleistung. Eine Einigung über weitere Inhalte ist nicht erforderlich, sofern klar ist, dass die Arbeitsleistung überhaupt vergütet werden soll (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 32 Rn. 4; Küttner/Röller Personalbuch 2012 19. Aufl. Arbeitsvertrag Rn. 7). Der Umfang der Arbeitsleistung und die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmen sich ggf. nach den üblichen Umständen; die Vergütung folgt ggf. aus § 612 BGB.

20

2. Hiernach ist die Entscheidungsformel im landesarbeitsgerichtlichen Urteil hinreichend bestimmt. Die Verurteilung zur Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags benennt den Zeitpunkt des begehrten Vertragsschlusses. Der Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung in dem mit der Verurteilung zustande gekommenen Vertrag lässt sich ausreichend deutlich klären. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte handelt es sich um eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung. Auch der Inhalt der Tätigkeit ist ausreichend beschrieben. Zwar eröffnet die Formulierung „auf einem adäquaten Arbeitsplatz“ einen Interpretationsspielraum. Entgegen der eigenen Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist damit aber keine „weitgehend unbestimmte Verurteilung der Beklagten vorgenommen“. Unter Hinzuziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen ist deutlich, dass die tenorierte Willenserklärung eine Arbeitsleistung des Klägers als Systemberater/technischer Angestellter umfasst. In dieser Tätigkeit war der Kläger zuletzt bei der C GmbH beschäftigt; diese Aufgaben hat auch das Landesarbeitsgericht als „in allererster Linie naheliegend“ erachtet. Mit seinem Ausdruck „adäquater Arbeitsplatz“ meint es zwar einen weiter gefassten Beschäftigungsbereich; auch nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung muss dieser aber der Tätigkeit eines „Systemberaters/technischen Angestellten“ gleichwertig sein. Damit ist letztlich ein weites Direktionsrecht der Beklagten eröffnet. Sie kann dem Kläger bei solch einer Verurteilung alle Aufgaben zuweisen, die ein „Systemberater/technischer Angestellter“ schuldet. Eine „weit gefasste“ Beschreibung der Tätigkeit führt zu einem größeren Spielraum bei den arbeitgeberseitigen Weisungsrechten und nicht zu deren Unklarheit. Die ausgesprochene Verurteilung ist damit ebenso wenig unbestimmt, wie ein Vertrag mit der Beklagten über eine Tätigkeit als „Systemberater/technischer Angestellter“ unwirksam wäre. Auch ein solcher Vertrag enthielte eine Einigung über die „essentialia negotii“.

21

II. Das Landesarbeitsgericht hat § 308 Abs. 1 ZPO nicht verletzt. Der Ausspruch in dem angefochtenen Urteil betrifft keinen anderen Streitgegenstand als den vom Kläger zur Entscheidung gestellten.

22

1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste (vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 435/00 - zu II 2 a der Gründe mwN, EzA ZPO § 256 Nr. 59). Das Gericht darf und muss aber ein Weniger zuerkennen, wenn ein solches Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 657/08 - Rn. 15 mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68). Etwas anderes gilt, wenn es sich nicht um ein Weniger, sondern um ein Aliud handelt. Ob dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren des Klägers ab (vgl. BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 505/06 - Rn. 17, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308). Entscheidend sind nicht allein die wörtlichen Ausdrücke von Antrag und Urteilsausspruch, sondern deren - ggf. durch Auslegung zu ermittelnde - streitgegenständlichen Inhalte (ähnlich BGH 3. April 2003 - I ZR 1/01 - zu II 1 a der Gründe mwN, BGHZ 154, 342).

23

2. Danach hat das Landesarbeitsgericht § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verletzt. Der vom Kläger - in den Tatsacheninstanzen äußerst hilfsweise zur Entscheidung - gestellte Antrag ist nach seinem Wortlaut unzweifelhaft auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Annahmeerklärung gerichtet. Ihm geht es mit der erstrebten Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO um das endgültige Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme(§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken möchte. Die Abgabe eines Angebots ist in dem Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 zu sehen. Die auf Abgabe der Annahmeerklärung gerichtete Klage entspricht dem Regelfall des mit einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willens des Arbeitnehmers (vgl. zB BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 16; 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54, AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14, AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80; 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 11, BAGE 123, 358). Der Kläger hat den Inhalt des mit der erstrebten Annahmeerklärung zustande kommenden Arbeitsvertrags näher beschrieben. Er hat den Zeitpunkt des Vertragsbeginns, die Tätigkeit, die Vergütung sowie eine anzurechnende Betriebszugehörigkeit angegeben. Hinsichtlich der für einen Arbeitsvertragsschluss notwendigen Bestandteile - der nach § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ - hat das Berufungsgericht keine anderen Bedingungen zuerkannt. Eine Modifizierung (und wegen der beschränkten Revisionseinlegung des Klägers insoweit rechtskräftige teilweise Klageabweisung) liegt allenfalls in der zugesprochenen Vergütung und anzurechnenden Betriebszugehörigkeit. Da diese Bestandteile nicht unverzichtbar für die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses sind, liegt hierin aber keine Änderung des Streitgegenstands. Auch der vom Landesarbeitsgericht zuerkannte spätere Beginn des Arbeitsverhältnisses ist eine Einschränkung und keine Änderung des Klagebegehrens (vgl. zu diesem Aspekt BAG 2. Juli 2003 - 7 AZR 529/02 - zu II 1 der Gründe, BAGE 107, 18).

24

B. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Klageantrag - in dem in der Revision noch angefallenen Umfang - entsprochen. Das zulässige Begehren des Klägers ist begründet.

25

I. Der durch die Revision der Beklagten noch anhängige Antrag ist auch in der Fassung, die er durch die Tenorierung des Landesarbeitsgerichts erfahren hat, zulässig. Er ist - wie ausgeführt - in dieser Fassung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Inhalt des (anzunehmenden) Arbeitsvertrags ist ausreichend konkretisiert. Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe der Annahmeerklärung - der 1. Februar 2010 - ist genannt. Die wesentlichen Vertragsbestandteile, insbesondere Art und Beginn der Tätigkeit, sind bezeichnet. Die im Klagebegehren angeführten „bei der Beklagten üblichen Bedingungen“ sind nicht unerlässlich für die Bestimmtheit, stehen aber auch außer Streit.

26

II. Der Antrag ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die vom Kläger begehrte Willenserklärung abzugeben.

27

1. Der Antrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deswegen unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung zum 1. Februar 2010 (rück-)wirken soll.

28

a) Mit der Abgabe der Annahmeerklärung kommt das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande, denn mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Erklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung oder einen Vertragsschluss zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann(vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 26 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Annahmeerklärung greift, ist daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, BAGE 134, 223).

29

b) Hiernach kann der Kläger die Begründung eines am 1. Februar 2010 beginnenden Arbeitsverhältnisses verlangen. Das Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 enthält ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags. Die Annahme dieses Angebots ist mit einer gerichtlichen Entscheidung nach § 894 Satz 1 ZPO fingiert. Das Arbeitsverhältnis gilt nicht zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des Angebots als geschlossen.

30

2. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt sein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 4. November 1986. Es kann offenbleiben, ob dieses Schreiben überhaupt ein selbständiges Wiedereinstellungsversprechen enthielte. Selbst wenn man hiervon zu Gunsten des Klägers ausginge, wäre die Zusage mit dem späteren Schreiben der Beklagten vom 9. Dezember 1986, welches der Kläger gegengezeichnet hat, einvernehmlich aufgehoben. Die Beklagte hat in diesem Schreiben auf die JVR 1986 und die dort niedergelegten Rechte und Pflichten verwiesen. Der Kläger hat mit der Gegenzeichnung der Zweitschrift des Schreibens sein Einverständnis damit bekundet, dass nunmehr die JVR 1986 Rechtsgrundlage eventueller nachvertraglicher Verpflichtungen der Beklagten ist und ggf. früher gegebene Versprechen überholt sein sollen.

31

3. Der Anspruch des Klägers auf Abgabe der vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Annahmeerklärung folgt aber aus Ziffer 15 der JVR 1986 iVm. den Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 und vom 10. Februar 2005. In Ziffer 15 der JVR 1986 haben die Betriebsparteien für die unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer das Recht zu einer Rückkehr zu der Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung geregelt, dass eine Weiterbeschäftigung innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist. Diesem kollektiv-rechtlichen Wiedereinstellungsversprechen begegnen entgegen der Auffassung der Beklagten keine grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken. Das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht steht nicht unter dem - ungeschriebenen - Vorbehalt der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten. Dies ergibt die Auslegung von Ziffer 15 der JVR 1986. Ob sich die Wiedereinstellungszusage sachlich auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei der C I GmbH beschränkt oder auch auf einen solchen bei deren Rechtsnachfolgern erstreckt, kann offenbleiben. Das - aufschiebend bedingte - Recht auf eine Rückkehr endete weder mit der Verschmelzung der C I GmbH auf die C GmbH noch mit dem Wechsel des Klägers zu der C R GmbH & Co. KG. Dies folgt jedenfalls aus den an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 und vom 10. Februar 2005. Die Voraussetzungen des Rückkehrrechts sind erfüllt. Der Unmöglichkeitseinwand der Beklagten ist unbegründet.

32

a) Ziffer 15 der JVR 1986 regelt in zulässiger Weise für die zum 1. Januar 1987 in die C I GmbH wechselnden Arbeitnehmer das Recht einer Rückkehr zur Beklagten, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.

33

aa) Die JVR 1986 gilt für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zum 1. Januar 1987 von der Beklagten auf die C I GmbH übergegangen sind. Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis.

34

bb) Das in Ziffer 15 der JVR 1986 „garantierte“ Rückkehrrecht ist nicht aus kollektiv-rechtlichen Gründen unwirksam. Die Betriebsparteien sind nicht grundsätzlich gehindert, einen Wiedereinstellungsanspruch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund eines bevorstehenden Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergehen, zu regeln. Eine etwaige Unwirksamkeit anderer Bestimmungen in den JVR 1986 führte jedenfalls nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit. Ziffer 15 der JVR 1986 verstößt schließlich nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

35

(1) Mit Ziffer 15 der JVR 1986 in ihrem Verständnis als Wiedereinstellungsanspruch haben die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz nicht überschritten.

36

(a) Bei den JVR 1986 handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung iSe. kollektiv-rechtlichen Normenvertrags zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Eine Betriebsvereinbarung kann über alle Fragen und Angelegenheiten abgeschlossen werden, die nach dem Gesetz der Zuständigkeit des Betriebsrats unterliegen. Dies ist in erster Linie bei mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt den Betriebsparteien aber auch eine umfassende Kompetenz zu, durch freiwillige Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu treffen (vgl. ausf. BAG 12. Dezember 2006 -  1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., BAGE 120, 308; grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211; vgl. auch Linsenmaier RdA 2008, 1; kritisch zur „globalen Regelungskompetenz“ Richardi BetrVG 13. Aufl. § 77 Rn. 67).

37

(b) Hiernach betrifft Ziffer 15 der JVR 1986 im Verständnis eines - aufschiebend bedingten - Rückkehrrechts für die von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zur „neuen Gesellschaft“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 1987 betroffenen Arbeitnehmer einen zulässigen Regelungsgegenstand. Ein Wiedereinstellungsversprechen kann als Abschlussnorm grundsätzlich zulässiger Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (vgl. BAG 19. Oktober 2005 - 7 AZR 32/05 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13; vgl. ferner auch 5. Juli 1984 - 2 AZR 246/83 - ohne ausdrückliche Problematisierung bei einem Wiedereinstellungsanspruch aus einem Sozialplan; grds. aA Diehn Rückkehrzusagen beim Betriebsübergang S. 49 ff.).

38

(aa) Die Argumentation der Revision, eine entsprechende Regelungsbefugnis könne nicht auf § 88 BetrVG gestützt werden, vernachlässigt, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern - wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt - auch über andere Gegenstände möglich sein sollen. Außerdem zeigt die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht(vgl. näher BAG 12. Dezember 20061 AZR 96/06 - Rn. 14, BAGE 120, 308).

39

(bb) Auch der Verweis der Revision, den Betriebsparteien käme keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Normsetzungsbefugnis zu, weil Regelungen zum Arbeitsverhältnis ein solches begriffsnotwendig voraussetzten, geht fehl. Bei Wiedereinstellungsbestimmungen, die - wie im vorliegenden Streitfall - Arbeitnehmer betreffen, die (noch) in einem Arbeitsverhältnis stehen, treffen die Betriebsparteien Regelungen zu diesen Arbeitsverhältnissen. Die von der Beklagten angeführten Legitimationsprobleme bestehen daher nicht.

40

(cc) Der Regelungsgegenstand unterliegt der sachlich-funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrats. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass er sich auf den Betrieb und auf die Interessen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer bezieht (vgl. BAG 19. Oktober 2005 - 7 AZR 32/05 - zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13). Dies ist vorliegend der Fall. Bei Abschluss der JVR 1986 waren die von ihrer Ziffer 15 erfassten Arbeitnehmer (noch) vom Betriebsrat repräsentiert. Die Vorschrift richtet sich nicht an eine „betriebsfremde Belegschaft“. Die Bestimmung in der Betriebsvereinbarung regelt damit nicht in unzulässiger Weise eine Arbeitsbedingung in einem Betrieb eines anderen Arbeitgebers, für deren Gestaltung der Betriebsrat nicht sachlich legitimiert wäre. Sie knüpft zwar - hinsichtlich der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit innerhalb der „neuen Gesellschaft“ aus betrieblichen Gründen - an einen Sachverhalt an, der sich bei einer anderen Gesellschaft stellt. Die Rechtsfolge der Verpflichtung zur (Wieder-)Begründung des Arbeitsverhältnisses betrifft aber allein die Beklagte. Dies unterfällt der Regelungskompetenz des bei ihr bestehenden Betriebsrats. Die Rückkehrklausel regelt keinen Erwerbertatbestand, sondern einen den Betriebsteilveräußerer - die Beklagte - anbelangenden Sachverhalt.

41

(2) Eine etwaige Unwirksamkeit anderer Bestimmungen in der JVR 1986 hinderte die Annahme der Wirksamkeit von deren Ziffer 15 nicht. Die teilweise Unwirksamkeit der JVR 1986 hat nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge.

42

(a) Nach § 139 BGB ist ein ganzes Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Bei den nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend wirkenden Betriebsvereinbarungen tritt die Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit wegen des Normencharakters allerdings nur dann ein, wenn der verbleibende Teil ohne den unwirksamen Teil keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr darstellt(vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 40 mwN, BAGE 125, 366).

43

(b) Selbst wenn alle anderen Bestimmungen der JVR 1986 wegfielen, stellte die Rückkehrbestimmung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar. Darauf, ob die Betriebsparteien bei Kenntnis selbst einer überwiegenden Teilunwirksamkeit der JVR 1986 deren Ziffer 15 in gleicher Weise vereinbart hätten, kommt es nicht an (ähnlich im Fall eines Einigungsstellenspruchs BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 57, BAGE 127, 276). Es kann daher auf sich beruhen, ob andere Normen der JVR 1986 die „neue Gesellschaft“ außerhalb der Normsetzungsbefugnis der Betriebsparteien unzulässig unmittelbar verpflichten.

44

(3) Ziffer 15 der JVR 1986 ist nicht - anders als die Revision meint - wegen des Vorrangs einer tariflichen Bestimmung nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Sie betrifft keinen Sachverhalt, der (mittlerweile) durch einen Tarifvertrag geregelt ist.

45

(a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Etwas anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt(vgl. zB BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 110, 252).

46

(b) Hiernach verstößt Ziffer 15 der JVR 1986 nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Gegenstand der Betriebsvereinbarungsbestimmung ist keine durch den Manteltarifvertrag Bergbau, Chemie, Energie vom 24. Juni 1992 - zuletzt in der Fassung vom 16. März 2009 - (MTV) geregelte Arbeitsbedingung. Die einzig in Betracht kommende Bestimmung nach § 13 Abschn. VI Ziff. 1 des MTV lautet:

        

„Wiedereinstellung und betriebsbedingte Umsetzungen

        

Aus betriebsbedingten Gründen entlassene Arbeitnehmer, die länger als 12 Monate dem Betrieb angehört haben und deren Entlassung nicht mehr als 12 Monate zurückliegt, werden im Falle der Neubesetzung von für sie geeigneten Arbeitsplätzen bevorzugt wieder eingestellt.

        

Kommen mehr entlassene Arbeitnehmer in Betracht, als Arbeitsplätze wieder zur Verfügung stehen, hat der Arbeitgeber unter Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG eine sachgerechte Auswahl zu treffen.“

47

Damit regelt § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV nach seinem unmissverständlichen Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck zwar auch einen Wiedereinstellungsanspruch. Dieser ist aber von vornherein auf eine andere Sachmaterie bezogen als die von Ziffer 15 der JVR 1986 geregelte. Während § 13 Abschn. VI Ziff. 1 MTV eine Wiedereinstellung im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen vorsieht, legt die Betriebsvereinbarungsbestimmung einen solchen im Zusammenhang mit einem bevorstehenden Übergang von Arbeitsverhältnissen auf eine „andere Gesellschaft“ fest. Tarifnorm und Betriebsvereinbarungsregel ordnen damit zwar die gleiche Rechtsfolge an, regeln aber nicht die gleichen Sachverhalte.

48

b) Das Ausscheiden der C I GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten beendete das aufschiebend bedingte Rückkehrrecht nicht. Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist die „Garantie eines Rückkehrrechts“ nach Ziffer 15 der JVR 1986 nicht für die Zeit der Zugehörigkeit der C I GmbH zum Konzernverbund der Beklagten befristet.

49

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09 - Rn. 9, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 31).

50

bb) Hiernach steht die Geltung der Rückkehrzusage nicht unter dem Vorbehalt einer Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum Konzernverbund der Beklagten. Dies hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.

51

(1) Der Wortlaut von Ziffer 15 der JVR 1986 gibt keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Das Rückkehrrecht bezieht sich auf die in die „neue Gesellschaft“ überwechselnden Mitarbeiter. Andere Voraussetzungen oder Bedingungen als der Wegfall einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen in dieser „neuen Gesellschaft“ sind nicht explizit ausgedrückt.

52

(2) Der Gesamtzusammenhang und die Regelungssystematik deuten nicht zwingend darauf, das Rückkehrrecht zur Beklagten auf die Zeit der Zugehörigkeit der „neuen Gesellschaft“ zum B-Konzern zu beschränken. Die JVR 1986 enthält zahlreiche Bestimmungen, die - ungeachtet ihrer jeweiligen kollektiv-rechtlichen Wirksamkeit - die Beibehaltung der bisher bei der Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich deren Verschlechterungen und Vergünstigungen zeitlich nicht begrenzen. Damit unterscheidet sich die JVR 1986 von der gleichfalls ein Rückkehrrecht beinhaltenden Betriebsvereinbarung, die von der Beklagten mit den zuständigen Betriebsräten am 4. Dezember 1990 anlässlich der Ausgliederung ihrer Magnetproduktaktivitäten in ein Tochterunternehmen geschlossen worden ist und die der Entscheidung des Senats vom 19. Oktober 2005 zugrunde lag (- 7 AZR 32/05 - [Magnetic] AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13). Zwar sind die Geltung der „Erhöhung der WSZ bei Tarifmitarbeitern“ nach Ziffer 7 c) bb) erster Punkt der JVR 1986 und die Jahresprämienbestimmung nach Ziffer 7 c) ee) in zeitlicher Hinsicht ebenso limitiert wie die Beteiligung der zur „neuen Gesellschaft“ gewechselten Mitarbeiter an internen Stellenausschreibungen der Beklagten nach Ziffer 11 der JVR 1986. Die in Ziffer 7 c) aa) der JVR 1986 vorgesehene Fortgeltung von bei der Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarungen einschließlich deren späteren Verbesserungen oder Verschlechterungen enthält aber keine zeitlich beschriebene „Veränderungsgrenze“. Auch die entsprechende Anwendung anderer bei der Beklagten geltender kollektiver Regelungen ist unbeschränkt niedergelegt. Den weiter geregelten Möglichkeiten der Inanspruchnahme von unternehmens- und konzernbezogenen Sozialeinrichtungen und Leistungen mag die Vorstellung eines Verbleibs der C I GmbH in der B-Gruppe zugrunde liegen, was jedenfalls in Ziffer 11 Satz 2 der JVR 1986 auch seinen sprachlichen Niederschlag gefunden hat („Regeln für Inlandsgruppengesellschaften“). Notwendig erscheint diese Annahme aber nicht. Augenscheinlich haben die Betriebspartner in dem Wissen darum, dass es sich bei der Gesellschaft, in die das Geschäftsfeld der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme zum 1. Januar 1987 ausgegliedert worden ist, um ein Joint Venture mit der S AG handelte, den wechselnden Arbeitnehmern das bei der Beklagten bestehende Niveau der Arbeitsbedingungen sichern wollen. Ein alleiniger Einfluss der Beklagten auf die C I GmbH war bereits bei Abschluss der JVR 1986 ausgeschlossen. Dies kann dafür sprechen, dass die in der JVR 1986 geregelten Leistungen für die wechselnden Arbeitnehmer - ungeachtet ihrer Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit - nach der Vorstellung der Betriebspartner nur so lange gelten sollten, wie die Beklagte überhaupt eine Einflussmöglichkeit auf die C I GmbH als konzernzugehöriges Unternehmen hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, muss eine ggf. anzunehmende konzernzugehörigkeitsbegrenzte Reichweite der geregelten Leistungen aber nicht auch für die Rückkehrzusage gelten.

53

cc) Sinn und Zweck des in Ziffer 15 der JVR 1986 geregelten Rückkehrrechts sprechen deutlich dafür, dieses nicht unter dem ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe zu verstehen. Die Betriebspartner haben die Konditionen eines Wechsels von Arbeitnehmern zu einer anderen Vertragsarbeitgeberin festgelegt, vor allem aber den Ausgleich der Nachteile geregelt, die den überwechselnden Arbeitnehmern durch die Ausgliederung des Geschäftsfelds der kompatiblen Großcomputer und Peripheriesysteme ggf. entstehen können. Die Ausgleichsnotwendigkeit ist durch den Wegfall des Arbeitsplatzes der betroffenen Arbeitnehmer bei der Beklagten veranlasst. Entscheidend ist weniger die Kompensation von Nachteilen wegen eines Wechsels zu einer ganz bestimmten (konzernzugehörigen) Arbeitgeberin, sondern wegen der Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Hierfür haben die Betriebspartner ein Äquivalent in der Form einer Wiedereinstellungszusicherung geschaffen und die Bedingung hierfür folgerichtig allein an das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen innerhalb der „neuen Gesellschaft“ geknüpft. Gegen den ungeschriebenen Vorbehalt eines Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe spricht auch, dass es anderenfalls die Beklagte als beherrschendes Unternehmen weitgehend in der Hand hätte, allein durch die Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile die Rückkehransprüche der begünstigten Arbeitnehmer kompensationslos zu beseitigen. Deren Rechtspositionen könnten von der Konzernmutter der Beklagten durch einseitige Maßnahmen ersatzlos entwertet werden. Anderes würde nur dann gelten, wenn in einem solchen Fall des Ausscheidens aus der B-Gruppe der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung des Rückkehrrechts gelegen und dieses somit - bereits - zu diesem Zeitpunkt entstanden wäre. So kann Ziffer 15 der JVR 1986 aber nicht verstanden werden. Auch die Beklagte beruft sich nicht auf eine derartige Deutung. Bei einem ungeschriebenen Vorbehalt der Verbleibs der „neuen Gesellschaft“ in der B-Gruppe bliebe schließlich völlig unklar, ob ein solcher Verbleib bereits mit dem Verlust der Mehrheitsanteile und der Beendigung des Konzernverhältnisses oder erst mit der Aufgabe jeglicher Beteiligung an der „neuen Gesellschaft“ endete. Auch dies spricht gegen einen derartigen ungeschriebenen Vorbehalt.

54

c) Das für den Kläger geltende Rückkehrrecht endete nicht mit dem Wechsel seines Arbeitsverhältnisses zur C GmbH, auf die die C I GmbH mit Wirkung zum 1. Februar 2004 verschmolzen ist.

55

aa) Ob sich das Rückkehrrecht der zu der C I GmbH gewechselten Arbeitnehmer bereits nach Ziffer 15 der JVR 1986 sachlich auch auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Rechtsnachfolger dieser „neuen Gesellschaft“ erstreckt, kann offenbleiben. Es erscheint einerseits klar, dass die Betriebspartner mit „neuer Gesellschaft“ allein die C I GmbH gemeint haben. Der Ausdruck wurde nur deshalb gewählt, weil die Firmenbezeichnung des Joint Venture im Zeitpunkt des Abschlusses der JVR 1986 noch nicht feststand. Der das Rückkehrrecht auslösende Wegfall der Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen „innerhalb der neuen Gesellschaft“ mag daher allein auf einen solchen bei der C I GmbH - und nicht bei rechtsnachfolgenden Gesellschaften - verstanden werden können. Andererseits deutet der bereits dargestellte Zweck des Rückkehrrechts darauf, dass mit ihm weniger der Nachteil wegen des Wechsels der betroffenen Arbeitnehmer zu der „neuen Gesellschaft“ als einem ganz bestimmten Betriebsteilerwerber ausgeglichen werden sollte, sondern es um eine Kompensation dafür ging, die Beklagte als „sichere“ Arbeitgeberin zu verlieren. Die Betriebsparteien bezweckten die Absicherung der ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten für den Fall eines späteren Verlustes ihres (neuen) Arbeitsplatzes aus betrieblichen Gründen. Das Rückkehrrecht kann daher so verstanden werden, dass es sich auch auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Rechtsträger erstreckt, auf die die Arbeitsverhältnisse der vormaligen Mitarbeiter der Beklagten infolge von betrieblichen und gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen der „neuen Gesellschaft“ mittlerweile übergegangen sind. Ein solches Verständnis erscheint jedenfalls bei einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung der „neuen Gesellschaft“, die keine Widerspruchsmöglichkeit für die Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB gegen den Übergang oder den Wechsel ihrer Arbeitsverhältnisse auf eine „andere Gesellschaft“ aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge eröffnet, naheliegend. Dies ist der Fall, wenn - wie vorliegend im Zuge der Verschmelzung der C I GmbH auf die C GmbH - der bisherige Rechtsträger erlischt (vgl. zum Nichtbestehen eines Widerspruchsrechts ausf. BAG 21. Februar 2008 - 8 AZR 157/07 - Rn. 18 ff., BAGE 126, 105). Der betroffene Arbeitnehmer kann bei solch einer Konstellation den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht verhindern. Er würde also allein durch umwandlungsrechtliche Maßnahmen auf Seiten seines Arbeitgebers, die er nicht beeinflussen und deren Rechtsfolgen er nicht abwenden kann, ersatzlos eine wesentliche, ihm günstige Rechtsposition verlieren. Die Frage kann vorliegend jedoch letztlich dahinstehen.

56

bb) Der Kläger hat jedenfalls aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 12. Dezember 2003 auch nach seinem Wechsel zur C GmbH gegenüber der Beklagten ein individualrechtlich versprochenes Rückkehrrecht entsprechend der Ziffer 15 der JVR 1986. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in diesem Schreiben eine Zusage der Weitergeltung der Rückkehrmöglichkeit auch bei einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen bei der C GmbH gesehen.

57

(1) Es kann dahinstehen, ob, wofür vieles spricht, das Schreiben vom 12. Dezember 2003 typische Erklärungen beinhaltet, deren Auslegung durch das Revisionsgericht uneingeschränkt kontrollierbar ist - auch hinsichtlich der Frage, ob mit ihnen überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden soll - (vgl. dazu zB BAG 29. September 2010 -  3 AZR 546/08 - Rn. 17 mwN, AP BetrAVG § 9 Nr. 23 ), oder ob eine nichttypische Regelung vorliegt, deren Auslegung durch die Tatsachengerichte in der Revisionsinstanz nur darauf überprüfbar ist, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. dazu zB BAG 23. Mai 2007 - 10 AZR 29/07 - Rn. 16 mwN). Die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht hielte auch einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung stand.

58

(2) Das Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 2003 ist nicht lediglich eine Wissenserklärung ohne rechtliche Bindung.

59

(a) Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben(§ 242 BGB) und unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Begleitumstände vernünftigerweise verstehen durfte. Ob der Erklärende einen entsprechenden Geschäftswillen hat, ist für den Eintritt der Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr nicht ausschlaggebend. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger aus einem bestimmten Erklärungsverhalten auf einen Bindungswillen schließen durfte. Erforderlich ist weiterhin, dass der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden konnte, und dass der Erklärungsempfänger es tatsächlich so verstanden hat (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 3 AZR 462/02 - zu III 1 der Gründe mwN, EzA BetrAVG § 2 Nr. 20).

60

(b) Die Beklagte hat sich gegenüber dem Kläger - wie auch gegenüber den anderen ehemaligen Mitarbeitern - dahingehend geäußert, dass „eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition“ von der Verschmelzungsmaßnahme „unberührt“ bleibe. Die Formulierung „unberührt bleibt“ lässt aus der Sicht des Klägers - wie auch der anderen Empfänger dieses Schreibens - auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten dahingehend schließen, dass jedenfalls dann, wenn der betroffene Mitarbeiter dem aufschiebend bedingten Rückkehrrecht nach Ziffer 15 der JVR 1986 unterfällt, dieses nicht wegen der gesellschaftsrechtlichen Umwandlung der C I GmbH und des damit verbundenen Wechsels der Arbeitgeberin beseitigt sein soll. Hierfür sprechen auch die Begleitumstände des Erklärungsverhaltens der Beklagten, die sich auf Anfrage der C I GmbH in persönlichen Einzelschreiben an ihre ehemaligen Arbeitnehmer gewandt und die Nichtrelevanz der geplanten Verschmelzung für eine auf der Grundlage der Ziffer 15 der JVR 1986 „etwa begründete Rechtsposition“ „bestätigt“ hat, ohne dass es auf die vom Landesarbeitsgericht angeführte und von der Beklagten in Abrede gestellte Motivation für dieses Schreiben (Verhinderung des - ohnehin nicht gegebenen - Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses) ankäme. Die Betroffenen - also ua. der Kläger - konnten das Schreiben nur so verstehen, dass die Beklagte zwar kein von den Voraussetzungen nach Ziffer 15 der JVR 1986 unabhängiges Rückkehrrecht zusichern wollte, der Wechsel ihres Arbeitsverhältnisses zu der C GmbH diesem aber nicht entgegenstehen soll. Das aufschiebend bedingte Recht einer Rückkehr, das der Kläger in diesem Zeitpunkt immer noch innehatte, war somit nicht wegen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung erloschen.

61

d) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter angenommen, dass die Beklagte an ihre Zusage vom 12. Dezember 2003 gebunden ist. Mit der „Versetzung“ des Klägers - es handelte sich wohl eher um einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses - zu der C R GmbH & Co. KG hat die Geltungsdauer des Rückkehrrechts nicht geendet. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10. Februar 2005 erklärt, dass die „nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture-Regelung etwa begründete Rechtsposition von der Versetzung unberührt“ bleibe. Auch diese Erklärung beinhaltet eine bindende Zusage dahingehend, den Status als „Rückkehrberechtigten“ trotz eines Wechsels in ausgegliederte Regionalgesellschaften zu sichern. Ist - wie beim Kläger - eine Rechtsposition begründet, sollte nach dem verlautbarten Willen der Beklagten die „Versetzung“ zu einer anderen Gesellschaft den Anspruch auf eine Rückkehr zu ihr nicht tangieren.

62

e) Schließlich bewirkte der (Rück-)Wechsel des Klägers zur C GmbH keinen Untergang des Rückkehrrechts. Hinsichtlich dieser Gesellschaft war dem Kläger mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 versprochen, dass eine nach Ziffer 15 der JVR 1986 „etwa begründete“ Rechtsposition (die der Kläger tatsächlich noch innehatte) erhalten bleibt.

63

f) Die Voraussetzungen für den Rückkehranspruch liegen vor. Dessen aufschiebende Bedingung ist eingetreten. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers bei der C GmbH ist aus betrieblichen Gründen nicht möglich. Deren Betrieb ist stillgelegt. Die Rückkehrbestimmung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht so zu interpretieren, dass sie nur bei einer rechtswirksamen betriebsbedingten Kündigung greift. Der Wiedereinstellungsanspruch setzt nur die Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen voraus. Weder Wortlaut, Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung enthalten Anhaltspunkte dafür, dass die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der „neuen Gesellschaft“ den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG entsprechen - und ggf. sogar einer gerichtlichen Prüfung unterzogen sein - muss. In einem solchen Verständnis hielte das Rückkehrrecht im Übrigen auch der Binnenschranke einer Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht stand. Es handelte sich um eine dem Arbeitnehmer unzumutbare, mit § 75 Abs. 1 BetrVG unvereinbare Bedingung(vgl. BAG 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - Rn. 28, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 100; zur Angemessenheitskontrolle einer einzelvertraglichen Wiedereinstellungszusage in vorformulierten Vertragsbedingungen vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).

64

g) Die von der Beklagten geltend gemachte Unmöglichkeit einer Beschäftigung des Klägers zu den Konditionen des begehrten Arbeitsvertrags steht dem auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Klageanspruch nicht entgegen. Mit Rechtskraft der den Vertrag begründenden Annahmeerklärung steht der Vertragsmindestinhalt fest; die Abgabe einer solchen Erklärung ist der Beklagten nicht unmöglich. Allenfalls der - in der Revisionsinstanz nicht (mehr) streitgegenständlichen - Beschäftigungsverpflichtung könnte die Beklagte mit dem Unmöglichkeitseinwand begegnen.

65

C. Die Kostenentscheidung beruht für die Zeit bis zur Rücknahme der Revision des Klägers auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 565 iVm. § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, im Übrigen auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Günther Metzinger    

        

    Willms    

                 

(1) Der Arbeitgeber haftet

1.
für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
2.
für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,
3.
für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird,
4.
für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Absatz 3a der Dritte zu übernehmen hat.

(2) Der Arbeitgeber haftet nicht, soweit Lohnsteuer nach § 39 Absatz 5 oder § 39a Absatz 5 nachzufordern ist und in den vom Arbeitgeber angezeigten Fällen des § 38 Absatz 4 Satz 2 und 3 und des § 41c Absatz 4.

(3)1Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.2Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.3Der Arbeitgeber kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird.4Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden,

1.
wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat,
2.
wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat.2Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat.

(4)1Für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bedarf es keines Haftungsbescheids und keines Leistungsgebots, soweit der Arbeitgeber

1.
die einzubehaltende Lohnsteuer angemeldet hat oder
2.
nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt.
2Satz 1 gilt entsprechend für die Nachforderung zu übernehmender pauschaler Lohnsteuer.

(5) Von der Geltendmachung der Steuernachforderung oder Haftungsforderung ist abzusehen, wenn diese insgesamt 10 Euro nicht übersteigt.

(6)1Soweit einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist, zur Arbeitsleistung überlassen werden, haftet er mit Ausnahme der Fälle, in denen eine Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Absatz 3 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorliegt, neben dem Arbeitgeber.2Der Entleiher haftet nicht, wenn der Überlassung eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zugrunde liegt und soweit er nachweist, dass er den nach § 51 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d vorgesehenen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.3Der Entleiher haftet ferner nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte.4Die Haftung beschränkt sich auf die Lohnsteuer für die Zeit, für die ihm der Arbeitnehmer überlassen worden ist.5Soweit die Haftung des Entleihers reicht, sind der Arbeitgeber, der Entleiher und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.6Der Entleiher darf auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht; § 219 Satz 2 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden.7Ist durch die Umstände der Arbeitnehmerüberlassung die Lohnsteuer schwer zu ermitteln, so ist die Haftungsschuld mit 15 Prozent des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzunehmen, solange der Entleiher nicht glaubhaft macht, dass die Lohnsteuer, für die er haftet, niedriger ist.8Die Absätze 1 bis 5 sind entsprechend anzuwenden.9Die Zuständigkeit des Finanzamts richtet sich nach dem Ort der Betriebsstätte des Verleihers.

(7) Soweit der Entleiher Arbeitgeber ist, haftet der Verleiher wie ein Entleiher nach Absatz 6.

(8)1Das Finanzamt kann hinsichtlich der Lohnsteuer der Leiharbeitnehmer anordnen, dass der Entleiher einen bestimmten Teil des mit dem Verleiher vereinbarten Entgelts einzubehalten und abzuführen hat, wenn dies zur Sicherung des Steueranspruchs notwendig ist; Absatz 6 Satz 4 ist anzuwenden.2Der Verwaltungsakt kann auch mündlich erlassen werden.3Die Höhe des einzubehaltenden und abzuführenden Teils des Entgelts bedarf keiner Begründung, wenn der in Absatz 6 Satz 7 genannte Prozentsatz nicht überschritten wird.

(9)1Der Arbeitgeber haftet auch dann, wenn ein Dritter nach § 38 Absatz 3a dessen Pflichten trägt.2In diesen Fällen haftet der Dritte neben dem Arbeitgeber.3Soweit die Haftung des Dritten reicht, sind der Arbeitgeber, der Dritte und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner.4Absatz 3 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden; Absatz 4 gilt auch für die Inanspruchnahme des Dritten.5Im Fall des § 38 Absatz 3a Satz 2 beschränkt sich die Haftung des Dritten auf die Lohnsteuer, die für die Zeit zu erheben ist, für die er sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet hat; der maßgebende Zeitraum endet nicht, bevor der Dritte seinem Betriebsstättenfinanzamt die Beendigung seiner Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber angezeigt hat.6In den Fällen des § 38 Absatz 3a Satz 7 ist als Haftungsschuld der Betrag zu ermitteln, um den die Lohnsteuer, die für den gesamten Arbeitslohn des Lohnzahlungszeitraums zu berechnen und einzubehalten ist, die insgesamt tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer übersteigt.7Betrifft die Haftungsschuld mehrere Arbeitgeber, so ist sie bei fehlerhafter Lohnsteuerberechnung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne und für nachträglich zu erfassende Arbeitslohnbeträge nach dem Verhältnis dieser Beträge auf die Arbeitgeber aufzuteilen.8In den Fällen des § 38 Absatz 3a ist das Betriebsstättenfinanzamt des Dritten für die Geltendmachung der Steuer- oder Haftungsschuld zuständig.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. März 2012 - 11 Sa 1634/10 - teilweise aufgehoben und unter Berücksichtigung des in der Revision bezifferten Klageantrags zu 2 neu gefasst.

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28. Juli 2010 - 1 Ca 1892/09 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75.915,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 2. Mai 2008, 3. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 2. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 2. Dezember 2008, 2. Januar 2009, 3. Februar 2009, 3. März 2009, 1. April 2009, 4. Mai 2009, 2. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 3. November 2009, 1. Dezember 2009, 4. Januar 2010, 2. Februar 2010, 2. März 2010, 1. April 2010, 3. Mai 2010, 1. Juni 2010 und dem 1. Juli 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit 1977 bei der Beklagten, die ein Unternehmen des Steinkohlenbergbaus betreibt, zunächst als Hauer beschäftigt. Seit dem Jahre 1998 war er über Tage als technischer Angestellter tätig. Zum 1. Januar 1999 wurde er zum hauptamtlichen Hauptgerätewart der Grubenwehr bestellt. Die damit verbundenen Aufgaben wurden ihm als Bestandteil des Dienstvertrags zur verantwortlichen Erfüllung übertragen. Er organisierte für die etwa 130 freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr zwei- bis dreimal wöchentlich am Nachmittag außerhalb seiner Arbeitszeit als technischer Angestellter obligatorische Rettungsübungen, nahm an ihnen teil und bescheinigte den Mitgliedern jeweils die Teilnahme an den Übungen. Hierfür erbrachte die Beklagte zusätzlich zum tariflichen Arbeitsentgelt Zahlungen nach einer Vorstandsrichtlinie, die in den Entgeltabrechnungen unter der Lohn- und Gehaltsart „1015 Grubenwehr-Übung außerhalb“ ausgewiesen waren. Diese beliefen sich monatlich auf etwa 30 % bis 40 % seiner gesamten Bruttobezüge.

3

Zum 29. Februar 2008 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis in den vorgezogenen Ruhestand aus. Seit dem 1. März 2008 bezieht er Anpassungsgeld auf der Grundlage der „Richtlinie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“. Zusätzlich erhält er von der Beklagten auf der Grundlage des „Gesamtsozialplans zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG“ (GSP) vom 25. Juni 2003 einen Zuschuss in Höhe von monatlich 127,09 Euro brutto. In diesem ist bestimmt:

        

„…    

        

§ 2     

        

Arbeitnehmer, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld oder Knappschaftsausgleichsleistungen ausscheiden

        

…       

        

7.    Zuschuss zum Anpassungsgeld            

        

(1)     

DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld … das Garantieeinkommen nicht erreicht.

        

…       

        
        

(3)     

Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.

                 

Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.

                 

Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.

                 

…“    

4

Die Parteien des Gesamtsozialplans unterzeichneten am 27. Mai 2010 eine „Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003“. Darin heißt es:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens gemäß

        

●       

§ 2 Ziffer 7 (‚Zuschuss zum Anpassungsgeld’) Absatz 3 des Gesamtsozialplans,

        

…       

        
        

die in der Anlage zu dieser Protokollnotiz aufgeführten Lohn- und Gehaltsarten nicht zu berücksichtigen sind.

        

Weiterhin stellen die Vertragsparteien klar, dass dieses gemeinsame Verständnis der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens i.S.d. vorgenannten Vorschriften des Gesamtsozialplans bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans am 25.06.2003 vorhanden war und dem Abschluss des Gesamtsozialplans zugrunde lag.“

5

In der Anlage dazu ist „1015 Grubenwehr-Übung ausserh.“ aufgeführt.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, der Zuschuss zum Anpassungsgeld sei unter Einbeziehung der Grubenwehrzulage zu berechnen. Hierbei handele es sich um Entgelt im Sinne des Gesamtsozialplans. Ihm stünden deshalb monatlich weitere 1.265,26 Euro zu.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.692,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 39.223,06 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Grubenwehrzulage sei bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht zu berücksichtigen. Hierüber habe bei Abschluss des Gesamtsozialplans zwischen den Betriebsparteien Einigkeit bestanden, was die „Protokollnotiz vom 25.06.2003“ klarstelle.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in der Revision noch anhängigen Umfang entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Die dem Kläger für seine Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart gezahlte Grubenwehrzulage ist bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem Gesamtsozialplan zu berücksichtigen. Die Nebenforderung ist teilweise unbegründet. Sie besteht nicht ab dem Ersten des Folgemonats, wenn dieser auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt. Insoweit war die Klage abzuweisen.

11

I. Der Kläger hat nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP im streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf einen weiteren Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von monatlich 1.265,26 Euro. Dies ergibt die Auslegung des Gesamtsozialplans.

12

1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt(BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09 - Rn. 9).

13

2. Der Wortlaut des Gesamtsozialplans spricht dafür, die dem Kläger gewährte Grubenwehrzulage bei der Bemessung des Zuschusses zum Anpassungsgeld zu berücksichtigen.

14

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP wird für die Ermittlung des Bruttomonatseinkommens das Entgelt der letzten zwölf abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter Entgelt die Gegenleistung für geleistete Arbeit zu verstehen (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 21, BAGE 137, 300). Kennzeichnend für den Entgeltcharakter einer Leistung ist damit, dass sie in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht, also eine Gegenleistung hierfür darstellt.

15

b) Hiervon ausgehend legt bereits der Wortlaut des § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP nahe, dass die dem Kläger gezahlte Grubenwehrzulage Entgelt für geleistete Arbeit war. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht genügend berücksichtigt, dass dem Kläger mit der Bestellung zum hauptamtlichen Hauptgerätewart die damit verbundenen Aufgaben als Bestandteil seines Dienstvertrags übertragen wurden. Sie sind damit ein weiterer Teil seiner bereits bestehenden Arbeitspflichten geworden. Für diese Arbeitsleistungen, die er außerhalb seiner Arbeitszeiten als technischer Angestellter erbrachte, erhielt er eine Vergütung nach den in der Vorstandsrichtlinie „Bezahlung von Gruben- und Gasschutzwehren“ im Einzelnen geregelten Sätzen.

16

3. Der Regelungszusammenhang des Gesamtsozialplans bestätigt dieses Auslegungsergebnis.

17

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GSP bleiben Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen sowie Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, außer Betracht. Hierbei handelt es sich nicht um Entgelt, das in einem synallagmatischen Verhältnis zu erbrachten Arbeitsleistungen steht, sondern um Zusatzleistungen mit besonderer Zweckbestimmung. Diese sind daher nicht in die Bemessungsgrundlage „Bruttomonatseinkommen“ einzubeziehen. Abweichend von diesem Grundsatz sieht § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 6 GSP in einer Rückausnahme vor, dass das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist erforderlich, weil nach der Regelungssystematik das Weihnachtsgeld kein Entgelt und damit an sich nicht zu berücksichtigen ist.

18

b) Nach dieser Regelungssystematik ist die Grubenwehrzulage Entgelt, das bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens einzubeziehen ist. Sie ist sozialversicherungspflichtiges Arbeitseinkommen, das weder eine Einmalzahlung noch eine Mehrarbeitsvergütung darstellt. Letzteres ist in der Vorstandsrichtlinie zur Bezahlung der Grubenwehren klargestellt und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

19

4. Ein solches Normverständnis entspricht dem Regelungszweck des Gesamtsozialplans. Durch den Zuschuss zum Anpassungsgeld werden nach § 2 Satz 1 GSP die Richtlinien zur Gewährung des Anpassungsgeldes(zuletzt in der Fassung vom 12. Dezember 2008, BAnz 2008 S. 4697) ergänzt. Diese bezwecken gemäß Nr. 1.1, die mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20. Dezember 2007 beschlossene Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus sozialverträglich zu flankieren. Wird durch das nach diesen Richtlinien gezahlte Anpassungsgeld das Garantieeinkommen in Höhe von 60 % des Bruttomonatseinkommens nicht erreicht, besteht nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP ein Anspruch auf einen Zuschuss zum Anpassungsgeld. Damit dient das Anpassungsgeld dazu, den in dieser Bestimmung festgelegten sozialen Besitzstand zu sichern, der sich nach der Höhe des Entgelts richtet, das der Arbeitnehmer als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen erhalten hat. Da die Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart in der Grubenwehr zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehörte, spricht auch eine am Normzweck orientierte Auslegung dafür, das für diese Arbeitsleistung bezogene Entgelt bei der Ermittlung des für die Berechnung des Zuschusses maßgeblichen Bruttomonatseinkommens einzubeziehen.

20

5. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesamtsozialplans ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten kein anderes Ergebnis. Der bis zum Jahre 2002 geltende „Gesamtsozialplan über die öffentlichen und betrieblichen Leistungen und Vorsorgemaßnahmen für die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“ vom 15. Mai 1968 wurde im Jahre 2003 durch den hier anwendbaren Gesamtsozialplan vollständig abgelöst. Dieser enthält ein eigenständiges Regelungswerk. Die zu dem früheren Gesamtsozialplan ergangenen Erlasse und Hinweisschreiben der Arbeitsverwaltung können schon deshalb für die Auslegung der neuen Vereinbarung nicht herangezogen werden.

21

II. Die Protokollnotiz vom 27. Mai 2010 steht dieser Auslegung des Gesamtsozialplans nicht entgegen.

22

1. Hierbei handelt es sich um eine Auslegungshilfe und nicht um eine eigenständige normative Regelung. Die Betriebsparteien haben in der Protokollnotiz ihr gemeinsames Verständnis von den bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP zu berücksichtigenden Entgeltbestandteilen zum Ausdruck gebracht und ausgeführt, dass dies bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans bestand. Damit haben sie den Begriff „Bruttomonatseinkommen“ nicht konstitutiv neu festgelegt, sondern nur verdeutlicht, wie ihrer Auffassung nach ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal des Gesamtsozialplans zu verstehen ist.

23

2. Dieses Normverständnis der Betriebsparteien hat im Gesamtsozialplan allerdings keinen hinreichenden Niederschlag gefunden und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Da es bei dessen Auslegung darum geht festzustellen, wie die Normunterworfenen und die Gerichte eine Regelung zu verstehen haben (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 541/06 - Rn. 13), sind Betriebsvereinbarungen objektiv auszulegen. Der subjektive Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der betreffenden Regelung erkennbaren Ausdruck gefunden hat (Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 65; Fitting BetrVG 26. Aufl. § 77 Rn. 15). Anders als in dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 2. Oktober 2007 (- 1 AZR 815/06 -) zugrunde lag, haben die Betriebsparteien hier den Begriff des Entgelts in § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP hinreichend deutlich bestimmt. Das Verständnis der Betriebsparteien zur fehlenden Einbeziehung von Grubenwehrzulagen, die hauptamtliche Hauptgerätewarte beanspruchen können, die arbeitsvertraglich zu dieser Tätigkeit in der Grubenwehr verpflichtet sind, ist mit Wortlaut, systematischem Regelungszusammenhang und dem sich hieraus erschließenden Zweck unvereinbar. Ein solcher Regelungswille kann deshalb keine Berücksichtigung finden.

24

III. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 193 BGB.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Rath    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. April 2009 - 17 Sa 1522/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. September 2008 - 1 Ca 3987/08 - teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 18.304,00 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2008 zu zahlen.

3. Im Übrigen werden die Revision und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine variable Erfolgsvergütung.

2

Der Kläger war seit August 1999 bei der beklagten Bank zuletzt als Firmenkundenbetreuer beschäftigt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum Ablauf des 30. Juni 2008. Aufgrund einer anschließend getroffenen Aufhebungsvereinbarung schied der Kläger zum Ende des Geschäftsjahres 2007/2008 am 31. März 2008 aus.

3

Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom 6. März 2001 erhielt der Kläger ein Festgehalt von 8.000,00 DM sowie ein 13. Monatsgehalt, das bei Eintritt bzw. Austritt im laufenden Kalenderjahr zeitanteilig zu zahlen war. Weiter heißt es in § 3 des Arbeitsvertrags:

        

Variable Erfolgsvergütung (VE)

        

Die nach Beendigung eines Geschäftsjahres von der Bank an Sie auszuzahlende variable Erfolgsvergütung erfolgt gemäß der entsprechenden Betriebsvereinbarung auf der Grundlage einer individuell festgelegten Zielgröße (Ziel-VE). In Ihrem Falle setzten wir für das erste volle Geschäftsjahr Ihrer Tätigkeit eine Ziel-VE in Höhe von DM 7.200,-- … brutto fest. ...

        

Abgeltung/Ausschluß

        

Mit der Zahlung der vereinbarten Bezüge ist die Leistung von Mehrarbeit abgegolten. …“

4

Die zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Vorstand abgeschlossene Betriebsvereinbarung „Variable Erfolgsvergütung“ vom 20. Februar 2001 (BV VE) lautet:

        

„Präambel

        

…       

        

Mit dieser neuen VE-Regelung wird die Ausrichtung aller Aktivitäten auf die geschäftspolitischen Ziele verstärkt, eine nachhaltige adäquate Risiko- und Qualitätssteuerung erreicht und der vernetzte Vertrieb forciert. Wir erwarten hierdurch eine Mobilisierung aller Potentiale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter … dadurch, dass hervorragende Leistungen auch entsprechend honoriert werden können. …

        

§ 2     

Ziel-VE

                 

Grundlage der variablen Erfolgsvergütung ist eine individuelle Ziel-VE, die jedem Mitarbeiter im voraus genannt wird. …

                 

…       

                 

Die Ist-VE wird jeweils mit den Bezügen für den Monat Juli ausgezahlt, wenn der Mitarbeiter die mit ihm vereinbarten Ziele erreicht und der Geschäftsverlauf der Bank - bezogen auf die Ergebnisplanung - den Erwartungen entspricht.“

5

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 BV VE vereinbaren die Führungskraft und der Mitarbeiter für das anstehende Geschäftsjahr drei bis fünf Ziele, die quantitative und qualitative Zielgrößen aus den in der BV VE genannten Zielbereichen abdecken sollen. Die erfolgsabhängige Vergütung (Ist-VE) ergibt sich aus der Multiplikation der individuellen Ziel-VE, einem aufgrund der individuellen Zielerreichung festgesetzten Leistungsfaktor sowie dem Ergebnisfaktor, der sich nach einer von der Beklagten zu bestimmenden „Performance des Konzerns“ errechnet.

6

Weiter heißt es in der BV VE:

        

§ 8   

Ausnahmen

                 

Eine Ist-VE kommt nicht zur Auszahlung, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheidet oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Bei Austritt durch Erreichen der Altersgrenze oder Vorruhestand sowie bei Mutterschutz-/Erziehungsurlaub und Erwerbsunfähigkeit kommt die Ist-VE pro rata temporis zur Auszahlung.

                 

…       

                 

In Fällen eines unterjährigen Eintritts erfolgt die Zahlung der Ist-VE pro rata temporis entsprechend der persönlichen Zielerreichung.“

7

Nach einer Bezügemitteilung vom 12. Juni 2007 betrug das monatliche Fixgehalt des Klägers 6.160,00 Euro brutto sowie die Ziel-VE für das Geschäftsjahr 2007/2008 16.000,00 Euro brutto. Der Kläger, der im Geschäftsjahr 2007/2008 einen Leistungsfaktor von 1,43 erreichte, verlangte von der Beklagten die Zahlung einer variablen Erfolgsvergütung iHv. 22.880,00 Euro, was diese unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 BV VE ablehnte.

8

Mit seiner am 14. Juli 2008 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass sich ein Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung für das Geschäftsjahr 2007/2008 bereits aus dem Arbeitsvertrag ergebe. Der in § 8 Abs. 1 BV VE enthaltene Anspruchsausschluss sei unwirksam. Die Vorschrift enthalte eine überraschende Klausel und stelle darüber hinaus eine unangemessene Benachteiligung der durch Kündigung ausscheidenden Arbeitnehmer dar. Angesichts seiner individuellen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende bewirke die Vorschrift eine unzulässige Kündigungserschwernis. § 8 Abs. 1 BV VE verstoße zudem gegen § 75 Abs. 1 BetrVG; bei der erfolgsabhängigen Vergütung handele es sich um Entgelt im engeren Sinne, das der Disposition der Betriebsparteien entzogen sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.880,00 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, der Ergebnisfaktor sei wegen des schlechten Betriebsergebnisses nur auf 0,8 festgesetzt worden, sodass dem Kläger allenfalls 18.304,00 Euro zustünden.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist überwiegend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung für das Geschäftsjahr 2007/2008 iHv. 18.304,00 Euro.

13

I. Der Anspruch auf die Zahlung der variablen Erfolgsvergütung folgt aus § 2 BV VE.

14

1. Nach dieser Vorschrift ist Grundlage der variablen Erfolgsvergütung die von der Beklagten mitzuteilende Ziel-VE, die mit dem individuellen Leistungsfaktor (§ 5 BV VE) und dem vom Unternehmenserfolg abhängigen Ergebnisfaktor (§ 6 BV VE) zu multiplizieren ist. Entsprechend dem unstreitigen Parteivorbringen errechnet sich die variable Erfolgsvergütung des Klägers ausgehend von der im Schreiben vom 12. Juni 2007 mitgeteilten individuellen Ziel-VE von 16.000,00 Euro sowie einem Leistungsfaktor von 1,43 und dem Ergebnisfaktor für das Geschäftsjahr 2007/2008 von 0,8 mit 18.304,00 Euro. Ein weitergehender, auf der Grundlage eines Ergebnisfaktors von 1,0 zu errechnender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Dieser ist dem Vortrag der Beklagten, wonach der Ergebnisfaktor in diesem Geschäftsjahr wegen ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage lediglich 0,8 betragen hat, zuletzt nicht mehr entgegengetreten, sodass diese Tatsache nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

15

2. Die in § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE enthaltene Stichtagsregelung, wonach eine variable Erfolgsvergütung nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Auszahlungstag gekündigt wird, steht dem Anspruch nicht entgegen. Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

16

a) § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BV VE bestimmt, dass die variable Erfolgsvergütung an solche Arbeitnehmer nicht ausgezahlt wird, die im laufenden Geschäftsjahr unterjährig durch Kündigung ausscheiden. Hingegen erfasst der 2. Halbs. nur Arbeitsverhältnisse, die durch den Arbeitnehmer zwischen dem Ende des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungstag gekündigt werden. Die Verwendung des Passivs „gekündigt wird“ lässt zwar offen, von welcher Arbeitsvertragspartei die Kündigung ausgeht. Doch sprechen die Regelungssystematik sowie das darin zum Ausdruck kommende Interesse der Beklagten, eine Eigenkündigung zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dafür, dass die Betriebsparteien die Stichtagsregelung nur an eine vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung knüpfen wollten und eine solche des Arbeitgebers als auszahlungsunschädlich betrachten.

17

b) Die in § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE enthaltene Stichtagsregelung unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Sie betrifft weder einen Verteilungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG noch regelt sie die Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Dieser Mitbestimmungstatbestand erfasst die Umstände bei der Auszahlung des Arbeitsentgelts (Wiese GK-BetrVG 9. Aufl. § 87 Rn. 426; Fitting 25. Aufl. § 87 Rn. 179). Dazu gehören die Voraussetzungen, unter denen der Entgeltanspruch untergeht, nicht.

18

c) Die Betriebsparteien konnten den in der BV VE begründeten Anspruch auf eine variable Erfolgsvergütung nicht vom Bestehen eines vom Arbeitnehmer ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig machen. § 88 BetrVG erlaubt den damit verbundenen Entzug verdienten Arbeitsentgelts nicht. Darüber hinaus erweist sich die hierdurch bewirkte Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers als unverhältnismäßig.

19

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Das Betriebsverfassungsgesetz geht nach seiner Konzeption von einer grundsätzlich umfassenden Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen aus (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 14, BAGE 120, 308).

20

bb) Allerdings unterliegt die aus § 88 BetrVG folgende Regelungsbefugnis der Betriebsparteien Binnenschranken. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet zwar bei Betriebsvereinbarungen keine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB statt. Doch sind die Betriebsparteien beim Abschluss ihrer Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und damit auch zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet. Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer.

21

cc) Die von den Betriebsparteien zu wahrenden Grundsätze des Rechts erstrecken sich auf die geltende Rechtsordnung, die das Arbeitsverhältnis gestaltet und auf dieses einwirkt (ErfK/Kania 11. Aufl. § 75 BetrVG Rn. 5; Fitting § 75 Rn. 25). Dazu zählt auch § 611 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber zur Erbringung der vereinbarten Gegenleistung verpflichtet ist, soweit der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer seinerseits die ihm obliegende Arbeitsleistung erbracht hat. Die Auszahlung verdienten Entgelts ist daher nicht von der Erfüllung weiterer Zwecke abhängig (MüArbR/Krause 3. Aufl. Bd. 1 § 54 Rn. 14). Diese gesetzliche Wertung bindet auch die Betriebsparteien.

22

(1) Bei der in der BV VE geregelten erfolgsabhängigen Vergütung handelt es sich um Arbeitsentgelt, das vom Arbeitnehmer durch die Erbringung einer Arbeitsleistung im Bezugszeitraum verdient wird und dessen Höhe von der Erreichung der mit ihm vereinbarten Ziele abhängt. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Regelungssystematik der BV VE.

23

(a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 23).

24

(b) Für den ausschließlichen Entgeltcharakter der in der BV VE geregelten erfolgsabhängigen Vergütung spricht schon der Wortlaut der ihr vorangestellten Präambel. Danach haben die Betriebsparteien mit dem Abschluss der BV VE die Erwartung verbunden, alle Potentiale der Mitarbeiter dadurch zu mobilisieren, dass hervorragende Leistungen auch entsprechend honoriert werden. Auch aus der Regelungssystematik folgt, dass die erfolgsabhängige Vergütung eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Erreichung der mit den Mitarbeitern vereinbarten Ziele ist. So hängt die Höhe der variablen Erfolgsvergütung ua. von der persönlichen Arbeitsleistung der Mitarbeiter im jeweiligen Geschäftsjahr ab. Nach den § 2 BV VE zugrunde liegenden Einzelparametern bestimmt sich die Zahlung nach einer individuellen Ziel-VE, einem Leistungsfaktor sowie dem Ergebnisfaktor, der sich nach dem wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten in dem jeweils maßgeblichen Geschäftsjahr richtet. Der Leistungsfaktor ist Ausdruck der individuellen Leistung des Mitarbeiters gemessen am Zielerreichungsgrad der mit ihm persönlich vereinbarten Ziele (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BV VE). Er bemisst sich nach einer zwischen den Arbeitsvertragsparteien abzuschließenden Zielvereinbarung und nicht nach der einseitigen Festlegung von Zielen, die von der Beklagten in Ausübung ihres Direktionsrechts einseitig bestimmt werden können. Die Vereinbarung der Ziele erfolgt unter Berücksichtigung der persönlichen Leistungsmöglichkeiten des Mitarbeiters (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BV VE).

25

(2) Solche Vergütungsbestandteile, die vom Erreichen von persönlichen Zielen und dem Unternehmenserfolg abhängen, sind keine anlass- oder stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, sondern unmittelbare Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung, die dieser als Arbeitsentgelt für den vereinbarten Zeitraum erhält (Schaub/Linck 13. Aufl. § 77 Rn. 6; ähnl. ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 504). Für Sonderzuwendungen, mit denen sich der Arbeitgeber zB an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen der Arbeitnehmer beteiligt oder mit denen eine vergangenheits- sowie zukunftsbezogene Betriebstreue honoriert werden soll, ist kennzeichnend, dass diese ohne Bezug zu einer Vereinbarung über die Qualität oder die Quantität der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden. Demgegenüber bezweckt eine erfolgsabhängige Vergütung gerade eine Leistungssteigerung des Arbeitnehmers durch die Förderung seiner Motivation (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 25, BAGE 125, 147). Sie dient - je nach Ausgestaltung der Zielvereinbarung - entweder als besonderer Anreiz für die Erreichung des vertraglich festgelegten Leistungsziels oder allgemein der Erzielung von überdurchschnittlichen Arbeitsergebnissen im Bezugszeitraum. Ein in dieser Weise ausgestalteter Vergütungsbestandteil wird daher als Gegenleistung für die gemäß der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 12. Dezember 2007 -  10 AZR 97/07 - Rn. 48, aaO; BSG 23. März 2006 - B 11a AL 29/05 R - SozR 4-4300 § 183 Nr. 6). Diese synallagmatische Verbindung wird nicht durch die Abhängigkeit der Höhe der variablen Erfolgsvergütung von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt. Denn auch Leistungen, die an den Unternehmenserfolg geknüpft sind (wie zB Tantiemen, Gewinnbeteiligungen), werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (vgl. BAG 8. September 1998 - 9 AZR 273/97 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214 = EzA BGB § 611 Tantieme Nr. 2).

26

(3) Der Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung nach der BV VE entsteht mit Ablauf des monatlichen Leistungszeitraums. Sie wird in den einzelnen Monaten anteilig verdient, jedoch aufgespart und am vereinbarten Fälligkeitstag ausgezahlt (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 178/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 45). Dies folgt aus ihrer Einbindung in das vertragliche Synallagma und der Regelung in § 8 Abs. 1, Abs. 3 BV VE für die dort bestimmten Fälle des vorzeitigen Ausscheidens und des unterjährigen Eintritts. In diesen haben die Betriebsparteien ausdrücklich die Entstehung des Anspruchs „pro rata temporis“ festgelegt.

