Finanzgericht Hamburg Beschluss, 26. Aug. 2016 - 6 V 81/16
Tatbestand
I.
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Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Hinzuschätzungen von Gewinnen und Umsätzen aufgrund einer Betriebsprüfung für den Gaststättenbetrieb der Antragstellerin betreffend die Streitjahre 2011 bis 2013.
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Die Antragstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2011 gegründet. Unternehmensgegenstand ist der Betrieb einer Gaststätte für südländische Speisen. Alleiniger Gesellschafter ist Herr A. Die Eröffnungsbilanz wurde auf den 24.03.2011 erstellt. Mit Vertrag vom ... 2011 wurde A zum Geschäftsführer bestellt.
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Seit dem ... 2011 betreibt die Antragstellerin die Gaststätte als türkisches Restaurant unter dem Namen " XXX" in ..., X-Straße ... Herr B, der Onkel von A, hatte das Restaurant bereits seit mindestens 2008 geführt und war nach Gründung der Antragstellerin mit Vertrag vom ... 2011 als Geschäftsleiter angestellt. Das Restaurant verfügt über ca. 80 Sitzplätze. Neben Beilagen werden ca. 40 Gerichte auf der Speisekarte angeboten. Die Antragstellerin verwendete zur Aufzeichnung der Tageseinnahmen eine elektronische Registrierkasse (Casio QT 6000).
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Die Antragstellerin reichte für 2011 am 19.03.2013, für 2012 am 07.04.2014 und für 2013 am 24.02.2015 die jeweiligen Steuererklärungen ein. Der Antragsgegner veranlagte die Antragstellerin zunächst erklärungsgemäß.
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Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 09.03.2015 für den Zeitraum 2011 bis 2013 fand in der Zeit vom 07.04.2015 bis 26.02.2016 eine Betriebsprüfung statt, die mit geändertem Bericht über die Außenprüfung vom 07.04.2016 abgeschlossen wurde.
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1. Der Außenprüfer stellte fest, dass A und B im Restaurant unentgeltlich essen und trinken konnten, während andere Angestellte der Antragstellerin lediglich Wasser und Tee erhielten. Der Außenprüfer legte Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) entsprechend der Richtsatzsammlungen des Bundesministeriums der Finanzen für die Kalenderjahre 2011 bis 2013 - für 2011 zeitanteilig für 9 Monate - in folgender Höhe zu Grunde:
Warenentnahmen
2011: 5.341 €
2012: 7.442 €
20013: 7.235 €
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2. Des Weiteren stellte der Prüfer fest, dass die Antragstellerin für mehrere Tage keine Betriebseinnahmen in der Buchhaltung erfasst hatte, obwohl in den Listen der Tagesumsätze Beträge notiert waren; zum Teil befanden sich auch Z-Bons bei den Belegen. Tageseinnahmen waren in folgender Höhe nicht erfasst worden: Hinzuschätzung fehlender Tageseinnahmen
2011: 4.005 €
2012: 3.397 €
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3. Die Antragstellerin legte dem Außenprüfer Z-Bons vor, die keine Stornobuchungen auswiesen. Journaldaten und Programmierprotokolle zur elektronischen Registrierkasse QT 6000 von Casio wurden dem Prüfer nicht zur Verfügung gestellt. Auch führte die Antragstellerin kein Kassenbuch. Die Tageseinnahmen der Z-Bons wurden lediglich in einer Liste summiert. Tägliche Kassenanfangs- und -endbestände wurden nicht aufgezeichnet. Da dem Prüfer von der Antragstellerin erklärt worden war, dass ein Abgleich zwischen Soll und Ist in der Kasse nicht durchgeführt worden sei, wertete dieser die Kasse als nicht kassensturzfähig.
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In ihren Bilanzen zum 31.12.2011 bis 31.12.2013 aktivierte die Antragstellerin unter dem Umlaufvermögen zu "Fertige Erzeugnisse und Waren" unverändert jeweils 3.430 €, die sich jeweils aus "Bestand Lebensmittel" 2.930 € und "Bestand Holzkohle" 500 € zusammensetzten.
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Die Antragstellerin bezog umfangreiche Warenlieferungen von der C GmbH, D, deren Geschäftsgegenstand der An- und Verkauf von Fleisch und Fleischprodukten sowie die Verarbeitung von Fleisch, insbesondere die Döner-Produktion ist. Die Kundennummer der Antragstellerin bei der C-GmbH lautete: YY.
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Anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräume der C-GmbH durch die Steuerfahndung E wurden auch die Daten des von der C-GmbH verwendeten Warenwirtschaftssystems sichergestellt und ausgewertet. Alle Programmzugriffe wurden nummeriert und in einer sog. Protokolldatei dokumentiert. Diese Protokolldateien wurden monatlich in einem Unterverzeichnis abgelegt und liegen nach Darlegung des Prüfers für den Zeitraum bis Juli 2011 vollständig vor. Für den nachfolgenden Zeitraum liegen Daten fragmentarisch vor, weil diese teils gelöscht wurden.
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Bei der C-GmbH wurden in erheblichem Umfang Umbuchungen vorgenommen. Sämtliche Umbuchungen wurden von den Prüfern durch einen Ausdruck aus der Protokolldatei dokumentiert und die dazugehörige Rechnung aus den sichergestellten Rechnungsdaten der C-GmbH ausgedruckt. In der Buchführung der C-GmbH ist jeweils nur die Rechnung mit der letzten Adressangabe, die aus der eingegebenen Kunden-Nummer generiert wird, vorhanden, z. B. "Rg.Nr. ...-1; Kd.Nr. ZZ (Lagerverkauf)".
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Beim Abgleich der aufgefundenen handschriftlichen Kunden-Bestelllisten mit den auf den jeweiligen Personenkonten gebuchten Rechnungsbeträgen stellten die Prüfer fest, dass sämtlichen Lieferungen, die die C-GmbH verlassen, ein Lieferschein bzw. Rechnungen mit den Adressangaben des Empfängers beigefügt werden, damit der Fahrer weiß, wohin die Auslieferung zu erfolgen hat. In die Bestelllisten wird die regelmäßig telefonisch erfolgte Döner-Bestellung des Kunden eingetragen.
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Die Lieferungen werden nahezu ausschließlich in bar bezahlt. Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsprüfer haben die Kunden der C-GmbH die Möglichkeit, die Rechnung an den Auslieferungsfahrer zurückzugeben, damit dieser die Rechnung in die C-GmbH zurückbringt und sie dort durch die Änderung der Kundennummer umgebucht wird (z. B. aus " YY" - Antragstellerin - wird im EDV-Programm " ZZ" - Lagerverkauf -) und die Rechnung auf dem Personenkonto des Kunden nicht mehr sichtbar ist.
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Nach den aufgefundenen Bestelllisten erhielt die Antragstellerin jeden Tag von Montag bis Samstag eine Lieferung.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des Betriebsprüfers an die Antragstellerin vom 02.12.2015 nebst Anlagen (Bl. ... Bp-Arbeitsakten Teil 2/3) Bezug genommen.
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Der Außenprüfer gelangte zu der Annahme, dass es zu den Warenlieferungen an die Antragstellerin teilweise keine Rechnungen gebe und diese die entsprechenden Lieferungen in der Buchhaltung nicht berücksichtigt habe. Aus bei der Lieferantin sichergestellten Unterlagen gingen Bestelllisten und Aufzeichnungen zu einzelnen Lieferungen sowie Umbuchungen hervor. Die Zusammenhänge ergäben sich aus dem Ablauf, den einzelnen Preisen und Umbuchungen sowie Kundennummern.
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Die aufgrund nicht verbuchter Lieferungen von der C-GmbH zu erhöhenden Wareneinsätze ermittelte der Prüfer aufgrund des Teilzeitraums für 2011 mit 15.000 € und für 2012 und 2013 jeweils mit 20.000 €. Dabei legte der Betriebsprüfer die erklärten Wareneinkäufe und die fragmentarischen Aufzeichnungen der Steuerfahndung E zu Grunde. Er kam zu dem Schluss, dass allein für Januar und Februar 2013 fragmentarische Aufzeichnungen über ca. 3.660 € netto vorhanden seien. Dies ergebe einen Wert von 21.960 € jährlich. Dabei sei ein Unsicherheitszuschlag für fehlende bzw. gelöschte Tage nicht einmal berücksichtigt. Es handele sich deshalb um eine vorsichtige Hinzuschätzung; die Werte lägen an der Untergrenze.
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Der Betriebsprüfer nahm eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen mittels einer Quantilschätzung anhand der zur Verfügung gestellten Buchhaltungsdaten vor. Dabei extrahierte er die Netto-Wareneinsätze sowie die Netto-Umsätze. Hierbei berücksichtigte er die fehlenden Tagesumsätze sowie die Warenentnahmen für Eigenverbrauch. Nach Bereinigung des Rohgewinnaufschlagsatzes für den Monat Juli 2012, in dem nach einem Brand die Wiederherstellung der Restauranträumlichkeiten erfolgte, ermittelte er für den Prüfungszeitraum einen Rohgewinnaufschlagssatz von 199 %.
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Dementsprechend nahm der Betriebsprüfer folgende Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen vor:
Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen
2011: 119.558 €
2012: 55.297 €
2013: 103.384 €
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Die Hinzuschätzung der Betriebseinnahmen wertete der Außenprüfer als verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in folgender Höhe:
2011: 128.904 €
2012: 66.136 €
2013: 110.619 €
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4. Im Jahr 2012 wurden von der Antragstellerin 6 Leuchtkästen im Wert von insgesamt 3.200 € angeschafft. Nach Feststellungen der Betriebsprüfung handelt es sich hierbei um Wirtschaftsgüter, deren Nutzungsdauer über einem Jahr liegt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Abschnitt 1.4 des Betriebsprüfungsberichts vom 07.04.2016 sowie dessen Anl. 4 Bezug genommen.
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5. Die Antragstellerin schloss am ... 2011 mit der F ... GmbH (F-GmbH) einen Stromliefervertrag, der zum ...07.2014 gekündigt wurde. Mit Rechnung vom 14.12.2014 forderte die F-GmbH die Antragstellerin zur Zahlung eines Restbetrages von 42.881,16 € inklusive Umsatzsteuer, zahlbar bis zum 28.12.2014, auf. Mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2016 wurde die Antragstellerin zur Zahlung von 42.881,16 € nebst Zinsen und Mahnkosten an die F-GmbH aufgrund des Stromliefervertrages verurteilt. Auf die Anlagen zum Schreiben der Antragstellerin vom 30.05.2016 (Bl. ... Anlagenband) wird Bezug genommen.
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Im Übrigen wird auf den geänderten Bericht über die Außenprüfung vom 07.04.2016 einschließlich der Anl. 1 bis 10 Bezug genommen.
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Am 28.04.2016 erließ der Antragsgegner Änderungsbescheide für 2011 bis 2013 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuermessbetrag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, zum 31.12.2011 bis 31.12.2013 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 S. 3 KStG, auf den 31.12.2011 und 31.12.2012 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer sowie auf den 31.12.2011 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes.
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Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin am 12.05.2016 mit Schreiben vom 10.05.2016 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide. Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.05.2016 ab.
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Am 30.05.2016 hat sich die Antragstellerin zum Zwecke der AdV der angefochtenen Bescheide an das Gericht gewandt.
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Die Antragstellerin trägt vor:
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1. Verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe der Sachentnahmen des B lägen nicht vor. B sei Betriebsleiter, die Sachentnahmen seien in seiner Funktion begründet und nicht darin, dass es sich um eine nahestehende Person handele.
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2. Die fehlenden Tageseinnahmen laut Anl. 7 zum Betriebsprüfungsbericht bezögen sich lediglich auf 7 Tage. Hieraus könne keine sachliche Unrichtigkeit der gesamten Buchhaltung abgeleitet werden. Allenfalls lägen geringfügige formelle Mängel der Buchführung als Ausgangspunkt für eine Schätzung vor. Auch der BFH habe in seinem Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13 darauf hingewiesen, dass der Zeitreihenvergleich keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen und den Umfang auch materieller Unrichtigkeiten der Buchführung zulasse.
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3. Die Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen sei rechtswidrig. Es fehle sowohl an der Schätzungsbefugnis als auch an dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Schätzung.
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Die der Betriebsprüfung vorgelegten Z-Bons hätten zwar keine Stornobuchungen enthalten; daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass Stornobuchungen vorgenommen worden seien. Eine nachträgliche Manipulation der Kasse seitens der Antragstellerin sei nicht erfolgt. Zwar habe ein Kassenbuch nicht vorgelegen, die Tageseinnahmen seien jedoch in einer Liste summiert worden. Die Buchführung könne erst dann verworfen werden, wenn die festgestellten Mängel sich als wesentlich herausstellten und die in der vorhandenen Buchführung dokumentierten Besteuerungsgrundlagen bar jeglicher Realität erschienen.
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Eine Hinzuschätzung sei nur insoweit möglich, als auch materielle Mängel, die eine sachliche Unrichtigkeit begründeten, festgestellt worden seien. Einen entsprechenden Nachweis habe die Betriebsprüfung zu keinem Zeitpunkt geführt. Deshalb sei selbst bei einer formell nicht ordnungsgemäßen Buchführung, bei der materielle Unrichtigkeiten nicht konkret nachgewiesen worden seien, der Zeitreihenvergleich als ungeeignete Schätzungsmethode zur Feststellung einer sachlichen Unrichtigkeit sowie höherer Einnahmen ungeeignet (BFH Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13). Bei den nicht nachvollziehbaren Berechnungen des Antragsgegners fehle eine Trennung von Verprobung und Schätzung. Die Anl. 8 des Bp-Berichts korrespondiere nicht mit Seite 8 des Bp-Berichts; die angeblich im Zeitreihenvergleich ermittelten Mehrerlöse fänden sich nicht im Textteil des Bp-Berichts. Es sei nicht ersichtlich, wie der Antragsgegner zu dem seiner Kalkulation zugrunde gelegten Wareneinsatz gekommen sei. Eine freie Schätzung, von der auch nicht klar sei, wie sie durchgeführt worden sei, sei nicht zulässig.
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Sie, die Antragstellerin, bestreite nicht, Kundin der C-GmbH gewesen zu sein und regelmäßige Einkäufe bei dieser getätigt zu haben; aus ihrer Buchhaltung ergäben sich Einkaufsrechnungen dieser Firma. Sie bestreite, die Abnehmerin der bei der C-GmbH angeblich dokumentierten Warenverkäufe zu sein, insbesondere, dass Warenverkäufe nachträglich bei der C-GmbH auf die Position Lagerverkauf umgebucht worden seien und dies auf ihren, der Antragstellerin, geäußerten Wunsch erfolgt sei. Das von der Betriebsprüfung vorgetragene Beweismaterial belaufe sich auf fragmentierte Rechnungsstücke, angebliche Kundenbestelllisten, von denen keiner wisse, woher sie kämen, wer sie ausgefüllt habe, wann sie ausgefüllt worden seien und zu welchem Zweck sie erstellt worden seien.
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Die von der Betriebsprüfung angewandte Quantilschätzung sei eine besondere Methode des Zeitreihenvergleichs. Fraglich sei, ob diese Methode von der Betriebsprüfung richtig angewendet worden sei; die Anl. 8 des Bp-Berichtes gebe hierüber keinen Aufschluss. Schätzungsgrundlagen seien jedoch von der Finanzbehörde so darzulegen, dass ihre Nachprüfung, insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung, möglich sei (BFH Urteil vom 14.12.2011 XI R 5/10).
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Die Quantilschätzung der Betriebsprüfung, die sich auf die Anl. 8 beschränke, leide unter erheblichen Mängeln. Obgleich in der Monatszeitreihe auf dem Blatt 2 der Anlage 8 in der Legende ein Quantilwert von 80 % bezeichnet sei, sei nicht zu erkennen, wo dieser in der Monatszeitreihe dokumentiert sei. Dieser könne vielmehr eindrucksvoll entnommen werden, dass die monatlichen Wareneinkäufe und -verkäufe ein plausibles Schaubild ergäben. Aus der Gegenüberstellung von Einkäufen in den Jahren 2011 bis 2013 zeigten sich unterschiedliche Rohgewinnaufschlagsätze, die unter den zugrunde gelegten 199 % lägen. Selbst bei einer Anwendbarkeit der Quantilschätzung sei der daraus angeblich ermittelte Rohgewinnaufschlagssatz lediglich pro Jahr zugrunde zu legen.
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Auch die fehlerfreie Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten sei im Streitfall nicht gewährleistet. Das ergebe sich bereits daraus, dass in Bl. 1 der Anl. 8 von "freigeschätzter Einsatz" die Rede sei. In diesem Zusammenhang sei unklar, wie die Mehr-Wareneinsätze der C-GmbH errechnet worden seien. Es erschließe sich nicht, wie fragmentarische Aufzeichnungen aus einem Jahr hochgerechnet worden seien und weshalb dies möglich sei. Die für die Anwendung des Zeitreihenvergleichs erforderliche Konstanz des Wareneinsatzes und des Warenverkaufs könne nicht aus Einzelvorfällen hergeleitet werden.
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Zudem lasse die Quantilschätzung die Berücksichtigung von Sachentnahmen, Verderb und Schwund vermissen. Berücksichtige man einen höchstrichterlich für Gastronomiebetriebe festgestellten Schwund und Verlust von 30 %, ergebe sich selbst bei einem Rohgewinnaufschlagsatz von 199 % ein völlig anderes Bild. Dieser Rohgewinnaufschlagsatz sei auch durch die von ihren abgegebenen Kalkulationen widerlegt. 3 Gerichte seien kalkuliert worden, die auf einen Rohgewinnaufschlagsatz von 105 bis 134 % kämen.
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4. Bei den in 2012 angeschafften Leuchtkästen handele es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter. Die Anschaffungskosten i. H. v. 3.200 € seien aufwandswirksam im Jahr 2012 abzuschreiben und nicht zu aktivieren.
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5. Sie, die Antragstellerin, werde von der F GmbH wegen angeblich rückständiger Kosten der Stromversorgung i. H. v. 42.881,16 € in Anspruch genommen und könne in den Streitjahren im Rahmen einer Bilanzberichtigung eine Rückstellung bilden. Sie habe im Sekundärprozess zwischenzeitlich eine Gegenklage auf Rückzahlung des Urteilsbetrages gegen die F-GmbH erhoben. Die F-GmbH sei an sie, die Antragstellerin, mit ihrem Begehren erst im Jahr 2014 herangetreten. Damit handele es sich um werterhellende Tatsachen, die im Rahmen der Bilanzberichtigung zu berücksichtigen seien. Grundlage der Inanspruchnahme sei die Rechnung der F-GmbH vom 14.12.2014, in der Verbrauchszeiträume von 2/2011 bis 2/2014 benannt seien. Der streitige Stromverbrauch sei in den Jahren 2012 und 2013 erfolgt, bevor es zu einem Zählerwechsel gekommen sei. Entsprechend führe das Landgericht in seinem Urteil vom ... 2016 aus, dass der beanstandete Verbrauch im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum Ausbau des Zählers erfolgt sei; ausweislich der zur Antragsschrift gereichten Rechnung der F-GmbH sei der Zähler am 15.05.2013 ausgebaut worden.
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Die Nachforderungen des Antragsgegners von insgesamt 156.905,33 € seien existenzbedrohend.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Bescheide
1. für 2011 bis 2013 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuermessbetrag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, jeweils vom 28.04.2016,
2. zum 31.12.2011, zum 31.12.2012 und zum 31.12.2013 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 S. 3 KStG, jeweils vom 28.04.2016,
3. über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 und 31.12.2012, jeweils vom 28.04.2016, sowie
4. über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 vom 28.04.2016
auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsgegner trägt vor:
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1. Die unentgeltlichen Warenabgaben an A und B stellten verdeckte Gewinnausschüttungen an A dar.
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2. Gleiches gelte für die aus der Anl. 7 des Betriebsprüfungsberichts sich ergebenden fehlenden, d. h. in der Buchhaltung der Antragstellerin nicht erfassten, Tageseinnahmen.
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3. Die im Rahmen der Außenprüfung von dem Betriebsprüfer festgestellten Mängel in der Buchführung der Antragstellerin seien bei bargeldintensiven Geschäften wie dem der Antragstellerin als gravierend einzustufen und berechtigten dazu, die Buchführung als unzutreffend zu verwerfen und Hinzuschätzungen vorzunehmen (vergleiche BFH-Urteil vom 14.12.2011 XI R 5/10).
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Anweisungen zur Kassenprogrammierung, insbesondere Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentierten, seien als sonstige Organisationsunterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) aufbewahrungspflichtig; das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stelle einen formellen Mangel dar.
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Im Rahmen der Betriebsprüfung sei Kontrollmaterial betreffend den Wareneinkauf der Antragstellerin bei der C-GmbH in D ausgewertet worden. Die Antragstellerin sei entgegen ihrer Behauptung in den Streitjahren täglich außer sonntags von der C-GmbH mit Waren, hauptsächlich Döner, beliefert worden. Dies ergebe sich aus dem überlassenen Kontrollmaterial der Steuerfahndungsstelle E und könne vom dortigen Fahndungsprüfer Herrn G als Zeugen bestätigt werden.