27

(4) Entstandene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung können von den Betriebsparteien nicht unter die auflösende Bedingung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag nach Ablauf des Leistungszeitraums gestellt werden.

28

Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber als Dienstgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Arbeitnehmer soll über die vom Arbeitgeber versprochene Gegenleistung disponieren und seine Lebensgestaltung daran ausrichten können, wenn er seinerseits die geschuldete Leistung vollständig erbracht hat. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die eigentliche Grundvergütung, sondern auch für besondere Entgeltbestandteile, die gleichermaßen in das Synallagma eingebundene Leistungen darstellen (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 20, BAGE 122, 182). Hierfür ist es auch unerheblich, ob der Vergütungsanspruch monatlich entsteht, an längere Abrechnungszeiträume gebunden ist oder die Arbeitsleistung von einem bestimmten Leistungserfolg abhängig ist. Ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand, der vorsieht, dass der Arbeitnehmer die durch seine Arbeit verdiente Gegenleistung nur behalten darf, wenn er über den Zeitraum hinaus, in dem das Arbeitsentgelt verdient worden ist, dem Unternehmen angehört, existiert nicht. Diese Wertungen haben auch die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bei ihrer Rechtssetzung zu beachten, wenn sie eine Regelung über Vergütungsbestandteile treffen, die von einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig sind. Die Stichtagsregelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE wird dem nicht gerecht. Sie entspricht in ihrer Wirkung einer auflösenden Bedingung, durch die dem vorleistungspflichtigen Kläger der Anspruch auf die Gegenleistung rückwirkend entzogen wird, wenn dieser nach Ablauf des Geschäftsjahres, aber vor dem Auszahlungstag der variablen Erfolgsvergütung sein Arbeitsverhältnis selbst kündigt.

29

dd) Darüber hinaus ist die in der Stichtagsregelung enthaltene auflösende Bedingung auch deswegen unwirksam, weil sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig beschränkt. Sie hält der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

30

(1) Die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG schützt mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl auch den Entschluss des einzelnen Arbeitnehmers, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Dies umfasst seine Entscheidung, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133). In dieses Freiheitsrecht dürfen die Betriebsparteien nicht in unverhältnismäßiger Weise eingreifen. Daher muss eine die Arbeitsplatzwahlfreiheit beschränkende Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 24, BAGE 120, 308).

31

(2) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE kommt die am Ende des Geschäftsjahres verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zur Auszahlung, wenn der Arbeitnehmer zwar bis zum Ende des Geschäftsjahres in einem Arbeitsverhältnis steht, dieses aber bis zum Auszahlungstag selbst gekündigt hat. Eine solche Regelung bewirkt der Sache nach, dass die Beklagte entgegen § 611 Abs. 1 BGB keine Vergütung für die vom Kläger nach Maßgabe der Zielvereinbarung geleisteten Dienste erbringen muss. Sie dient ihrem Interesse, einen Arbeitnehmer über das Ende des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungstag an der selbst gewählten Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses zu hindern. Dies wird durch die § 8 Abs. 1 Satz 2 BV VE zugrunde liegende Gruppenbildung verdeutlicht. Danach erhalten Beschäftigte, die durch Erreichen der Altersgrenze oder Vorruhestand ausscheiden, die variable Erfolgsvergütung im Austrittsjahr zeitanteilig, obwohl es an einem bestehenden Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag fehlt und sie durch ihre Arbeitsleistung wegen ihres unterjährigen Ausscheidens nur für einen Teil des Geschäftsjahres zum wirtschaftlichen Ergebnis der Beklagten beitragen. Ebenso behalten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BV VE Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Geschäftsjahres bis zum Auszahlungszeitpunkt durch einen Aufhebungsvertrag beenden oder die aufgrund einer Kündigung der Beklagten ausscheiden, den Anspruch auf die variable Erfolgsvergütung. Eine solche Regelung begünstigt Arbeitnehmer, die zwar zum Auszahlungstag nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, für deren Weiterbeschäftigung es aber entweder an einem betrieblichen Interesse der Beklagten fehlt oder bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - wie bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags - mit ihrem Einverständnis erfolgt ist. Auch dies lässt erkennen, dass es den Betriebsparteien bei der in § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE enthaltenen Stichtagsregelung vor allem darum geht, Arbeitnehmer von einem Leistungsbezug auszuschließen, die eine Eigenkündigung ausgesprochen haben und bei denen die damit verbundene Beendigung der Vertragsbeziehung und der hierdurch ermöglichte Arbeitgeberwechsel den Interessen der Beklagten widerspricht.

32

(3) Die Stichtagsregelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BV VE ist zwar grundsätzlich geeignet, einen Anreiz zu schaffen, den Arbeitnehmer zu veranlassen, eine an sich statthafte Kündigungsmöglichkeit auszuschlagen und noch einen weiteren Zeitraum im Unternehmen zu verbleiben. Es kann auch zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass eine solche Regelung erforderlich ist, weil ihr kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern.

33

Die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung ist aber stets ein unangemessenes Mittel, die selbst bestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Mit ihr sind Belastungen für den Arbeitnehmer verbunden, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen sind. Die BV VE betrifft typischerweise einen Personenkreis, dessen Kündigungsfrist abweichend von § 622 Abs. 2 BGB für beide Vertragsparteien verlängert ist. Im Fall des Klägers beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate, in anderen gerichtsbekannten Fällen drei Monate zum Quartalsende. Um entsprechend der Regelungen der BV VE die Auszahlung der variablen Erfolgsvergütung beanspruchen zu können, führt das zu einer Bindung bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres, jedenfalls aber zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahresende, um die im vorangegangenen Geschäftsjahr verdiente variable Erfolgsvergütung nicht zu verlieren. Für die durch die Stichtagsregelung bewirkte Bindung - auch soweit ihr lediglich die in § 622 Abs. 2 BGB geregelten Kündigungsfristen zugrunde liegen - erbringt die Beklagte keine gesonderte Leistung. Vielmehr wird jene ausschließlich durch die Auszahlung von Entgelt honoriert, das der Kläger durch das Erreichen der mit ihm vereinbarten Ziele bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr verdient hat. Die damit verbundene Beschränkung der Arbeitsplatzwahlfreiheit berücksichtigt daher völlig einseitig die Interessen der Beklagten am Verbleib des Klägers und ihr Bedürfnis, einen aus ihrer Sicht unerwünschten Wechsel, ggf. zu einem Wettbewerber, zumindest zu verzögern oder gar zu verhindern. Die damit einhergehenden Belastungen für den Kläger, der letztlich auf verdientes Entgelt verzichten muss, um einen in seinem Interesse liegenden Arbeitsplatzwechsel unter Einhaltung der vereinbarten oder der gesetzlichen Kündigungsfristen vornehmen zu können, sind angesichts eines Interesses der Beklagten an der Einhaltung von Betriebstreue, ohne hierfür eigene Aufwendungen erbringen zu müssen, unverhältnismäßig.

34

II. Auf die zwischen den Parteien streitigen und von den Vorinstanzen erörterten Fragen nach weiteren Anspruchsgrundlagen kommt es nicht mehr an. Dies gilt insbesondere für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach sich die im Arbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung über die „auszuzahlende variable Erfolgsvergütung“ in einer bloßen Bezugnahme auf die in der BV VE getroffenen Regelungen erschöpft. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die von den Betriebsparteien in § 8 BV VE vorgenommene Gruppenbildung für den Leistungsausschluss des Arbeitgebers den Anforderungen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes(§ 75 Abs. 1 BetrVG) genügt.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    Olaf Kunz    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. März 2012 - 11 Sa 1634/10 - teilweise aufgehoben und unter Berücksichtigung des in der Revision bezifferten Klageantrags zu 2 neu gefasst.

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28. Juli 2010 - 1 Ca 1892/09 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75.915,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 2. Mai 2008, 3. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 2. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 2. Dezember 2008, 2. Januar 2009, 3. Februar 2009, 3. März 2009, 1. April 2009, 4. Mai 2009, 2. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 3. November 2009, 1. Dezember 2009, 4. Januar 2010, 2. Februar 2010, 2. März 2010, 1. April 2010, 3. Mai 2010, 1. Juni 2010 und dem 1. Juli 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit 1977 bei der Beklagten, die ein Unternehmen des Steinkohlenbergbaus betreibt, zunächst als Hauer beschäftigt. Seit dem Jahre 1998 war er über Tage als technischer Angestellter tätig. Zum 1. Januar 1999 wurde er zum hauptamtlichen Hauptgerätewart der Grubenwehr bestellt. Die damit verbundenen Aufgaben wurden ihm als Bestandteil des Dienstvertrags zur verantwortlichen Erfüllung übertragen. Er organisierte für die etwa 130 freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr zwei- bis dreimal wöchentlich am Nachmittag außerhalb seiner Arbeitszeit als technischer Angestellter obligatorische Rettungsübungen, nahm an ihnen teil und bescheinigte den Mitgliedern jeweils die Teilnahme an den Übungen. Hierfür erbrachte die Beklagte zusätzlich zum tariflichen Arbeitsentgelt Zahlungen nach einer Vorstandsrichtlinie, die in den Entgeltabrechnungen unter der Lohn- und Gehaltsart „1015 Grubenwehr-Übung außerhalb“ ausgewiesen waren. Diese beliefen sich monatlich auf etwa 30 % bis 40 % seiner gesamten Bruttobezüge.

3

Zum 29. Februar 2008 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis in den vorgezogenen Ruhestand aus. Seit dem 1. März 2008 bezieht er Anpassungsgeld auf der Grundlage der „Richtlinie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“. Zusätzlich erhält er von der Beklagten auf der Grundlage des „Gesamtsozialplans zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG“ (GSP) vom 25. Juni 2003 einen Zuschuss in Höhe von monatlich 127,09 Euro brutto. In diesem ist bestimmt:

        

„…    

        

§ 2     

        

Arbeitnehmer, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld oder Knappschaftsausgleichsleistungen ausscheiden

        

…       

        

7.    Zuschuss zum Anpassungsgeld            

        

(1)     

DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld … das Garantieeinkommen nicht erreicht.

        

…       

        
        

(3)     

Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.

                 

Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.

                 

Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.

                 

…“    

4

Die Parteien des Gesamtsozialplans unterzeichneten am 27. Mai 2010 eine „Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003“. Darin heißt es:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens gemäß

        

●       

§ 2 Ziffer 7 (‚Zuschuss zum Anpassungsgeld’) Absatz 3 des Gesamtsozialplans,

        

…       

        
        

die in der Anlage zu dieser Protokollnotiz aufgeführten Lohn- und Gehaltsarten nicht zu berücksichtigen sind.

        

Weiterhin stellen die Vertragsparteien klar, dass dieses gemeinsame Verständnis der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens i.S.d. vorgenannten Vorschriften des Gesamtsozialplans bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans am 25.06.2003 vorhanden war und dem Abschluss des Gesamtsozialplans zugrunde lag.“

5

In der Anlage dazu ist „1015 Grubenwehr-Übung ausserh.“ aufgeführt.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, der Zuschuss zum Anpassungsgeld sei unter Einbeziehung der Grubenwehrzulage zu berechnen. Hierbei handele es sich um Entgelt im Sinne des Gesamtsozialplans. Ihm stünden deshalb monatlich weitere 1.265,26 Euro zu.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.692,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 39.223,06 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Grubenwehrzulage sei bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht zu berücksichtigen. Hierüber habe bei Abschluss des Gesamtsozialplans zwischen den Betriebsparteien Einigkeit bestanden, was die „Protokollnotiz vom 25.06.2003“ klarstelle.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in der Revision noch anhängigen Umfang entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Die dem Kläger für seine Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart gezahlte Grubenwehrzulage ist bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem Gesamtsozialplan zu berücksichtigen. Die Nebenforderung ist teilweise unbegründet. Sie besteht nicht ab dem Ersten des Folgemonats, wenn dieser auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt. Insoweit war die Klage abzuweisen.

11

I. Der Kläger hat nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP im streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf einen weiteren Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von monatlich 1.265,26 Euro. Dies ergibt die Auslegung des Gesamtsozialplans.

12

1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt(BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09 - Rn. 9).

13

2. Der Wortlaut des Gesamtsozialplans spricht dafür, die dem Kläger gewährte Grubenwehrzulage bei der Bemessung des Zuschusses zum Anpassungsgeld zu berücksichtigen.

14

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP wird für die Ermittlung des Bruttomonatseinkommens das Entgelt der letzten zwölf abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter Entgelt die Gegenleistung für geleistete Arbeit zu verstehen (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 21, BAGE 137, 300). Kennzeichnend für den Entgeltcharakter einer Leistung ist damit, dass sie in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht, also eine Gegenleistung hierfür darstellt.

15

b) Hiervon ausgehend legt bereits der Wortlaut des § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP nahe, dass die dem Kläger gezahlte Grubenwehrzulage Entgelt für geleistete Arbeit war. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht genügend berücksichtigt, dass dem Kläger mit der Bestellung zum hauptamtlichen Hauptgerätewart die damit verbundenen Aufgaben als Bestandteil seines Dienstvertrags übertragen wurden. Sie sind damit ein weiterer Teil seiner bereits bestehenden Arbeitspflichten geworden. Für diese Arbeitsleistungen, die er außerhalb seiner Arbeitszeiten als technischer Angestellter erbrachte, erhielt er eine Vergütung nach den in der Vorstandsrichtlinie „Bezahlung von Gruben- und Gasschutzwehren“ im Einzelnen geregelten Sätzen.

16

3. Der Regelungszusammenhang des Gesamtsozialplans bestätigt dieses Auslegungsergebnis.

17

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GSP bleiben Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen sowie Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, außer Betracht. Hierbei handelt es sich nicht um Entgelt, das in einem synallagmatischen Verhältnis zu erbrachten Arbeitsleistungen steht, sondern um Zusatzleistungen mit besonderer Zweckbestimmung. Diese sind daher nicht in die Bemessungsgrundlage „Bruttomonatseinkommen“ einzubeziehen. Abweichend von diesem Grundsatz sieht § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 6 GSP in einer Rückausnahme vor, dass das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist erforderlich, weil nach der Regelungssystematik das Weihnachtsgeld kein Entgelt und damit an sich nicht zu berücksichtigen ist.

18

b) Nach dieser Regelungssystematik ist die Grubenwehrzulage Entgelt, das bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens einzubeziehen ist. Sie ist sozialversicherungspflichtiges Arbeitseinkommen, das weder eine Einmalzahlung noch eine Mehrarbeitsvergütung darstellt. Letzteres ist in der Vorstandsrichtlinie zur Bezahlung der Grubenwehren klargestellt und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

19

4. Ein solches Normverständnis entspricht dem Regelungszweck des Gesamtsozialplans. Durch den Zuschuss zum Anpassungsgeld werden nach § 2 Satz 1 GSP die Richtlinien zur Gewährung des Anpassungsgeldes(zuletzt in der Fassung vom 12. Dezember 2008, BAnz 2008 S. 4697) ergänzt. Diese bezwecken gemäß Nr. 1.1, die mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20. Dezember 2007 beschlossene Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus sozialverträglich zu flankieren. Wird durch das nach diesen Richtlinien gezahlte Anpassungsgeld das Garantieeinkommen in Höhe von 60 % des Bruttomonatseinkommens nicht erreicht, besteht nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP ein Anspruch auf einen Zuschuss zum Anpassungsgeld. Damit dient das Anpassungsgeld dazu, den in dieser Bestimmung festgelegten sozialen Besitzstand zu sichern, der sich nach der Höhe des Entgelts richtet, das der Arbeitnehmer als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen erhalten hat. Da die Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart in der Grubenwehr zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehörte, spricht auch eine am Normzweck orientierte Auslegung dafür, das für diese Arbeitsleistung bezogene Entgelt bei der Ermittlung des für die Berechnung des Zuschusses maßgeblichen Bruttomonatseinkommens einzubeziehen.

20

5. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesamtsozialplans ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten kein anderes Ergebnis. Der bis zum Jahre 2002 geltende „Gesamtsozialplan über die öffentlichen und betrieblichen Leistungen und Vorsorgemaßnahmen für die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“ vom 15. Mai 1968 wurde im Jahre 2003 durch den hier anwendbaren Gesamtsozialplan vollständig abgelöst. Dieser enthält ein eigenständiges Regelungswerk. Die zu dem früheren Gesamtsozialplan ergangenen Erlasse und Hinweisschreiben der Arbeitsverwaltung können schon deshalb für die Auslegung der neuen Vereinbarung nicht herangezogen werden.

21

II. Die Protokollnotiz vom 27. Mai 2010 steht dieser Auslegung des Gesamtsozialplans nicht entgegen.

22

1. Hierbei handelt es sich um eine Auslegungshilfe und nicht um eine eigenständige normative Regelung. Die Betriebsparteien haben in der Protokollnotiz ihr gemeinsames Verständnis von den bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP zu berücksichtigenden Entgeltbestandteilen zum Ausdruck gebracht und ausgeführt, dass dies bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans bestand. Damit haben sie den Begriff „Bruttomonatseinkommen“ nicht konstitutiv neu festgelegt, sondern nur verdeutlicht, wie ihrer Auffassung nach ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal des Gesamtsozialplans zu verstehen ist.

23

2. Dieses Normverständnis der Betriebsparteien hat im Gesamtsozialplan allerdings keinen hinreichenden Niederschlag gefunden und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Da es bei dessen Auslegung darum geht festzustellen, wie die Normunterworfenen und die Gerichte eine Regelung zu verstehen haben (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 541/06 - Rn. 13), sind Betriebsvereinbarungen objektiv auszulegen. Der subjektive Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der betreffenden Regelung erkennbaren Ausdruck gefunden hat (Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 65; Fitting BetrVG 26. Aufl. § 77 Rn. 15). Anders als in dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 2. Oktober 2007 (- 1 AZR 815/06 -) zugrunde lag, haben die Betriebsparteien hier den Begriff des Entgelts in § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP hinreichend deutlich bestimmt. Das Verständnis der Betriebsparteien zur fehlenden Einbeziehung von Grubenwehrzulagen, die hauptamtliche Hauptgerätewarte beanspruchen können, die arbeitsvertraglich zu dieser Tätigkeit in der Grubenwehr verpflichtet sind, ist mit Wortlaut, systematischem Regelungszusammenhang und dem sich hieraus erschließenden Zweck unvereinbar. Ein solcher Regelungswille kann deshalb keine Berücksichtigung finden.

24

III. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 193 BGB.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Rath    

                 

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

12

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

13

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).

14

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).

15

3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.

17

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

18

aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

19

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

20

c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).

21

d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

22

II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

23

1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).

24

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

25

a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

26

b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. Dipper    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 2011 - 5 Sa 19/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte und gezahlte Ablöseentschädigung zurückzuzahlen.

2

Der am 23. Januar 1991 in H geborene Kläger trat am 1. Juli 2005 dem beklagten Verein bei, um dort seine Laufbahn als Fußballspieler zu beginnen. Die Parteien schlossen unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers am 12. März 2006 einen Vertragsspielervertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, für den Beklagten den Fußballsport als Nichtamateur ohne Lizenz iSd. §§ 22 bis 27 der DFB-Spielordnung auszuüben. Der Vertrag wurde befristet für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2010 ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit geschlossen. Darüber hinaus wurde dem Beklagten eine Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 eingeräumt. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug anfangs 150,00 Euro, ab dem 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 250,00 Euro.

3

Der Kläger wohnte in einem Internat in R und wurde dort schulisch unterrichtet. Dafür waren monatliche Schulkosten in Höhe von 170,00 Euro zu zahlen. Neben dem Schulbesuch absolvierte er ein Trainings- und Ausbildungsprogramm und wurde von dem Beklagten in der Juniorenbundesliga eingesetzt. Er wurde zweimal in die deutsche Jugendnationalmannschaft berufen.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Juni 2008 kündigte der Kläger den Vertragsspielervertrag mit sofortiger Wirkung und erklärte gleichzeitig dessen Anfechtung. Zur Begründung der Kündigung gab er an, dem psychischen Druck nicht länger gewachsen zu sein, der sich aus dem Internatsaufenthalt einerseits, der finanziellen Situation seiner Eltern andererseits sowie aus der Bewertung seiner Leistung in ständiger Gegenüberstellung zu dem Mitspieler K ergebe. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 3. Juli 2008 sowohl die fristlose Kündigung als auch die Anfechtung zurück, eine psychische Drucksituation bestehe nicht. Eine Freigabe werde der Verein nicht oder nur gegen Zahlung einer Transferentschädigung erteilen.

5

Die nachfolgenden Verhandlungen führten unter Einbeziehung der Eltern des Klägers und mit anwaltlicher Beratung beider Seiten am 18. August 2008 zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Darin heißt es ua.:

        

Präambel

        

Die Parteien verbindet ein Spielervertrag vom 12.03.2006, mit dem sich der Spieler verpflichtete, bis zum 30.06.2010 als Vertragsspieler den Fußballsport für den H auszuüben.

        

Der Spieler hat mit Schreiben vom 26.06.2008 die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen sowie die Anfechtung des Vertrages erklärt. Der H vertritt die Auffassung ein Kündigungs- und/oder Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er hält an der Erfüllung des Vertrages fest.

        

Der Spieler wünscht nach wie vor den Spielervertrag vom 12.03.2006 aufzuheben, um zu einem anderen Verein wechseln zu können.

        

§ 1 Gegenstand des Vertrages

        

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kündigung des Spielers vom 26.06.2006 keinerlei Wirkung entfaltet und ebenfalls ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt. Die Parteien sind folglich darüber einig, dass das Vertragsverhältnis durch den Spieler nicht beendet wurde.

        

Die Parteien sind sich nunmehr jedoch einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis am 19.08.2008 enden wird.

                 
        

§ 2 Entschädigung

        

1.    

        
        

Der Spieler verpflichtet sich, für die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro (vierzigtausend) an den H zu zahlen. …

        

2.    

        
        

Der Spieler verpflichtet sich ferner, an den H einen weiteren Betrag in Höhe von 20.000,00 Euro zu zahlen, für den Fall, dass der Spieler bis zum 30.06.2011 den Status eines Lizenzspielers/Profi - unabhängig von Verein, Liga oder Verband - erwirbt. …

        

3.    

        
        

Unabhängig von der Entschädigungszahlung des Spielers gemäß der Ziffern 1. und 2. ist vom Drittverein die Ausbildungsentschädigung und der Solidaritätsbeitrag zu zahlen.

        

§ 3 Mitwirkungshandlungen/Freigabe

        

Der H wird nach Zahlungseingang gemäß § 2 Ziff. 1 sämtliche erforderlichen Mitwirkungshandlungen vornehmen, so dass der Spieler auch zu einem anderen Verein wechseln kann.“

6

Die Entschädigungssumme in Höhe von 40.000,00 Euro hatte der Kläger bereits zuvor am 15. August 2008 an den Beklagten gezahlt. Er wechselte zum Ha, bei dem er ebenfalls als Vertragsspieler eingesetzt wurde.

7

Mit einer am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rückzahlung der Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro vom Beklagten verlangt.

8

Dazu hat er die Auffassung vertreten, die im Aufhebungsvertrag eingegangene Entschädigungsverpflichtung sei nach § 138 BGB sittenwidrig. Einen Vereinswechsels von der Zahlung einer Transferentschädigung abhängig zu machen, stelle einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG, dar. Es verstoße auch gegen die guten Sitten, dass sich ein Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme von Krediten „freikaufen“ müsse. Zudem gebe es nach der DFB-Spielordnung keine Grundlage mehr für eine Ausbildungsentschädigung. Die Aufhebungsvereinbarung sei weiter deshalb nichtig, weil Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden. Ziehe man die landessportlichen Fördermittel und Aufwendungen der Eltern ab, so tendierten die Kosten des Beklagten gegen „null“. Zudem besäßen jugendliche Berufsspieler wegen der unsicheren Entwicklung während der Ausbildung keinen wirtschaftlich bestimmbaren „Marktwert“, jedenfalls hätte ein solcher im Falle des Klägers höchstens 10.000,00 Euro betragen.

9

Die vergleichsweise gefundene Regelung zwischen den Parteien hat der Kläger ferner auch nach § 779 BGB für unwirksam gehalten, da bei Vergleichsabschluss die Parteien rechtswidrig den Vertragsspielervertrag für wirksam gehalten hätten. Jedoch habe der Vertragsspielervertrag einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurft, außerdem habe er gegen § 5 JArbSchG verstoßen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2010 zu zahlen;

        

2.    

an ihn weitere 3.994,19 Euro zu zahlen.

11

Zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die vereinbarte Entschädigung sei nicht sittenwidrig. Sie stelle keine Ausbildungsentschädigung, sondern eine Ablöse dar, wie sie im Fußball üblich sei und die sich nach Leistung, Vertragsdauer und dem Alter des Spielers richte. Der Kläger habe selbst und aus eigener Initiative entschieden, sich „freikaufen“ zu wollen, um zu einem neuen Verein wechseln zu können. Häufig griffen neben dem aufnehmenden Verein auch die Spieler selbst in die eigene Tasche, um die vereinbarte Vertragslaufzeit abzukürzen.

12

Die Ablösesumme sei nicht unangemessen. Im Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung habe der Kläger zu den besten Spielern seines Jahrgangs gehört, er sei schon zweimal Jugendnationalspieler gewesen und sei verglichen worden mit Spielern wie K und P. Sein Marktwert habe damals 50.000,00 bis 100.000,00 Euro betragen, in seine Ausbildung habe der Beklagte mindestens 44.172,38 Euro investiert.

13

Die Aufhebungsvereinbarung, das gehe aus ihr selbst hervor, habe schließlich auch den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Spielervertrages beenden sollen, was gerade keine unstreitige Grundlage der vergleichsweise gefundenen Lösung gewesen sei.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. Mai 2012 (- 8 AZN 94/12 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er kann die Rückzahlung der von ihm geleisteten Entschädigung nicht verlangen, weil er sie mit Rechtsgrund an den Beklagten gezahlt hat.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Aufhebungsvertrag sei nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien bei seinem Abschluss von der Gültigkeit des Vertragsspielervertrages - abgesehen von dem Streit über das Bestehen des Vertrages aufgrund der Kündigungs- und Anfechtungserklärung des Klägers - ausgegangen seien.

17

Der Aufhebungsvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten. § 23 BBiG sei die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass die vorzeitige, nicht berechtigte Beendigung eines Ausbildungsvertrages Schadensersatzansprüche des Ausbilders begründen könne. Zudem sei nicht festzustellen, dass die vereinbarte Entschädigungssumme nicht den Aufwendungen entspräche, die der Beklagte hätte machen müssen, um wieder einen halbfertig ausgebildeten jugendlichen Vertragsspieler in seinen Spielerkader einzugliedern.

18

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger kann nicht die Rückzahlung der 40.000,00 Euro nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen, weil er diese Zahlung an den Beklagten mit Rechtsgrund geleistet hat.

19

I. Die Auflösungsvereinbarung ist nicht nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat eine der Parteien behauptet, bei dem Aufhebungsvertrag oder Teilen davon handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass es sich bei der Entschädigungszahlung um eine Vertragsklausel handele, die der Verwender für eine Vielzahl von Verträgen, mind. dreimal, vorformuliert hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Initiative zur Vertragsauflösung ging vom Kläger aus; dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Auflösungsvereinbarung entworfen hat, entsprach einem Wunsch des damaligen Bevollmächtigten des Klägers. Es handelt sich um eine Individualabrede. Abgesehen davon stellt bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung die Hauptleistung dar (vgl. BAG 21. Juni 20119 AZR 203/10 - Rn. 42, BAGE 138, 136 = AP BGB § 307 Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53), weswegen keine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stattfände.

20

II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die vereinbarte Entschädigungszahlung in Höhe von 40.000,00 Euro nicht gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 BGB).

21

1. Die Vorinstanzen haben die Vereinbarung vom 18. August 2008 zutreffend dahin gehend ausgelegt, dass sich die Parteien auf die Zahlung einer Ablösesumme zur Beendigung des Vertragsspielervertrages geeinigt haben.

22

a) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 15, Stbg 2009, 331).

23

b) Vorliegend handelt es sich um eine atypische, individuelle Willenserklärung, die vom Revisionsgericht nur dahin gehend überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 18, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 14, Stbg 2009, 331).

24

2. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten einen Vergleich iSd. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen.

25

a) Zwischen den Parteien bestand Streit über die Frage, ob der Vertragsspielervertrag durch die Kündigung oder Anfechtungserklärung des Klägers beendet worden ist. Diese Rechtsunsicherheit ist durch den Aufhebungsvertrag behoben worden. Bei der Vereinbarung haben beide Parteien wechselseitig nachgegeben. Der Beklagte, der ursprünglich an dem Vertrag festhalten wollte, hat einer Vertragsauflösung zugestimmt. Der Kläger hat eingewilligt, die geforderten 40.000,00 Euro zu zahlen und hat auf der Wirksamkeit seiner Kündigung oder Anfechtung nicht bestanden.

26

b) Zutreffend haben das Arbeitsgericht und dieses in Bezug nehmend das Landesarbeitsgericht in der in § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages geregelten „Entschädigung“ der Sache nach eine Ablösesumme gesehen, die für die vorzeitige Beendigung des Vertragsspielervertrages vom Kläger zu zahlen war. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachenrichter festgestellt haben, die vereinbarte Zahlung stelle keinen Ausgleich für entstandene Ausbildungskosten dar, sondern sei die Gegenleistung für die vom Kläger gewünschte vorzeitige Vertragsaufhebung. Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auf § 2 Ziff. 3 des Aufhebungsvertrages verwiesen, wonach die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung durch den Drittverein unabhängig von der durch den Kläger zu zahlenden Entschädigung nach § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages sein sollte. Auch das Berufungsgericht hat eine Ablösesumme („Vertragsabstandssumme“) festgestellt und der Sache nach nicht darauf abgestellt, welche Kosten dem Beklagten durch die Ausbildung des Klägers entstanden sind, sondern darauf, welchen Betrag der Beklagte zur Erlangung eines adäquaten Ersatzes für den Kläger auf dem Spielermarkt hätte aufwenden müssen.

27

3. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung in Form einer Ablösesumme war nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

28

a) Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Rechtsprechung sieht ein Rechtsgeschäft dann als sittenwidrig an, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 15, BAGE 118, 66 = AP BGB § 138 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 7; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 2 mwN). Dabei ist eine Gesamtabwägung aller Umstände wie Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts vorzunehmen (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Sittenwidrig kann ein Rechtsgeschäft ua. dann sein, wenn es gegen die der Rechtsordnung selbst innewohnenden Werte und Prinzipien verstößt. Über den Wertmaßstab der guten Sitten findet damit auch das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem Eingang in das Privatrecht (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 25, BVerfGK 8, 126; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 15, DB 2013, 584; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 16, aaO; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 20; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 4). Eine Vereinbarung kann demnach nichtig sein, wenn sie mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers unvereinbar ist.

29

b) Es verstieß nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Klägers, dass sich die Parteien in der Aufhebungsvereinbarung vom 18. August 2008 auf die Zahlung einer „Entschädigung“, dh. einer Ablöse in Höhe von 40.000,00 Euro einigten. Diese Leistung hatte den Zweck, eine bestehende Vertragsbindung zu beenden. Die von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommene Auslegung des § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages ergibt, dass es sich um eine Ablösesumme handelte, die zu zahlen ist, um den Spieler aus einem festen befristeten Vertrag „herauszukaufen“. Trotz bestehender Vertragsbindung wollte der Kläger zu einem neuen Verein wechseln. Daher hatte die vereinbarte Leistung den Zweck, diese bestehende Vertragsbindung zu beenden. Es handelt sich nicht um den Fall, dass die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dadurch verletzt wird, dass in abstrakten Verbandsreglements die Zahlung einer Transferentschädigung vorgesehen ist, die ein Spieler auch nach Auslaufen seines Vertrages bei dem ausbildenden Verein zahlen muss, wenn er sich einen neuen Arbeitgeber suchen will. Solche Regeln, die geeignet sein können, dem Spieler einen Wechsel seines Vereinsarbeitgebers zu erschweren und die dergestalt in seine Berufsausübungsfreiheit eingreifen, wurden vorliegend nicht vereinbart. Vielmehr haben sich die Parteien in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Beklagte als bisheriger Vereinsarbeitgeber der Aufhebung des Spielervertrages mit dem Kläger zustimmt und der Kläger im Gegenzug eine Ablöse zahlt. Dergestalt hat der Kläger gerade von seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit, die auch die Wahl des Arbeitgebers umfasst, Gebrauch gemacht und die ihn insoweit hindernde selbst eingegangene vertragliche Bindung an den Beklagten im Einvernehmen mit diesem gegenstandslos gemacht.

30

c) Die Vereinbarung steht in Einklang mit den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. So verstieß das Regelwerk des Deutschen Eishockey-Bundes, das die Zahlung einer „Aus- und Weiterbildungsentschädigung“ im Falle eines Vereinswechsels auch bei einer schon erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem abgebenden Verein vorsah, gegen § 138 Abs. 1 BGB iVm. Art. 12 Abs. 1 GG und war nichtig(vgl. BAG 20. November 1996 - 5 AZR 518/95 - zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 12 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 9). Denn in einer solchen Konstellation wird die Berufsausübungsfreiheit des wechselwilligen Spielers beeinträchtigt, wenn der Vereinswechsel von der Zahlung einer finanziellen Entschädigung abhängig gemacht wird. Bei beendetem Arbeitsverhältnis bleibt der Arbeitnehmer arbeitslos, wenn sich kein Verein findet, der sich zur Zahlung der Aus- und Weiterbildungsentschädigung bereit erklärt. Entsprechendes gilt für die Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung im Fußballsport (vgl. BGH 27. September 1999 - II ZR 305/98 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 142, 304; entsprechend für die Zahlung einer „Ausbildungsentschädigung“ zwischen den Vereinen: OLG Oldenburg 10. Mai 2005 - 9 U 94/04 - zu II der Gründe, SpuRt 2005, 164; zusammenfassend vgl. Krämer SpuRt 2011, 186 ff.). Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich wiederholt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei gewünschtem Wechsel zum Verein eines anderen Mitgliedsstaates zu befassen hatte. Auch insoweit handelte es sich stets um Fälle, in denen die Freizügigkeit oder Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Spieler noch nach Ablauf des Vertrages behindert werden sollte. So stand Art. 48 EWG-Vertrag aF von Sportverbänden aufgestellten Regelungen entgegen, denen zufolge ein Berufsfußballer auch nach Ablauf seines Vertrages nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt werden konnte, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung zahlte(EuGH 15. Dezember 1995 - C-415/93 - [Bosman] Rn. 92 ff., Slg. 1995, I-4921 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 10 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 8). Ebenso hielt der Gerichtshof eine Bestimmung des französischen Fußballverbandes in seiner französischen Berufsfußballcharta im Ergebnis für unverhältnismäßig, nach der ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung entweder die von dem Verein ausgeübte Vertragsverlängerungsoption zu bedienen oder eine von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängige Schadensersatzverpflichtung zu leisten hatte (vgl. EuGH 16. März 2010 - C-325/08 - [Olympique Lyonnais] Rn. 46, Slg. 2010, I-2177).

31

4. Der Aufhebungsvertrag und die mit ihm vereinbarte Ablösesumme verstößt auch nicht deswegen gegen die guten Sitten iSv. § 138 BGB, weil er auf einer überlangen Befristungsdauer des Spielervertrages basiert.

32

Der Kläger ist die vierjährige, maximal fünfjährige Vertragsbindung freiwillig und in Ausübung seiner Vertragsfreiheit eingegangen, er muss sich nunmehr daran festhalten lassen. Im Spielervertrag hatte er sich für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2010 verpflichtet, also einen befristeten Vertrag über vier Jahre abgeschlossen. Der Beklagte hatte sich die einseitige Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 vorbehalten. Die maximale Bindungsdauer betrug fünf Jahre. Dies hält sich im Rahmen von § 15 Abs. 4 TzBfG(oder von § 624 BGB für freie Dienstverhältnisse). Danach kann ein Arbeitsverhältnis auf Lebenszeit oder auf längere Zeit als fünf Jahre eingegangen werden, allerdings sichert der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in solchen Fällen ein Kündigungsrecht zu. Nach einer längeren Bindung als fünf Jahre wird der Arbeitnehmer in seiner persönlichen Freiheit übermäßig beschränkt (BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 69, 171 = AP BGB § 624 Nr. 2 = EzA BGB § 624 Nr. 1). Die Norm ist verfassungsgemäß und auch unter dem Gesichtspunkt der freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Art. 12 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 3 der Gründe, BAGE 84, 255 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 37 = EzA GG Art. 12 Nr. 29; iE auch BAG 25. März 2004 - 2 AZR 153/03 - zu B I 2 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 60 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 14; KR/Lipke 10. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 24; Kelber NZA 2001, 11, 13; Oberthür Das Transfersystem im Lizenzfußball S. 86). Bei typisierender Betrachtungsweise von § 15 Abs. 4 TzBfG hat der Gesetzgeber, dem auf dem Gebiet der Vertragsfreiheit ein weiter Spielraum zusteht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen gefunden(zu § 624 BGB vgl. BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, aaO).

33

Die Alternative des Beklagten wäre es gewesen, den Kläger an der - rechtmäßig vereinbarten - Vertragsdauer bis zu fünf Jahren festzuhalten. Wenn er dann im Verhandlungswege die Zahlung einer Ablösesumme anbietet, kann dies nicht als sittenwidrig angesehen werden. Es entspricht der hM in Rechtsprechung und Schrifttum, dass es nach wie vor zulässig ist, einen Spieler aus einem befristeten Vertrag durch eine Einzelfallvereinbarung „herauszukaufen“ (vgl. LAG Köln 20. November 1998 - 11 Sa 125/98 - LAGE BGB § 611 Berufssport Nr. 11; OLG Düsseldorf 20. Februar 2001 - 4 U 63/00 - NJW-RR 2001, 1633; Kelber NZA 2001, 11, 14; MüArbR/Giesen 3. Aufl. Bd. 2 § 337 Rn. 38; NK-BGB/Looschelders 2. Aufl. § 138 Rn. 307; Jungheim RdA 2008, 222, 224; Trommer Die Transferregelungen im Profisport im Lichte des „Bosman-Urteils“ im Vergleich zu den Mechanismen im bezahlten amerikanischen Sport S. 90; Oberthür Das Transfersystem im Lizensfußball S. 186; Hilf/Pache NJW 1996, 1169, 1175).

34

5. Die Vereinbarung einer Ablösesumme in Höhe von 40.000,00 Euro war nicht unter dem Gesichtspunkt des Wuchers, § 138 Abs. 2 BGB, nichtig.

35

a) Im Falle eines Vergleichs iSv. § 779 BGB kommt es weniger auf die wahre Ausgangslage im Sinne einer objektiven Bewertung der von beiden Seiten übernommenen Leistungen an als auf die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 32, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Entscheidend ist, inwieweit sie zur Streitbereinigung wechselseitig nachgegeben haben (BAG 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu IV 1 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17; 30. Juli 1985 - 3 AZR 401/83 - zu III 3 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 39 = EzA BGB § 138 Nr. 18; BGH 2. Juli 1999 - V ZR 135/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 3113; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 66; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 113). Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies zudem vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat (BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 35, NJW 2012, 2099). Die Parteien tragen in so einem Fall regelmäßig jeweils selbst das Risiko der Angemessenheit der vergleichsweise versprochenen Leistung (vgl. Palandt/Sprau BGB 72. Aufl. § 779 Rn. 12).

36

b) Bei einem Vergleich, bei dem sich die Parteien auf eine Vertragsbeendigung gegen Zahlung eines Abfindungsbetrags einigen, sind weitere Besonderheiten zu beachten. So mag es für den Spieler wirtschaftlich durchaus interessant sein, eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme selbst zu erbringen, weil er ein besonders lukratives Vertragsangebot bei einem neuen Verein besitzt, bei dessen Annahme die Höhe der Entschädigung in der Gesamtschau letztlich nicht mehr ins Gewicht fällt. Aus Sicht des Vereins mag es eine Rolle spielen, ob für den wechselwilligen Spieler derzeit überhaupt ein Ersatzspieler verpflichtet werden kann, ob dem wechselwilligen Spieler in der Mannschaft eine Schlüsselrolle zukam usw. Dies alles sind Umstände, die eine objektive Bewertung einer Ablösesumme erschweren (vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 35, BVerfGK 8, 126). Es gilt hier nichts anderes als bei einem Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozess, bei dem im Nachhinein der Arbeitgeber grundsätzlich nicht geltend machen kann, die gezahlte Abfindung sei überhöht gewesen. Wie sich der Arbeitgeber bei einem Abfindungsvergleich durch die Zahlung der Abfindung Planungs- und Rechtssicherheit erkauft und hierfür den „gerechten Preis“ selbst bestimmt (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2), gilt dies auch in dem umgekehrten Fall für die Festsetzung der Höhe einer Ablösesumme. Bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs nehmen die Parteien typischerweise in Kauf, dass der Wert ihrer jeweils versprochenen Gegenleistung nicht deren tatsächlichem und objektivem Wert entspricht. Die Höhe der Abfindung ist letztlich stets eine gegriffene Größe. Der Grundsatz der Vertragstreue gebietet es in diesen Fällen, dass sich die Parteien trotz eines möglicherweise „schlechten Geschäfts“ an der Vereinbarung festhalten lassen müssen. Ist der Wortlaut bei einem Abfindungsvergleich eindeutig, so kommt grundsätzlich weder eine Nachforderung noch eine spätere Rückforderung der Leistung in Betracht (so zutreffend Fischer in BeckOK BGB Stand 1. Februar 2013 § 779 Rn. 31).

37

c) Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist im gegenseitigen Nachgeben bei Abschluss des Vergleichs nicht zulasten des Klägers festzustellen. Auch wenn man zugrunde legt, dass der Kläger einen objektiv feststellbaren Marktwert gehabt hat und die Parteien bei Vertragsabschluss von unterschiedlichen Vorstellungen ausgegangen sind - der Kläger von einem Marktwert von null bis 10.000,00 Euro, der Beklagte von 50.000,00 bis 100.000,00 Euro -, führt dies nicht zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Wenn sich der Beklagte von einem jungen, unstreitig talentierten Spieler, der bereits in die Jugendnationalmannschaft berufen worden war und deshalb für den Verein in der Zukunft noch von Bedeutung hätte sein können, nur gegen einen Betrag von 40.000,00 Euro trennen wollte, verstößt dies nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Der Beklagte, der dem wechselwilligen Kläger letztlich entgegengekommen ist, schätzte den objektiven Marktwert des Klägers noch viel höher ein. Eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bei Vertragsabschluss ist nicht festzustellen.

38

d) Auch eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung aller weiteren Umstände führt nicht zu einer Beurteilung der Aufhebungsvereinbarung als sittenwidrig.

39

Der Beklagte hat seine wirtschaftliche oder intellektuelle Überlegenheit oder die schwächere Lage des Klägers nicht ausgenutzt. Zwar war der Kläger bei Vergleichsabschluss am 18. August 2008 noch minderjährig. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur Bejahung des Merkmals der Unerfahrenheit oder intellektuellen Unterlegenheit. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre bei dem Beklagten Vertragsspieler, versuchte eine Wechselmöglichkeit zu einem größeren Verein wahrzunehmen, war bei Abschluss des Vergleichs über 17 Jahre alt und schloss die Vereinbarung mit anwaltlicher Beratung und Hinzuziehung der Eltern. Er kündigte den Spielervertrag fristlos und focht ihn an, wobei er die „psychische Drucksituation“ nicht schlüssig mit Tatsachen untersetzt hat. Der Aufenthalt in einem Internat, der im sportlichen Bereich selbstverständliche Vergleich mit dem Mitspieler K oder der Wunsch des Klägers, den Verein zu wechseln, begründen auch in der Zusammenschau ohne nähere Substanziierung keine „Zwangslage“. Zudem könnte zu einer Vertragsaufhebung weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber gezwungen werden (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2).

40

III. Als Vergleich ist der Aufhebungsvertrag vom 18. August 2008 nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam.

41

1. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleiches nach § 779 Abs. 1 BGB ist, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Ein Sachverhalt ist dann als feststehend zugrunde gelegt, wenn er den Beteiligten nicht oder nicht mehr ungewiss ist und von ihnen als wesentliche Voraussetzung der Streitbeilegung betrachtet wird (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - Rn. 14, MDR 2008, 399). Ein etwaiger Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig und ungewiss angesehen wurde und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 28, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Ebenso wenig hat ein reiner Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - aaO).

42

2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten bei Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht übereinstimmend zugrunde gelegt, dass der Vertragsspielervertrag vom 12. März 2006 wirksam sei. Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus den rechtlichen Argumenten, die der damalige Bevollmächtigte des Klägers im Kündigungs- und Anfechtungsschreiben vom 26. Juni 2008 anführte, geschlossen, der Kläger stelle den Vertrag von Anfang an infrage. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte § 9 des Spielervertrages für „sittenwidrig“ gehalten und beanstandet, dass der Urlaub nicht geregelt wurde.

43

Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist teils unbegründet, teils unzulässig.

44

a) Das Berufungsgericht hat keine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Auch die Revision räumt ein, dass die Parteien in der Berufungsinstanz darüber gestritten haben, ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrages übereinstimmend davon ausgingen, der Vertragsspielervertrag sei wirksam. Daher konnte es nicht überraschend sein, wenn das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Klägers nicht als unstreitig ansah. Die Bewertung, ob eine Tatsache streitig oder unstreitig ist, steht nach § 286 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter zu. Das Berufungsgericht hat zur Begründung das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 26. Juni 2008 herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass es dabei gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Auslegungsgrundsätze verstoßen oder wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen hätte.

45

b) Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung ist unzulässig.

46

Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts genügt es nicht, nur vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Beweise nicht berücksichtigt. Es muss vielmehr nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen können. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen Beweisantritt reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist die Angabe der genauen vorinstanzlichen Fundstelle der übergangenen Beweisanträge nach Schriftsatz und - jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen - nach Seitenzahl. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 666/05 - Rn. 26, AP ZPO § 551 Nr. 64 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 5).

47

Die Revision führt indes nicht aus, was die Zeugen (Zeugnis der Eheleute B) voraussichtlich ausgesagt hätten noch, dass diese überhaupt etwas zu der Streitfrage der subjektiven Vorstellungen der Parteien bei Vergleichsabschluss hätten aussagen können.

48

IV. Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des am 12. März 2006 unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossenen Vertragsspielervertrages.

49

1. Die Eltern brauchten bei ihrer Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft nicht die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 Abs. 1 BGB. Nur der Vormund bedarf nach § 1822 Nr. 7 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Mündel bei Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll. Für die Eltern gilt dies nicht (Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1643 Rn. 1 und § 1822 Rn. 14; Schlachter FamRZ 2006, 155, 156 f.; Staudinger/Engler [2004] § 1822 Rn. 84; Erman/S. C. Saar BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 23; NK-BGB/Fritsche 2. Aufl. § 1822 Rn. 26; OLG Köln 22. September 2000 - 6 U 19/96 - ZUM 2001, 166; aA MüKoBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1822 Rn. 40; Fomferek NJW 2004, 410 ff.; Soergel/Zimmermann 13. Aufl. § 1822 Rn. 31).

50

2. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht war der Vertragsspielervertrag auch nicht nach § 134 BGB iVm. § 5 JArbSchG unwirksam.

51

a) Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 15 Jahre alt. Er war damit Jugendlicher iSv. § 2 Abs. 2 JArbSchG. Dieses Gesetz gilt für sämtliche Arten von Beschäftigungen, unabhängig von einem Arbeitnehmerstatus (§ 1 Abs. 1 JArbSchG). Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 3 JArbSchG auf Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung. Nach § 41 Abs. 2 SchulG MV in der Fassung vom 13. Februar 2006 betrug die Vollzeitschulpflicht in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2008 neun Schuljahre. Daher endete die Vollzeitschulpflicht des Klägers mit Erreichen der 10. Klasse zum Schuljahr 2006/2007.

52

b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit nur leichten und für Kinder geeigneten Arbeiten iSv. § 5 Abs. 3 JArbSchG beschäftigt wurde. Denn jedenfalls würde ein Verstoß hiergegen im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu keiner Unwirksamkeit des Vertragsspielervertrages führen. Der Kläger hatte bei Vergleichsabschluss die Altersgrenze überschritten (ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 12; HWK/Tillmanns 5. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 2). Der Schutzzweck des JArbSchG, Kinder vor einer nicht entwicklungsgerechten Arbeit und vor Ausbeutung zu schützen, greift nicht ein, wenn der Beschäftigte mittlerweile den Status eines Jugendlichen hat, für den andere Beschäftigungsbegrenzungen gelten. Das Beschäftigungsverbot soll den Minderjährigen nur schützen, nicht aber zum Verlust eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen, das mittlerweile zulässig ist (HWK/Tillmanns aaO).

53

V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Burr    

        

    N. Reiners    

                 

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

12

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

13

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).

14

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).

15

3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.

17

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

18

aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

19

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

20

c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).

21

d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

22

II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

23

1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).

24

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

25

a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

26

b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. Dipper    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 2011 - 5 Sa 19/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte und gezahlte Ablöseentschädigung zurückzuzahlen.

2

Der am 23. Januar 1991 in H geborene Kläger trat am 1. Juli 2005 dem beklagten Verein bei, um dort seine Laufbahn als Fußballspieler zu beginnen. Die Parteien schlossen unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers am 12. März 2006 einen Vertragsspielervertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, für den Beklagten den Fußballsport als Nichtamateur ohne Lizenz iSd. §§ 22 bis 27 der DFB-Spielordnung auszuüben. Der Vertrag wurde befristet für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2010 ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit geschlossen. Darüber hinaus wurde dem Beklagten eine Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 eingeräumt. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug anfangs 150,00 Euro, ab dem 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 250,00 Euro.

3

Der Kläger wohnte in einem Internat in R und wurde dort schulisch unterrichtet. Dafür waren monatliche Schulkosten in Höhe von 170,00 Euro zu zahlen. Neben dem Schulbesuch absolvierte er ein Trainings- und Ausbildungsprogramm und wurde von dem Beklagten in der Juniorenbundesliga eingesetzt. Er wurde zweimal in die deutsche Jugendnationalmannschaft berufen.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Juni 2008 kündigte der Kläger den Vertragsspielervertrag mit sofortiger Wirkung und erklärte gleichzeitig dessen Anfechtung. Zur Begründung der Kündigung gab er an, dem psychischen Druck nicht länger gewachsen zu sein, der sich aus dem Internatsaufenthalt einerseits, der finanziellen Situation seiner Eltern andererseits sowie aus der Bewertung seiner Leistung in ständiger Gegenüberstellung zu dem Mitspieler K ergebe. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 3. Juli 2008 sowohl die fristlose Kündigung als auch die Anfechtung zurück, eine psychische Drucksituation bestehe nicht. Eine Freigabe werde der Verein nicht oder nur gegen Zahlung einer Transferentschädigung erteilen.

5

Die nachfolgenden Verhandlungen führten unter Einbeziehung der Eltern des Klägers und mit anwaltlicher Beratung beider Seiten am 18. August 2008 zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Darin heißt es ua.:

        

Präambel

        

Die Parteien verbindet ein Spielervertrag vom 12.03.2006, mit dem sich der Spieler verpflichtete, bis zum 30.06.2010 als Vertragsspieler den Fußballsport für den H auszuüben.

        

Der Spieler hat mit Schreiben vom 26.06.2008 die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen sowie die Anfechtung des Vertrages erklärt. Der H vertritt die Auffassung ein Kündigungs- und/oder Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er hält an der Erfüllung des Vertrages fest.

        

Der Spieler wünscht nach wie vor den Spielervertrag vom 12.03.2006 aufzuheben, um zu einem anderen Verein wechseln zu können.

        

§ 1 Gegenstand des Vertrages

        

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kündigung des Spielers vom 26.06.2006 keinerlei Wirkung entfaltet und ebenfalls ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt. Die Parteien sind folglich darüber einig, dass das Vertragsverhältnis durch den Spieler nicht beendet wurde.

        

Die Parteien sind sich nunmehr jedoch einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis am 19.08.2008 enden wird.

                 
        

§ 2 Entschädigung

        

1.    

        
        

Der Spieler verpflichtet sich, für die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro (vierzigtausend) an den H zu zahlen. …

        

2.    

        
        

Der Spieler verpflichtet sich ferner, an den H einen weiteren Betrag in Höhe von 20.000,00 Euro zu zahlen, für den Fall, dass der Spieler bis zum 30.06.2011 den Status eines Lizenzspielers/Profi - unabhängig von Verein, Liga oder Verband - erwirbt. …

        

3.    

        
        

Unabhängig von der Entschädigungszahlung des Spielers gemäß der Ziffern 1. und 2. ist vom Drittverein die Ausbildungsentschädigung und der Solidaritätsbeitrag zu zahlen.

        

§ 3 Mitwirkungshandlungen/Freigabe

        

Der H wird nach Zahlungseingang gemäß § 2 Ziff. 1 sämtliche erforderlichen Mitwirkungshandlungen vornehmen, so dass der Spieler auch zu einem anderen Verein wechseln kann.“

6

Die Entschädigungssumme in Höhe von 40.000,00 Euro hatte der Kläger bereits zuvor am 15. August 2008 an den Beklagten gezahlt. Er wechselte zum Ha, bei dem er ebenfalls als Vertragsspieler eingesetzt wurde.

7

Mit einer am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rückzahlung der Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro vom Beklagten verlangt.

8

Dazu hat er die Auffassung vertreten, die im Aufhebungsvertrag eingegangene Entschädigungsverpflichtung sei nach § 138 BGB sittenwidrig. Einen Vereinswechsels von der Zahlung einer Transferentschädigung abhängig zu machen, stelle einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG, dar. Es verstoße auch gegen die guten Sitten, dass sich ein Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme von Krediten „freikaufen“ müsse. Zudem gebe es nach der DFB-Spielordnung keine Grundlage mehr für eine Ausbildungsentschädigung. Die Aufhebungsvereinbarung sei weiter deshalb nichtig, weil Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden. Ziehe man die landessportlichen Fördermittel und Aufwendungen der Eltern ab, so tendierten die Kosten des Beklagten gegen „null“. Zudem besäßen jugendliche Berufsspieler wegen der unsicheren Entwicklung während der Ausbildung keinen wirtschaftlich bestimmbaren „Marktwert“, jedenfalls hätte ein solcher im Falle des Klägers höchstens 10.000,00 Euro betragen.

9

Die vergleichsweise gefundene Regelung zwischen den Parteien hat der Kläger ferner auch nach § 779 BGB für unwirksam gehalten, da bei Vergleichsabschluss die Parteien rechtswidrig den Vertragsspielervertrag für wirksam gehalten hätten. Jedoch habe der Vertragsspielervertrag einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurft, außerdem habe er gegen § 5 JArbSchG verstoßen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2010 zu zahlen;

        

2.    

an ihn weitere 3.994,19 Euro zu zahlen.

11

Zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die vereinbarte Entschädigung sei nicht sittenwidrig. Sie stelle keine Ausbildungsentschädigung, sondern eine Ablöse dar, wie sie im Fußball üblich sei und die sich nach Leistung, Vertragsdauer und dem Alter des Spielers richte. Der Kläger habe selbst und aus eigener Initiative entschieden, sich „freikaufen“ zu wollen, um zu einem neuen Verein wechseln zu können. Häufig griffen neben dem aufnehmenden Verein auch die Spieler selbst in die eigene Tasche, um die vereinbarte Vertragslaufzeit abzukürzen.

12

Die Ablösesumme sei nicht unangemessen. Im Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung habe der Kläger zu den besten Spielern seines Jahrgangs gehört, er sei schon zweimal Jugendnationalspieler gewesen und sei verglichen worden mit Spielern wie K und P. Sein Marktwert habe damals 50.000,00 bis 100.000,00 Euro betragen, in seine Ausbildung habe der Beklagte mindestens 44.172,38 Euro investiert.

13

Die Aufhebungsvereinbarung, das gehe aus ihr selbst hervor, habe schließlich auch den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Spielervertrages beenden sollen, was gerade keine unstreitige Grundlage der vergleichsweise gefundenen Lösung gewesen sei.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. Mai 2012 (- 8 AZN 94/12 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er kann die Rückzahlung der von ihm geleisteten Entschädigung nicht verlangen, weil er sie mit Rechtsgrund an den Beklagten gezahlt hat.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Aufhebungsvertrag sei nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien bei seinem Abschluss von der Gültigkeit des Vertragsspielervertrages - abgesehen von dem Streit über das Bestehen des Vertrages aufgrund der Kündigungs- und Anfechtungserklärung des Klägers - ausgegangen seien.

17

Der Aufhebungsvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten. § 23 BBiG sei die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass die vorzeitige, nicht berechtigte Beendigung eines Ausbildungsvertrages Schadensersatzansprüche des Ausbilders begründen könne. Zudem sei nicht festzustellen, dass die vereinbarte Entschädigungssumme nicht den Aufwendungen entspräche, die der Beklagte hätte machen müssen, um wieder einen halbfertig ausgebildeten jugendlichen Vertragsspieler in seinen Spielerkader einzugliedern.

18

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger kann nicht die Rückzahlung der 40.000,00 Euro nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen, weil er diese Zahlung an den Beklagten mit Rechtsgrund geleistet hat.

19

I. Die Auflösungsvereinbarung ist nicht nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat eine der Parteien behauptet, bei dem Aufhebungsvertrag oder Teilen davon handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass es sich bei der Entschädigungszahlung um eine Vertragsklausel handele, die der Verwender für eine Vielzahl von Verträgen, mind. dreimal, vorformuliert hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Initiative zur Vertragsauflösung ging vom Kläger aus; dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Auflösungsvereinbarung entworfen hat, entsprach einem Wunsch des damaligen Bevollmächtigten des Klägers. Es handelt sich um eine Individualabrede. Abgesehen davon stellt bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung die Hauptleistung dar (vgl. BAG 21. Juni 20119 AZR 203/10 - Rn. 42, BAGE 138, 136 = AP BGB § 307 Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53), weswegen keine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stattfände.

20

II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die vereinbarte Entschädigungszahlung in Höhe von 40.000,00 Euro nicht gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 BGB).

21

1. Die Vorinstanzen haben die Vereinbarung vom 18. August 2008 zutreffend dahin gehend ausgelegt, dass sich die Parteien auf die Zahlung einer Ablösesumme zur Beendigung des Vertragsspielervertrages geeinigt haben.

22

a) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 15, Stbg 2009, 331).

23

b) Vorliegend handelt es sich um eine atypische, individuelle Willenserklärung, die vom Revisionsgericht nur dahin gehend überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 18, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 14, Stbg 2009, 331).

24

2. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten einen Vergleich iSd. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen.

25

a) Zwischen den Parteien bestand Streit über die Frage, ob der Vertragsspielervertrag durch die Kündigung oder Anfechtungserklärung des Klägers beendet worden ist. Diese Rechtsunsicherheit ist durch den Aufhebungsvertrag behoben worden. Bei der Vereinbarung haben beide Parteien wechselseitig nachgegeben. Der Beklagte, der ursprünglich an dem Vertrag festhalten wollte, hat einer Vertragsauflösung zugestimmt. Der Kläger hat eingewilligt, die geforderten 40.000,00 Euro zu zahlen und hat auf der Wirksamkeit seiner Kündigung oder Anfechtung nicht bestanden.

26

b) Zutreffend haben das Arbeitsgericht und dieses in Bezug nehmend das Landesarbeitsgericht in der in § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages geregelten „Entschädigung“ der Sache nach eine Ablösesumme gesehen, die für die vorzeitige Beendigung des Vertragsspielervertrages vom Kläger zu zahlen war. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachenrichter festgestellt haben, die vereinbarte Zahlung stelle keinen Ausgleich für entstandene Ausbildungskosten dar, sondern sei die Gegenleistung für die vom Kläger gewünschte vorzeitige Vertragsaufhebung. Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auf § 2 Ziff. 3 des Aufhebungsvertrages verwiesen, wonach die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung durch den Drittverein unabhängig von der durch den Kläger zu zahlenden Entschädigung nach § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages sein sollte. Auch das Berufungsgericht hat eine Ablösesumme („Vertragsabstandssumme“) festgestellt und der Sache nach nicht darauf abgestellt, welche Kosten dem Beklagten durch die Ausbildung des Klägers entstanden sind, sondern darauf, welchen Betrag der Beklagte zur Erlangung eines adäquaten Ersatzes für den Kläger auf dem Spielermarkt hätte aufwenden müssen.

27

3. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung in Form einer Ablösesumme war nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

28

a) Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Rechtsprechung sieht ein Rechtsgeschäft dann als sittenwidrig an, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 15, BAGE 118, 66 = AP BGB § 138 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 7; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 2 mwN). Dabei ist eine Gesamtabwägung aller Umstände wie Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts vorzunehmen (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Sittenwidrig kann ein Rechtsgeschäft ua. dann sein, wenn es gegen die der Rechtsordnung selbst innewohnenden Werte und Prinzipien verstößt. Über den Wertmaßstab der guten Sitten findet damit auch das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem Eingang in das Privatrecht (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 25, BVerfGK 8, 126; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 15, DB 2013, 584; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 16, aaO; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 20; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 4). Eine Vereinbarung kann demnach nichtig sein, wenn sie mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers unvereinbar ist.

29

b) Es verstieß nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Klägers, dass sich die Parteien in der Aufhebungsvereinbarung vom 18. August 2008 auf die Zahlung einer „Entschädigung“, dh. einer Ablöse in Höhe von 40.000,00 Euro einigten. Diese Leistung hatte den Zweck, eine bestehende Vertragsbindung zu beenden. Die von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommene Auslegung des § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages ergibt, dass es sich um eine Ablösesumme handelte, die zu zahlen ist, um den Spieler aus einem festen befristeten Vertrag „herauszukaufen“. Trotz bestehender Vertragsbindung wollte der Kläger zu einem neuen Verein wechseln. Daher hatte die vereinbarte Leistung den Zweck, diese bestehende Vertragsbindung zu beenden. Es handelt sich nicht um den Fall, dass die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dadurch verletzt wird, dass in abstrakten Verbandsreglements die Zahlung einer Transferentschädigung vorgesehen ist, die ein Spieler auch nach Auslaufen seines Vertrages bei dem ausbildenden Verein zahlen muss, wenn er sich einen neuen Arbeitgeber suchen will. Solche Regeln, die geeignet sein können, dem Spieler einen Wechsel seines Vereinsarbeitgebers zu erschweren und die dergestalt in seine Berufsausübungsfreiheit eingreifen, wurden vorliegend nicht vereinbart. Vielmehr haben sich die Parteien in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Beklagte als bisheriger Vereinsarbeitgeber der Aufhebung des Spielervertrages mit dem Kläger zustimmt und der Kläger im Gegenzug eine Ablöse zahlt. Dergestalt hat der Kläger gerade von seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit, die auch die Wahl des Arbeitgebers umfasst, Gebrauch gemacht und die ihn insoweit hindernde selbst eingegangene vertragliche Bindung an den Beklagten im Einvernehmen mit diesem gegenstandslos gemacht.