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Das angeführte Kontrollmaterial sei von der Steuerfahndungsstelle E anlässlich einer Durchsuchung bei der C-GmbH im Jahr 2013 sichergestellt worden. Im Rahmen der Durchsuchung der C-GmbH sei das dort verwendete Warenwirtschaftssystem "flagranto" für die Jahre 09/2010 bis 10/2013 sichergestellt und später ausgewertet worden. Dieses System protokolliere sämtliche Programmzugriffe. Die Programmzugriffe würden fortlaufend nummeriert in einer Datei "reo-proto_JJJJMM.dat". Diese Datei werde monatlich in einem Unterverzeichnis im System abgelegt. Für die Monate September 2010 bis Juli 2011 lägen diese Dateien der Steuerfahndungsstelle E vollständig vor. Für spätere Zeiträume seien diese von der C-GmbH teilweise gelöscht worden und lägen daher für die Monate August 2011 bis Oktober 2013 nur noch fragmentarisch für einzelne Tage des jeweiligen Monats vor.
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Die Antragstellerin sei laut von der Steuerfahndungsstelle E sichergestellter Kundenbestellliste täglich außer sonntags von der C-GmbH mit Dönerfleisch und weiteren Produkten (z. B. Hähnchenschenkel, Getränke, Pommes-Frites, Pflanzenöl) beliefert worden. Die Antragstellerin habe bei der C-GmbH die Kunden-Nr. YY gehabt. Ihre Bestellungen seien telefonisch aufgegeben und bei der C-GmbH handschriftlich in eine Kundenbestellliste unter der jeweiligen Kundennummer eingetragen worden. Anschließend sei ein Produktionsaufkleber gefertigt und die Bestellung in der Liste abgehakt worden. Die fertige Bestellung sei zusammen mit einem Lieferschein und einer Rechnung an einen Fahrer übergeben und von diesem zum Kunden gebracht worden. Die mit einer Rechnungsnummer versehene Rechnung enthalte neben der Kundennummer die jeweilige Auftragsnummer und die Nummer des Lieferscheins. Die Bezahlung der gelieferten Waren sei zumeist in bar an den Fahrer erfolgt. Soweit der jeweilige Kunde es gewünscht habe, sei die mitgelieferte Rechnung dem Fahrer wieder mit zurückgegeben worden, und im System der C-GmbH sei anschließend eine Umbuchung der entsprechenden Rechnungsnummer (im Fall der Antragstellerin vom Kto. YY) auf das Kto. ZZ - Lagerverkauf vorgenommen worden. Alternativ seien Lieferungen unter der Kundennummer direkt als "Lagerverkäufe" gebucht worden. Im Ergebnis sei die jeweilige Lieferung durch diese Handhabung nicht mehr auf dem Kundenkonto des Bestellers erschienen. Zu diesem Sachverhalt werde der Fahndungsprüfer G, zu laden über die Steuerfahndung E, Y-Straße ..., E, als Zeuge benannt.
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Aufgrund der Regelmäßigkeit der Einkäufe der Antragstellerin bei der C-GmbH und der aufgefundenen Warenlieferungsbelege sei von einer dauerhaften Lieferung ohne Rechnung neben den nachgewiesenen Eingangsrechnungen auszugehen. Die Buchungen über die Kundennummer der Antragstellerin bei der C-GmbH mit anschließender Stornierung seien belegt. Ein Lagerverkauf scheide aus, da zum einen die erforderliche Kühlkette bei der Selbstabholung nicht gewährleistet sei und zum anderen dem widersprechende Lieferscheine für Lieferungen an die Antragstellerin vorlägen. Der Betriebsprüfer habe durch Hochrechnung anhand der für die Antragstellerin vorliegenden Unterlagen für 2011 einen um 15.000 € und für 2012 und 2013 einen um jeweils 20.000 € hören Wareneinsatz als in der Buchführung verzeichnet ermittelt. Einzelheiten hierzu ergäben sich aus seinem, des Antragsgegners, Schreiben vom 29.10.2015, auf das Bezug genommen werde.
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Es stehe dem Antragsgegner grundsätzlich frei, welche der anerkannten und ihm zur Verfügung stehenden Schätzungsmethoden er wähle. Bei Schätzungen wie im Streitfall sei bereits ein Schwund durch Garverluste, Verderb etc. in Höhe von etwa 33 % des Wareneinsatzes berücksichtigt worden.
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Er, der Antragsgegner, habe mit seiner Schätzung einen niedrigen Rohgewinnaufschlag von 199 % zu Grunde gelegt; dieser liege unterhalb des sich aus der Buchführung der Antragstellerin ermittelten Rohgewinnaufschlags. Eine eigene Kalkulation habe die Antragstellerin nicht vorgelegt; hierzu könne die eingereichte Kalkulation von lediglich 3 Gerichten bei rund 40 Gerichten laut Speisekarte nichts ändern. Zudem gehe die Antragstellerin von nicht nachvollziehbaren Portionsangaben von über 1.000 g pro Mahlzeit und einem Rohgewinnsatz von 105 % bis 134 % aus. Zur weiteren Begründung werde auf die ausführliche Stellungnahme des Prüfers im Schreiben vom 29.10.2015 Bezug genommen. Aber auch die von der Antragstellerin in der Kalkulation der Gerichte berücksichtigten Netto-Einkaufspreise stimmten nicht mit den Eingangsrechnungen ihrer eigenen Buchführung überein. Es ergäben sich Abweichungen von mehr als 1 € pro Gericht, selbst unter Berücksichtigung ihrer Gewichtsangaben. Auch berücksichtige die Kalkulation der Antragstellerin nicht, dass es sich im Streitfall um eine Mischkalkulation handele. Die Rohgewinnsätze für Getränke seien regelmäßig höher als die für Speisen. Insgesamt lasse sich die Kalkulation der einzelnen Gerichte nicht mit den Werten der vorgelegten Buchführung in Einklang bringen.
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4. Der Wert jedes einzelnen in 2012 angeschafften Leuchtkastens betrage 533,33 € netto und übersteige damit dem Betrag von 410 €; folglich handele es sich nach § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr um sofort abzugsfähige geringwertige Wirtschaftsgüter. Diese Wirtschaftsgüter könnten nach § 6 Abs. 3 EStG in einem Sammelposten zusammengefasst und über 5 Jahre mit einem Fünftel abgeschrieben werden. Die Prüfungsfeststellung sei entsprechend umgesetzt worden.
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5. Die aus dem Rechtsstreit mit der F-GmbH resultierenden Verbindlichkeiten seien von der Antragstellerin im geänderten Prüfungsbericht vom 07.04.2016 mangels Nachweisen nicht berücksichtigt worden. Erst am 12.05.2016 sei mit dem Einspruchsschreiben gegen die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheide die Übersendung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom ... 2016 erfolgt; damit habe die Antragstellerin erklärt, das Urteil anfechten zu wollen, da aus Ihrer Sicht keine Zahlungsverpflichtung bestehe. Hinsichtlich der aufgrund des Urteils bestehenden Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von 42.881,16 € für Stromlieferungen sei nicht ersichtlich, dass am 31.12.2013 oder bereits davor mit einer Inanspruchnahme durch die F-GmbH in dieser Höhe zu rechnen gewesen sei. Zudem betreffe ein nicht unerheblicher Teil der Forderung der F-GmbH einzig den Stromverbrauch des Jahres 2014 und damit nicht der Streitjahre. Zu einer Abgrenzung der Gesamtforderung auf die einzelnen Streitjahre und das Jahr 2014 habe die Antragstellerin aber bisher nichts vorgetragen. Für die Jahre 2011 bis 2013 seien Vorauszahlungen entrichtet worden, die teilweise zu einem Guthaben (für 2011) geführt hätten.
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Dem Gericht haben die Körperschaftsteuerakten Bd. I, die Bilanz- und Bilanzberichtsakten, die Gewerbesteuerakten Bd. I, die Umsatzsteuerakten Bd. I, die Akten Allgemeines Bd. I, die Rechtsbehelfsakten, die Betriebsprüfungsakten Bd. I und die Bp-Arbeitsakten Teil 1/3 und Teil 2/3, jeweils zur Steuernummer .../.../..., vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II.
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Der Antrag ist zum Teil unzulässig und im Übrigen teilweise begründet.
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1. Der Antrag auf AdV des Solidaritätszuschlags und der Gewerbesteuer ist unzulässig.
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Die Antragstellerin hat den Antrag ausschließlich mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuerbescheides bzw. des Gewerbesteuermessbescheides begründet. Die Einwendungen der Antragstellerin betreffen ausschließlich die Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens gemäß § 8 KStG bzw. ihres Gewerbeertrags gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Insoweit ist der Körperschaftsteuerbescheid aber Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. § 1 Abs. 5 des Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.10.2002 (BGBl. I S. 4130) - SolZG -); ebenso ist der Gewerbesteuerbescheid im Verhältnis zu dem Gewerbesteuermessbescheid (§ 184 Abs. 1 AO) ein Folgebescheid. Die Einwendungen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der Gewerbesteuer können deshalb gemäß § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 351 Abs. 2 AO nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid bzw. gegen den Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags als Grundlagenbescheide, nicht aber in den Verfahren gegen die Folgebescheide geltend gemacht werden (vgl. z. B. BFH Urteile vom 12.10.2010 I R 99/09, BFH/NV 2011, 650; vom 11.09.2013 I R 26/12, BFH/NV 2014, 728). Entsprechendes gilt für den AdV-Antrag.
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2. Im Übrigen ist der Antrag zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
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Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben Umständen, die für seine Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.02.1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 23.05.2016 V B 20/16, juris). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 18.02.2015 V S 19/14, BFH/NV 2015, 866). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -), soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschlüsse vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809; vom 10.02.2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930).
- 64
Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist zur Gewährung der AdV nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschlüsse vom 20.07.2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809; vom 23. Mai 2016 V B 20/16, juris).
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b) Bei summarischer Prüfung anhand des Vortrags der Beteiligten und des Akteninhalts bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide vom 28.04.2016.
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aa) Der Antragsgegner hat nach summarischer Prüfung dem Grunde nach zu Recht die Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 KStG, des Gewerbeertrags gemäß § 7 Abs. 1 GewStG und der Umsatzsteuer gemäß § 162 AO geschätzt.
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aaa) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO gelten die Vorschriften der §§ 158 und 162 AO im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden. Danach sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt der Antragsgegner (BFH, Urteil vom 24.06.1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).
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bbb) Im Streitfall war der Antragsgegner gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO zur Schätzung befugt, weil die Buchführung der Antragstellerin der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann. Die Buchführung der Antragstellerin ist nach summarischer Prüfung nicht ordnungsgemäß. Den Buchungen lagen keine inhaltlich richtigen Belege zugrunde.
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(1) Eine Buchführung ist ordnungsgemäß, wenn sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 145 Abs. 1 AO). Die Buchungen und die sonstigen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Dazu gehört die Sammlung von Belegen. Buchungsbelege sind alle Unterlagen über die einzelnen Geschäftsvorfälle. Sie sind die Grundlagen für die einzelnen Eintragungen in die Bücher und Aufzeichnungen. Jede Buchung muss im Zusammenhang mit einem Beleg stehen. Die Belege sind geordnet aufzubewahren (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 AO). Fehlen sie, so ist eine Buchführung nicht ordnungsgemäß (vgl. BFH-Urteile vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226; vom 21.02.1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683; vom 24.06.1997 VIII R 9/96, a. a. O.; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 1. Aufl. 2006, 143. Lieferung 01.2016, § 147 AO, Rn. 18).
- 70
Da zu jeder Buchung ein Beleg vorhanden sein muss, ist der Begriff des Belegs funktional zu verstehen. Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 AO müssen sich die Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Das ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn der Zusammenhang zwischen Buchung und Beleg sichtbar gemacht wird. Jeder Geschäftsvorfall muss sich vom Beleg zur Bilanz und umgekehrt verfolgen lassen. Diesem Prinzip der Belegsicherung dienen die Grundaufzeichnungen, die auch die Möglichkeit garantieren, von der späteren Buchung bis zum Beleg zurück den Geschäftsvorfall zu identifizieren (vgl. BFH, Urteil vom 26.03.1968 IV 63/63, BFHE 92, 264B, BStBl II 1968, 527). Das erfordert Belege, die den Geschäftsvorfall entweder selbst angeben oder auf die entsprechenden Geschäftsunterlagen verweisen (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 1. Aufl. 2006, 143. Lieferung 01.2016, § 145 AO, Rn 23). Aufzubewahren sind danach auch Eigenbelege und interne Buchungsanweisungen, selbst wenn sie sich nur auf eine Stornobuchung beziehen (vgl. Cöster in Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 147 Rn 12; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO a. a. O., § 147 AO Rn 20).
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(2) (a) Im Streitfall benutzte die Antragstellerin, die ganz überwiegend Bargeschäfte tätigte, eine Registrierkasse der Marke Casio QT 6000. Entsprechend dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 09.01.1996 (IV A 8-S 0310-5/95), der im Streitfall auch unter Berücksichtigung des Erlasses des BMF vom 26.11.2010 (IV A 4-S 0316/08/10004-07) weiter anzuwenden ist, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO die Tagesendsummenbons mit Ausdruck des Nullstellungszählers (fortlaufende sog. "Z-Nummer" zur Überprüfung der Vollständigkeit der Kassenberichte), der Stornobuchungen (sog. Managerstornos und Nach-Stornobuchungen), Retouren, Entnahmen sowie der Zahlungswege (bar, Scheck, Kredit) und alle weiteren im Rahmen des Tagesabschlusses abgerufenen Ausdrucke der EDV-Registrierkassen (z. B. betriebswirtschaftliche Auswertungen, Ausdrucke der Trainingsspeicher, Kellnerberichte, Spartenberichte) im Belegzusammenhang mit dem Tagesendsummenbon aufzubewahren.
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Nach den von der Antragstellerin nicht widersprochenen Feststellungen des Prüfers wiesen die von der Antragstellerin vorgelegten Tagesendsummenbons (sog. Z-Bons) keine Stornobuchungen aus. Im Auslieferungszustand einer elektronischen Kasse wie der Casio QT 6000 werden Stornos grundsätzlich auf dem Abschlussbon ausgewiesen (vgl. Kuhni in juris Lexikon Steuerrecht, Bareinnahmen - die Betriebsprüfung bei bargeldintensiven Betrieben). Stornobuchungen erfolgen in der Regel, wenn das Bedienpersonal eine falsche Eingabe in den Computer tätigt, sei es, dass ein falsches Gericht, die unzutreffende Menge oder eine falsche Tischnummer eingegeben werden. Es widerspricht der Lebenserfahrung und ist somit nicht glaubhaft, dass in einem Speiserestaurant über einen ganzen Tag oder Monat oder gar über ein ganzes Jahr die Eingaben in das Kassensystem ohne Fehler erfolgen und keine Stornobuchungen erforderlich werden. Der Umstand, dass im Streitfall Stornobuchungen nicht ausgewiesen wurden und die Antragstellerin auch keine Erklärung für das Fehlen von Stornobuchungen gegeben hat, lässt vielmehr darauf schließen, dass Stornobuchungen im Kassensystem nachträglich gelöscht wurden. Infolge der fehlenden Stornobuchungen lässt sich nicht mehr feststellen, ob lediglich Fehlbuchungen oder auch Einnahmebuchungen an sich gelöscht wurden. Die erforderliche Vollständigkeit der Buchungen ist infolge dieser Veränderungen nicht gewährleistet, und diese Unvollständigkeit ergreift die gesamte Buchführung (Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 02.09.2004 10 V 52/04, juris). Damit waren die Tagesendsummenbons unvollständig. Diese Unvollständigkeit ist ein formeller Mangel, der grundsätzlich als gravierend anzusehen ist, da die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht gesichert ist.
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(b) Auch das Fehlen der Journaldaten und Programmierprotokolle zur elektronischen Registrierkasse QT 6000 von Casio stellt einen formellen Mangel dar, der als gravierend einzustufen ist.
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Neben den außersteuerlichen und steuerlichen Büchern und Aufzeichnungen i. S. d. § 140 AO i. V. m. §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) sind alle Unterlagen und Daten, die zum Verständnis und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen von Bedeutung sind, aufzubewahren (§ 147 Abs. 1 AO; vgl. BFH, Urteil vom 24.06.2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452). Dazu zählen neben Unterlagen in Papierform auch alle Unterlagen in Form von Daten, Datensätzen und elektronischen Dokumenten, die dokumentieren, dass die Ordnungsvorschriften umgesetzt und deren Einhaltung überwacht wurde (vgl. Bundesministerium der Finanzen - BMF -, 14.11.2014, IV A 4-S 0316/13/10003, juris, Rn 5). Dies betrifft insbesondere die Journaldaten und Programmierprotokolle.
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(aa) Das Journal dient der Dokumentation des Rechnungswesens und enthält die Buchungen in jener Reihenfolge, in welcher sie erfasst bzw. verbucht wurden. Bei der elektronischen Erstellung der Journaldatei wird jede neue Buchung an das Dateiende angefügt; Änderungen oder Löschungen sind nicht möglich. Damit enthält diese Datei alle Buchungen in chronologischer Folge. Beim Druck des Buchungsjournals wird die Journaldatei von Beginn bis zum letzten Datensatz gelesen, wobei die Journalzeilen in derselben Folge ausgedruckt werden, in der die Datensätze in der Datei gebucht wurden. Damit ist gewährleistet, dass die Konten dieselben Daten enthalten wie das Journal, da dieselben Datensätze (nur in veränderter Reihenfolge) in die Auswertung übernommen werden. Überdies sind die Buchungen auf dem Konto selbst ebenfalls streng chronologisch und erscheinen in derselben Reihenfolge wie im Buchungsjournal (vgl. http://www.dialogdata.com/software/rechnungswesen/buchhaltung/journal /index.html, Dialog Data GmbH, Graz, Steiermark/Österreich; siehe auch Bedienungsanleitung für die elektronische Registrierkasse QT-6000).
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Wird - wie im Streitfall - das elektronisch erstellte Journal nicht vorgelegt, können Manipulationen nicht ausgeschlossen werden. Das Fehlen der elektronischen Journaldatei, mit der alle Buchungen in chronologischer Folge nachvollzogen werden können, stellt deshalb einen gravierenden formellen Mangel dar.
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(bb) Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO als "sonstige Organisationsunterlagen" aufbewahrungspflichtig. Diese Unterlagen, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt werden, sind während der Dauer der Aufbewahrungsfrist (§ 147 Abs. 3 AO) jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufzubewahren (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO). Die von der Antragstellerin genutzte Registrierkasse sowie die mit ihrer Hilfe erstellten digitalen Unterlagen müssen gemäß § 147 Abs. 6 AO der Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung zur Einsicht in die gespeicherten Daten nutzbar gemacht werden.
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Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind (§ 146 Absatz 4 AO, § 239 Absatz 3 HGB). Veränderungen und Löschungen von und an elektronischen Buchungen oder Aufzeichnungen müssen daher so protokolliert werden, dass die Voraussetzungen des § 146 Absatz 4 AO bzw. § 239 Absatz 3 HGB erfüllt sind. Für elektronische Dokumente und andere elektronische Unterlagen, die gemäß § 147 AO aufbewahrungspflichtig und nicht Buchungen oder Aufzeichnungen sind, gilt dies sinngemäß (vgl. BMF-Schreiben vom 14.11.2014, IV A 4-S 0316/13/10003, Rn 58, 59).
- 79
Danach sind auch Programmierprotokolle für das Registrierkassensystem Casio QT 6000 anzufertigen und aufzubewahren. Das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung steht in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleich und stellt einen formellen Mangel dar. Systembedingt gibt es keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, auch wenn eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre (BFH, Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, a. a. O.). Danach stellt auch das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse Casio QT 6000 im Streitfall einen formellen Mangel dar.
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(3) Schließlich liegen materielle Mängel in den Wirtschaftsjahren 2011 und 2012 vor, die nicht nur eine Korrektur des Buchführungsergebnisses erfordern, sondern unter Berücksichtigung der formellen Mängel des Buchführungssystems einen weiteren Anlass zur Schätzung darstellen.
- 81
Die Antragstellerin erfasste in den Wirtschaftsjahren 2011 und 2012 für jeweils mehrere Tage keine Betriebseinnahmen in der Buchhaltung, obwohl in den Listen der Tagesumsätze Beträge notiert waren (insgesamt 3.434,60 € für 2011 und 2.921,20 € für 2012).
- 82
(4) Auch die offensichtlich - jedenfalls zum 31.12.2012 und 31.12.2013 - nicht erfolgte Inventur und lediglich griffweise Schätzung der Beträge des jeweiligen Warenendbestandes stellt einen materiellen Mangel dar. Zum 31. Dezember eines jeden Streitjahres wurde derselbe Betrag für den Bestand an Lebensmitteln (2.930 €) und Holzkohle (500 €) aktiviert, was offensichtlich nicht dem tatsächlichen Wert der vorhandenen Waren entspricht. Für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung (Vollständigkeit der Einnahmenerfassung) ist dieser materielle Mangel zwar ohne Bedeutung, da die Unrichtigkeit des Warenendbestands keine Wechselwirkung mit der Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen aufweist (BFH, Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, a. a. O.).
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Unter Berücksichtigung der gravierenden formellen Mängel wie des Fehlens der Stornobuchungen in den Z-Bons sowie der fehlenden Journale und Programmierprotokolle wie auch der materiellen Mängel hat der Antragsgegner nach summarischer Prüfung zu Recht die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Vollschätzung im Sinne des § 162 AO angenommen.