30

c) Die Vereinbarung steht in Einklang mit den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. So verstieß das Regelwerk des Deutschen Eishockey-Bundes, das die Zahlung einer „Aus- und Weiterbildungsentschädigung“ im Falle eines Vereinswechsels auch bei einer schon erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem abgebenden Verein vorsah, gegen § 138 Abs. 1 BGB iVm. Art. 12 Abs. 1 GG und war nichtig(vgl. BAG 20. November 1996 - 5 AZR 518/95 - zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 12 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 9). Denn in einer solchen Konstellation wird die Berufsausübungsfreiheit des wechselwilligen Spielers beeinträchtigt, wenn der Vereinswechsel von der Zahlung einer finanziellen Entschädigung abhängig gemacht wird. Bei beendetem Arbeitsverhältnis bleibt der Arbeitnehmer arbeitslos, wenn sich kein Verein findet, der sich zur Zahlung der Aus- und Weiterbildungsentschädigung bereit erklärt. Entsprechendes gilt für die Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung im Fußballsport (vgl. BGH 27. September 1999 - II ZR 305/98 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 142, 304; entsprechend für die Zahlung einer „Ausbildungsentschädigung“ zwischen den Vereinen: OLG Oldenburg 10. Mai 2005 - 9 U 94/04 - zu II der Gründe, SpuRt 2005, 164; zusammenfassend vgl. Krämer SpuRt 2011, 186 ff.). Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich wiederholt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei gewünschtem Wechsel zum Verein eines anderen Mitgliedsstaates zu befassen hatte. Auch insoweit handelte es sich stets um Fälle, in denen die Freizügigkeit oder Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Spieler noch nach Ablauf des Vertrages behindert werden sollte. So stand Art. 48 EWG-Vertrag aF von Sportverbänden aufgestellten Regelungen entgegen, denen zufolge ein Berufsfußballer auch nach Ablauf seines Vertrages nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt werden konnte, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung zahlte(EuGH 15. Dezember 1995 - C-415/93 - [Bosman] Rn. 92 ff., Slg. 1995, I-4921 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 10 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 8). Ebenso hielt der Gerichtshof eine Bestimmung des französischen Fußballverbandes in seiner französischen Berufsfußballcharta im Ergebnis für unverhältnismäßig, nach der ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung entweder die von dem Verein ausgeübte Vertragsverlängerungsoption zu bedienen oder eine von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängige Schadensersatzverpflichtung zu leisten hatte (vgl. EuGH 16. März 2010 - C-325/08 - [Olympique Lyonnais] Rn. 46, Slg. 2010, I-2177).

31

4. Der Aufhebungsvertrag und die mit ihm vereinbarte Ablösesumme verstößt auch nicht deswegen gegen die guten Sitten iSv. § 138 BGB, weil er auf einer überlangen Befristungsdauer des Spielervertrages basiert.

32

Der Kläger ist die vierjährige, maximal fünfjährige Vertragsbindung freiwillig und in Ausübung seiner Vertragsfreiheit eingegangen, er muss sich nunmehr daran festhalten lassen. Im Spielervertrag hatte er sich für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2010 verpflichtet, also einen befristeten Vertrag über vier Jahre abgeschlossen. Der Beklagte hatte sich die einseitige Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 vorbehalten. Die maximale Bindungsdauer betrug fünf Jahre. Dies hält sich im Rahmen von § 15 Abs. 4 TzBfG(oder von § 624 BGB für freie Dienstverhältnisse). Danach kann ein Arbeitsverhältnis auf Lebenszeit oder auf längere Zeit als fünf Jahre eingegangen werden, allerdings sichert der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in solchen Fällen ein Kündigungsrecht zu. Nach einer längeren Bindung als fünf Jahre wird der Arbeitnehmer in seiner persönlichen Freiheit übermäßig beschränkt (BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 69, 171 = AP BGB § 624 Nr. 2 = EzA BGB § 624 Nr. 1). Die Norm ist verfassungsgemäß und auch unter dem Gesichtspunkt der freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Art. 12 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 3 der Gründe, BAGE 84, 255 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 37 = EzA GG Art. 12 Nr. 29; iE auch BAG 25. März 2004 - 2 AZR 153/03 - zu B I 2 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 60 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 14; KR/Lipke 10. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 24; Kelber NZA 2001, 11, 13; Oberthür Das Transfersystem im Lizenzfußball S. 86). Bei typisierender Betrachtungsweise von § 15 Abs. 4 TzBfG hat der Gesetzgeber, dem auf dem Gebiet der Vertragsfreiheit ein weiter Spielraum zusteht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen gefunden(zu § 624 BGB vgl. BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, aaO).

33

Die Alternative des Beklagten wäre es gewesen, den Kläger an der - rechtmäßig vereinbarten - Vertragsdauer bis zu fünf Jahren festzuhalten. Wenn er dann im Verhandlungswege die Zahlung einer Ablösesumme anbietet, kann dies nicht als sittenwidrig angesehen werden. Es entspricht der hM in Rechtsprechung und Schrifttum, dass es nach wie vor zulässig ist, einen Spieler aus einem befristeten Vertrag durch eine Einzelfallvereinbarung „herauszukaufen“ (vgl. LAG Köln 20. November 1998 - 11 Sa 125/98 - LAGE BGB § 611 Berufssport Nr. 11; OLG Düsseldorf 20. Februar 2001 - 4 U 63/00 - NJW-RR 2001, 1633; Kelber NZA 2001, 11, 14; MüArbR/Giesen 3. Aufl. Bd. 2 § 337 Rn. 38; NK-BGB/Looschelders 2. Aufl. § 138 Rn. 307; Jungheim RdA 2008, 222, 224; Trommer Die Transferregelungen im Profisport im Lichte des „Bosman-Urteils“ im Vergleich zu den Mechanismen im bezahlten amerikanischen Sport S. 90; Oberthür Das Transfersystem im Lizensfußball S. 186; Hilf/Pache NJW 1996, 1169, 1175).

34

5. Die Vereinbarung einer Ablösesumme in Höhe von 40.000,00 Euro war nicht unter dem Gesichtspunkt des Wuchers, § 138 Abs. 2 BGB, nichtig.

35

a) Im Falle eines Vergleichs iSv. § 779 BGB kommt es weniger auf die wahre Ausgangslage im Sinne einer objektiven Bewertung der von beiden Seiten übernommenen Leistungen an als auf die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 32, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Entscheidend ist, inwieweit sie zur Streitbereinigung wechselseitig nachgegeben haben (BAG 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu IV 1 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17; 30. Juli 1985 - 3 AZR 401/83 - zu III 3 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 39 = EzA BGB § 138 Nr. 18; BGH 2. Juli 1999 - V ZR 135/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 3113; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 66; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 113). Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies zudem vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat (BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 35, NJW 2012, 2099). Die Parteien tragen in so einem Fall regelmäßig jeweils selbst das Risiko der Angemessenheit der vergleichsweise versprochenen Leistung (vgl. Palandt/Sprau BGB 72. Aufl. § 779 Rn. 12).

36

b) Bei einem Vergleich, bei dem sich die Parteien auf eine Vertragsbeendigung gegen Zahlung eines Abfindungsbetrags einigen, sind weitere Besonderheiten zu beachten. So mag es für den Spieler wirtschaftlich durchaus interessant sein, eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme selbst zu erbringen, weil er ein besonders lukratives Vertragsangebot bei einem neuen Verein besitzt, bei dessen Annahme die Höhe der Entschädigung in der Gesamtschau letztlich nicht mehr ins Gewicht fällt. Aus Sicht des Vereins mag es eine Rolle spielen, ob für den wechselwilligen Spieler derzeit überhaupt ein Ersatzspieler verpflichtet werden kann, ob dem wechselwilligen Spieler in der Mannschaft eine Schlüsselrolle zukam usw. Dies alles sind Umstände, die eine objektive Bewertung einer Ablösesumme erschweren (vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 35, BVerfGK 8, 126). Es gilt hier nichts anderes als bei einem Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozess, bei dem im Nachhinein der Arbeitgeber grundsätzlich nicht geltend machen kann, die gezahlte Abfindung sei überhöht gewesen. Wie sich der Arbeitgeber bei einem Abfindungsvergleich durch die Zahlung der Abfindung Planungs- und Rechtssicherheit erkauft und hierfür den „gerechten Preis“ selbst bestimmt (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2), gilt dies auch in dem umgekehrten Fall für die Festsetzung der Höhe einer Ablösesumme. Bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs nehmen die Parteien typischerweise in Kauf, dass der Wert ihrer jeweils versprochenen Gegenleistung nicht deren tatsächlichem und objektivem Wert entspricht. Die Höhe der Abfindung ist letztlich stets eine gegriffene Größe. Der Grundsatz der Vertragstreue gebietet es in diesen Fällen, dass sich die Parteien trotz eines möglicherweise „schlechten Geschäfts“ an der Vereinbarung festhalten lassen müssen. Ist der Wortlaut bei einem Abfindungsvergleich eindeutig, so kommt grundsätzlich weder eine Nachforderung noch eine spätere Rückforderung der Leistung in Betracht (so zutreffend Fischer in BeckOK BGB Stand 1. Februar 2013 § 779 Rn. 31).

37

c) Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist im gegenseitigen Nachgeben bei Abschluss des Vergleichs nicht zulasten des Klägers festzustellen. Auch wenn man zugrunde legt, dass der Kläger einen objektiv feststellbaren Marktwert gehabt hat und die Parteien bei Vertragsabschluss von unterschiedlichen Vorstellungen ausgegangen sind - der Kläger von einem Marktwert von null bis 10.000,00 Euro, der Beklagte von 50.000,00 bis 100.000,00 Euro -, führt dies nicht zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Wenn sich der Beklagte von einem jungen, unstreitig talentierten Spieler, der bereits in die Jugendnationalmannschaft berufen worden war und deshalb für den Verein in der Zukunft noch von Bedeutung hätte sein können, nur gegen einen Betrag von 40.000,00 Euro trennen wollte, verstößt dies nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Der Beklagte, der dem wechselwilligen Kläger letztlich entgegengekommen ist, schätzte den objektiven Marktwert des Klägers noch viel höher ein. Eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bei Vertragsabschluss ist nicht festzustellen.

38

d) Auch eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung aller weiteren Umstände führt nicht zu einer Beurteilung der Aufhebungsvereinbarung als sittenwidrig.

39

Der Beklagte hat seine wirtschaftliche oder intellektuelle Überlegenheit oder die schwächere Lage des Klägers nicht ausgenutzt. Zwar war der Kläger bei Vergleichsabschluss am 18. August 2008 noch minderjährig. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur Bejahung des Merkmals der Unerfahrenheit oder intellektuellen Unterlegenheit. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre bei dem Beklagten Vertragsspieler, versuchte eine Wechselmöglichkeit zu einem größeren Verein wahrzunehmen, war bei Abschluss des Vergleichs über 17 Jahre alt und schloss die Vereinbarung mit anwaltlicher Beratung und Hinzuziehung der Eltern. Er kündigte den Spielervertrag fristlos und focht ihn an, wobei er die „psychische Drucksituation“ nicht schlüssig mit Tatsachen untersetzt hat. Der Aufenthalt in einem Internat, der im sportlichen Bereich selbstverständliche Vergleich mit dem Mitspieler K oder der Wunsch des Klägers, den Verein zu wechseln, begründen auch in der Zusammenschau ohne nähere Substanziierung keine „Zwangslage“. Zudem könnte zu einer Vertragsaufhebung weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber gezwungen werden (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2).

40

III. Als Vergleich ist der Aufhebungsvertrag vom 18. August 2008 nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam.

41

1. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleiches nach § 779 Abs. 1 BGB ist, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Ein Sachverhalt ist dann als feststehend zugrunde gelegt, wenn er den Beteiligten nicht oder nicht mehr ungewiss ist und von ihnen als wesentliche Voraussetzung der Streitbeilegung betrachtet wird (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - Rn. 14, MDR 2008, 399). Ein etwaiger Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig und ungewiss angesehen wurde und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 28, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Ebenso wenig hat ein reiner Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - aaO).

42

2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten bei Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht übereinstimmend zugrunde gelegt, dass der Vertragsspielervertrag vom 12. März 2006 wirksam sei. Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus den rechtlichen Argumenten, die der damalige Bevollmächtigte des Klägers im Kündigungs- und Anfechtungsschreiben vom 26. Juni 2008 anführte, geschlossen, der Kläger stelle den Vertrag von Anfang an infrage. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte § 9 des Spielervertrages für „sittenwidrig“ gehalten und beanstandet, dass der Urlaub nicht geregelt wurde.

43

Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist teils unbegründet, teils unzulässig.

44

a) Das Berufungsgericht hat keine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Auch die Revision räumt ein, dass die Parteien in der Berufungsinstanz darüber gestritten haben, ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrages übereinstimmend davon ausgingen, der Vertragsspielervertrag sei wirksam. Daher konnte es nicht überraschend sein, wenn das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Klägers nicht als unstreitig ansah. Die Bewertung, ob eine Tatsache streitig oder unstreitig ist, steht nach § 286 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter zu. Das Berufungsgericht hat zur Begründung das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 26. Juni 2008 herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass es dabei gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Auslegungsgrundsätze verstoßen oder wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen hätte.

45

b) Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung ist unzulässig.

46

Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts genügt es nicht, nur vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Beweise nicht berücksichtigt. Es muss vielmehr nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen können. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen Beweisantritt reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist die Angabe der genauen vorinstanzlichen Fundstelle der übergangenen Beweisanträge nach Schriftsatz und - jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen - nach Seitenzahl. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 666/05 - Rn. 26, AP ZPO § 551 Nr. 64 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 5).

47

Die Revision führt indes nicht aus, was die Zeugen (Zeugnis der Eheleute B) voraussichtlich ausgesagt hätten noch, dass diese überhaupt etwas zu der Streitfrage der subjektiven Vorstellungen der Parteien bei Vergleichsabschluss hätten aussagen können.

48

IV. Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des am 12. März 2006 unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossenen Vertragsspielervertrages.

49

1. Die Eltern brauchten bei ihrer Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft nicht die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 Abs. 1 BGB. Nur der Vormund bedarf nach § 1822 Nr. 7 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Mündel bei Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll. Für die Eltern gilt dies nicht (Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1643 Rn. 1 und § 1822 Rn. 14; Schlachter FamRZ 2006, 155, 156 f.; Staudinger/Engler [2004] § 1822 Rn. 84; Erman/S. C. Saar BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 23; NK-BGB/Fritsche 2. Aufl. § 1822 Rn. 26; OLG Köln 22. September 2000 - 6 U 19/96 - ZUM 2001, 166; aA MüKoBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1822 Rn. 40; Fomferek NJW 2004, 410 ff.; Soergel/Zimmermann 13. Aufl. § 1822 Rn. 31).

50

2. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht war der Vertragsspielervertrag auch nicht nach § 134 BGB iVm. § 5 JArbSchG unwirksam.

51

a) Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 15 Jahre alt. Er war damit Jugendlicher iSv. § 2 Abs. 2 JArbSchG. Dieses Gesetz gilt für sämtliche Arten von Beschäftigungen, unabhängig von einem Arbeitnehmerstatus (§ 1 Abs. 1 JArbSchG). Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 3 JArbSchG auf Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung. Nach § 41 Abs. 2 SchulG MV in der Fassung vom 13. Februar 2006 betrug die Vollzeitschulpflicht in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2008 neun Schuljahre. Daher endete die Vollzeitschulpflicht des Klägers mit Erreichen der 10. Klasse zum Schuljahr 2006/2007.

52

b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit nur leichten und für Kinder geeigneten Arbeiten iSv. § 5 Abs. 3 JArbSchG beschäftigt wurde. Denn jedenfalls würde ein Verstoß hiergegen im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu keiner Unwirksamkeit des Vertragsspielervertrages führen. Der Kläger hatte bei Vergleichsabschluss die Altersgrenze überschritten (ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 12; HWK/Tillmanns 5. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 2). Der Schutzzweck des JArbSchG, Kinder vor einer nicht entwicklungsgerechten Arbeit und vor Ausbeutung zu schützen, greift nicht ein, wenn der Beschäftigte mittlerweile den Status eines Jugendlichen hat, für den andere Beschäftigungsbegrenzungen gelten. Das Beschäftigungsverbot soll den Minderjährigen nur schützen, nicht aber zum Verlust eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen, das mittlerweile zulässig ist (HWK/Tillmanns aaO).

53

V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Burr    

        

    N. Reiners    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

12

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

13

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).

14

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).

15

3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.

17

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

18

aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

19

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

20

c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).

21

d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

22

II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

23

1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).

24

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

25

a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

26

b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. Dipper    

                 

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 330/05 Verkündetam:
13.Juni2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: nein
1. Werden aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf
den Todesfall zur Sicherheit abgetreten, gibt es für die Frage, ob damit zugleich
der Anspruch auf den Rückkaufswert (nach Kündigung) abgetreten ist, keinen generellen
Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall (Fortführung
von BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter
II 1 c).
2. Ob die Abtretung auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter
vielmehr durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen
Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des
Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
3. Haben danach Zedent und Zessionar mit der Beschränkung der Sicherungsabtretung
auf den Anspruch auf den Todesfall das Ziel verfolgt, dem Sicherungsgeber
mit Blick auf das Steueränderungsgesetz 1992 steuerliche Vorteile (Abzugsfähigkeit
der Versicherungsprämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Kapitalerträge
aus der Lebensversicherung) zu erhalten, ist im Regelfalle der Anspruch
auf den Rückkaufswert nicht mit übertragen.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - IV ZR 330/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2007

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners H. E. gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO Befriedigung aus vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerten von vier kapitalbildenden Lebensversicherungen, hilfsweise Schadensersatz.
2
Zur Sicherung von Kreditforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 610.000 DM trat der Schuldner ihr Anfang Dezember 1995 aus zwei bei der V. Lebensversicherungs AG und zwei bei der G. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungsverträgen seine sämtlichen gegenwärtigen und künftige Rechte und Ansprüche für den Todesfall ab.
3
die Für Abtretungserklärungen fand ein Formular der Klägerin Verwendung, das unter der Nr. 1 die Möglichkeit eröffnet, die Abtretung durch Ankreuzen entsprechender Textstellen auf die Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a) und/oder für den Erlebensfall (Nr. 1 b) zu erstrecken. In den vier Abtretungserklärungen ist jeweils angekreuzt, die Abtretung umfasse die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe. Weiter heißt es unter Nr. 1 der Formulare: "Die Abtretung für den Erlebensfall umfaßt auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gem. Nr. 4.1."
4
Durchgestrichen ist in den vier Abtretungsurkunden jeweils der nachfolgende Absatz: "3 Entfallen der Steuerbegünstigung Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß durch diese Abtretung die steuerliche Begünstigung der Lebensversicherung (Sonderausgabenabzug für die Prämien, Steuerfreiheit der Zinsen) entfallen kann, §§ 10 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Dem Versicherungsnehmer wird empfohlen , diese Angelegenheit mit einem Berater in Steuerfragen zu besprechen."
5
Im Übrigen heißt es in den Formularen unter anderem: "4 Verwertung und Kündigung 4.1 Die Sparkasse ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen und die sonstigen sich aus dieser Abtretung ergebenden Rechte aus der Versicherung auszuüben, insbesondere die Versicherung in eine beitragsfreie umzuwandeln, die Versiche- rung durch Kündigung aufzulösen, Auszahlungen auf die Versicherung oder eine etwa angesammelte Dividende zu erheben sowie die Rechte und Ansprüche beliebig, auch durch Übertragung an Dritte, zu verwerten. Das gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrage nicht nachkommt. Der Versicherungsnehmer verzichtet auf seine Mitwirkung bei diesen Rechtshandlungen. Soweit etwa eine Genehmigung erforderlich sein sollte, erteilt er sie hiermit im voraus. … 4.4 Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, ist die Ausübung der unter Nr. 4.1 genannten Rechte durch den Versicherungsnehmer, insbesondere die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, nur mit Zustimmung der Sparkasse möglich, soweit dadurch Rechte der Sparkasse aus dieser Vereinbarung beeinträchtigt werden könnten."
6
Am 2. April 1998 trat der Schuldner aus den beiden bei der V. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen zusätzlich auch sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte auf den Erlebensfall an die Klägerin ab. Alle Abtretungen wurden den beiden Versicherern angezeigt.
7
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Klägerin die Darlehen, meldete beim Beklagten daraus Forderungen in Höhe von 204.193,53 € an und teilte mit, ihr stehe aus den vorgenannten Abtretungen ein Recht zur abgesonderten Befriedigung zu.
8
Der Beklagte, der dieses Recht bestreitet und gegen die Abtretungen der Versicherungsleistungen auf den Erlebensfall die Einrede der Anfechtbarkeit wegen Gläubigerbenachteiligung erhebt, hat die vier Lebensversicherungen gekündigt und deren Rückkaufswerte, insgesamt 92.849,52 €, eingezogen.
9
Die Klägerin meint, der Beklagte müsse ihr - hilfsweise im Wege des Schadensersatzes - die eingezogenen Rückkaufswerte auskehren. Unter Abzug von 4% Feststellungskosten und unter Zubilligung von Rechtsanwaltsgebühren für die Kündigungen der Versicherungsverträge fordert die Klägerin die Zahlung von 89.092,62 €.
10
Landgericht Das hat der Klage in Höhe eines Betrages von 89.033,12 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


11
DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
12
A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Befriedigung aus dem Erlös der eingezogenen Rückkaufswerte noch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Abtretung der Todesfallleistungen aus den vier Lebensversicherungen verschaffe der Klägerin kein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Soweit sie ihr Begehren daneben auf die Abtretung der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen stütze, stehe dem die Einrede der Anfechtbarkeit aus § 146 Abs. 2 InsO entgegen.
13
I. Die Auslegung der Abtretungserklärungen vom Dezember 1995, insbesondere ein Vergleich der jeweiligen Nummern 4.1 und 4.4 des Formulartextes, ergebe, dass die Abtretungen der Todesfallleistungen nicht die Rechte des Versicherungsnehmers auf den Rückkaufswert er- fasst hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien die Abtretung ersichtlich steuerunschädlich hätten gestalten wollen, wie auch der Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 des Formulars über die Abtretungserklärung entnommen werden könne. Den Bestimmungen der §§ 10 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes von 1992 Rechnung zu tragen und dem Kreditgeber die steuerlichen Vorteile (Abzugsfähigkeit der Prämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Zinsen) zu erhalten, sei nur mittels solcher Abtretungen zu erreichen gewesen, die die Rückkaufswerte nicht erfassten. Auch wenn die Abtretungen die Kreditgeberin danach allein vor dem Ausfall von Zins- und Tilgungsleistungen wegen Todes des Kreditnehmers, nicht jedoch vor einer Insolvenz des Kreditnehmers geschützt hätten, seien sie nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen.
14
II. Die am 2. April 1998 erklärten Abtretungen der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen seien wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar, weshalb der Beklagte dem Leistungsbegehren insoweit die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenhalten könne.
15
Durch die innerhalb der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erklärten Abtretungen seien Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden. Darauf sei auch der - jedenfalls bedingte - Vorsatz des Schuldners gerichtet gewesen. Dafür spreche vor allem, dass der Klägerin ohne jede Gegenleistung eine Sicherheit eingeräumt worden sei, auf die kein Anspruch bestanden habe, und dass die Klägerin zur Zeit der Abtretungserklärungen ausweislich einer von ihr selbst erstellten Vermögensbewertung gewusst habe, dass der Schuldner in einer finanziell äußerst beengten Lage gewesen sei.

16
Eine - hier vorliegende - inkongruente Deckung bilde regelmäßig ein starkes Indiz sowohl für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers davon. Die Abtretung der Erlebensfallleistungen aus den Lebensversicherungsverträgen habe die Klägerin weder aufgrund der Darlehensverträge noch aus einem allgemeinen Anspruch auf Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten verlangen können. Es stelle auch keine Gegenleistung der Klägerin dar, dass sie dem Schuldner den zur Zeit der Abtretungserklärungen aufgelaufenen Ratenrückstand von 30.000 DM anlässlich der Abtretung vorläufig gestundet habe, weil diese Forderung bei Fälligstellung ohnehin nicht ohne Weiteres zu realisieren gewesen wäre. Insoweit werde die Inkongruenz nicht ausgeschlossen.
17
Für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners spreche neben den genannten Indizien, dass der Schuldner zur Zeit der Abtretungserklärungen erhebliche Verbindlichkeiten, unter anderem aus bereits seit Herbst 1996 nicht mehr abgeführten Sozialabgaben für seine Mitarbeiter, aus offenen Versicherungsprämien für Unfall- und Rechtsschutzversicherungen , aus unbezahlten Telefonrechungen und Kfz-Leasing-Raten, ferner aus der Haftung für Baumängel und offenen Steuerberater- und Architektenhonorarforderungen gehabt und nicht habe davon ausgehen können, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Insoweit seien das substantiierte Vorbringen des Beklagten von der Klägerin lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten und auch im Übrigen die für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der Klägerin maßgeblichen Beweisanzeichen nicht entkräftet.
18
Da III. die Ansprüche auf die Rückkaufswerte beim Schuldner verblieben seien, habe sich der Beklagte mit deren Einziehung auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht.
19
B. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
20
I. Die am 1. Dezember 1995 erklärten Abtretungen der Ansprüche auf den Todesfall aus den vier Lebensversicherungen haben die jeweiligen Ansprüche auf die Rückkaufswerte nicht mit erfasst. Der Klägerin steht deshalb weder ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) aus den vom Beklagten eingezogenen Beträgen noch ein Schadensersatzanspruch zu.
21
Der Versicherungsnehmer kann über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unterschiedlich verfügen. Das gilt nicht nur für die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II), sondern auch für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag. Auch dann, wenn aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherheit abgetreten werden , gibt es für die Frage, ob damit zugleich der Anspruch auf den Rückkaufswert abgetreten ist, keinen generellen Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall. Gegen eine Übertragung der Grundsätze der zur Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung ergangenen Entscheidung BGHZ 45, 162 ff. auf die Sicherungszession von Ansprüchen auf den Todesfall spricht bereits, dass sich diese Entscheidung vorwiegend auf Erwägungen zur familiären Fürsorge des Versicherungsnehmers stützt, die auf die Motivlage bei der Sicherungs- zession nicht übertragbar sind (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 c). Der erkennende Senat (aaO) hat zudem mit Blick auf die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung bereits ausgesprochen , dass für die Zuordnung der Ansprüche nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion oder Bedingungshierarchie, sondern allein der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte, durch Auslegung zu ermittelnde Gestaltungswille des Versicherungsnehmers entscheidend ist (vgl. dazu auch Herrmann, Sicherungsabtretung und Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer, Diss. 2003 S. 92 ff.).
22
gilt Das für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag in gleicher Weise. Auch hier unterliegt es im Rahmen des rechtlich Möglichen der freien Gestaltung der Parteien, auf welche Rechte sich die Abtretung erstreckt. Ob sie auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter deshalb durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
23
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergibt schon der Wortlaut der Abtretungserklärungen, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert von der Sicherungsabtretung der Ansprüche auf den Todesfall jeweils nicht mit erfasst wurde.
24
Selbst wenn die Formulierung unter Nr. 1 der Abtretungserklärungen , es würden "die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche … für den Todesfall in voller Höhe" abgetreten, es für sich genommen noch möglich erscheinen ließe, dass auch der Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst sein sollte, wird dies durch die weiteren Bestimmungen der Abtretungserklärungen ausgeschlossen.
25
a) Nach deren Nr. 1 b umfasst die - hier nicht gewählte - Abtretung der Rechte und Ansprüche für den Erlebensfall auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gemäß Nr. 4.1. Dort ist geregelt, dass die Sparkasse aus wichtigem Grund, insbesondere bei Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, unter anderem den Lebensversicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert erheben könne. Der vom Berufungsgericht gezogene Umkehrschluss , dass das im Falle der Abtretung ausschließlich der Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a der Abtretungserklärungen) demnach nicht gelte , wird durch Nr. 4.4 bestätigt, wonach der Versicherungsnehmer die in Nr. 4.1 genannten Rechte nur mit Zustimmung der Sparkasse ausüben darf, was gerade voraussetzt, dass ihm diese Rechte (nicht nur das Kündigungsrecht , sondern auch das Recht zur Erhebung des Rückkaufswertes ) zunächst verbleiben.
26
b) Zu Unrecht meint die Revision, die Regelung in Nr. 4.4 der Abtretungserklärungen müsse sich allein auf das Kündigungsrecht beziehen , weil der Zustimmungsvorbehalt nur den einen Zweck haben könne, der Sicherungsnehmerin den ihr übertragenen Anspruch auf den Rückkaufswert zu erhalten. Das steht schon im Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung, die von den unter Nr. 4.1 genannten Rechten spricht und nur "insbesondere" die Kündigung als eines dieser Rechte hervorhebt. Im Übrigen macht der Zustimmungsvorbehalt in Nr. 4.4 auch dann Sinn, wenn der Anspruch auf den Rückkaufswert beim Versicherungsnehmer verbleibt. Denn eine Kündigung des Versicherungsvertrages führt dazu, dass der Versicherer die Todesfallleistung, also das zentrale Sicherungsinstrument , welches die Sicherungsnehmerin vor Zahlungsausfall durch Tod des Darlehensnehmers schützen soll, nicht mehr erbringen muss. Vor dieser Folge wird die Sicherungsnehmerin durch den Zustimmungsvorbehalt geschützt.
27
2. Im Einklang mit diesem aus dem Wortlaut der Abtretungserklärungen gewonnenen Ergebnis steht, dass die Beschränkung der Zession zu dem Zweck erfolgte, dem Versicherungsnehmer die steuerliche Privilegierung für die vier Lebensversicherungsverträge dadurch zu erhalten, dass die Rückkaufswerte nicht für die Darlehenssicherung herangezogen wurden. Das zeigt schon die Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 der Formulare über die Abtretungserklärungen. Mit ihr wurde zum Ausdruck gebracht, dass Zedent und Zessionarin übereinstimmend davon ausgingen, die Abtretungen hätten keine nachteiligen Konsequenzen für die steuerrechtliche Begünstigung der von den Abtretungen betroffenen Lebensversicherungsverträge.
28
a) Insoweit erschließt sich der Zweck der hier gewählten Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zur steuerrechtlichen Privilegierung von Kapitallebensversicherungen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 10-18; Janca ZInsO 2003, 449, 452; Wagner VersR 1998, 1083).
29
Prämienzahlungen aa) für Kapitallebensversicherungen mit mindestens 12-jähriger Laufzeit konnten nach der bis zum Februar 1992 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b EStG - im Rahmen von Höchstbezügen - als steuermindernde Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zinsen aus solchen privilegierten Versicherungen waren von der Steuerpflicht für Kapitaleinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausgenommen. Infolgedessen wurden Lebensversicherungen vermehrt zur Steuerersparnis im Rahmen von Finanzierungen genutzt, ohne dabei der privaten Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu dienen (s. dazu BT-Drucks. 12/1108 S. 55 ff.). Dem ist der Gesetzgeber, der darin einen zweckwidrigen Missbrauch der steuerlichen Förderung sah, durch das Steueränderungsgesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl. I S. 297) entgegengetreten (vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/1108 aaO).
30
bb) Seither sind Lebensversicherungsverträge grundsätzlich nicht mehr steuerlich privilegiert, wenn sie auch zu Lebzeiten der versicherten Person (d.h. mit der "Erlebensfallleistung") der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG).
31
b) Für die Besicherung von Darlehen durch Lebensversicherungsverträge im gewerblichen Bereich ergab sich aus der Gesetzesänderung, dass seit Ende Februar 1992 die genannten steuerlichen Vorteile unter anderem dann erhalten blieben, wenn lediglich die Ansprüche auf den Todesfall zur Darlehenssicherung herangezogen wurden (vgl. dazu Janca aaO S. 452 m.w.N. in Fn. 51). Umgekehrt sahen die Finanzbehörden eine Erstreckung der Darlehenssicherung auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung als "steuerschädlich" an (vgl. dazu Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Mai 1994 - IV B 2 - S 2134 - 56/94 - NJW 1994, 1714). War es bis Anfang 1992 bei Sicherungsabtretungen der Rechte aus Lebensversicherungen die Regel, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abzutreten (Janca aaO), gingen Banken und Sparkassen in der Folgezeit dazu über, sich nur noch die Ansprüche für den Todesfall abtreten zu lassen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 17, 18; Wagner aaO; Meyer-Scharenberg DStR 1993, 1768 1774), um so eine "steuerunschädliche" Verwendung der Lebensversicherungen zu gewährleisten , das heißt ihren Kunden die bisherigen Steuervorteile zu erhalten und damit deren Entscheidung für eine Sicherungsabtretung zu erleichtern.
32
Dafür, dass die Parteien der Sicherungszessionen hier von anderen Motiven geleitet gewesen wären, spricht nichts.
33
3. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch nicht gegen den Grundsatz interessengerechter Auslegung verstoßen, weil seine Lösung zur Folge hat, dass die gewährte Sicherheit im Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers versagt.
34
Schon wegen des dargelegten steuerrechtlichen Hintergrundes spricht alles dafür, dass die Klägerin die vier Lebensversicherungsverträge zunächst bewusst nur noch zu dem eingeschränkten Sicherungszweck heranziehen wollte, gegen Kreditratenausfall durch Tod des Darlehensnehmers geschützt zu sein (vgl. Herrmann aaO; Wagner aaO; Janca aaO). Die Absicherung (allein) gegen den vorzeitigen Tod des Darlehensnehmers ist für die Kreditgeberin auch nicht wirtschaftlich sinnlos , sondern schützt vor einem wesentlichen Kreditausfallrisiko.
35
Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht im Übrigen gerade der Umstand, dass die Klägerin sich im April 1998 zusätzlich zu den ihr schon übertragenen Ansprüchen auf den Todesfall alle weiteren Rechte aus den beiden bei der V. Versicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen gesondert übertragen ließ, als sich wirtschaftliche Probleme des Darlehensnehmers abzeichneten. Das belegt, dass auch die Klägerin die vorherige Abtretung noch nicht als insolvenzfeste Absicherung ansah.
36
II.OhneRechtsfehler hat das Berufungsgericht diese Abtretungen der Ansprüche auf den Erlebensfall vom 2. April 1998 für anfechtbar gemäß § 133 Abs. 1 Abs. 1 InsO erachtet. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz des Schuldners kannte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen gegeben.
37
1. Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners beim Insolvenzverwalter liegt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 - ZIP 2003, 1799 unter II 1 a m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet aber die Inkongruenz der angefochtenen Leistung ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; 157, 242, 253; BGH, Urteile vom 11. März 2004 - IX ZR 160/02 - ZIP 2004, 1060 unter II 1 c, bb; vom 22. April 2004 - IX ZR 370/00 - ZIP 2004, 1160 unter II 3 b, aa; vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190 unter II 2 a, aa). Die aus der Inkongruenz der Leistung folgende Beweiserleichterung ist bei der Vorsatzanfechtung auch außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzuwenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Anfechtungsgegners Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.
38
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abtretung der Erlebensfallansprüche als Gewährung einer inkongruenten Deckung angesehen. Auf diese Abtretung hatte die Klägerin keinen Anspruch. Zwar hatte ein früherer Darlehensvertrag vom 22. Juni 1994 zunächst eine Besicherung ihrer Forderungen durch Bestellung einer Grundschuld vorgesehen. Da das dafür in Aussicht genommene Grundstück jedoch nie in das Eigentum des Schuldners gelangt war, wurde stattdessen die streitgegenständliche Sicherungsabtretung vereinbart. Leistet der Schuldner eine andere Sicherheit als geschuldet, ist die Leistung inkongruent, wenn die Abweichung nicht geringfügig ist (MünchKomm-lnsO/Kirchhof, § 131 Rdn. 37). Die Geringfügigkeit der Abweichung hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.
39
Zu Unrecht beanstandet die Revision an dieser Stelle, der Tatrichter habe nicht berücksichtigt, dass die Abtretungen nicht im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der Insolvenz geschahen. Die von der Revision dazu herangezogene Rechtsprechung, wonach die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung um so weniger ins Gewicht fällt, je länger die angefochtene Handlung vor der Verfahrenseröffnung liegt (BGHZ 157, 242, 254), betrifft nämlich nicht den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern allein die Frage Kenntnis des anderen Teils hiervon (vgl. dazu unten 2.).
40
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Liquidität des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Abtretung sehr angespannt war.
41
Ob hier vom Vorliegen eines einfachen oder eines starken Beweisanzeichens für den Benachteiligungsvorsatz auszugehen war, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht ein weiteres Indiz zu Recht daraus hergeleitet hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung erhebliche Verbindlichkeiten hatte, nicht davon ausgehen konnte, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können, und die Abtre- tungen dazu dienten, Beitreibungsmaßnahmen seitens der Klägerin zu verhindern. Ein Schuldner, der weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und dennoch die Forderungen eines einzelnen Gläubigers befriedigt oder ihm eine zusätzliche Sicherheit verschafft, rechnet mit einer dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt. Dies genügt für die Annahme des Vorsatzes im Sinne des § 133 InsO (BGHZ 131, 189, 195; BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO unter II 1 c, bb; vom 11. März 2004 aaO unter II 1 c, cc; vgl. ferner BGHZ 167, 190, 194 f.). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin die im Einzelnen vorgetragenen und durch die Vorlage von Urkunden belegten Forderungen der Gläubiger lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten hat.
42
2. Auf Grund der tatrichterlichen Feststellungen ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin den Vorsatz des Schuldners kannte, seine Gläubiger zu benachteiligen.
43
a) Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist diese Kenntnis zu vermuten, wenn der Anfechtungsgegner zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (vgl. dazu BGHZ 155, 75, 85; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 aaO).
44
Der Tatrichter hat aus dem eigenen Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Urkunden - insbesondere der im Hause der Klägerin erstellten Vorlage an den eigenen Vorstand vom 26. März 1998 - ihre Kenntnis entnommen, dass sich der Schuldner damals in einer finanziell äußerst beengten Lage befand. In dieser Vorlage heißt es am Schluss: "Der bisher erzielte Gewinn ... war ... nicht ausreichend. Liquiditätsprob- leme werden sich, sofern die avisierten Großaufträge nicht eintreffen, nicht lösen." Zu diesem Zeitpunkt kannte die Klägerin bereits das Schreiben des Schuldners vom 4. März 1998, aus dem die Revision ableitet , die Klägerin habe nicht von dauerhaft beengten finanziellen Verhältnissen des Schuldners ausgehen müssen. Die anders lautende tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist danach nicht nur möglich , sondern auch nahe liegend.
45
Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht auch nicht den als Zeugen angebotenen Mitarbeiter S. der Klägerin zu vernehmen. In das Wissen des Zeugen war gestellt, der Schuldner habe sich aus einem größeren Bauvorhaben, das nicht zustande gekommen ist, eine Provision von 1% bis 1,5% des Bauvolumens erhofft. Darauf kam es aber nicht an, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, die Klägerin selbst habe - wie ihre erwähnte Vorlage belege - nie auf diese Hoffnung des Schuldners gebaut.
46
Dass die Klägerin die Gläubiger benachteiligende Wirkung der Abtretung nicht erkannt habe, macht die Revision selbst nicht geltend.
47
b) Im Übrigen ist die Inkongruenz der Abtretung auch ein Beweisanzeichen für die Kenntnis der Klägerin von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 157, 242, 250 ff.; BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO unter II 1 d; vom 22. April 2004 aaO unter II 3 c), wobei es genügt, dass ihr die Tatsachen bekannt waren, die den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen (BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO; vom 22. April 2004 aaO). Dass sie statt der geschuldeten eine andere Sicherheit erhielt, wusste die Klägerin.
48
c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die Klägerin weder die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO noch das Beweisanzeichen der Inkongruenz entkräftet hat.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2004 - 10 O 209/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.05.2005 - 6 U 168/04 -

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.

3

Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:

        

㤠1

        

Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.

        

§ 2

        

Vertragsinhalt sind

        

1.    

die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),

        

2.    

die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,

        

wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“

4

Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:

        

„Präambel

        

Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“

5

In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Grundlagen des kirchlichen Dienstes

        

(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

        

…       

        

§ 4

        

Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses

        

(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.

        

(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.

        

(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.

        

(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“

6

In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:

        

„Vorwort

        

Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.

        

…       

        

Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.

        

…       

        

Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.

        

…       

        

1.    

Berufskleidung

        

…       

        
                 

●       

In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.

                 

●       

Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.

        

…       

                 
        

12.     

Allgemeine Hinweise

                 

●       

Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.

                 

●       

Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.

                 

●       

Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.

        

…“    

                 
7

Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:

        

„…    

        

Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.

        

Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.

        

Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.

        

…“    

8

Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:

        

„…    

        

Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.

        

Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.

        

…       

        

Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.

        

…“    

9

Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:

        

„…    

        

Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.

        

Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.

        

Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre

        

Arbeitsleistung

        

an.    

        

Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.

        

Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.

        

…“    

10

Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:

        

„…    

        

Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.

        

…“    

11

Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.

12

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

16

A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.

17

I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).

18

II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.

19

B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.

20

I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.

21

II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).

23

2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.

24

a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.

25

b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.

26

aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.

27

bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).

28

(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).

29

(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.

30

c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.

31

III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.

32

1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.

33

2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.

34

C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

35

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.

36

II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.

37

1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).

38

a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.

39

b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.

40

aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.

41

bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.

42

(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).

43

(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.

44

(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

45

2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.

46

a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).

47

Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).

48

b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.

49

aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.

50

bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

51

(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).

52

(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.

53

(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).

54

(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

55

(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.

56

cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:

57

(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.

58

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.

59

(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.

60

(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.

61

(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.

62

(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.

63

(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.

64

(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.

65

(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.

66

3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.

67

Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.

68

4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.

69

a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).

70

b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.

71

5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).

72

6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.

73

a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).

74

aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).

75

(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).

76

(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).

77

b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dittrich     

        

    Dombrowsky     

                 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

12

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

13

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).

14

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).

15

3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.

17

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

18

aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

19

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

20

c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).

21

d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

22

II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

23

1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).

24

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

25

a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

26

b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. Dipper    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.

3

Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:

        

㤠1

        

Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.

        

§ 2

        

Vertragsinhalt sind

        

1.    

die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),

        

2.    

die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,

        

wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“

4

Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:

        

„Präambel

        

Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“

5

In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Grundlagen des kirchlichen Dienstes

        

(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

        

…       

        

§ 4

        

Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses

        

(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.

        

(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.

        

(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.

        

(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“

6

In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:

        

„Vorwort

        

Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.

        

…       

        

Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.

        

…       

        

Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.

        

…       

        

1.    

Berufskleidung

        

…       

        
                 

●       

In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.

                 

●       

Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.

        

…       

                 
        

12.     

Allgemeine Hinweise

                 

●       

Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.

                 

●       

Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.

                 

●       

Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.

        

…“    

                 
7

Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:

        

„…    

        

Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.

        

Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.

        

Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.

        

…“    

8

Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:

        

„…    

        

Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.

        

Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.

        

…       

        

Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.

        

…“    

9

Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:

        

„…    

        

Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.

        

Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.

        

Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre

        

Arbeitsleistung

        

an.    

        

Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.

        

Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.

        

…“    

10

Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:

        

„…    

        

Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.

        

…“    

11

Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.

12

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

16

A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.

17

I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).

18

II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.

19

B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.

20

I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.

21

II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).

23

2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.

24

a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.

25

b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.

26

aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.

27

bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).

28

(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).

29

(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.

30

c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.

31

III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.

32

1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.

33

2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.

34

C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

35

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.

36

II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.

37

1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).

38

a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.

39

b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.

40

aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.

41

bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.

42

(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).

43

(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.

44

(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

45

2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.

46

a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).

47

Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).

48

b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.

49

aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.

50

bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

51

(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).

52

(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.

53

(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).

54

(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

55

(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.

56

cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:

57

(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.

58

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.

59

(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.

60

(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.

61

(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.

62

(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.

63

(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.

64

(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.

65

(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.

66

3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.

67

Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.

68

4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.

69

a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).

70

b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.

71

5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).

72

6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.

73

a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).

74

aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).

75

(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).

76

(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).

77

b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dittrich     

        

    Dombrowsky     

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2011 - 6 Sa 9/11 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 8. Dezember 2010 - 2 Ca 1002/10 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die Klägerin war seit 1. August 1987 bei der E GmbH (Schuldnerin) und deren Rechtsvorgängerin als Industriekauffrau beschäftigt. Die Schuldnerin vertrieb Teppiche. Für sie waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig.

3

Der Arbeitsvertrag vom 22. November 1990 sieht ua. vor:

        

Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

…       

        
        

2.    

Die Gesellschaft behält sich vor, dem Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens bei unveränderten Bezügen auch eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Eine Versetzung an einen anderen Ort kann nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter erfolgen.

        

...     

        
        

Vertragsdauer und Kündigung

        

1.    

Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Vierteljahresschluß durch schriftliche Erklärung gekündigt werden.

                 

…       

        

...“   

4

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 28. Januar 2010 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

5

Die F GmbH, die Linoleumfußböden vertreibt, teilte der Geschäftsführung der Schuldnerin mit, bei ihr fielen erhebliche Arbeitsmengen an. Es bestehe jedoch ein Einstellungsstopp. Die Klägerin war deshalb zunächst bis 31. August 2010 in den Räumen der Schuldnerin für die F GmbH tätig und in deren Betriebsabläufe eingebunden. Das Arbeitsentgelt leistete der Beklagte an die Klägerin. Die Vergütung wurde von der F GmbH erstattet. Später begründeten die Klägerin und die F GmbH ein vom 1. September 2010 bis 31. Dezember 2010 befristetes Arbeitsverhältnis. Mittlerweile steht die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der F GmbH.

6

Am 30. April 2010 schloss der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich mit dem bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat. Dort heißt es auszugsweise:

        

„Präambel

        

Mit Beschluss des Amtsgerichts P vom 28.01.2010 wurde über das Vermögen der E GmbH (künftig Schuldnerin genannt) eine vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Es besteht gemäß dem Gutachten nach § 5 InsO eine negative Fortbestehens- und Fortführungsprognose. Da die Marken- und Lizenzrechte für wichtige Produkte an einen Wettbewerber veräußert wurden und die Produktion von Teppichfußböden in P bis spätestens zum 31.08.2010 eingestellt wird, sind sich die Beteiligten darüber einig, dass eine Betriebseinstellung unumgänglich ist.

        

Der Betriebsrat ist über die anstehende Maßnahme umfangreich informiert worden.

        

Die nachfolgenden Regelungen dienen dazu, das Verfahren nach § 122 InsO auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung bzw. einen Feststellungsantrag nach § 126 InsO zu vermeiden.

        

…       

                 
        

§ 2 Gegenstand der Betriebsänderung

        

Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin in P wird kurzfristig, spätestens bis zum 31.08.2010, stillgelegt. Alle Arbeitsplätze werden entfallen.

        

§ 3 Durchführung der Betriebsänderung - Personalmaßnahmen

        

Aufgrund der in § 2 genannten Maßnahme, die im Einzelnen gegenüber dem Betriebsrat begründet und in diesem erörtert worden ist, besteht Einigkeit darüber, dass es erforderlich ist, sämtliche Arbeitsverhältnisse/Dienstverhältnisse der Beschäftigten unter Beachtung der Kündigungsfristen gemäß § 113 InsO zu kündigen.

        

Lediglich in Einzelfällen wird sich der Arbeitgeber vorbehalten, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen in § 113 InsO auszusprechen.

        

Die Masse wird voraussichtlich nicht zur Bezahlung der Löhne während der verkürzten Kündigungsfrist ausreichen.

        

§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG

        

Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs, dass er bereits im Rahmen dieser Verhandlungen im Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen der berücksichtigten Kündigungsgründe und die Informationen zur Sozialauswahl in einer Liste sämtlicher Arbeitnehmer mit ihren relevanten Sozialdaten (Name, Funktion, Abteilung, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand, Unterhaltspflichten, lt. Lohnsteuerkarte, individuelle Kündigungsfrist, Schwerbehinderung, Verdienst) erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.

        

Der Betriebsrat hat damit auch eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer erhalten. Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.

        

...“   

7

Am 1. Mai 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 3. Mai 2010. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

        

„Sehr geehrte Frau B,

        

mit Beschluss des AG P vom 01.05.2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Unterzeichner als Insolvenzverwalter bestellt.

        

Als Insolvenzverwalter spreche ich hiermit die ordentliche

        

Kündigung

        

des Arbeitsvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.

        

Der Kündigungszeitpunkt richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemäß § 622 BGB. Wenn das Arbeitsverhältnis keine 2 Jahre bestanden hat, wirkt die Kündigung mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 2 Jahren endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats und bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 5 Jahren mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Besteht das Arbeitsverhältnis mehr als 8 Jahre, so endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Bei noch älteren Arbeitsverhältnissen greift gemäß § 113 Abs. I S. 2 InsO die Kündigung ebenfalls regelmäßig mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Die noch längeren Fristen gemäß § 622 Abs. II BGB werden auf die Dreimonatsfrist des § 113 Abs. I S. 2 InsO reduziert. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.

        

Für ein Arbeitsverhältnis, bei dem sich zwar aus § 622 Abs. II BGB eine kürzere als eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würde, bei dem jedoch einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart ist, wirkt sich § 113 Abs. I S. 2 InsO dahingehend aus, dass die vereinbarte Frist insoweit maßgeblich ist, als sie die Dreimonatsfrist nicht überschreitet. Ist sie länger als diese, so gilt die reduzierte Dreimonatsfrist, so dass solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats enden.

        

Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wirkt sich § 113 Abs. I InsO so aus, dass mit der Dreimonatsfrist gekündigt werden kann, sofern der Befristungszeitpunkt später liegt. Läuft die Frist vorher ab, so erlischt das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es dieser Kündigung bedarf.

        

…“    

8

Mit ihrer am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat der Klage das Kündigungsschreiben beigefügt und die beklagte Partei als „RAe K & Partner als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ bezeichnet. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe sich auf ihren Arbeitsplatz nicht auswirken können, weil sie von der F GmbH beschäftigt worden sei. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass eine Beschäftigung über den 31. August 2010 hinaus nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei die Betriebsratsanhörung unzureichend, weil der Betriebsrat nicht über ihre Tätigkeit für die F GmbH unterrichtet worden sei.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 nicht beendet wird;

        

2.    

den Beklagten im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Industriekauffrau weiterzubeschäftigen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, wegen der Veräußerung von Marken- und Lizenzrechten durch die Konzernmutter der Schuldnerin sei es rechtlich nicht möglich gewesen, die Teppichfertigung und den Teppichvertrieb über den Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortzusetzen. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens habe noch eine „Ausproduktion“ stattfinden können. Diese Sach- und Rechtslage sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden und Grundlage der Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan gewesen. Die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit Zustimmung des Beklagten die Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb mit der Verfahrenseröffnung stillzulegen und das Unternehmen nach der Verfahrenseröffnung abzuwickeln. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden. Die Abwicklungstätigkeit habe mit dem 31. August 2010, dem Ende der Kündigungsfristen, geendet. Die Außendienstmitarbeiter seien im Wesentlichen durch einen Wettbewerber übernommen worden. Für die verbliebenen Arbeitnehmer sei der Beschäftigungsbedarf entfallen. Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats seien die Arbeitsverhältnisse gekündigt worden. Dem Betriebsrat seien die Sozialdaten der Arbeitnehmer mitgeteilt worden, wie sich schon aus dem Interessenausgleich ergebe. Mit dem Betriebsrat sei über alle Arbeitnehmer gesprochen worden. Ihm sei auch der Einsatz von zwei Arbeitnehmerinnen für die F GmbH bekannt gewesen.

11

Die Parteien haben die Beklagtenbezeichnung vor dem Arbeitsgericht dahin richtiggestellt, dass sich die Klage gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin richte. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abgewiesen wissen.

Entscheidungsgründe

12

A. Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom 3. Mai 2010 beendete das Arbeitsverhältnis mit dem 31. August 2010. Der Senat hat deshalb nicht über den Weiterbeschäftigungsantrag zu entscheiden.

13

I. Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärte Kündigung war darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010 zu beenden. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigungserklärung sei bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht ausreichend bestimmt sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung selbst dann nicht stand, wenn es sich bei dem Kündigungsschreiben um eine nur beschränkt revisible atypische Willenserklärung handeln sollte. Das gilt erst recht, wenn das Kündigungsschreiben eine typische, revisionsrechtlich weiter gehend überprüfbare Erklärung sein sollte. Eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte der Senat auch in diesem Fall nicht durchzuführen. Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB(vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 29 mwN, BAGE 137, 347).

14

1. Bei der Auslegung einer Kündigung ist nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen sind auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 129, 265). Der Erklärungsempfänger muss aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung ua. erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung muss für ihn bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336).

15

2. Dafür genügt im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen reicht aus, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. Staudinger/Oetker (2012) Vorbem. zu §§ 620 ff. Rn. 125; ähnlich Eisemann NZA 2011, 601, 602). Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist (vgl. Muthers Anm. RdA 2012, 172, 176; Raab RdA 2004, 321, 326). Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (vgl. BAG 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).

16

3. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. September 2010 (- 5 AZR 700/09 - BAGE 135, 255) geht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von keinen anderen Voraussetzungen für eine hinreichend bestimmte Kündigung aus (aA Ziemann jurisPR-ArbR 3/2011 Anm. 1). Der Fünfte Senat hatte dort zu beurteilen, ob sich bei einer Kündigung, die einen bestimmten Kündigungstermin nennt, durch Auslegung ein anderer Kündigungstermin ermitteln lässt, wenn die Kündigung keine weiteren Angaben enthält. In diesem Zusammenhang hat der Fünfte Senat ausgeführt, auch das Bestimmtheitsgebot stehe der Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als dem in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könne (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, aaO). Dem ist nicht zu entnehmen, ohne Angabe eines datierten Kündigungstermins handle es sich nicht um eine ausreichend bestimmte Kündigungserklärung. Auch der Fünfte Senat geht davon aus, dass eine Kündigungserklärung in der Regel auslegungsfähig ist.

17

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichtsgerichts, die Kündigungserklärung vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ sei unbestimmt, weil der Klägerin nicht das maßgebliche „Rechenprogramm“ (gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen) und die maßgeblichen Tatsachen (insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit) mitgeteilt worden seien, wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass das Bestimmtheitsgebot der gebotenen Auslegung nicht entgegensteht (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278; 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336; 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe). Es hat aber nicht den gesamten Inhalt der Kündigungserklärung bei seiner Auslegung verwertet. Zugleich hat das Landesarbeitsgericht Auslegungsgrundsätze verletzt, indem es davon ausgegangen ist, der Beklagte habe der Klägerin Tatsachen - vor allem ihre Betriebszugehörigkeit - mitteilen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, den Kündigungstermin zu bestimmen. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist als Kündigung zum 31. August 2010 auszulegen. Nur so konnte die Klägerin die Erklärung des Beklagten verstehen.

18

a) Der Zeitpunkt, zu dem die ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung vom 3. Mai 2010 das Arbeitsverhältnis beenden sollte, lässt sich dem Kündigungsschreiben entnehmen. Die Erklärung des Beklagten beschränkt sich nicht auf eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sondern gibt zugleich an, nach welchen Vorschriften sich die Kündigungsfrist bestimmt. Das Kündigungsschreiben gibt den Regelungsgehalt von § 622 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB wieder. Zudem wird ausgeführt, dass bei „noch älteren Arbeitsverhältnissen“ nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats gelte. Das Kündigungsschreiben erläutert die Wirkung von § 113 Satz 2 InsO, wenn auch unter Hinweis auf die bis 31. Dezember 2003 geltende Fassung. So führt es aus, dass Fristen, die drei Monate überschritten, nach § 622 Abs. 2 BGB auf die Dreimonatsfrist des „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ reduziert würden. Dargestellt wird ferner, dass einzel- oder tarifvertragliche längere Kündigungsfristen als die Fristen des § 622 Abs. 2 BGB nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ nur insoweit maßgeblich seien, als sie die Dreimonatsfrist nicht überstiegen. Für die Klägerin war deshalb nicht unklar, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte. Sie konnte der Erklärung entnehmen, dass nach § 113 InsO eine dreimonatige Kündigungsfrist galt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich war.

19

b) Die Klägerin musste die Erklärung so verstehen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit einer dreimonatigen Frist zum 31. August 2010 gekündigt wurde, ohne dass weitere Angaben des Beklagten erforderlich gewesen wären.

20

aa) Der Arbeitgeber kann in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Ausnahmsweise - zB im Fall eines zweifelhaften Betriebsübergangs - kann anderes gelten. Für einen solchen Ausnahmetatbestand bestehen hier keine Anhaltspunkte. Im Regelfall der dem Arbeitnehmer bekannten Betriebszugehörigkeit ist die Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, wenn das Kündigungsschreiben die maßgeblichen Kündigungsfristen nennt. Der Arbeitnehmer ist dann unschwer in der Lage zu bestimmen, zu welchem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte.

21

bb) Die Klägerin konnte anhand ihrer Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 und der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung erkennen, zu welchem Termin die Kündigung vom 3. Mai 2010 wirken sollte. Unter Berücksichtigung der verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB konnte sie dem Kündigungsschreiben entnehmen, dass § 113 Satz 2 InsO die Kündigungsfrist in ihrem Fall auf drei Monate verringerte und einen anderen Kündigungstermin als das arbeitsvertraglich vorgesehene Vierteljahresende zuließ. Der Kündigungstermin des 31. August 2010 war daher - für sie ersichtlich - der „nächstmögliche Zeitpunkt“.

22

c) Für die Frage einer ausreichend bestimmten Kündigung ist nicht erheblich, dass im Kündigungsschreiben ausgeführt ist, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer seien Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres lägen, nicht zu berücksichtigen. Das widerspricht der rechtlichen Einordnung, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unionsrechtswidrig und wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden ist(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] Rn. 53, BVerfGE 126, 286; BAG 29. September 2011 - 2 AZR 177/10 - Rn. 11; 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 15 ff., BAGE 135, 278; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 16 ff., BAGE 135, 255). Mit Rücksicht auf ihr Lebensalter und ihre Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 konnte die Klägerin jedoch ohne Weiteres erkennen, dass sich die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB - in jedem Fall auf drei Monate verkürzte.

23

II. Die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 ist wirksam. Sie beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 113 Satz 2 InsO mit dem 31. August 2010.

24

1. Die Kündigungsschutzklage wahrt die Erfordernisse des § 4 Satz 1 KSchG.

25

a) Die Kündigung gilt nicht bereits wegen Zeitablaufs nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde durch die am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage, die sich gegen „RAe K & Partner … als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ richtete, gewahrt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Klage von Anfang an gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes richtete. Die Parteibezeichnung war lediglich ungenau und deswegen richtigzustellen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 41 ff.; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 ff.).

26

b) Zwischen den Parteien bestand bei Zugang der Kündigung noch ein Arbeitsverhältnis.

27

aa) Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).

28

bb) Bei der Tätigkeit der Klägerin für die F GmbH handelte es sich nicht um gewerbsmäßige, also erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG idF vom 23. Dezember 2002 (aF).

29

(1) Gewerbsmäßig iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF war jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile gerichtete selbständige Arbeitnehmerüberlassungstätigkeit. Entscheidendes Kriterium war die Gewinnerzielungsabsicht. Dabei kam es nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wurde. Gewinnerzielungsabsicht war ua. dann zu verneinen, wenn die Überlassung lediglich gegen Erstattung der Personalkosten erfolgen sollte und der Verleiher dadurch auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erlangte. Zu den Kosten gehörten nicht nur die Kosten der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer selbst, sondern auch die Verwaltungskosten, die beim Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung anfielen (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 32/10 - Rn. 35; 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 19).

30

(2) Danach überließ der Beklagte die Klägerin nicht gewerbsmäßig an die F GmbH. Ihm fehlte die Gewinnerzielungsabsicht, weil er sich von der F GmbH lediglich das an die Klägerin geleistete Arbeitsentgelt erstatten ließ und darüber hinaus keine unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile erzielte.

31

(3) Da der Beklagte keine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betrieb, brauchte er keine Überlassungserlaubnis iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF. Zwischen der Klägerin und der F GmbH konnte daher kein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF zustande kommen. Darauf beruft sich die Klägerin auch nicht. Ihre Kündigungsschutzklage wäre sonst bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen, weil bei Zugang der Kündigung nicht länger ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bestanden hätte. Der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten wäre durch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis unwirksam geworden (vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 9 AÜG Rn. 2). Auf die Fragen der Wirksamkeit der Kündigung käme es dann nicht mehr an (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).

32

2. Die Kündigung ist formell und materiell wirksam.

33

a) Sie musste neben dem Beklagten nicht auch von der F GmbH erklärt werden.

34

aa) Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, kann ein einheitliches Arbeitsverhältnis begründet sein. Dafür ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen erforderlich, der es verbietet, sie rechtlich getrennt zu behandeln. Ein solcher Zusammenhang kann sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 30). Besteht ein einheitliches Arbeitsverhältnis, kann es im Regelfall nur von allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16 mwN).

35

bb) Hier bestehen keinerlei Anhaltspunkte für ein einheitliches Arbeitsverhältnis. Die vertraglichen Beziehungen des Beklagten, der F GmbH und der Klägerin waren nicht in einer Weise verknüpft, die eine rechtliche Trennung ausschloss. Die Klägerin war nur in den insoweit nicht mehr für den eigenen Betriebszweck genutzten Räumen der Schuldnerin tätig, über die der Beklagte verfügte. Sie war jedoch in die Betriebsabläufe der F GmbH eingebunden. Ihr Entgelt trug wirtschaftlich die F GmbH, die an den Beklagten die erbrachte Leistung erstattete. Die Hauptleistungspflichten bestanden deswegen wirtschaftlich betrachtet ausschließlich im Verhältnis zwischen der Klägerin und der F GmbH.

36

b) Die Betriebsratsanhörung genügt den Erfordernissen des § 102 BetrVG.

37

aa) Der Insolvenzverwalter ist auch dann verpflichtet, den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG anzuhören, wenn die Betriebsparteien zuvor einen Interessenausgleich geschlossen haben. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Der Insolvenzverwalter muss das aus seiner Sicht entfallene Beschäftigungsbedürfnis und die der Sozialauswahl zugrunde liegenden Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Interessenausgleichsverhandlungen bekannt sind, im Anhörungsverfahren allerdings nicht erneut mitteilen. Der Insolvenzverwalter kann das Verfahren nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbinden. Diese Verbindung ist schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen und ggf. im Wortlaut des Interessenausgleichs zum Ausdruck zu bringen (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 63 mwN).

38

bb) Der Betriebsrat ist regelmäßig ausreichend über den Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert, wenn die geltende Kündigungsfrist feststeht und der Arbeitgeber klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden soll (vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 516/08 - Rn. 18, BAGE 130, 369; 27. April 2006 - 2 AZR 426/05 - Rn. 21). Der Arbeitgeber kann bei Einleitung des Anhörungsverfahrens häufig nicht sicher beurteilen, zu welchem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und zu welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden wird (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 143). Kennt der Betriebsrat die Sozialdaten des Arbeitnehmers und ist die gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist anzuwenden, muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat regelmäßig nicht die Berechnung der Kündigungsfrist und den konkreten Endtermin mitteilen. Es reicht aus, wenn sich aus der Unterrichtung des Arbeitgebers ergibt, dass es sich um eine ordentliche Kündigung - im Zweifel zum nächsten Kündigungstermin - handelt (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 64).

39

cc) Nach diesen Grundsätzen unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß.