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bb) Nach summarischer Prüfung ist die Schätzung des Gewinns der Höhe nach niedriger vorzunehmen.
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aaa) Der Betriebsprüfer hat hierzu im Streitfall die Methode der Quantilschätzung angewandt. Dabei werden Prozentränge - sog. Quantile -, die in der beschreibenden Statistik zur Einteilung einer Datenmenge in den Standardbereich, in schwache und in starke Ausreißer verwendet werden, bestimmt. Überträgt man dabei die Verhältnisse der Standardnormalverteilung, definiert sich der Bereich Mittelwert plus/minus mittlere Abweichung - die sog. Standardabweichung - mit dem 16 %- und dem 84 %-Quantil. Die 68 % der dazwischenliegenden Daten umfassen die "Normalfälle", außerhalb liegen die schwachen und starken Ausreißer. Diese Erkenntnisse werden bei der Quantilschätzung dazu genutzt, um - noch einmal vorsichtiger und wie im Streitfall angewendet - zwischen dem 20 %- und dem 80 %-Quantil der betriebseigenen Werte zum monatlichen Aufschlagssatz oder Wareneinsatz den Regelgeschäftsbereich festzustellen, also den normalen Betriebsverlauf ohne relevante Ausreißer (vgl. Arno Becker, Außenprüfung digital - Prüfungsmethoden im Fokus (Teil II), DStR 2016, 1430). Auf diese Weise wird aus den betriebseigenen Daten des Steuerpflichtigen eine Spannweite des "Normalen" herausgelesen.
- 86
Nach den von der Antragstellerin ihren Bilanzen zugrunde gelegten Umsätzen und Einkäufen ergaben sich Rohgewinnaufschlagsätze mit einem Median (Zentralwert der Rangreihe) von 123 % für 2011, 193 % für 2012 (ohne Berücksichtigung des Monats Juli) und 163 % für 2013 (vgl. Anl. 8 zum Betriebsprüfungsbericht vom 07.04.2016). Unter Berücksichtigung sämtlicher monatlicher Rohgewinnaufschlagsätze der Streitjahre (April 2011 bis Dezember 2013 - ohne Juli 2012 -) auf der Grundlage der von der Antragstellerin erklärten Umsätze und Wareneingänge ergibt sich ein 80 %-Quantil von 199 %. Dieses legte der Antragsgegner seiner Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu Grunde.
- 87
Das Gericht folgt insoweit der Methode der Hinzuschätzung von Besteuerungsgrundlagen mittels des 80 %-Quantils. Im Allgemeinen ist der Antragsgegner nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, in diesem Schätzungsrahmen an die obere Grenze zu gehen. Denn Abweichungen von den tatsächlichen Verhältnissen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung erweist sich erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird die Schätzung aber erforderlich, weil der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt, kann sich das Finanzamt an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 15.05.2002 X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415; vom 15.07.2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145; vom 28.07.2015 VIII R 2/09, BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447).
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bbb) Bei der Schätzung der Betriebseinnahmen mittels eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 199 % auf der Grundlage des 80 %-Quantils hat der Antragsgegner dabei zu Gunsten der Antragstellerin nach summarischer Prüfung zu Recht Beträge wegen Bestandsveränderung (2.930 € in 2011) sowie zusätzlicher Entnahmen (jeweils in den Jahren 2011, 2012 und 2013: 2.298 € zu 7 % und 4.098 € zu 19 %) bei der Ermittlung des Wareneinsatzes berücksichtigt.
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ccc) Andererseits hat der Antragsgegner nach summarischer Prüfung zu Recht aber auch den Wareneinsatz um nicht berücksichtigte Lieferungen der C-GmbH erhöht.
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(1) Die Antragstellerin bezog ihre Frischwaren im Wesentlichen von der C-GmbH. Aus den in diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen in Gestalt von Kunden-Bestelllisten der C-GmbH, Protokolldateien, geschredderten und wiederhergestellten Rechnungen und sonstigen Unterlagen folgt nach summarischer Prüfung, dass Rechnungen der C-GmbH über Lieferungen an die Antragstellerin, die nicht im Wareneingang der Antragstellerin verzeichnet sind, bei der C-GmbH auf Lagerverkauf umgebucht wurden.
- 91
So verhält es sich beispielsweise bei der Bestellung der Antragstellerin bei der C-GmbH vom 11.02.2013. Ausweislich der Kunden-Bestellliste der C-GmbH vom 11.02.2013 (Bp-Arbeitsakten Teil 2/3, Bl. ...) gab die Antragstellerin an diesem Tag eine Bestellung über "Geflügel Döner 1 x 15" und "Kalb Döner 1 x 20" auf. Ausweislich der Rechnung Nr. ...-1 vom 11.02.2013 wurde diese Lieferung (Lieferschein-Nr. ...) an die Antragstellerin (Kunden-Nr. YY) am selben Tag über das Konto Nr. ZZ (Lagerverkauf) abgerechnet (Bp-Arbeitsakten Teil 2/3, Bl. ...). Ausweislich des Rechnungsausgangsbuchs bei der C-GmbH für die Antragstellerin ist diese Rechnung Nr. ...-1 vom 11.02.2013 nicht enthalten (Bp-Arbeitsakten Teil 2/3, Bl. ...). Laut der Protokolldatei (Bp-Arbeitsakten Teil 2/3, Bl. ...) fand die Umbuchung auf das Konto Nr. ZZ (Lagerverkauf) bei der C-GmbH unter dem 20.02.2013 statt.
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Entsprechendes gilt für die Lieferungen vom 13.02.2013 (Rechnung Nr. ...-2) und 15.02.2013 (Rechnung Nr. ...-3).
- 93
Wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang ausführt, dass das von der Betriebsprüfung vorgetragene Beweismaterial sich auf fragmentierte Rechnungsstücke, angebliche Kundenbestelllisten, von denen keiner wisse, woher sie kämen, wer sie ausgefüllt habe, wann sie ausgefüllt worden seien und zu welchem Zweck sie erstellt worden seien, so sind diese Einwände nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide zu generieren.
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Die fragmentierten Rechnungsstücke sind so vollständig zusammengefügt, dass sich hieraus die Rechnungsnummer, die Artikelnummern, die Artikelbezeichnungen, Menge, Gewicht, Einzelpreis und Gesamtpreis ablesen lassen. Über die Protokolldateien ist auch die Zuordnung der Rechnungsnummer zur Antragstellerin mit der Kunden-Nr. YY gewährleistet. Auch die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Kundenbestelllisten sind nicht geeignet, Zweifel an der Tatsache zu begründen, dass die Antragstellerin Lieferungen erhalten hat, die nicht in ihrer Buchhaltung erfasst sind. Schließlich befinden sich auf den von der Steuerfahndung E bei der C-GmbH beschlagnahmten Kundenbestelllisten auch Lieferungen, für die der Antragstellerin Rechnungen ausgestellt wurden (siehe Lieferung vom 12.02.2013 zur Rechnung Nr. ...-4, Bp-Arbeitsakten Teil 2/3, Bl. ...).
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(2) Wenn der Antragsgegner hinsichtlich der Höhe der Hinzuschätzungen zum Wareneinsatz aus den Lieferungen der C-GmbH darlegt, dass insoweit für Januar und Februar 2013 fragmentarische Aufzeichnungen über ca. 3.660 € netto vorhanden seien, und den Wareneinsatz aus Rechnungen der C-GmbH um 15.000 € für 2011 und um jeweils 20.000 € für 2012 und 2013 erhöht, so wird der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren Gelegenheit haben, die Berechnung nachvollziehbar anhand von Unterlagen darzulegen. Das Gericht kürzt im vorliegenden Verfahren die Hinzuschätzungen zum Wareneinsatz um die Hälfte. Dabei wird berücksichtigt, dass ausweislich des Rechnungsausgangsbuches (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin an den Antragsgegner vom 16.11.2015) im Monat Februar 2013 Lieferungen an die Antragstellerin an 19 Werktagen verzeichnet sind. Ausgehend von 24 Werktagen dieses Monats und einer Rechnungssumme von 151,85 € vom 11.02.2013 wird der nicht verbuchte Wareneinsatz mit 760 € geschätzt (5 × 151,85 € = 759,25 €); auf das Jahr hochgerechnet folgen hieraus 9.111 €. Dieser Betrag wird auf 10.000 € pro Jahr hochgerechnet, da andere, nicht im Wareneinsatz der Antragstellerin verbuchte Rechnungen höhere Beträge ausweisen (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 02.12.2015, Bp-Arbeitsakten Bd. 2/3, Bl. ...: 189,98 € bzw. 162,10 €) und zu einem jährlichen Ergebnis von mehr als 10.000 € führen würden.
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Nach alledem hat der Antragsgegner nach summarischer Prüfung auf der Grundlage der in diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen nebst Erläuterungen zu Recht Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen (BE) in folgender Höhe vorgenommen:
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2011
2012
2013
Wareneinsatz (WE) bisher
103.695,84 €
111.423,10 €
132.254,51 €
geschätzter WE C-GmbH
7.500,00 €
10.000,00 €
€10.000,00 €
Summe
111.195,84 €
121.423,10 €
142.254,51 €
80%-Quantil Rohgewinnaufschlagsatz
199
199
199
Umsatz neu
332.475,56 €
363.055,07 €
425.340,98 €
Umsatz vor Bp
252.454,82 €
345.400,12 €
364.789,85 €
Mehrerlös durch Schätzung
80.020,74 €
17.654,95 €
60.551,13 €
USt 7% (geschätzt 30%)
1.680,44 €
370,75 €
1.271,57 €
USt 19% (geschätzt 70%)
10.642,76 €
2.348,11 €
8.053,30 €
Mehr-Umsatzsteuer durch Schätzung
12.323,19 €
2.718,86 €
9.324,87 €
Hinzuschätzung von BE brutto neu
92.343,94 €
20.373,81 €
69.876,01 €
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cc) Diese Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen nebst der Hinzuschätzung von fehlenden Tageseinnahmen für 2011 in Höhe von 4.005 € und für 2012 in Höhe von 3.397 € sowie die Hinzurechnungen von Warenentnahmen in Höhe von 5.341 € für 2011, 7.442 € für 2012 und 7.235 € für 2013 stellen insgesamt verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG dar.
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Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt regelmäßig vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des BFH seit Urteil vom 16.03.1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH, Urteile vom 17.12.1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 27.03.2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH, Urteile vom 07.08.2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 08.09.2010 I R 6/09, BFHE 231, 75, BStBl II 2013, 186; vom 11.11.2015 I R 26/15, BFHE 252, 359, BStBl II 2016, 489).
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Die aufgrund der nach Nachkalkulation hinzugeschätzten und von der Antragstellerin nicht verbuchten Betriebseinnahmen stellen im Streitfall eine verhinderte Vermögensmehrung dar, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Sie wirkt sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG aus; ein Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung ist nicht gegeben.
- 101
Ob und in welcher Höhe die Hinzuschätzungen als Zuwendungen an den verantwortlichen Gesellschafter-Geschäftsführer i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu beurteilen sind oder aber ob die nicht erklärten Betriebseinnahmen betrieblich verwendet wurden (vgl. BFH, Urteil vom 24.06.2014 VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501), ist nicht in diesem Verfahren, sondern auf der Ebene der Besteuerung des Gesellschafters der Antragstellerin zu entscheiden.
- 102
Ebenso sind die verhinderten Vermögensmehrungen aufgrund der fehlenden Tageseinnahmen wie auch die Sachentnahmen zu Gunsten des B durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst; anderen Bediensteten der Antragstellerin war es im Unterschied zu B als dem Onkel des Gesellschafter-Geschäftsführers (dem Gesellschafter nahestehende Person) nicht gestattet, im Restaurant unentgeltlich zu essen.
- 103
Danach sind verdeckte Gewinnausschüttungen in folgender Höhe zu berücksichtigen:
- 104
2011
2012
2013
Warenentnahmen
5.341 €
7.442 €
7.235 €
Hinzuschätzung fehlender Tageseinnahmen
4.005 €
3.397 €
Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen
92.344 €
20.374 €
69.876 €
verdeckte Gewinnausschüttungen neu
101.690 €
31.213 €
77.111 €
- 105
dd) Nach summarischer Prüfung hat der Antragsgegner auch zu Recht die in 2012 angeschafften 6 Leuchtkästen zum Wert von insgesamt 3.200 € nicht als sofort abzugsfähige geringwertige Wirtschaftsgüter behandelt.
- 106
Gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 EStG können die Anschaffungskosten von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung des Wirtschaftsguts in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Anschaffungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Abs. 1 EStG) für das einzelne Wirtschaftsgut 410 Euro nicht übersteigen. Abweichend hiervon kann für die abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung ein Sammelposten gebildet werden, wenn die Anschaffungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Abs. 1 EStG), für das einzelne Wirtschaftsgut 150 €, aber nicht 1.000 € übersteigen (§ 6 Abs. 2a S. 1 EStG).
- 107
Entsprechend der Regelung in § 6 Abs. 2a S. 1 EStG ist der Antragsgegner verfahren und hat für das Jahr 2012, in dem die 6 Leuchtkästen angeschafft worden waren, eine zeitanteilige AfA für 5 Monate gewinnmindernd berücksichtigt.
- 108
ee) Die angefochtenen Bescheide sind nach summarischer Prüfung auch insoweit nicht rechtmäßig, als der Antragsgegner die Bildung einer Rückstellung für Ansprüche der F-GmbH in Höhe von 42.881,16 € versagt hat.
- 109
Die F-GmbH hat mit Rechnung vom 14.12.2014 für die Energieversorgung der Antragstellerin eine Schlussrechnung über Stromkosten i. H. v. 112.039,32 € brutto unter Stornierung vormaliger Rechnungen erstellt. Unter Hinzurechnung von Kosten für sonstige Rechnungspositionen i. H. v. 15,50 € abzüglich bisher geleisteter Zahlungen i. H. v. 69.770,35 € und unter Hinzurechnung einer Forderung aus Guthabenauszahlung i. H. v. 596,69 € ergab sich ein Rechnungsbetrag von 42.881,16 € brutto. Die zuvor geleisteten Zahlungen der Antragstellerin in Höhe von insgesamt 69.770,35 € brutto betrafen den Zeitraum Mai 2011 bis Juni 2014.
- 110
Im Streitfall sind in den Streitjahren 2011 bis 2013 Rückstellungen für Verbindlichkeiten aus dem Stromlieferungsvertrag mit der F-GmbH im Wege der Bilanzberichtigung zu bilden. Der bisherige Bilanzansatz ist angesichts des Fehlens dieser Rückstellungen objektiv unrichtig.
- 111
aaa) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind u. a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Dieses Gebot stellt einen nach § 8 Abs. 1 KStG, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch steuerrechtlich zu beachtenden handelsrechtlichen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) dar.
- 112
Ungewisse Verbindlichkeiten in diesem Sinne sind einerseits Verbindlichkeiten, die dem Grunde nach bestehen, deren Höhe aber noch ungewiss ist, andererseits Verbindlichkeiten, deren künftiges Entstehen, ggf. zusätzlich auch deren Höhe, noch ungewiss ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile vom 27.06.2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121; vom 30.11.2005 I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251).
- 113
Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt; zu dem maßgebenden Bilanzstichtag bestanden dem Grunde nach Ansprüche der F-GmbH aus einem in 2011 geschlossenen Stromlieferungsvertrag, die nur teilweise von der Antragstellerin erfüllt waren.
- 114
bbb) Für eine dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeit ist nach den GoB eine Rückstellung zu bilden, wenn sie erstens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entstehen und der Steuerpflichtige daraus in Anspruch genommen wird und wenn sie zweitens ihre wirtschaftliche Verursachung im Zeitraum vor dem Bilanzstichtag findet (vgl. BFH-Urteile vom 08.11.2000 I R 10/98, BFHE 193, 406, BStBl II 2001, 349; vom 30.01.2002 I R 71/00, BFHE 198, 420, BStBl II 2003, 279). Beide Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
- 115
(1) Die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn mehr Gründe für als gegen das Entstehen der in Rede stehenden Verbindlichkeit und die künftige Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen sprechen, wobei grundsätzlich auf das einzelne Rechtsverhältnis abzustellen ist (BFH, Urteil vom 30.11.2005 I R 110/04, BFHE a. a. O). Diese Voraussetzung ist nicht nach den subjektiven Erwartungen des Steuerpflichtigen zu prüfen, sondern auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 01.08.1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44).
- 116
Im Streitfall gingen aus dem mit der F-GmbH geschlossenen Stromliefervertrag weitere Ansprüche, als sie von der Antragstellerin erfüllt wurden, hervor. Ihre Inanspruchnahme war deshalb auf der Grundlage des Dauerschuldverhältnisses mit der F-GmbH zum Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahres hinreichend wahrscheinlich und wurde mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2016 bestätigt.
- 117
(2) Die wirtschaftliche Verursachung einer Verpflichtung vor dem maßgebenden Bilanzstichtag setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalles vor dem Hintergrund der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht (BFH, Urteil vom 30.11.2005 I R 110/04, BFHE a. a. O).
- 118
Eine ungewisse Verbindlichkeit ist danach insbesondere dann wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht, wenn sie schon vor Ablauf des Bilanzstichtags hätte erfüllt werden müssen. Das gilt bei Verpflichtungen zu Dauerleistungen hinsichtlich des in der Vergangenheit zu erfüllenden Teils. Bei diesen besteht die Besonderheit, dass die wechselseitigen Verpflichtungen fortlaufend erfüllt werden (vgl. BFH, Urteil vom 20.05.1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904). Deshalb sind hier die allgemeinen Grundsätze mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Rechtsverhältnis in einzelne zeitliche Segmente aufgeteilt wird, von denen eins am Bilanzstichtag endet. Danach ist das Dauerschuldverhältnis als am Bilanzstichtag erfüllt anzusehen, wenn der Dienst- oder Sachleistungsverpflichtete die von ihm bis dahin geschuldeten Leistungen (ganz oder fast) vollständig erbracht hat (vgl. BFH, Beschluss vom 23.06.1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735; Krumm in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, EStG § 5, Rn. 800a, 245).
- 119
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall insoweit erfüllt, als die Stromlieferungen der F-GmbH jeweils bis zum jeweiligen 31. Dezember erfolgt waren und die Antragstellerin die erforderlichen Zahlungen an die F-GmbH nicht geleistet hatte.
- 120
Im Streitfall hatte die Antragstellerin an die F-GmbH im Zeitraum seit Gründung der Gesellschaft bis zum Juni 2014 Zahlungen in Höhe von 58.630,55 € netto zuzüglich Umsatzsteuer (insgesamt 69.770,35 €) geleistet. Ausweislich der Erläuterungen zur Stromrechnung vom 14.12.2014 entfielen hiervon jeweils netto 10.762,10 € auf das Jahr 2011, 21.378,15 € auf das Jahr 2012, 22.523,91 € auf das Jahr 2013 und 3.966,39 € auf das Jahr 2014; auf die Streitjahre entfielen danach insgesamt 54.664,16 €. Das Gericht berechnet danach die Rückstellungsbeträge für die Streitjahre wie folgt: ...
- 121
ff) Schließlich ist entsprechend der niedrigeren Hinzuschätzung des Gewinns nach summarischer Prüfung auch die Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzung entsprechend auszusetzen. Diese errechnet sich danach wie folgt: ...
- 122
Die zur Aussetzung der Vollziehung erforderliche Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Körperschaftsteuer, der festzusetzenden Gewerbeerträge und der festzustellenden Beträge wird nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung dem Antragsgegner übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
- 123
3. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch nicht im Hinblick auf eine "unbillige Härte" gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO darüber hinausgehend gewährt werden.
- 124
Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 02.06.2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834).
- 125
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar hat die Antragstellerin behauptet, dass sie durch die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sei. Die Voraussetzungen für eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte sind hier jedoch nicht glaubhaft gemacht.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 26. Aug. 2016 - 6 V 81/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 26. Aug. 2016 - 6 V 81/16
Referenzen - Gesetze
Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch
Einkommensteuergesetz - EStG | § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100
Einkommensteuergesetz - EStG | § 20
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155
Einkommensteuergesetz - EStG | § 6 Bewertung
Gewerbesteuergesetz
Körperschaftsteuergesetz - KStG 1977 | § 8 Ermittlung des Einkommens
Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen
Einkommensteuergesetz - EStG | § 5 Gewinn bei Kaufleuten und bei bestimmten anderen Gewerbetreibenden
Körperschaftsteuergesetz - KStG 1977 | § 27 Nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen
Gewerbesteuergesetz - GewStG | § 7 Gewerbeertrag
Handelsgesetzbuch - HGB | § 249 Rückstellungen
Abgabenordnung - AO 1977 | § 147 Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen
Abgabenordnung - AO 1977 | § 351 Bindungswirkung anderer Verwaltungsakte
Körperschaftsteuergesetz - KStG 1977 | § 28 Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital und Herabsetzung des Nennkapitals
Abgabenordnung - AO 1977 | § 146 Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen
Abgabenordnung - AO 1977 | § 140 Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen
Abgabenordnung - AO 1977 | § 158 Beweiskraft der Buchführung
Abgabenordnung - AO 1977 | § 184 Festsetzung von Steuermessbeträgen
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 42
Abgabenordnung - AO 1977 | § 145 Allgemeine Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen
Handelsgesetzbuch - HGB | § 239 Führung der Handelsbücher
Einkommensteuergesetz - EStG | § 9b
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenFinanzgericht Hamburg Beschluss, 26. Aug. 2016 - 6 V 81/16 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).
Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Mai 2016 - V B 20/16
Bundesfinanzhof Urteil, 11. Nov. 2015 - I R 26/15
Bundesfinanzhof Urteil, 28. Juli 2015 - VIII R 2/09
Bundesfinanzhof Urteil, 25. März 2015 - X R 20/13
Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Feb. 2015 - V S 19/14
Bundesfinanzhof Urteil, 15. Juli 2014 - X R 42/12
Bundesfinanzhof Urteil, 24. Juni 2014 - VIII R 54/10
Bundesfinanzhof Urteil, 11. Sept. 2013 - I R 26/12
Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Juli 2012 - V B 82/11
Bundesfinanzhof Urteil, 14. Dez. 2011 - XI R 5/10
Bundesfinanzhof Urteil, 12. Okt. 2010 - I R 99/09
Bundesfinanzhof Urteil, 08. Sept. 2010 - I R 6/09
Finanzgericht Hamburg Beschluss, 18. Juli 2017 - 6 V 119/17
(1)1Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes.2Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.3Bei den inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beträgt das Einkommen aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen.4Bei Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, sind Leistungen und Leistungsversprechen zwischen der Körperschaft und Personen, die aus dieser Körperschaft Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 9 des Einkommensteuergesetzes erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit Ertragsteuern wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Körperschaft und deren Anteilseignern zu behandeln.
(2) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
(3)1Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird.2Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.3Verdeckte Einlagen erhöhen das Einkommen nicht.4Das Einkommen erhöht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat.5Satz 4 gilt auch für eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte Gewinnausschüttung hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert.6In den Fällen des Satzes 5 erhöht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung.
(4) (weggefallen)
(5) Bei Personenvereinigungen bleiben für die Ermittlung des Einkommens Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz.
(6) Besteht das Einkommen nur aus Einkünften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.
(7)1Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind
- 1.
bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben; - 2.
bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
(8)1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.2Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden.3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung erzielt.5Die Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden.6Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.
(9)1Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:
- 1.
Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen; - 2.
Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden; - 3.
alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
(10)1Bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist § 2 Absatz 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fällen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.
(1)1Die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft hat die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen.2Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben.3Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 und der Mehrabführungen im Sinne des Absatzes 6 mindern das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr).4Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos kann durch Leistungen nicht negativ werden; Absatz 6 bleibt unberührt.5Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.
(2)1Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird gesondert festgestellt.2Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt.3Bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht ist der zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht vorhandene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen gesondert festzustellen; der gesondert festgestellte Bestand gilt als Bestand des steuerlichen Einlagekontos am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs.4Kapitalgesellschaften haben auf den Schluss jedes Wirtschaftsjahrs Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abzugeben.5Die Erklärungen sind von den in § 34 der Abgabenordnung bezeichneten Personen eigenhändig zu unterschreiben.
(3)1Erbringt eine Kapitalgesellschaft für eigene Rechnung Leistungen, die nach Absatz 1 Satz 3 als Abgang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu berücksichtigen sind, so ist sie verpflichtet, ihren Anteilseignern die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen:
- 1.
den Namen und die Anschrift des Anteilseigners, - 2.
die Höhe der Leistungen, soweit das steuerliche Einlagekonto gemindert wurde, - 3.
den Zahlungstag.
(4)1Ist die in Absatz 1 bezeichnete Leistung einer Kapitalgesellschaft von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig und wird sie für Rechnung der Kapitalgesellschaft durch ein inländisches Kreditinstitut erbracht, so hat das Institut dem Anteilseigner eine Bescheinigung mit den in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen.2Aus der Bescheinigung muss ferner hervorgehen, für welche Kapitalgesellschaft die Leistung erbracht wird.3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn anstelle eines inländischen Kreditinstituts eine inländische Zweigniederlassung eines der in § 53b Absatz 1 oder 7 des Kreditwesengesetzes genannten Unternehmen die Leistung erbringt.
(5)1Ist für eine Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden, bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert.2Ist für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des Absatzes 2 zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinne des Absatzes 3 nicht erteilt worden, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt.3In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist eine Berichtigung oder erstmalige Erteilung von Steuerbescheinigungen im Sinne des Absatzes 3 nicht zulässig.4In anderen Fällen ist die auf den überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer durch Haftungsbescheid geltend zu machen; § 44 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes gilt insoweit nicht.5Die Steuerbescheinigungen können berichtigt werden.6Die Feststellung im Sinne des Absatzes 2 für das Wirtschaftsjahr, in dem die entsprechende Leistung erfolgt ist, ist an die der Kapitalertragsteuerhaftung nach Satz 4 zugrunde gelegte Einlagenrückgewähr anzupassen.
(6) Minderabführungen erhöhen und Mehrabführungen mindern das Einlagekonto einer Organgesellschaft, wenn sie ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben. Mehrabführungen im Sinne des Satzes 1 mindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft vor anderen Leistungen.
(7) Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 oder Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.
(8)1Eine Einlagenrückgewähr können auch Körperschaften oder Personenvereinigungen erbringen, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, wenn sie Leistungen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.2Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 zu ermitteln.3Der als Einlagenrückgewähr zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung für das jeweilige Wirtschaftsjahr gesondert festgestellt.4Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ende des zwölften Monats zu stellen, der auf das Ende des Wirtschaftsjahres folgt, in dem die Leistung erfolgt ist.5Zuständig für die gesonderte Feststellung ist die Finanzbehörde, die im Zeitpunkt der Abgabe des Antrags nach § 20 der Abgabenordnung für die Besteuerung nach dem Einkommen örtlich zuständig ist.6Bei Körperschaften oder Personenvereinigungen, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 20 der Abgabenordnung keine Finanzbehörde zuständig ist, ist abweichend von Satz 5 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig.7Im Antrag sind die für die Berechnung der Einlagenrückgewähr erforderlichen Umstände darzulegen.8In die Bescheinigung nach Absatz 3 ist das Aktenzeichen der nach Satz 5 oder 6 zuständigen Behörde aufzunehmen.9Soweit für Leistungen nach Satz 1 oder Nennkapitalrückzahlungen eine Einlagenrückgewähr nicht gesondert festgestellt worden ist, gelten sie als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes führen.
(1)1Wird das Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht, so gilt der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos als vor den sonstigen Rücklagen umgewandelt.2Maßgeblich ist dabei der sich vor Anwendung des Satzes 1 ergebende Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Rücklagenumwandlung.3Enthält das Nennkapital auch Beträge, die ihm durch Umwandlung von sonstigen Rücklagen mit Ausnahme von aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträgen zugeführt worden sind, so sind diese Teile des Nennkapitals getrennt auszuweisen und gesondert festzustellen (Sonderausweis).4§ 27 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2)1Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist.2Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.3Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen.4Soweit der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos für den Abzug nach Satz 3 nicht ausreicht, gilt die Rückzahlung des Nennkapitals ebenfalls als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.
(3) Ein Sonderausweis zum Schluss des Wirtschaftsjahrs vermindert sich um den positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu diesem Stichtag; der Bestand des steuerlichen Einlagekontos vermindert sich entsprechend.
Tenor
-
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26. Juli 2012 4 K 2071/09 E,U aufgehoben.
-
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
-
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
- 1
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den verbliebenen Streitjahren 2001 und 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger betrieb von 1996 bis zum Frühjahr 2002 und erneut ab dem Frühjahr 2003 eine Schank- und Speisewirtschaft in Räumen, die er von einer Brauerei angemietet hatte. Die Klägerin war im Betrieb angestellt.
- 2
-
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Den größten Teil seiner Bareinnahmen rechnete er über eine elektronische Registrierkasse ab. Daneben führte er für die Thekeneinnahmen eine von der Registrierkasse getrennte Barkasse.
- 3
-
Im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung und stützte sich hierbei auf die folgenden Punkte:
-
Zwar ist für jeden Öffnungstag des Jahres 2001 ein Tagesendsummenbon vorhanden; die fortlaufende Nummerierung dieser Bons weist für die Zeit vom 1. Januar bis 16. März 2001 aber Unterbrechungen auf. Die Bons mit den dazwischenliegenden Nummern haben die Kläger nicht vorgelegt und hierzu vorgetragen, es handele sich um "Leerbons".
-
Für das Jahr 2003 liegen zwar fortlaufend nummerierte Tagesendsummenbons vor. Allerdings ist auf diesen Bons kein Datum ausgedruckt.
-
Die Kläger haben weder Programmierprotokolle der Registrierkasse noch die Speisekarte für das Jahr 2001 vorgelegt.
-
Ausweislich der Feststellungen des Finanzgerichts (FG) --im Betriebsprüfungsbericht ist dieser Umstand hingegen nicht erwähnt-- wurden für die Thekenkasse keine Kassenberichte erstellt, in denen die sich anhand der Aufzeichnungen ergebenden Soll-Kassenbestände mit den durch Auszählen ermittelten Ist-Beständen abzugleichen gewesen wären. Vielmehr wurden die täglichen Bestände dieser Kasse lediglich rechnerisch durch Gegenüberstellung der aufgezeichneten Einnahmen und Ausgaben ermittelt.
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Der Kläger hat die Warenendbestände zum Ende der Streitjahre nicht durch Inventuren, sondern im Wege der Schätzung ermittelt.
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Für das Jahr 2003 hat der Prüfer vier Bareinlagen in Höhe von insgesamt 4.164,78 € als ungeklärt angesehen. Hierzu hat das FG allerdings keine Feststellungen getroffen.
- 4
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Der Prüfer erhöhte die vom Kläger erklärten Erlöse um Hinzuschätzungen, für deren Höhe er sich auf einen sog. "Zeitreihenvergleich" stützte. Dabei ging er wie folgt vor:
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Aus den Eingangsrechnungen des Klägers ermittelte der Prüfer den Wareneinkauf für jede Kalenderwoche des Prüfungszeitraums. Nach dem --von den Klägern teilweise bestrittenen-- Vortrag des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) habe der Prüfer hierbei das Lieferdatum zugrunde gelegt, sofern ein solches in den Eingangsrechnungen angegeben gewesen sei. Ansonsten habe er das Rechnungsdatum herangezogen. Sofern der Kläger beim jeweiligen Lieferanten weniger als einmal wöchentlich eingekauft habe, habe der Prüfer den Wert des Einkaufs gleichmäßig auf den Zeitraum zwischen den aufeinanderfolgenden Einkäufen verteilt.
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Den Wareneinkauf minderte der Prüfer um die sich aus der Buchführung des Klägers --auf der Grundlage der von der Finanzverwaltung hierfür veröffentlichten Pauschbeträge-- ergebenden Werte für Sachentnahmen der Familie der Kläger und für die Beköstigung des Personals. Diese Beträge verteilte er gleichmäßig auf die Kalenderwochen eines Jahres.
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Für das Jahr 2003 minderte der Prüfer den Wareneinkauf ferner um den vom Kläger geschätzten Warenendbestand zum 31. Dezember 2003 (10.800 €), der ebenfalls gleichmäßig auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt wurde.
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Den sich danach ergebenden wöchentlichen Wareneinsatz verglich der Prüfer mit den vom Kläger für die jeweilige Kalenderwoche erklärten Einnahmen. Aus diesem Vergleich ergab sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz.
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Anschließend ermittelte der Prüfer für jede Kalenderwoche den Durchschnittswert aus den Rohgewinnaufschlagsätzen dieser Woche und der neun vorangehenden Wochen.
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Seiner Schätzung legte der Prüfer den höchsten Zehn-Wochen-Durchschnittswert zugrunde, der sich im jeweiligen Kalenderjahr ergab. Dies waren für das Jahr 2001 die Kalenderwochen 23 bis 32 mit einem Rohgewinnaufschlagsatz (hier: Vergleich der Brutto-Einnahmen mit dem Netto-Wareneinsatz) von 241,54 %, für das Jahr 2003 die Kalenderwochen 28 bis 37 mit einem Brutto/Netto-Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %.
-
Diese Rohgewinnaufschlagsätze wendete der Prüfer für das gesamte jeweilige Kalenderjahr auf den tatsächlich vom Kläger erklärten Wareneinsatz an.
- 5
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Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer die folgenden Hinzuschätzungsbeträge:
Jahr
2001
2003
Wareneinsatz netto
200.244,83 DM
73.368,42 €
höchster RAS brutto/netto
241,54 %
263,42 %
zum Vergleich: RAS lt. Kläger
228,15 %
201,09 %
Erlöse brutto lt. Prüfer
683.908,83 DM
266.634,31 €
Erlöse brutto lt. Kläger
657.095,38 DM
220.905,86 €
Mehrerlöse brutto lt. Prüfer
26.813,44 DM
45.728,46 €
Mehrerlöse netto lt. Prüfer
23.115,03 DM
39.421,08 €
Hinzuschätzung netto lt. Prüfer (nach Abrundung auf den nächsten durch 5.000 teilbaren Betrag)
20.000,00 DM
35.000,00 €
- 6
-
Für das --im Revisionsverfahren nicht mehr streitbefangene-- Jahr 2002 nahm der Prüfer wegen aus seiner Sicht ungeklärt gebliebener Vermögenszuwächse eine Hinzuschätzung von 40.000 € netto vor.
- 7
-
Das FA erließ entsprechend geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Einspruchsverfahren legten die Kläger Geldverkehrsrechnungen für die Jahre 2001 und 2002 samt Unterlagen zu ihren außerbetrieblichen Einnahmen sowie zu Vermögensumschichtungen vor. Für das Jahr 2003 beantragten sie, weitere Schuldzinsen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Gegen den Zeitreihenvergleich wandten sie sich mit dem folgenden Vorbringen:
-
Für die Durchführung des Zeitreihenvergleichs sei die exakte Zuordnung des wöchentlichen Wareneinsatzes zu den Erlösen der jeweiligen Woche von herausragender Bedeutung. Der Schluss vom Wareneinkauf --nur insoweit bestehe eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht-- auf den wöchentlichen Wareneinsatz sei aber wegen des Fehlens einer Verpflichtung zu wöchentlichen Inventuren mit großen Unsicherheiten belastet. Zwar werde durch die Bildung eines Durchschnittswerts über einen Zehn-Wochen-Zeitraum eine gewisse Nivellierung vorgenommen; zufällige Verschiebungen am Anfang oder Ende eines solchen Zehn-Wochen-Zeitraums könnten aber immer noch erhebliche rechnerische Auswirkungen auf den sich ergebenden Rohgewinnaufschlagsatz haben.
-
Bereits die betriebs- und saisonüblichen Schwankungen in der Lagerhaltung sowie hinsichtlich der Ein- und Verkaufspreise und der Verteilung zwischen den Warenarten würden aufgrund der Systematik des Zeitreihenvergleichs zwingend zu rechnerischen Mehrergebnissen führen.
-
Es entspreche nicht dem tatsächlichen Ablauf, den Aufbau des zum 31. Dezember 2003 vorhandenen Warenendbestands gleichmäßig auf alle Kalenderwochen des Jahres 2003 zu verteilen.
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Am letzten Augustwochenende (34. Kalenderwoche 2001 bzw. 35. Kalenderwoche 2003) finde jeweils das X-Fest statt, das zwar zu erheblich überdurchschnittlichen Wochenumsätzen, nicht aber zu einem entsprechenden Anstieg des Wareneinkaufs in derselben Kalenderwoche führe.
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Im Jahr 2003 sei ein gerade kostendeckender Mittagstisch angeboten worden.
-
Der Warenverderb sei unberücksichtigt geblieben.
- 8
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In seinen Einspruchsentscheidungen setzte das FA die Hinzuschätzung für 2002 auf 15.000 € herab und wies die Einsprüche im Übrigen zurück. Im Klageverfahren legten die Kläger auch für 2003 eine Geldverkehrsrechnung vor und erklärten aus vorhandenen Geldanlagen Zinseinnahmen für 2001 nach, die allerdings unterhalb der damals geltenden Freibeträge lagen.
- 9
-
Das FG gab der Klage für 2002 in vollem Umfang statt und berücksichtigte für 2003 zusätzliche Schuldzinsen in Höhe von 3.764 € als Betriebsausgaben. Im Übrigen wies es die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1982). Zur Begründung des klageabweisenden Teils seiner Entscheidung führte es aus, die Buchführung des Klägers sei in den Jahren 2001 und 2003 formell nicht ordnungsgemäß gewesen. Diese formellen Mängel seien wegen der entscheidenden Bedeutung der Bareinnahmen für den Betrieb des Klägers auch Anlass, die sachliche Richtigkeit der Buchführung anzuzweifeln, da es wegen der nur rechnerischen Führung der Kasse (gemeint wohl: Thekenkasse) an der Kassensturzfähigkeit fehle.
- 10
-
Der Zeitreihenvergleich stelle im Streitfall eine geeignete Schätzungsmethode dar. Die Wahl der Schätzungsmethode stehe im Ermessen des FA bzw. des FG; Unschärfen gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Methode des Zeitreihenvergleichs basiere darauf, dass es in der Praxis kaum möglich sei, über kurze Zeiträume genau denjenigen Wareneinkauf zu verschweigen, mit dem nicht verbuchte Erlöse erzielt würden. Im Betrieb des Klägers habe es in den Streitjahren keine wesentlichen Änderungen in der Betriebsführung oder -struktur gegeben, die einem Zeitreihenvergleich entgegenstehen könnten. Saisonale oder jahreszeitliche Schwankungen des Geschäfts seien nicht erkennbar, weil die wochenweise ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze nicht in Abhängigkeit von der Jahreszeit, sondern auch innerhalb einer Jahreszeit unterschiedlich seien. Das X-Fest könne sich nicht ausgewirkt haben, da es nur im Jahr 2003, nicht aber im Jahr 2001 in den vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum falle, und auch für das Jahr 2003 der höchste Rohgewinnaufschlagsatz des Zehn-Wochen-Zeitraums gerade nicht in die Woche des X-Fests falle. Der Warenendbestand 2003 sei zu Recht auf das gesamte Jahr verteilt worden, da davon auszugehen sei, dass er während des gesamten Jahres aufgebaut worden sei. Für die Kläger sei dies günstiger als eine Berücksichtigung in einem kurzen Zeitraum, die dann in diesem Zeitraum zu überproportional hohen rechnerischen Wareneinsätzen führen würde. Die vom FA vorgenommene Abrundung gleiche weitere Unschärfen der Schätzung aus. Das Schätzungsergebnis bewege sich im mittleren Bereich der Richtsätze für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften (Netto/Netto-Mittelwert: 213 % bei einer Spanne von 150 bis 317 % für 2001 bzw. 144 bis 317 % für 2003).
- 11
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Die von den Klägern eingereichten Geldverkehrsrechnungen seien als Schätzungsgrundlage nicht geeignet. Ihnen seien die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde gelegt worden, obwohl die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Für 2001 komme hinzu, dass die Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag doppelt angesetzt und die Herkunft der aus dem Ausland stammenden Mittel nicht nachgewiesen worden sei. Ohnehin bestehe kein Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode.
- 12
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Für das Jahr 2002 sei die Klage hingegen begründet. Dem FA stehe insoweit keine Schätzungsbefugnis zu, weil die Buchführung des Klägers keine Mängel aufgewiesen habe. Es seien auch keine ungeklärten Vermögenszuwächse zu verzeichnen, weil die vom FA vorgenommene Geldverkehrsrechnung methodische Mängel aufweise.
- 13
-
Mit ihrer Revision wiederholen und vertiefen die Kläger ihre Einwendungen gegen den vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleich. Ergänzend führen sie die folgenden Gesichtspunkte an:
-
Selbst wenn man davon ausgehe, dass die wochenweisen Schwankungen im Einkauf frischer Lebensmittel sich über einen Zehn-Wochen-Zeitraum ausgleichen würden, gelte dies nicht hinsichtlich alkoholischer Getränke, die auf Vorrat gekauft würden.
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Dem von einem Zeitreihenvergleich betroffenen Steuerpflichtigen erschließe sich weder der Ablauf noch das Ergebnis dieser Schätzungsmethode. Dies kollidiere sowohl mit dem für Verwaltungsakte geltenden Begründungserfordernis (§ 121 der Abgabenordnung --AO--) als auch mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--). Es sei dem Steuerpflichtigen nicht möglich, auf die methodischen Mängel des Zeitreihenvergleichs zu reagieren, weil hierfür im Betrieb keine Daten erhoben würden und auch nicht erhoben werden müssten.
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Die Anwendung des höchsten sich im jeweiligen Kalenderjahr ergebenden Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes widerspreche den Denkgesetzen. Zwar könnten Unterschiede zwischen den wöchentlichen Aufschlagsätzen auf Manipulationen hindeuten; sie könnten aber ebenso auf den methodischen Mängeln des Zeitreihenvergleichs --insbesondere auf betriebsüblichen Schwankungen-- beruhen.
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Der Biereinkauf sei gerade in den Wochen ab Ende November 2003 sehr hoch gewesen, so dass ein überproportionaler Teil des Warenendbestands in dieser Zeit aufgebaut worden sei.
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Während der Außenprüfung sei beim Kläger nicht der geringste Anhaltspunkt für Schwarzeinkäufe gefunden worden.
- 14
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Die Kläger haben im Revisionsverfahren ausdrücklich zugestanden, dass ihre Buchführung formell nicht ordnungsgemäß war.