40

(1) Der Beklagte hat vorgetragen, er habe die Betriebsratsanhörung gemeinsam mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich eingeleitet. Das entspricht § 4 Abs. 1 des vorgelegten und in Bezug genommenen Interessenausgleichs vom 30. April 2010. In § 3 Abs. 1 des Interessenausgleichs ist ausgeführt, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Kündigungsfristen des § 113 InsO zu kündigen seien. Der Betriebsrat konnte den Verhandlungen über den Interessenausgleich damit entnehmen, dass die Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen werden sollten. Das ergibt sich schon daraus, dass § 113 InsO zur Anwendung kommen sollte. In § 3 Abs. 2 des Interessenausgleichs heißt es zwar weiter, dass sich der Arbeitgeber im Einzelfall vorbehalte, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen des § 113 InsO auszusprechen. Die Klägerin reklamiert für sich aber keinen Fall, der von der gewöhnlichen Konstellation der höchstens dreimonatigen Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abweichen sollte. Der Betriebsrat bestätigte in § 4 Abs. 1 des Interessenausgleichs auch ausdrücklich, dass er im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen, insbesondere über die Sozialdaten und die individuelle Kündigungsfrist, erhalten habe und ordnungsgemäß angehört worden sei. Der Betriebsrat konnte das vom Beklagten geplante Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin deshalb bestimmen.

41

(2) Den Vortrag des Beklagten durfte die Klägerin nicht mit Nichtwissen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten.

42

(a) Hat der Arbeitgeber - wie hier - eine Anhörung des Betriebsrats dargelegt, die den Erfordernissen des § 102 BetrVG entspricht, ist es Sache des Arbeitnehmers, nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen auszuführen, in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers zu der Unterrichtung des Betriebsrats für falsch oder unvollständig hält(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 268/07 - Rn. 30; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 50).

43

(b) Die Klägerin hat eine ausreichende Betriebsratsanhörung zu den Fragen der Kündigungsfrist und des Kündigungszeitpunkts nicht in Zweifel gezogen, nachdem der Beklagte zu der Anhörung des Betriebsrats vorgetragen hatte. Die Klägerin hat in der Folge lediglich bestritten, dass der Betriebsrat zu ihrem Einsatz für die F GmbH und über „die Einstellung der Arbeitnehmerüberlassung“ unterrichtet worden sei. Der Vortrag des Beklagten zu der Unterrichtung des Betriebsrats im Übrigen gilt damit nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen und zu Unrecht darauf abgestellt, das Vorbringen des Beklagten sei unzureichend gewesen, weil der Beklagte keine dem Betriebsrat zugänglich gemachte Liste mit den individuellen Kündigungsfristen vorgelegt habe.

44

(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Anhörung des Betriebsrats auch nicht mangelhaft, weil der Beklagte dem Gremium Beginn und Ende ihres Einsatzes für die F GmbH nicht mitteilte. Diese Umstände bestimmten den Kündigungsentschluss des Beklagten aus seiner subjektiven Sicht nicht. Die Unterrichtung des Betriebsrats über den für den Beklagten allein maßgeblichen Kündigungsgrund der beabsichtigten vollständigen Betriebsstilllegung bis spätestens 31. August 2010 steht zwischen den Parteien nicht im Streit (§ 138 Abs. 3 ZPO). Dieser Umstand war in § 2 des Interessenausgleichs vom 30. April 2010 festgehalten.

45

c) Die Kündigung vom 3. Mai 2010 ist sozial gerechtfertigt.

46

aa) Für die Kündigung bestand ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG.

47

(1) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs. Unter einer Betriebsstilllegung ist die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Sie besteht darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen (st. Rspr., vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 47). Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch auf die beabsichtigte Stilllegung des Betriebs stützen. Er muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst haben, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Die geplanten Maßnahmen müssen bei Zugang der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37 f.).

48

(2) Der Beklagte hat ohne erheblichen Gegenvortrag schlüssig dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 2010 entfiel.

49

(a) Der Beklagte hat vorgetragen, bereits die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit seiner Zustimmung die Betriebseinstellung bis spätestens 31. August 2010 beschlossen. Hintergrund der Entscheidung sei gewesen, dass auch die Produktion der von der Schuldnerin vertriebenen Teppiche eingestellt worden sei.

50

(aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist ferner, ob die Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfiel (vgl. zB BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16).

51

(bb) Die Klägerin hat die vom Beklagten vorgebrachte Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, zu keinem Zeitpunkt bestritten. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Stilllegung nicht auf Dauer getroffen wurde, bestehen nicht und sind von der Klägerin nicht behauptet worden.

52

(b) Zur Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses wurde am 30. April 2010 ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen. Das spricht für die ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 40). Auch die Klägerin hat nicht vorgebracht, der Betrieb sei tatsächlich nicht eingestellt, sondern nur der Betriebszweck geändert worden, etwa um gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben. Der Vortrag des Beklagten, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2010 sei der Geschäftsbetrieb, dh. der Vertrieb von Teppichen, eingestellt worden, ist unbestritten geblieben. Der Beklagte kündigte daraufhin unstreitig allen verbliebenen Arbeitnehmern.

53

(c) Es stünde einer ernsthaften Stilllegungsabsicht nicht entgegen, wenn der Beklagte gekündigte Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist noch eingesetzt haben sollte, um vorhandene Aufträge abzuarbeiten. Der Arbeitgeber erfüllt damit lediglich seine Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37; 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - zu II 1 a der Gründe). Das gilt entsprechend für den Einsatz der Klägerin in den Räumlichkeiten der Schuldnerin für die F GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Die Klägerin konnte nur für die F GmbH tätig werden, weil der Beklagte keinen Beschäftigungsbedarf für sie hatte. Der Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Klägerin ohne die mit der F GmbH getroffene Vereinbarung voraussichtlich bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt worden wäre. Auch die Klägerin hat nicht behauptet, der vom Beklagten verwaltete Betrieb der Schuldnerin sei auf die F GmbH übergegangen. Sie hat nicht in Zweifel gezogen, dass der Betrieb - wie geplant - zum 31. August 2010 eingestellt wurde.

54

bb) Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit war nicht vorhanden.

55

(1) Das geltend gemachte betriebliche Erfordernis ist nicht dringend iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen, freien Arbeitsplatz desselben Betriebs oder eines anderen Betriebs des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24). Es obliegt dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist. Erst danach muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht möglich war (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 50 mwN).

56

(2) Die Klägerin konnte unstreitig nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten weiterbeschäftigt werden.

57

(3) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bei der F GmbH bestand nicht.

58

(a) Der Beklagte führte mit der F GmbH keinen Gemeinschaftsbetrieb.

59

(aa) Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht jedoch nicht, wenn es den Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solchen bereits nicht mehr gibt. Mit der Beseitigung der einheitlichen Leitungsstruktur ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 53 mwN).

60

(bb) Die Klägerin hat schon nicht behauptet, die Schuldnerin oder der Beklagte und die F GmbH hätten zu irgendeinem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb wäre aufgrund der Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin durch den Beklagten spätestens zum 31. August 2010 aufgelöst worden. Der Beklagte hätte nicht durchsetzen können, dass die Klägerin von der F GmbH weiterbeschäftigt wird.

61

(b) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern bestand nicht.

62

(aa) Beruft sich der Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 58 mwN).

63

(bb) Die Klägerin hat bereits nicht die tatsächlichen Voraussetzungen dafür dargelegt, dass die F GmbH sowie die Schuldnerin und später der Beklagte einen Konzern iSv. § 18 Abs. 1 oder 2 AktG bildeten.

64

(cc) Die Klägerin hat auch keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

65

(aaa) Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine konzernweite „Versetzungsmöglichkeit“ nicht vor.

66

(bbb) Der Beklagte übt als Insolvenzverwalter ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger der Schuldnerin. Schon deswegen ist nicht ersichtlich, wie er auf die „Versetzung“ der Klägerin zur F GmbH bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 59 mwN). Auch nach dem Vortrag der Klägerin ergibt sich lediglich eine Absprache zwischen der Geschäftsführung der Schuldnerin oder dem Beklagten und der F GmbH. Danach war der Einsatz der Klägerin für die F GmbH bis 31. August 2010 vorgesehen. Die Klägerin hat nicht behauptet, der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen sie die Arbeit für die F GmbH zum 1. September 2010 erneut aufnahm, habe darauf beruht, dass sich die F GmbH gegenüber dem Beklagten zur „Übernahme“ der Klägerin verpflichtet gehabt habe. Sie hat auch nicht geltend gemacht, eine sog. Unterbringungsverpflichtung des Beklagten habe ausnahmsweise aus sonstigen Umständen hergerührt (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 56 ff. mwN).

67

cc) Der Beklagte musste keine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Er beschäftigte über den Kündigungstermin hinaus keine vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer.

68

B. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Jerchel    

                 

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

12

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

13

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).

14

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).

15

3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.

17

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

18

aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

19

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

20

c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).

21

d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

22

II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

23

1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).

24

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

25

a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

26

b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. Dipper    

                 

(1) Unternehmer, die einen untertägigen Gewinnungsbetrieb oder einen Gewinnungsbetrieb mit brand- oder explosionsgefährdeten Anlagen oder mit Anlagen betreiben, in denen unatembare oder giftige Gase oder Dämpfe auftreten können, müssen zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Grubenrettungs- und Gasschutzwesens Hauptstellen für das Grubenrettungswesen bilden und unterhalten oder solchen angeschlossen sein.

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Vorschriften über Aufgaben, Anzahl, Organisation und Ausstattung der Hauptstellen zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Sicherheitsaufgaben und zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft der Hauptstellen und ihrer Einrichtungen erforderlich ist.

(3) Auf Hauptstellen für das Grubenrettungswesen sind die §§ 58 bis 62 und, soweit die Hauptstellen nicht von einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung unterhalten werden, für die Überwachung der Einhaltung des Absatzes 1, der §§ 58 bis 62 und der Rechtsverordnungen nach Absatz 2 die §§ 69 bis 74 entsprechend anzuwenden.

(1) Aufsuchungsbetriebe, Gewinnungsbetriebe und Betriebe zur Aufbereitung dürfen nur auf Grund von Plänen (Betriebsplänen) errichtet, geführt und eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der zuständigen Behörde zugelassen worden sind. Zum Betrieb gehören auch die in § 2 Abs. 1 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen. Die Betriebsplanpflicht gilt auch für die Einstellung im Falle der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aufhebung einer Erlaubnis, einer Bewilligung oder eines Bergwerkseigentums sowie im Falle des Erlöschens einer sonstigen Bergbauberechtigung.

(2) Absatz 1 gilt nicht für einen Aufsuchungsbetrieb, in dem weder Vertiefungen in der Oberfläche angelegt noch Verfahren unter Anwendung maschineller Kraft, Arbeiten unter Tage oder mit explosionsgefährlichen oder zum Sprengen bestimmten explosionsfähigen Stoffen durchgeführt werden.

(3) Die zuständige Behörde kann Betriebe von geringer Gefährlichkeit und Bedeutung auf Antrag des Unternehmers ganz oder teilweise oder für einen bestimmten Zeitraum von der Betriebsplanpflicht befreien, wenn der Schutz Beschäftigter und Dritter und das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche nach diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen auch ohne Betriebsplanpflicht sichergestellt werden können. Dies gilt nicht für die Errichtung und die Einstellung des Betriebes und für Betriebe im Bereich des Festlandsockels.

(1) Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn

1.
für die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen die erforderliche Berechtigung nachgewiesen ist,
2.
nicht Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß
a)
der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften eine der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit und, falls keine unter Buchstabe b fallende Person bestellt ist, auch die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt,
b)
eine der zur Leitung oder Beaufsichtigung des zuzulassenden Betriebes oder Betriebsteiles bestellten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt,
3.
die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, daß die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden,
4.
keine Beeinträchtigung von Bodenschätzen, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, eintreten wird,
5.
für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs Sorge getragen ist,
6.
die anfallenden Abfälle ordnungsgemäß verwendet oder beseitigt werden,
7.
die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist,
8.
die erforderliche Vorsorge getroffen ist, daß die Sicherheit eines nach den §§ 50 und 51 zulässigerweise bereits geführten Betriebes nicht gefährdet wird,
9.
gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind und
bei einem Betriebsplan für einen Betrieb im Bereich des Festlandsockels oder der Küstengewässer ferner,
10.
der Betrieb und die Wirkung von Schiffahrtsanlagen und -zeichen nicht beeinträchtigt werden,
11.
die Benutzung der Schiffahrtswege und des Luftraumes, die Schiffahrt, der Fischfang und die Pflanzen- und Tierwelt nicht unangemessen beeinträchtigt werden,
12.
das Legen, die Unterhaltung und der Betrieb von Unterwasserkabeln und Rohrleitungen sowie ozeanographische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden und
13.
sichergestellt ist, daß sich die schädigenden Einwirkungen auf das Meer auf ein möglichst geringes Maß beschränken.
Satz 1 Nr. 2 gilt nicht bei Rahmenbetriebsplänen.

(2) Für die Erteilung der Zulassung eines Abschlußbetriebsplanes gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 mit der Maßgabe entsprechend, daß

1.
der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes sowie
2.
die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche und
3.
im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer die vollständige Beseitigung der betrieblichen Einrichtungen bis zum Meeresuntergrund sichergestellt sein müssen. Soll der Betrieb nicht endgültig eingestellt werden, so darf die Erfüllung der in Satz 1 genannten Voraussetzungen nur insoweit verlangt werden, als dadurch die Wiederaufnahme des Betriebes nicht ausgeschlossen wird.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. März 2012 - 11 Sa 1634/10 - teilweise aufgehoben und unter Berücksichtigung des in der Revision bezifferten Klageantrags zu 2 neu gefasst.

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28. Juli 2010 - 1 Ca 1892/09 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75.915,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 2. Mai 2008, 3. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 2. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 2. Dezember 2008, 2. Januar 2009, 3. Februar 2009, 3. März 2009, 1. April 2009, 4. Mai 2009, 2. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 3. November 2009, 1. Dezember 2009, 4. Januar 2010, 2. Februar 2010, 2. März 2010, 1. April 2010, 3. Mai 2010, 1. Juni 2010 und dem 1. Juli 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit 1977 bei der Beklagten, die ein Unternehmen des Steinkohlenbergbaus betreibt, zunächst als Hauer beschäftigt. Seit dem Jahre 1998 war er über Tage als technischer Angestellter tätig. Zum 1. Januar 1999 wurde er zum hauptamtlichen Hauptgerätewart der Grubenwehr bestellt. Die damit verbundenen Aufgaben wurden ihm als Bestandteil des Dienstvertrags zur verantwortlichen Erfüllung übertragen. Er organisierte für die etwa 130 freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr zwei- bis dreimal wöchentlich am Nachmittag außerhalb seiner Arbeitszeit als technischer Angestellter obligatorische Rettungsübungen, nahm an ihnen teil und bescheinigte den Mitgliedern jeweils die Teilnahme an den Übungen. Hierfür erbrachte die Beklagte zusätzlich zum tariflichen Arbeitsentgelt Zahlungen nach einer Vorstandsrichtlinie, die in den Entgeltabrechnungen unter der Lohn- und Gehaltsart „1015 Grubenwehr-Übung außerhalb“ ausgewiesen waren. Diese beliefen sich monatlich auf etwa 30 % bis 40 % seiner gesamten Bruttobezüge.

3

Zum 29. Februar 2008 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis in den vorgezogenen Ruhestand aus. Seit dem 1. März 2008 bezieht er Anpassungsgeld auf der Grundlage der „Richtlinie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“. Zusätzlich erhält er von der Beklagten auf der Grundlage des „Gesamtsozialplans zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG“ (GSP) vom 25. Juni 2003 einen Zuschuss in Höhe von monatlich 127,09 Euro brutto. In diesem ist bestimmt:

        

„…    

        

§ 2     

        

Arbeitnehmer, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld oder Knappschaftsausgleichsleistungen ausscheiden

        

…       

        

7.    Zuschuss zum Anpassungsgeld            

        

(1)     

DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld … das Garantieeinkommen nicht erreicht.

        

…       

        
        

(3)     

Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.

                 

Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.

                 

Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.

                 

…“    

4

Die Parteien des Gesamtsozialplans unterzeichneten am 27. Mai 2010 eine „Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003“. Darin heißt es:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens gemäß

        

●       

§ 2 Ziffer 7 (‚Zuschuss zum Anpassungsgeld’) Absatz 3 des Gesamtsozialplans,

        

…       

        
        

die in der Anlage zu dieser Protokollnotiz aufgeführten Lohn- und Gehaltsarten nicht zu berücksichtigen sind.

        

Weiterhin stellen die Vertragsparteien klar, dass dieses gemeinsame Verständnis der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens i.S.d. vorgenannten Vorschriften des Gesamtsozialplans bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans am 25.06.2003 vorhanden war und dem Abschluss des Gesamtsozialplans zugrunde lag.“

5

In der Anlage dazu ist „1015 Grubenwehr-Übung ausserh.“ aufgeführt.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, der Zuschuss zum Anpassungsgeld sei unter Einbeziehung der Grubenwehrzulage zu berechnen. Hierbei handele es sich um Entgelt im Sinne des Gesamtsozialplans. Ihm stünden deshalb monatlich weitere 1.265,26 Euro zu.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.692,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 39.223,06 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Grubenwehrzulage sei bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht zu berücksichtigen. Hierüber habe bei Abschluss des Gesamtsozialplans zwischen den Betriebsparteien Einigkeit bestanden, was die „Protokollnotiz vom 25.06.2003“ klarstelle.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in der Revision noch anhängigen Umfang entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Die dem Kläger für seine Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart gezahlte Grubenwehrzulage ist bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem Gesamtsozialplan zu berücksichtigen. Die Nebenforderung ist teilweise unbegründet. Sie besteht nicht ab dem Ersten des Folgemonats, wenn dieser auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt. Insoweit war die Klage abzuweisen.

11

I. Der Kläger hat nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP im streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf einen weiteren Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von monatlich 1.265,26 Euro. Dies ergibt die Auslegung des Gesamtsozialplans.

12

1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt(BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09 - Rn. 9).

13

2. Der Wortlaut des Gesamtsozialplans spricht dafür, die dem Kläger gewährte Grubenwehrzulage bei der Bemessung des Zuschusses zum Anpassungsgeld zu berücksichtigen.

14

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP wird für die Ermittlung des Bruttomonatseinkommens das Entgelt der letzten zwölf abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter Entgelt die Gegenleistung für geleistete Arbeit zu verstehen (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 21, BAGE 137, 300). Kennzeichnend für den Entgeltcharakter einer Leistung ist damit, dass sie in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht, also eine Gegenleistung hierfür darstellt.

15

b) Hiervon ausgehend legt bereits der Wortlaut des § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP nahe, dass die dem Kläger gezahlte Grubenwehrzulage Entgelt für geleistete Arbeit war. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht genügend berücksichtigt, dass dem Kläger mit der Bestellung zum hauptamtlichen Hauptgerätewart die damit verbundenen Aufgaben als Bestandteil seines Dienstvertrags übertragen wurden. Sie sind damit ein weiterer Teil seiner bereits bestehenden Arbeitspflichten geworden. Für diese Arbeitsleistungen, die er außerhalb seiner Arbeitszeiten als technischer Angestellter erbrachte, erhielt er eine Vergütung nach den in der Vorstandsrichtlinie „Bezahlung von Gruben- und Gasschutzwehren“ im Einzelnen geregelten Sätzen.

16

3. Der Regelungszusammenhang des Gesamtsozialplans bestätigt dieses Auslegungsergebnis.

17

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GSP bleiben Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen sowie Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, außer Betracht. Hierbei handelt es sich nicht um Entgelt, das in einem synallagmatischen Verhältnis zu erbrachten Arbeitsleistungen steht, sondern um Zusatzleistungen mit besonderer Zweckbestimmung. Diese sind daher nicht in die Bemessungsgrundlage „Bruttomonatseinkommen“ einzubeziehen. Abweichend von diesem Grundsatz sieht § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 6 GSP in einer Rückausnahme vor, dass das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist erforderlich, weil nach der Regelungssystematik das Weihnachtsgeld kein Entgelt und damit an sich nicht zu berücksichtigen ist.

18

b) Nach dieser Regelungssystematik ist die Grubenwehrzulage Entgelt, das bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens einzubeziehen ist. Sie ist sozialversicherungspflichtiges Arbeitseinkommen, das weder eine Einmalzahlung noch eine Mehrarbeitsvergütung darstellt. Letzteres ist in der Vorstandsrichtlinie zur Bezahlung der Grubenwehren klargestellt und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

19

4. Ein solches Normverständnis entspricht dem Regelungszweck des Gesamtsozialplans. Durch den Zuschuss zum Anpassungsgeld werden nach § 2 Satz 1 GSP die Richtlinien zur Gewährung des Anpassungsgeldes(zuletzt in der Fassung vom 12. Dezember 2008, BAnz 2008 S. 4697) ergänzt. Diese bezwecken gemäß Nr. 1.1, die mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20. Dezember 2007 beschlossene Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus sozialverträglich zu flankieren. Wird durch das nach diesen Richtlinien gezahlte Anpassungsgeld das Garantieeinkommen in Höhe von 60 % des Bruttomonatseinkommens nicht erreicht, besteht nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP ein Anspruch auf einen Zuschuss zum Anpassungsgeld. Damit dient das Anpassungsgeld dazu, den in dieser Bestimmung festgelegten sozialen Besitzstand zu sichern, der sich nach der Höhe des Entgelts richtet, das der Arbeitnehmer als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen erhalten hat. Da die Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart in der Grubenwehr zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehörte, spricht auch eine am Normzweck orientierte Auslegung dafür, das für diese Arbeitsleistung bezogene Entgelt bei der Ermittlung des für die Berechnung des Zuschusses maßgeblichen Bruttomonatseinkommens einzubeziehen.

20

5. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesamtsozialplans ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten kein anderes Ergebnis. Der bis zum Jahre 2002 geltende „Gesamtsozialplan über die öffentlichen und betrieblichen Leistungen und Vorsorgemaßnahmen für die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“ vom 15. Mai 1968 wurde im Jahre 2003 durch den hier anwendbaren Gesamtsozialplan vollständig abgelöst. Dieser enthält ein eigenständiges Regelungswerk. Die zu dem früheren Gesamtsozialplan ergangenen Erlasse und Hinweisschreiben der Arbeitsverwaltung können schon deshalb für die Auslegung der neuen Vereinbarung nicht herangezogen werden.

21

II. Die Protokollnotiz vom 27. Mai 2010 steht dieser Auslegung des Gesamtsozialplans nicht entgegen.

22

1. Hierbei handelt es sich um eine Auslegungshilfe und nicht um eine eigenständige normative Regelung. Die Betriebsparteien haben in der Protokollnotiz ihr gemeinsames Verständnis von den bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP zu berücksichtigenden Entgeltbestandteilen zum Ausdruck gebracht und ausgeführt, dass dies bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans bestand. Damit haben sie den Begriff „Bruttomonatseinkommen“ nicht konstitutiv neu festgelegt, sondern nur verdeutlicht, wie ihrer Auffassung nach ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal des Gesamtsozialplans zu verstehen ist.

23

2. Dieses Normverständnis der Betriebsparteien hat im Gesamtsozialplan allerdings keinen hinreichenden Niederschlag gefunden und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Da es bei dessen Auslegung darum geht festzustellen, wie die Normunterworfenen und die Gerichte eine Regelung zu verstehen haben (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 541/06 - Rn. 13), sind Betriebsvereinbarungen objektiv auszulegen. Der subjektive Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der betreffenden Regelung erkennbaren Ausdruck gefunden hat (Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 65; Fitting BetrVG 26. Aufl. § 77 Rn. 15). Anders als in dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 2. Oktober 2007 (- 1 AZR 815/06 -) zugrunde lag, haben die Betriebsparteien hier den Begriff des Entgelts in § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP hinreichend deutlich bestimmt. Das Verständnis der Betriebsparteien zur fehlenden Einbeziehung von Grubenwehrzulagen, die hauptamtliche Hauptgerätewarte beanspruchen können, die arbeitsvertraglich zu dieser Tätigkeit in der Grubenwehr verpflichtet sind, ist mit Wortlaut, systematischem Regelungszusammenhang und dem sich hieraus erschließenden Zweck unvereinbar. Ein solcher Regelungswille kann deshalb keine Berücksichtigung finden.

24

III. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 193 BGB.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Rath    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

(2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. März 2012 - 11 Sa 1634/10 - teilweise aufgehoben und unter Berücksichtigung des in der Revision bezifferten Klageantrags zu 2 neu gefasst.

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28. Juli 2010 - 1 Ca 1892/09 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75.915,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 2. Mai 2008, 3. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 2. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 2. Dezember 2008, 2. Januar 2009, 3. Februar 2009, 3. März 2009, 1. April 2009, 4. Mai 2009, 2. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 3. November 2009, 1. Dezember 2009, 4. Januar 2010, 2. Februar 2010, 2. März 2010, 1. April 2010, 3. Mai 2010, 1. Juni 2010 und dem 1. Juli 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit 1977 bei der Beklagten, die ein Unternehmen des Steinkohlenbergbaus betreibt, zunächst als Hauer beschäftigt. Seit dem Jahre 1998 war er über Tage als technischer Angestellter tätig. Zum 1. Januar 1999 wurde er zum hauptamtlichen Hauptgerätewart der Grubenwehr bestellt. Die damit verbundenen Aufgaben wurden ihm als Bestandteil des Dienstvertrags zur verantwortlichen Erfüllung übertragen. Er organisierte für die etwa 130 freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr zwei- bis dreimal wöchentlich am Nachmittag außerhalb seiner Arbeitszeit als technischer Angestellter obligatorische Rettungsübungen, nahm an ihnen teil und bescheinigte den Mitgliedern jeweils die Teilnahme an den Übungen. Hierfür erbrachte die Beklagte zusätzlich zum tariflichen Arbeitsentgelt Zahlungen nach einer Vorstandsrichtlinie, die in den Entgeltabrechnungen unter der Lohn- und Gehaltsart „1015 Grubenwehr-Übung außerhalb“ ausgewiesen waren. Diese beliefen sich monatlich auf etwa 30 % bis 40 % seiner gesamten Bruttobezüge.

3

Zum 29. Februar 2008 schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis in den vorgezogenen Ruhestand aus. Seit dem 1. März 2008 bezieht er Anpassungsgeld auf der Grundlage der „Richtlinie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“. Zusätzlich erhält er von der Beklagten auf der Grundlage des „Gesamtsozialplans zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG“ (GSP) vom 25. Juni 2003 einen Zuschuss in Höhe von monatlich 127,09 Euro brutto. In diesem ist bestimmt:

        

„…    

        

§ 2     

        

Arbeitnehmer, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld oder Knappschaftsausgleichsleistungen ausscheiden

        

…       

        

7.    Zuschuss zum Anpassungsgeld            

        

(1)     

DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld … das Garantieeinkommen nicht erreicht.

        

…       

        
        

(3)     

Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.

                 

Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.

                 

Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.

                 

…“    

4

Die Parteien des Gesamtsozialplans unterzeichneten am 27. Mai 2010 eine „Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003“. Darin heißt es:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens gemäß

        

●       

§ 2 Ziffer 7 (‚Zuschuss zum Anpassungsgeld’) Absatz 3 des Gesamtsozialplans,

        

…       

        
        

die in der Anlage zu dieser Protokollnotiz aufgeführten Lohn- und Gehaltsarten nicht zu berücksichtigen sind.

        

Weiterhin stellen die Vertragsparteien klar, dass dieses gemeinsame Verständnis der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens i.S.d. vorgenannten Vorschriften des Gesamtsozialplans bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans am 25.06.2003 vorhanden war und dem Abschluss des Gesamtsozialplans zugrunde lag.“

5

In der Anlage dazu ist „1015 Grubenwehr-Übung ausserh.“ aufgeführt.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, der Zuschuss zum Anpassungsgeld sei unter Einbeziehung der Grubenwehrzulage zu berechnen. Hierbei handele es sich um Entgelt im Sinne des Gesamtsozialplans. Ihm stünden deshalb monatlich weitere 1.265,26 Euro zu.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.692,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.265,26 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009, 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 39.223,06 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Grubenwehrzulage sei bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht zu berücksichtigen. Hierüber habe bei Abschluss des Gesamtsozialplans zwischen den Betriebsparteien Einigkeit bestanden, was die „Protokollnotiz vom 25.06.2003“ klarstelle.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in der Revision noch anhängigen Umfang entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Die dem Kläger für seine Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart gezahlte Grubenwehrzulage ist bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem Gesamtsozialplan zu berücksichtigen. Die Nebenforderung ist teilweise unbegründet. Sie besteht nicht ab dem Ersten des Folgemonats, wenn dieser auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt. Insoweit war die Klage abzuweisen.

11

I. Der Kläger hat nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP im streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf einen weiteren Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von monatlich 1.265,26 Euro. Dies ergibt die Auslegung des Gesamtsozialplans.

12

1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt(BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09 - Rn. 9).

13

2. Der Wortlaut des Gesamtsozialplans spricht dafür, die dem Kläger gewährte Grubenwehrzulage bei der Bemessung des Zuschusses zum Anpassungsgeld zu berücksichtigen.

14

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP wird für die Ermittlung des Bruttomonatseinkommens das Entgelt der letzten zwölf abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter Entgelt die Gegenleistung für geleistete Arbeit zu verstehen (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 21, BAGE 137, 300). Kennzeichnend für den Entgeltcharakter einer Leistung ist damit, dass sie in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht, also eine Gegenleistung hierfür darstellt.

15

b) Hiervon ausgehend legt bereits der Wortlaut des § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 GSP nahe, dass die dem Kläger gezahlte Grubenwehrzulage Entgelt für geleistete Arbeit war. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht genügend berücksichtigt, dass dem Kläger mit der Bestellung zum hauptamtlichen Hauptgerätewart die damit verbundenen Aufgaben als Bestandteil seines Dienstvertrags übertragen wurden. Sie sind damit ein weiterer Teil seiner bereits bestehenden Arbeitspflichten geworden. Für diese Arbeitsleistungen, die er außerhalb seiner Arbeitszeiten als technischer Angestellter erbrachte, erhielt er eine Vergütung nach den in der Vorstandsrichtlinie „Bezahlung von Gruben- und Gasschutzwehren“ im Einzelnen geregelten Sätzen.

16

3. Der Regelungszusammenhang des Gesamtsozialplans bestätigt dieses Auslegungsergebnis.

17

a) Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GSP bleiben Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen sowie Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, außer Betracht. Hierbei handelt es sich nicht um Entgelt, das in einem synallagmatischen Verhältnis zu erbrachten Arbeitsleistungen steht, sondern um Zusatzleistungen mit besonderer Zweckbestimmung. Diese sind daher nicht in die Bemessungsgrundlage „Bruttomonatseinkommen“ einzubeziehen. Abweichend von diesem Grundsatz sieht § 2 Nr. 7 Abs. 3 Satz 6 GSP in einer Rückausnahme vor, dass das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist erforderlich, weil nach der Regelungssystematik das Weihnachtsgeld kein Entgelt und damit an sich nicht zu berücksichtigen ist.

18

b) Nach dieser Regelungssystematik ist die Grubenwehrzulage Entgelt, das bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens einzubeziehen ist. Sie ist sozialversicherungspflichtiges Arbeitseinkommen, das weder eine Einmalzahlung noch eine Mehrarbeitsvergütung darstellt. Letzteres ist in der Vorstandsrichtlinie zur Bezahlung der Grubenwehren klargestellt und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

19

4. Ein solches Normverständnis entspricht dem Regelungszweck des Gesamtsozialplans. Durch den Zuschuss zum Anpassungsgeld werden nach § 2 Satz 1 GSP die Richtlinien zur Gewährung des Anpassungsgeldes(zuletzt in der Fassung vom 12. Dezember 2008, BAnz 2008 S. 4697) ergänzt. Diese bezwecken gemäß Nr. 1.1, die mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20. Dezember 2007 beschlossene Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus sozialverträglich zu flankieren. Wird durch das nach diesen Richtlinien gezahlte Anpassungsgeld das Garantieeinkommen in Höhe von 60 % des Bruttomonatseinkommens nicht erreicht, besteht nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 3 GSP ein Anspruch auf einen Zuschuss zum Anpassungsgeld. Damit dient das Anpassungsgeld dazu, den in dieser Bestimmung festgelegten sozialen Besitzstand zu sichern, der sich nach der Höhe des Entgelts richtet, das der Arbeitnehmer als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen erhalten hat. Da die Tätigkeit als hauptamtlicher Hauptgerätewart in der Grubenwehr zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehörte, spricht auch eine am Normzweck orientierte Auslegung dafür, das für diese Arbeitsleistung bezogene Entgelt bei der Ermittlung des für die Berechnung des Zuschusses maßgeblichen Bruttomonatseinkommens einzubeziehen.

20

5. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesamtsozialplans ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten kein anderes Ergebnis. Der bis zum Jahre 2002 geltende „Gesamtsozialplan über die öffentlichen und betrieblichen Leistungen und Vorsorgemaßnahmen für die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus“ vom 15. Mai 1968 wurde im Jahre 2003 durch den hier anwendbaren Gesamtsozialplan vollständig abgelöst. Dieser enthält ein eigenständiges Regelungswerk. Die zu dem früheren Gesamtsozialplan ergangenen Erlasse und Hinweisschreiben der Arbeitsverwaltung können schon deshalb für die Auslegung der neuen Vereinbarung nicht herangezogen werden.

21

II. Die Protokollnotiz vom 27. Mai 2010 steht dieser Auslegung des Gesamtsozialplans nicht entgegen.

22

1. Hierbei handelt es sich um eine Auslegungshilfe und nicht um eine eigenständige normative Regelung. Die Betriebsparteien haben in der Protokollnotiz ihr gemeinsames Verständnis von den bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP zu berücksichtigenden Entgeltbestandteilen zum Ausdruck gebracht und ausgeführt, dass dies bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans bestand. Damit haben sie den Begriff „Bruttomonatseinkommen“ nicht konstitutiv neu festgelegt, sondern nur verdeutlicht, wie ihrer Auffassung nach ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal des Gesamtsozialplans zu verstehen ist.

23

2. Dieses Normverständnis der Betriebsparteien hat im Gesamtsozialplan allerdings keinen hinreichenden Niederschlag gefunden und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Da es bei dessen Auslegung darum geht festzustellen, wie die Normunterworfenen und die Gerichte eine Regelung zu verstehen haben (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 541/06 - Rn. 13), sind Betriebsvereinbarungen objektiv auszulegen. Der subjektive Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der betreffenden Regelung erkennbaren Ausdruck gefunden hat (Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 65; Fitting BetrVG 26. Aufl. § 77 Rn. 15). Anders als in dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 2. Oktober 2007 (- 1 AZR 815/06 -) zugrunde lag, haben die Betriebsparteien hier den Begriff des Entgelts in § 2 Nr. 7 Abs. 3 GSP hinreichend deutlich bestimmt. Das Verständnis der Betriebsparteien zur fehlenden Einbeziehung von Grubenwehrzulagen, die hauptamtliche Hauptgerätewarte beanspruchen können, die arbeitsvertraglich zu dieser Tätigkeit in der Grubenwehr verpflichtet sind, ist mit Wortlaut, systematischem Regelungszusammenhang und dem sich hieraus erschließenden Zweck unvereinbar. Ein solcher Regelungswille kann deshalb keine Berücksichtigung finden.

24

III. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 193 BGB.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Hayen    

        

    Rath    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. September 2011 - 2 Sa 716/10 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 20. Oktober 2010 - 1 Ca 1066/10 - wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung und der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob eine Funktionszulage tariflich gesichert ist.

2

Der Kläger ist seit 1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung gelten ua. der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene Entgeltrahmentarifvertrag vom 25. Juni 2007 (künftig: ERTV DTTS) und der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (künftig: TV Ratio DTTS) vom selben Tag.

3

Der ERTV DTTS regelt die Zahlung einer Funktionszulage wie folgt:

        

§ 15 

Funktionszulage

        

(1)     

Arbeitnehmer der Entgeltgruppen 1 bis 4, die bei der Aufgabenerledigung besonderen Umgebungs- bzw. Belastungseinflüssen ausgesetzt sind, erhalten eine Funktionszulage.

        

…       

        

(4)     

Die Höhe der Funktionszulage bestimmt sich nach der Ausprägung der besonderen Umgebungs- bzw. Belastungseinflüsse:

                 

�       

für Stufe 1, geringe Einflüsse

43,00 €

                 

�       

für Stufe 2, mittlere Einflüsse

53,50 €

                 

�       

für Stufe 3, starke Einflüsse

63,50 €

                 

�       

für Stufe 4, besonders starke Einflüsse

85,00 €

                 

Die Beträge der Stufen erhöhen sich in gleichem Maße wie das Jahreszielentgelt aufgrund allgemeiner tariflicher Entgelterhöhungen.

        

(5)     

Die Funktionszulage wird als monatliche Pauschale gezahlt. …

        

...“   

        
4

Der TV Ratio DTTS bestimmt auszugsweise:

        

„Abschnitt 1

        
        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von mindestens zwei Jahren

        
        

...     

                 
        

§ 8     

Gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz

        
        

(1)     

Die DTTS ist verpflichtet, den nach den §§ 3 und 4 ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb der DTTS anzubieten (interne Vermittlung).

        
        

(2)     

Soweit dies nicht möglich ist, ist die DTTS verpflichtet, dem betroffenen Arbeitnehmer einen anderen zumutbaren Dauerarbeitsplatz (interne Vermittlung) mit geringerer Bezahlung anzubieten. Davon betroffene Arbeitnehmer haben einen vorrangigen Anspruch auf unverzügliche Wiederverwendung auf einen gleichwertigen Dauerarbeitsplatz. Ein Arbeitsplatz mit geringerer Bezahlung ist ein Arbeitsplatz, der nicht gleichwertig im Sinne des Absatzes 8 ist.

        
        

...     

                 
        

§ 10   

Leistungen bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        
        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1.

        
        

…       

                 
        

Anlage 5 TV Ratio

        
        

Abschnitt 1

        
        

Leistungen bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz innerhalb der DTTS

        
        

Unterabschnitt 1

        
        

Für Arbeitnehmer im Sinne des Abschnitts I des TV Ratio (Arbeitsverhältnis ≥ 2 Jahre)

        
                          
        

§ 1     

Sicherung des Entgelts bei Herabgruppierung

        
        

(1)     

Bei Arbeitnehmern, deren Tätigkeit infolge einer Maßnahme im Sinne von § 1 TV Ratio einer niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet ist, erfolgt eine Herabgruppierung.

        
        

(2)     

Nach der Herabgruppierung wird das bisherige Jahreszielentgelt des Arbeitnehmers für folgende Zeiträume (Sicherungsfristen) nicht abgesenkt: Mit einer Zeit der Betriebszugehörigkeit von

        
                 

�       

2 bis 5 Jahren

für die Dauer von 21 Monaten,

        
                 

�       

> 5 bis 8 Jahren

für die Dauer von 28 Monaten,

        
                 

�       

mehr als 8 Jahren

für die Dauer von 34 Monaten.

        
                 

…       

                 
        

…       

                 
        

§ 2     

Sicherung des Entgelts bei Änderung der Wochenarbeitszeit

        
        

(1)     

Bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis sich infolge einer Maßnahme im Sinne von § 1 TV Ratio negativ verändert, kann das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Änderung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit gekündigt werden.

        
        

(2)     

Nach Wirksamwerden der Änderungskündigung wird das bisherige Jahreszielentgelt des Arbeitnehmers für folgende Zeiträume (Sicherungsfristen) nicht abgesenkt: Mit einer Zeit der Betriebszugehörigkeit von

        
                 

�       

2 bis 5 Jahren

für die Dauer von 21 Monaten,

                 
                 

�       

> 5 bis 8 Jahren

für die Dauer von 28 Monaten,

                 
                 

�       

mehr als 8 Jahren

für die Dauer von 34 Monaten.

                 
                 

…       

        
        

…       

                 
                 

Protokollnotiz zu § 1 und § 2:            

        
                 

1.    

Arbeitnehmer, die in den letzten 15 Monaten vor Übertragung der anderen Tätigkeit überwiegend eine und auch noch innerhalb der letzten 3 Monate eine Funktionszulage (§ 15 ERTV bzw. § 14 TV SR) erhalten haben, erhalten diesbezüglich für jeden Monat, für den Anspruch auf Monatsentgelt besteht, eine Sicherung, die folgendermaßen bemessen ist. Der in den letzten 3 Monaten vor Übertragung der anderen Tätigkeit gezahlte Gesamtbetrag an Funktionszulagen wird um 3,3 % vermindert und durch 3 geteilt. § 5 ERTV gilt sinngemäß. Die Sicherung wird für folgende Zeiträume (Sicherungsfrist) gewährt:

                          

a)    

Arbeitnehmern mit einer Zeit der Betriebszugehörigkeit von

                                   

2 bis 5 Jahren

für die Dauer von 15 Monaten,

                                   

> 5 bis 8 Jahren

für die Dauer von 22 Monaten,

                                   

mehr als 8 Jahren

für die Dauer von 28 Monaten.

                          

b)    

Arbeitnehmern, die dem § 26 MTV unterfallen, wird die Sicherung für die Dauer von 36 Monaten bemessen oder, sofern sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt.

                                   

Die Sicherung wird vom Beginn des Kalendermonats an gewährt, der auf die Übertragung der anderen Tätigkeit folgt. Die Sicherung wird nicht gezahlt für Kalendermonate, in denen der Arbeitnehmer aufgrund der neuen Tätigkeit insgesamt einen höheren Anspruch auf Funktionszulage erwirbt.

                 

       

        
        

§ 3     

Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Wechsels nach § 26 MTV bzw. §§ 7, 30 TVSR dem besonderen Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer unterfallen

        

Bei Arbeitnehmern, die dem § 26 MTV bzw. den §§ 7, 30 TVSR unterfallen, ist von einer Herabgruppierung sowie von einer Verminderung der arbeitsvertraglichen Wochenarbeitszeit abzusehen.“

5

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Kläger bis zum 31. Juli 2009 im Außendienst als Kundendiensttechniker tätig, erhielt Entgelt nach der Entgeltgruppe 4 und seit mehr als 15 Monaten eine tarifliche Funktionszulage nach § 15 ERTV DTTS in Höhe von zuletzt monatlich 103,53 Euro brutto.

6

Im Zuge der Neuorganisation der Niederlassung M versetzte die Beklagte den Kläger zum 1. August 2009 auf einen Arbeitsplatz als Sachbearbeiter Quality-Gate. Auf diesem Arbeitsplatz hat der Kläger keinen Anspruch auf die Funktionszulage. Seine Eingruppierung änderte sich nicht. Im Vorfeld dieser Neuorganisation hatte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan für die Neuausrichtung der Beklagten geschlossen (künftig: GBV). Nach § 5 Abs. 4 GBV finden bei einer unmittelbaren Umsetzung bzw. Versetzung auf einen neuen Arbeitsplatz die Regelungen des TV Ratio DTTS Anwendung, ohne dass eine Zuordnung zur BQE erfolgt. Der TV Ratio DTTS ist gemäß § 11 Abs. 1 GBV Bestandteil des Sozialplans.

7

Mit der am 4. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger die tarifliche Sicherung der Funktionszulage für die Zeit von August 2009 bis Februar 2010.

8

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, nach der Protokollnotiz zu § 1 und § 2 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 zum TV Ratio DTTS stehe ihm eine Sicherung der Funktionszulage zu. Diese Protokollnotiz enthalte eine eigenständige tarifliche Anspruchsgrundlage.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 700,77 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags angeführt, die Protokollnotiz stelle keine Anspruchsgrundlage dar, sondern erläutere nur die §§ 1 und 2 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 zum TV Ratio DTTS. Arbeitnehmer, die eine Funktionszulage bezogen hätten, sollten eine weitere Sicherung nur dann erhalten, wenn sie auch die Voraussetzungen dieser Bestimmungen erfüllten. So solle ein doppelter Einkommensverlust vermieden werden.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat gemäß der Protokollnotiz zu § 1 und § 2 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 zum TV Ratio DTTS (künftig: Protokollnotiz) Anspruch auf Sicherung der Funktionszulage. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen des § 1 oder des § 2 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 zum TV Ratio DTTS (künftig: Anlage 5 zum TV Ratio DTTS) erfüllt sind. Die Protokollnotiz enthält eine eigenständige Regelung zur Sicherung der Funktionszulage mit originären Anspruchsvoraussetzungen, die der Kläger erfüllt.

13

I. Für den Anspruch des Klägers auf die begehrte Zulage sind die Regelungen der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS maßgeblich, obwohl der Kläger zum 1. August 2009 unmittelbar auf den Arbeitsplatz als Sachbearbeiter Quality-Gate versetzt worden ist, ohne dass zuvor seine Zuordnung zur BQE erfolgt war.

14

1. Eine interne Vermittlung iSd. § 8 TV Ratio DTTS, die an die Auswahlregelungen in §§ 3 und 4 TV Ratio DTTS anknüpft und voraussetzt, dass die Vermittlung aus dem Betrieb BQE erfolgt, ist unstreitig nicht erfolgt. Vielmehr sollten im Zuge der Neuorganisation der Niederlassung M Arbeitnehmer auch unmittelbar auf einen neuen Arbeitsplatz versetzt bzw. umgesetzt werden können, ohne dass zuvor eine Zuordnung zur BQE erfolgte. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 4, § 11 Abs. 1 GBV. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger. Eine solche unmittelbare Versetzung in eine Einheit außerhalb des Betriebs BQE ist aber grundsätzlich unwirksam. Die tariflichen Regelungen verpflichten die Beklagte dazu, den Arbeitnehmer durch Änderungsvertrag oder ggf. Änderungskündigung (§ 5 Abs. 3 TV Ratio DTTS) zunächst in den Betrieb BQE zu versetzen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 86/11 - Rn. 38 ff. zum wortgleichen TV Ratio DTKS). Das Direktionsrecht (§ 106 GewO) der Beklagten wird durch § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 3 Abs. 2 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTTS eingeschränkt. Eine tarifliche Öffnungsklausel iSv. § 4 Abs. 3 TVG zugunsten der (Gesamt-)Betriebsparteien besteht nicht(vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 86/11 - Rn. 28, 75 ff. zum wortgleichen TV Ratio DTKS).

15

2. Die Beklagte wendet jedoch die Regelungen der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS auch auf die Arbeitnehmer an, die sie im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Niederlassung M tarifwidrig unmittelbar auf einen neuen Arbeitsplatz versetzt hat.

16

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Protokollnotiz eine Tarifnorm und nicht nur eine Auslegungshilfe. Darum ergibt sich, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, auch aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift als Protokollnotiz zu § 1 und § 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS nichts für das Verständnis der streitbefangenen Regelung.

17

1. Ob Protokollnotizen in Tarifverträgen Regelungscharakter haben, hängt neben der Erfüllung der Formerfordernisse (§ 1 Abs. 2 TVG iVm. §§ 126, 126a BGB) davon ab, ob darin der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normensetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 496/10 - Rn. 13).

18

2. Diese Voraussetzungen sind bei der Protokollnotiz erfüllt.

19

a) Die §§ 1 und 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS schützen den Arbeitnehmer während der dort festgelegten Sicherungsfrist lediglich vor einer Absenkung des Jahreszielentgelts. Die Funktionszulage ist nicht Bestandteil des Jahreszielentgelts iSv. § 3 und § 4 ERTV DTTS. Die Protokollnotiz bildet somit die alleinige Anspruchsgrundlage für die Sicherung der Funktionszulage. Bereits daraus ergibt sich der Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG 22. September 2010 - 4 AZR 33/09 - Rn. 19). Die Protokollnotiz gestaltet zudem die Modalitäten der Sicherung der Funktionszulage gegenüber den Regelungen in § 1 und § 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS eigenständig aus. Die Länge der Sicherungsfrist der Funktionszulage ist kürzer und der Anspruch auf die Sicherung ist an eine Mindestbezugsdauer geknüpft. Schließlich wird im Unterschied zum Jahreszielentgelt die Funktionszulage nicht in voller Höhe, sondern nur abgesenkt gesichert.

20

b) Die erforderliche Schriftform (§ 1 Abs. 2 TVG) ist gewahrt. Die Protokollnotiz zu § 1 und § 2 der Anlage 5 TV Ratio DTTS ist als Teil des TV Ratio DTTS von den Unterschriften der Tarifvertragsparteien gedeckt.

21

III. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen der Protokollnotiz für eine Sicherung der Funktionszulage.

22

1. Der Kläger hat unstreitig in den letzten 15 Monaten vor seiner Umsetzung zum 1. August 2009 und auch in den letzten drei Monaten vor Übertragung der neuen Tätigkeit eine Funktionszulage nach § 15 ERTV DTTS in Höhe von zuletzt 103,53 Euro brutto erhalten.

23

2. Der Anspruch auf Sicherung der Funktionszulage besteht auch dann, wenn - wie vorliegend - die neu übertragene Tätigkeit weder mit einer Herabgruppierung iSv. § 1 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS noch mit einer (negativen) Änderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit iSv. § 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS verbunden ist.

24

a) Voraussetzung für die Sicherung der Funktionszulage ist nach dem Wortlaut der Protokollnotiz allein die Erfüllung der in dieser Notiz näher festgelegten Mindestbezugsdauer. Weitere Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus der Regelung nicht. Insbesondere verlangt sie nicht, dass die neue Tätigkeit einer niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet sein muss.

25

b) Aus der Formulierung „der anderen Tätigkeit“ und dem dort verwendeten bestimmten Artikel „der“ statt „einer“ in Nr. 1 Satz 1 der Protokollnotiz folgt nichts anderes. Damit ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rückbeziehung auf den Unterabschn. 1 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS erfolgt und nicht deutlich gemacht worden, dass nur „die“ in Unterabschn. 1 beschriebenen Änderungen eine Sicherung der Funktionszulage auslösen können. Mit dieser Formulierung haben die Tarifvertragsparteien vielmehr nur daran angeknüpft, dass Voraussetzung für den Anspruch auf die Sicherung der Funktionszulage wie für jeden Anspruch nach dem TV Ratio DTTS der Wegfall des Arbeitsplatzes bzw. dessen Verlegung iSd. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTTS ist. Mit „der“ anderen Tätigkeit haben sie den neuen Arbeitsplatz bezeichnet. Eine weiter gehende Bedeutung ist mit dieser Formulierung nicht verbunden.

26

c) Im Übrigen hätten es die Tarifvertragsparteien klarstellen müssen, wenn sie eine Herabgruppierung oder Änderung der Arbeitszeit iSv. § 1 und § 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS zur Voraussetzung auch der Sicherung der Funktionszulage hätten machen wollen. Das folgt aus dem Gebot der Normenklarheit (dazu zuletzt BAG 25. April 2013 - 6 AZR 800/11 - Rn. 18).

27

d) An einer derartigen Klarstellung fehlt es. Tatsächlich zeigt der tarifliche Gesamtzusammenhang, dass es an einem derartigen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien fehlt. Diesen Zusammenhang berücksichtigt die Beklagte nicht hinreichend, wenn sie annimmt, Arbeitnehmer, die eine Funktionszulage bezogen hätten, sollten eine weitere Sicherung nur dann erhalten, wenn sie auch die Voraussetzungen der §§ 1 und 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS erfüllten.

28

aa) § 3 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS ordnet ua. für Arbeitnehmer, die dem besonderen Kündigungsschutz des § 26 des Manteltarifvertrags vom 25. Juni 2007 (MTV DTTS) unterfallen, an, dass von einer Herabgruppierung sowie einer Verminderung der arbeitsvertraglichen Wochenarbeitszeit abzusehen ist. Gleichwohl sieht Nr. 1 Satz 4 Buchst. b der Protokollnotiz für diesen Personenkreis eine Sicherung der Funktionszulage vor, wobei im Vergleich zu Nr. 1 Satz 4 Buchst. a der Protokollnotiz die Sicherungsfristen verlängert sind.

29

bb) Die Argumentation der Beklagten vermag nicht zu erklären, warum für diesen Personenkreis Nr. 1 Satz 4 Buchst. b der Protokollnotiz nicht nur eine Sicherung vorsieht, sondern diese auch noch günstiger ausgestaltet als für nicht bestandsgeschützte Arbeitnehmer. Nach der Konzeption des Unterabschn. 1 zu Abschn. 1 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS hat dieser Personenkreis keine Entgeltnachteile hinsichtlich des Jahreszielentgelts bei einer internen Vermittlung hinzunehmen. Er erleidet keinen „doppelten Einkommensverlust“ und bedarf nach Auffassung der Beklagten keiner Sicherung. Gleichwohl ist für diesen Personenkreis unzweideutig eine Sicherung tariflich vorgeschrieben.

30

e) Die von der Beklagten vertretene Auffassung steht auch mit Sinn und Zweck der Protokollnotiz nicht in Einklang. Dieser Regelung kann mit Ausnahme einer Mindestbezugsdauer für die Funktionszulage keine Erheblichkeitsschwelle für Nachteile, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ausgeglichen werden sollen, entnommen werden.

31

aa) Die Funktionszulage wird nach § 15 Abs. 1 ERTV DTTS für besonders belastende äußere Arbeitsbedingungen gezahlt. Nach Ablauf der in Nr. 1 Satz 1 der Protokollnotiz genannten Mindestbezugsdauer ist nach Auffassung der Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Funktionszulage ein schützenswerter Besitzstand begründet. Dieser Besitzstand der Arbeitnehmer, die nach einer internen Vermittlung (§ 10 Abs. 1 iVm. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ratio DTTS) infolge einer Maßnahme nach § 1 Abs. 2 TV Ratio DTTS keine Funktionszulage mehr erhalten, soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für die aus Nr. 1 Satz 4 der Protokollnotiz ersichtlichen Zeiten gesichert werden.

32

bb) Für diesen Sicherungszweck spielt es keine Rolle, ob noch weitere Entgeltnachteile, etwa hinsichtlich des Jahreszielentgelts, eintreten. Der nach Auffassung der Tarifvertragsparteien schützenswerte Besitzstand ist davon nicht abhängig. Darum haben sie die Funktionszulage in der Protokollnotiz unabhängig vom Jahreszielentgelt nach eigenständigen, von §§ 1 und 2 der Anlage 5 zum TV Ratio DTTS, wie ausgeführt, abweichenden Grundsätzen gesichert.

33

IV. Der Anspruch des Klägers ist nicht verfallen. Die Geltendmachung vom 30. November 2009 wahrte die erste Stufe der Ausschlussfrist des § 31 MTV DTTS. Einer erneuten Geltendmachung für die später fällig gewordenen Ansprüche bedurfte es nach § 31 Abs. 1 Satz 2 MTV DTTS nicht. Die Klage ist unter Wahrung der zweiten Stufe der Ausschlussfrist am 4. Februar 2010, dh. zwei Monate nach Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs durch die Beklagte am 4. Dezember 2009, erhoben worden.

34

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Lauth    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Juni 2010 - 12 Sa 1580/09 E - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung der Klägerin in den Monaten Oktober 2007 bis Dezember 2008 und in diesem Zusammenhang über die Frage der Anwendung der besitzstandswahrenden Regelungen des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 (TVÜ-Länder).

2

Die Klägerin war seit dem 30. September 2005 mit Unterbrechungen aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse im Schuldienst des beklagten Landes als Lehrerin (sog. Feuerwehrlehrkraft) beschäftigt. Vom 31. August 2006 bis zum 31. Januar 2007 war sie an der Haupt- und Realschule B tätig. Nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) zum 1. November 2006 war sie in die Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 5, dieses Tarifvertrags eingruppiert. In der zweiten Hälfte des Schuljahres 2006/2007 unterrichtete sie aufgrund eines bis zum 18. Juli 2007, dem letzten Schultag vor den Sommerferien, befristeten Arbeitsverhältnisses an der Förderschule in U. Die Sommerferien endeten am 29. August 2007. Am 31. August 2007 beantragte die Haupt- und Realschule in G die Zuweisung einer sog. Feuerwehrlehrkraft. Der Leiter dieser Schule führte mit der Klägerin am 14. September 2007 ein Auswahlgespräch. Nach der Beteiligung des Personalrats am 18. September 2007 beschäftigte das beklagte Land die Klägerin ab dem 20. September 2007 zunächst aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrkraft an der Haupt- und Realschule in G. Seit dem 1. August 2008 ist die Klägerin unbefristet an dieser Schule tätig.

3

Das beklagte Land zahlte der Klägerin ab dem 20. September 2007 Vergütung der Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 2, TV-L. In einem Schreiben vom 5. November 2008 vertrat die Landesschulbehörde die Auffassung, die über die Dauer der Sommerferien 2007 hinausgehende Unterbrechung der Beschäftigung der Klägerin habe dazu geführt, dass sich die Stufenzuordnung nicht mehr nach dem TVÜ-Länder, sondern nach § 16 TV-L richte.

4

In § 1 TVÜ-Länder in der bis Februar 2009 geltenden Fassung(TVÜ-Länder aF) heißt es:

        

㤠1 Geltungsbereich

        

(1) 1Dieser Tarifvertrag gilt für Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter (Beschäftigte),

        

-       

deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedverbandes der TdL ist, über den 31. Oktober 2006 hinaus fortbesteht, und

        

-       

die am 1. November 2006 unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen,

        

für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses.

        

…       

        

Protokollerklärungen zu § 1 Absatz 1 Satz 1:

        

1. In der Zeit bis zum 31. Oktober 2008 sind Unterbrechungen von bis zu einem Monat, bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O darüber hinaus während der Gesamtdauer der Sommerferien, unschädlich.

        

…“    

5

Die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder in der ab dem 1. März 2009 geltenden Fassung (TVÜ-Länder nF) lautet:

        

„Unterbrechungen von bis zu einem Monat sind unschädlich; bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O tritt bei Unterbrechungen während der Sommerferien an die Stelle des Zeitraums von einem Monat die Dauer der Sommerferien.“

6

Mit einem Schreiben vom 25. November 2008 verlangte die im Klagezeitraum mit unterschiedlicher wöchentlicher Arbeitszeit teilzeitbeschäftigte Klägerin vom beklagten Land ohne Erfolg eine Abrechnung des Entgelts unter Zugrundelegung der Entwicklungsstufe 5 der Entgeltgruppe 11 TV-L.

7

Die Klägerin hat gemeint, die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF sei so auszulegen, dass bei Lehrkräften eine Unterbrechung für die Dauer der Sommerferien zuzüglich eines Monats unschädlich sei. Unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes habe sie daher auch für die Zeit ab dem 20. September 2007 Anspruch auf Entgelt der Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 5, TV-L. Die Neufassung der Protokollerklärung könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Verhandlungsführer der Gewerkschaftsseite hinsichtlich der streitbefangenen Frage gegenüber der TdL nachgegeben hätten, um an anderer Stelle ein Zugeständnis zu erreichen. Im Übrigen berufe sich das beklagte Land treuwidrig auf die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Sommer 2007. Seine Schulbehörde hätte schon zum Ende der Sommerferien am 29. August 2007 einen neuen Arbeitsvertrag ausfertigen können. Bereits am 1. August 2007 sei für das beklagte Land der Vertretungsbedarf an der Haupt- und Realschule in G erkennbar gewesen, so dass die Einstellungsformalitäten bis zum 29. August 2007 vollständig hätten abgewickelt werden können. Die vom beklagten Land gehandhabte Tarifanwendung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Gruppe der Vertretungslehrer würde ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Beschäftigtengruppen benachteiligt.

8

Die Klägerin hat beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an sie rückständige Arbeitsvergütung in Höhe von 11.800,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Betrag in Höhe von 565,80 Euro ab dem 1. November 2007, für einen weiteren Betrag in Höhe von 565,80 Euro ab dem 1. Dezember 2007, für einen weiteren Betrag in Höhe von 565,80 Euro ab dem 1. Januar 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 623,15 Euro ab dem 1. Februar 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 621,45 Euro ab dem 1. März 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 930,61 Euro ab dem 1. April 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 930,61 Euro ab dem 1. Mai 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 930,61 Euro ab dem 1. Juni 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 930,61 Euro ab dem 1. Juli 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 288,94 Euro ab dem 1. August 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 969,38 Euro ab dem 1. September 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 969,38 Euro ab dem 1. Oktober 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 969,38 Euro ab dem 1. November 2008, für einen weiteren Betrag in Höhe von 969,38 Euro ab dem 1. Dezember 2008 sowie für einen weiteren Betrag in Höhe von 969,38 Euro ab dem 1. Januar 2009 zu zahlen.

Hilfsweise hat die Klägerin beantragt festzustellen,

        

dass sie ab dem 20. September 2007 in die Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 5 der Anlage A 1 des TV-L einzugruppieren ist.

9

Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF sei so auszulegen, dass mit der Formulierung „darüber hinaus“ bei Lehrkräften eine Unterbrechung von mehr als einem Monat bis zur Gesamtdauer der Sommerferien unschädlich sei. Im Übrigen errechne sich für den Klagezeitraum nur eine Bruttoentgeltdifferenz in Höhe von 8.844,80 Euro.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das beklagte Land beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht die beanspruchte Vergütung der Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 5, TV-L nicht zu.

12

I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L unter Berücksichtigung der ab dem 30. September 2005 beim beklagten Land in den befristeten Arbeitsverhältnissen jeweils erworbenen einschlägigen Berufserfahrung der Entwicklungsstufe 2 der Entgeltgruppe 11 TV-L zuzuordnen war und deshalb keinen Anspruch auf das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 5, TV-L hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vom 19. Juli 2007 bis zum 19. September 2007 nicht unschädlich im Sinne der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF.

13

1. Diese Protokollerklärung ist ebenso wie die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA materieller Bestandteil des Tarifvertrags(vgl. zu letztgenannter Protokollerklärung BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 14, BAGE 128, 317). Die Schriftform des § 1 Abs. 2 TVG ist eingehalten. Die Protokollerklärung ist von den Unterschriften der Tarifvertragsparteien unter den TVÜ-Länder erfasst. In ihr kommt der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung zum Ausdruck. Sie regelt ebenso wie die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA die Frage, wann eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses unschädlich ist. Die Auslegung der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF als normativer Teil des Tarifvertrags folgt damit den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln(vgl. BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - aaO; 15. Februar 2007 - 6 AZR 773/06 - Rn. 13, BAGE 121, 266; 28. September 1989 - 6 AZR 166/88 - zu II 2 der Gründe, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 4 = EzBAT BAT F 2 §§ 22, 23 Heimzulage Nr. 1).

14

2. Dem Wortlaut, dem im tariflichen Gesamtzusammenhang zum Ausdruck kommenden Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder und der hierzu vereinbarten Protokollerklärung sowie der Tarifgeschichte ist zu entnehmen, dass eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei Lehrkräften stets vorliegt, wenn während eines im Vergleich zur Dauer der Sommerferien längeren Zeitraums kein Arbeitsverhältnis bestanden hat(Clemens/Scheuring/Stein-gen/Wiese TV-L Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 20).

15

a) § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder stellt ebenso wie § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA die allgemeine Regel auf, dass die tariflichen Überleitungsbestimmungen nur Anwendung finden, wenn das Arbeitsverhältnis über den festgesetzten Stichtag hinaus ununterbrochen fortbesteht. Grundsätzlich ist danach jede rechtliche Unterbrechung für die Anwendung des TVÜ-Länder schädlich (vgl. zur Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 16, BAGE 128, 317).