- 15
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Nach Ergehen des angefochtenen Urteils hat das FA am 20. Dezember 2012 und am 4. Februar 2013 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 erlassen. Der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens wird dadurch nicht berührt, weil die Besteuerungsgrundlagen im Bescheid vom 4. Februar 2013 denen entsprechen, die bereits in dem von den Klägern ursprünglich angefochtenen Änderungsbescheid angesetzt worden sind.
- 16
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und den Einkommensteuerbescheid 2003 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2003, jeweils vom 17. März 2008 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 15. Mai 2009, sowie den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 4. Februar 2013 dahingehend zu ändern, dass die Hinzuschätzungen zu den Betriebseinnahmen bzw. umsatzsteuerpflichtigen Entgelten in Höhe von 20.000 DM (2001) bzw. 35.000 € (2003) --hinsichtlich der Einkommensteuer unter gegenläufiger Kürzung der Gewerbesteuer-Rückstellung-- rückgängig gemacht werden.
- 17
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 18
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Es trägt vor, die Methode des Zeitreihenvergleichs sei nicht neu, sondern werde von Wirtschaftsprüfern seit Jahrzehnten zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Für die Außenprüfung habe sie in den letzten Jahren durch das Datenzugriffsrecht und spezielle Software, die für die Finanzverwaltung entwickelt worden sei, an Bedeutung gewonnen. Sie beruhe darauf, dass sich selbst bei einem Verschweigen sowohl von Wareneinkäufen als auch von Erlösen im Wochenvergleich Auffälligkeiten ergeben würden. Die Methode werde vorzugsweise in Branchen mit eher geringer Lagerhaltung angewendet, bei denen sich die Umsätze relativ gleichmäßig auf das Jahr verteilten (z.B. Gastronomie). Ihr liege die Annahme zugrunde, dass es nicht sinnvoll wäre, bei jederzeit verfügbaren und leicht verderblichen Waren eine nennenswerte Lagerhaltung zu betreiben. Wenn diese Methode zum Ausweis größerer Unterschiede zwischen den wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätzen führe und sich derartige Unterschiede auch nach Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mit den Besonderheiten des jeweiligen Betriebs erklären ließen, werde vermutet, dass Verkäufe und/oder Einkäufe nicht zutreffend in der Buchführung erfasst worden seien. Weil der Zeitreihenvergleich auf betrieblichen Daten beruhe, sei er einer Richtsatzschätzung grundsätzlich überlegen. Er lasse kaum Raum für Zweifel an der unzutreffenden Verbuchung der Erlöse. Grundlage der Hinzuschätzungen seien aber auch in diesem Fall nicht Schwarzeinkäufe, sondern die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.
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Die Kläger hätten sich auf die Aufzählung möglicher Unsicherheiten dieser Schätzungsmethode beschränkt, aber nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen der bei ihnen konkret durchgeführte Zeitreihenvergleich zu falschen Ergebnissen geführt habe. Die Schätzung sei hinreichend begründet worden; alle Berechnungen seien den Klägern zur Verfügung gestellt worden. Die Verteilung des Warenendbestands sei Gegenstand mehrerer Besprechungen gewesen. Da es sich um betriebliche Daten handele, sei es an den Klägern, etwaige Einwendungen zu substantiieren.
Entscheidungsgründe
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II.Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 21
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Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass wegen vorhandener Mängel in der Buchführung des Klägers dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis besteht (dazu unten 1.). Der Zeitreihenvergleich weist allerdings im Vergleich zu anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden besondere Problembereiche auf (dazu unten 2.), die seine Anwendbarkeit sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Übernahme des sich aus einem Zeitreihenvergleich ergebenden "Mehrergebnisses" als Betrag der Hinzuschätzung der Höhe nach einschränken (unten 3.). Diese Einschränkungen hat das FG im Streitfall nicht in vollem Umfang beachtet (unten 4.), so dass die Sache an die Vorinstanz zurückgehen muss (unten 5.).
- 22
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1. Das FA --und über § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auch das FG-- war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO zur Schätzung befugt, weil die Buchführung des Klägers der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann.
- 23
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a) Das FG hat die folgenden formellen Buchführungsmängel festgestellt, deren Vorliegen mittlerweile zudem zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die allerdings von unterschiedlichem Gewicht sind:
- 24
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aa) Die Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons für die Zeit vom 1. Januar bis zum 16. März 2001 ist ein formeller Mangel, der --bezogen auf diesen Zeitraum-- grundsätzlich als gravierend anzusehen ist, da die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht gesichert ist. Zwar konnten den Klägern konkrete Einnahmenverkürzungen nicht nachgewiesen werden. Sie haben ihre Behauptung, es handele sich um --für das Buchführungsergebnis unbeachtliche-- Leerbons, aber ebenfalls nicht belegen können.
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bb) Die fehlende Datierung der Tagesendsummenbons des Jahres 2003 ist unter den Umständen des Streitfalls hingegen nur als eher geringfügiger formeller Mangel anzusehen. Die Bons sind lückenlos nummeriert, so dass sich daraus zumindest ihre zeitliche Reihenfolge zwingend ergibt. Der Kläger hat in seinen Aufzeichnungen die aufeinander folgenden Bons den aufeinander folgenden Öffnungstagen des Betriebs im Jahr 2003 zugeordnet. Zweifel an der Richtigkeit dieser Zuordnung hat auch das FA nicht vorgebracht.
- 26
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cc) Auch das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stellt einen formellen Mangel dar. Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie insbesondere die Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO als "sonstige Organisationsunterlagen" aufbewahrungspflichtig. Dies hat die Finanzverwaltung schon lange vor den Streitjahren vertreten (z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 7. November 1995, BStBl I 1995, 738, Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996, BStBl I 1996, 34; zeitlich nach den Streitjahren auch BMF-Schreiben vom 26. November 2010, BStBl I 2010, 1342, und vom 14. November 2014, BStBl I 2014, 1450, Tz 111). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147 AO Rz 9, 26).
- 27
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Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bisher allerdings keine Gelegenheit, sich zu dem Gewicht dieses Mangels zu äußern. Der erkennende Senat vertritt hierzu die Auffassung, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichsteht. In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre. Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar; von derartigen Manipulationsmöglichkeiten machen Teile der betrieblichen Praxis nach dem Erkenntnisstand des Senats durchaus Gebrauch (zu einem solchen Fall z.B. Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 7. Januar 2015 5 V 2068/14; vgl. zum Ganzen auch Tz. 54 der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, BTDrucks 15/2020, 197 f.). Es ist daher von erheblicher Bedeutung, dass ein Betriebsprüfer --und ggf. auch ein FG-- sich davon überzeugen kann, wie die Kasse im Zeitpunkt ihrer Auslieferung und Inbetriebnahme programmiert war, sowie ob bzw. in welchem Umfang nach der Inbetriebnahme der Kasse spätere Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Für den Steuerpflichtigen überschreitet der mit der Dokumentation verbundene Aufwand die Grenze des Zumutbaren nicht. Beim Erwerb der Kasse kann er vom Verkäufer die Übergabe von Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen verlangen. Die Dokumentation späterer Umprogrammierungen verursacht jedenfalls einen geringeren Aufwand als die Umprogrammierung selbst.
- 28
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Das Gewicht dieses Mangels tritt allerdings zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.
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dd) Keine sichere Grundlage bietet das angefochtene Urteil hingegen für die Beurteilung der Frage, welches Gewicht dem Fehlen von Kassenberichten für die Thekenkasse zukommt. Grundsätzlich ist die nur rechnerische Führung einer offenen Ladenkasse, die keine Kassensturzfähigkeit gewährleistet, als ein gravierender Mangel zu bewerten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12), der schon für sich genommen auch ohne Nachweis einer konkreten materiellen Unrichtigkeit zu Hinzuschätzungen berechtigen würde. Allerdings hat das FG für das Jahr 2002 --in dem hinsichtlich der Thekenkasse dieselben Mängel bestanden wie für die Jahre 2001 und 2003-- auf Bl. 17 des Urteils ausdrücklich das Vorliegen von Buchführungsmängeln verneint und insoweit der Klage stattgegeben (auf Bl. 13 Abs. 2 des Urteils heißt es demgegenüber noch, die Kassenführung genüge "hinsichtlich der Streitjahre 2001 bis 2003" nicht den Anforderungen). Damit bleibt unklar, welche Bedeutung das FG den --vom Betriebsprüfer ohnehin nicht erwähnten-- Mängeln bei der Führung der Thekenkasse zugemessen hat. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, dass das FG diesem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.
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ee) Ob die Speisekarte des Jahres 2001 im Streitfall gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig war, kann anhand der Feststellungen des FG ebenfalls nicht beurteilt werden. Speisekarten sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht generell aufbewahrungspflichtig, sondern nur dann, wenn sie zum Verständnis und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (ausführlich hierzu BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 26 ff.). Ob diese Voraussetzung im Betrieb des Klägers erfüllt war, hat das FG nicht festgestellt. Letztlich kommt es auf diese Frage im Streitfall aber nicht an, da jedenfalls die übrigen festgestellten formellen Mängel für die Bejahung einer Schätzungsbefugnis ausreichen (dazu noch unten c).
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b) Konkrete materielle Mängel der Kassenbuchführung, insbesondere der Einnahmenerfassung, hat das FG nicht festgestellt.
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Zwar stellt die fehlende Inventur für sich genommen einen materiellen Mangel dar, da der in der Buchführung ausgewiesene --offenbar lediglich griffweise geschätzte-- Betrag des Warenendbestands nicht dem tatsächlichen Wert der vorhandenen Waren entspricht und dadurch zugleich der Jahresgewinn verfälscht wird (vgl. zum Gewicht dieses Buchführungsmangels einerseits BFH-Urteil vom 14. Dezember 1966 VI 245/65, BFHE 87, 616, BStBl III 1967, 247; andererseits BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 109/70, BFHE 117, 224, BStBl II 1976, 210). Für die im vorliegenden Verfahren allein entscheidungserhebliche Frage der Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung (Vollständigkeit der Einnahmenerfassung) ist dieser materielle Mangel indes ohne Bedeutung, da die Unrichtigkeit des Warenendbestands keine Wechselwirkung mit der Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen aufweist.
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c) Aufgrund der festgestellten formellen Mängel entspricht die Buchführung des Klägers nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO, so dass ihr nicht die Beweiskraftwirkung des § 158 AO zukommt. Dies würde nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO bereits zur Schätzung berechtigen.
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Allerdings berechtigen formelle Buchführungsmängel nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34). Dies ist vorliegend der Fall. Das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse ist --wie dargestellt-- als gewichtiger Mangel anzusehen, der den gesamten Streitzeitraum betrifft. Dass die Registrierkasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, hat der Kläger nicht dargelegt. Für einen Teil des Jahres 2001 kommt noch das Fehlen eines Teils der Tagesendsummenbons als ebenfalls gewichtiger Mangel hinzu.
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2. Zwar waren FA und FG danach im Streitfall zur Schätzung befugt. Die von ihnen gewählte Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs (zur Beschreibung dieser Methode unten a) ist allerdings sowohl unter methodischen Aspekten (dazu unten b) als auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten (unten c) nicht unproblematisch.
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a) Der Zeitreihenvergleich stellt im Grundsatz eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode dar; er ist dem Bereich der Strukturanalysen zuzurechnen (grundlegend zur Nutzung von Strukturanalysen in der Außenprüfung unter besonderer Berücksichtigung des Zeitreihenvergleichs Huber, Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2002, 199, 233, 258, 293; Wähnert, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 2774; Rau, Statistisch-mathematische Methoden der steuerlichen Betriebsprüfung und die Strukturanalyse als ergänzende Alternative, Köln 2012; speziell zum Zeitreihenvergleich Högemann, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2000, 585; Wiggen, StBp 2008, 168; Vogelsang, BP-Handbuch, München 2008, I Rz 33 ff.; Brinkmann, Schätzungen im Steuerrecht, Berlin 2015, S. 278 ff.).
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Prinzipiell sind zahlreiche Varianten eines Zeitreihenvergleichs denkbar. Die im vorliegenden Verfahren angewendete Methode stellt jedoch ausweislich der recht großen Zahl der hierzu ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen die Standardherangehensweise der Finanzverwaltung dar (zu weiteren Varianten des Zeitreihenvergleichs vgl. Schumann/Wähnert, Steuerberatung 2012, 535). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass für jede Woche eines Kalenderjahres sowohl der wöchentliche Wareneinsatz als auch der Betrag der wöchentlichen Einnahmen ermittelt wird. Aus dem Vergleich dieser beiden Größen ergibt sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz. Die Finanzverwaltung sieht nun den höchsten Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum des Kalenderjahres ergibt, als maßgebend für das Gesamtjahr an. Da in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen in aller Regel keine Daten vorhanden sind, aus denen sich die wöchentlichen Wareneinsätze entnehmen ließen, versucht die Finanzverwaltung, diese Größen im Wege der Schätzung aus einer Verteilung der aus den Eingangsrechnungen ersichtlichen Wareneinkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Ware zu gewinnen. Ferner wird der Wareneinkauf um Personalbeköstigungen, Waren-Sachentnahmen und Warenbestandsveränderungen bereinigt.
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b) Der Zeitreihenvergleich weist gegenüber anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden einige technisch bedingte Besonderheiten auf, die zumindest eine vorsichtige Interpretation seiner Ergebnisse gebieten.
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aa) Auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung führt ein Zeitreihenvergleich denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, da der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres auf den Wareneinsatz für das gesamte Jahr angewendet wird. Weil eine absolute Konstanz der wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätze in der Praxis auch bei Betrieben mit relativ geringer Lagerhaltung nicht vorkommt, muss der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres denknotwendig über dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Gesamtjahres liegen, selbst wenn dieser sich aus einer zutreffenden Buchführung ergibt (ebenso bereits FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004 8 V 3055/04 G, EFG 2004, 1810, rechtskräftig). Andere Schätzungsmethoden (z.B. Aufschlagkalkulation, Geldverkehrsrechnung) weisen diese systembedingte Besonderheit nicht auf, da sie das Ergebnis einer zutreffenden Buchführung im Regelfall bestätigen --nicht aber widerlegen-- werden.
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Daraus folgt, dass die vom FA in den Vordergrund seiner Argumentation gestellte Eignung des Zeitreihenvergleichs zur Feststellung von Doppelverkürzungen sowohl dem Grunde nach als auch zur Ermittlung ihres Umfangs der Höhe nach nicht frei von Zweifeln ist:
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(1) Übersteigt der höchste Rohgewinnaufschlagsatz einer Zehn-Wochen-Periode den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres, steht allein mit diesem Befund grundsätzlich noch nicht mit der für eine Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderlichen Sicherheit fest, dass die rechnerische Differenz gerade auf dem Verschweigen von Erlösen beruht. Vielmehr lässt sich bei einem solchen Ergebnis --ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte-- zunächst einmal nicht ausschließen, dass es durch die dargestellte methodische Besonderheit des Zeitreihenvergleichs hervorgerufen sein könnte. Soweit das FA --und sinngemäß wohl auch das FG-- die Auffassung vertritt, ein sich aufgrund eines Zeitreihenvergleichs ergebendes Mehrergebnis lasse "kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse nicht richtig verbucht seien" (ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2007 16 V 4691/06 A(E,U,F), EFG 2007, 814, rechtskräftig, unter II.2.d, und Urteil vom 20. März 2008 16 K 4689/06 E,U,F, EFG 2008, 1256, rechtskräftig, unter 3.d), kann der Senat dem daher nicht folgen.
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(2) Auch auf der anderen Seite des Spektrums möglicher Manipulationen dürfte eine Verprobung mittels eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen geeignet sein, jedenfalls den Einsatz einer technisch fortgeschrittenen Manipulationssoftware aufzudecken. Vielmehr ist eine derartige Software durchaus in der Lage, das Verhältnis zwischen den manipulierten Wareneinkäufen und den Erlösen so zu gestalten, dass die Rohgewinnaufschlagsätze auch im Wochenvergleich nur in einem Rahmen schwanken, der von Betriebsprüfern üblicherweise noch für plausibel gehalten wird.
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(3) Ein empirischer Nachweis der Eignung dieser Verprobungsmethode zur sicheren Aufdeckung von Steuerverkürzungen --insbesondere der mit anderen Methoden nur schwer aufzudeckenden sog. "Doppelverkürzungen" sowohl der Wareneinkäufe als auch der Erlöse-- ist nach dem Kenntnisstand des Senats bisher nicht geführt worden. Insbesondere ist in den bisher von den Finanzgerichten veröffentlichten Entscheidungen allein aus einer sich mittels eines Zeitreihenvergleichs ergebenden Hinzuschätzung in keinem Fall ausdrücklich darauf geschlossen worden, dass der Steuerpflichtige Doppelverkürzungen begangen hat. Das FA hat in seiner Revisionserwiderung zwar --ohne Angabe von Nachweisen-- angeführt, der Zeitreihenvergleich werde von Wirtschaftsprüfern bereits langjährig zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Welchem Ziel diese Analysen dienen sollen und wie die Belastbarkeit ihrer Ergebnisse von den beteiligten Fachkreisen eingeschätzt wird, hat es aber nicht vorgetragen.
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bb) Zudem werden die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang durch mathematische "Hebelwirkungen" beeinflusst.
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(1) Dies verdeutlicht im Streitfall beispielhaft eine Betrachtung der Verhältnisse des Jahres 2001: Hier war für das FA und FG der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 23 bis 32 maßgebend. Dabei ergaben sich vor allem für die beiden am Ende dieser Zehn-Wochen-Periode liegenden Kalenderwochen 31 und 32 sehr hohe rechnerische Rohgewinnaufschlagsätze (412 % bzw. 360 %), die damit zugleich auch den Zehn-Wochen-Durchschnitt in die Höhe trieben. Zöge man stattdessen die Kalenderwochen 21 bis 30 heran, würde sich lediglich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von 209,60 % ergeben (statt der vom FA und FG herangezogenen 241,54 %). Hier hätte also bereits eine Verschiebung des Betrachtungszeitraums um nur zwei Wochen erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung.
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(2) Für das Streitjahr 2003 hat sich der Zeitraum von der 28. bis zur 37. Kalenderwoche vor allem wegen der zu Beginn dieses Zeitraums liegenden 28. Kalenderwoche als Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres dargestellt (263,42 %). Für diese 28. Kalenderwoche ergibt sich wegen eines recht geringen Wareneinkaufs ein rechnerischer Rohgewinnaufschlagsatz von 340,68 %. Ordnet man demgegenüber den Wareneinkauf der Vorwoche (27. Kalenderwoche: 1.552,46 €) zu 50 % der 28. Kalenderwoche zu, ergäbe sich die folgende Berechnung:
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neuer Wareneinsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 14.030,65 € + 50 % von 1.552,46 € = 14.806,88 €
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neuer Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 244,37 %
-
Brutto-Hinzuschätzung: 31.752,96 € (statt 45.728,46 €; d.h. 31 % weniger als bisher).
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Dies zeigt, dass bereits eine Veränderung in der Zuordnung der Einkäufe nur einer einzigen Woche erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Zehn-Wochen-Periode hat. Noch größere Auswirkungen würden sich an dieser Stelle zeigen, wenn der außergewöhnlich hohe Wareneinkauf der 26. Kalenderwoche (2.807,88 €) beispielsweise zu 1/3 der 28. Kalenderwoche zugeordnet würde.
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(3) Nun ist dem Senat durchaus bewusst, dass der Zeitreihenvergleich gerade darauf basiert, das höchste --und nicht etwa das zweit- oder dritthöchste oder ein noch anderes-- Ergebnis aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres als maßgebend für das Gesamtjahr anzusehen. Die aufgezeigte Hebelwirkung insbesondere hoher rechnerischer Wochen-Rohgewinnaufschlagsätze am Anfang oder Ende des herausgegriffenen Zehn-Wochen-Zeitraums macht aber deutlich, wie wesentlich die sorgfältige Ermittlung der Schätzungsgrundlagen --vor allem des Wareneinkaufs und seiner Verteilung zum Zwecke der Gewinnung des Wareneinsatzes-- gerade am Anfang und am Ende dieses Zeitraums für eine methodisch korrekte Durchführung eines Zeitreihenvergleichs ist (dazu noch unten 3.c; vgl. hierzu auch Beschluss des FG Münster vom 11. Februar 2000 9 V 5542/99 K,U,F, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 549, rechtskräftig). Dabei ist hinsichtlich des systematischen Verständnisses des Zeitreihenvergleichs darauf hinzuweisen, dass der --für diese Schätzungsmethode grundlegende-- Wareneinsatz eben nicht den eigenen Buchführungsdaten des Steuerpflichtigen entnommen wird, sondern diese Größe im Wege der mehr oder weniger ungenauen Schätzung aus einer Verteilung des Wareneinkaufs abgeleitet wird (ebenso bereits zutreffend FG Köln, Urteil vom 27. Januar 2009 6 K 3954/07, EFG 2009, 1092, rechtskräftig, unter II.3.). Anders wäre es nur, wenn der gesamte Warenbestand durch ein ausgefeiltes Warenwirtschaftssystem verwaltet würde, was in den meisten Betrieben der "Bargeldbranche" aber nicht der Fall ist.
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c) Auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs der Steuerpflichtigen auf einen effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) ist der Zeitreihenvergleich nicht frei von methodenspezifischen Bedenken. Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung --insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung-- möglich ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 24). Dabei müssen sowohl die Kalkulationsgrundlage --und damit auch die spezifischen Daten, auf denen der Zeitreihenvergleich basiert-- als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 2.b, und vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 4.c).
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aa) Für die Steuerpflichtigen, ihre Berater und auch die Finanzgerichte sind die Ergebnisse mathematisch-statistischer Methoden, zu denen auch der Zeitreihenvergleich gehört, wegen der dabei anfallenden umfangreichen Datenmengen nur beschränkt nachprüfbar. So umfasst im Streitfall allein die vom Betriebsprüfer erstellte --und für die Richtigkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs grundlegende-- Aufgliederung der Wareneinkäufe bereits für den relativ kleinen Betrieb des Klägers und nur für das Streitjahr 2001 eine Excel-Tabelle mit ca. 1 100 Zeilen zu je 10 Spalten, d.h. insgesamt ca. 11 000 Eintragungen. Die Nachvollziehbarkeit dieser Datenaufbereitung des Prüfers wird noch dadurch erschwert --bzw. in Teilbereichen sogar ausgeschlossen--, dass die Tabelle weder chronologisch noch nach den einzelnen Lieferanten geordnet ist. Für das Gericht ist daher weder nachprüfbar, ob der Prüfer den Wareneinkauf zutreffend auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, noch ist --hier mit Ausnahme allenfalls des Biereinkaufs-- erkennbar, ob sich bestimmte Einkaufsmuster im Betrieb des Klägers regelmäßig wiederholen oder nicht.
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Hinzu kommt, dass das FA im Streitfall noch nicht einmal das vollständige Zahlenwerk vorgelegt hat. Insbesondere ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, wie der Prüfer den sich aus den Eingangsrechnungen ergebenden Wareneinkauf auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, obwohl vor allem dieser Punkt zwischen den Beteiligten umstritten ist. Gerade die Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer --bzw. durch die eingesetzte Software-- wird im Regelfall aber den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen. Die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vom Prüfer notwendigerweise vorgenommenen Wertungen --Datenmaterial zur wochenweisen Verteilung des Wareneinsatzes existiert im Betrieb in aller Regel nicht, zumal es keine gesetzliche Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Aufzeichnungen gibt-- ist für den Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung, um Fehler oder Unsicherheiten in der vom Prüfer vorgenommenen Verteilung aufzeigen zu können. Derartige Fehler können --insbesondere wenn sie dem Prüfer am Anfang oder Ende der von ihm herausgegriffenen Zehn-Wochen-Periode unterlaufen-- aufgrund des aufgezeigten mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren. Auch für das Gericht ist der Einblick in den Verteilungsvorgang wesentlich, um Erkenntnisse über die Größenordnung der im konkreten Fall anzunehmenden Fehlermarge des Zeitreihenvergleichs zu gewinnen.
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bb) Die Finanzbehörde versetzt sich durch die Anwendung solcher mathematisch-statistischer Methoden aufgrund des ihnen innewohnenden Datenüberschusses daher in eine gewisse technisch-rechnerische Überlegenheit gegenüber dem Steuerpflichtigen. Dieser steht nun --jedenfalls nach Auffassung der Verwaltung-- in der Pflicht, "Auffälligkeiten" in den Ergebnissen des Zahlenwerks zu erklären bzw. zu widerlegen, verfügt aber, ohne dass ihm dies rechtlich vorzuwerfen wäre, möglicherweise gar nicht über das umfangreiche Zahlenmaterial --oder auch über das statistisch-methodische Wissen--, das erforderlich wäre, um eine sachgerechte Analyse der Datenmengen vornehmen zu können.
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cc) Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass in Fällen der Anwendung eines Zeitreihenvergleichs die Finanzämter häufig schon ihre Darlegungspflichten nicht erfüllen, indem sie den Steuerpflichtigen und Finanzgerichten nicht alle Daten zur Verfügung stellen, die für eine vollständige Überprüfung des Zahlenwerks erforderlich sind. Auf der anderen Seite verbleiben aber selbst bei vollständiger Aufdeckung des Zahlenwerks rechtsstaatliche Bedenken, da die dann gelieferten Datenmengen so groß sind, dass eine grundlegende Überprüfung durch die Gerichte kaum zu leisten sein dürfte.
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3. Aus diesen Befunden --so sensibel sie unter den aufgezeigten Aspekten der folgerichtigen Methodik und des effektiven Rechtsschutzes sein mögen-- folgt für den Senat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes allerdings nicht das Ergebnis, die Methode des Zeitreihenvergleichs grundsätzlich zu verwerfen. Vielmehr besteht auf Seiten der Finanzverwaltung ein durchaus nachvollziehbares Bedürfnis, moderne Prüfungsmethoden --zu denen in geeigneten Fällen auch mathematisch-statistische Methoden gehören können-- einzusetzen. Denn auch umgekehrt verschafft sich ein Teil der Steuerpflichtigen durch ausgefeilt geplante Doppelverkürzungen und/oder den Einsatz von Manipulationssoftware, die die Aufdeckungsmöglichkeiten herkömmlicher Prüfungsmethoden minimieren, technische Vorteile gegenüber der Finanzverwaltung (vgl. dazu bereits oben 1.a cc). Hierauf darf und muss die Außenprüfung im Interesse der Wahrung der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) reagieren, und zwar auch im Wege der Entwicklung und Anwendung neuartiger Prüfungsmethoden.
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Die aufgezeigten Problembereiche lassen allerdings erkennen, dass der Zeitreihenvergleich für bestimmte Betriebstypen oder bestimmte betriebliche Situationen schon dem Grunde nach keine geeignete Schätzungsmethode darstellt (dazu unten a). Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach als geeignete Methode anzusehen ist, sind seine Ergebnisse --in Abhängigkeit vom Grad der Fehlerhaftigkeit der Buchführung des Steuerpflichtigen und vom Umfang der im jeweiligen Einzelfall in Bezug auf die vollständige Erfassung der Erlöse vorliegenden sonstigen Erkenntnisse-- ggf. nur eingeschränkt für die Höhe der Hinzuschätzung zu übernehmen (unten b). In jedem Fall ist wegen der erheblichen Hebelwirkung methodischer Fehler, die bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs unterlaufen, auf eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen zu achten (unten c).
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a) Bei bestimmten Betriebstypen oder in bestimmten betrieblichen Situationen scheidet der Zeitreihenvergleich schon dem Grunde nach als geeignete Schätzungsmethode aus. So basiert er entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb des Steuerpflichtigen das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum --der allerdings nicht notwendig ein volles Kalenderjahr umfassen muss (z.B. bei Saisonbetrieben)-- weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitgehenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft.
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Auch darf es im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die --nicht anderweitig behebbare-- wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.
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Diese Einschränkungen sind --abstrakt gesehen-- weitestgehend unstreitig und werden, soweit für den Senat ersichtlich, von der Finanzverwaltung im Allgemeinen auch schon bisher bei der Anwendung dieser Verprobungsmethode beachtet.
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b) Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach eine geeignete Verprobungsmethode darstellt, kann er gleichwohl gegenüber anderen Methoden nachrangig sein bzw. können seine Ergebnisse nur unter Beachtung der nachfolgend (unter aa bis cc) dargestellten Abstufungen der Schätzung zugrunde gelegt werden.
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Rechtliche Grundlage dieser Einschränkungen ist die Vorschrift des § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Wahlfreiheit des FA bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, unter 1.c). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des FA bzw. FG (vgl. BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b). Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig.
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Darin liegt keine Abweichung von der --vom FA angeführten-- Rechtsprechung, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. März 2005 X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a, und vom 27. Januar 2009 X B 28/08, BFH/NV 2009, 717, unter 3.b). Denn dies lässt die Geltung der Grundsätze für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unberührt. Im Übrigen betrafen diese Entscheidungen Fälle, in denen der Steuerpflichtige begehrte, das Ergebnis einer ordnungsgemäß angewendeten Schätzungsmethode durch Anwendung einer anderen, jedoch nicht vorrangigen oder besser geeigneten Methode zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b, und in BFH/NV 2009, 717, unter 3.b: keine Überprüfung einer Aufschlagkalkulation durch eine Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung erforderlich; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a: keine Überprüfung einer Geldverkehrsrechnung durch eine Nachkalkulation erforderlich). Darum geht es vorliegend indes nicht.
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aa) Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder --wie in dem Fall, der dem Urteil des FG Köln in EFG 2009, 1092 zugrunde lag-- nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit geführt werden. Diese Einschränkung ist notwendige Folge des Befunds, dass ein Zeitreihenvergleich auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung stets zu einem rechnerischen "Mehrergebnis" führen wird, ein solches rechnerisches Mehrergebnis allein also kein hinreichendes Indiz für eine unvollständige Erfassung von Einnahmen darstellen kann (dazu oben 2.b aa). Schon die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung nur entkräftet ist, wenn das FA nachweist, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann; an die Methodik einer solchen Schätzung sind wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als in Fällen, in denen wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin eine Schätzung der Einnahmen durchgeführt werden muss (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719, unter 2. vor a).
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bb) Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen --so ist der Streitfall nach den Feststellungen des FG gelagert--, ist das FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zwar dem Grunde nach zur Vornahme von Hinzuschätzungen berechtigt, weil die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO nicht gilt. Allein die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs lassen aufgrund der dieser Verprobungsmethode innewohnenden methodenbedingten Unsicherheiten aber noch keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen und den Umfang auch materieller Unrichtigkeiten der Buchführung zu.
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In diesen Fällen sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen (z.B. Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung, Aufschlagkalkulation) grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden --etwa wegen fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen oder eines zu hohen Grades an Komplexität seiner betrieblichen oder sonstigen finanziellen Verhältnisse-- nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden.
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Diese Ergebnisse sind vom FA und FG aber --auch von Amts wegen-- stets auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen, soweit diese bekannt sind (ebenso Schuster in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 158 AO Rz 17). Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des "Mehrergebnisses" hinausgeht, das sich rechnerisch bei Anwendung des höchsten Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes darstellt.
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cc) Steht hingegen bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist (z.B. nicht gebuchte Wareneinkäufe, nachweislich unversteuerte Betriebseinnahmen, rechnerische Kassenfehlbeträge usw.), und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit der Buchführung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist.
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c) Hinsichtlich seiner technischen Durchführung setzt der Zeitreihenvergleich als mathematisch-statistische Methode eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen (Ausgangsparameter) voraus, zumal schon nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für sie von Bedeutung sind. Jedenfalls die Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten durch den Prüfer muss frei von Fehlern sein. Zwar gehen auch bei dieser Schätzungsmethode Unsicherheiten, die auf unzureichenden Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen beruhen, zu dessen Lasten (allgemein hierzu BFH-Urteil in BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Da solche Unsicherheiten aber aufgrund der dem Zeitreihenvergleich innewohnenden Hebelwirkung erheblich verstärkt auf das Schätzungsergebnis "durchschlagen", ist in derartigen Fällen auch dann, wenn die Unsicherheiten auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen beruhen, jedenfalls eine Plausibilitätsprüfung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs vorzunehmen, die sich nicht allein auf einen summarischen Vergleich mit den amtlichen Richtsätzen beschränken darf.
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Ferner wird das Zahlenwerk des Prüfers im Regelfall die Umschlaghäufigkeit der einzelnen Waren bzw. Warengruppen erkennen lassen müssen. Dies ist erforderlich, um eine hinreichend tragfähige Einschätzung zu gewinnen, ob die Grundvoraussetzung für die sinnvolle Durchführung eines Zeitreihenvergleichs --eine zu vernachlässigende bzw. zumindest hinreichend konstante Lagerhaltung-- erfüllt ist. Auch muss der vorhandene Warenbestand in sachgerechter Weise, die vor allem die Besonderheiten des geprüften Betriebs berücksichtigt, in die Betrachtung einbezogen werden.
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Sollten die vorstehenden Anforderungen im Einzelfall nicht beachtet werden können, ist zumindest eine Vergleichsrechnung (Sensitivitätsanalyse) anzustellen. Diese muss verdeutlichen, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern --vor allem solche Unsicherheiten, die darauf beruhen, dass der Zeitreihenvergleich auf einem Vergleich der wöchentlichen Wareneinsätze beruht, zu deren exakter Ermittlung der Steuerpflichtige aber von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist-- auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können. Eine solche Sensitivitätsanalyse gehört dann, wenn sie durch vorhandene Unsicherheiten geboten ist, bereits zu den formellen Anforderungen, die an die technisch korrekte Durchführung des Zeitreihenvergleichs zu stellen sind. Sie ist daher vom FA von Amts wegen durchzuführen und vorzulegen, damit der Steuerpflichtige, sein Berater, das FG, aber auch das FA selbst den Umfang der im Einzelfall möglichen Fehlermarge einschätzen können. Allerdings ist das FA --in Abhängigkeit vom Gewicht der formellen und der schon ohne den Zeitreihenvergleich zutage tretenden materiellen Mängel der Buchführung des Steuerpflichtigen-- nicht gehalten, sein Schätzungsergebnis stets an der zugunsten des Steuerpflichtigen äußersten Grenze der Fehlermarge zu orientieren.
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4. Im Streitfall hat das FG bei seiner Entscheidung nicht alle rechtlichen Anforderungen beachtet, die an die Anwendung und Durchführung eines Zeitreihenvergleichs zu stellen sind.
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a) Das FG hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die (erneute) Eröffnung des Betriebs des Klägers im Jahr 2003 als Änderung in der Betriebsstruktur anzusehen ist, die wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringt (vgl. die Ausführungen oben 3.a).
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aa) Insbesondere der Umstand, dass im Zeitpunkt der Betriebseröffnung ausweislich der vom Betriebsprüfer zugrunde gelegten Zahlen kein Warenbestand vorhanden war, hätte Anlass geben müssen, die Eignung des Zeitreihenvergleichs im konkreten Fall --zumindest aber die vom FA vorgenommene gleichmäßige Verteilung des Aufbaus des zum ersten folgenden Bilanzstichtag vorgefundenen Warenendbestands auf sämtliche Kalenderwochen zwischen der Betriebseröffnung und dem Jahresende-- einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Dass die Art und Weise der Verteilung des Warenbestandsaufbaus von erheblicher Bedeutung für das Ergebnis des Zeitreihenvergleichs ist, folgt schon aus dem Umstand, dass der (geschätzte) Warenendbestand von 10.800 € sich auf immerhin 13 % des gesamten Wareneinsatzes von 84.858,93 € beläuft. Ein Unsicherheitsfaktor im Umfang von 13 % des Wareneinsatzes kann aufgrund der erheblichen Hebelwirkung dieses Berechnungsfaktors aber zu Schwankungsbreiten der einzelnen Wochenwerte führen, die die Verwertbarkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs insgesamt in Frage stellen.
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Zwar ist die unterbliebene Inventur als eine Verletzung von Mitwirkungspflichten anzusehen, aus der der Kläger grundsätzlich keine Vorteile ziehen darf. Hinsichtlich der Verteilung des Warenbestandsaufbaus auf die einzelnen Wochen des Jahres gibt es jedoch keine besonderen Aufzeichnungs- oder sonstige Mitwirkungspflichten. FA und FG sind daher auch im Falle des pflichtwidrigen Unterlassens einer Inventur gehalten, den in der Bilanz ausgewiesenen Warenendbestand im Rahmen der Durchführung eines Zeitreihenvergleichs nach sachgerechten Kriterien auf die einzelnen Wochen des Jahres zu verteilen.
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bb) Bei Betrachtung des --vom FG festgestellten und daher für den erkennenden Senat revisionsrechtlich in vollem Umfang verwertbaren-- Zahlenwerks des vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleichs springt ins Auge, dass die vom Betriebsprüfer ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze für die ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung sehr niedrig sind. Dies deutet darauf hin, dass bereits in diesen Wochen ein erheblicher Teil des Warenbestands aufgebaut wurde. Eine solche Annahme erscheint auch in tatsächlicher Hinsicht als durchaus plausibel, zumal die vom FA und FG zugrunde gelegte abweichende Auffassung, der Warenbestand sei während des Jahres gleichmäßig bis zum Erreichen des in der Bilanz ausgewiesenen Endbestands angewachsen, für die ersten Wochen nach Betriebseröffnung zu Ergebnissen führen würde, die nicht realitätsgerecht erscheinen. So hätte der Kläger z.B. in der ersten Woche nach der Betriebseröffnung mit einem Warenbestand im Wert von lediglich 245 € wirtschaften und auskommen müssen, was --insbesondere angesichts der von der Kundschaft eines Gastronomiebetriebs dieser Art erwarteten Auswahl zwischen verschiedenen Alkoholika-- auszuschließen sein dürfte. Wird aber ein größerer Teil des Warenbestandsaufbaus als bisher den ersten Wochen nach der Betriebseröffnung zugeordnet, würden die --sehr niedrigen-- vom Prüfer für diesen Zeitraum errechneten Rohgewinnaufschlagsätze steigen. Korrespondierend dazu würden sich die Rohgewinnaufschlagsätze sämtlicher Folgewochen --darunter auch die Werte in den vom FA herangezogenen Kalenderwochen 28 bis 37-- entsprechend mindern, was einen unmittelbaren und erheblichen Einfluss auf das Schätzungsergebnis hätte.
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cc) Werden nun beispielsweise 70 % des gesamten Warenbestandsaufbaus den ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung zugeordnet und die verbleibenden 30 % des Bestandsaufbaus gleichmäßig auf die restlichen Wochen des Jahres 2003 verteilt --was zwar ebenfalls eine Sachverhaltsunterstellung und damit eine Schätzung darstellt, die aber deutlich realitätsnäher sein dürfte als die vom FA und FG vorgenommene Verteilung--, ergibt sich die folgende Neuberechnung:
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(1) Der Betriebsprüfer hat für die ersten zehn Wochen nach der Betriebseröffnung (Kalenderwochen 10 bis 19/2003) einen Wareneinsatz von 19.536,01 € zugrunde gelegt. Im Wege des Vergleichs mit den in diesen Wochen erzielten Einnahmen (45.019,02 €) hat er einen Zehn-Wochen-Durchschnitts-Rohgewinnaufschlagsatz von 130,44 % ermittelt (45.019,02 € ÷ 19.536,01 € ./. 100 %). Bei Ermittlung des genannten Wareneinsatzes hat der Prüfer einen Warenbestandsaufbau im Umfang von 10 x 245,45 € (insgesamt 2.454,50 €) mindernd berücksichtigt. Ohne Minderung um den verteilten Warenendbestand hätte sich der Wareneinsatz der Kalenderwochen 10 bis 19/2003 daher auf 21.990,51 € belaufen.
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(2) Für den Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz (Kalenderwochen 28 bis 37/2003) hat der Prüfer einen Wareneinsatz von 14.030,65 € sowie Einnahmen von 50.990,05 € ermittelt. Daraus ergab sich der für das Gesamtjahr zugrunde gelegte höchste Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %. Ohne Minderung um den gleichmäßig auf alle Wochen des Jahres verteilten Warenendbestand (2.454,50 €) hätte der Wareneinsatz sich auf 16.485,15 € belaufen.
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(3) Werden nun 70 % des gesamten Warenbestandsaufbaus des Jahres auf die ersten zehn Kalenderwochen verteilt, ist insoweit ein Betrag von 7.560 € zu berücksichtigen (70 % von 10.800 €). Der Wareneinsatz dieser Periode würde sich auf 14.430,51 € belaufen (21.990,51 € unbereinigter Wareneinsatz ./. 7.560 € Warenbestandsaufbau). Angesichts der aufgezeichneten Einnahmen von 45.019,02 € ergibt sich ein Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatz von 211,97 %. Dieser Wert erscheint erheblich plausibler als der vom Prüfer ermittelte --im Jahresvergleich äußerst geringe-- Wert von 130,44 %, für den weder das FA noch das FG eine Erklärung angeführt haben.
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(4) Die verbleibenden 30 % (3.240 €) des Warenbestandsaufbaus sind nun auf die Kalenderwochen 20 bis 53/2003 zu verteilen (34 Wochen, d.h. 95,29 € pro Woche). Der Wareneinsatz für die Kalenderwochen 28 bis 37/2003 beläuft sich danach auf 15.532,25 € (16.485,15 € unbereinigter Wareneinsatz ./. 10 x 95,29 € Warenbestandsaufbau). Bei Einnahmen von 50.990,05 € ergibt sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 228,29 %. Dieser Wert stellt zwar immer noch den höchsten aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres 2003 dar, liegt aber deutlich unterhalb des vom FA und FG angenommenen Wertes von 263,42 %.
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(5) Der Betrag des rechnerischen Brutto-"Mehrergebnisses" für das Jahr 2003 würde sich damit schon allein aufgrund dieser einzelnen Korrektur von 45.728,46 € auf 19.955,32 € --also um über 56 %-- mindern.
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b) Das FG hat ferner offensichtliche Fehler im Zahlenwerk des Betriebsprüfers unbeanstandet gelassen, obwohl die Durchführung des Zeitreihenvergleichs zwingend eine fehlerfreie Übernahme der vorhandenen Buchhaltungsdaten erfordert (vgl. dazu oben 3.c).
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aa) So hat der Prüfer in seiner zusammenfassenden Berechnung für das Jahr 2001 vom Kläger erklärte Einnahmen in Höhe von 657.095,38 DM angesetzt (dies entspricht den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Werten ohne die Konten "Erlöse" und "Gutscheine" sowie ohne Sachentnahmen). Im Rahmen des Zeitreihenvergleichs hat er hingegen nur einen Gesamt-Einnahmenbetrag von 656.231,89 DM auf die einzelnen Kalenderwochen des Jahres 2001 verteilt. Bei korrekter Durchführung des Zeitreihenvergleichs müssen diese beiden Werte aber zwingend identisch sein.