16

b) Hiervon enthält die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF ebenso wie die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA eine für alle Beschäftigten geltende Ausnahme für den Fall, dass eine Unterbrechung nicht länger als einen Monat andauert. Eine solche Unterbrechung ist unschädlich. Der Tarifvertrag fingiert in diesem Fall das Arbeitsverhältnis als ununterbrochen fortbestehend. Nach dem Wortlaut der Protokollerklärung ist hierfür allein die Dauer der Unterbrechung maßgeblich. Auf einen möglichen sachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen kommt es danach nicht an (vgl. zur Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 16, BAGE 128, 317).

17

c) Für Lehrkräfte im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF die für alle Beschäftigten geltende Fiktion, wonach Unterbrechungen von bis zu einem Monat unschädlich sind, für nicht ausreichend gehalten. Ihnen war bewusst, dass die Sommerferien länger als einen Monat dauern und die nicht seltene Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei befristet beschäftigten Lehrkräften während dieser Ferien nicht nur bewirken würde, dass diese Lehrkräfte während der Sommerferien regelmäßig arbeitslos sind und keinen Anspruch auf Vergütung haben (BAG 19. Dezember 2007 - 5 AZR 260/07 - AP TzBfG § 4 Nr. 15 = EzA TzBfG § 4 Nr. 14), sondern dass nach ihrer Wiedereinstellung nach den Sommerferien auch die tariflichen Überleitungsbestimmungen keine Anwendung mehr fänden. Dies haben sie für nicht angemessen erachtet und deshalb angeordnet, dass bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O Unterbrechungen während der Gesamtdauer der Sommerferien unschädlich sind. Die Klägerin war Lehrkraft im Sinne dieser Vorbemerkung, nach der die Anlage 1a nicht für Angestellte gilt, die als Lehrkräfte - auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen - beschäftigt sind, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist. Für eine solche Vereinbarung fehlt jeder Anhaltspunkt. Zwischen den Parteien besteht auch kein Streit darüber, dass die Klägerin Lehrkraft im Sinne der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF war und damit eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses nur während der Gesamtdauer der Sommerferien unschädlich gewesen wäre. Die Parteien streiten ausschließlich darüber, ob die Worte „darüber hinaus“ in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF so auszulegen sind, dass bei Lehrkräften der sich für alle Beschäftigten unschädliche Unterbrechungszeitraum von einem Monat um die Dauer der Sommerferien verlängert(so LAG Düsseldorf 9. Dezember 2008 - 6 Sa 1138/08 -), oder so zu verstehen sind, dass bei Lehrkräften bei Unterbrechungen während der Sommerferien an die Stelle des Zeitraums von einem Monat die Dauer der Sommerferien tritt (so LAG Hamm 20. Januar 2009 - 12 Sa 1109/08 -), wie dies die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder nF jetzt ausdrücklich festlegt.

18

d) Bereits der Wortlaut der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF spricht für das Verständnis, dass bei Lehrkräften eine im Vergleich zur Dauer der Sommerferien längere Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bewirkt, dass die Unterbrechung nicht mehr unschädlich ist.

19

aa) Im Gegensatz zur Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder nF regelt die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF zwar nicht ausdrücklich, dass bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O bei Unterbrechungen während der Sommerferien an die Stelle des Zeitraums von einem Monat die Dauer der Sommerferien tritt. Die für die Frage der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin maßgebliche Protokollerklärung aF spricht vielmehr davon, dass in der Zeit bis zum 31. Oktober 2008 Unterbrechungen von bis zu einem Monat, bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O darüber hinaus während der Gesamtdauer der Sommerferien, unschädlich sind. Entgegen der Ansicht der Klägerin haben die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung „darüber hinaus“ den für die Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses unschädlichen Zeitraum von einem Monat bei Lehrkräften nicht um die Dauer der Sommerferien verlängert. Die Worte „darüber hinaus“ beziehen sich auf die Monatsfrist. Die Tarifvertragsparteien haben gerade nicht geregelt, dass bei Lehrkräften Unterbrechungen während der Gesamtdauer der Sommerferien und bis zu einem Monat darüber hinaus unschädlich sind.

20

bb) Für ein redaktionelles Versehen der Tarifvertragsparteien bei der Formulierung der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF fehlen Anhaltspunkte. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien nicht wussten, dass es bei Lehrkräften nicht nur während der Sommerferien, sondern auch außerhalb dieser Ferien zu längeren Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann, zB dann, wenn eine Lehrkraft jeweils befristet zur Vertretung anderer Lehrkräfte für die Dauer eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer vereinbarten Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes oder einer längeren Arbeitsunfähigkeit beschäftigt wird. Gleichwohl haben die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder bei Unterbrechungen außerhalb der Sommerferien für Lehrkräfte keinen von dem für alle Beschäftigten geltenden unschädlichen Zeitraum von bis zu einem Monat abweichenden längeren Zeitraum festgelegt. Dies zeigt, dass sie die Lehrkräfte bezüglich der Dauer der Unterbrechung gegenüber den anderen Beschäftigten nicht allgemein besserstellen, sondern angesichts der nicht seltenen Praxis der Länder, die Arbeitsverhältnisse mit Lehrkräften auf das Schuljahresende zu befristen und die Lehrkräfte nach den Sommerferien neu einzustellen (vgl. zu dieser Praxis BAG 19. Dezember 2007 - 5 AZR 260/07 - AP TzBfG § 4 Nr. 15 = EzA TzBfG § 4 Nr. 14; LAG Hamm 20. Januar 2009 - 12 Sa 1109/08 -; LAG Düsseldorf 9. Dezember 2008 - 6 Sa 1138/08 -), nur sicherstellen wollten, dass die tariflichen Überleitungsbestimmungen bei einer Unterbrechung während der Sommerferien noch Anwendung finden.

21

cc) Gegen das Verständnis der Klägerin spricht auch, dass den Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder die Dauer der Sommerferien in den einzelnen Bundesländern bekannt war. Diese Ferien dauern in aller Regel ca. sechs Wochen. Wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder gemäß der Ansicht der Klägerin beabsichtigt hätten, dass sich bei Lehrkräften der für alle Beschäftigten geltende unschädliche Unterbrechungszeitraum von bis zu einem Monat um die Dauer der Sommerferien verlängert, hätte es von der Regelungstechnik her und aus Gründen der Praktikabilität nahegelegen, für Lehrkräfte eine bestimmte, von dem Zeitraum von bis zu einem Monat abweichende, besondere Zeitspanne festzulegen, während der Unterbrechungen unschädlich sind, zB einen Zeitraum von zwei Monaten oder zehn Wochen. Aus dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien von einer solchen naheliegenden Regelung abgesehen haben, kann abgeleitet werden, dass es sich bei den in der Protokollerklärung genannten Zeiträumen nach ihrem Willen um Alternativen und somit bei der Gesamtdauer der Sommerferien um die maximale unschädliche Dauer der Unterbrechung handeln sollte.

22

e) Die Tarifgeschichte bestätigt das Auslegungsergebnis. Die Regelung in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder nF, wonach bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O bei Unterbrechungen während der Sommerferien an die Stelle des Zeitraums von einem Monat die Dauer der Sommerferien tritt, schließt eine Kumulierung aus. Dass die Neufassung der Protokollerklärung die Anwendung der Überleitungsbestimmungen des TVÜ-Länder hindert, wenn die Unterbrechung auch nur einen Tag länger dauert als die Sommerferien, räumt auch die Klägerin ein. Ihre Mutmaßung, die Neufassung der Protokollerklärung könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Verhandlungsführer der Gewerkschaftsseite hinsichtlich der streitbefangenen Frage gegenüber der TdL nachgegeben hätten, um an anderer Stelle ein Zugeständnis zu erreichen, überzeugt nicht. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder wenige Monate nach dem Außerkrafttreten der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF mit Ablauf des 31. Oktober 2008 an dem für alle Beschäftigten geltenden unschädlichen Unterbrechungszeitraum von einem Monat festgehalten und bei Lehrkräften im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O wiederum bestimmt haben, dass Unterbrechungen während der Sommerferien die Anwendung der Überleitungsbestimmungen des TVÜ-Länder nicht hindern, legt nahe, dass sie bei Lehrkräften die Dauer der unschädlichen Unterbrechung im Vergleich zur bis zum 31. Oktober 2008 geltenden Rechtslage nicht völlig anderen Regeln unterwerfen wollten, sondern sich nur veranlasst sahen klarzustellen, dass sich die unschädliche Unterbrechung von bis zu einem Monat bei Lehrkräften nicht um die Dauer der Sommerferien verlängert und die Sommerferien damit die Höchstgrenze einer unschädlichen Unterbrechung darstellen (vgl. zu dieser möglichen Klarstellungsfunktion der Neufassung einer tariflichen Regelung BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 716/08 - Rn. 17, AP TVöD § 8 Nr. 9 = EzTöD 120 TVöD-K § 8.1 Nr. 3).

23

f) Das Argument der Klägerin, zwischen den Zeitarbeitsverhältnissen, die sich in der Regel unmittelbar an die Sommerferien anschlössen, und den Arbeitsverhältnissen von Vertretungslehrkräften sei zu differenzieren, weil letztgenannte Arbeitsverhältnisse klassischerweise dadurch gekennzeichnet seien, dass sich nur in Ausnahmefällen ein weiteres Arbeitsverhältnis ohne zeitlichen Verzug unmittelbar an die Sommerferien anschließe, trägt nicht. Auch wenn es zuträfe, dass in aller Regel ein Bedarf an Vertretungslehrkräften erst nach den Sommerferien erkennbar wird und Vertretungslehrkräfte deshalb und aufgrund des Ruhens des Schulbetriebs während der Sommerferien sowie aufgrund der erforderlichen Einstellungsformalitäten nur sehr selten bereits am ersten Schultag nach den Sommerferien wieder eingestellt werden, ist doch maßgebend, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder bezüglich der Unschädlichkeit von Unterbrechungen bei Lehrkräften nicht zwischen Zeitarbeitsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen von Vertretungslehrkräften unterschieden haben. Sie haben die Regelung ausdrücklich für alle Lehrkräfte im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O und damit auch für Vertretungslehrkräfte getroffen. Den Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder kann auch nicht unterstellt werden, dass sie nicht wussten, dass Vertretungslehrkräfte aufgrund des häufig erst nach den Sommerferien erkennbaren Bedarfs, der erforderlichen Auswahl unter den Bewerbern und Bewerberinnen und der notwendigen Beteiligung des Personalrats regelmäßig nicht bereits am ersten Schultag nach den Sommerferien wieder eingestellt werden. Wenn sie gleichwohl nur die Dauer der Sommerferien als unschädliche Unterbrechung bestimmt haben, ist dieser Wille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder zu achten.

24

g) § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder iVm. der zugehörigen Protokollerklärung aF verstößt nicht gegen das Verbot der Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG.

25

aa) Nach dieser Bestimmung darf ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung des Arbeitsvertrags nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Eine schlechtere Behandlung liegt vor, wenn befristet Beschäftigte für die gleiche Arbeitsleistung eine geringere Bezahlung als die unbefristet Tätigen erhalten. Auch dürfen Dauerbeschäftigten geleistete Vorteile befristet Beschäftigten nicht wegen der Befristung vorenthalten werden (BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 19, BAGE 128, 317; 19. Dezember 2007 - 5 AZR 260/07 - Rn. 13, AP TzBfG § 4 Nr. 15 = EzA TzBfG § 4 Nr. 14). Tarifvertragliche Regelungen müssen mit § 4 Abs. 2 TzBfG vereinbar sein. Das in dieser Vorschrift geregelte Diskriminierungsverbot steht nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien(BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 64/03 - zu II 2 der Gründe, BAGE 109, 110).

26

bb) Die Klägerin wird nicht wegen der Befristung ihrer früheren Arbeitsverhältnisse schlechter behandelt als vergleichbare unbefristet beschäftigte Lehrkräfte. Die Regelung des Geltungsbereichs des TVÜ-Länder in § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder iVm. der Protokollerklärung aF hierzu knüpft nicht unmittelbar an die Befristung, sondern an den ununterbrochenen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an (vgl. zur entsprechenden Regelung im TVÜ-VKA BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 20, BAGE 128, 317). Zu Unterbrechungen kann es nicht nur durch mehrere nicht unmittelbar aneinander anschließende befristete Arbeitsverhältnisse, sondern auch durch Kündigungen und Aufhebungsverträge kommen. Umgekehrt liegt ein ununterbrochen fortbestehendes Arbeitsverhältnis auch vor, wenn die befristeten Arbeitsverhältnisse nahtlos aneinander anschließen (vgl. BAG 19. April 2005 - 3 AZR 128/04 - zu II 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 7 = EzBAT Versorgungs-TV § 6 Nr. 12) oder - so die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF und nF - die Unterbrechung zwischen den befristeten Arbeitsverhältnissen die Dauer von einem Monat nicht überschreitet.

27

cc) Ob § 4 Abs. 2 TzBfG auch ein Verbot der mittelbaren Benachteiligung wegen befristeter Beschäftigung enthält(zum Streitstand vgl. MünchKomm-BGB/Henssler 5. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 16 mwN), kann ebenso wie in der Entscheidung des Senats vom 27. November 2008 (- 6 AZR 632/08 - Rn. 21, BAGE 128, 317) offenbleiben. Die Vermeidung des der Klägerin aufgrund der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Nachteils wird vom Schutzzweck des § 4 Abs. 2 TzBfG nicht mit umfasst. § 4 Abs. 2 TzBfG verbietet nicht die Befristung als solche, sondern nur eine Ungleichbehandlung während der Dauer der Befristung. Diese Bestimmung schützt Arbeitnehmer, die im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis ein neues Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen eingehen, nicht vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 64/03 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 109, 110). Mit dem Ablauf der bisherigen Vertragsbedingungen wirkt sich nur der Nachteil aus, der mit einer Befristung stets verbunden ist oder verbunden sein kann. Nach dem Ende einer wirksamen Befristung sind die Parteien bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich frei und an frühere Abmachungen nicht gebunden (BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - zu III der Gründe, BAGE 109, 369). Allerdings ordnet § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L an, dass die Stufenzuordnung, wenn Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber verfügen, unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis erfolgt. Das beklagte Land hat die Berufserfahrung der Klägerin aus den befristeten Arbeitsverhältnissen ungeachtet der Unterbrechungen bei der Ermittlung der tariflichen Vergütung berücksichtigt.

28

h) Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder iVm. der hierzu ergangenen Protokollerklärung aF ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Entgegen der Ansicht der Klägerin werden befristet beschäftigte Vertretungslehrkräfte, deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf des letzten Schultages vor den Sommerferien endet und über diese hinaus unterbrochen ist, in Bezug auf die Anwendbarkeit des TVÜ-Länder nicht gegenüber durchgängig mit Zeitarbeitsverträgen beschäftigten Lehrkräften ungerechtfertigt benachteiligt. Dem steht schon entgegen, dass Vertretungslehrkräfte ebenso wie andere befristet Beschäftigte nach Ablauf einer Befristung grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, schon gar keinen Anspruch auf Wiedereinstellung zu den bisherigen Bedingungen haben (vgl. BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 22, BAGE 128, 317). Eine Überleitung in einen anderen Tarifvertrag ist nur erforderlich, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien über den Überleitungszeitpunkt hinaus das Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortbesteht. Soweit die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF bei Lehrkräften eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses während der Sommerferien für unschädlich erklärt, liegt hierin keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Lehrkräften, deren Arbeitsverhältnis länger unterbrochen war. Schon der von den Tarifvertragsparteien für andere Beschäftigte gewählte Zeitraum von einem Monat, nach dessen Überschreitung eine Anwendung des TVÜ-Länder ausscheidet, ist sachgerecht (vgl. zur entsprechenden Regelung im TVÜ-VKA BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - aaO). Der TVÜ-Länder unterscheidet sich ebenso wie der TVÜ-VKA insoweit nicht wesentlich von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage, wann ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG und § 622 Abs. 2 BGB vorliegt. Danach ist regelmäßig von einer rechtlich relevanten Unterbrechung auszugehen, wenn der Unterbrechungszeitraum mehr als drei Wochen beträgt (BAG 22. September 2005 - 6 AZR 607/04 - zu II 1 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Nr. 58). Soweit die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder aF diesen Zeitraum maßvoll auf einen Monat ausdehnt, ist dies nicht zu beanstanden(vgl. zur Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 22, BAGE 128, 317). Dies gilt erst recht, soweit die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder der besonderen Situation befristet beschäftigter Lehrkräfte Rechnung getragen und angesichts der längeren Dauer der Sommerferien angeordnet haben, dass nicht nur Unterbrechungen von bis zu einem Monat unschädlich sind, sondern auch Unterbrechungen während der Gesamtdauer der Sommerferien. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich eine weitere Ausdehnung des unschädlichen Unterbrechungszeitraums nur für Lehrkräfte kaum rechtfertigen ließe, zumal auch außerhalb des Schuldienstes kurzfristig Vertretungsbedarf entstehen kann, eine Bewerberauswahl getroffen werden muss und Personalräte beteiligt werden müssen, so dass Unterbrechungen von über einem Monat vorkommen.

29

3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Berufung des beklagten Landes auf die Überschreitung des Unschädlichkeitszeitraumes verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Haupt- und Realschule in G erst am 31. August 2007 und damit erst nach den Sommerferien die Zuweisung einer „Feuerwehrlehrkraft“ beantragt. Schon dies schließt eine treuwidrige Berufung des beklagten Landes auf die Schädlichkeit der Unterbrechung bezüglich der Anwendung der tariflichen Überleitungsbestimmungen aus.

30

II. Da der Klägerin die von ihr ab dem 20. September 2007 beanspruchte Vergütung der Entgeltgruppe 11, Entwicklungsstufe 5, TV-L nicht zusteht, ist auch der von ihr hilfsweise gestellte Feststellungsantrag unbegründet.

31

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Uwe Zabel    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Juli 2010 - 5 Sa 18/10 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Oktober 2009 - 15 Ca 183/09 - zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils - die Beklagte verurteilt, an den Kläger über den ausgeurteilten Betrag hinaus 201,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2008 zu zahlen.

3. Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers für die Monate September bis Dezember 2008.

2

Die Beklagte stellt Halbleiter her und betrieb in ihrer Produktionsstätte Hamburg ua. den Produktionsbereich ICH (Integrated Circuits Hamburg). Dort war der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft IG Metall ist, von 1994 bis zum 30. April 2009 beschäftigt.

3

Die Beklagte hatte mit der IG Metall am 1. August 2001 einen Anschlusstarifvertrag geschlossen, demzufolge die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie des Tarifgebietes Hamburg und Umgebung in ihrer jeweiligen Fassung für die Beschäftigten ihres Hamburger Betriebes gelten sollten. Nach § 3 des so übernommenen Manteltarifvertrages für das Tarifgebiet Hamburg/Schleswig-Holstein in der Fassung vom 20. April 2000 (MTV) betrug die Wochenarbeitszeit 35 Stunden.

4

Am 2. Dezember 2005 schloss die Beklagte mit der IG Metall mit Wirkung zum 1. Januar 2006 einen Ergänzungstarifvertrag (ETV), der ua. folgende Regelungen enthält:

        

„Präambel

        

Die Firma strebt angesichts der wachsenden weltweiten Konkurrenz in der zyklischen Halbleiter-Industrie eine Sicherung des Standortes durch nachhaltige Maßnahmen der Produktivitätsverbesserung, kontinuierliche Innovation und Erhöhung der Arbeitszeit- und Kostenflexibilität an.

        

Mit diesem Tarifvertrag soll ein Beitrag geleistet werden zur Sicherung vorhandener Arbeitsplätze und zur Schaffung der Voraussetzungen für die Allokation weiterer Investitionen und damit verbunden für die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze.

        

Die nachfolgenden Bestimmungen ergänzen den Tarifvertrag vom 01.08.2001, und zwar mit einem Geltungsbereich allein für den Betrieb Hamburg.

        

…       

        

III. Arbeitszeitregelungen 5

        

1. Dauer der Arbeitszeit:            

        

1.1. Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden wird für Vollzeitbeschäftigte um 2,5 Stunden zusätzliche Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich erhöht.

        

Für Teilzeitbeschäftigte gilt die Bestimmung entsprechend dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten.

        

Berechnungsbasis für Stundenverdienst, Vergütung bei Kurzarbeit oder TV Beschäftigungssicherung, Entgeltfortzahlung usw. bleibt der Divisor 152,25 Stunden pro Monat (Basis 35 Std. Woche).

        

Der Zeitfaktor bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung und Urlaub beträgt 35 Stunden.

        

Ein Mitarbeiter kann gegenüber dem Vorgesetzten schriftlich (entsprechend dem Verfahren für Urlaubsgewährung, einschließlich Quittierung) anstelle der Arbeitszeitverlängerung eine entsprechende Entgeltminderung in Höhe von 7,14 % des monatlichen Grundentgeltes wählen. Monatliches Grundentgelt sind alle monatlichen Entgeltkomponenten mit Ausnahme der in Anlage 1 Ziff. III - VII genannten Zulagen und des in Anlage 1 Ziff. VIII genannten Zuschusses. Tarifliche Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge werden bei einer Entscheidung für Entgeltminderung auf der Basis des nicht geminderten Entgeltes abgerechnet.

        

Die Wahlentscheidung kann nach 12 Monaten individuell mit Wirkung ab dem übernächsten Monat geändert werden. Bei Schichtmitarbeitern gilt die Ziffer III.1.3.

        

1.2. Die Umsetzung der verlängerten Arbeitszeit erfolgt durch jährliche Schichtpläne, die mit dem Betriebsrat abgestimmt werden.

        

…       

        

2. Maßnahmen im Downturn:            

        

2.1. In Zeiten verminderten Arbeitsanfalls wird im betreffenden Bereich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden (Vollzeit) bzw. bei Teilzeit (z.B. Wochenendschichtler) auf die vertraglich vereinbarte regelmäßige / durchschnittliche Wochenarbeitszeit zurückgeführt.

        

Reicht dies nicht aus, werden die vorhandenen Instrumentarien in folgender Rangfolge: Abbau der Leiharbeit, Abbau des Flexi-Kontos, Operator-Transfer, Kurzarbeit, Arbeitszeitabsenkung nach TV Beschäftigungssicherung genutzt, um betriebsbedingte Entlassungen zu vermeiden.

        

2.2. Arbeitnehmer, die gemäß Ziff. III. 1.1. bzw. 1.3. Entgeltminderung gewählt haben, können nur dann in Kurzarbeit oder Arbeitszeitabsenkung nach TV Beschäftigungssicherung einbezogen werden, wenn zuvor die regelmäßige Arbeitszeit von 35 Stunden bzw. 26,1 Stunden (Wochenendschicht) wieder hergestellt wird.

        

3. Leiharbeit            

        

Die Ersetzung von Stammbelegschaft durch Leiharbeit mittels betriebsbedingter Kündigungen ist nicht beabsichtigt.

        

Eine betriebsbedingte Kündigung ist solange unzulässig, wie vergleichbare Leiharbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden. Vergleichbar ist ein Leiharbeitnehmer dann, wenn dessen Aufgabe - gegebenenfalls nach Einarbeitung gemäß den im Betrieb üblichen Plänen - vom Stammmitarbeiter übernommen werden kann.

                 
        

4. Flexibles Arbeitszeitkonto            

        

Es wird ein flexibles Arbeitszeitkonto auf Guthabenbasis (kein Aufbau von Zeitschulden) eingerichtet. Aufbau und Abbau des flexiblen Arbeitszeitkontos betreffen Arbeitszeit oberhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

        

Das Konto wird als individuelles Zeitkonto geführt. Die Inanspruchnahme des Zeitkontos und die Zuführung von Arbeitszeiten sind freiwillig. Der Beschäftigte kann Arbeitszeitguthaben u.a. zum Ausgleich von Einbringzeiten verwenden.

        

Die weiteren Einzelheiten über Zuführung von Arbeitszeiten in das Arbeitszeitkonto und kollektiven Abbau von Guthaben im Downturn werden zwischen den Betriebsparteien vereinbart. Im Nichteinigungsfall entscheidet die Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG).“

5

Der Kläger entschied sich statt einer wöchentlichen Arbeitszeiterhöhung von 2,5 Stunden für die Entgeltminderung von 7,14 % ab dem 1. Januar 2006. Dies bedeutete für den September 2008 ein um 201,00 Euro gemindertes Entgelt sowie für die drei Monate des letzten Quartals 2008 eine Entgeltminderung von insgesamt 601,80 Euro.

6

Der Produktionsbereich ICH, in dem der Kläger beschäftigt wurde, war wie folgt ausgelastet:

        

        

Quartal

        
        

2007   

I.    

76 %   

                 

II.     

78 %   

                 

III.   

95 %   

                 

IV.     

90 %   

        

2008   

I.    

65 %   

                 

II.     

63 %   

                 

III.   

57,8 %

7

Von Juni bis November 2008 reduzierte die Beklagte die Zahl der im Bereich ICH beschäftigten Leiharbeitnehmer um 60. Im September 2008 nahm sie Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft über den Gegenstand einer größeren Umstrukturierung im Betrieb Hamburg auf. Im Oktober 2008 bot sie den Beschäftigten Aufhebungsverträge nach dem „Prinzip der doppelten Freiwilligkeit“ an, außerdem strebte sie eine Befreiung von der tarifvertraglich vorgesehenen Übernahmeverpflichtung für Auszubildende an. Schließlich schieden im Zeitraum von Juni bis Anfang Dezember 2008 bei der Beklagten 17 Arbeitnehmer des Bereichs ICH aufgrund von Kündigungen „aus betrieblichen Gründen“ aus. Anfang Oktober 2008 verlangte der Betriebsrat die Rückkehr zur 35-Stunden-Woche von der Beklagten. Ein von der Gewerkschaft eingeleitetes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde auf die Erklärung der Beklagten, ab dem 1. Januar 2009 wieder in der 35-Stunden-Woche arbeiten zu lassen, zurückgenommen.

8

Der Kläger, vertreten durch die IG Metall, hat die jeweiligen Minderungsbeträge für die Monate September bis Dezember 2008 mit Schreiben vom Dezember 2008 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Dazu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach Ziff. III. 2.1. ETV zur Arbeitszeitreduzierung auf 35 Wochenstunden schon ab dem dritten Quartal 2008 verpflichtet gewesen. Aufgrund der gegenüber 2007 gesunkenen Auslastungsquote, die im vierten Quartal 2008 nur noch 44 % gegenüber einer Normalauslastung von 60 - 80 % betragen habe, liege schon in der ganzen zweiten Jahreshälfte eine „Zeit verminderten Arbeitsanfalls“ vor. Dies werde durch den Abbau der Leiharbeitnehmer und die betriebsbedingten Kündigungen oder Aufhebungsverträge bestätigt. Die bei ihm vorgenommenen Gehaltskürzungen seien folglich seit Beginn des dritten Quartals unzulässig gewesen.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 802,80 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 201,00 Euro seit dem 1. Oktober 2008, aus 201,12 Euro seit dem 1. November 2008, aus 200,68 Euro seit dem 1. Dezember 2008 und aus 200,00 Euro seit dem 1. Januar 2009 zu zahlen.

10

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass sich ihrer Auffassung nach aus dem ETV für den einzelnen Arbeitnehmer kein Anspruch auf Änderung der kollektiven Arbeitszeit ergebe. Ziff. III. 2.1. ETV sei so unbestimmt, dass die Norm nicht justiziabel sei. Das normale Auslastungsniveau von 60 - 80 % habe noch bis in das dritte Quartal 2008 angedauert, selbst im vierten Quartal 2008 habe die Auslastungsquote noch bei 50 % gelegen. Darauf habe sie mit dem Abbau von Leiharbeit reagiert. Ein nachhaltiger Nachfragerückgang habe sich infolge der weltweiten Finanzkrise erst im Oktober 2008 abgezeichnet und sich zeitversetzt auf die Produktion erst im ersten Quartal 2009 ausgewirkt. Die Ende 2008 angestrebten Umstrukturierungen seien durch Überlegungen zur Kostensenkung begründet gewesen, sie stellten keine Reaktion auf einen Arbeitsmengenrückgang dar. Die ausgesprochenen Kündigungen seien in Wahrheit leistungsbedingt gewesen. Mit den Aufhebungsverträgen habe man spätere betriebsbedingte Kündigungen vermeiden wollen. Dem Tarifvertrag sei keine Rangfolge der Maßnahmen zu entnehmen, die Entlassungen aus betrieblichen Gründen unnötig machen sollten. Es müsse nicht zunächst zur 35-Stunden-Woche zurückgekehrt werden. Dies sei wegen der umfangreichen Schichtplanänderungen auch nicht möglich. Schließlich habe sie zügig mit der Umstellung zum 1. Januar 2009 auf den erkennbar nachhaltigen Nachfragerückgang reagiert.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung des Differenzentgelts für das vierte Quartal 2008 iHv. 601,80 Euro verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger noch seinen Entgeltanspruch für den Monat September 2008 weiter, während die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils anstrebt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet, die der Beklagten ist unbegründet. Nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. Ziff. III. 2.1. Abs. 1 ETV iVm. Ziff. III. 1.1. Abs. 5 ETV hat der Kläger für die Monate September bis Dezember 2008 Anspruch auf eine ungekürzte Arbeitsvergütung.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Anspruch des Klägers auf Rückführung der Arbeitszeit und damit auf Wegfall der Entgeltminderung folge aus Ziff. III. 2.1. ETV. Die Beklagte habe sich mit ihrer Verpflichtung, zur 35-Stunden-Woche zurückzukehren, jedenfalls im vierten Quartal 2008 in Verzug befunden. Die tarifliche Regelung zur Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit oder zur Rückkehr zur Normalarbeitszeit in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls stelle eine Inhaltsnorm dar. Die Rückführung habe dabei nur eines Entschlusses der Beklagten und der Umsetzung in Schichtpläne bedurft. Wenn man nicht von einer tariflichen Inhaltsnorm ausgehe, gelte nichts anderes, denn dann handele es sich um eine schuldrechtliche Begünstigung Dritter. Die Auslegung des Tarifvertrages ergebe in beiden Fällen, dass die Beklagte zur Rückführung der Arbeitszeit auf die 35-Stunden-Woche verpflichtet gewesen sei, wobei sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebe, dass hierfür auf die quartalsweise ermittelten Auslastungsquoten abzustellen sei. Die durchschnittliche Normalauslastung betrage 60 - 80 %. Diese sei mit 57,8 % im dritten Quartal 2008 erstmals unterschritten worden, was aber eine so geringe Abweichung darstelle, dass noch keine Pflicht zur Rückführung auf die 35-Stunden-Woche bestanden habe. Anders im vierten Quartal, in dem die Auslastung weit unter dem Durchschnitt gelegen habe, so dass die Beklagte habe reagieren müssen. Der ETV diene der Arbeitsplatzsicherung in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls, wobei es die Beklagte zu tragen habe, dass in solchen Zeiten ihre Kosten steigen, wenn zuvor Arbeitnehmer die Möglichkeit der Entgeltkürzung gewählt hatten. Die IG Metall habe die Beklagte gemahnt, ihre Verpflichtung zu erfüllen und zur tariflichen Normalarbeitszeit zurückzukehren. Diese Verpflichtung habe die Beklagte jedenfalls im vierten Quartal 2008 schuldhaft verletzt, da sie nicht schon ab Oktober 2008, sondern erst ab Januar 2009 zur 35-Stunden-Woche zurückgekehrt sei, obwohl sie die verminderte Auslastung schon nach den Zahlen des dritten Quartals 2008 hätte erkennen können.

14

B. Dem vermag der Senat nicht in allen Punkten zu folgen. Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Regelungen des ETV hat der Kläger Anspruch auf Zahlung der ungekürzten Vergütung für die Monate September bis Dezember 2008.

15

I. Die Regelungen des ETV vom 2. Dezember 2005 zur Arbeitszeitverlängerung/Entgeltkürzung sind wirksam.

16

1. Infolge beiderseitiger Tarifgebundenheit findet der ETV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TVG. Die Beklagte ist selbst Tarifvertragspartei, der Kläger ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft IG Metall.

17

2. Der ETV ist ein Tarifvertrag iSd. § 1 Abs. 1 TVG. Zwar können tariffähige Koalitionen und Arbeitgeber auch nichttarifliche Vereinbarungen treffen (BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6; 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - BAGE 110, 164 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 188 = EzA TVG § 1 Nr. 45). Im Zweifel ist jedoch davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien keinen Koalitionsvertrag zugunsten Dritter, sondern angesichts ihrer tarifautonomen Möglichkeit zur unmittelbaren Rechtssetzung nach dem TVG, einen Tarifvertrag vereinbaren wollten (BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - aaO; 5. November 1997 - 4 AZR 872/95 - BAGE 87, 45 = AP TVG § 1 Nr. 29 = EzA TVG § 1 Nr. 41).

18

Danach handelt es sich bereits nach dem Wortlaut der Vereinbarung um einen Tarifvertrag. Die Bezeichnung als „Ergänzungstarifvertrag“ sowie die durchgängige Verwendung des Begriffs „Tarifvertrag“ in den Einzelbestimmungen sowie die Bezeichnung der Vertragschließenden als „Tarifvertragsparteien“ sprechen für diese Annahme. Verwenden tariffähige Parteien in einer Vereinbarung feststehende Rechtsbegriffe wie „Tarifvertrag“, ist davon auszugehen, dass sie die Formulierung im Sinne des Gesetzes verstanden wissen wollten (BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6). Weiter war es Zweck der Vereinbarung, andere bestehende tarifvertragliche Regelungen abzuändern, dh. den Anschlusstarifvertrag und über diesen die wöchentliche Arbeitszeit bei der Beklagten zu modifizieren. Dies spricht auch dafür, dass die tariflichen Regelungen des ETV in gleicher Weise wie die abgeänderten Tarifbestimmungen zwingend und unmittelbar auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse einwirken sollten. Handelte es sich folglich um ein tarifliches Normenwerk, so sind für seine Auslegung die Regeln über die Auslegung von Tarifverträgen anzuwenden (vgl. BAG 7. Juni 2006 - 4 AZR 272/05 - AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43). Weiter galten die Regelungen des ETV zur Entgeltminderung unmittelbar und zwingend hinsichtlich des von der Beklagten geschuldeten Arbeitsentgelts, nachdem Arbeitnehmer wie der Kläger diese tariflich vorgesehene Alternative gewählt hatten, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG(so schon BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 478/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 209). Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die Beklagte im streitbefangenen Zeitraum die monatlichen Minderungsbeträge der Höhe nach korrekt berechnet hat.

19

3. Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit um 2,5 Stunden oder die entsprechende Kürzung des monatlichen Grundentgelts um 7,14 % nach den Bestimmungen des ETV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

20

a) Durch Tarifvertrag dürfen dem Arbeitgeber keine Rechte eingeräumt werden, die mit dem Schutz des Arbeitnehmers vor einseitiger Änderung des Arbeitsvertrages, wie er durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleistet wird, nicht mehr vereinbar sind. Wird durch Tarifvertrag die Einführung von Kurzarbeit dem Arbeitgeber überlassen, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen tarifvertraglich zu regeln, verstößt dies gegen zwingendes Kündigungsschutzrecht (vgl. BAG 27. Januar 1994 - 6 AZR 541/93 - BAGE 75, 327, 331 = AP BAT-O § 15 Nr. 1 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 1; 18. Oktober 1994 - 1 AZR 503/93 - AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2). Das Kündigungsschutzgesetz schützt aber nicht vor Änderungen der Arbeitszeit und/oder der Höhe des Arbeitsentgelts durch tarifvertragliche Regelung. Zudem regelt der ETV die Elemente der Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich oder die entsprechende Entgeltkürzung bei gleichbleibender Arbeitszeit selbst und räumt dem Arbeitgeber keine mit der Wertung des Kündigungsschutzgesetzes nicht zu vereinbarenden Befugnisse ein. Insbesondere hat der Arbeitgeber nicht die Befugnis bekommen, den Umfang der Arbeitszeitverlängerung oder der Entgeltkürzung abweichend anderweitig zu bestimmen. Auch handelt es sich um einen „Ergänzungstarifvertrag“, der in Ergänzung zum übernommenen Manteltarifvertrag für das Tarifgebiet Hamburg/Schleswig-Holstein ab 1. Januar 2006 eine Abweichung von der manteltarifvertraglichen Wochenarbeitszeit bestimmt und ebenso festlegt, wann diese Abweichung zu Ende geht. Er räumt dem Arbeitgeber auch insoweit keine gegen den etwaigen Kündigungsschutz verstoßende einseitige Dispositionsmöglichkeit ein.

21

b) Der ETV vom 2. Dezember 2005 verstößt auch nicht gegen Art. 12 GG. Zwar wird durch die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich oder durch die entsprechende Entgeltkürzung in gleichem Umfang in die Berufsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen, Art. 12 Abs. 1 GG. Denn der Tarifvertrag ändert das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, greift also in die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses ein. Damit wird aber dem Kläger kein verfassungsrechtlich gebotener Mindestschutz entzogen (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 75/08 - AP BGB § 315 Nr. 88; 8. Oktober 2008 - 5 AZR 707/07 - mwN, EzA TVG § 4 Bankgewerbe Nr. 5). Die Verlängerung der Arbeitszeit oder die Kürzung des Arbeitsentgelts sind geeignet, die Beschäftigung der sonst durch betriebsbedingte Kündigungen bedrohten Arbeitnehmer zu sichern. Die Tarifvertragsparteien haben eine solche Regelung für erforderlich gehalten. Dies unterliegt der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien, die nur dann zu korrigieren ist, wenn auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der von dem jeweiligen Tarifvertrag erfassten Beschäftigungsbetriebe und der dort zu verrichtenden Tätigkeiten ein Verstoß gegen die elementaren Gerechtigkeitsanforderungen nach den Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG bejaht werden muss(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZR 144/08 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 184; 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79 = AP BGB § 138 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 138 Nr. 2). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Die Regelung ist auch zumutbar, weil sie zum einen klare Vorteile wie den Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, soweit noch vergleichbare Leiharbeiter beschäftigt werden, enthält, zum anderen, weil sie den Arbeitnehmern ein Wahlrecht zwischen Arbeitszeitverlängerung oder direkter Entgeltkürzung einräumt. Sie ist daher auch angemessen (BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 707/07 - aaO).

22

II. Bei den Regelungen in Ziff. III. 2.1. Abs. 1 und Ziff. III. 1.1. Abs. 5 ETV handelt es sich um Inhaltsnormen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG und nicht um bloß schuldrechtlich zwischen den tarifvertragschließenden Parteien wirkende Bestimmungen.

23

1. Die Auslegung, ob es sich innerhalb eines Tarifvertrages um eine normative oder schuldrechtliche Bestimmung handelt, richtet sich ebenso wie die, ob ein Tarifvertrag oder eine sonstige schuldrechtliche Koalitionsvereinbarung vorliegt, nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(vgl. BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6; 7. Juni 2006 - 4 AZR 272/05 - AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - BAGE 110, 164 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 188 = EzA TVG § 1 Nr. 45; ErfK/Franzen 11. Aufl. § 1 TVG Rn. 80). Schuldrechtliche Verpflichtungen in einem Tarifvertrag sind solche, die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien regeln (§ 1 Abs. 1 TVG).

24

2. Aus Ziff. III. 2.1. Abs. 1 ETV ergeben sich nach dem Wortlaut schon keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien berechtigt oder verpflichtet sind, in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls durch eine tarifliche Regelung die Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden erst wieder zurückzuführen. Es heißt schlicht: „wird … zurückgeführt“. Dass dies durch die Tarifvertragsparteien zu geschehen hätte, ist nicht vorgesehen. Auch wenn es in einem Tarifvertrag, der den Bestand des Produktionsstandortes sichern soll, möglich gewesen wäre, eine Verhandlungsverpflichtung der Tarifvertragsparteien über eine Anschlussregelung für Krisenzeiten aufzunehmen, so ist dies vorliegend nicht geschehen. Hätte eine Verhandlungsverpflichtung aufgenommen werden sollen, hätte es nahegelegen zu vereinbaren, dass sich „die Tarifvertragsparteien verpflichten, in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls über eine Rückführung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden zu verhandeln“. Auch aus der Formulierung „wird … zurückgeführt“ ergibt sich nicht, dass es den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben sollte, dies durch eine Regelung erst herbeizuführen. Dies wäre dann anzunehmen, wenn das Ob und Wie der Zurückführung offen wäre (vgl. zur Herabsetzung von Arbeitszeit: BAG 1. August 2001 - 4 AZR 388/99 - BAGE 98, 303 = AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 5 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 2). Jedoch haben die Tarifvertragsparteien sowohl das Ob „wird … zurückgeführt“ als auch das Wie „auf 35 Wochenstunden (Vollzeit) bzw. bei Teilzeit … auf die vertraglich vereinbarte regelmäßige/durchschnittliche Wochenarbeitszeit“, geregelt. Geregelt ist auch der Zeitpunkt der Rückführung. Dies soll „in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls“ geschehen. Es ist auch nicht vorgesehen, dass die Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden zurückgeführt werden „kann“. Ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gewerkschaft dergestalt, dass die Fortführung der Arbeitszeitverlängerung in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls von der Zustimmung der Gewerkschaft abhängen sollte (vgl. dazu BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6), ergibt sich ebenso wenig. Schließlich ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „Maßnahmen“ in der Überschrift der Tarifnorm nicht, dass in der Tarifnorm schuldrechtliche Pflichten der Tarifvertragsparteien bestimmt werden. In Ziff. III. 2.1. Abs. 2 ETV ist das ultima-ratio-Prinzip für betriebsbedingte Kündigungen konkretisiert, wonach zunächst Leiharbeit und das Flexi-Konto abzubauen, ein Operator-Transfer, Kurzarbeit und eine Arbeitszeitabsenkung nach TV Beschäftigungssicherung zu nutzen sind, um betriebsbedingte Entlassungen zu vermeiden. In Ziff. III. 2.2. ETV ist noch eine Regelung zur Einbeziehung von Arbeitnehmern bei Entgeltminderung in Kurzarbeit oder Arbeitszeitabsenkung aufgenommen. Aus dieser Systematik ergibt sich, dass das Wort „Maßnahmen“ synonym für „Regelungen“ im Downturn steht, nicht aber ein Recht oder eine Pflicht einer oder beider Tarifvertragsparteien statuiert wurde.

25

a) Durch Ziff. III. 2.1. Abs. 1 ETV wird die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls auf 35 Wochenstunden „zurückgeführt“. Damit wird direkt das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit die Hauptleistungspflicht im Arbeitsverhältnis geregelt. Gleiches gilt für Ziff. III. 1.1. Abs. 5 ETV, womit eine Entgeltkürzung von 7,14 % „anstelle“ einer Arbeitszeitverlängerung zur Wahl gestellt wird. Diese Norm ist justiziabel, auch wenn sie unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Unbestimmte Rechtsbegriffe genügen dann den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Normklarheit und Justiziabilität, wenn sie mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden können (BVerfG 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 - BVerfGE 103, 21; vgl. BAG 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - BAGE 51, 59 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 115).

26

b) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mitzuberücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Es gibt nämlich weder einen allgemeinen Erfahrungssatz, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien jeweils den mit einer Tarifnorm verfolgten Sinn und Zweck zum Ausdruck bringen, noch gebietet die juristische Methodenlehre hier eine bestimmte Reihenfolge der Auslegungskriterien (vgl. BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14). Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG 30. Mai 2006 - 1 ABR 21/05 - mwN, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 9; 29. September 2004 - 1 ABR 29/03 - BAGE 112, 87 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 112 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 6; 4. Dezember 2002 - 10 AZR 138/02 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 3; 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 - mwN, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11; Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 985, 999 ff.).

27

c) Die Tarifnorm verwendet in der Überschrift den Begriff „Downturn“, welcher mit „Abschwung“ übersetzt werden kann. Es ist davon die Rede, dass „in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls“ die Arbeitszeit „im betreffenden Bereich“ „zurückgeführt“ wird. Damit wird eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwandt, die zwar auslegungsbedürftig, aber auch anhand der allgemeinen Grundsätze der Tarifauslegung auslegungsfähig sind. Abweichendes ergibt sich nicht aus der kumulierten Verwendung mehrerer unbestimmter Rechtsbegriffe. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Tarifvertragsparteien ist nur dann aus rechtsstaatlichen Gründen bedenklich, wenn diese eine willkürliche Subsumtion erlauben würden (vgl. BAG 6. Juni 1984 - 4 AZR 203/82 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 91). Dies trifft für die hier infrage stehenden Begriffe nicht zu.

28

d) Zwar kann dem Wortlaut des ETV nicht direkt entnommen werden, was die Tarifvertragsparteien als „Arbeitsanfall“ verstanden haben, was Bezugsgröße des „Rückgangs“ desselben sein soll und ob „jeder“ Rückgang schon eine Rückführung der Arbeitszeit bewirkt.

29

Aus dem Zweck und der Systematik ergibt sich aber, dass die Tarifvertragsparteien nur eine solche Verminderung des Arbeitsanfalls zur Rückführung vorgesehen haben, die Folge einer konjunkturellen, dh. mittelfristigen Änderung ist - in Abgrenzung zu bloß kurzfristigen, saisonalen Schwankungen. Dies ergibt sich aus der Überschrift der Tarifnorm, die „Maßnahmen im Downturn“ lautet. Mit dem Begriff Downturn, der mit Abschwung oder Rückgang übersetzt werden kann und mit dem Wort Aufschwung ein Begriffspaar einer zyklischen Entwicklung bildet (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 17. Aufl. Konjunkturphasen), wird der konjunkturelle Bezug und der Zusammenhang mit der Präambel des Tarifvertrages deutlich. Ziel des Tarifvertrages ist danach die Sicherung des Standortes angesichts der wachsenden Konkurrenz in der zyklischen Halbleiter-Industrie. Schwankungen in der Nachfrage und der Produktion, die zu Veränderungen des Auslastungsgrades der Produktionskapazität führen, sind nur dann konjunkturellen Ursprungs, wenn sie eine gewisse (zyklische) Regelmäßigkeit aufweisen. Auch die weiteren Regelungen in Ziff. III. 2. ETV sehen Regelungen vor, die einen längerfristigen Abschwung betreffen. In Ziff. III. 2.1. Abs. 2 ETV ist eine Regelung zur Konkretisierung des ultima-ratio-Prinzips bei betriebsbedingten Kündigungen aufgenommen, Ziff. III. 2.2. ETV betrifft eine Regelung der Kurzarbeit. Mithin werden insgesamt Regelungen zur mittelfristigen Sicherung der Beschäftigung getroffen.

30

Vor allem ergibt sich aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck, nachhaltig die Produktivität und die Arbeitszeit- und Kostenflexibilität zu erhöhen, dass nur solche Rückgänge im Arbeitsanfall relevant sein sollen, die eine längerfristige konjunkturelle Ursache haben. Nur so ergibt sich eine vernünftige und praktisch brauchbare Regelung, da die Tarifvertragsparteien dann eine nachhaltige Produktivitätsverbesserung erreichen können, wenn der Vorteil der Arbeitszeitverlängerung im Sinne einer Reduktion der Lohnstückkosten nicht bereits bei kurzfristigen Rückgängen verloren geht. Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, denn Grundlage der Tarifverhandlungen war der Geschäftsplan der Beklagten, der starke Auf- und Abschwünge in der Halbleiterkonjunktur thematisiert und einen Aufschwung erst ab dem Jahr 2007 prognostiziert hat. Als der Tarifvertrag geschlossen wurde, befand sich die Beklagte nicht in einer Aufschwungphase, prognostizierte aber eine solche für den Zeitraum ab dem Jahr 2007. Perspektive bei Abschluss des Tarifvertrages war damit ein Zeitraum von ca. zwei Jahren. Damit wird der konjunkturelle Bezug und die Erwartung der Tarifvertragsparteien deutlich, dass mit dem Tarifvertrag und der Verlängerung der Arbeitszeit ein längerer Zeitraum überbrückt werden sollte, bevor eine Reduzierung der Arbeitszeit in einer Phase des verminderten Arbeitsanfalls wieder greifen kann. Von einer Abschwungphase (Downturn, Rezession) im Sinne der Tarifnorm kann daher erst dann gesprochen werden, wenn die längerfristige Gegenbewegung zum Aufschwung eingesetzt hat.

31

Aus dem Zweck der tariflichen Regelung und dem daraus folgenden Konjunkturbezug und dessen mittelfristigem Zeithorizont ergibt sich ein Quartalsbezug. Konjunkturdaten werden regelmäßig quartalsweise erhoben, so auch die Kapazitätsauslastung bei der Beklagten. Eine bloß monatliche Betrachtungsweise würde dem Sinn und Zweck der Regelung, einen nachhaltigen Konsolidierungs- und Flexibilisierungsbeitrag zu leisten, nicht gerecht. Durch den Quartalsbezug wird eine Schwankungsbreite auf der Zeitachse ermöglicht, so dass Zeiten eines unter das Normalmaß fallenden Arbeitsanfalls durch stärkere Monate desselben Quartals ausgeglichen werden können. Nur so wird die Tarifnorm auch praktisch handhabbar.

32

e) Aus dem Zweck des ETV, die Produktivität zu verbessern, ergibt sich, dass für einen verminderten Arbeitsanfall auf die Zahlen zur Kapazitätsauslastung abzustellen ist, wie sie die Beklagte quartalsweise erhebt. Dabei ist nicht schon dann von einem verminderten Arbeitsanfall auszugehen, wenn er relativ zu den Vorquartalen zurückgegangen ist, sondern erst dann, wenn zu einem solchen Rückgang hinzu kommt, dass die Kapazitätsauslastung unter den normalen Auslastungsgrad fällt. Dies gebietet die Systematik und eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages. In Ziff. III. 1.1. ETV haben die Tarifvertragsparteien die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit um 2,5 Stunden ohne Entgeltausgleich erhöht. Diese Arbeitszeitverlängerung ist ohne zeitliche Begrenzung erfolgt. Das Pendant dazu bildet Ziff. III. 2.1. Abs. 1 ETV mit „Maßnahmen im Downturn“. Schon aus dieser Systematik ergibt sich, dass ein verminderter Arbeitsanfall nicht schon bei einer relativen Änderung zu Vorquartalen vorliegen kann, da sonst ein ständiges Auf und Ab in dem zyklischen Veränderungen besonders unterworfenen Betrieb der Beklagten droht. Dies war nicht gewollt. Aus Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, einen nachhaltigen Beitrag der Produktivitätsverbesserung zur Standortsicherung zu leisten, wie er sich aus der Präambel ergibt, folgt vielmehr, dass ein verminderter Arbeitsanfall erst dann angenommen werden kann, wenn der Grad der Normalauslastung absolut unterschritten wird.

33

f) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht aber einen verminderten Arbeitsanfall erst dann angenommen, wenn die Kapazitätsauslastung nicht nur unbedeutend unter das Normalmaß fällt. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm lässt eine solche Auslegung nicht zu. Hätten die Tarifvertragsparteien Erheblichkeitsschwellen vorsehen wollen, hätte es nahegelegen, einen „deutlich“, „erheblich“ oder „bedeutend“ verminderten Arbeitsanfall zur Rückführung vorzusehen. Hierzu haben sich die Tarifvertragsparteien aber nicht entschlossen. Der Arbeitsanfall, der zur Rückführung der Arbeitszeit führen soll, muss nach dem Tarifwortlaut nur „vermindert“ sein. Ein Abweichen bis unterhalb der Normalauslastung genügt. Dem Zweck der Norm, einen verminderten Arbeitsanfall dann anzunehmen, wenn dieser einen längerfristigen konjunkturellen Ursprung hat, wird durch die zeitliche Komponente, insb. den Quartalsbezug und den von der Beklagten vorgetragenen Korridor der Normalauslastung von 60 - 80 % hinreichend Rechnung getragen. So werden stärkere Ausschläge in einzelnen Monaten relativiert. Eine nochmalige Relativierung durch Erheblichkeitsschwellen würde eine rechtssichere und damit eine praktisch brauchbare Handhabung der Tarifnorm ausschließen.

34

g) Liegt ein konjunkturell, dh. längerfristig verminderter Grad der Kapazitätsauslastung, also ein verminderter Arbeitsanfall vor, so tritt im betreffenden Bereich automatisch eine Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden (Vollzeit) ein, ohne dass es einer Umsetzung durch den Arbeitgeber bedarf.

35

Nach dem Tarifwortlaut „wird“ die Arbeitszeit „zurückgeführt“. Dass es eines Umsetzungsaktes durch den Arbeitgeber oder den Betriebspartner bedarf, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch der Systematik oder dem Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelungen. In Ziff. III. 1.1. ETV haben die Tarifvertragsparteien geregelt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden um 2,5 Stunden „erhöht wird“. Allein die Umsetzung der verlängerten Arbeitszeit erfolgt durch jährliche Schichtpläne, die mit dem Betriebsrat abgestimmt werden (Ziff. III. 1.2. Abs. 1 ETV). Im Falle der Ziff. III. 2.1. ETV ist dies nicht vorgesehen. Für die Notwendigkeit eines Umsetzungsaktes würde sprechen, wenn dem Arbeitgeber ein Entscheidungsspielraum bspw. hinsichtlich des Zeitpunkts der „Rückführung“ verbliebe. Ein solcher Entscheidungsspielraum ist aber gerade nicht vorgesehen. Daher bedarf es insoweit zur Rückführung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden keines Umsetzungsaktes.

36

Aus der Systematik und Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich nichts anderes. Mit dem Tarifvertrag sollen vorhandene Arbeitsplätze dadurch gesichert werden, dass ein Beitrag zur nachhaltigen Produktivitätsverbesserung und Erhöhung der Arbeitszeitflexibilität geleistet wird. Hierzu haben die Tarifvertragsparteien die wöchentliche Arbeitszeit um 2,5 Stunden pro Woche erhöht (Ziff. III. 1.1. ETV), wobei die Umsetzung durch jährliche Schichtpläne erfolgt (Ziff. III. 1.2. ETV). Die Schichtpläne sollen wiederum im Einvernehmen zwischen den einzelnen Arbeitnehmern und den jeweiligen Vorgesetzten aufgestellt werden, wobei für Meinungsverschiedenheiten eine paritätisch besetzte Clearingstelle, die spätestens vier Wochen vor Beginn der Schichtperiode entscheidet, vorgesehen ist (Ziff. III. 1.3. ETV). Bei Meinungsverschiedenheiten über die Lage von Zusatzschichten ist die Einigungsstelle vorgesehen, die spätestens zwei Wochen vor Beginn der Schichtperiode entscheiden soll (Ziff. III. 1.3. Abs. 3 ETV). Bereits aus diesem Regelungszusammenhang für die Verlängerung der Arbeitszeit ergibt sich, dass bei einem konjunkturellen Abschwung keine Umsetzung notwendig sein soll. Die Umsetzung der Verlängerung erfolgt mittels eines komplex geregelten Systems der Aufstellung von Schichtplänen. Deshalb sieht der Tarifvertrag zum Inkrafttreten vor, dass im Januar 2006 für alle Arbeitnehmer eine Entgeltkürzung erfolgt, da ein längerfristiger Umsetzungsprozess notwendig war. Eine Änderung der vorhandenen Schichtpläne zur 35-Stunden-Woche im Abschwung ist zwar möglich, sie ist aber keine Voraussetzung für den Eintritt der „Zurückführung“ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden.

37

3. Der „betreffende Bereich“, auf den sich die Rückführung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden bezieht, ist einer der Produktionsbereiche im Betrieb Hamburg, dh. der Beschäftigungsbereich des Klägers ICH fällt hierunter. Darunter sind weder einzelne Abteilungen innerhalb der Bereiche zu verstehen noch der gesamte Standort oder Betrieb. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Tarifnorm, dort die Arbeitszeit zurückzuführen, wo es Arbeitsplätze im Abschwung zu sichern gilt. „Betreffender Bereich“ kann nur ein solcher sein, für den überhaupt ein verminderter Arbeitsanfall feststellbar ist. Die Beklagte stellt die Kapazitätsauslastung je Produktionsbereich, nicht auf einzelne Abteilungen bezogen, fest.

38

4. Im dritten Quartal - also auch im September - und im vierten Quartal 2008 lagen Zeiten verminderten Arbeitsanfalls vor, denn der Grad der Kapazitätsauslastung im Bereich ICH hat den Normalbereich in diesen Zeiten unterschritten. Zugunsten der Beklagten kann deren Vortrag, bei Abschluss des Tarifvertrages habe der Normalbereich bei 60 bis 80 % Kapazitätsauslastung und im vierten Quartal 2008 habe diese nicht unter 50 % gelegen, als zutreffend unterstellt werden. Denn auch dann liegt im dritten und vierten Quartal 2008 eine konjunkturelle Minderung der Kapazitätsauslastung unterhalb der Normalauslastung vor. Im dritten Quartal ist mit 57,8 % und im vierten Quartal 2008 mit 44 % - so der Kläger - oder mit „nicht unter 50 %“ - so die Beklagte - ein Unterschreiten der Normalauslastung von mind. 60 % festzustellen. Hierbei liegt auch ein konjunktureller, kein bloß kurzfristig saisonaler Abschwung vor. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Denn nach den unstreitigen Graden der Kapazitätsauslastung stellte das dritte Quartal 2007 den oberen Wendepunkt der Konjunkturentwicklung dar. Ab dem vierten Quartal 2007 trat der Abschwung ein; das dritte Quartal 2008 war bereits das vierte rückläufige Quartal in Folge, wobei erstmals die Normalauslastungsquote unterschritten wurde. Durch die zeitliche Abfolge kann die Minderung der Kapazitätsauslastung im dritten Quartal 2008 der konjunkturellen Entwicklung zugeordnet werden. Auch die Beklagte behauptet nicht, der Rückgang seit dem dritten Quartal 2007 habe andere als konjunkturelle Ursachen. Dies passt im Übrigen auch zu den der Tarifverhandlung zugrunde liegenden Umständen, denn im Geschäftsplan der Beklagten ist diese von einem Aufschwung im Jahr 2007 ausgegangen, der tatsächlich stattgefunden, aber im dritten Quartal 2007 bereits seinen Höhepunkt erreicht hatte. Für einen längerfristigen Abschwung spricht weiter der Abbau von Leiharbeitnehmern ab Juni 2008, mit dem die Beklagte auf eine rückläufige Kapazitätsauslastung reagiert hat. Somit liegt auch im streitgegenständlichen Zeitraum ein konjunkturell verminderter Arbeitsanfall im Sinne der Tarifnorm vor, der automatisch zu einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden im Bereich ICH führte.

39

5. Mit der eingetretenen Änderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit hat der Kläger Anspruch auf eine ungekürzte Zahlung des monatlichen Grundentgelts. Mit der Rückführung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden besteht für eine Kürzung des monatlichen Grundentgelts um 7,14 % keine Rechtsgrundlage mehr, denn die Entgeltkürzung ist an eine fortbestehende Erhöhung der Dauer der Arbeitszeit nach Ziff. III. 1.1. ETV gebunden. Dies ergibt sich aus einer Auslegung von Ziff. III. 1.1. ETV.

40

a) Bereits aus dem Wortlaut von Ziff. III. 1.1. Abs. 5 ETV ergibt sich, dass eine Entgeltkürzung gleichberechtigt als Beitrag der Arbeitnehmer zur Standortsicherung statt der Arbeitszeitverlängerung tritt und dann endet, wenn die Arbeitszeit nur noch 35 Wochenstunden (Vollzeit) beträgt. Die Tarifvertragsparteien haben geregelt, dass ein Mitarbeiter „anstelle“ der Arbeitszeitverlängerung eine „entsprechende“ Entgeltminderung von 7,14 % des monatlichen Grundentgelts wählen kann. Dieser klare Wortlaut bedeutet einen Gleichlauf von Arbeitszeitverlängerung und Entgeltkürzung. Ein Unterschied besteht nur insoweit, als der Arbeitnehmer der ursprünglich die Arbeitszeitverlängerung gewählt und trotz Eintritt der 35-Stunden-Woche nach Ziff. III. 2.1. ETV weiterhin 37,5 Stunden pro Woche gearbeitet hat, ab Beginn der Rückführung der Arbeitszeit die über 35 Wochenstunden hinaus geleisteten Stunden als Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto erwirbt. Der völlige Gleichlauf wird spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hergestellt, denn dann erfolgt die Auszahlung eines eventuell vorhandenen Guthabens des Zeitkontos (Ziff. III. 4. Abs. 6 ETV). Der Einwand der Beklagten, der Arbeitnehmer in Entgeltkürzung belaste in der Krise den Arbeitgeber, überzeugt nicht. Zwar erbringen die Arbeitnehmer, die weiterhin über 35 Wochenstunden hinaus Arbeit leisten, einen Beitrag, der allen Arbeitnehmern zugutekommt. Denn erst mit dem Abbau der Flexi-Konten wird der Weg zu weiteren Personalmaßnahmen bis hin zu betriebsbedingten Kündigungen frei. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss jedoch auch ein Guthaben auf dem Zeitkonto ausgezahlt werden, so dass die wirtschaftliche Situation dann die gleiche ist. Für den Gleichlauf spricht auch Ziff. III. 2.2. ETV, wonach Arbeitnehmer in Entgeltminderung nur dann in Kurzarbeit oder Arbeitszeitabsenkung nach TV Beschäftigungssicherung einbezogen werden können, wenn zuvor die regelmäßige Arbeitszeit von 35 Stunden wieder hergestellt wird.

41

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich etwas anderes auch nicht daraus, dass die Wahlentscheidung zwischen Arbeitszeitverlängerung und Entgeltkürzung nach 12 Monaten individuell mit Wirkung ab dem übernächsten Monat geändert werden kann.

42

Ziff. III. 1.1. Abs. 6 ETV regelt schon dem Wortlaut nach allein die Möglichkeit einer Wahlentscheidung des Arbeitnehmers zwischen Arbeitszeitverlängerung und Entgeltkürzung, besagt aber nichts darüber, welche Rechtsfolge eintritt, wenn nach Ziff. III. 2.1. Abs. 1 ETV die Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden zurückgeführt, also der Rechtsgrund für eine Wahlentscheidung in Zeiten verminderten Arbeitsanfalls entfällt. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben sich die Tarifvertragsparteien auch systematisch nicht entschlossen, die Entgeltkürzung aufgrund der Wahlentscheidung eigenen Regeln folgen zu lassen. Vielmehr haben sie die Regelungen zur Entgeltkürzung in Ziff. III. 1.1. ETV geregelt, die mit „Dauer der Arbeitszeit“ überschrieben ist. In deren Absatz 5 ist die Möglichkeit zur Wahl einer Entgeltminderung im Umfang der sonst geltenden Arbeitszeitverlängerung aufgenommen und in Absatz 6 eine Verfahrensregelung zur Änderung der Wahlentscheidung. Die Entgeltkürzung ist damit nur eine Variante der von allen Arbeitnehmern hingenommenen Einschnitte von 7,14 % in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien die Arbeitnehmer, die mit 7,14 % Entgeltkürzung einen wirtschaftlich völlig gleichwertigen Beitrag zur Standortsicherung leisten, im Hinblick auf die nach Ziff. III. 2.1. ETV eintretenden Rechtsfolgen anders behandeln wollten, als die Arbeitnehmer in der Arbeitszeitverlängerung. Eine gleichheitswidrige Tarifnorm (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110) wollten die Tarifvertragsparteien nicht schaffen.

43

Tritt nach Ziff. III. 1.1. Abs. 5 ETV die Entgeltkürzung nur „anstelle“ der Arbeitszeitverlängerung, ist sie also nur eine „Spielart“ der gleichwertigen Beiträge der Arbeitnehmer, so endet ihre Rechtfertigung mit Eintritt der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.