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Dieselbe Auffälligkeit ergibt sich für das Jahr 2003: Der Prüfer geht in der zusammenfassenden Berechnung von erklärten Erlösen in Höhe von 220.905,86 € aus (was mit den in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Werten --ohne Sachentnahmen-- übereinstimmt), setzt im Zeitreihenvergleich aber nur Erlöse von 220.447,93 € an.
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Diese vom FA nicht erläuterten Differenzbeträge --die nicht mehr mit bloßen Rundungsdifferenzen zu erklären sind-- deuten darauf hin, dass dem Prüfer bei der Erfassung der vom Kläger erklärten Erlöse oder bei ihrer Verteilung auf die einzelnen Kalenderwochen Fehler unterlaufen sind. Diese Fehler sind aufklärungsbedürftig; der erkennende Senat ist mangels Vorlage des vollständigen Rechenwerks durch das FA aber nicht in der Lage, die Fehlerursache selbst näher zu ergründen. Zwar sind die Differenzbeträge nicht allzu hoch. Sollten sie aber gerade die Zehn-Wochen-Zeiträume mit den jeweils höchsten Rohgewinnaufschlagsätzen der beiden Streitjahre betreffen, könnten sie aufgrund der dem Zeitreihenvergleich innewohnenden rechnerischen Hebelwirkung gleichwohl erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung haben.
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bb) Für das Jahr 2001 geht der Prüfer im Rahmen seines Zeitreihenvergleichs von einem Wareneinkauf (vor Korrektur um den Eigen- und Personalverbrauch) von 225.525,55 DM aus. In der Gewinn- und Verlustrechnung des Klägers ist hierfür allerdings ein Betrag von 227.614,05 DM ausgewiesen. Wäre dieser höhere Betrag im Rahmen des Zeitreihenvergleichs angesetzt worden, hätte sich zugunsten der Kläger ein geringerer Rohgewinnaufschlagsatz ergeben.
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Gleiches gilt für das Jahr 2003: Der Prüfer hat einen Wareneinkauf von 94.347,15 € angesetzt, während sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung (ohne Bestandsveränderung) ein Wert von 95.658,93 € ergibt.
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cc) Für das Jahr 2001 ist die Vorgehensweise des Prüfers zudem insoweit inkonsequent, als er zwar in seiner zusammenfassenden Berechnung die zwischen dem Jahresanfang und dem Jahresende eingetretene Veränderung des Warenbestands berücksichtigt hat, nicht aber im wochenweisen Zahlenwerk des Zeitreihenvergleichs.
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Zwar ist die betragsmäßige Auswirkung dieses Fehlers angesichts der nur geringen im Laufe des Jahres 2001 eingetretenen Bestandsveränderung nicht allzu bedeutsam. Die in mehrfacher Hinsicht erkennbar fehlende innere Konsistenz des Zahlenwerks des Prüfers hätte dem FG aber Anlass geben müssen, dieses insgesamt genauer zu überprüfen.
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c) Ferner hat das FG die Berücksichtigung der vorgelegten Geldverkehrsrechnungen im Wesentlichen mit der Erwägung abgelehnt, ihnen lägen die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde, die aber wegen der fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht angesetzt werden dürften.
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Diese Argumentation ist nicht frei von Denkfehlern. Wäre sie richtig, dann verbliebe für die --von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte-- Methode der Geldverkehrsrechnung praktisch kein Anwendungsbereich mehr, da diese typischerweise gerade dann zum Einsatz kommt, wenn zumindest ein Anfangsverdacht der unvollständigen Erklärung der Erlöse besteht. Die Geldverkehrsrechnung dient in solchen Fällen gerade dem Nachweis, dass der im Prüfungszeitraum zu beobachtende Geldverkehr mit den erklärten (geringen) betrieblichen Erlösen nicht in Einklang zu bringen ist.
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Wenn das FG aufgrund des Zeitreihenvergleichs davon überzeugt war, dass der Kläger tatsächlich höhere Betriebseinnahmen erzielt hatte als er in den Steuererklärungen und den von ihm vorgelegten Geldverkehrsrechnungen angegeben hatte, wären diese höheren Einnahmen --zur Vermeidung von Widersprüchen bei der Anwendung verschiedener Schätzungsmethoden-- auch in den Geldverkehrsrechnungen anzusetzen gewesen. Damit wären die frei verfügbaren Beträge aber noch deutlich höher ausgefallen als bereits in den von den Klägern vorgelegten Geldverkehrsrechnungen, was sich bei Zugrundelegung dieser Schätzungsmethode zugunsten der Kläger ausgewirkt hätte. Der Umstand, dass das FG vom Vorhandensein zusätzlicher Betriebseinnahmen überzeugt war, reicht daher allein noch nicht zur vollständigen Verwerfung der Geldverkehrsrechnung aus. Vielmehr hätte dieser Umstand es nahegelegt, die vorhandenen Geldverkehrsrechnungen anhand der eigenen Erkenntnisse des FG zur Höhe der Einnahmen des Klägers zu überarbeiten.
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Hinzu kommt, dass in der Konstellation des Streitfalls --formelle Ordnungsmängel von einigem Gewicht, aber kein anderweitiger Nachweis konkreter materieller Mängel der Einnahmenerfassung-- Schätzungsmethoden wie die Geldverkehrsrechnung grundsätzlich vorrangig vor einem Zeitreihenvergleich heranzuziehen sind (dazu ausführlich oben 3.b bb). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als sowohl die Kläger als auch das FA jeweils Geldverkehrsrechnungen samt dazugehöriger Unterlagen vorgelegt haben, die dem FG möglicherweise als Ausgangspunkt und Erkenntnismaterial für eine eigene Schätzung hätten dienen können.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO-- auf die folgenden Punkte hin:
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a) Es bietet sich an, ergänzende Feststellungen dazu zu treffen, ob der Betrieb des Klägers von seiner Struktur her für die Durchführung eines aussagekräftigen Zeitreihenvergleichs geeignet ist. Insoweit ist aus den vom FA vorgelegten Unterlagen bisher lediglich erkennbar, dass der wichtigste Teil des Wareneinkaufs --der Getränkebezug von der Brauerei, an die der Kläger vertraglich gebunden war-- wöchentlich vorgenommen wurde, was auf die erforderliche Geringfügigkeit bzw. Konstanz der Lagerhaltung bei dieser Warengruppe hindeutet. Zum Einkaufsverhalten des Klägers in Bezug auf die anderen Warengruppen hat das FA bisher jedoch keine brauchbaren Unterlagen vorgelegt (vgl. dazu auch oben 3.c); entsprechend hat das FG hierzu keine Feststellungen treffen können.
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b) Das FG kann prüfen, ob im Streitfall eine Geldverkehrsrechnung durchführbar erscheint.
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aa) Hierfür könnte sprechen, dass sowohl die Kläger für sämtliche Streitjahre (sie haben zur Untermauerung ihres Vorbringens zudem zahlreiche Unterlagen vorgelegt) als auch das FA (wohl beschränkt auf das damalige weitere Streitjahr 2002) Geldverkehrsrechnungen durchgeführt und dem FG vorgelegt haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass beide Beteiligten grundsätzlich von der Eignung dieser Verprobungs- und Schätzungsmethode für die sachgerechte Beurteilung des Streitfalls ausgehen.
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bb) Dreh- und Angelpunkt einer Geldverkehrsrechnung wird die Finanzierung der im Jahr 2001 für 365.000 DM (zuzüglich der üblichen Nebenkosten) erworbenen selbstgenutzten Immobilie der Kläger sein. Die Kläger haben hierzu im Laufe des Verfahrens die folgenden Finanzierungselemente nachgewiesen:
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Bankdarlehen: 140.000 DM
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Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag: 79.794 DM
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Banküberweisung der im Ausland lebenden Schwester des Klägers (Gleichstellungsgeld im Rahmen einer Vermögensübertragung von der Mutter an die Schwester des Klägers): 90.813,26 DM
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Damit ist ein Betrag von gut 310.000 DM abgedeckt. Zur Herkunft des Differenzbetrags haben die Kläger bisher keine Unterlagen vorgelegt, sondern sich auf die "Lebensversicherung" berufen. Diese ist aber bereits in der obigen Finanzierungsrechnung enthalten und kann daher nicht nochmals angesetzt werden. Dass es sich um eine Auszahlung aus einem weiteren, bisher nicht bekannten Lebensversicherungsvertrag handeln könnte, haben die Kläger weder selbst vorgetragen noch nachgewiesen.
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Die Kläger haben nachgewiesen, dass der Betrag von 90.813,26 DM vom Bankkonto der im Ausland lebenden Schwester des Klägers überwiesen wurde. Das FG scheint indes weiterhin daran zu zweifeln, dass es sich tatsächlich um einen Mittelzufluss "von außen" handelt. In einem solchen Fall muss es den Steuerpflichtigen, der einen solchen Mittelzufluss durch Vorlage von Bankbelegen nachgewiesen hat, vor einer ihm nachteiligen Entscheidung, die auf die verbleibenden Zweifel des FG gestützt wird, allerdings konkret auffordern, weitergehend auch z.B. nachzuweisen, wie derjenige, der dem Steuerpflichtigen den Geldbetrag überwiesen hat, zu diesen Mitteln gekommen ist (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten Senatsbeschluss vom 12. Juni 2013 X B 191/12, BFH/NV 2013, 1622, Rz 16, m.w.N.). Eine solche Aufforderung ist bisher nicht ausdrücklich ergangen. Da der Mittelzufluss nach dem Vorbringen der Kläger im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung von der Mutter auf die Schwester des Klägers gestanden haben soll und bei Grundstücksübertragungen erfahrungsgemäß auch nach längerer Zeit noch Unterlagen aufbewahrt werden, erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass die Kläger auf eine im zweiten Rechtsgang noch konkret zu stellende Anfrage des FG Unterlagen aus dem Privatbereich der ausländischen Verwandten des Klägers werden vorlegen können, sofern das FG seine diesbezüglichen Zweifel aufrecht erhalten sollte.
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cc) Da die Kläger sich und ihre Familie --wie die von ihnen aufgezeichneten Sachentnahmen zeigen-- in erheblichem Umfang aus der Gastwirtschaft des Klägers verpflegen, wären die von der Finanzverwaltung üblicherweise herangezogenen Beträge aus den Tabellen für die Lebenshaltungskosten durchschnittlicher Haushalte um diejenigen Positionen zu mindern, die im Fall der Kläger bereits durch Sachentnahmen abgedeckt sind.
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dd) Sollte die Durchführung einer Geldverkehrsrechnung im Streitfall zum jetzigen Zeitpunkt an ihre Grenzen stoßen, weil die Vorgänge zu lange zurückliegen --die Kläger haben bereits im Jahr 2001 erhebliche Mittel für den Erwerb der von ihnen selbstgenutzten Wohnung verwendet; die Unterlagen, mit denen die Kläger das Vorhandensein von Eigenmitteln für den Immobilienerwerb zu belegen versucht haben, stammen sogar aus dem Jahr 2000--, hätte das FG zu erwägen, welche Folgen sich daraus ergäben. Nach den bereits dargelegten Grundsätzen (oben 3.b bb) könnte in einem solchen Fall die Heranziehung der Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs zulässig sein; von ihnen wären aber nennenswerte Abschläge vorzunehmen.
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c) Während die allgemeinen methodischen Einwendungen der Kläger gegen den Zeitreihenvergleich im Ansatz berechtigt sind --und zu den vom Senat formulierten Anforderungen an die Wahl und die korrekte Durchführung dieser Verprobungs- und Schätzungsmethode geführt haben--, ist ihr Vorbringen zu den vermeintlichen Besonderheiten des konkreten Falles teils bereits rechtlich nicht erheblich und teils zu wenig substantiiert.
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aa) Die Behauptung, der übliche Verderb eingekaufter Waren sei bisher nicht berücksichtigt worden, stellt schon im Ausgangspunkt keine geeignete Einwendung dar, weil auch verdorbene Ware im Wareneinkauf enthalten ist und --mangels Vornahme einer Korrektur-- in den Wareneinsatz eingeht. Dies gilt im Übrigen auch für die Ermittlung der amtlichen Richtsätze. Außerdem würde die Berücksichtigung des Warenverderbs zu deutlich höheren Rohgewinnaufschlagsätzen führen, weil der in der Buchhaltung ausgewiesene Wareneinkauf um den Wert der verdorbenen Waren zu mindern wäre und dadurch der Wareneinsatz sinken würde, was rechnerisch unmittelbar eine Erhöhung des Rohgewinnaufschlagsatzes bewirken würde.
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bb) Die Kläger haben ihre Behauptung, in den letzten Wochen des Jahres 2003 sei ein besonders hoher Bierbestand aufgebaut worden, nicht anhand der --ihnen vorliegenden-- Buchhaltungszahlen zum Biereinkauf und den Biererlösen der letzten Wochen des Jahres substantiiert. Für das FG besteht daher derzeit kein Anlass, dieser Behauptung nachzugehen.
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cc) Ferner haben die Kläger bisher nicht vermocht, konkrete Auswirkungen des X-Fests auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs darzulegen. Im Jahr 2001 lag das X-Fest nicht in dem vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz. Im Jahr 2003 lag es zwar in diesem Zehn-Wochen-Zeitraum; die entsprechende Woche weist auch die höchsten Erlöse des gesamten Jahres auf. Da das X-Fest aber weder am Anfang noch am Ende des Zehn-Wochen-Zeitraums lag, dürften sich wochenweise Verschiebungen zwischen dem besonderen Wareneinkauf für Zwecke des X-Fests und den zusätzlichen Erlösen ausgeglichen haben. Jedenfalls haben die Kläger über den bloßen Verweis auf das Stattfinden des X-Fests hinaus insoweit keine substantiierten Einwendungen gegen den Zeitreihenvergleich vorgebracht.
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dd) Ebenso wenig substantiiert ist die Einwendung, im Streitjahr 2003 sei ein gerade kostendeckendes Mittagsgericht angeboten worden. Die Kläger haben weder eine Speisekarte vorgelegt, aus der sich ein besonders preiswertes Mittagsgericht ergäbe, noch haben sie dem FG eine Kalkulation zur Verfügung gestellt, die ihre Behauptung stützen würde, ein Gericht sei gerade kostendeckend gewesen. Ohnehin ist unklar, was die Kläger mit diesem Einwand bezwecken wollen, da der Zeitreihenvergleich --so er denn technisch korrekt durchgeführt wird-- hinsichtlich der Erlöse die eigenen Daten aus der Buchhaltung des Steuerpflichtigen zugrunde legt, sich also eine Betriebsführung mit tatsächlich sehr geringen Rohgewinnaufschlagsätzen auch in den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs widerspiegeln würde.
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ee) Preisschwankungen beim Ein- und Verkauf sowie saisonale Schwankungen in der Zusammensetzung der Ein- und Verkäufe können zwar erhebliche verzerrende Wirkungen auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs haben. Über ihren --zutreffenden-- Hinweis auf derartige allgemeine Wirkmechanismen hinaus haben die Kläger aber nichts dazu vorgetragen, ob bzw. in welchem Umfang im konkreten Fall derartige Schwankungen eingetreten und daher zu berücksichtigen sind.
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d) Hinsichtlich der Aussetzungszinsen, die das FG zusätzlich zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen hat, hat es im Tatbestand seiner Entscheidung ausgeführt, die Aussetzungszinsen seien für "Umsatzsteuernachzahlungen für 2001 und 2003" (d.h. die Streitjahre) entstanden. Nicht festgestellt ist, wann der Zinslauf begonnen hat. Nach Lage der Dinge dürfte der Zinslauf erst mit dem Einlegen eines Rechtsbehelfs --also nach Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide im Jahr 2008-- begonnen haben (vgl. § 237 Abs. 2 AO). Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen dazu treffen, ob es überhaupt denkbar ist, dass die Aussetzungszinsen wirtschaftlich bereits im Streitjahr 2003 verursacht sein können (zur wirtschaftlichen Verursachung von Steuerzinsen erst ab Beginn des Zinslaufs siehe auch BFH-Urteil vom 22. Dezember 2010 I R 110/09, BFHE 232, 415, BStBl II 2014, 119, Rz 29).
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e) Sollte es im zweiten Rechtsgang zu einem (Teil-)Erfolg der Klage kommen, wäre die Gewerbesteuerrückstellung gegenläufig anzupassen. Dies hat das FG in seinem für das Streitjahr 2003 teilweise klagestattgebenden Urteil im ersten Rechtsgang übersehen.
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Von den im Streitjahr 2001 ausgeführten Umsätzen bezeichnete er einen Anteil von 53,19 % als zum ermäßigten Steuersatz zu besteuernde "Außer-Haus-Verkäufe".
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Im Jahr 2003 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Bericht vom 14. Oktober 2003 führte die Prüferin unter Tz. 5 zur steuerlichen Beurteilung der Buchführung aus:
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"Die Prüfung ergab Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen.
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Die Ergebnisse der Buchführung können unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Textziffern behandelten Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt werden."
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Unter Tz. 6 werden als Mängel der Buchführung angeführt:
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"In der jährlichen Bestandsaufnahme wurde nicht das Verpackungsmaterial (Pappteller, Pappschalen, Einschlagpapier usw.) erfasst.
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Desweiteren wurden keine Speise- und Getränkekarten vorgelegt."
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Weitere Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, enthält der Bericht nicht. Unter Tz. 14 nahm die Prüferin "nach Zusammenstellung des betrieblichen Datenmaterials ... eine Umverteilung der 7%igen und der 16%igen USt-Erlöse für Speisen und Getränke" vor. Bei durchschnittlich 361 Gästen täglich an 260 Arbeitstagen und einem täglichen Durchschnittsverzehr von 5,11 DM, hätten --ausgehend von dem vom Kläger genannten Anteil der ermäßigt zu versteuernden Umsätze von 53,19 %-- 49 920 "Außer-Haus-Verkäufe" im Kalenderjahr stattfinden müssen. Das im Jahr 2001 eingekaufte Verpackungsmaterial habe aber weit unter dem gelegen, was für so viele Verkäufe benötigt worden wäre.
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Das FA ging daraufhin in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 5. Februar 2004 von einem Anteil von 27 % der "Außer-Haus-Verkäufe" aus. Der dagegen eingelegte Einspruch, in dem der Kläger u.a. vortrug, der erklärte Anteil der "Außer-Haus-Verkäufe" entspreche dem der Vorpächter der Kantine, hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 wird u.a. ausgeführt, die Übertragung der Kassenbons in das Kassenbuch sei "nicht identisch" erfolgt. Zum Beispiel seien am 2. und 3. Januar 2001 auf den Kassenbons sämtliche Umsätze als "Im-Haus" registriert worden, während im Kassenbuch eine Aufteilung in "Außer-Haus" und "Im-Haus"-Umsätze erfolgt sei. Am 30. Oktober 2001 seien nach der Registrierkasse Umsätze zu 7 % in Höhe von 373,70 DM und zu 16 % in Höhe von 1.908,70 DM getätigt worden. Im Kassenbuch seien vom Kläger für diesen Tag Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.100 DM und zu 16 % in Höhe von 1.182,10 DM erklärt worden.
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Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens trug das FA in der Klageerwiderung vom 11. August 2005 u.a. vor, derartige Abweichungen bei der Gegenüberstellung der Kassenbons mit den jeweiligen Eintragungen im Kassenbuch habe es an 25 Arbeitstagen gegeben. Weiter machte das FA geltend, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Bei einer täglichen Abgleichung des Soll-Ist-Kassenbestands wäre aufgefallen, dass die zu vergleichenden Kassenbestände voneinander abwichen.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Buchführung des Klägers formell nicht ordnungsgemäß sei, weil er das Verpackungsmaterial nicht in den jährlichen Bestandsaufnahmen erfasst und die Speise- und Getränkekarten nicht aufbewahrt habe. Denn selbst eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung würde das FA noch nicht zur Durchführung einer Schätzung berechtigen. Eine solche erfordere stets Anzeichen für eine sachliche Fehlerhaftigkeit der Buchführung. Hierzu habe das FA aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Grundlagen der anhand des Verpackungsmaterials vorgenommenen Schätzung des FA seien nicht hinreichend substantiiert und vom Kläger in nachvollziehbarer Weise angegriffen worden.
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Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung verstoße gegen die §§ 162 und 146 der Abgabenordnung (AO). Neben der fehlenden jährlichen Bestandsaufnahme des Verpackungsmaterials und der Nichtvorlage der Speise- und Getränkekarten habe das FA in der Einspruchsentscheidung und im Klageabweisungsantrag vom 11. August 2005 auf die nicht identische Übertragung von mehreren Kassenbons in das Kassenbuch und auf die nicht im zeitlichen Ablauf erfassten Barausgaben hingewiesen sowie auf die mangelnde Kassensturzfähigkeit. Dies begründe auch Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das FG hätte unter Zugrundelegung des Akteninhalts die Missstände in der Buchführung feststellen und die Buchführung als weder formell noch sachlich ordnungsgemäß verwerfen müssen.
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Außerdem habe das FG verkannt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr auf dem Gelände auf Grund des räumlichen Zusammenhangs eine Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die als sonstige Dienstleistung nicht dem nur für bestimmte Lieferungen geltenden ermäßigten Steuersatz unterfallen könne.