44

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2, § 614 BGB.

45

C. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Döring    

        

    Warnke    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15. Januar 2009 - 4 Sa 269/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten, ob der Klägerin ein tarifvertraglicher Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Fremdvergabe von Tätigkeiten zusteht, die bisher in der von ihr betriebenen Wäscherei durchgeführt wurden.

2

Die Beklagte betreibt jeweils eine Klinik in B und in G, Alten- und Pflegeheime in A und R sowie eine Kurzzeitpflege in B. Die Klinik in B bildet mit den Alten- und Pflegeheimen und der Kurzzeitpflege einen gemeinsamen Betrieb mit etwa 470 Arbeitnehmern. Träger der Klinik in B sowie der Alten- und Pflegeheime war ursprünglich der Landkreis S, der diese Einrichtungen mit Wirkung zum 1. Januar 2002 an die Beklagte veräußerte.

3

Bereits am 24. Oktober 2001 vereinbarten die Parteien einen Personalüberleitungstarifvertrag (nachfolgend TV PÜ), in dem es ua. heißt:

        

„§ 2   

        

Verpflichtungen

        

…       

        

5.    

        

Maßnahmen des Outsourcing sind ausgeschlossen, es sei denn, dass diese zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen zwingend erforderlich sind. Alle Maßnahmen des Outsourcing bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Tarifvertragsparteien.“

4

Der TV PÜ kann „mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende gekündigt werden, frühestens zum 31.12.2006.“ Die Beklagte kündigte den TV PÜ mit Schreiben vom 19. März 2007 zum 31. Dezember 2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Sie beschloss, die von ihr betriebene Wäscherei zum 30. September 2008 stillzulegen und die dortigen Tätigkeiten mit Wirkung zum 1. Oktober 2008 an einen Dritten zu vergeben. Die in der Wäscherei vorhandenen technischen Geräte und Maschinen sollten verschrottet werden. Der bei ihr bestehende „Hol- und Bringdienst“ für die Wäsche sollte diese dann an den zukünftigen Dienstleister übergeben. Am 4. September 2008 ersuchte die Beklagte die Klägerin vorsorglich um Zustimmung bis 19. September 2008 zu der Fremdvergabe. Die Klägerin äußerte sich jedoch nicht.

5

Mit ihrer Klage will die Klägerin der Beklagten untersagen, ohne ihre Zustimmung die Aufgaben der Wäscherei an einen Dritten zu vergeben. Die Pflichten nach § 2 Nr. 5 TV PÜ wirkten iSv. § 4 Abs. 5 TVG nach, weil es sich um eine Betriebsnorm handele. Ein unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit liege nicht vor, weil sich die wirtschaftliche und soziale Seite der beabsichtigten Fremdvergabe nicht trennen ließen und die Tarifautonomie sich auch auf die wirtschaftliche Unternehmerentscheidung erstrecke. Die Klägerin sei als Partei des Tarifvertrages klagebefugt.

6

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.    

Der Beklagten wird untersagt, ohne die Zustimmung der Klägerin den Betriebsteil Wäscherei mit Wirkung zum 1. Oktober 2008 auf einen Dritten, insbesondere die T GmbH zu übertragen.

        

2.    

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, sowie für den Fall der Stattgabe der Klage zuletzt widerklagend beantragt,

        

1.    

die Zustimmung der Klägerin zu der Outsourcingmaßnahme - die Fremdvergabe sämtlicher Tätigkeiten/Aufgaben des Betriebsteils Wäscherei an einen Dritten - zu ersetzen,

        

2.    

festzustellen, dass § 2 Nr. 5 Personalüberleitungstarifvertrag vom 24. Oktober 2001 unwirksam ist, wenn es sich bei einer Outsourcingmaßnahme der Beklagten um eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG handelt.

8

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

9

Die Beklagte ist der Auffassung, § 2 Nr. 5 TV PÜ komme als schuldrechtlicher Bestimmung keine Nachwirkung zu. Aus der Regelung folge kein eigener Anspruch der Klägerin, weil es sich um Verpflichtungen gegenüber „den Beschäftigten und dem Personalrat oder Betriebsrat“ handele. Zudem sei die Nachwirkung des Tarifvertrages jedenfalls konkludent ausgeschlossen worden. § 2 Nr. 5 TV PÜ verstoße zudem gegen Art. 12 GG, weil eine unternehmerische Maßnahme von der Zustimmung der Klägerin abhänge. Eine zeitlich unbegrenzte Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Entschlussfreiheit sei jedenfalls sittenwidrig iSd. § 138 BGB und verstoße gegen § 242 BGB.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgeben. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die nur hilfsweise gestellten Wideranträge sind daher nicht zur Entscheidung angefallen.

12

I. Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet.

13

1. Der Antrag zu 1) ist, wie die gebotene Auslegung ergibt, darauf gerichtet, der Beklagten unabhängig von dem im Antrag genannten Datum 1. Oktober 2008 zeitlich unbefristet aufzugeben, die Fremdvergabe der Tätigkeiten der Wäscherei an einen Dritten zu unterlassen, solange die Klägerin dem nicht zugestimmt hat.

14

a) Anträge der Parteien sind als Prozesshandlungen der Auslegung fähig. Dabei ist der wirkliche Wille der klagenden Partei zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften; der Antragswortlaut hat hinter dem erkennbaren Sinn und Zweck des Antrages zurückzutreten (BAG 16. März 1994 - 8 AZR 97/93 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 76, 148; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 85, 262). Bei der Auslegung ist neben der Klagebegründung auch das sonstige Prozessvorbringen zu berücksichtigen (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 636/02 - zu A II der Gründe, BAGE 108, 103; 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61).

15

b) Danach ist der Klageantrag dahin zu verstehen, dass der Beklagten nicht nur zum - bereits bei der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt - 1. Oktober 2008 eine Fremdvergabe der Aufgaben der Wäscherei untersagt werden soll, sondern davon unabhängig. Erkennbarer Sinn und Zweck des Klageantrages ist die zeitlich unbefristete Unterlassung der Fremdvergabe der Aufgaben und Tätigkeiten der Wäscherei auf einen Dritten. In diesem Sinne hat auch die Beklagte den Antrag verstanden. Sie hat noch nach dem 1. Oktober 2008 erklärt, sich an die dem Antrag stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts bis zu einer in ihrem Sinne ergehenden Entscheidung zu halten. Darüber hinaus hat bereits das Landesarbeitsgericht den Antrag zutreffend dahin ausgelegt, der Beklagten solle nicht untersagt werden, „den Betriebsteil Wäscherei … zu übertragen“, sondern vielmehr deren Aufgaben und Tätigkeiten an einen Dritten - unabhängig von der Übertragung von materiellen oder immateriellen Betriebsmitteln - zu vergeben.

16

2. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Übertragung der Tätigkeiten oder Aufgaben der Wäscherei an Dritte nicht aus § 2 Nr. 5 TV PÜ ergibt. § 2 Nr. 5 TV PÜ wirkt als schuldrechtliche Verpflichtung nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach.

17

a) Bei dem von den Parteien geschlossenen TV PÜ handelt es sich um einen Tarifvertrag iSd. § 1 Abs. 1 TVG und nicht, wie von der Beklagten angenommen, um einen sonstigen schuldrechtlichen Koalitionsvertrag zugunsten Dritter.

18

aa) Tariffähige Koalitionen und Arbeitgeber können zwar auch nichttarifliche Vereinbarungen treffen (BAG 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 110, 164; 5. November 1997 - 4 AZR 872/95 - zu II 1 1.2 der Gründe, BAGE 87, 45). Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden müssen nicht zwingend Tarifverträge iSd. § 1 Abs. 1 TVG sein. Welche Art von Vereinbarung geschlossen wurde, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese richtet sich nach den allgemeinen Regeln über das Zustandekommen und über die Auslegung schuldrechtlicher Verträge nach den §§ 133, 157 BGB. Die Regeln über die Auslegung von Tarifverträgen sind erst heranzuziehen, wenn feststeht, dass es sich um ein tarifliches Normenwerk handelt (BAG 7. Juni 2006 - 4 AZR 272/05 - Rn. 25, AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - aaO). Bei der Auslegung ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien keinen Koalitionsvertrag zugunsten Dritter, sondern angesichts ihrer tarifautonomen Möglichkeit zu unmittelbarer Rechtsetzung nach dem TVG einen Tarifvertrag vereinbaren wollen (BAG 5. November 1997 - 4 AZR 872/95 - zu II 1 1.3 der Gründe, aaO).

19

bb) Danach handelt es sich bei dem TV PÜ um einen Tarifvertrag iSd. § 1 Abs. 1 TVG. Hierfür spricht bereits dessen Wortlaut. Die Vertragsparteien haben die Vereinbarung in der Überschrift als „Personalüberleitungstarifvertrag“ und in verschiedenen Einzelbestimmungen als „Tarifvertrag“ bezeichnet (Präambel, § 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 4 und § 5 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 TV PÜ). Weiterhin haben sie in § 1 TV PÜ einen „Geltungsbereich“ festgelegt. Verwenden Tarifvertragsparteien feststehende Rechtsbegriffe wie „Tarifvertrag“ und „Geltungsbereich“ für den Umfang der normativen Wirkung iSd. § 4 Abs. 1 TVG, ist davon auszugehen, dass sie die Formulierungen in ihrem gesetzlichen Sinne verstanden wissen wollen. Der weitere Sinn und Zweck der Vereinbarung wie die Bildung eines „Interimsbetriebsrats“ gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sprechen ebenfalls für den Abschluss eines Tarifvertrages.

20

b) Auch wenn § 2 Nr. 5 TV PÜ hiernach Teil eines Tarifvertrages ist, wirkt diese Bestimmung nach der fristgerechten Kündigung des TV PÜ nicht mehr nach, so dass sie auch nicht mehr Grundlage des klägerischen Unterlassungsbegehrens sein kann. Nach § 4 Abs. 5 TVG wirken nur die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach. § 2 Nr. 5 TV PÜ stellt jedoch keine solche Rechtsnorm dar. Es handelt sich vielmehr um eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien, die nicht nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkt.

21

aa) Die Auslegung, ob es sich innerhalb eines Tarifvertrages um eine normative oder eine schuldrechtliche Bestimmung handelt, richtet sich ebenso wie die, ob ein Tarifvertrag oder eine sonstige schuldrechtliche Koalitionsvereinbarung vorliegt, nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(BAG 7. Juni 2006 - 4 AZR 272/05 - Rn. 25, AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43; 14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 110, 164).

22

bb) Die Auslegung des TV PÜ ergibt, dass es sich bei der Regelung in § 2 Nr. 5 TV PÜ entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um eine Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG handelt, sondern um eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien.

23

(1) Einer Auslegung der tariflichen Bestimmung als Rechtsnorm steht nicht bereits entgegen, dass der gewählte Begriff des „Outsourcings“, den auch § 15 Abs. 3 Satz 1 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst und § 15 Abs. 3 Satz 1 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder verwenden, zu unbestimmt ist(vgl. zu den Anforderungen an die Justitiabilität von Tarifnormen BAG 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - zu 7 der Gründe, BAGE 51, 59; 23. August 2006 - 4 AZR 444/05 - Rn. 25). Unbestimmte Rechtsbegriffe genügen den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Normklarheit und Justitiabilität, wenn sie mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden können (BVerfG 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99, 276, 2061/00 - zu B I 2 b der Gründe, BVerfGE 103, 21). Bei dem Begriff des „Outsourcings“ handelt es sich um die Vergabe bisher selbst im eigenen Unternehmen durchgeführter Aufgaben an einen Dritten (s. nur ErfK/Preis 11. Aufl. § 613a BGB Rn. 37; Sieg/Maschmann Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht 2. Aufl. Rn. 79; Budrus/Wiese in: Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand Oktober 2010 § 15 TVöD-AT Rn. 16; vgl. auch Balze/Rebel/Schuck Outsourcing und arbeitsrechtliche Restrukturierung von Unternehmen 3. Aufl. S. 1 und 5; ebenso BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; BVerwG 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 16.08 - Rn. 16, BVerwGE 135, 150). Dies kann, muss aber nicht mit den Aufgaben eines Betriebsteils zusammenfallen (so in BAG 18. März 2008 - 1 ABR 77/06 - Rn. 22, BAGE 126, 169). Dem entspricht es, wenn im Krankenhausbereich unter Outsourcing die „Ausgliederung und Fremdbewirtschaftung einzelner Krankenhauseinrichtungen durch einen rechtlich außerhalb des Krankenhausträgers stehenden Dritten“ „(ua Küche, Wäscherei, Radiologie, physikalische Therapie, Labor)“ verstanden wird (Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern Handbuch des Arztrechts 4. Aufl. § 82 Rn. 89). Hiervon ausgehend kann die Anwendung des Begriffs des Outsourcings auf einzelne Fallgestaltungen zwar im Einzelfall schwierig sein. Sie ist aber möglich.

24

(2) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffen Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können. Ihre Regelung in einem Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden“, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich ist. Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps ist auszugehen von dem in § 3 Abs. 2 TVG verwandten Begriff der „betrieblichen Fragen“. Dies sind nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebes und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen können. Gemeint sind vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebes, also der Betriebsmittel und der Belegschaft, betreffen. Diese Umschreibung markiert zwar keine scharfe Grenze, sie verdeutlicht aber Funktion und Eigenart der Betriebsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Betriebsnormen regeln normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die hiervon allenfalls mittelbar betroffen sind (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 a der Gründe mwN, BAGE 86, 126).

25

Der Senat muss vorliegend nicht darüber befinden, ob mithilfe einer Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG eine für das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft unmittelbar bindende Regelung(BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 c der Gründe, BAGE 86, 126) gerichtet auf Unterlassung von Maßnahmen des Outsourcings rechtswirksam möglich ist, weil es sich um eine „Betriebsgestaltung“ im genannten Sinne handelt (zu Öffnungszeiten vgl. BAG 7. November 1995 - 3 AZR 676/94 - zu II 1 b der Gründe, AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 1 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 1), die jedenfalls mittelbar dem Arbeitnehmerschutz dient (vgl. dazu nur Dieterich FS Däubler S. 451, 462 mwN; abl. Greiner NZA 2008, 1274, 1278; Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 4 Rn. 66; Thüsing NZA 2008, 201, 204) oder ob hier rein unternehmerische Fragen betroffen sind.

26

(3) Denn vorliegend fehlt es aufgrund des Zustimmungsvorbehalts zugunsten der tarifschließenden Gewerkschaft an einer normativen Regelung des betrieblichen Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Belegschaft.

27

(a) Zwar ist nach dem Wortlaut des § 2 Nr. 5 Satz 1 TV PÜ - „Maßnahmen des Outsourcing sind ausgeschlossen“ - die Annahme einer unmittelbar und zwingend geltenden Regelung des betrieblichen Rechtsverhältnisses nicht ausgeschlossen, zumal Satz 2 ausdrücklich von einer „Wirksamkeit“ des Outsourcings spricht. Dabei bliebe aber - und vorliegend wesentlich - außer Acht, dass in Satz 2 der Bestimmung ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der tarifschließenden Gewerkschaft, der Klägerin, vorgesehen ist. Mit einer solchen Regelung wird der Bereich normativer Regelungen des betrieblichen Rechtsverhältnisses verlassen.

28

(aa) Eine Betriebsnorm setzt voraus, dass sie eine normative Regelung enthält, die eine über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausgehende unmittelbare und zwingende Geltung auch gegenüber den Arbeitnehmern beansprucht. Ohne normativen Regelungsgehalt handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG(BAG 1. August 2001 - 4 AZR 388/99 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 98, 303).

29

(bb) Aufgrund des Zustimmungsvorbehalts zugunsten der Gewerkschaft in Satz 2 handelt es sich bei der Regelung in § 2 Nr. 5 TV PÜ insgesamt nicht um eine normative Regelung, die das betriebliche Rechtsverhältnis unmittelbar und zwingend gestaltet(vgl. Anm. Dieterich AR-Blattei ES 1550.5.1 S. 10). Ob es zu Maßnahmen des Outsourcings kommt oder sie zu unterbleiben haben, hängt vom Verhalten der Gewerkschaft im jeweiligen Einzelfall ab, die nicht Teil des betrieblichen Rechtsverhältnisses ist. Mit der Festlegung des Zustimmungsvorbehalts wird nur das Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien geregelt (vgl. BAG 1. August 2001 - 4 AZR 388/99 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 98, 303).

30

§ 2 Nr. 5 TV PÜ beinhaltet ein einheitliches Verbot mit Erlaubnisvorhalt. Die Bestimmung kann nicht dahin verstanden werden, Satz 1 enthalte eine Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG, während sich in Satz 2 ein separates Zustimmungserfordernis als schuldrechtliche Verpflichtung der Tarifvertragsparteien finde. Der Zustimmungsvorbehalt in Satz 2 ist ohne das Verbot nach Satz 1 inhaltsleer und kann nicht ohne dessen Inhalt angewendet werden. In der Folge kann die Vorschrift nur einheitlich und als Ganzes ausgelegt werden.

31

(b) Die Auslegung als schuldrechtliche Verpflichtung der Tarifvertragsparteien folgt zudem aus der Systematik der Regelungen in § 2 TV PÜ. § 2 TV PÜ handelt von „Verpflichtungen“; hiermit werden regelmäßig schuldrechtliche Verpflichtungen gekennzeichnet. Die Wortwahl entspricht der Unterscheidung in § 1 Abs. 1 TVG zwischen „Pflichten der Tarifvertragsparteien“ und „Rechtsnormen“. Ebenso handelt es sich bei den weiteren Regelungen in § 2 Nr. 2 und Nr. 3 TV PÜ, die den Nachweis der Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern und in der Kommunalen Zusatzversorgungskasse durch Vorlage der Aufnahmebeschlüsse betreffen, um schuldrechtliche Verpflichtungen der Beklagten gegenüber der tarifschließenden Gewerkschaft, nicht um die normative Gestaltung eines betrieblichen Rechtsverhältnisses. Rechtsnormen sind gleichfalls nicht Inhalt von § 2 Nr. 4 TV PÜ, der von der Einrichtung eines Aufsichtsrates „nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen“ und vom „Verzicht“ auf „die Einrede des Tendenzschutzes“ durch die Beklagte als tarifschließende Arbeitgeberin handelt.

32

(c) Für die Annahme einer schuldrechtlichen Unterlassungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin spricht weiterhin, dass durch die Zustimmungsberechtigung in § 2 Nr. 5 Satz 2 TV PÜ die Gewerkschaft selbst die Unterlassungsverpflichtung in Satz 1 unter den Vorbehalt ihrer Zustimmung stellen und sich so zugleich das Recht verschaffen konnte, während des Bestehens des TV PÜ die Verpflichtung auf der Grundlage eines eigenen Unterlassungsanspruchs klageweise durchzusetzen.

33

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der TV PÜ anlässlich einer Privatisierung geschlossen wurde, in der der ununterbrochene Fortbestand des bei der Rechtsvorgängerin bestehenden Personalrats als nunmehr betriebliche Interessenvertretung durch einen „Interimsbetriebsrat“ „gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3“ BetrVG, bestehend aus den Mitgliedern des Personalrats, durch § 3 TV PÜ abgesichert werden sollte. Begründen Betriebsnormen keine individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 c der Gründe, BAGE 86, 126) und ist ein Übergangsmandat des Personalrats oder eine Regelungsmöglichkeit nach § 3 BetrVG rechtlich zumindest nicht geklärt(abl. etwa LAG Köln 10. März 2000 - 13 TaBV 9/00 - NZA-RR 2001, 423; vgl. auch Pawlak/Leydecker ZTR 2008, 74 mwN), kann jedenfalls die Gewerkschaft die Unterlassungsverpflichtung klageweise durchsetzen, wenn sie selbst aus der entsprechenden Abrede anspruchsberechtigt ist. Eine solche eigene, originäre Anspruchsberechtigung einer Tarifvertragspartei gegenüber einer anderen iSd. § 1 Abs. 1 Alt. 1 TVG ist Teil einer schuldrechtlichen Rechtsbeziehung. Deren Begründung ist etwas grundsätzlich anderes als eine das betriebliche Rechtsverhältnis unmittelbar und zwingend regelnde Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG.

34

II. Der Klageantrag zu 2) ist infolge der Unbegründetheit des Antrages zu 1) gleichfalls ohne Erfolg.

35

III. Die nur für den Fall der Stattgabe der Klage gestellten (Eventual-)Wideranträge der Beklagten sind nicht zur Entscheidung angefallen.

36

IV. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber     

        

        

        

    von Dassel    

        

    J. Ratayczak    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. August 2011 - 3 Sa 60/11 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 1. Dezember 2010 - 5 Ca 350/10 - teilweise abgeändert, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers.

2

Der im März 1946 geborene Kläger war seit dem 24. Oktober 1966 bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (im Folgenden: BFS) als Fluglotse beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden die Aufgaben der BFS auf die Beklagte übertragen. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Angestellten der BFS wurden auf die Beklagte übergeleitet. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 28. August/27. September 1993 einen Arbeitsvertrag, der ua. Folgendes vorsieht:

        

§ 1   

        

Vertragsgegenstand

        

…       

        
        

2.    

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgung

        

Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993.“

3

Der von der Beklagten und der DAG abgeschlossene Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993) sah vor, dass Mitarbeiter, die das 25. Lebensjahr vollendet und mindestens ein Jahr bei der Beklagten oder der BFS beschäftigt waren, Anspruch auf ein Altersruhegeld haben. Am 29. September 2006 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft der Flugsicherung (im Folgenden: GdF) den rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2005). Der VersTV 2005 trat nach seiner Präambel an die Stelle der Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag vom 7. Juli 1993. Nach § 6 Abs. 2 VersTV 2005 betrug das Altersruhegeld 0,4 % des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern zuzüglich 1,2 % des den Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in den alten Bundesländern übersteigenden Teils des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der anrechenbaren Beschäftigungszeit.

4

Am 21. August 2009 schlossen die Beklagte und die GdF den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2009). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

Präambel

        

Für alle vor 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt das bisherige Versorgungssystem auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe dieses VersTV 2009 (Teil A) weiter. Teil A gilt ferner für alle Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem VersTV 1993 oder VersTV 2005 sowie für ehemalige Beschäftigte der DFS, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor 2009 ausgeschieden waren.

        

…       

        

Teil A

        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Die §§ 1 bis 17 (Teil A) dieses Tarifvertrags gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der DFS aufgenommen haben, unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und am 1. Januar 2009 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen oder sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen oder FDB befanden.

        

…       

        
        

§ 2     

        

Art der Versorgungsleistung

        

(1)     

Folgende Leistungen werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen gewährt:

                 

a)    

Altersruhegeld (§ 6),

                 

b)    

vorzeitiges Altersruhegeld (§ 7),

                 

…       

        
        

(2)     

Bemessungsgrundlagen für die Leistung sind versorgungsfähiges Einkommen (§ 4) und versorgungsfähige Beschäftigungszeit (§ 5).

        

…       

        

§ 4     

        

Versorgungsfähiges Einkommen

        

(1)     

Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich aus den Grundbeträgen nach dem maßgebenden Vergütungstarifvertrag (VTV), aus ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem maßgebenden Zulagentarifvertrag (ZTV) und aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem maßgebenden VTV in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten. … Zeitzuschläge und variable Vergütungsbestandteile bleiben unberücksichtigt.

        

(2)     

Das versorgungsfähige Einkommen wird unterteilt

                 

-       

in den Teil bis zur Splittinggrenze

                 

und     

                 

-       

in den diese Splittinggrenze übersteigenden Teil.

                 

Die Splittinggrenze beträgt 64.800,00 Euro. ...

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgungsfähige Beschäftigungszeit

        

(1)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gelten alle Jahre und volle Monate, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ununterbrochen aktiv in einem Beschäftigungsverhältnis mit der DFS bzw. unmittelbar vorausgehend der BFS und dem LBA gestanden haben, sowie sonstige, tarifvertraglich anerkannte Beschäftigungszeiten, jedoch nicht über die Regelaltersgrenze hinaus. … Die anrechenbare Beschäftigungszeit ist auf 40 volle Jahre begrenzt.

        

(2)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gilt auch die Zeit, in der die DFS tarifliches Übergangsgeld oder tarifliches Vorruhestandsgeld zahlt, längstens jedoch bis zur Altersgrenze für den vorzeitigen Bezug der gesetzlichen Altersrente für langjährig Versicherte.

        

…       

        
        

§ 6     

        

Altersruhegeld

        

…       

        
        

(2)     

Das jährliche Altersruhegeld setzt sich zusammen aus

                 

-       

0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten 12 Beschäftigungsmonate

                 

zuzüglich

                 

-       

1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit.

                                   
        

§ 7     

        

Vorzeitiges Altersruhegeld

        

(1)     

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vollrente) beziehen und aus der Beschäftigung bei der DFS endgültig ausgeschieden sind, können vorzeitiges Altersruhegeld in Anspruch nehmen. …

        

(2)     

Die Höhe des vorzeitigen Altersruhegeldes errechnet sich wie das Altersruhegeld gemäß § 6 Abs. 2, wobei wegen des früheren Zahlungsbeginns eine Kürzung um 0,5 % für jeden Monat erfolgt, um den der Beginn der Ruhegeldzahlung vor Erreichen der Regelaltersgrenze liegt, maximal jedoch um 18 %.

        

…       

        
        

Teil C

        

Allgemeine und Schlussbestimmungen

        

…       

        
        

§ 24   

        

Inkrafttreten und Laufzeit

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag tritt hinsichtlich des Teils B rückwirkend zum 1. Januar 2005, im Übrigen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. …

        

…       

                 
        

(3)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 gilt dieser Tarifvertrag - unbeschadet des nach einer früheren Fassung erworbenen Stammrechts - für alle mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Beschäftigten der DFS sowie für alle Bezieher von laufenden Versorgungsleistungen.“

5

Die Splittinggrenze in Teil A § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009 von 64.800,00 Euro entspricht der nach der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2009 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009, BGBl. I S. 2336) geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2009.

6

Nach dem Zulagentarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 20. August 1993 (im Folgenden: ZTV 1993) erhielten die Mitarbeiter der Beklagten in den operativen Diensten, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis und Berechtigungen nach der Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal der Flugsicherung und seine Ausbildung vom 1. April 1993 (FSPAV) benötigten, eine operative Zulage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ZTV 1993). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 ZTV 1993 wurde die operative Zulage für Fluglotsen in unterschiedlicher Höhe je nach Kategorie der Niederlassung bzw. des Betriebsteils gezahlt, in dem sie überwiegend tätig waren. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 sah für Fluglotsen drei verschiedene Kategorien von Niederlassungen vor. Der Frankfurter Flughafen fiel in die Kategorie III. Die Höhe der je nach Kategorie zu zahlenden operativen Zulage war in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgelegt.

7

Durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 (im Folgenden: ZTV 2000) wurden die Niederlassungen der Beklagten für die Fluglotsen neu kategorisiert. Hintergrund hierfür war ein arbeitswissenschaftliches Gutachten, durch das bestimmte Belastungsparameter - wie zB die Anzahl der von den Fluglotsen zu kontrollierenden Flugzeuge - unter Berücksichtigung weiterer Faktoren neu definiert wurden. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 2000 enthielt nunmehr sieben Kategorien von Niederlassungen. Der Tower des Frankfurter Flughafens wurde der Kategorie VII zugeordnet. § 2 Abs. 2 ZTV 2000 lautete nunmehr ua. wie folgt:

        

§ 2   

        

Operative Zulagen

        

…       

        
        

(2)     

Die Zulagen nach Abs. 1 werden ab dem 1. April 2000 monatlich in folgender Höhe gezahlt:

                 

Kategorie I:

…       

                 

…       

        
                 

Kategorie VII:

…       

                 

Erreicht diese Zulage bei unveränderter Tätigkeit nicht die Höhe der am 31. März 2000 gezahlten Zulage, wird der Differenzbetrag als Besitzstandszulage gezahlt.

                 

…“    

8

Für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen erhöhte sich die operative Zulage dadurch zum 1. April 2000 von 4.368,00 DM brutto auf 5.150,00 DM brutto.

9

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. September 1999 als Fluglotse im Tower des Frankfurter Flughafens tätig. Seine aus dem Grundbetrag nach dem Vergütungstarifvertrag und der operativen Zulage nach § 2 ZTV 1993 bestehende monatliche Vergütung belief sich in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1998 auf 13.262,00 DM und in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September 1999 auf 13.674,00 DM. Zudem erhielt der Kläger nach dem zum 1. November 1996 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 3 vom 31. Oktober 1996 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie dem zum 1. November 1998 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 4 vom 27. November 1998 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jahren 1998 und 1999 Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils jährlich 55 % des tariflichen Grundbetrags und der operativen Zulage.

10

Ab dem 1. Oktober 1999 bezog der Kläger von der Beklagten ein Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 idF des Änderungstarifvertrags vom 27. November 1998 (im Folgenden: Ü-VersTV 1998). Zum 1. November 2004 trat der von der Beklagten mit der GdF abgeschlossene Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 19. November 2004 in Kraft (im Folgenden: Ü-VersTV 2004), der durch Tarifvertrag vom 21. August 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 geändert wurde. Der Ü-VersTV 2004 idF vom 1. Januar 2009 (im Folgenden: Ü-VersTV 2009) bestimmt ua.:

        

§ 5   

        

Höhe des Übergangsgeldes

        

…       

        
        

(4)     

Das Übergangsgeld erhöht sich jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Betriebliche Altersversorgung

        

(1)     

Zeiten, in denen Übergangsgeld bezogen wird, gelten als versorgungsfähige Beschäftigungszeiten i.S.d. Versorgungstarifvertrages der DFS.

        

(2)     

Als versorgungsfähiges Einkommen wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen unterlegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes. In die Dynamisierung wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so mit einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens gemäß § 4 Abs. 2 VersTV erfolgt auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze.

        

(3)     

§ 7 Abs. 2 in Teil A und B des Versorgungstarifvertrages findet keine Anwendung.“

11

Die tarifliche Vergütung wurde bei der Beklagten zum 1. November 1999 um 3 %, zum 1. November 2000 um 2,8 %, zum 1. November 2001 und zum 1. Mai 2003 um jeweils 3,1 %, zum 1. November 2003 um 0,8 %, zum 1. November 2004 um 1,9 %, zum 1. November 2006 und 2007 um jeweils 3 %, sowie zum 1. November 2008 um 4,8 % erhöht. Zum 1. Mai 2006 erfolgte eine Erhöhung der tariflichen Grundbeträge um 2,5 % sowie der operativen Zulagen um 7 %.

12

Seit dem 1. April 2009 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente sowie ein Altersruhegeld von der Beklagten iHv. 3.151,43 Euro. Bei der Berechnung des Altersruhegeldes legte die Beklagte ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen des Klägers iHv. 121.385,75 Euro zugrunde. Die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen berücksichtigte die Beklagte dabei nicht.

13

Der Kläger hat mit seiner Klage die Einbeziehung der Erhöhung der operativen Zulage am Tower des Frankfurter Flughafens in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, es handele sich hierbei um eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009. Unter Berücksichtigung der übrigen tariflichen Entgeltsteigerungen ergebe sich daher ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen iHv. 127.818,21 Euro, so dass sich sein Altersruhegeld auf 3.408,73 Euro brutto belaufe.

14

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 zusätzliche Betriebsrente iHv. 4.374,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 257,30 Euro für jeden Monat beginnend mit dem 1. September 2009, mit dem ersten Tag der jeweiligen Folgemonate und endend mit dem 30. September 2010 zu zahlen und ihm ab dem 1. September 2010 eine Betriebsrente iHv. 3.408,73 Euro brutto im Monat zu zahlen.

15

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Deshalb steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung rückständigen Altersruhegeldes für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 iHv. 4.374,10 Euro brutto zu.

18

I. Die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 bestimmt sich nach den Regelungen in Teil A des VersTV 2009 und nach § 8 Ü-VersTV 2009.

19

1. Der VersTV 2009 und der Ü-VersTV 2009 finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeits- bzw. das (Übergangs-)Versorgungsverhältnis der Parteien Anwendung. § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. August/27. September 1993 enthält eine dynamische Verweisung auf die jeweils bei der Beklagten geltenden Versorgungstarifverträge und die Tarifverträge für die Übergangsversorgung. Nach § 1 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 und die den MTV ergänzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Sowohl der VersTV 2009 als auch der Ü-VersTV 2009 sind den MTV ergänzende Tarifverträge und werden demnach von der dynamischen Verweisung in § 1 des Arbeitsvertrags erfasst.

20

Aus § 5 des Arbeitsvertrags ergibt sich nichts anderes. Dort ist zwar bestimmt, dass für die Versorgung der Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 gilt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine statische Verweisung ausschließlich auf diesen Tarifvertrag. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 22). An derartigen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend. § 5 des Arbeitsvertrags stellt daher lediglich deklaratorisch klar, dass sich die Versorgung im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach dem Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 richtete (vgl. für einen insoweit wortlautidentischen Arbeitsvertrag bereits BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 23).

21

2. Für die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers sind - neben den Bestimmungen in § 8 Ü-VersTV 2009 - die Regelungen in Teil A des VersTV 2009 maßgebend.

22

a) Nach der Präambel des VersTV 2009 gilt für alle vor dem Jahr 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das bisherige Versorgungssystem der Beklagten auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe des VersTV 2009 (Teil A) weiter. Demgemäß richten sich die Versorgungsansprüche der ehemaligen Beschäftigten der Beklagten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor dem Jahr 2009 ausgeschieden sind, nach den gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 VersTV 2009 am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Bestimmungen in Teil A des VersTV 2009 (vgl. Satz 2 der Präambel zum VersTV 2009). Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 sieht vor, dass die Regelungen dieses Teils ua. für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen haben und sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen befanden.

23

b) Die in der Präambel zum VersTV 2009 und in Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist vor dem Jahr 2009 - nämlich am 30. September 1999 - mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1b Abs. 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden, er hatte vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen und befand sich am 1. Januar 2009 noch in der Übergangsversorgung für Fluglotsen. Damit richten sich seine Versorgungsansprüche nach Teil A des VersTV 2009 iVm. § 8 Ü-VersTV 2009.

24

II. Auf der Grundlage der Regelungen in Teil A VersTV 2009 und in § 8 Ü-VersTV 2009 ergibt sich kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines monatlich 3.151,43 Euro brutto übersteigenden Altersruhegeldes ab dem 1. April 2009.

25

1. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VersTV 2009 setzt sich das jährliche Altersruhegeld zusammen aus 0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten zwölf Beschäftigungsmonate zuzüglich 1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 VersTV 2009 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit. Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 aus den Grundbeträgen nach dem Vergütungstarifvertrag, etwaigen festen monatlichen Zulagen nach dem Zulagentarifvertrag sowie aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor Eintritt des Versorgungsfalls. Für Fluglotsen, die - wie der Kläger - vor Eintritt des Versorgungsfalls ein Übergangsgeld bezogen haben, werden diese Regelungen durch § 8 Abs. 2 Ü-VersTV 2009 modifiziert. Danach erfolgt die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens nach § 4 Abs. 2 VersTV 2009 auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze(§ 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009). Zudem wird als versorgungsfähiges Einkommen das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen zugrunde gelegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009).

26

2. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte bei der Berechnung seines Altersruhegeldes zu Recht ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 iHv. 121.385,75 Euro zugrunde gelegt.

27

a) Das versorgungsfähige Einkommen des Klägers in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs am 1. Oktober 1999 belief sich auf 177.780,12 DM. Der Kläger erhielt in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 einen tariflichen Grundbetrag und eine operative Zulage iHv. insgesamt monatlich 13.262,00 DM brutto. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 betrug der tarifliche Grundbetrag einschließlich der operativen Zulage monatlich 13.674,00 DM brutto. Für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. September 1999 ergibt dies einen Betrag iHv. 162.852,00 DM. Hinzu kommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 das anteilig zu berücksichtigende Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Jahre 1998 und 1999. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger ein Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils 7.294,10 DM (55 % von 13.262,00 DM) und im Jahr 1999 iHv. jeweils 7.520,70 DM (55 % von 13.674,00 DM). Da beide Sonderzahlungen auf das Kalenderjahr bezogen gewährt wurden, ergeben sich ein anteilig zu berücksichtigendes Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 iHv. jeweils 1.823,53 DM brutto und für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 iHv. jeweils 5.640,53 DM brutto. Demgemäß betrug das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs insgesamt 177.780,12 DM.

28

b) Die Beklagte hat das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs iHv. 177.780,12 DM nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 zutreffend entsprechend den während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes bis zum Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 erfolgten prozentualen Tariferhöhungen auf 121.385,75 Euro angehoben. Entgegen der Ansicht des Klägers war die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen nicht in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens mit einzubeziehen. Diese stellt keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 dar. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

29

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

30

bb) Danach ist die Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009.

31

(1) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts spricht bereits der Wortlaut dagegen, die durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 verursachte Erhöhung der operativen Zulage als Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 anzusehen.

32

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes mit den „Tariferhöhungen“ dynamisiert. Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, was sie unter „Tariferhöhungen“ verstehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet eine Tariferhöhung die Erhöhung der ausgehandelten und vertraglich festgesetzten Löhne und Gehälter (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache S. 3856 Stichworte: „Tarif“, „Tariferhöhung“). Kennzeichnend für die Tariferhöhung ist damit, dass die für die Bemessung des Entgelts maßgebenden Tarife gesteigert werden. Die Tarifvertragsparteien haben durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 indes nicht die bis dahin in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgesetzten Tarife für die operative Zulage der Fluglotsen in den nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 bestehenden Kategorien I bis III gesteigert. Vielmehr haben sie die Tätigkeiten der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten neu bewertet und infolgedessen die Anzahl der für die Höhe der operativen Zulage maßgebenden Kategorien der Niederlassungen erhöht. Zwar hatten diese Änderungen der tariflichen Regelungen für die Fluglotsen am Tower des Frankfurter Flughafens zur Folge, dass sie eine höhere operative Zulage als zuvor erhielten. Wie die Besitzstandsregelung in § 2 Abs. 2 ZTV 2000 zeigt, ging die neue Kategorisierung der Niederlassungen jedoch nicht zwangsläufig mit einer Erhöhung der operativen Zulage einher. Vielmehr konnte es je nach Einsatzort der Fluglotsen auch zu einer Absenkung der bislang gezahlten operativen Zulage kommen.

33

(2) Der Regelungszusammenhang zeigt zudem, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der Tariferhöhungen iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 nur an die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte anknüpfen wollten.

34

(a) Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so in die Dynamik nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Damit sollen Erhöhungen des für die Berechnung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes des Monatsgehaltes bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens der Übergangsgeldbezieher berücksichtigt werden. Dies zeigt der tarifliche Gesamtzusammenhang. Da sich das versorgungsfähige Einkommen nur aus den in § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 genannten Vergütungsbestandteilen ermittelt, kann sich die Bestimmung in § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 nur auf Veränderungen in der Höhe des anteilig zu berücksichtigenden Weihnachts- und Urlaubsgeldes beziehen. Sonstige, monatlich nicht wiederkehrende Vergütungsbestandteile, die nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 eine Veränderung erfahren könnten, fließen nicht in die Ermittlung des versorgungsfähigen Einkommens ein. Auch die Tarifgeschichte bestätigt dieses Verständnis. Bereits der Ü-VersTV 1998 enthielt in § 8 Abs. 2 Satz 2 eine identische Bestimmung. Die Regelung war durch den 2. Änderungstarifvertrag vom 31. Oktober 1996 zum Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 eingefügt worden, nachdem durch § 8 Abs. 1 des Vergütungstarifvertrags Nr. 2 vom 20. November 1995 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes von bislang 50 % auf 55 % der monatlichen Vergütung nach dem Vergütungs- und Zulagentarifvertrag angehoben worden war.

35

(b) § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 zeigt, dass der Begriff der Tariferhöhungen iSv. Satz 1 nach den Vorstellungen der Tarifparteien nur die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte erfassen soll. Die Regelung will einen Gleichlauf zwischen den Erhöhungen des für die Bemessung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes und den Tariferhöhungen iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 herstellen, indem Erstere bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens so zu berücksichtigen sind, als ob eine „lineare Anpassung“ stattgefunden hätte. Eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 ist nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien damit die lineare Steigerung der Tarifentgelte im Sinne einer prozentualen Anhebung der tariflichen Vergütung.

36

(c) Dafür spricht auch die Regelung in § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 zur Dynamisierung des Übergangsgeldes. Danach erhöht sich das Übergangsgeld jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz. Zwar unterscheiden sich die beiden Dynamisierungsregelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 und § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 insoweit, als im Rahmen von § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 Bezugsobjekt für die Anpassung nicht alle der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegten Vergütungsbestandteile, sondern nur die tariflichen Grundgehälter sind(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 648/07 - Rn. 24 ff.). Demgegenüber knüpft § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Ü-VersTV 2009 nicht lediglich an die Entwicklung der Tarifgehälter, sondern an die Entwicklung der gesamten dem versorgungsfähigen Einkommen zugrunde liegenden Vergütungsbestandteile an. Abgesehen von dem unterschiedlichen Bezugsobjekt für die Dynamisierung gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Regelungen in ihrem sonstigen Anpassungsmechanismus voneinander abweichen sollten. Die Tarifparteien wollten vielmehr sowohl das Übergangsgeld als auch das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher entsprechend den prozentualen Steigerungen der jeweils für sie maßgeblichen Vergleichsobjekte dynamisieren.

37

(3) Auch der Sinn und Zweck der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 bestätigt das vorliegende Ergebnis. Die Dynamisierung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 soll verhindern, dass die Versorgungsanwartschaft der Übergangsgeldbezieher bis zum Eintritt des Versorgungsfalls durch Kaufkraftverlust entwertet wird. Unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind - anders als Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG - gesetzlich nicht gegen eine Auszehrung durch Kaufkraftverlust geschützt. Deshalb haben die Tarifvertragsparteien entschieden, das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher an der tariflichen Entwicklung bei der Beklagten teilhaben zu lassen. Bei der Neubewertung der Tätigkeit der Fluglotsen an den einzelnen Niederlassungen der Beklagten durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 handelt es sich indes nicht um eine Maßnahme, die dem Ausgleich von Kaufkraftverlusten dient. Durch die operative Zulage soll vielmehr die unterschiedliche Beanspruchung der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten entlohnt werden.

38

(4) In dieser Auslegung enthält die Tarifbestimmung eine sachgerechte und praktikable Regelung. Mit der Anpassung des versorgungsfähigen Einkommens aller Bezieher einer Übergangsversorgung an die allgemeine tarifliche Entwicklung gilt für alle Fluglotsen eine einheitliche Methode der Dynamisierung. Entgegen der Ansicht des Klägers schreibt § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 gerade nicht vor, dass bei der Bemessung des versorgungsfähigen Einkommens die Vergütungsstrukturen des einzelnen Arbeitnehmers vor Bezug des Übergangsgeldes fortgeschrieben und an spätere Veränderungen angepasst werden. Dynamisiert wird ausschließlich das vor dem Bezug von Übergangsgeld bezogene versorgungsfähige Entgelt. Eine Dynamisierung, die - je nach dem letzten Einsatzort des Fluglotsen - zu unterschiedlich hohen Anpassungen führen könnte, würde diesem erkennbaren Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsinteresse der Tarifvertragsparteien zuwiderlaufen.

39

3. Ausgehend von einem dynamisierten versorgungsfähigen Einkommen iHv. 121.385,75 Euro schuldet die Beklagte dem Kläger damit ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Selbst wenn im Rahmen der Berechnung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 nicht auf die erst seit dem 1. Januar 2009 geltende Splittinggrenze nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009, sondern auf die(niedrigere) Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen sein sollte, ergäbe sich kein höheres Altersruhegeld. Nach § 3 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008 vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2008 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich. Damit beläuft sich der durchschnittliche Wert der vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2009 geltenden Splittinggrenze auf 63.900,00 Euro. Bei einer maximal anrechenbaren Beschäftigungszeit des Klägers nach § 5 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 1 Ü-VersTV 2009 von 40 Dienstjahren betragen die Anteile des jährlichen Altersruhegeldes nach § 6 Abs. 2 VersTV 2009 für den unter diesem Betrag liegenden Teil des versorgungsfähigen Einkommens 10.224,00 Euro (0,4 % x 40 x 63.900,00 Euro) und für den darüber liegenden Teil 27.593,16 Euro (1,2 % x 40 x 57.485,75 Euro). Auf der Grundlage eines jährlichen Altersruhegeldes iHv. 37.817,16 Euro brutto ergibt sich damit das von der Beklagten seit dem 1. April 2009 gezahlte monatliche Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    H. Frehse    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 9 Sa 428/10 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von Gas- und Stromkosten iHv. 25 vH freizustellen.

2

Der im Dezember 1948 geborene Kläger war seit dem 1. März 1976 bei der Wuppertaler Stadtwerke AG (im Folgenden: WSW AG) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich ua. nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen; daneben fanden die für die Angestellten des Arbeitgebers geltenden sonstigen Tarifverträge und betrieblichen Vereinbarungen Anwendung.

3

Am 26. September 1975 hatte der damalige Vorstand der WSW AG eine allgemeine Regelung zu einem Werkstarif für Energieleistungen erlassen. Diese Vorstandsverfügung bestimmte auszugsweise:

        

„Neufassung der Verfügung Nr. 5 vom 2.6.1966 vom 26.9.1975

        

Betrifft : Werkstarif

        

0       

Bezugsberechtigte

                 

00    

Für den gemessenen Haushaltsbezug von elektrischer Energie und Gas wird auf Antrag eine Ermäßigung eingeräumt:

                          

000     

vollbeschäftigten Betriebsangehörigen,

                          

001     

ehemaligen Betriebsangehörigen,

                          

002     

Witwen ehemaliger Betriebsangehöriger für die Dauer des Witwenstandes,

                          

…       

        
        

1       

Voraussetzungen für die Gewährung des Werkstarifs sind:

                 

10    

der eigene Haushalt,

                 

11    

die ununterbrochene Beschäftigungszeit bei den WSW / BEV bzw. - vor dem 1.4.1948 - den Städt. Werken Wuppertal der

                          

110     

Betriebsangehörigen von mindestens 6 Monaten,

                          

111     

ehemaligen Betriebsangehörigen von mindestens 5 Jahren bis zu ihrer Inruhesetzung,

                 

12    

der Bestand der Ehe während der aktiven Betriebszugehörigkeit des verstorbenen Ehemannes.

        

…       

        
        

3       

Wohnen außerhalb des Versorgungsbereichs der WSW

                 

Bezugsberechtigte, die nicht im Versorgungsbereich der WSW wohnen, erhalten - sofern ihr Verbrauch an elektrischer Energie und Gas von ihrem Versorgungsunternehmen im Währungsgebiet der Deutschen Mark zu einem höheren Preis abgerechnet wird, als er nach dem Werkstarif zur Verrechnung kommen würde - den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihnen bezahlten Rechnungsbetrag und dem nach dem Werkstarif zu verrechnenden Betrag erstattet.

        

…       

        
        

5       

Tarife

                 

Ab 1.1.1976 erhalten die Bezugsberechtigten 25 % Rabatt auf die allgemeinen Tarife für die Versorgung mit elektrischer Energie und Gas sowie auf Sondervertragspreise für Raumheizung und sonstigen Haushaltsbedarf.

        

6       

Besitzstand

                 

Hinsichtlich der auf dieser Verfügung beruhenden Ansprüche wird kein Besitzstand begründet.

        

7       

Kündigung

                 

Der Anspruch auf Werkstarif kann - auch mit Wirkung gegenüber ehemaligen Betriebsangehörigen - unter Aufheben oder Ändern dieser Verfügung mit einer Frist von 3 Monaten zum jeweiligen Jahresende gekündigt werden.

        

8       

Die Verfügung Nr. 5 vom 2.6.1966 (alte Fassung) wird am 31.12.1975 ungültig.“

4

Ab dem 1. Januar 2005 fand auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung. Dieser bestimmt in § 2 Abs. 1:

        

„Der Arbeitsvertrag wird schriftlich unter Angabe der Entgeltgruppe abgeschlossen. Nebenabreden sind schriftlich zu vereinbaren.“

5

Im Jahr 2007 wurden die mit der Erstellung zentraler Dienstleistungen befassten Organisationseinheiten der WSW AG abgespalten und im Wege der Aufnahme nach §§ 123 ff. UmwG auf die Beklagte übertragen. Diese ist weder Erzeuger noch Lieferant von Strom und Gas. Im Zuge der zum 1. Januar 2007 erfolgten Umwandlung wies die WSW AG den Kläger darauf hin, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergehen und diese in seinen Arbeitsvertrag eintreten werde.

6

Im Zuge der Umstrukturierung der WSW AG schlossen die WSW AG und die der WSW-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte zählt, einerseits und die Gewerkschaft ver.di andererseits den Tarifvertrag zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der WSW Unternehmensgruppe vom 10. November 2006 (im Folgenden: TV-SR). Dieser bestimmt ua.:

        

Präambel

        

Die Wuppertaler Stadtwerke AG, ein einheitliches und sich mehrheitlich im Eigentum der Stadt Wuppertal befindliches Versorgungs- und Verkehrsunternehmen, wird durch eine grundlegende Umstrukturierung in mehrere Unternehmen geteilt. Dieser Tarifvertrag wird zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der WSW-Unternehmensgruppe abgeschlossen.

                 
        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten der diesen Tarifvertrag abschließenden oder beitretenden Unternehmen, sofern der Geltungsbereich für einzelne Regelungen dieses Tarifvertrages nachstehend nicht abweichend festgelegt wird.

        

(2) Der § 4 I dieses Tarifvertrages gilt nur für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 2 III.

        

(3) Der Tarifvertrag bindet und verpflichtet die ihn abschließenden und die ihm beitretenden Unternehmen und Parteien.

        

§ 2     

        

Definitionen

        

(1) Der Begriff ‚WSW-Unternehmensgruppe’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint folgende bestehende, sich in Gründung befindliche bzw. zu gründende Unternehmen:

        

WSW Holding GmbH (Arbeitstitel),

        

WSW Verkehr GmbH (Arbeitstitel),

        

Wuppertaler Stadtwerke AG und die

        

WSW Netz GmbH.

        

(2) ‚Stichtag’ im Sinne dieses Tarifvertrages ist:

        

       

für die WSW Holding GmbH und die WSW Verkehr GmbH der Tag, an dem die ersten Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Wuppertaler Stadtwerke AG durch Betriebsübergang auf eines der beiden Unternehmen übergehen.

        

       

für die Wuppertaler Stadtwerke AG der Tag, auf den der spätere der beiden oben genannten Stichtage fällt.

        

(3) Der Begriff ‚heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, die

        

       

am jeweiligen Stichtag in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe stehen werden und

        

       

am Vortag des oben genannten Stichtages in einem Arbeitsverhältnis mit der Wuppertaler Stadtwerke AG standen.

        

Die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind ausgeschlossen.

        

§ 3     

        

Tarifbindung

        

(1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe führen die bei der Wuppertaler Stadtwerke AG am Vortag des Stichtages geltenden Tarifverträge - ausdrücklich einschließlich des Tarifvertrages ‚Tarifvertrag vom 17. Januar 2005 zur Einführung des TV-V bei der Wuppertaler Stadtwerke AG (WSW AG)’ - in ihrer jeweils gültigen Fassung weiter und erklären ihren Willen, den Abschluss identischer Tarifverträge beim Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen zu beantragen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) erklärt sich schon jetzt zum Abschluss dieser Tarifverträge bereit.

        

(2) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe werden die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen beantragen, sofern dadurch die Regelungen in Absatz 1 keine Einschränkungen erfahren.

        

§ 4     

        

Kündigungsschutz

        

(1) Der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen ist gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis zum 31.12.2020 unzulässig. Ausnahmsweise ist der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jedoch auch innerhalb des Zeitraums bis zum 31.12.2020 zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (durch z. B. drohenden Verlust von Leistungen, Genehmigungen oder Aufträgen) so ändert, dass das jeweilige Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe zu Maßnahmen greifen muss, die es zur Anzeige gemäß § 17 I KSchG verpflichtet.

        

…       

        

§ 5     

        

Materielle Sicherung

        

(1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe treten zum Stichtag in die am Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG bestehenden und im Zuge des Betriebsübergangs jeweils auf die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe übergegangenen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ein. Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung der Eingruppierung und Einstufung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Streichung von Entgeltbestandteilen und auch keine andere Veränderung des derzeitigen Entgelts vorgenommen.

        

(2) Die zum Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG gewährten betrieblichen Sozialleistungen werden für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag ihr Arbeitsverhältnis bei einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe beginnen, werden die bis zum Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG gewährten betrieblichen Sozialleistungen bis zu einer Neuregelung in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt.

        

§ 6     

        

Immaterielle Sicherung

        

Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung des Tätigkeitsbereichs, des Arbeitsinhaltes und des Arbeitsortes der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgenommen. Eventuelle spätere Veränderungen in den vorgenannten Bereichen erfolgen auf der Grundlage der dann in dem jeweiligen Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe geltenden Regelwerke.

        

§ 7     

        

Betriebsvereinbarungen

        

(1) Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe treten in die am Vortag des Stichtages bei der Wuppertaler Stadtwerke AG geltenden Betriebsvereinbarungen ein.

        

…       

        

§ 8     

        

Zusatzversorgung

        

Die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe werden die Ansprüche aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 18 TV-V, auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Altersvorsorge nach Maßgabe des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) oder des Tarifvertrages über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) in ihrer jeweils geltenden Fassung, erfüllen.“

7

Am 24. September 2007 beschlossen der Vorstand der WSW AG und die Geschäftsführungen der Beklagten und der WSW mobil GmbH, dass künftig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der WSW-Unternehmensgruppe angestellt werden, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab dem 1. Oktober 2007 ihr Arbeitsverhältnis beenden und anschließend in den Ruhestand wechseln, Energierabatte iHv. 15 vH erhalten, wenn die Energie von der WSW AG bezogen wird.

8

Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Dezember 2008 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und befindet sich seit dem 1. Januar 2009 im Ruhestand. Bis zum 31. Dezember 2008 gewährte ihm die Beklagte einen Energiekostenrabatt iHv. 25 vH; seit dem 1. Januar 2009 erhält er nur noch einen Rabatt iHv. 15 vH.

9

Gegen diese Absenkung des Energiekostenrabatts hat sich der Kläger gewandt und von der Beklagten weiterhin die Freistellung von den abgerechneten Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH begehrt.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund betrieblicher Übung ein Energiekostenrabatt für Strom und Gas iHv. 25 vH zu. Der Entstehung einer betrieblichen Übung stehe das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BAT und des § 2 Abs. 1 Satz 2 TV-V nicht entgegen. Bei der Vereinbarung des Personalrabatts handele es sich nicht um eine Nebenabrede. Die Zusage übertariflicher Sonderleistungen gehöre zu den vertraglichen Hauptpflichten. Im Übrigen stelle sich die Berufung der Beklagten auf die fehlende Schriftform als unzulässige Rechtsausübung dar. Die Vorstandsverfügung vom 26. September 1975 stehe der Begründung von Ansprüchen aus betrieblicher Übung nicht entgegen. Diese Verfügung sei ihm nicht bekannt. Im Übrigen sei ihm gegenüber ein Widerruf nicht erklärt worden. Schließlich stehe ihm der Anspruch auch aufgrund § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR zu.

11

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn von Forderungen der Wuppertaler Stadtwerke AG freizustellen, soweit diese vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2009 mehr als 75 % der gemessenen Energiekosten (Gas und Strom) gegenüber ihm abgerechnet hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn auf Lebenszeit, nach seinem Tod seine Witwe auf Lebenszeit, in Höhe von 25 % von den Kosten der Energielieferung (Gas und Strom) durch die WSW AG oder einen Nachfolge-Versorgungsbetrieb freizustellen,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Energiepreisvergünstigung von 25 % entsprechend den bisherigen Bedingungen bei der Energielieferung durch die WSW AG zu gewähren.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht mit den Hauptanträgen entsprochen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn auf Lebenszeit und ggf. nach seinem Tod seine Witwe auf deren Lebenszeit - jedenfalls für die Dauer ihres Witwenstands - von den Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH der anfallenden Kosten freistellt.

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die Hauptanträge bedürfen der Auslegung.

17

a) Klageanträge sind der Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich. Dabei sind die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Für das Verständnis eines Klageantrags ist deshalb nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Das Gericht hat vielmehr den erklärten Willen zu erforschen, wie er sich aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage ergibt. Im Zweifel ist das gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. etwa BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 568/09 - Rn. 25, EzTöD 650 TV-Ärzte/VKA § 16 Entgeltgruppe III Nr. 13; BGH 12. Februar 2003 - XII ZR 324/98 - zu II 1 a der Gründe mwN, WM 2003, 1919).

18

b) Mit den Hauptanträgen begehrt der Kläger trotz der Formulierung als (unbezifferte) Leistungsanträge die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von den Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2009 (Hauptantrag zu 1) und für die Zeit ab dem 1. November 2009 bis zu seinem Tod sowie ggf. für die Dauer des Witwenstands seiner Ehefrau (Hauptantrag zu 2) freizustellen. Dieses Verständnis seiner Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

19

2. In dieser Auslegung sind die Hauptanträge zulässig.

20

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Klage muss sich dabei nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen. Es reicht, wenn sie sich auf einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Folgen beschränkt, sofern dafür ein Feststellungsinteresse besteht (BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 14).

21

b) Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn von den Forderungen der WSW AG oder eines Nachfolge-Versorgungsunternehmens aus dem Bezug von Strom und Gas iHv. 25 vH der tatsächlich angefallenen Kosten in der Zeit ab dem 1. Januar 2009 freizustellen. Hierbei handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Da die Beklagte die vom Kläger begehrte Freistellungsverpflichtung leugnet, steht dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Feststellungsanträge nicht entgegen. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 286/09 - Rn. 17; 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 31, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 11). Dies ist hier der Fall.

22

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 TV-SR Anspruch auf die begehrte Freistellung von den Kosten für Strom und Gas. Bis zum 1. Januar 2007 gewährte die WSW AG als Rechtsvorgängerin der Beklagten allen Arbeitnehmern, die in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt des Versorgungsfalls in einem Arbeitsverhältnis zu ihr standen, auch für die Dauer des Ruhestands und darüber hinaus nach ihrem Tod deren Witwen einen Energiekostenrabatt iHv. 25 vH der gemessenen Verbrauchskosten für Strom und Gas. Hierbei handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung iSv. § 5 Abs. 2 TV-SR. Nach dieser Tarifbestimmung ist es unerheblich, ob auf deren Gewährung in der Vergangenheit ein Rechtsanspruch bestanden hat. Entscheidend ist allein die tatsächliche Gewährung. Es kann deshalb dahinstehen, ob bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine betriebliche Übung auf die Gewährung eines Energiekostenrabatts entstanden ist.

23

1. Der TV-SR ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Nach § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 10. Februar 1976 finden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die für Angestellte des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge Anwendung. Hierzu zählt auch der TV-SR. Dieser gilt nach § 2 Abs. 1 TV-SR für die Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte gehört.

24

2. § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR erfasst auch den von der WSW AG an ihre Mitarbeiter und Betriebsrentner gewährten Energiekostenrabatt als betriebliche Sozialleistung. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

25

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., etwa BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 236/11 - Rn. 12; 16. Juni 2010 - 4 AZR 944/08 - Rn. 18; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162; 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - zu I 2 a bb (2) (c) (bb) der Gründe mwN, BAGE 113, 291).

26

b) Danach erfasst § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auch den von der Rechtsvorgängerin der Beklagten spätestens seit 1975 tatsächlich gewährten Energiekostenrabatt, ohne dass es darauf ankäme, ob hierauf ein Rechtsanspruch, etwa in Gestalt einer betrieblichen Übung, bestanden hat.

27

aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR. Danach werden die von der WSW AG zum Vortag des Stichtags gewährten betrieblichen Sozialleistungen für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe, somit auch im Unternehmen der Beklagten, fortgeführt.

28

Bei dem Energiekostenrabatt handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung. Diese soll nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR „heutigen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von der Beklagten weitergewährt werden. Nach der Definition in § 2 Abs. 3 TV-SR sind heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Stichtag(§ 2 Abs. 2 TV-SR), dem 1. Januar 2007, in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe stehen und am Vortrag des Stichtags, dem 31. Dezember 2006, in einem Arbeitsverhältnis mit der WSW AG gestanden haben. Diese Arbeitnehmer sollen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR den Energiekostenrabatt auch weiterhin erhalten. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag in ein Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe eintreten. Diesen Arbeitnehmern werden die bis zum Stichtag gewährten Sozialleistungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-SR nur bis zu einer Neuregelung in der WSW-Unternehmensgruppe weiter gewährt. Die „heutigen“ Arbeitnehmer mussten nach der Tarifbestimmung nicht mit einer Neuregelung rechnen. Da der Energiekostenrabatt von der WSW AG nicht nur während des aktiven Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Ruhestand gewährt wurde, ist der Rabatt den „heutigen“ Arbeitnehmern auch dann weiterzugewähren, wenn sie in den Ruhestand treten.

29

Nach dem Tarifwortlaut kommt es für die Weitergewährung der betrieblichen Sozialleistung nicht darauf an, ob hierauf ein Rechtsanspruch bestand. Mit der Formulierung „gewährte betriebliche Sozialleistungen“ haben die Tarifvertragsparteien allein darauf abgestellt, dass die Sozialleistung von der WSW AG tatsächlich erbracht wurde.

30

bb) Für diese Auslegung sprechen auch der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen und ihr Sinn und Zweck.

31

Der TV-SR dient nach seiner Präambel der Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmer im Zuge der grundlegenden Umstrukturierung der WSW AG und der damit verbundenen Schaffung der WSW-Unternehmensgruppe. Diese Sicherung soll nach § 4 TV-SR den kündigungsrechtlichen Bestandsschutz gewährleisten und nach § 5 Abs. 1 TV-SR die Sicherung des Arbeitsentgelts einschließlich der Eingruppierung und Einstufung umfassen. Durch § 5 Abs. 2 TV-SR sollen die gewährten betrieblichen Sozialleistungen gesichert werden und mit § 6 TV-SR werden die bisherigen Tätigkeitsbereiche, Arbeitsinhalte und Arbeitsorte weitgehend gegen Veränderungen geschützt. Schließlich enthält § 8 TV-SR Regelungen zur zusätzlichen Altersversorgung. Die tarifliche Regelung bezweckt damit, wie sich etwa aus § 6 TV-SR ergibt, eine über den Schutz aus § 613a BGB hinausgehende Absicherung der von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer. Diesen sollten ihre bisherigen (Rechts-)Positionen und die ihnen tatsächlich gewährten Leistungen erhalten bleiben und durch den Tarifvertrag rechtlich abgesichert werden. Zu diesen tatsächlich gewährten Leistungen gehört auch der Energiekostenrabatt, der auch im Ruhestand weitergewährt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien bei den gewährten betrieblichen Sozialleistungen zwischen Leistungen an aktive Arbeitnehmer und an Versorgungsempfänger unterschieden haben, sind nicht ersichtlich. Ob auf den Energiekostenrabatt bereits gegenüber der WSW AG ein Rechtsanspruch - ggf. aus betrieblicher Übung - bestand, ist daher ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die Beklagte selbst weder Gas noch Strom produziert oder liefert.

32

c) Der Kläger kann daher von der Beklagten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auch während seines Ruhestands, nach seinem Tod seine Witwe für die Dauer des Witwenstands, Freistellung von den anfallenden Kosten für Strom und Gas iHv. 25 vH verlangen. Er stand am 1. Januar 2007 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe. Am Vortrag dieses Stichtags war er Arbeitnehmer der WSW AG. Somit erfüllt er die tariflichen Voraussetzungen für die Weitergewährung des Energiekostenrabatts in der bisherigen Höhe.

33

III. Der Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, denn er ist erkennbar nur für den Fall der Abweisung der Hauptanträge gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

34

IV. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Lohre     

        

    C. Reiter     

                 

Tenor

1. Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2010 - 11 Ca 3640/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Sprungrevision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Jahressonderzahlung für 2008.

2

Die Klägerin ist seit 1984 für die Beklagte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung. Dieser regelt den Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung wie folgt:

        

㤠20 Jahressonderzahlung

        

(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

        

(2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden,

        

in den Entgeltgruppen 1 bis 8

90 v.H.,

        

in den Entgeltgruppen 9 bis 12

80 v.H. und

        

in den Entgeltgruppen 13 bis 15

60 v.H.

        

des der/dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden und Mehrarbeit), Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien. Der Bemessungssatz bestimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. September begonnen hat, tritt an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses. In den Fällen, in denen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes während des Bemessungszeitraums eine elterngeldunschädliche Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, bemisst sich die Jahressonderzahlung nach dem Beschäftigungsumfang am Tag vor dem Beginn der Elternzeit.

                 
        

Protokollerklärung zu Absatz 2:

        

Bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert und durch drei geteilt; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. Ist im Bemessungszeitraum nicht für alle Kalendertage Entgelt gezahlt worden, werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert, durch die Zahl der Kalendertage mit Entgelt geteilt und sodann mit 30,67 multipliziert. Zeiträume, für die Krankengeldzuschuss gezahlt worden ist, bleiben hierbei unberücksichtigt. Besteht während des Bemessungszeitraums an weniger als 30 Kalendertagen Anspruch auf Entgelt, ist der letzte Kalendermonat, in dem für alle Kalendertage Anspruch auf Entgelt bestand, maßgeblich.

        

…“    

3

Die Klägerin war seit dem 22. April 2002 in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a Teil I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert und erhielt nach Überleitung in den TVöD gem. Anlage 2 zum TVÜ-Bund ein Vergleichsentgelt aus der Entgeltgruppe 9. Mit Änderungstarifvertrag vom 31. März 2008 wurde der Bewährungsaufstieg nach § 8 TVÜ-Bund neu geregelt. Am 23. Februar 2009 erließ das Bundesministerium des Inneren Hinweise für die Umsetzung dieses Tarifvertrags, die am 2. März 2009 durch Erlass des Bundesministeriums für Verteidigung für den Geschäftsbereich der Klägerin umgesetzt wurden. Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie erfülle mit Wirkung ab 22. April 2008 die tariflichen Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 Teil I der Anlage 1a zum BAT, und setzte das sich gem. § 8 Abs. 2 und 3 TVÜ-Bund ergebende Vergleichsentgelt ab diesem Tag neu fest. Die Beklagte zahlte die monatlichen Differenzbeträge nach, eine Neuberechnung der Jahressonderzahlung 2008 erfolgte nicht.

4

Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung des Differenzbetrags zwischen der gezahlten und der sich auf Grundlage des höheren Vergleichsentgelts ergebenden Jahressonderzahlung. Die Sonderzahlung sei nach der tariflich zustehenden und nicht der unmittelbar in den Referenzmonaten gezahlten Vergütung zu berechnen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 220,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Maßgeblich für die Bemessung der Jahressonderzahlung sei das tatsächlich in den Referenzmonaten Juli, August und September 2008 gezahlte Entgelt.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Sprungrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

I. Die nach § 76 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat aus § 20 Abs. 2 Satz 1 TVöD Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag zur geleisteten Jahressonderzahlung für das Jahr 2008. Grundlage der Berechnung der Jahressonderzuwendung ist das „für“ die Referenzmonate durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt und nicht das unmittelbar „in“ den Referenzmonaten gezahlte Entgelt. „Für“ die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen sind bei der Bemessung der Jahressonderzahlung zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

9

1. Der Wortlaut, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 299/10 - Rn. 14, ZTR 2011, 491) führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 20 Abs. 2 TVöD stellt ab auf das „in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt“. Dies deutet darauf hin, dass Bemessungsgrundlage der Jahressonderzahlung tatsächlich geleistete Zahlungen sein sollen. Bei einem engen Verständnis des Wortlauts kann darin auch eine Beschränkung auf den bloßen Zahlvorgang „in“ den Referenzmonaten gesehen werden. Näherliegend ist aber, dass es auf das „für“ die Referenzmonate tatsächlich gezahlte Entgelt ankommen soll. Bei einem solchen Tarifverständnis fließen für die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen in die Berechnung mit ein.

10

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist weitgehend unergiebig, im Zweifel gebührt aber derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 757/09 - Rn. 21). Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Bemessung der Jahressonderzahlung trotz denkbarer Irrtümer bei der Zahlung oder möglicher Verzögerungen bei der Abwicklung der Zahlung ausschließlich an das tatsächlich in den Referenzmonaten zugeflossene Entgelt anknüpfen. Es ist auch nicht sachgerecht, die Höhe der Jahressonderzahlung von der Dauer der Umsetzung einer Tarifänderung abhängig zu machen. Bei einer zeitnahen Umsetzung des Änderungstarifvertrags vom 31. März 2008 wäre in den Referenzmonaten bereits das höhere Vergleichsentgelt gezahlt und auf dieser Grundlage die Jahressonderzahlung berechnet worden. Ein Tarifverständnis, nach dem die Berechnung der Jahressonderzahlung trotz identischer Eingruppierung und identischem Anspruch auf Vergleichsentgelt je nach dem Zeitpunkt einer tatsächlichen Zahlung zu einer Ungleichbehandlung führen kann, begegnet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlichen Bedenken(zur verfassungskonformen Auslegung von Tarifverträgen vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 757/09 - aaO). Wird ein Arbeitnehmer rückwirkend höhergruppiert und wird für die Referenzmonate nachträglich weiteres Entgelt gezahlt, so fließt dieses Entgelt in die Berechnung der Jahressonderzahlung mit ein.

11

3. Der Anspruch der Klägerin ist der Höhe nach unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

12

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Großmann    

        

    Auerbach    

                 

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2009 - 16 Sa 1557/08 - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27. August 2008 - 4 Ca 2588/07 - bezüglich eines weitergehenden Vergütungsanspruchs von 3.197,82 Euro (Weihnachtszuwendung), eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs von 27.072,46 Euro und eines Zinsanspruchs vor dem 27. Dezember 2007 zurückgewiesen hat.

Die weitergehende Berufung und Revision des Klägers sowie die Berufung und die Revision der Beklagten werden zurückgewiesen.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2009 - 16 Sa 1557/08 - und, unter teilweiser Abänderung auf die Berufung des Klägers, das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27. August 2008 - 4 Ca 2588/07 - werden zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46.276,77 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 1.022,89 Euro seit dem 1. Juni 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Juli 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. August 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. September 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Oktober 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. November 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Dezember 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 139.362,96 Euro als Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 369,25 Euro seit dem 1. Juni 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Juli 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. August 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. September 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Oktober 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. November 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Dezember 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger aus der Zeit bis zum 31. Dezember 2004 noch nicht gewährte 35 Urlaubstage und 1 AZV-Tag zustehen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entsteht, dass die Beiträge zur Nordrheinischen Ärzteversorgung für den Zeitraum vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 von der Beklagten verspätet nachentrichtet werden und der Kläger dadurch schlechter steht, als wenn die Beiträge im laufenden Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 eingezahlt worden wären.

Die weitergehende Klage - ausgenommen ein weitergehender Vergütungsanspruch von 3.197,82 Euro (Weihnachtszuwendung) - wird abgewiesen.

Soweit das Landesarbeitsgericht Hamm die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27. August 2008 - 4 Ca 2588/07 - auf Zahlung einer weiteren Vergütung (Weihnachtszuwendung) in Höhe von 3.197,82 Euro zurückgewiesen hat, wird der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens - zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über Zahlungsansprüche des Klägers für das Jahr 2004, die dieser geltend macht, nachdem eine ihm ausgesprochene außerordentliche Kündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist.

2

Der Kläger war seit 1. Oktober 1976 leitender Arzt der Anästhesieabteilung des Mhospitals in G, dessen Trägerin die Beklagte ist.

3

Nach § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16. September 1976 war der Kläger verpflichtet, nach dem jeweils neuesten Stand gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse die stationäre Behandlung aller Patienten seiner Abteilung einschl. der Gutachten und Beobachtungsfälle durchzuführen sowie die stationären Patienten der anderen Abteilungen zu untersuchen und mitzubehandeln, soweit sein Fachgebiet berührt wird und er zur Konsiliartätigkeit hinzugezogen wird.

4

Der die sog. Nebentätigkeiten regelnde § 5 des Arbeitsvertrages lautet auszugsweise:

        

„Der Arzt ist berechtigt, oder auch auf Wunsch des Krankenhauses verpflichtet, über den Rahmen seiner Haupttätigkeit iSd. § 3 im Krankenhaus folgende Nebentätigkeiten auszuüben:

        
        

Ambulanz (ggf. berufsgenossenschaftliches Durchgangsarztverfahren), Sprechstundenpraxis und Konsiliar- und Gutachtertätigkeit, soweit Zeugnisse und Gutachten von anderer Seite als vom Krankenhaus angefordert werden.

        
        

...     

        

Durch die gestattete Nebentätigkeit darf die einwandfreie ärztliche Versorgung der stationären Kranken nicht beeinträchtigt werden.

        
        

Die nach Abs. (1) erteilte Erlaubnis zur Ausübung von Nebentätigkeiten kann jederzeit vom Krankenhausträger widerrufen oder eingeschränkt werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen. Sie liegen insbesondere dann vor, wenn durch die Ausübung der Nebentätigkeit die dienstliche Haupttätigkeit (§ 3) oder der allgemeine Dienstbetrieb beeinträchtigt werden.

        
        

Widerruft der Krankenhausträger die Nebentätigkeit oder schränkt er diese ein, so ist er nicht verpflichtet, dem leitenden Abteilungsarzt eine Entschädigung für die diesem daraus entstehenden finanziellen oder sonstigen Nachteile zu gewähren.“

        
5

Dem Kläger war nach § 4 des Arbeitsvertrages das Recht eingeräumt worden, die medizinisch-technischen und pflegerischen Einrichtungen des Krankenhauses zu benutzen und nachgeordnete Ärzte in Anspruch zu nehmen. Dafür hatte er nach § 8 Arbeitsvertrag die Pflicht, die dabei entstehenden Sach- und Personalkosten zu erstatten. In einer Zusatzvereinbarung haben die Parteien bestimmt, dass der Kläger einen bestimmten Prozentsatz des Bruttoerlöses seiner gesamten liquidationsberechtigten Tätigkeit an das Krankenhaus abführt. Dieser Prozentsatz betrug zuletzt 13,6 %.

6

§§ 6 und 7 des Arbeitsvertrages, die Vergütung und Liquidationsrecht regeln, lauten auszugsweise:

        

㤠6

        

1.    

Der Arzt erhält ein Gehalt nach Vergütungsgruppe 1 der AVR.

        

2.    

...     

        

f)    

Soweit eine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den Absätzen a-d nicht möglich ist, verpflichtet sich der Arzt, sich neben der Pflichtversicherung bei der Ärztekammer/-versorgung im satzungsmäßigen Rahmen freiwillig zum jeweiligen Höchstbetrag höherzuversichern oder aber eine entsprechende Lebensversicherung abzuschließen.

        

g)    

Das Krankenhaus beteiligt sich an den monatlichen Beiträgen zu den o.a. Versicherungen (auch wenn es sich nur um die Versicherung bei der Ärztekammer/-versorgung - Pflichtversicherung/freiwillige Höherversicherung - und ggf. noch um einen Lebensversicherungsvertrag handelt) mit jeweils 50%, höchstens jedoch zweimal bis zur Höhe des jeweiligen Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die gleichhohe Beteiligung des Arztes an den verschiedenen Beiträgen wird vorausgesetzt. Die jeweiligen Beitragsanteile des Arztes werden von seinen monatlichen Dienstbezügen einbehalten und vom Krankenhaus an den zuständigen Versicherungsträger abgeführt.

        

3.    

Der Arzt erhält das Liquidationsrecht gemäß § 7 Abs. 1 und 2.

        

§ 7

        

1.    

Der Arzt ist berechtigt, für die von ihm oder unter seiner Verantwortung bei der stationären Behandlung erbrachten ärztlichen Leistungen als gesondert berechenbare ärztliche Leistung im Sinne der jeweils gesetzlichen Bestimmungen gegenüber Patienten zu liquidieren, die eine persönliche Behandlung durch ihn wünschen und dies mit dem Krankenhaus vereinbart haben. Durch die Erbringung dieser gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen darf die ärztliche Versorgung iSd. § 3 dieses Vertrages aller Patienten seiner Fachabteilung nicht beeinträchtigt werden.

                 

Die gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen, die im Bezug auf die möglichen Patienten des Krankenhauses höchstens 10 % betragen sollen, werden im Hinblick auf die geringe Zahl der möglichen Patienten der Fachabteilung Anästhesie auf höchstens 20 % festgesetzt.

        

2.    

Der Arzt ist berechtigt, im Zusammenhang mit den Nebentätigkeiten nach § 5 für die rein ärztlichen Leistungen zu liquidieren.

        

3.    

Die Liquidation gem. Abs. 1 und 2 werden vom Arzt ausgestellt und eingezogen. Der Bruttoliquidationserlös ist dem Krankenhaus durch Einreichen von aufgelisteten Rechnungsdurchschriften bzw. Abrechnungsunterlagen der Kassenärztlichen Vereinigung oder sonstigen Kostenträgern nach Abschluss eines jeden Kalendervierteljahres nachzuweisen, und zwar unter Einhaltung einer Frist von möglichst 3 Wochen.

        

4.    

Bei der Ausübung des Liquidationsrechts gem. Abs. 1 und 2 hat der Arzt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Patienten und den gemeinnützigen Charakter des Krankenhauses Rücksicht zu nehmen. Diesen Grundsatz hat der Arzt auch bei Beteiligung anderer leitender Ärzte in Absprache mit ihnen zu berücksichtigen.

        

5.    

Der Arzt ist jedoch verpflichtet, auf Veranlassung des Krankenhausträgers Mitarbeiter des Krankenhauses unentgeltlich zu behandeln.“

7

Der jährliche Urlaubsanspruch des Klägers betrug nach § 10 Arbeitsvertrag fünf Wochen. Das Urlaubsjahr sollte das Kalenderjahr sein, wobei der Urlaub des Klägers wie bei anderen Chefärzten bis zum Ablauf des übernächsten Kalenderjahres übertragen werden konnte. Seine Urlaubsvertretung bei der Nebentätigkeit und im liquidationsberechtigten stationären Tätigkeitsbereich hatte der Kläger selbst im Einvernehmen mit dem Krankenhausträger zu regeln, die Kosten der Vertretung bei diesen Tätigkeiten hatte er zu tragen. Im Fall der Dienstunfähigkeit des Klägers sollte er sein Gehalt für die Dauer von sechs Wochen fortgezahlt erhalten, das Liquidationsrecht nach § 7 Arbeitsvertrag sollte ihm dagegen bis zu 26 Wochen im Fall der Dienstunfähigkeit zustehen(§ 10 Abs. 4 und 5 Arbeitsvertrag).

8

Nach einer Dienstvereinbarung sollte die gegenüber der Regelarbeitszeit gem. AVR von 38,5 Stunden pro Woche vereinbarte Mehrarbeit bei einer arbeitsvertraglichen 40-Stunden-Woche durch sog. AZV-Tage ausgeglichen werden, wovon jährlich im Grundsatz acht AZV-Tage zur Verfügung standen, die auf Antrag gewährt wurden.

9

Der Kläger hatte ab dem vierten Quartal 2001 eine Privatärztliche Verrechnungsstelle (PVS) mit der Abrechnung gegenüber den Patienten beauftragt, soweit er diesbezüglich liquidationsberechtigt war. Gegenüber der Beklagten rechnete der Kläger das vereinbarte Nutzungsentgelt selbst ab. Dabei waren die Angaben des Klägers gegenüber der Beklagten für das vierte Quartal 2002 sowie für die ersten beiden Quartale 2003 fehlerhaft. Dies veranlasste die Beklagte zu eigenen Ermittlungen. Von 303 Patienten des Jahres 2001, die von der Beklagten angeschrieben worden waren, antworteten 157 bis 14. Mai 2004. Ein Vergleich ergab, dass der Kläger Bruttoliquidationen iHv. 16.069,42 Euro nicht angegeben hatte, woraus sich ein um 2.185,44 Euro geringeres Nutzungsentgelt ergab, das der Kläger an die Beklagte abzuführen hatte. Unter dem 26. Mai 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger außerordentlich fristlos. Dabei erhob sie wie bei einer später zum 31. Dezember 2004 ausgesprochenen Kündigung sowie fünf weiteren bis Februar 2005 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen den Vorwurf wissentlicher und absichtlicher Falschangaben bei der Abrechnung der Nutzungsentgelte. Mit rechtskräftigem Urteil vom 29. März 2007 entschied das Landesarbeitsgericht Hamm, dass keine dieser Kündigungen das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet hatte (- 16 Sa 435/06 -).

10

Unter Berücksichtigung des vom Kläger gezahlten Nutzungsentgelts ergeben sich für die Jahre 1996 bis 2004 folgende Nettoliquidationsbeträge:

        

1996   

201.006,38 Euro

        

1997   

137.911,34 Euro

        

1998   

66.882,73 Euro

        

1999   

282.324,43 Euro

        

2000   

142.590,08 Euro

        

2001   

192.127,92 Euro

        

2002   

189.626,70 Euro

        

2003   

562.235,71 Euro

        

2004   

106.084,17 Euro

11

Dies ergibt bei dem von den Parteien verwendeten Divisor von 8,5 durchschnittliche jährliche Nettoliquidationseinkünfte iHv. 221.269,35 Euro. Aus Privatambulanz nahm der Kläger 2003 11.415,67 Euro und aus ambulanter kassenärztlicher Tätigkeit 5.664,74 Euro ein. Schließlich erhielt der Kläger für eine von ihm für die Universität E ausgeführte Lehrtätigkeit 290,50 Euro für das Jahr 2003. Ausweislich der Abrechnung für Dezember 2003 belief sich die monatliche Vergütung des Klägers in diesem Monat auf 6.459,96 Euro brutto. Im November 2003 zahlte die Beklagte an den Kläger eine Weihnachtszuwendung iHv. 4.629,61 Euro brutto.

12

Unter dem 18. November 2004 beantragte der Kläger schriftlich Urlaub:

        

„…    

        

Betrifft: 1. Urlaub 2004

        

…       

        

Ausweislich meiner Gehaltsmitteilung für Februar 2004 (Anlage 1) steht mir noch ein Resturl. 04 = 035,00 Tage/Stand 11.02.04 und ein Rest-AZV 04 von 1,00 Tagen, insgesamt also 36 Tage zu.

        

Zurückgerechnet vom 31.12.2004 und bei Wertung von Heiligabend und Silvester als je ½ Arbeitstag ergibt sich für 2004 noch ein Urlaubsanspruch vom 25.11.2004 bis 31.12.2004. Einen entsprechend ausgefüllten Urlaubsantrag habe ich beigefügt (Anlage 2).

        

Ich bitte,

        

-       

meinen Urlaubsantrag im Mengengerüst zu überprüfen,

        

-       

evtl. erforderliche Zu- oder Abschläge (wenn ich schon 2004 Urlaub aus dem Kontingent 2004 beantragt haben sollte) korrigierend nachzuberechnen

        

-       

mir den Urlaub rückzählend ab 31.12.2004 zu bestätigen und zu gewähren und auch

        

-       

die Überweisung des Urlaubsgelds nicht zu vergessen.

        

...“   

        
13

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm für die Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges eine Vergütung iHv. 392.719,38 Euro. Es seien je 214/360 der Jahresvergütung iHv. 83.228,28 Euro, der stationären Wahlarzteinnahmen auf der Basis des Jahres 2003 iHv. 560.050,27 Euro, der Privatambulanzeinnahmen 2003 iHv. 11.415,67 Euro und der ambulanten kassenärztlichen Tätigkeit 2003 von 5.664,74 Euro geschuldet. Neben 25 Urlaubstagen aus 2004 stünden dem Kläger weiter für 2003 noch 60 Urlaubstage zu. Ebenso vier weitere AZV-Tage neben dem in der Gehaltsmitteilung für Dezember 2003 genannten einen AZV-Tag. Nach einer Auskunft der nordrheinischen Ärzteversorgung vom 7. August 2008 erleide er einen Versorgungsschaden durch die verspätete Zahlung von Beiträgen zur nordrheinischen Ärzteversorgung.

14

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 392.719,38 Euro brutto nebst Jahreszinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.340,55 Euro seit dem 1. Juni 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Juli 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. August 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. September 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Oktober 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. November 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Dezember 2004 und aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 Urlaub von 85 Tagen auf der Basis einer 5-Tage-Woche und zusätzlich 5 AZV-Tage zu gewähren,

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Steuerschaden einschließlich der Steuerberaterkosten zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entsteht, dass er wegen der verspäteten Vergütungszahlung der Beklagten, welche den Zeitraum vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 betreffen, höhere Steuern zahlen muss, als wenn der Kläger vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 hätte weiterarbeiten und seine Vergütungen in dieser Zeit hätte vereinnahmen können,

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entsteht, dass die Beiträge zur nordrheinischen Ärzteversorgung für den Zeitraum vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 verspätet nachentrichtet werden und der Kläger dadurch schlechter steht, als wenn die Beiträge im laufenden Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 eingezahlt worden wären.

15

Ihren Klageabweisungsantrag hat die Beklagte vor allem damit begründet, dass der Kläger die Berechnung seiner Annahmeverzugsansprüche nicht auf das ungewöhnliche Jahr 2003 stützen könne. Die Liquidationseinnahmen aus ambulanter Tätigkeit stünden dem Kläger nicht als Annahmeverzugslohn zu, da es sich dabei nicht um Vergütung handle. Schadensersatzansprüche scheiterten mangels eines Verschuldens der Beklagten, die Urlaubsansprüche seien verfallen, Ansprüche auf weitere AZV-Tage oder auf Schadensersatz wegen der Lehrtätigkeit bestünden nicht.

16

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger eine Vergütungsforderung iHv. insgesamt 46.276,77 Euro brutto, einen Annahmeverzugsanspruch aus ambulanter Nebentätigkeit iHv. 9.981,06 Euro zugesprochen und festgestellt, dass der Kläger für 2004 noch 35 Urlaubstage sowie einen AZV-Tag zu beanspruchen hat. Danach hat es eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt, soweit durch die verspätete Beitragsentrichtung zur nordrheinischen Ärzteversorgung Schäden entstehen.

17

Mit der Berufung hat der Kläger - bei reduzierter Berechnungsbasis - noch einen weiteren Zahlungsanspruch von 155.048,25 Euro brutto verfolgt, außerdem hat er Schadensersatz für vom Arbeitsgericht nicht anerkannte Urlaubstage und AZV-Tage iHv. 47.973,22 Euro brutto geltend gemacht. Neben dem Grundgehalt müsse ihm noch entsprechend der Weihnachtszuwendung 2003 ein weiterer Betrag iHv. 3.197,82 Euro gezahlt werden. Diesbezüglich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und im Übrigen ihre Berufung insoweit beschränkt, als sie zur Zahlung eines Betrages von 9.981,06 Euro brutto wegen entgangener Einnahmen aus ambulanter Tätigkeit des Klägers verurteilt wurde und ihre Schadensersatzpflicht bezüglich des Versorgungsschadens festgestellt wurde.

18

Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 102.309,44 Euro als Schadensersatz für entgangene Liquidationseinnahmen zu zahlen und im Übrigen die weitergehenden Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Die Parteien verfolgen mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen ihre Prozessziele im Umfang des zweiten Rechtszugs weiter.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.

20

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Hinsichtlich der Grundvergütung könne der Kläger seine Ansprüche auf Annahmeverzug stützen, wobei das Arbeitsgericht diese in der Höhe richtig berechnet habe. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Weihnachtszuwendung sei verjährt. Die Abgeltung weiterer Urlaubsansprüche komme nicht in Betracht, da der Urlaubsanspruch verfallen sei. Auch Schadensersatz stehe dem Kläger insoweit nicht zu, da er die Beklagte nur hinsichtlich der im Schreiben vom 18. November 2004 genannten Urlaubszeiten in Verzug gesetzt habe. Die AZV-Tage seien grundsätzlich nicht abzugelten. Schadensersatz wegen entgangener Einkünfte aus der Lehrtätigkeit habe der Kläger zumindest gegenüber der Beklagten nicht schlüssig begründet. Soweit es um die entgangenen Liquidationseinnahmen gehe, beruhe der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz. Die Beklagte habe dem Kläger pflichtwidrig ein Liquidationsrecht nicht eingeräumt und habe dies auch zu vertreten, da sie bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt auf die Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen Kündigung nicht hätte vertrauen dürfen. Der Fehler des Klägers bei der Meldung von Zahlungseingängen habe allein die außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen können. Für ein vorsätzliches Handeln des Klägers hätten keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgelegen. Die Schadenshöhe sei nach § 287 ZPO, § 252 BGB zu schätzen, wobei Grundlage der Referenzzeitraum von 1996 bis Mitte 2004 sei. Der sich hieraus ergebende Betrag von 129.376,06 Euro sei jedoch wegen einem dem Kläger anzulastenden Mitverschulden um 20 % zu kürzen, was ebenso hinsichtlich der entgangenen Einnahmen aus der Ambulanztätigkeit gelte.

21

B. Die teilweise begründete Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und, soweit das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Verzugslohns eine weitergehende Verurteilung der Beklagten abgelehnt hat, zur Zurückverweisung. Im Übrigen sind die weitergehende Revision des Klägers und die Revision der Beklagten unbegründet.

22

I. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein höherer regelmäßiger Annahmeverzugslohnanspruch als monatlich 6.464,84 Euro zusteht. Nach § 615 Satz 1 BGB hat die Beklagte als Arbeitgeberin für die Zeit vom 27. Mai bis 31. Dezember 2004 die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, soweit sie mit der Annahme der Dienste in Verzug geraten ist. Dafür bedurfte es keines tatsächlichen (§ 294 BGB) oder wörtlichen Angebots (§ 295 BGB) des Klägers. Denn nach § 296 Satz 1 BGB ist ein solches Angebot überflüssig, wenn die Beklagte zur Erbringung der Arbeitsleistung eine Mitwirkungshandlung vorzunehmen hatte, die kalendermäßig bestimmt war. Der Beklagten als Arbeitgeberin oblag es, dem Kläger für jeden Tag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und den Arbeitseinsatz des Klägers fortlaufend zu planen und durch Weisungen zu konkretisieren (BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329 = AP BGB § 615 Nr. 79 = EzA BGB § 615 Nr. 93). Vorliegend hat jedoch die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers aufgrund ihrer Kündigung zurückgewiesen, die sich im Nachhinein als rechtsunwirksam herausgestellt hat. Damit hat sie ihre Mitwirkungshandlung nicht erbracht, so dass ein Angebot des Klägers gem. § 296 BGB überflüssig war(BAG 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - BAGE 46, 234 = AP BGB § 615 Nr. 34 = EzA BGB § 615 Nr. 43; 21. März 1985 - 2 AZR 201/84 - AP BGB § 615 Nr. 35 = EzA BGB § 615 Nr. 44).

23

Für eine höhere Vergütung als die vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten monatlichen 6.464,84 Euro, die die Beklagte ihrerseits mit einer Berufung nicht angegriffen hatte, hat der Kläger nichts vorgetragen. Die von ihm in Bezug genommene Entgeltabrechnung für Dezember 2003 weist einen monatlichen Betrag iHv. 6.459,96 Euro aus.

24

II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, einem weiteren Annahmeverzugsanspruch auf Zahlung der anteiligen Weihnachtszuwendung 2004 iHv. 3.197,82 Euro stehe die Einrede der Verjährung entgegen.

25

1. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung 2004 der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB nF. Dabei ist unerheblich, dass der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung 2004 bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 noch nicht entstanden war. Art. 229 § 6 EGBGB ist auch auf solche Ansprüche anzuwenden, die nach dem Stichtag aus einem nach altem Recht zu beurteilenden Schuldverhältnis entstehen(BGH 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04 - BGHZ 162, 30; Palandt/Ellenberger 71. Aufl. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 2 jeweils mwN). Das neue Verjährungsrecht ist nach der Grundregel des Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB auch auf vor dem 1. Januar 2002 entstandene Ansprüche anzuwenden. Dies muss erst recht für Ansprüche gelten, die auf vor diesem Stichtag bestehenden Schuldverhältnissen beruhen, aber erst nach dem 1. Januar 2002 entstanden sind.

26

2. Für die Weihnachtszuwendung 2004 begann die Verjährungsfrist am 1. Januar 2005 zu laufen, da die Beklagte die Weihnachtszuwendung mit dem Novemberentgelt abgerechnet und ausgezahlt hatte, die Weihnachtszuwendung 2004 mithin spätestens zum 1. Dezember 2004 fällig wurde. Mit der Klageerhebung am 27. Dezember 2007 wurde die Verjährung auch eines Anspruchs auf Weihnachtszuwendung 2004 gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Klage war der Beklagten am 27. Dezember 2007 in nicht verjährter Zeit zugestellt worden. Der Streitgegenstand war hinreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt und erfasste auch die Weihnachtszuwendung 2004.

27

a) Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den Klageantrag und den Klagegrund, also den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, bestimmt (BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1; BGH 11. Dezember 1986 - IX ZR 165/85 - mwN, NJW-RR 1987, 683). Dazu sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (BAG 15. Juli 2008 - 3 AZR 172/07 - AP ZPO § 253 Nr. 48).

28

b) Zur Begründung seiner Vergütungsansprüche hat der Kläger ausgeführt, die Beklagte müsse den Betrag ersetzen, den er bei einer Weiterarbeit vom 27. Mai bis zum 31. Dezember 2004 erzielt hätte. Die Vergütung setze sich aus dem Grundgehalt nach VergGr. 1 der AVR und dem Liquidationsrecht zusammen. Für den Teilbetrag „Jahresgehalt“ hat der Kläger ausdrücklich auf die Gehaltsmitteilung der Beklagten für Dezember 2003 Bezug genommen, aus der sich für das Jahr 2003 ein Gesamtarbeitgeberbrutto iHv. 83.228,28 Euro ergab. Dadurch wurde ausreichend deutlich, dass der Kläger sämtliche Zahlungen, die die Beklagte 2003 geleistet hatte, auch für das Jahr 2004 begehrt. Mit dem Hinweis in der Berufungsinstanz, zum fortzuzahlenden Entgelt gehöre auch anteilig die Weihnachtszuwendung, die 2003 insgesamt 4.629,61 Euro betragen habe, hat der Kläger keinen neuen Lebenssachverhalt geschildert, sondern nur ein bisher fehlendes Begründungselement zu seiner Gesamtforderung 2004 nachgetragen. Solche fehlenden Begründungselemente können auch noch während des Rechtsstreits vorgetragen werden, selbst wenn der Anspruch ohne die Unterbrechungswirkung bereits verjährt gewesen wäre (BGH 27. Februar 2003 - VII ZR 48/01 - mwN, NJW-RR 2003, 784). Die Hemmung der Verjährung tritt für alle Ansprüche in Höhe der gesamten Klageforderung ein, wenn wie hier Teilbeträge verschiedener Ansprüche eingeklagt wurden, ohne klarzustellen, welcher Klagebetrag auf welchen Anspruch entfällt. Der Kläger hat durch seinen Berufungsschriftsatz vom 8. Dezember 2008 klargestellt, dass der auf die Weihnachtszuwendung entfallende Teilbetrag der Forderung 3.197,82 Euro beträgt und es sich im Übrigen um die monatliche und für Mai 2004 zeitanteilige Grundvergütung handele.

29

c) Ob der Kläger einen Anspruch auf eine teilweise Weihnachtszuwendung in eingeklagter Höhe nach § 615 Satz 1 BGB hat, kann anhand der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entschieden werden. Es kann dem bisherigen Sachvortrag des Klägers nicht entnommen werden, dass er ohne Annahmeverzug der Beklagten von dieser eine Weihnachtsgratifikation erhalten hätte, was Voraussetzung für einen Anspruch nach § 615 Satz 1 BGB ist(BAG 18. Januar 1963 - 5 AZR 200/62 - BAGE 14, 31 = AP BGB § 615 Nr. 22 = EzA BGB § 615 Nr. 5). Andererseits ist die Beklagte dem Anspruch allein mit einer Verjährungseinrede entgegengetreten. Nachdem das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung jedoch nicht auf die Verjährung des Anspruchs auf Weihnachtszuwendung stützen durfte, hat es nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO den Kläger auf Lücken in seinem Sachvortrag hinzuweisen und sodann der Beklagten Gelegenheit zu geben, zu diesem Vorbringen ihrerseits Stellung zu nehmen.

30

III. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der ihm entgangenen Einnahmen aus stationären wahlärztlichen Leistungen und aus ambulanter Tätigkeit für die Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 beläuft sich auf der Basis des vereinbarten Divisors 214/366 auf 139.362,96 Euro, davon 129.376,06 Euro von entgangenen Einnahmen für stationäre und 9.986,90 Euro für ambulante Leistungen.

31

1. Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 283 Satz 1 BGB, weil es der Beklagten unmöglich geworden ist, ihm die Erwerbschance „Liquidationsrecht“ einzuräumen und sie diese Unmöglichkeit zu vertreten hat.

32

a) In § 5 des Arbeitsvertrages haben die Parteien geregelt, dass die Tätigkeit des Klägers insbesondere im ambulanten Bereich „Nebentätigkeit“ ist, die die einwandfreie ärztliche Versorgung im stationären Bereich nicht beeinträchtigen darf, andernfalls die Beklagte zum Widerruf der erteilten Nebentätigkeits-Erlaubnis berechtigt sein sollte. Damit stellte das Liquidationsrecht des Klägers im ambulanten Bereich keine Gegenleistung für die arbeitsvertraglich nach § 3 geschuldete Haupttätigkeit des Klägers im stationären Bereich dar. Insoweit stand das Liquidationsrecht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis, so dass der Kläger seine Ersatzansprüche nicht auf § 615 Satz 1 BGB stützen kann.

33

b) Dagegen spricht vorliegend viel dafür, dass das dem Kläger für den stationären, wahlärztlichen Bereich arbeitsvertraglich eingeräumte Liquidationsrecht eine Erwerbsmöglichkeit darstellt, welche die Beklagte dem Kläger als Gegenleistung für seine Arbeit nach § 611 Abs. 1 BGB schuldete.

34

aa) Im Regelfall stellt die bloße tarifliche Vergütung ohne zusätzliche Einnahmemöglichkeiten aus einem Liquidationsrecht keine angemessene Honorierung des Chefarztes dar (BAG 9. Januar 1980 - 5 AZR 71/78 - BAGE 32, 249 = AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 6). Auch steuerrechtlich können sich die Einnahmen aus dem Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen als Arbeitslohn darstellen (BFH 5. Oktober 2005 - VI R 152/01 - NZA-RR 2006, 368). Mit dem Liquidationsrecht sollen dem Arzt keine zusätzlichen Einnahmen verschafft werden, sondern im Sinne einer Naturalvergütung sollen eine Erwerbschance und die hierzu erforderlichen Rahmenbedingungen gewährt werden, dh. die Verschaffung von Verdienstmöglichkeiten stellt sich regelmäßig als im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Vergütungsform für die vom Arzt zu erbringende Hauptleistung dar (vgl. Wern Die arbeitsrechtliche Stellung des leitenden Krankenhausarztes 2005 S. 194 f.; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 518). Ob ein solcher Regelfall, bei dem dem Liquidationsrecht des Arztes Gegenleistungscharakter zukommt, im Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist jedoch immer eine Frage der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (BAG 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31).

35

bb) Die Vorinstanzen haben dem Liquidationsrecht des Klägers im Bereich der stationären Leistungen Gegenleistungscharakter zukommen lassen und dabei insbesondere auf § 6 Abs. 3 des Arbeitsvertrages verwiesen, demzufolge zur Vergütung des Klägers auch sein Liquidationsrecht nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 des Arbeitsvertrages gehörte. Diese Auslegung ist selbst für den Fall, dass die Parteien vorliegend einen Formulararbeitsvertrag benutzt haben, dessen Auslegung revisionsrechtlich ohne Einschränkung überprüft werden kann (BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 798/07 -; 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 12 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 13), rechtsfehlerfrei und nicht zu beanstanden. In § 10 Abs. 5 des Arbeitsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger bei Dienstunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall das Liquidationsrecht nach § 7 Arbeitsvertrag „auf die Dauer von 26 Wochen“ behalten sollte. Durch diese Ausnahme vom Grundsatz „ohne Arbeit keine Gegenleistung“ haben die Parteien gerade den Gegenleistungscharakter des Liquidationsrechts betont.

36

cc) Ungeachtet des Gegenleistungscharakters des Liquidationsrechts für den stationären Bereich kann der Kläger jedoch - wie bei seinem Liquidationsrecht für den ambulanten Bereich - die entgangene Vergütung aus den Liquidationseinnahmen nicht nach § 615 Satz 1 BGB verlangen. Soweit der Senat in ähnlichen Fällen eine gegenteilige Auffassung zugrunde gelegt hat (BAG 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31) wird hieran nicht festgehalten.

37

§ 615 Satz 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht(BAG 5. September 2002 - 8 AZR 702/01 - AP BGB § 280 nF Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 109). Der Arbeitnehmer ist dann so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte. Besteht jedoch die Naturalvergütung darin, dem Arbeitnehmer Erwerbschancen zur Verfügung zu stellen, hier also dem Kläger Tätigkeiten mit eigener Liquidationsmöglichkeit zu eröffnen, so kann diese Verpflichtung nicht mehr erfüllt werden, weil die Beklagte aufgrund Unmöglichkeit von dieser Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei geworden ist. Die Beklagte als Krankenhausträger musste dem Arzt die personellen und sächlichen Mittel zur Verfügung stellen, die dieser zur Behandlung der Wahlleistungspatienten benötigte. Diese Dauerverpflichtung der Beklagten bestand arbeitstäglich und weist eine derartige zeitliche Bindung auf, dass ein Fixgeschäft vorliegt, dh. die Erwerbschance besteht für den Arbeitnehmer auf der Zeitachse nur einmalig. Ist die Zeit verstrichen, kann die Nutzung nicht nachgeholt werden (vgl. zur Pflicht, ein Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen BAG 16. November 1995 - 8 AZR 240/95 - BAGE 81, 294 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 4 = EzA BGB § 249 Nr. 21; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 271 Rn. 17). Bei Unmöglichkeit iSd. § 275 Abs. 1 BGB gibt § 615 Satz 1 BGB keine Rechtsgrundlage für Wertersatz(BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - aaO; 27. Mai 1999 - 8 AZR 415/98 - BAGE 91, 379 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 12; Bamberger/Roth/Fuchs 3. Aufl. § 615 BGB Rn. 30; MünchArbR/Boewer 3. Aufl. § 69 Rn. 36). Zwar regelt § 615 BGB wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung auch die Fälle der Annahmeunmöglichkeit(ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 7), trifft aber keine Regelungen zu den Rechtsfolgen, wenn die Gegenleistung ihrerseits Fixschuldcharakter hat und unmöglich geworden ist. Insoweit bleibt es bei den allgemeinen Regelungen, §§ 275 ff. BGB.

38

c) § 283 BGB gewährt dem Gläubiger, dem die Befugnis zur naturalen Verwirklichung seines Anspruchs gemäß § 275 BGB entzogen worden ist, Schadensersatz statt der Leistung, wenn der Schuldner den Eintritt des zur Unmöglichkeit führenden Umstandes zu vertreten hat. Insofern setzt sich die Anspruchsberechtigung des Gläubigers in einer nunmehr auf Geld gerichteten Berechtigung fort (vgl. MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 283 BGB Rn. 1). § 283 BGB verweist hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen auf § 280 Abs. 1 BGB.

39

Soweit das dem Kläger eingeräumte Liquidationsrecht keine Gegenleistung für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit ist (ambulanter Bereich), so ergibt sich der Schadensersatzanspruch des Klägers direkt aus § 280 Abs. 1 BGB(vgl. Wern in Arbeitsrecht im Krankenhaus 2. Aufl. Teil 5 B Rn. 30), da die Einräumung des Liquidationsrechts im ambulanten Bereich arbeitsvertragliche Nebenpflicht der Beklagten war. Die Beklagte hat dem Kläger die entsprechende Nebentätigkeit im Arbeitsvertrag genehmigt und ihm das Liquidationsrecht auch insoweit eingeräumt.

40

d) Die Beklagte hat ihre Pflicht iSd. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt, weil sie den Kläger durch Zeitablauf um seinen naturalen Erfüllungsanspruch - Einräumung des Liquidationsrechts - gebracht hat. Dies gilt auch hinsichtlich des Liquidationsrechts im ambulanten Bereich. Zwar ist in § 5 Abs. 6 des Arbeitsvertrages insoweit ein Widerrufsrecht der Nebentätigkeitsgenehmigung vorgesehen. Dass die Beklagte vor Kündigungsausspruch davon Gebrauch gemacht hätte, ist nicht vorgetragen worden. Danach bestand die Verpflichtung zur Einräumung des Liquidationsrechts auch nach Ausspruch der Kündigung weiter.

41

e) Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten.

42

aa) Was der Schuldner zu vertreten hat, regeln die §§ 276 bis 278 BGB. Danach hat der Schuldner für eigenes Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter einzustehen. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Das ist zB dann der Fall, wenn der Arbeitgeber bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam ist (vgl. BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 486/02 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 27; 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11; 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - BAGE 101, 328 = AP BGB § 615 Nr. 97 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 55), also ein Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht besteht (vgl. BAG 17. Februar 1994 - 8 AZR 275/92 - BAGE 76, 32 = AP BGB § 286 Nr. 2 = EzA BGB § 285 Nr. 1). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt beruht. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, handelt der kündigende Arbeitgeber solange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte. Entscheidend ist, ob er unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, die Kündigung werde sich als rechtsbeständig erweisen (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - aaO; 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31). Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (Rechtsirrtum), zB über die Wirksamkeit einer Kündigung, so muss dies im Grundsatz als möglicher Entschuldigungsgrund berücksichtigt werden können. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Im Falle einer Kündigung ist nicht erforderlich, dass sich diese als rechtsbeständig erweist. Der Arbeitgeber darf seine Interessen mit den gesetzlich gebotenen Mitteln verfolgen, sofern er nach vollständiger Würdigung des Sachverhalts die Kündigung für vertretbar halten durfte. Der Ausspruch einer Kündigung erfordert eine komplexe Abwägungsentscheidung des Arbeitgebers. Es ist nicht in jedem Fall leicht abzuschätzen, inwieweit das Arbeitsgericht und die weiteren gerichtlichen Instanzen der eigenen Abwägung folgen werden. Ist die Rechtslage nicht eindeutig und beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber solange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf (vgl. BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 486/02 - aaO; 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - aaO; 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - aaO). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die Verunmöglichung der Ausübung des Liquidationsrechts nicht zu vertreten hat, trägt die Beklagte als Arbeitgeber, da sie die Kündigungen ausgesprochen hat. Sie hatte darzulegen und zu beweisen, dass aus ihrer Sicht Kündigungsgründe vorlagen, die einen sorgfältig abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen konnten, so dass sie auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - aaO; 23. September 1999 - 8 AZR 791/98 -).

43

bb) Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, insb. auch der Begriff der Fahrlässigkeit sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt sowie Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 486/02 - mwN, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 27). Eine Aufhebung des Berufungsurteils darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5; 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; 4. Mai 2006 - 8 AZR 311/05 - mwN, NZA 2006, 1428). Dagegen genügt es für eine Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils beispielsweise nicht, dass im Streitfall auch eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich ist und dass das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es liege ein anderer Verschuldensgrad als der vom Berufungsgericht angenommene vor (vgl. BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - aaO).

44

cc) Nach diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht erkannt hat, die Beklagte habe nicht auf die Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen Kündigung vertrauen dürfen.

45

Um einem Arbeitgeber die Entscheidung zu ermöglichen, ob ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht, beginnt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht anlaufen (vgl. BAG 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - mwN, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9). Verhaltensbedingte Gründe bilden nur dann einen wichtigen Grund, wenn der Gekündigte nicht nur objektiv, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft, dh. vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat (vgl. BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 23; KR-Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 139 jeweils mwN). Deshalb darf der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss bspw. vom Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. Strafverfahrens abhängig machen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - aaO). Ob der Arbeitgeber diese Möglichkeit nutzt, ob er den Arbeitnehmer anhört, um ggf. auch zu prüfen, ob der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer vorliegt, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden kann (vgl. BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), oder sonstige Ermittlungen anstellt, obliegt der Prüfung durch den Arbeitgeber. Spricht der Arbeitgeber eine Tatkündigung wegen eines vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitnehmers aus, so beruht der Ausspruch der Kündigung nur dann auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, wenn der Arbeitgeber Umstände vortragen kann, die neben dem objektiven Tatbestand der Pflichtverletzung auch den Vorsatzvorwurf begründen können. Daher konnte das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangen, Umstände, die den Vorwurf eines vorsätzlichen Verhaltens begründen, lägen nicht vor bzw. seien von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Die Beklagte hat im Prozess keine Umstände - über den objektiven Tatbestand der nicht vollständigen Abrechnung zu einem bestimmten Zeitpunkt hinaus - vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass sie berechtigterweise von einem vorsätzlichen Verhalten des Klägers ausgehen durfte. Nicht erkennbar ist, dass die Beklagte Ermittlungen angestellt hat, um ein vorsätzliches Verhalten des Klägers nachzuweisen.

46

2. Inhalt und Umfang der Haftung ergeben sich aus den §§ 249 ff. BGB.

47

a) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre(Naturalrestitution). Soweit die Herstellung nicht möglich - wie aufgrund seines Fixschuldcharakters bei Einräumung eines Liquidationsrechts - oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzverpflichtete den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ausgangspunkt für die Beurteilung ob bzw. inwieweit ein zu ersetzender Schaden eingetreten ist, ist die Differenzhypothese. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (vgl. BAG 5. März 1985 - 1 AZR 468/83 - BAGE 48, 160 ; ErfK/Preis 12. Aufl. § 619a BGB Rn. 69; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. Vorb. v. § 249 BGB Rn. 10). Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich auf alle durch das schädigende Verhalten adäquat verursachten unmittelbaren und mittelbaren Vermögensnachteile. Auszunehmen sind lediglich Schadensfolgen, die jenseits des Schutzzwecks der verletzten Vertragspflicht liegen (vgl. BAG 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31). Der Kläger ist daher so zu stellen, wie er stünde, hätte die Beklagte ihm nicht die Ausübung des Liquidationsrechts unmöglich gemacht.

48

b) Eine vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung unterliegt nur der beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat(vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 300/08 - mwN, NJW 2011, 1146; 5. Oktober 2010 - VI ZR 186/08 - NJW 2011, 1148; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 287 ZPO Rn. 8).

49

c) Derartige Fehler zu Lasten des Klägers liegen in revisionsrechtlich zu beanstandender Art und Weise nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat den im Zeitraum 27. Mai bis 31. Dezember 2004 entgangenen Gewinn zutreffend mit 129.376,06 Euro im stationären Bereich und im ambulanten Bereich mit 9.986,90 Euro ermittelt.

50

Dass sich das Landesarbeitsgericht gehindert sah, den Schadensumfang auf der Basis von Liquidationseinnahmen von drei Oberärzten im Umfang von 300.000,00 Euro nach der abstrakten Methode zu schätzen, ist nicht zu beanstanden. Denn zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass Liquidationseinnahmen in dieser Höhe nach dem eigenen Vortrag des Klägers zu keinem Zeitpunkt erzielt worden sind. In den Jahren 2005 bis 2007 haben die Oberärzte zwar unstreitig deutlich über 300.000,00 Euro an Bruttoliquidationseinnahmen erzielt. Damit ist schon ein Gewinn in dieser Höhe nicht wahrscheinlich. Auch hat sich das Landesarbeitsgericht weiter ohne Rechtsfehler daran gehindert gesehen, eine der weiteren Durchschnittsberechnungen des Klägers als Schätzgrundlage zugrunde zu legen. Soweit der Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2004 eine Zahl von 266 Behandlungen angeführt hat, konnte das Berufungsgericht dies seiner Schadensschätzung nicht zugrunde legen, weil es keine Kenntnis von den diesbezüglichen Einnahmen im betreffenden Zeitraum hatte. Im Übrigen können die tatsächlichen Einnahmen von drei Oberärzten in den Jahren 2005 bis 2007 schon deswegen keine Grundlage einer Schadensschätzung sein, weil sie nicht ein Nachfolger des Klägers, sondern drei Ärzte erzielt haben. Dies lässt Honorareinnahmen des Klägers in gleicher Höhe nicht als wahrscheinlich erscheinen.

51

Dass das Landesarbeitsgericht die unstreitig in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Nettoliquidationserlöse von 1996 bis 2004 seiner Schätzung zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Aus dem bisher erzielten Gewinn kann im Rahmen von Geschäftsbeziehungen auf einen infolge der Zerstörung dieser Geschäftsbeziehungen entgangenen Gewinn geschlossen werden (BGH 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - mwN, NJW 2001, 1640). Auch der zugrunde gelegte Zeitraum ist nicht zu beanstanden, da es allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Entzug der Erwerbsmöglichkeit als Grundlage der Prognose für die künftige Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, nicht gibt. Vielmehr ist es dem Tatsachengericht im Rahmen des § 287 ZPO überlassen, den nach den jeweiligen Umständen des Falles erforderlichen Prüfungsrahmen zu bestimmen. Mit der Darlegung der unstreitigen Liquidationserlöse von 1996 bis 2004 hat die Beklagte nachvollziehbar niedrigere durchschnittliche Einnahmen dargelegt, als sie sich aus den verschiedenen Durchschnittsberechnungen des Klägers ergeben. Demgegenüber hat die Revision keine Umstände aufgezeigt, nach denen es geboten gewesen wäre, zur Ermittlung der entgangenen Liquidationseinnahmen einen kürzeren Zeitraum vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen. Der Kläger hat keine Umstände dafür angegeben, weshalb einer der von ihm vorgeschlagenen kürzeren Prognosezeiträume eine größere Richtigkeitsgewähr bietet. Vielmehr kreisen die Durchschnittsberechnungen des Klägers um das Jahr 2003, obwohl zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit ähnlich hohe Einnahmen erzielt worden sind. Zudem hat die Beklagte aufgezeigt, dass Einnahmen wie im Jahr 2003 zukünftig nicht wahrscheinlich sind. Auch weisen die Einnahmen seit 1996 keine kontinuierlich steigende Tendenz auf, so dass für die Zukunft nicht von einer solchen Entwicklung ausgegangen werden müsste. Der Kläger erzielte 1996 die dritthöchsten, 1999 die zweithöchsten und 1998 die niedrigsten Einnahmen. Es ist nicht zu erkennen, dass ein kürzerer Zeitraum wie der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte zu einem plausibleren Ergebnis führen könnte. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht das Jahr 2003 nicht unberücksichtigt gelassen, sondern vielmehr in seine Durchschnittsberechnung einbezogen.

52

d) Gegenüber der Sachverhaltsermittlung durch das Landesarbeitsgericht hat der Kläger mit der Revision keine zulässige Aufklärungsrüge erhoben.

53

aa) Wird eine Verletzung der dem Landesarbeitsgericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) gerügt, reicht es nicht aus, pauschal auf die Verletzung der Aufklärungspflicht hinzuweisen. Es muss vielmehr im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht dem Revisionskläger aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen, und welche weiteren erheblichen Tatsachen der Revisionskläger dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte (vgl. BAG 27. August 1986 - 4 AZR 591/85 - mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 71). Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung möglicherweise für das Urteil kausal war (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1; 5. Juli 1979 - 3 AZR 197/78 - BAGE 32, 56 = AP BGB § 242 Ruhegehalt - Unterstützungskassen Nr. 9 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 78). Über die Rüge nach § 139 ZPO muss der Sachvortrag der Partei schlüssig gemacht werden(vgl. BAG 18. Februar 1998 - 4 AZR 363/96 - BAGE 88, 81 = AP TVG § 1 Kündigung Nr. 3 = EzA TVG § 1 Fristlose Kündigung Nr. 4; Hauck/Helml/Biebl 4. Aufl. § 74 ArbGG Rn. 20).

54

bb) Der Kläger hat nicht angegeben, aufgrund welcher Tatsachen noch ein weitergehender Aufklärungsbedarf bestanden haben soll. Sein pauschaler Vortrag gegen die „Nichtberücksichtigung des Jahres 2003“ ist wie ausgeführt weder verständlich noch hat der Kläger in der Revision angegeben, weshalb ein kürzerer Prognosezeitraum geeigneter ist, die entgangenen Einnahmen wirklichkeitsnäher abzubilden.

55

e) Zwar hat sich hinsichtlich der entgangenen Einnahmen aus ambulanter Tätigkeit der Kläger wiederum auf die Zahlen aus dem Jahr 2003 gestützt (11.415,67 Euro Privatambulanz und 5.664,74 Euro ambulante kassenärztliche Tätigkeit). Die Beklagte hat jedoch die Aussagekraft dieser Zahlen für eine Zukunftsprognose nicht in Zweifel gezogen. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht eine Schätzung nach § 287 ZPO auf dieser Basis vorgenommen und einen Schaden iHv. 9.986,90 Euro errechnet hat.

56

3. Entgangene Mehreinnahmen iHv. 290,50 Euro hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht nach § 615 Satz 1 BGB zugesprochen. Schon nach dem Vorbringen des Klägers bestanden insoweit keine vertraglichen Beziehungen zur Beklagten, sondern zur Universität E oder dem Land Nordrhein-Westfalen. Insoweit hat der Kläger keine Vergütungsansprüche gegen die Beklagte. Für einen diesbezüglichen Schadensersatzanspruch des Klägers fehlt es an einem nachvollziehbaren Vortrag, dass die behauptete Lehrtätigkeit für die Universität E und die Vereinnahmung einer entsprechenden Vergütung dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprochen hätte und dass dadurch überhaupt der Schaden durch die Kündigung und das ausgesprochene Hausverbot eingetreten ist. Der Kläger hat ferner nicht dargelegt, dass er in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung für die Universität E auch im Jahr 2004 tätig geworden wäre. Infolge dessen konnten die Berufungsrichter nicht davon ausgehen, dass der Kläger insoweit auch 2004 wahrscheinlich Einnahmen iHv. 290,50 Euro erzielt hätte.

57

4. Dagegen ist das Landesarbeitsgericht zu einer Minderung des Schadensersatzanspruches wegen eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 BGB nicht ohne Rechtsfehler gelangt.

58

a) Nach § 254 BGB ist der Geschädigte für einen Schaden insoweit mit verantwortlich, als er bei dessen Entstehung in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Im Rahmen von § 254 BGB geht es dabei nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden „Obliegenheit“(BGH 18. April 1997 - V ZR 28/96 - BGHZ 135, 235; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 254 Rn. 1). Wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, muss die Kürzung oder den Verlust seiner Ansprüche hinnehmen, weil es unbillig erscheint, den Ersatz des vollen erlittenen Schadens trotz eigener Mitverantwortung zu fordern (BGH 14. März 1961 - VI ZR 189/59 - BGHZ 34, 355). Allerdings müssen die nicht beachteten Sorgfaltsanforderungen von Schädiger und Geschädigtem in die gleiche Richtung weisen, dh. zueinander kongruent sein. Die vom Geschädigten übertretene Sorgfaltsanforderung muss darauf zielen, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern (MünchKommBGB/Oetker 5. Aufl. § 254 BGB Rn. 33).

59

b) Danach ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe in Bezug auf die ihm obliegenden Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nicht die nötige Sorgfalt aufgewandt und deshalb die außerordentliche Kündigung verursacht, nicht tragfähig. Die Sorgfaltsanforderung, die der Kläger nicht erfüllt hat, verhielt sich nicht kongruent zu den Sorgfaltspflichten der Beklagten. So wie ein Arzt, der einen Kunstfehler begeht, den Patienten nicht darauf verweisen kann, dieser habe seine Behandlungsbedürftigkeit herbeigeführt (BGH 21. September 1971 - VI ZR 122/70 - NJW 1972, 334), kann der Arbeitgeber, der unsorgfältig eine sich als unwirksam herausstellende Kündigung ausgesprochen hat, den Arbeitnehmer nicht darauf verweisen, er habe mit seinem Verhalten erst die Kündigung notwendig gemacht. Was dem einen Vertragspartner kein Recht gibt, sich vom Vertrag zu lösen, kann dem anderen nicht nach § 254 BGB vorgeworfen werden(Staudinger/Schiemann [2005] § 254 BGB Rn. 36 mwN). Die Pflicht des Klägers zur rechtzeitigen und vollständigen Abrechnung der Liquidationseinnahmen bestand nicht, um die Beklagte vor dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung zu bewahren. Die Beklagte hat über den Kündigungsausspruch autonom entschieden. Ein Mitverschulden des Klägers ist insoweit nicht zu berücksichtigen.

60

IV. Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit er mit ihr als Abgeltung oder Schadensersatz für 30 nicht genommene Urlaubstage der Jahre 2002 und 2003 und vier AZV-Tage des Jahres 2004 weitere 47.973,22 Euro begehrt. Die für das Jahr 2004 noch bestehenden Urlaubs- und AZV-Tage hat bereits das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt.

61

1. Der Kläger konnte vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vom Feststellungs- zum Zahlungsantrag übergehen. Dies stellt eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung dar. Eine Änderung des Klagegrundes liegt nicht vor (Zöller/Greger 29. Aufl. § 264 ZPO Rn. 3b; BAG 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - AP BetrVG 1974 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; BGH 12. Mai 1992 - VI ZR 118/91 - NJW 1992, 2296).

62

2. Ein Abgeltungsanspruch ergibt sich nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Zwar wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers bedarf (BAG 19. August 2003 - 9 AZR 619/02 - mwN, AP BUrlG § 7 Nr. 29 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 11). Dieser mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch entstehende Anspruch (BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17) bezieht sich nur auf Urlaubsansprüche, die bei Ende des Arbeitsverhältnisses bestanden und nicht schon verfallen waren.

63

a) Nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfiel der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers aus 2002 spätestens mit dem 31. März 2003, der des Jahres 2003 spätestens mit dem 31. März 2004. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs sowie des vertraglichen Mehrurlaubs des Klägers die betriebliche Übung, die das Landesarbeitsgericht bei der Beklagten festgestellt hat, dass nämlich der Urlaub von Chefärzten bis zum Ende des übernächsten Kalenderjahres übertragen werden kann, wirksam war. Denn selbst in diesem Fall wäre der Urlaub des Jahres 2002 am 31. Dezember 2004, der des Jahres 2003 am 31. Dezember 2005, mithin vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verfallen gewesen.

64

b) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 26. Mai 2004 zwar außerordentlich, jedoch unwirksam kündigte. Nach der Rechtsprechung des Neunten Senats kann ein Arbeitnehmer, der eine Arbeitgeberkündigung erhält, den Urlaubswunsch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG äußern. Der Arbeitgeber kann ihn vorsorglich von der Arbeitspflicht in diesem Umfang befreien, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - BAGE 92, 299; 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - BAGE 79, 92 = AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 66 = EzA BUrlG § 7 Nr. 98; AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 7 BUrlG Rn. 37). Auch der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer kann daher seinen Urlaubsanspruch verwirklichen, so dass es bei der gesetzlichen Konzeption der befristeten Übertragung nach § 7 Abs. 3 BUrlG oder einer vertraglich verlängerten Übertragungsmöglichkeit verbleibt. Dies hat der Kläger im Übrigen selbst so gesehen, als er im November 2004 für das gekündigte Arbeitsverhältnis Urlaub beantragte.

65

c) Hinsichtlich der AZV-Tage 2004 ist kein Vortrag des Klägers ersichtlich, dass solche AZV-Tage überhaupt entstanden sind. Ebenso wenig ist eine gesetzliche, vertragliche oder sonstige Anspruchsgrundlage für die Abgeltung etwaiger weiterer AZV-Tage ersichtlich oder vom Kläger vorgetragen worden.

66

3. Auch unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges schuldet die Beklagte keinen Geldersatz für die 30 Tage nicht genommenen Urlaub der Jahre 2002 und 2003. Gewährt der Arbeitgeber einen rechtzeitig verlangten Urlaub nicht und verfällt der Urlaub sodann aufgrund seiner Befristung, so wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, welcher nicht der gesetzlichen Befristung des § 7 Abs. 3 BUrlG unterliegt(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Ein Schadensersatz nach § 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB in Form der Naturalrestitution kann nicht mehr geleistet werden. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, so ist der Arbeitnehmer nach § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - aaO; 26. Juni 1986 - 8 AZR 75/83 - BAGE 52, 254 = AP SchwbG § 44 Nr. 5 = EzA SchwbG § 44 Nr. 5). Jedoch setzt der Verzug nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos um Freistellung gebeten hat. Hat der Arbeitnehmer keine Urlaubswünsche angemeldet, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer anzuhören oder seine Urlaubswünsche zu erfragen, um den Urlaubszeitraum von sich aus zu bestimmen (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 23, BAGE 130, 119 = AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 11).

67

a) In der Erhebung der Kündigungsschutzklage nach der außerordentlichen Kündigung vom 26. Mai 2004 ist ohne besondere Anhaltspunkte nicht die Geltendmachung von Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen zu sehen (BAG 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - BAGE 92, 299 = AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 77 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 6).

68

b) Konkret hat der Kläger mit Schreiben vom 18. November 2004 Urlaub im Umfang von 35 Tagen sowie einen AZV-Tag für die Zeit vom 25. November 2004 bis 31. Dezember 2004 beantragt. Zwar hat das Landesarbeitsgericht - was die Revision zu Recht rügt - den unstreitigen Inhalt des Schreibens des Klägers vom 18. November 2004 nicht vollständig verwertet und sich mit der vom Kläger verwendeten Formulierung „im Mengengerüst“ nicht auseinandergesetzt. Da aber das Berufungsgericht die für eine Auslegung durch den Senat erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen, kann der Senat den Urlaubsantrag des Klägers selbst auslegen (BAG 13. Dezember 2006 - 10 AZR 787/05 - mwN, AP ZPO § 278 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 3). Mit dem Schreiben vom 18. November 2004, das hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt, hat der Kläger wie schon in der Überschrift deutlich wird, nur den Resturlaub 2004 verlangt, wonach sich nach seiner Berechnung ein Urlaubsanspruch vom 25. November 2004 bis 31. Dezember 2004 ergab. Wenn der Kläger sodann bittet, seinen Urlaubsantrag „im Mengengerüst“ zu überprüfen, gegebenenfalls korrigierend nachzuberechnen und den Urlaub rückzählend ab dem 31. Dezember 2004 zu bestätigen und zu gewähren, beziehen sich diese Formulierungen aus der Sicht des Erklärungsempfängers, also der Beklagten, ersichtlich nur auf den verlangten Urlaub 2004. „Mein Urlaubsantrag“, also der Antrag des Klägers auf Urlaub 2004, sollte im Mengengerüst überprüft werden. Dadurch wurde kein Mehr an Urlaubsansprüchen behauptet, geltend gemacht oder auch nur angedeutet. Für die Beklagte war als Inhalt des Schreibens nur das Urlaubsverlangen für das Jahr 2004 erkennbar.

69

V. Soweit die Beklagte sich mit ihrer Revision gegen die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht hinsichtlich der Versorgungsschäden in der Nordrheinischen Ärzteversorgung wendet, ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Beklagte ist nach § 280 Abs. 1, Abs. 2 iVm. §§ 286, 287 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Kläger die Nachteile in der Nordrheinischen Ärzteversorgung zu ersetzen, die ihm durch die verzögerte Beitragszahlung entstehen. Die Beklagte befindet sich mit der Abführung dieser Beiträge in Verzug, zu der sie sich nach § 2 Buchst. g des Arbeitsvertrages gegenüber dem Kläger verpflichtet hatte. Mit dieser kalendermäßig, nämlich monatlich, bestehenden Verpflichtung ist die Beklagte in Verzug geraten, ohne dass es einer Mahnung des Klägers bedurfte. Die Beklagte, die nicht auf die Wirksamkeit ihrer Kündigung vertrauen durfte, hat diese Pflichtverletzung nach § 286 Abs. 4, § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB zu vertreten. Ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB kommt wiederum nicht in Betracht.

70

VI. Die Revision des Klägers ist begründet, soweit sie sich gegen die Verzinsung des Schadensersatzanspruchs erst ab Rechtshängigkeit der Klage wendet. Der Kläger hat Anspruch auf eine anteilige monatliche Verzinsung. Dies ergibt sich aus den §§ 290, 288 BGB. Ist der Schuldner zum Ersatz des Wertes eines Gegenstandes verpflichtet, der während des Verzugs untergegangen ist oder aus einem während des Verzugs eingetretenen Grund nicht herausgegeben werden kann, so kann der Gläubiger zumindest die Ersetzung des Betrags ab dem Zeitpunkt verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird, § 290 Satz 1 BGB. Bei Schadensersatzansprüchen nach § 280 Abs. 1 BGB ist der maßgebliche Zeitpunkt der des Untergangs des geschuldeten Gegenstandes(Staudinger/Löwisch/Feldmann [2009] § 290 BGB Rn. 2). Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Erwerbsmöglichkeiten im stationären und ambulanten Bereich einzuräumen, bestand täglich. Im Hinblick auf den Fixschuldcharakter dieser Verpflichtung trat sofort mit dem Ende jedes Arbeitstages Unmöglichkeit ein. Damit kann der Kläger jedenfalls eine monatliche Verzinsung des Wertersatzanspruchs fordern. Im Übrigen bestimmt sich die Höhe der zu verzinsenden Forderungen nach den Nebenanträgen des Klägers (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

71

C. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wankel    

        

    Bloesinger    

                 

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2009 - 16 Sa 1557/08 - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27. August 2008 - 4 Ca 2588/07 - bezüglich eines weitergehenden Vergütungsanspruchs von 3.197,82 Euro (Weihnachtszuwendung), eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs von 27.072,46 Euro und eines Zinsanspruchs vor dem 27. Dezember 2007 zurückgewiesen hat.

Die weitergehende Berufung und Revision des Klägers sowie die Berufung und die Revision der Beklagten werden zurückgewiesen.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2009 - 16 Sa 1557/08 - und, unter teilweiser Abänderung auf die Berufung des Klägers, das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27. August 2008 - 4 Ca 2588/07 - werden zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46.276,77 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 1.022,89 Euro seit dem 1. Juni 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Juli 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. August 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. September 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Oktober 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. November 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Dezember 2004,

aus 6.464,84 Euro seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 139.362,96 Euro als Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 369,25 Euro seit dem 1. Juni 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Juli 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. August 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. September 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Oktober 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. November 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Dezember 2004,

aus 19.464,10 Euro seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger aus der Zeit bis zum 31. Dezember 2004 noch nicht gewährte 35 Urlaubstage und 1 AZV-Tag zustehen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entsteht, dass die Beiträge zur Nordrheinischen Ärzteversorgung für den Zeitraum vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 von der Beklagten verspätet nachentrichtet werden und der Kläger dadurch schlechter steht, als wenn die Beiträge im laufenden Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 eingezahlt worden wären.

Die weitergehende Klage - ausgenommen ein weitergehender Vergütungsanspruch von 3.197,82 Euro (Weihnachtszuwendung) - wird abgewiesen.

Soweit das Landesarbeitsgericht Hamm die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 27. August 2008 - 4 Ca 2588/07 - auf Zahlung einer weiteren Vergütung (Weihnachtszuwendung) in Höhe von 3.197,82 Euro zurückgewiesen hat, wird der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens - zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen über Zahlungsansprüche des Klägers für das Jahr 2004, die dieser geltend macht, nachdem eine ihm ausgesprochene außerordentliche Kündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist.

2

Der Kläger war seit 1. Oktober 1976 leitender Arzt der Anästhesieabteilung des Mhospitals in G, dessen Trägerin die Beklagte ist.

3

Nach § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16. September 1976 war der Kläger verpflichtet, nach dem jeweils neuesten Stand gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse die stationäre Behandlung aller Patienten seiner Abteilung einschl. der Gutachten und Beobachtungsfälle durchzuführen sowie die stationären Patienten der anderen Abteilungen zu untersuchen und mitzubehandeln, soweit sein Fachgebiet berührt wird und er zur Konsiliartätigkeit hinzugezogen wird.

4

Der die sog. Nebentätigkeiten regelnde § 5 des Arbeitsvertrages lautet auszugsweise:

        

„Der Arzt ist berechtigt, oder auch auf Wunsch des Krankenhauses verpflichtet, über den Rahmen seiner Haupttätigkeit iSd. § 3 im Krankenhaus folgende Nebentätigkeiten auszuüben:

        
        

Ambulanz (ggf. berufsgenossenschaftliches Durchgangsarztverfahren), Sprechstundenpraxis und Konsiliar- und Gutachtertätigkeit, soweit Zeugnisse und Gutachten von anderer Seite als vom Krankenhaus angefordert werden.

        
        

...     

        

Durch die gestattete Nebentätigkeit darf die einwandfreie ärztliche Versorgung der stationären Kranken nicht beeinträchtigt werden.

        
        

Die nach Abs. (1) erteilte Erlaubnis zur Ausübung von Nebentätigkeiten kann jederzeit vom Krankenhausträger widerrufen oder eingeschränkt werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen. Sie liegen insbesondere dann vor, wenn durch die Ausübung der Nebentätigkeit die dienstliche Haupttätigkeit (§ 3) oder der allgemeine Dienstbetrieb beeinträchtigt werden.

        
        

Widerruft der Krankenhausträger die Nebentätigkeit oder schränkt er diese ein, so ist er nicht verpflichtet, dem leitenden Abteilungsarzt eine Entschädigung für die diesem daraus entstehenden finanziellen oder sonstigen Nachteile zu gewähren.“

        
5

Dem Kläger war nach § 4 des Arbeitsvertrages das Recht eingeräumt worden, die medizinisch-technischen und pflegerischen Einrichtungen des Krankenhauses zu benutzen und nachgeordnete Ärzte in Anspruch zu nehmen. Dafür hatte er nach § 8 Arbeitsvertrag die Pflicht, die dabei entstehenden Sach- und Personalkosten zu erstatten. In einer Zusatzvereinbarung haben die Parteien bestimmt, dass der Kläger einen bestimmten Prozentsatz des Bruttoerlöses seiner gesamten liquidationsberechtigten Tätigkeit an das Krankenhaus abführt. Dieser Prozentsatz betrug zuletzt 13,6 %.

6

§§ 6 und 7 des Arbeitsvertrages, die Vergütung und Liquidationsrecht regeln, lauten auszugsweise:

        

㤠6

        

1.    

Der Arzt erhält ein Gehalt nach Vergütungsgruppe 1 der AVR.

        

2.    

...     

        

f)    

Soweit eine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den Absätzen a-d nicht möglich ist, verpflichtet sich der Arzt, sich neben der Pflichtversicherung bei der Ärztekammer/-versorgung im satzungsmäßigen Rahmen freiwillig zum jeweiligen Höchstbetrag höherzuversichern oder aber eine entsprechende Lebensversicherung abzuschließen.

        

g)    

Das Krankenhaus beteiligt sich an den monatlichen Beiträgen zu den o.a. Versicherungen (auch wenn es sich nur um die Versicherung bei der Ärztekammer/-versorgung - Pflichtversicherung/freiwillige Höherversicherung - und ggf. noch um einen Lebensversicherungsvertrag handelt) mit jeweils 50%, höchstens jedoch zweimal bis zur Höhe des jeweiligen Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die gleichhohe Beteiligung des Arztes an den verschiedenen Beiträgen wird vorausgesetzt. Die jeweiligen Beitragsanteile des Arztes werden von seinen monatlichen Dienstbezügen einbehalten und vom Krankenhaus an den zuständigen Versicherungsträger abgeführt.

        

3.    

Der Arzt erhält das Liquidationsrecht gemäß § 7 Abs. 1 und 2.

        

§ 7

        

1.    

Der Arzt ist berechtigt, für die von ihm oder unter seiner Verantwortung bei der stationären Behandlung erbrachten ärztlichen Leistungen als gesondert berechenbare ärztliche Leistung im Sinne der jeweils gesetzlichen Bestimmungen gegenüber Patienten zu liquidieren, die eine persönliche Behandlung durch ihn wünschen und dies mit dem Krankenhaus vereinbart haben. Durch die Erbringung dieser gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen darf die ärztliche Versorgung iSd. § 3 dieses Vertrages aller Patienten seiner Fachabteilung nicht beeinträchtigt werden.

                 

Die gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen, die im Bezug auf die möglichen Patienten des Krankenhauses höchstens 10 % betragen sollen, werden im Hinblick auf die geringe Zahl der möglichen Patienten der Fachabteilung Anästhesie auf höchstens 20 % festgesetzt.

        

2.    

Der Arzt ist berechtigt, im Zusammenhang mit den Nebentätigkeiten nach § 5 für die rein ärztlichen Leistungen zu liquidieren.

        

3.    

Die Liquidation gem. Abs. 1 und 2 werden vom Arzt ausgestellt und eingezogen. Der Bruttoliquidationserlös ist dem Krankenhaus durch Einreichen von aufgelisteten Rechnungsdurchschriften bzw. Abrechnungsunterlagen der Kassenärztlichen Vereinigung oder sonstigen Kostenträgern nach Abschluss eines jeden Kalendervierteljahres nachzuweisen, und zwar unter Einhaltung einer Frist von möglichst 3 Wochen.

        

4.    

Bei der Ausübung des Liquidationsrechts gem. Abs. 1 und 2 hat der Arzt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Patienten und den gemeinnützigen Charakter des Krankenhauses Rücksicht zu nehmen. Diesen Grundsatz hat der Arzt auch bei Beteiligung anderer leitender Ärzte in Absprache mit ihnen zu berücksichtigen.

        

5.    

Der Arzt ist jedoch verpflichtet, auf Veranlassung des Krankenhausträgers Mitarbeiter des Krankenhauses unentgeltlich zu behandeln.“

7

Der jährliche Urlaubsanspruch des Klägers betrug nach § 10 Arbeitsvertrag fünf Wochen. Das Urlaubsjahr sollte das Kalenderjahr sein, wobei der Urlaub des Klägers wie bei anderen Chefärzten bis zum Ablauf des übernächsten Kalenderjahres übertragen werden konnte. Seine Urlaubsvertretung bei der Nebentätigkeit und im liquidationsberechtigten stationären Tätigkeitsbereich hatte der Kläger selbst im Einvernehmen mit dem Krankenhausträger zu regeln, die Kosten der Vertretung bei diesen Tätigkeiten hatte er zu tragen. Im Fall der Dienstunfähigkeit des Klägers sollte er sein Gehalt für die Dauer von sechs Wochen fortgezahlt erhalten, das Liquidationsrecht nach § 7 Arbeitsvertrag sollte ihm dagegen bis zu 26 Wochen im Fall der Dienstunfähigkeit zustehen(§ 10 Abs. 4 und 5 Arbeitsvertrag).

8

Nach einer Dienstvereinbarung sollte die gegenüber der Regelarbeitszeit gem. AVR von 38,5 Stunden pro Woche vereinbarte Mehrarbeit bei einer arbeitsvertraglichen 40-Stunden-Woche durch sog. AZV-Tage ausgeglichen werden, wovon jährlich im Grundsatz acht AZV-Tage zur Verfügung standen, die auf Antrag gewährt wurden.

9

Der Kläger hatte ab dem vierten Quartal 2001 eine Privatärztliche Verrechnungsstelle (PVS) mit der Abrechnung gegenüber den Patienten beauftragt, soweit er diesbezüglich liquidationsberechtigt war. Gegenüber der Beklagten rechnete der Kläger das vereinbarte Nutzungsentgelt selbst ab. Dabei waren die Angaben des Klägers gegenüber der Beklagten für das vierte Quartal 2002 sowie für die ersten beiden Quartale 2003 fehlerhaft. Dies veranlasste die Beklagte zu eigenen Ermittlungen. Von 303 Patienten des Jahres 2001, die von der Beklagten angeschrieben worden waren, antworteten 157 bis 14. Mai 2004. Ein Vergleich ergab, dass der Kläger Bruttoliquidationen iHv. 16.069,42 Euro nicht angegeben hatte, woraus sich ein um 2.185,44 Euro geringeres Nutzungsentgelt ergab, das der Kläger an die Beklagte abzuführen hatte. Unter dem 26. Mai 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger außerordentlich fristlos. Dabei erhob sie wie bei einer später zum 31. Dezember 2004 ausgesprochenen Kündigung sowie fünf weiteren bis Februar 2005 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen den Vorwurf wissentlicher und absichtlicher Falschangaben bei der Abrechnung der Nutzungsentgelte. Mit rechtskräftigem Urteil vom 29. März 2007 entschied das Landesarbeitsgericht Hamm, dass keine dieser Kündigungen das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet hatte (- 16 Sa 435/06 -).

10

Unter Berücksichtigung des vom Kläger gezahlten Nutzungsentgelts ergeben sich für die Jahre 1996 bis 2004 folgende Nettoliquidationsbeträge:

        

1996   

201.006,38 Euro

        

1997   

137.911,34 Euro

        

1998   

66.882,73 Euro

        

1999   

282.324,43 Euro

        

2000   

142.590,08 Euro

        

2001   

192.127,92 Euro

        

2002   

189.626,70 Euro

        

2003   

562.235,71 Euro

        

2004   

106.084,17 Euro

11

Dies ergibt bei dem von den Parteien verwendeten Divisor von 8,5 durchschnittliche jährliche Nettoliquidationseinkünfte iHv. 221.269,35 Euro. Aus Privatambulanz nahm der Kläger 2003 11.415,67 Euro und aus ambulanter kassenärztlicher Tätigkeit 5.664,74 Euro ein. Schließlich erhielt der Kläger für eine von ihm für die Universität E ausgeführte Lehrtätigkeit 290,50 Euro für das Jahr 2003. Ausweislich der Abrechnung für Dezember 2003 belief sich die monatliche Vergütung des Klägers in diesem Monat auf 6.459,96 Euro brutto. Im November 2003 zahlte die Beklagte an den Kläger eine Weihnachtszuwendung iHv. 4.629,61 Euro brutto.

12

Unter dem 18. November 2004 beantragte der Kläger schriftlich Urlaub:

        

„…    

        

Betrifft: 1. Urlaub 2004

        

…       

        

Ausweislich meiner Gehaltsmitteilung für Februar 2004 (Anlage 1) steht mir noch ein Resturl. 04 = 035,00 Tage/Stand 11.02.04 und ein Rest-AZV 04 von 1,00 Tagen, insgesamt also 36 Tage zu.

        

Zurückgerechnet vom 31.12.2004 und bei Wertung von Heiligabend und Silvester als je ½ Arbeitstag ergibt sich für 2004 noch ein Urlaubsanspruch vom 25.11.2004 bis 31.12.2004. Einen entsprechend ausgefüllten Urlaubsantrag habe ich beigefügt (Anlage 2).

        

Ich bitte,

        

-       

meinen Urlaubsantrag im Mengengerüst zu überprüfen,

        

-       

evtl. erforderliche Zu- oder Abschläge (wenn ich schon 2004 Urlaub aus dem Kontingent 2004 beantragt haben sollte) korrigierend nachzuberechnen

        

-       

mir den Urlaub rückzählend ab 31.12.2004 zu bestätigen und zu gewähren und auch

        

-       

die Überweisung des Urlaubsgelds nicht zu vergessen.

        

...“   

        
13

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm für die Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges eine Vergütung iHv. 392.719,38 Euro. Es seien je 214/360 der Jahresvergütung iHv. 83.228,28 Euro, der stationären Wahlarzteinnahmen auf der Basis des Jahres 2003 iHv. 560.050,27 Euro, der Privatambulanzeinnahmen 2003 iHv. 11.415,67 Euro und der ambulanten kassenärztlichen Tätigkeit 2003 von 5.664,74 Euro geschuldet. Neben 25 Urlaubstagen aus 2004 stünden dem Kläger weiter für 2003 noch 60 Urlaubstage zu. Ebenso vier weitere AZV-Tage neben dem in der Gehaltsmitteilung für Dezember 2003 genannten einen AZV-Tag. Nach einer Auskunft der nordrheinischen Ärzteversorgung vom 7. August 2008 erleide er einen Versorgungsschaden durch die verspätete Zahlung von Beiträgen zur nordrheinischen Ärzteversorgung.

14

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 392.719,38 Euro brutto nebst Jahreszinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.340,55 Euro seit dem 1. Juni 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Juli 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. August 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. September 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Oktober 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. November 2004, aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Dezember 2004 und aus weiteren 55.054,12 Euro seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 Urlaub von 85 Tagen auf der Basis einer 5-Tage-Woche und zusätzlich 5 AZV-Tage zu gewähren,

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Steuerschaden einschließlich der Steuerberaterkosten zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entsteht, dass er wegen der verspäteten Vergütungszahlung der Beklagten, welche den Zeitraum vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 betreffen, höhere Steuern zahlen muss, als wenn der Kläger vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 hätte weiterarbeiten und seine Vergütungen in dieser Zeit hätte vereinnahmen können,

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entsteht, dass die Beiträge zur nordrheinischen Ärzteversorgung für den Zeitraum vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 verspätet nachentrichtet werden und der Kläger dadurch schlechter steht, als wenn die Beiträge im laufenden Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 eingezahlt worden wären.

15

Ihren Klageabweisungsantrag hat die Beklagte vor allem damit begründet, dass der Kläger die Berechnung seiner Annahmeverzugsansprüche nicht auf das ungewöhnliche Jahr 2003 stützen könne. Die Liquidationseinnahmen aus ambulanter Tätigkeit stünden dem Kläger nicht als Annahmeverzugslohn zu, da es sich dabei nicht um Vergütung handle. Schadensersatzansprüche scheiterten mangels eines Verschuldens der Beklagten, die Urlaubsansprüche seien verfallen, Ansprüche auf weitere AZV-Tage oder auf Schadensersatz wegen der Lehrtätigkeit bestünden nicht.

16

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger eine Vergütungsforderung iHv. insgesamt 46.276,77 Euro brutto, einen Annahmeverzugsanspruch aus ambulanter Nebentätigkeit iHv. 9.981,06 Euro zugesprochen und festgestellt, dass der Kläger für 2004 noch 35 Urlaubstage sowie einen AZV-Tag zu beanspruchen hat. Danach hat es eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt, soweit durch die verspätete Beitragsentrichtung zur nordrheinischen Ärzteversorgung Schäden entstehen.

17

Mit der Berufung hat der Kläger - bei reduzierter Berechnungsbasis - noch einen weiteren Zahlungsanspruch von 155.048,25 Euro brutto verfolgt, außerdem hat er Schadensersatz für vom Arbeitsgericht nicht anerkannte Urlaubstage und AZV-Tage iHv. 47.973,22 Euro brutto geltend gemacht. Neben dem Grundgehalt müsse ihm noch entsprechend der Weihnachtszuwendung 2003 ein weiterer Betrag iHv. 3.197,82 Euro gezahlt werden. Diesbezüglich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und im Übrigen ihre Berufung insoweit beschränkt, als sie zur Zahlung eines Betrages von 9.981,06 Euro brutto wegen entgangener Einnahmen aus ambulanter Tätigkeit des Klägers verurteilt wurde und ihre Schadensersatzpflicht bezüglich des Versorgungsschadens festgestellt wurde.

18

Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 102.309,44 Euro als Schadensersatz für entgangene Liquidationseinnahmen zu zahlen und im Übrigen die weitergehenden Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Die Parteien verfolgen mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen ihre Prozessziele im Umfang des zweiten Rechtszugs weiter.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.

20

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Hinsichtlich der Grundvergütung könne der Kläger seine Ansprüche auf Annahmeverzug stützen, wobei das Arbeitsgericht diese in der Höhe richtig berechnet habe. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Weihnachtszuwendung sei verjährt. Die Abgeltung weiterer Urlaubsansprüche komme nicht in Betracht, da der Urlaubsanspruch verfallen sei. Auch Schadensersatz stehe dem Kläger insoweit nicht zu, da er die Beklagte nur hinsichtlich der im Schreiben vom 18. November 2004 genannten Urlaubszeiten in Verzug gesetzt habe. Die AZV-Tage seien grundsätzlich nicht abzugelten. Schadensersatz wegen entgangener Einkünfte aus der Lehrtätigkeit habe der Kläger zumindest gegenüber der Beklagten nicht schlüssig begründet. Soweit es um die entgangenen Liquidationseinnahmen gehe, beruhe der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz. Die Beklagte habe dem Kläger pflichtwidrig ein Liquidationsrecht nicht eingeräumt und habe dies auch zu vertreten, da sie bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt auf die Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen Kündigung nicht hätte vertrauen dürfen. Der Fehler des Klägers bei der Meldung von Zahlungseingängen habe allein die außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen können. Für ein vorsätzliches Handeln des Klägers hätten keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgelegen. Die Schadenshöhe sei nach § 287 ZPO, § 252 BGB zu schätzen, wobei Grundlage der Referenzzeitraum von 1996 bis Mitte 2004 sei. Der sich hieraus ergebende Betrag von 129.376,06 Euro sei jedoch wegen einem dem Kläger anzulastenden Mitverschulden um 20 % zu kürzen, was ebenso hinsichtlich der entgangenen Einnahmen aus der Ambulanztätigkeit gelte.

21

B. Die teilweise begründete Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und, soweit das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Verzugslohns eine weitergehende Verurteilung der Beklagten abgelehnt hat, zur Zurückverweisung. Im Übrigen sind die weitergehende Revision des Klägers und die Revision der Beklagten unbegründet.

22

I. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein höherer regelmäßiger Annahmeverzugslohnanspruch als monatlich 6.464,84 Euro zusteht. Nach § 615 Satz 1 BGB hat die Beklagte als Arbeitgeberin für die Zeit vom 27. Mai bis 31. Dezember 2004 die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, soweit sie mit der Annahme der Dienste in Verzug geraten ist. Dafür bedurfte es keines tatsächlichen (§ 294 BGB) oder wörtlichen Angebots (§ 295 BGB) des Klägers. Denn nach § 296 Satz 1 BGB ist ein solches Angebot überflüssig, wenn die Beklagte zur Erbringung der Arbeitsleistung eine Mitwirkungshandlung vorzunehmen hatte, die kalendermäßig bestimmt war. Der Beklagten als Arbeitgeberin oblag es, dem Kläger für jeden Tag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und den Arbeitseinsatz des Klägers fortlaufend zu planen und durch Weisungen zu konkretisieren (BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329 = AP BGB § 615 Nr. 79 = EzA BGB § 615 Nr. 93). Vorliegend hat jedoch die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers aufgrund ihrer Kündigung zurückgewiesen, die sich im Nachhinein als rechtsunwirksam herausgestellt hat. Damit hat sie ihre Mitwirkungshandlung nicht erbracht, so dass ein Angebot des Klägers gem. § 296 BGB überflüssig war(BAG 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - BAGE 46, 234 = AP BGB § 615 Nr. 34 = EzA BGB § 615 Nr. 43; 21. März 1985 - 2 AZR 201/84 - AP BGB § 615 Nr. 35 = EzA BGB § 615 Nr. 44).

23

Für eine höhere Vergütung als die vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten monatlichen 6.464,84 Euro, die die Beklagte ihrerseits mit einer Berufung nicht angegriffen hatte, hat der Kläger nichts vorgetragen. Die von ihm in Bezug genommene Entgeltabrechnung für Dezember 2003 weist einen monatlichen Betrag iHv. 6.459,96 Euro aus.

24

II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, einem weiteren Annahmeverzugsanspruch auf Zahlung der anteiligen Weihnachtszuwendung 2004 iHv. 3.197,82 Euro stehe die Einrede der Verjährung entgegen.

25

1. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung 2004 der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB nF. Dabei ist unerheblich, dass der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung 2004 bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 noch nicht entstanden war. Art. 229 § 6 EGBGB ist auch auf solche Ansprüche anzuwenden, die nach dem Stichtag aus einem nach altem Recht zu beurteilenden Schuldverhältnis entstehen(BGH 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04 - BGHZ 162, 30; Palandt/Ellenberger 71. Aufl. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 2 jeweils mwN). Das neue Verjährungsrecht ist nach der Grundregel des Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB auch auf vor dem 1. Januar 2002 entstandene Ansprüche anzuwenden. Dies muss erst recht für Ansprüche gelten, die auf vor diesem Stichtag bestehenden Schuldverhältnissen beruhen, aber erst nach dem 1. Januar 2002 entstanden sind.

26

2. Für die Weihnachtszuwendung 2004 begann die Verjährungsfrist am 1. Januar 2005 zu laufen, da die Beklagte die Weihnachtszuwendung mit dem Novemberentgelt abgerechnet und ausgezahlt hatte, die Weihnachtszuwendung 2004 mithin spätestens zum 1. Dezember 2004 fällig wurde. Mit der Klageerhebung am 27. Dezember 2007 wurde die Verjährung auch eines Anspruchs auf Weihnachtszuwendung 2004 gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Klage war der Beklagten am 27. Dezember 2007 in nicht verjährter Zeit zugestellt worden. Der Streitgegenstand war hinreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt und erfasste auch die Weihnachtszuwendung 2004.

27

a) Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den Klageantrag und den Klagegrund, also den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, bestimmt (BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1; BGH 11. Dezember 1986 - IX ZR 165/85 - mwN, NJW-RR 1987, 683). Dazu sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (BAG 15. Juli 2008 - 3 AZR 172/07 - AP ZPO § 253 Nr. 48).

28

b) Zur Begründung seiner Vergütungsansprüche hat der Kläger ausgeführt, die Beklagte müsse den Betrag ersetzen, den er bei einer Weiterarbeit vom 27. Mai bis zum 31. Dezember 2004 erzielt hätte. Die Vergütung setze sich aus dem Grundgehalt nach VergGr. 1 der AVR und dem Liquidationsrecht zusammen. Für den Teilbetrag „Jahresgehalt“ hat der Kläger ausdrücklich auf die Gehaltsmitteilung der Beklagten für Dezember 2003 Bezug genommen, aus der sich für das Jahr 2003 ein Gesamtarbeitgeberbrutto iHv. 83.228,28 Euro ergab. Dadurch wurde ausreichend deutlich, dass der Kläger sämtliche Zahlungen, die die Beklagte 2003 geleistet hatte, auch für das Jahr 2004 begehrt. Mit dem Hinweis in der Berufungsinstanz, zum fortzuzahlenden Entgelt gehöre auch anteilig die Weihnachtszuwendung, die 2003 insgesamt 4.629,61 Euro betragen habe, hat der Kläger keinen neuen Lebenssachverhalt geschildert, sondern nur ein bisher fehlendes Begründungselement zu seiner Gesamtforderung 2004 nachgetragen. Solche fehlenden Begründungselemente können auch noch während des Rechtsstreits vorgetragen werden, selbst wenn der Anspruch ohne die Unterbrechungswirkung bereits verjährt gewesen wäre (BGH 27. Februar 2003 - VII ZR 48/01 - mwN, NJW-RR 2003, 784). Die Hemmung der Verjährung tritt für alle Ansprüche in Höhe der gesamten Klageforderung ein, wenn wie hier Teilbeträge verschiedener Ansprüche eingeklagt wurden, ohne klarzustellen, welcher Klagebetrag auf welchen Anspruch entfällt. Der Kläger hat durch seinen Berufungsschriftsatz vom 8. Dezember 2008 klargestellt, dass der auf die Weihnachtszuwendung entfallende Teilbetrag der Forderung 3.197,82 Euro beträgt und es sich im Übrigen um die monatliche und für Mai 2004 zeitanteilige Grundvergütung handele.

29

c) Ob der Kläger einen Anspruch auf eine teilweise Weihnachtszuwendung in eingeklagter Höhe nach § 615 Satz 1 BGB hat, kann anhand der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entschieden werden. Es kann dem bisherigen Sachvortrag des Klägers nicht entnommen werden, dass er ohne Annahmeverzug der Beklagten von dieser eine Weihnachtsgratifikation erhalten hätte, was Voraussetzung für einen Anspruch nach § 615 Satz 1 BGB ist(BAG 18. Januar 1963 - 5 AZR 200/62 - BAGE 14, 31 = AP BGB § 615 Nr. 22 = EzA BGB § 615 Nr. 5). Andererseits ist die Beklagte dem Anspruch allein mit einer Verjährungseinrede entgegengetreten. Nachdem das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung jedoch nicht auf die Verjährung des Anspruchs auf Weihnachtszuwendung stützen durfte, hat es nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO den Kläger auf Lücken in seinem Sachvortrag hinzuweisen und sodann der Beklagten Gelegenheit zu geben, zu diesem Vorbringen ihrerseits Stellung zu nehmen.

30

III. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der ihm entgangenen Einnahmen aus stationären wahlärztlichen Leistungen und aus ambulanter Tätigkeit für die Zeit vom 27. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 beläuft sich auf der Basis des vereinbarten Divisors 214/366 auf 139.362,96 Euro, davon 129.376,06 Euro von entgangenen Einnahmen für stationäre und 9.986,90 Euro für ambulante Leistungen.

31

1. Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 283 Satz 1 BGB, weil es der Beklagten unmöglich geworden ist, ihm die Erwerbschance „Liquidationsrecht“ einzuräumen und sie diese Unmöglichkeit zu vertreten hat.

32

a) In § 5 des Arbeitsvertrages haben die Parteien geregelt, dass die Tätigkeit des Klägers insbesondere im ambulanten Bereich „Nebentätigkeit“ ist, die die einwandfreie ärztliche Versorgung im stationären Bereich nicht beeinträchtigen darf, andernfalls die Beklagte zum Widerruf der erteilten Nebentätigkeits-Erlaubnis berechtigt sein sollte. Damit stellte das Liquidationsrecht des Klägers im ambulanten Bereich keine Gegenleistung für die arbeitsvertraglich nach § 3 geschuldete Haupttätigkeit des Klägers im stationären Bereich dar. Insoweit stand das Liquidationsrecht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis, so dass der Kläger seine Ersatzansprüche nicht auf § 615 Satz 1 BGB stützen kann.

33

b) Dagegen spricht vorliegend viel dafür, dass das dem Kläger für den stationären, wahlärztlichen Bereich arbeitsvertraglich eingeräumte Liquidationsrecht eine Erwerbsmöglichkeit darstellt, welche die Beklagte dem Kläger als Gegenleistung für seine Arbeit nach § 611 Abs. 1 BGB schuldete.

34

aa) Im Regelfall stellt die bloße tarifliche Vergütung ohne zusätzliche Einnahmemöglichkeiten aus einem Liquidationsrecht keine angemessene Honorierung des Chefarztes dar (BAG 9. Januar 1980 - 5 AZR 71/78 - BAGE 32, 249 = AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 6). Auch steuerrechtlich können sich die Einnahmen aus dem Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen als Arbeitslohn darstellen (BFH 5. Oktober 2005 - VI R 152/01 - NZA-RR 2006, 368). Mit dem Liquidationsrecht sollen dem Arzt keine zusätzlichen Einnahmen verschafft werden, sondern im Sinne einer Naturalvergütung sollen eine Erwerbschance und die hierzu erforderlichen Rahmenbedingungen gewährt werden, dh. die Verschaffung von Verdienstmöglichkeiten stellt sich regelmäßig als im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Vergütungsform für die vom Arzt zu erbringende Hauptleistung dar (vgl. Wern Die arbeitsrechtliche Stellung des leitenden Krankenhausarztes 2005 S. 194 f.; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 518). Ob ein solcher Regelfall, bei dem dem Liquidationsrecht des Arztes Gegenleistungscharakter zukommt, im Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist jedoch immer eine Frage der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung (BAG 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31).

35

bb) Die Vorinstanzen haben dem Liquidationsrecht des Klägers im Bereich der stationären Leistungen Gegenleistungscharakter zukommen lassen und dabei insbesondere auf § 6 Abs. 3 des Arbeitsvertrages verwiesen, demzufolge zur Vergütung des Klägers auch sein Liquidationsrecht nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 des Arbeitsvertrages gehörte. Diese Auslegung ist selbst für den Fall, dass die Parteien vorliegend einen Formulararbeitsvertrag benutzt haben, dessen Auslegung revisionsrechtlich ohne Einschränkung überprüft werden kann (BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 798/07 -; 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 12 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 13), rechtsfehlerfrei und nicht zu beanstanden. In § 10 Abs. 5 des Arbeitsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger bei Dienstunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall das Liquidationsrecht nach § 7 Arbeitsvertrag „auf die Dauer von 26 Wochen“ behalten sollte. Durch diese Ausnahme vom Grundsatz „ohne Arbeit keine Gegenleistung“ haben die Parteien gerade den Gegenleistungscharakter des Liquidationsrechts betont.

36

cc) Ungeachtet des Gegenleistungscharakters des Liquidationsrechts für den stationären Bereich kann der Kläger jedoch - wie bei seinem Liquidationsrecht für den ambulanten Bereich - die entgangene Vergütung aus den Liquidationseinnahmen nicht nach § 615 Satz 1 BGB verlangen. Soweit der Senat in ähnlichen Fällen eine gegenteilige Auffassung zugrunde gelegt hat (BAG 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31) wird hieran nicht festgehalten.

37

§ 615 Satz 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht(BAG 5. September 2002 - 8 AZR 702/01 - AP BGB § 280 nF Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 109). Der Arbeitnehmer ist dann so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte. Besteht jedoch die Naturalvergütung darin, dem Arbeitnehmer Erwerbschancen zur Verfügung zu stellen, hier also dem Kläger Tätigkeiten mit eigener Liquidationsmöglichkeit zu eröffnen, so kann diese Verpflichtung nicht mehr erfüllt werden, weil die Beklagte aufgrund Unmöglichkeit von dieser Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei geworden ist. Die Beklagte als Krankenhausträger musste dem Arzt die personellen und sächlichen Mittel zur Verfügung stellen, die dieser zur Behandlung der Wahlleistungspatienten benötigte. Diese Dauerverpflichtung der Beklagten bestand arbeitstäglich und weist eine derartige zeitliche Bindung auf, dass ein Fixgeschäft vorliegt, dh. die Erwerbschance besteht für den Arbeitnehmer auf der Zeitachse nur einmalig. Ist die Zeit verstrichen, kann die Nutzung nicht nachgeholt werden (vgl. zur Pflicht, ein Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen BAG 16. November 1995 - 8 AZR 240/95 - BAGE 81, 294 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 4 = EzA BGB § 249 Nr. 21; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 271 Rn. 17). Bei Unmöglichkeit iSd. § 275 Abs. 1 BGB gibt § 615 Satz 1 BGB keine Rechtsgrundlage für Wertersatz(BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - aaO; 27. Mai 1999 - 8 AZR 415/98 - BAGE 91, 379 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 12; Bamberger/Roth/Fuchs 3. Aufl. § 615 BGB Rn. 30; MünchArbR/Boewer 3. Aufl. § 69 Rn. 36). Zwar regelt § 615 BGB wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung auch die Fälle der Annahmeunmöglichkeit(ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 7), trifft aber keine Regelungen zu den Rechtsfolgen, wenn die Gegenleistung ihrerseits Fixschuldcharakter hat und unmöglich geworden ist. Insoweit bleibt es bei den allgemeinen Regelungen, §§ 275 ff. BGB.

38

c) § 283 BGB gewährt dem Gläubiger, dem die Befugnis zur naturalen Verwirklichung seines Anspruchs gemäß § 275 BGB entzogen worden ist, Schadensersatz statt der Leistung, wenn der Schuldner den Eintritt des zur Unmöglichkeit führenden Umstandes zu vertreten hat. Insofern setzt sich die Anspruchsberechtigung des Gläubigers in einer nunmehr auf Geld gerichteten Berechtigung fort (vgl. MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 283 BGB Rn. 1). § 283 BGB verweist hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen auf § 280 Abs. 1 BGB.

39

Soweit das dem Kläger eingeräumte Liquidationsrecht keine Gegenleistung für die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit ist (ambulanter Bereich), so ergibt sich der Schadensersatzanspruch des Klägers direkt aus § 280 Abs. 1 BGB(vgl. Wern in Arbeitsrecht im Krankenhaus 2. Aufl. Teil 5 B Rn. 30), da die Einräumung des Liquidationsrechts im ambulanten Bereich arbeitsvertragliche Nebenpflicht der Beklagten war. Die Beklagte hat dem Kläger die entsprechende Nebentätigkeit im Arbeitsvertrag genehmigt und ihm das Liquidationsrecht auch insoweit eingeräumt.

40

d) Die Beklagte hat ihre Pflicht iSd. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt, weil sie den Kläger durch Zeitablauf um seinen naturalen Erfüllungsanspruch - Einräumung des Liquidationsrechts - gebracht hat. Dies gilt auch hinsichtlich des Liquidationsrechts im ambulanten Bereich. Zwar ist in § 5 Abs. 6 des Arbeitsvertrages insoweit ein Widerrufsrecht der Nebentätigkeitsgenehmigung vorgesehen. Dass die Beklagte vor Kündigungsausspruch davon Gebrauch gemacht hätte, ist nicht vorgetragen worden. Danach bestand die Verpflichtung zur Einräumung des Liquidationsrechts auch nach Ausspruch der Kündigung weiter.

41

e) Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten.

42

aa) Was der Schuldner zu vertreten hat, regeln die §§ 276 bis 278 BGB. Danach hat der Schuldner für eigenes Verschulden und das seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter einzustehen. Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Das ist zB dann der Fall, wenn der Arbeitgeber bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam ist (vgl. BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 486/02 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 27; 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11; 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - BAGE 101, 328 = AP BGB § 615 Nr. 97 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 55), also ein Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht besteht (vgl. BAG 17. Februar 1994 - 8 AZR 275/92 - BAGE 76, 32 = AP BGB § 286 Nr. 2 = EzA BGB § 285 Nr. 1). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt beruht. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, handelt der kündigende Arbeitgeber solange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte. Entscheidend ist, ob er unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, die Kündigung werde sich als rechtsbeständig erweisen (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - aaO; 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31). Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (Rechtsirrtum), zB über die Wirksamkeit einer Kündigung, so muss dies im Grundsatz als möglicher Entschuldigungsgrund berücksichtigt werden können. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Im Falle einer Kündigung ist nicht erforderlich, dass sich diese als rechtsbeständig erweist. Der Arbeitgeber darf seine Interessen mit den gesetzlich gebotenen Mitteln verfolgen, sofern er nach vollständiger Würdigung des Sachverhalts die Kündigung für vertretbar halten durfte. Der Ausspruch einer Kündigung erfordert eine komplexe Abwägungsentscheidung des Arbeitgebers. Es ist nicht in jedem Fall leicht abzuschätzen, inwieweit das Arbeitsgericht und die weiteren gerichtlichen Instanzen der eigenen Abwägung folgen werden. Ist die Rechtslage nicht eindeutig und beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber solange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf (vgl. BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 486/02 - aaO; 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - aaO; 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - aaO). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die Verunmöglichung der Ausübung des Liquidationsrechts nicht zu vertreten hat, trägt die Beklagte als Arbeitgeber, da sie die Kündigungen ausgesprochen hat. Sie hatte darzulegen und zu beweisen, dass aus ihrer Sicht Kündigungsgründe vorlagen, die einen sorgfältig abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen konnten, so dass sie auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - aaO; 23. September 1999 - 8 AZR 791/98 -).

43

bb) Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens, insb. auch der Begriff der Fahrlässigkeit sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt sowie Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 17. Juli 2003 - 8 AZR 486/02 - mwN, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 27). Eine Aufhebung des Berufungsurteils darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatsachenrichter festzustellen ist (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5; 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; 4. Mai 2006 - 8 AZR 311/05 - mwN, NZA 2006, 1428). Dagegen genügt es für eine Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils beispielsweise nicht, dass im Streitfall auch eine andere Beurteilung als die des Landesarbeitsgerichts möglich ist und dass das Revisionsgericht, hätte es die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vorzunehmen, zu dem Ergebnis gekommen wäre, es liege ein anderer Verschuldensgrad als der vom Berufungsgericht angenommene vor (vgl. BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - aaO).

44

cc) Nach diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht erkannt hat, die Beklagte habe nicht auf die Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen Kündigung vertrauen dürfen.

45

Um einem Arbeitgeber die Entscheidung zu ermöglichen, ob ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht, beginnt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht anlaufen (vgl. BAG 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - mwN, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9). Verhaltensbedingte Gründe bilden nur dann einen wichtigen Grund, wenn der Gekündigte nicht nur objektiv, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft, dh. vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat (vgl. BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 23; KR-Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 139 jeweils mwN). Deshalb darf der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss bspw. vom Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. Strafverfahrens abhängig machen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - aaO). Ob der Arbeitgeber diese Möglichkeit nutzt, ob er den Arbeitnehmer anhört, um ggf. auch zu prüfen, ob der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer vorliegt, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden kann (vgl. BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), oder sonstige Ermittlungen anstellt, obliegt der Prüfung durch den Arbeitgeber. Spricht der Arbeitgeber eine Tatkündigung wegen eines vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitnehmers aus, so beruht der Ausspruch der Kündigung nur dann auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, wenn der Arbeitgeber Umstände vortragen kann, die neben dem objektiven Tatbestand der Pflichtverletzung auch den Vorsatzvorwurf begründen können. Daher konnte das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangen, Umstände, die den Vorwurf eines vorsätzlichen Verhaltens begründen, lägen nicht vor bzw. seien von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Die Beklagte hat im Prozess keine Umstände - über den objektiven Tatbestand der nicht vollständigen Abrechnung zu einem bestimmten Zeitpunkt hinaus - vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass sie berechtigterweise von einem vorsätzlichen Verhalten des Klägers ausgehen durfte. Nicht erkennbar ist, dass die Beklagte Ermittlungen angestellt hat, um ein vorsätzliches Verhalten des Klägers nachzuweisen.

46

2. Inhalt und Umfang der Haftung ergeben sich aus den §§ 249 ff. BGB.

47

a) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre(Naturalrestitution). Soweit die Herstellung nicht möglich - wie aufgrund seines Fixschuldcharakters bei Einräumung eines Liquidationsrechts - oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzverpflichtete den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ausgangspunkt für die Beurteilung ob bzw. inwieweit ein zu ersetzender Schaden eingetreten ist, ist die Differenzhypothese. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (vgl. BAG 5. März 1985 - 1 AZR 468/83 - BAGE 48, 160 ; ErfK/Preis 12. Aufl. § 619a BGB Rn. 69; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. Vorb. v. § 249 BGB Rn. 10). Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich auf alle durch das schädigende Verhalten adäquat verursachten unmittelbaren und mittelbaren Vermögensnachteile. Auszunehmen sind lediglich Schadensfolgen, die jenseits des Schutzzwecks der verletzten Vertragspflicht liegen (vgl. BAG 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - EzBAT BAT § 8 Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31). Der Kläger ist daher so zu stellen, wie er stünde, hätte die Beklagte ihm nicht die Ausübung des Liquidationsrechts unmöglich gemacht.

48

b) Eine vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung unterliegt nur der beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat(vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 300/08 - mwN, NJW 2011, 1146; 5. Oktober 2010 - VI ZR 186/08 - NJW 2011, 1148; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 287 ZPO Rn. 8).

49

c) Derartige Fehler zu Lasten des Klägers liegen in revisionsrechtlich zu beanstandender Art und Weise nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat den im Zeitraum 27. Mai bis 31. Dezember 2004 entgangenen Gewinn zutreffend mit 129.376,06 Euro im stationären Bereich und im ambulanten Bereich mit 9.986,90 Euro ermittelt.

50

Dass sich das Landesarbeitsgericht gehindert sah, den Schadensumfang auf der Basis von Liquidationseinnahmen von drei Oberärzten im Umfang von 300.000,00 Euro nach der abstrakten Methode zu schätzen, ist nicht zu beanstanden. Denn zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass Liquidationseinnahmen in dieser Höhe nach dem eigenen Vortrag des Klägers zu keinem Zeitpunkt erzielt worden sind. In den Jahren 2005 bis 2007 haben die Oberärzte zwar unstreitig deutlich über 300.000,00 Euro an Bruttoliquidationseinnahmen erzielt. Damit ist schon ein Gewinn in dieser Höhe nicht wahrscheinlich. Auch hat sich das Landesarbeitsgericht weiter ohne Rechtsfehler daran gehindert gesehen, eine der weiteren Durchschnittsberechnungen des Klägers als Schätzgrundlage zugrunde zu legen. Soweit der Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2004 eine Zahl von 266 Behandlungen angeführt hat, konnte das Berufungsgericht dies seiner Schadensschätzung nicht zugrunde legen, weil es keine Kenntnis von den diesbezüglichen Einnahmen im betreffenden Zeitraum hatte. Im Übrigen können die tatsächlichen Einnahmen von drei Oberärzten in den Jahren 2005 bis 2007 schon deswegen keine Grundlage einer Schadensschätzung sein, weil sie nicht ein Nachfolger des Klägers, sondern drei Ärzte erzielt haben. Dies lässt Honorareinnahmen des Klägers in gleicher Höhe nicht als wahrscheinlich erscheinen.

51

Dass das Landesarbeitsgericht die unstreitig in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Nettoliquidationserlöse von 1996 bis 2004 seiner Schätzung zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Aus dem bisher erzielten Gewinn kann im Rahmen von Geschäftsbeziehungen auf einen infolge der Zerstörung dieser Geschäftsbeziehungen entgangenen Gewinn geschlossen werden (BGH 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - mwN, NJW 2001, 1640). Auch der zugrunde gelegte Zeitraum ist nicht zu beanstanden, da es allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Entzug der Erwerbsmöglichkeit als Grundlage der Prognose für die künftige Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, nicht gibt. Vielmehr ist es dem Tatsachengericht im Rahmen des § 287 ZPO überlassen, den nach den jeweiligen Umständen des Falles erforderlichen Prüfungsrahmen zu bestimmen. Mit der Darlegung der unstreitigen Liquidationserlöse von 1996 bis 2004 hat die Beklagte nachvollziehbar niedrigere durchschnittliche Einnahmen dargelegt, als sie sich aus den verschiedenen Durchschnittsberechnungen des Klägers ergeben. Demgegenüber hat die Revision keine Umstände aufgezeigt, nach denen es geboten gewesen wäre, zur Ermittlung der entgangenen Liquidationseinnahmen einen kürzeren Zeitraum vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen. Der Kläger hat keine Umstände dafür angegeben, weshalb einer der von ihm vorgeschlagenen kürzeren Prognosezeiträume eine größere Richtigkeitsgewähr bietet. Vielmehr kreisen die Durchschnittsberechnungen des Klägers um das Jahr 2003, obwohl zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit ähnlich hohe Einnahmen erzielt worden sind. Zudem hat die Beklagte aufgezeigt, dass Einnahmen wie im Jahr 2003 zukünftig nicht wahrscheinlich sind. Auch weisen die Einnahmen seit 1996 keine kontinuierlich steigende Tendenz auf, so dass für die Zukunft nicht von einer solchen Entwicklung ausgegangen werden müsste. Der Kläger erzielte 1996 die dritthöchsten, 1999 die zweithöchsten und 1998 die niedrigsten Einnahmen. Es ist nicht zu erkennen, dass ein kürzerer Zeitraum wie der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte zu einem plausibleren Ergebnis führen könnte. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht das Jahr 2003 nicht unberücksichtigt gelassen, sondern vielmehr in seine Durchschnittsberechnung einbezogen.

52

d) Gegenüber der Sachverhaltsermittlung durch das Landesarbeitsgericht hat der Kläger mit der Revision keine zulässige Aufklärungsrüge erhoben.

53

aa) Wird eine Verletzung der dem Landesarbeitsgericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) gerügt, reicht es nicht aus, pauschal auf die Verletzung der Aufklärungspflicht hinzuweisen. Es muss vielmehr im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht dem Revisionskläger aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen, und welche weiteren erheblichen Tatsachen der Revisionskläger dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte (vgl. BAG 27. August 1986 - 4 AZR 591/85 - mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 71). Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung möglicherweise für das Urteil kausal war (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1; 5. Juli 1979 - 3 AZR 197/78 - BAGE 32, 56 = AP BGB § 242 Ruhegehalt - Unterstützungskassen Nr. 9 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 78). Über die Rüge nach § 139 ZPO muss der Sachvortrag der Partei schlüssig gemacht werden(vgl. BAG 18. Februar 1998 - 4 AZR 363/96 - BAGE 88, 81 = AP TVG § 1 Kündigung Nr. 3 = EzA TVG § 1 Fristlose Kündigung Nr. 4; Hauck/Helml/Biebl 4. Aufl. § 74 ArbGG Rn. 20).

54

bb) Der Kläger hat nicht angegeben, aufgrund welcher Tatsachen noch ein weitergehender Aufklärungsbedarf bestanden haben soll. Sein pauschaler Vortrag gegen die „Nichtberücksichtigung des Jahres 2003“ ist wie ausgeführt weder verständlich noch hat der Kläger in der Revision angegeben, weshalb ein kürzerer Prognosezeitraum geeigneter ist, die entgangenen Einnahmen wirklichkeitsnäher abzubilden.

55

e) Zwar hat sich hinsichtlich der entgangenen Einnahmen aus ambulanter Tätigkeit der Kläger wiederum auf die Zahlen aus dem Jahr 2003 gestützt (11.415,67 Euro Privatambulanz und 5.664,74 Euro ambulante kassenärztliche Tätigkeit). Die Beklagte hat jedoch die Aussagekraft dieser Zahlen für eine Zukunftsprognose nicht in Zweifel gezogen. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht eine Schätzung nach § 287 ZPO auf dieser Basis vorgenommen und einen Schaden iHv. 9.986,90 Euro errechnet hat.

56

3. Entgangene Mehreinnahmen iHv. 290,50 Euro hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht nach § 615 Satz 1 BGB zugesprochen. Schon nach dem Vorbringen des Klägers bestanden insoweit keine vertraglichen Beziehungen zur Beklagten, sondern zur Universität E oder dem Land Nordrhein-Westfalen. Insoweit hat der Kläger keine Vergütungsansprüche gegen die Beklagte. Für einen diesbezüglichen Schadensersatzanspruch des Klägers fehlt es an einem nachvollziehbaren Vortrag, dass die behauptete Lehrtätigkeit für die Universität E und die Vereinnahmung einer entsprechenden Vergütung dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprochen hätte und dass dadurch überhaupt der Schaden durch die Kündigung und das ausgesprochene Hausverbot eingetreten ist. Der Kläger hat ferner nicht dargelegt, dass er in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung für die Universität E auch im Jahr 2004 tätig geworden wäre. Infolge dessen konnten die Berufungsrichter nicht davon ausgehen, dass der Kläger insoweit auch 2004 wahrscheinlich Einnahmen iHv. 290,50 Euro erzielt hätte.

57

4. Dagegen ist das Landesarbeitsgericht zu einer Minderung des Schadensersatzanspruches wegen eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 BGB nicht ohne Rechtsfehler gelangt.

58

a) Nach § 254 BGB ist der Geschädigte für einen Schaden insoweit mit verantwortlich, als er bei dessen Entstehung in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Im Rahmen von § 254 BGB geht es dabei nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden „Obliegenheit“(BGH 18. April 1997 - V ZR 28/96 - BGHZ 135, 235; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 254 Rn. 1). Wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, muss die Kürzung oder den Verlust seiner Ansprüche hinnehmen, weil es unbillig erscheint, den Ersatz des vollen erlittenen Schadens trotz eigener Mitverantwortung zu fordern (BGH 14. März 1961 - VI ZR 189/59 - BGHZ 34, 355). Allerdings müssen die nicht beachteten Sorgfaltsanforderungen von Schädiger und Geschädigtem in die gleiche Richtung weisen, dh. zueinander kongruent sein. Die vom Geschädigten übertretene Sorgfaltsanforderung muss darauf zielen, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern (MünchKommBGB/Oetker 5. Aufl. § 254 BGB Rn. 33).

59

b) Danach ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe in Bezug auf die ihm obliegenden Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nicht die nötige Sorgfalt aufgewandt und deshalb die außerordentliche Kündigung verursacht, nicht tragfähig. Die Sorgfaltsanforderung, die der Kläger nicht erfüllt hat, verhielt sich nicht kongruent zu den Sorgfaltspflichten der Beklagten. So wie ein Arzt, der einen Kunstfehler begeht, den Patienten nicht darauf verweisen kann, dieser habe seine Behandlungsbedürftigkeit herbeigeführt (BGH 21. September 1971 - VI ZR 122/70 - NJW 1972, 334), kann der Arbeitgeber, der unsorgfältig eine sich als unwirksam herausstellende Kündigung ausgesprochen hat, den Arbeitnehmer nicht darauf verweisen, er habe mit seinem Verhalten erst die Kündigung notwendig gemacht. Was dem einen Vertragspartner kein Recht gibt, sich vom Vertrag zu lösen, kann dem anderen nicht nach § 254 BGB vorgeworfen werden(Staudinger/Schiemann [2005] § 254 BGB Rn. 36 mwN). Die Pflicht des Klägers zur rechtzeitigen und vollständigen Abrechnung der Liquidationseinnahmen bestand nicht, um die Beklagte vor dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung zu bewahren. Die Beklagte hat über den Kündigungsausspruch autonom entschieden. Ein Mitverschulden des Klägers ist insoweit nicht zu berücksichtigen.

60

IV. Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit er mit ihr als Abgeltung oder Schadensersatz für 30 nicht genommene Urlaubstage der Jahre 2002 und 2003 und vier AZV-Tage des Jahres 2004 weitere 47.973,22 Euro begehrt. Die für das Jahr 2004 noch bestehenden Urlaubs- und AZV-Tage hat bereits das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt.

61

1. Der Kläger konnte vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vom Feststellungs- zum Zahlungsantrag übergehen. Dies stellt eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung dar. Eine Änderung des Klagegrundes liegt nicht vor (Zöller/Greger 29. Aufl. § 264 ZPO Rn. 3b; BAG 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - AP BetrVG 1974 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; BGH 12. Mai 1992 - VI ZR 118/91 - NJW 1992, 2296).

62

2. Ein Abgeltungsanspruch ergibt sich nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Zwar wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers bedarf (BAG 19. August 2003 - 9 AZR 619/02 - mwN, AP BUrlG § 7 Nr. 29 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 11). Dieser mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch entstehende Anspruch (BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17) bezieht sich nur auf Urlaubsansprüche, die bei Ende des Arbeitsverhältnisses bestanden und nicht schon verfallen waren.

63

a) Nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfiel der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers aus 2002 spätestens mit dem 31. März 2003, der des Jahres 2003 spätestens mit dem 31. März 2004. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs sowie des vertraglichen Mehrurlaubs des Klägers die betriebliche Übung, die das Landesarbeitsgericht bei der Beklagten festgestellt hat, dass nämlich der Urlaub von Chefärzten bis zum Ende des übernächsten Kalenderjahres übertragen werden kann, wirksam war. Denn selbst in diesem Fall wäre der Urlaub des Jahres 2002 am 31. Dezember 2004, der des Jahres 2003 am 31. Dezember 2005, mithin vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verfallen gewesen.

64

b) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 26. Mai 2004 zwar außerordentlich, jedoch unwirksam kündigte. Nach der Rechtsprechung des Neunten Senats kann ein Arbeitnehmer, der eine Arbeitgeberkündigung erhält, den Urlaubswunsch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG äußern. Der Arbeitgeber kann ihn vorsorglich von der Arbeitspflicht in diesem Umfang befreien, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - BAGE 92, 299; 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - BAGE 79, 92 = AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 66 = EzA BUrlG § 7 Nr. 98; AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 7 BUrlG Rn. 37). Auch der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer kann daher seinen Urlaubsanspruch verwirklichen, so dass es bei der gesetzlichen Konzeption der befristeten Übertragung nach § 7 Abs. 3 BUrlG oder einer vertraglich verlängerten Übertragungsmöglichkeit verbleibt. Dies hat der Kläger im Übrigen selbst so gesehen, als er im November 2004 für das gekündigte Arbeitsverhältnis Urlaub beantragte.

65

c) Hinsichtlich der AZV-Tage 2004 ist kein Vortrag des Klägers ersichtlich, dass solche AZV-Tage überhaupt entstanden sind. Ebenso wenig ist eine gesetzliche, vertragliche oder sonstige Anspruchsgrundlage für die Abgeltung etwaiger weiterer AZV-Tage ersichtlich oder vom Kläger vorgetragen worden.

66

3. Auch unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges schuldet die Beklagte keinen Geldersatz für die 30 Tage nicht genommenen Urlaub der Jahre 2002 und 2003. Gewährt der Arbeitgeber einen rechtzeitig verlangten Urlaub nicht und verfällt der Urlaub sodann aufgrund seiner Befristung, so wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, welcher nicht der gesetzlichen Befristung des § 7 Abs. 3 BUrlG unterliegt(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Ein Schadensersatz nach § 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB in Form der Naturalrestitution kann nicht mehr geleistet werden. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, so ist der Arbeitnehmer nach § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - aaO; 26. Juni 1986 - 8 AZR 75/83 - BAGE 52, 254 = AP SchwbG § 44 Nr. 5 = EzA SchwbG § 44 Nr. 5). Jedoch setzt der Verzug nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos um Freistellung gebeten hat. Hat der Arbeitnehmer keine Urlaubswünsche angemeldet, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer anzuhören oder seine Urlaubswünsche zu erfragen, um den Urlaubszeitraum von sich aus zu bestimmen (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 23, BAGE 130, 119 = AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 11).

67

a) In der Erhebung der Kündigungsschutzklage nach der außerordentlichen Kündigung vom 26. Mai 2004 ist ohne besondere Anhaltspunkte nicht die Geltendmachung von Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen zu sehen (BAG 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - BAGE 92, 299 = AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 77 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 6).

68

b) Konkret hat der Kläger mit Schreiben vom 18. November 2004 Urlaub im Umfang von 35 Tagen sowie einen AZV-Tag für die Zeit vom 25. November 2004 bis 31. Dezember 2004 beantragt. Zwar hat das Landesarbeitsgericht - was die Revision zu Recht rügt - den unstreitigen Inhalt des Schreibens des Klägers vom 18. November 2004 nicht vollständig verwertet und sich mit der vom Kläger verwendeten Formulierung „im Mengengerüst“ nicht auseinandergesetzt. Da aber das Berufungsgericht die für eine Auslegung durch den Senat erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen, kann der Senat den Urlaubsantrag des Klägers selbst auslegen (BAG 13. Dezember 2006 - 10 AZR 787/05 - mwN, AP ZPO § 278 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 3). Mit dem Schreiben vom 18. November 2004, das hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt, hat der Kläger wie schon in der Überschrift deutlich wird, nur den Resturlaub 2004 verlangt, wonach sich nach seiner Berechnung ein Urlaubsanspruch vom 25. November 2004 bis 31. Dezember 2004 ergab. Wenn der Kläger sodann bittet, seinen Urlaubsantrag „im Mengengerüst“ zu überprüfen, gegebenenfalls korrigierend nachzuberechnen und den Urlaub rückzählend ab dem 31. Dezember 2004 zu bestätigen und zu gewähren, beziehen sich diese Formulierungen aus der Sicht des Erklärungsempfängers, also der Beklagten, ersichtlich nur auf den verlangten Urlaub 2004. „Mein Urlaubsantrag“, also der Antrag des Klägers auf Urlaub 2004, sollte im Mengengerüst überprüft werden. Dadurch wurde kein Mehr an Urlaubsansprüchen behauptet, geltend gemacht oder auch nur angedeutet. Für die Beklagte war als Inhalt des Schreibens nur das Urlaubsverlangen für das Jahr 2004 erkennbar.

69

V. Soweit die Beklagte sich mit ihrer Revision gegen die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht hinsichtlich der Versorgungsschäden in der Nordrheinischen Ärzteversorgung wendet, ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Beklagte ist nach § 280 Abs. 1, Abs. 2 iVm. §§ 286, 287 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Kläger die Nachteile in der Nordrheinischen Ärzteversorgung zu ersetzen, die ihm durch die verzögerte Beitragszahlung entstehen. Die Beklagte befindet sich mit der Abführung dieser Beiträge in Verzug, zu der sie sich nach § 2 Buchst. g des Arbeitsvertrages gegenüber dem Kläger verpflichtet hatte. Mit dieser kalendermäßig, nämlich monatlich, bestehenden Verpflichtung ist die Beklagte in Verzug geraten, ohne dass es einer Mahnung des Klägers bedurfte. Die Beklagte, die nicht auf die Wirksamkeit ihrer Kündigung vertrauen durfte, hat diese Pflichtverletzung nach § 286 Abs. 4, § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB zu vertreten. Ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB kommt wiederum nicht in Betracht.

70

VI. Die Revision des Klägers ist begründet, soweit sie sich gegen die Verzinsung des Schadensersatzanspruchs erst ab Rechtshängigkeit der Klage wendet. Der Kläger hat Anspruch auf eine anteilige monatliche Verzinsung. Dies ergibt sich aus den §§ 290, 288 BGB. Ist der Schuldner zum Ersatz des Wertes eines Gegenstandes verpflichtet, der während des Verzugs untergegangen ist oder aus einem während des Verzugs eingetretenen Grund nicht herausgegeben werden kann, so kann der Gläubiger zumindest die Ersetzung des Betrags ab dem Zeitpunkt verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird, § 290 Satz 1 BGB. Bei Schadensersatzansprüchen nach § 280 Abs. 1 BGB ist der maßgebliche Zeitpunkt der des Untergangs des geschuldeten Gegenstandes(Staudinger/Löwisch/Feldmann [2009] § 290 BGB Rn. 2). Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Erwerbsmöglichkeiten im stationären und ambulanten Bereich einzuräumen, bestand täglich. Im Hinblick auf den Fixschuldcharakter dieser Verpflichtung trat sofort mit dem Ende jedes Arbeitstages Unmöglichkeit ein. Damit kann der Kläger jedenfalls eine monatliche Verzinsung des Wertersatzanspruchs fordern. Im Übrigen bestimmt sich die Höhe der zu verzinsenden Forderungen nach den Nebenanträgen des Klägers (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

71

C. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wankel    

        

    Bloesinger    

                 

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.

(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.