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger verweist auf seine bereits früher gegenüber dem FA und dem FG abgegebenen Stellungnahmen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat nicht beachtet, dass es sich von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) bilden musste. Es hat ferner den Vortrag des FA nicht berücksichtigt, dass Barausgaben nicht im zeitlichen Ablauf erfasst und Kassenbons nicht identisch in das Kassenbuch übertragen worden seien und die Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet gewesen sei.
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1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).
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a) Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a).
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Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m.w.N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).
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Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist u.a. ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
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b) Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 1.a).
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c) Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO, Rz 13). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 23, m.w.N.). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 158 AO Rz 3).
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d) Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).
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e) Die Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 162 Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 96, m.w.N.; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 167; wohl auch Söhn in HHSp, § 121 AO Rz 93, m.w.N.). Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG in vollem Umfang überprüft und ggf. durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
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2. Nach diesen Grundsätzen durfte es das FG nicht offenlassen, ob die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ganz oder teilweise aus den vom FA geltend gemachten Gründen zu verneinen ist.
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a) Soweit das FA vorträgt, der Kläger habe entgegen der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Aufbewahrungspflicht keine Speise- und Getränkekarten aufbewahrt, ist allerdings zu beachten, dass der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO grundsätzlich durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht begrenzt wird.
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aa) Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 AO ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Durch die Abhängigkeit der Aufbewahrungspflicht von einer im Gesetz angeordneten Aufzeichnungspflicht wird der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen sachgemäß begrenzt. Diese Beschränkung trägt dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie der von Verfassungs wegen geforderten Verhältnismäßigkeit der Norm (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
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bb) Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, "soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind".
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Zwar lässt der weite Wortlaut der Vorschrift die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungpflicht sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen aufzubewahren sind. Dementsprechend hat das FG München im Urteil vom 29. Oktober 2009 15 K 219/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 10) ohne nähere Begründung im dortigen Streitfall angenommen, durch die Nichtaufbewahrung von Speisekarten habe der Kläger gegen § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen.
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§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist aber unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht im Lichte der im Einzelfall jeweils bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten einschränkend auszulegen. Danach müssen bei einer abstrakten Bestimmung der Reichweite der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO nur solche sonstigen, also nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4a AO fallenden, Unterlagen aufbewahrt werden, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
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b) Zutreffend rügt das FA, dass das FG wesentlichen, bereits in der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. August 2005 vorgetragenen Sachverhalt unberücksichtigt gelassen und damit gegen seine Pflicht verstoßen habe, sein Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung sowie in der Klageerwiderung auf die "nicht identische" Übertragung mehrerer Kassenbons in das Kassenbuch durch den Kläger und darauf hingewiesen, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Mit diesem für die Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblichen Vortrag hat sich das FG nicht erkennbar auseinandergesetzt, denn es hat sich in den Entscheidungsgründen weder mit der Verbuchung der Bareinnahmen noch mit der Führung des Kassenbuchs befasst.
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bb) Zwar ist das FG nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209; vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.3., m.w.N.). Zumindest die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen und Rechtsausführungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a).
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Zu diesen wesentlichen Umständen gehört im Streitfall insbesondere auch die Feststellung, ob der Kläger seiner Pflicht, Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen und die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten, nachgekommen ist. Zumal wenn --wie hier-- vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Aufzeichnungen zugleich dazu dienten, die Umsätze entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach unterschiedlichen Steuersätzen aufzuteilen.
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3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Einwänden des FA gegen die Kassenaufzeichnungen des Klägers nachgehen und prüfen, inwieweit die Speise- und Getränkekarten zum Verständnis und zur Überprüfung der für die zutreffende Umsatzbesteuerung in § 22 UStG vorgeschriebenen Aufzeichnung zur Trennung der Umsätze nach Steuerarten im Einzelfall von Bedeutung sind.
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a) Ob die danach ggf. festzustellenden Mängel der Buchführung und die fehlerhafte Nichtaufnahme des noch vorhandenen Verpackungsmaterials bei der jährlichen Bestandsaufnahme (§ 146 AO) zur Feststellung der formellen Ordnungswidrigkeit führen, ist in erster Linie eine Tatfrage und deshalb zunächst vom FG zu entscheiden, zumal bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1462 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 13, m.w.N.).
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b) Das FG muss sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung bilden. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" entscheidet. Deshalb muss das FG den vom FA gegen die Richtigkeit der Buchführung des Klägers vorgebrachten Umständen nachgehen. Das FG wird ggf. von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
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c) Das FG wird hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die vom Kläger erbrachten Leistungen die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.-- (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272) und die dazu ergangenen BFH-Urteile (vom 8. Juni 2011 XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 und XI R 37/08, BFHE 234, 443, BFH/NV 2011, 1976, sowie vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BFH/NV 2011, 1811 und V R 3/07, BFHE 234, 484, BFH/NV 2011, 2186) berücksichtigen.
(1)1Die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft hat die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen.2Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben.3Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 und der Mehrabführungen im Sinne des Absatzes 6 mindern das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr).4Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos kann durch Leistungen nicht negativ werden; Absatz 6 bleibt unberührt.5Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.
(2)1Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird gesondert festgestellt.2Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt.3Bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht ist der zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht vorhandene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen gesondert festzustellen; der gesondert festgestellte Bestand gilt als Bestand des steuerlichen Einlagekontos am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs.4Kapitalgesellschaften haben auf den Schluss jedes Wirtschaftsjahrs Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abzugeben.5Die Erklärungen sind von den in § 34 der Abgabenordnung bezeichneten Personen eigenhändig zu unterschreiben.
(3)1Erbringt eine Kapitalgesellschaft für eigene Rechnung Leistungen, die nach Absatz 1 Satz 3 als Abgang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu berücksichtigen sind, so ist sie verpflichtet, ihren Anteilseignern die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen:
- 1.
den Namen und die Anschrift des Anteilseigners, - 2.
die Höhe der Leistungen, soweit das steuerliche Einlagekonto gemindert wurde, - 3.
den Zahlungstag.
(4)1Ist die in Absatz 1 bezeichnete Leistung einer Kapitalgesellschaft von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig und wird sie für Rechnung der Kapitalgesellschaft durch ein inländisches Kreditinstitut erbracht, so hat das Institut dem Anteilseigner eine Bescheinigung mit den in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen.2Aus der Bescheinigung muss ferner hervorgehen, für welche Kapitalgesellschaft die Leistung erbracht wird.3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn anstelle eines inländischen Kreditinstituts eine inländische Zweigniederlassung eines der in § 53b Absatz 1 oder 7 des Kreditwesengesetzes genannten Unternehmen die Leistung erbringt.
(5)1Ist für eine Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden, bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert.2Ist für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des Absatzes 2 zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinne des Absatzes 3 nicht erteilt worden, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt.3In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist eine Berichtigung oder erstmalige Erteilung von Steuerbescheinigungen im Sinne des Absatzes 3 nicht zulässig.4In anderen Fällen ist die auf den überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer durch Haftungsbescheid geltend zu machen; § 44 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes gilt insoweit nicht.5Die Steuerbescheinigungen können berichtigt werden.6Die Feststellung im Sinne des Absatzes 2 für das Wirtschaftsjahr, in dem die entsprechende Leistung erfolgt ist, ist an die der Kapitalertragsteuerhaftung nach Satz 4 zugrunde gelegte Einlagenrückgewähr anzupassen.
(6) Minderabführungen erhöhen und Mehrabführungen mindern das Einlagekonto einer Organgesellschaft, wenn sie ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben. Mehrabführungen im Sinne des Satzes 1 mindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft vor anderen Leistungen.
(7) Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 oder Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.
(8)1Eine Einlagenrückgewähr können auch Körperschaften oder Personenvereinigungen erbringen, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, wenn sie Leistungen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.2Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 zu ermitteln.3Der als Einlagenrückgewähr zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung für das jeweilige Wirtschaftsjahr gesondert festgestellt.4Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ende des zwölften Monats zu stellen, der auf das Ende des Wirtschaftsjahres folgt, in dem die Leistung erfolgt ist.5Zuständig für die gesonderte Feststellung ist die Finanzbehörde, die im Zeitpunkt der Abgabe des Antrags nach § 20 der Abgabenordnung für die Besteuerung nach dem Einkommen örtlich zuständig ist.6Bei Körperschaften oder Personenvereinigungen, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 20 der Abgabenordnung keine Finanzbehörde zuständig ist, ist abweichend von Satz 5 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig.7Im Antrag sind die für die Berechnung der Einlagenrückgewähr erforderlichen Umstände darzulegen.8In die Bescheinigung nach Absatz 3 ist das Aktenzeichen der nach Satz 5 oder 6 zuständigen Behörde aufzunehmen.9Soweit für Leistungen nach Satz 1 oder Nennkapitalrückzahlungen eine Einlagenrückgewähr nicht gesondert festgestellt worden ist, gelten sie als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes führen.
(1)1Wird das Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht, so gilt der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos als vor den sonstigen Rücklagen umgewandelt.2Maßgeblich ist dabei der sich vor Anwendung des Satzes 1 ergebende Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Rücklagenumwandlung.3Enthält das Nennkapital auch Beträge, die ihm durch Umwandlung von sonstigen Rücklagen mit Ausnahme von aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträgen zugeführt worden sind, so sind diese Teile des Nennkapitals getrennt auszuweisen und gesondert festzustellen (Sonderausweis).4§ 27 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2)1Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist.2Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.3Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen.4Soweit der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos für den Abzug nach Satz 3 nicht ausreicht, gilt die Rückzahlung des Nennkapitals ebenfalls als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.
(3) Ein Sonderausweis zum Schluss des Wirtschaftsjahrs vermindert sich um den positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu diesem Stichtag; der Bestand des steuerlichen Einlagekontos vermindert sich entsprechend.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Von den im Streitjahr 2001 ausgeführten Umsätzen bezeichnete er einen Anteil von 53,19 % als zum ermäßigten Steuersatz zu besteuernde "Außer-Haus-Verkäufe".
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Im Jahr 2003 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Bericht vom 14. Oktober 2003 führte die Prüferin unter Tz. 5 zur steuerlichen Beurteilung der Buchführung aus:
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"Die Prüfung ergab Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen.
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Die Ergebnisse der Buchführung können unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Textziffern behandelten Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt werden."
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Unter Tz. 6 werden als Mängel der Buchführung angeführt:
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"In der jährlichen Bestandsaufnahme wurde nicht das Verpackungsmaterial (Pappteller, Pappschalen, Einschlagpapier usw.) erfasst.
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Desweiteren wurden keine Speise- und Getränkekarten vorgelegt."
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Weitere Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, enthält der Bericht nicht. Unter Tz. 14 nahm die Prüferin "nach Zusammenstellung des betrieblichen Datenmaterials ... eine Umverteilung der 7%igen und der 16%igen USt-Erlöse für Speisen und Getränke" vor. Bei durchschnittlich 361 Gästen täglich an 260 Arbeitstagen und einem täglichen Durchschnittsverzehr von 5,11 DM, hätten --ausgehend von dem vom Kläger genannten Anteil der ermäßigt zu versteuernden Umsätze von 53,19 %-- 49 920 "Außer-Haus-Verkäufe" im Kalenderjahr stattfinden müssen. Das im Jahr 2001 eingekaufte Verpackungsmaterial habe aber weit unter dem gelegen, was für so viele Verkäufe benötigt worden wäre.
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Das FA ging daraufhin in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 5. Februar 2004 von einem Anteil von 27 % der "Außer-Haus-Verkäufe" aus. Der dagegen eingelegte Einspruch, in dem der Kläger u.a. vortrug, der erklärte Anteil der "Außer-Haus-Verkäufe" entspreche dem der Vorpächter der Kantine, hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 wird u.a. ausgeführt, die Übertragung der Kassenbons in das Kassenbuch sei "nicht identisch" erfolgt. Zum Beispiel seien am 2. und 3. Januar 2001 auf den Kassenbons sämtliche Umsätze als "Im-Haus" registriert worden, während im Kassenbuch eine Aufteilung in "Außer-Haus" und "Im-Haus"-Umsätze erfolgt sei. Am 30. Oktober 2001 seien nach der Registrierkasse Umsätze zu 7 % in Höhe von 373,70 DM und zu 16 % in Höhe von 1.908,70 DM getätigt worden. Im Kassenbuch seien vom Kläger für diesen Tag Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.100 DM und zu 16 % in Höhe von 1.182,10 DM erklärt worden.
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Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens trug das FA in der Klageerwiderung vom 11. August 2005 u.a. vor, derartige Abweichungen bei der Gegenüberstellung der Kassenbons mit den jeweiligen Eintragungen im Kassenbuch habe es an 25 Arbeitstagen gegeben. Weiter machte das FA geltend, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Bei einer täglichen Abgleichung des Soll-Ist-Kassenbestands wäre aufgefallen, dass die zu vergleichenden Kassenbestände voneinander abwichen.
- 11
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Buchführung des Klägers formell nicht ordnungsgemäß sei, weil er das Verpackungsmaterial nicht in den jährlichen Bestandsaufnahmen erfasst und die Speise- und Getränkekarten nicht aufbewahrt habe. Denn selbst eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung würde das FA noch nicht zur Durchführung einer Schätzung berechtigen. Eine solche erfordere stets Anzeichen für eine sachliche Fehlerhaftigkeit der Buchführung. Hierzu habe das FA aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Grundlagen der anhand des Verpackungsmaterials vorgenommenen Schätzung des FA seien nicht hinreichend substantiiert und vom Kläger in nachvollziehbarer Weise angegriffen worden.
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Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung verstoße gegen die §§ 162 und 146 der Abgabenordnung (AO). Neben der fehlenden jährlichen Bestandsaufnahme des Verpackungsmaterials und der Nichtvorlage der Speise- und Getränkekarten habe das FA in der Einspruchsentscheidung und im Klageabweisungsantrag vom 11. August 2005 auf die nicht identische Übertragung von mehreren Kassenbons in das Kassenbuch und auf die nicht im zeitlichen Ablauf erfassten Barausgaben hingewiesen sowie auf die mangelnde Kassensturzfähigkeit. Dies begründe auch Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das FG hätte unter Zugrundelegung des Akteninhalts die Missstände in der Buchführung feststellen und die Buchführung als weder formell noch sachlich ordnungsgemäß verwerfen müssen.
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Außerdem habe das FG verkannt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr auf dem Gelände auf Grund des räumlichen Zusammenhangs eine Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die als sonstige Dienstleistung nicht dem nur für bestimmte Lieferungen geltenden ermäßigten Steuersatz unterfallen könne.
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger verweist auf seine bereits früher gegenüber dem FA und dem FG abgegebenen Stellungnahmen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat nicht beachtet, dass es sich von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) bilden musste. Es hat ferner den Vortrag des FA nicht berücksichtigt, dass Barausgaben nicht im zeitlichen Ablauf erfasst und Kassenbons nicht identisch in das Kassenbuch übertragen worden seien und die Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet gewesen sei.
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1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).
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a) Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a).
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Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m.w.N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).
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Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist u.a. ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
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b) Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 1.a).
- 22
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c) Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO, Rz 13). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 23, m.w.N.). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 158 AO Rz 3).
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d) Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).
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e) Die Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 162 Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 96, m.w.N.; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 167; wohl auch Söhn in HHSp, § 121 AO Rz 93, m.w.N.). Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG in vollem Umfang überprüft und ggf. durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
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2. Nach diesen Grundsätzen durfte es das FG nicht offenlassen, ob die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ganz oder teilweise aus den vom FA geltend gemachten Gründen zu verneinen ist.
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a) Soweit das FA vorträgt, der Kläger habe entgegen der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Aufbewahrungspflicht keine Speise- und Getränkekarten aufbewahrt, ist allerdings zu beachten, dass der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO grundsätzlich durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht begrenzt wird.
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aa) Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 AO ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Durch die Abhängigkeit der Aufbewahrungspflicht von einer im Gesetz angeordneten Aufzeichnungspflicht wird der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen sachgemäß begrenzt. Diese Beschränkung trägt dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie der von Verfassungs wegen geforderten Verhältnismäßigkeit der Norm (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
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bb) Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, "soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind".
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Zwar lässt der weite Wortlaut der Vorschrift die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungpflicht sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen aufzubewahren sind. Dementsprechend hat das FG München im Urteil vom 29. Oktober 2009 15 K 219/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 10) ohne nähere Begründung im dortigen Streitfall angenommen, durch die Nichtaufbewahrung von Speisekarten habe der Kläger gegen § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen.
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§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist aber unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht im Lichte der im Einzelfall jeweils bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten einschränkend auszulegen. Danach müssen bei einer abstrakten Bestimmung der Reichweite der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO nur solche sonstigen, also nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4a AO fallenden, Unterlagen aufbewahrt werden, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
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b) Zutreffend rügt das FA, dass das FG wesentlichen, bereits in der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. August 2005 vorgetragenen Sachverhalt unberücksichtigt gelassen und damit gegen seine Pflicht verstoßen habe, sein Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung sowie in der Klageerwiderung auf die "nicht identische" Übertragung mehrerer Kassenbons in das Kassenbuch durch den Kläger und darauf hingewiesen, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Mit diesem für die Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblichen Vortrag hat sich das FG nicht erkennbar auseinandergesetzt, denn es hat sich in den Entscheidungsgründen weder mit der Verbuchung der Bareinnahmen noch mit der Führung des Kassenbuchs befasst.
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bb) Zwar ist das FG nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209; vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.3., m.w.N.). Zumindest die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen und Rechtsausführungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a).
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Zu diesen wesentlichen Umständen gehört im Streitfall insbesondere auch die Feststellung, ob der Kläger seiner Pflicht, Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen und die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten, nachgekommen ist. Zumal wenn --wie hier-- vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Aufzeichnungen zugleich dazu dienten, die Umsätze entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach unterschiedlichen Steuersätzen aufzuteilen.
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3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Einwänden des FA gegen die Kassenaufzeichnungen des Klägers nachgehen und prüfen, inwieweit die Speise- und Getränkekarten zum Verständnis und zur Überprüfung der für die zutreffende Umsatzbesteuerung in § 22 UStG vorgeschriebenen Aufzeichnung zur Trennung der Umsätze nach Steuerarten im Einzelfall von Bedeutung sind.
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a) Ob die danach ggf. festzustellenden Mängel der Buchführung und die fehlerhafte Nichtaufnahme des noch vorhandenen Verpackungsmaterials bei der jährlichen Bestandsaufnahme (§ 146 AO) zur Feststellung der formellen Ordnungswidrigkeit führen, ist in erster Linie eine Tatfrage und deshalb zunächst vom FG zu entscheiden, zumal bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1462 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 13, m.w.N.).
- 37
-
b) Das FG muss sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung bilden. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" entscheidet. Deshalb muss das FG den vom FA gegen die Richtigkeit der Buchführung des Klägers vorgebrachten Umständen nachgehen. Das FG wird ggf. von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
- 38
-
c) Das FG wird hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die vom Kläger erbrachten Leistungen die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.-- (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272) und die dazu ergangenen BFH-Urteile (vom 8. Juni 2011 XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 und XI R 37/08, BFHE 234, 443, BFH/NV 2011, 1976, sowie vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BFH/NV 2011, 1811 und V R 3/07, BFHE 234, 484, BFH/NV 2011, 2186) berücksichtigen.
(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:
- 1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, - 2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe, - 3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe, - 4.
Buchungsbelege, - 4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union, - 5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten
- 1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, - 2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.
(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.
(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.
(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.
(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,
- 1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen, - 2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder - 3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
- 1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder - 2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder - 3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.
(1) Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter, die nach § 4 Absatz 1 oder nach § 5 als Betriebsvermögen anzusetzen sind, gilt das Folgende:
- 1.
Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b und ähnliche Abzüge, anzusetzen.2Ist der Teilwert auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden.3Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.4Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, sind in den folgenden Wirtschaftsjahren gemäß Satz 1 anzusetzen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass ein niedrigerer Teilwert nach Satz 2 angesetzt werden kann. - 1a.
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten).2Zu diesen Aufwendungen gehören nicht die Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne des § 255 Absatz 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. - 1b.
Bei der Berechnung der Herstellungskosten brauchen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 255 Absatz 2 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs nicht einbezogen zu werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen.2Das Wahlrecht ist bei Gewinnermittlung nach § 5 in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben. - 2.
Andere als die in Nummer 1 bezeichneten Wirtschaftsgüter des Betriebs (Grund und Boden, Beteiligungen, Umlaufvermögen) sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um Abzüge nach § 6b und ähnliche Abzüge, anzusetzen.2Ist der Teilwert (Nummer 1 Satz 3) auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden.3Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend. - 2a.
Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 ermitteln, können für den Wertansatz gleichartiger Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens unterstellen, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zuerst verbraucht oder veräußert worden sind, soweit dies den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht.2Der Vorratsbestand am Schluss des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung der Bewertung nach Satz 1 vorangeht, gilt mit seinem Bilanzansatz als erster Zugang des neuen Wirtschaftsjahres.3Von der Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge nach Satz 1 kann in den folgenden Wirtschaftsjahren nur mit Zustimmung des Finanzamts abgewichen werden. - 2b.
Steuerpflichtige, die in den Anwendungsbereich des § 340 des Handelsgesetzbuchs fallen, haben die zu Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumente, die nicht in einer Bewertungseinheit im Sinne des § 5 Absatz 1a Satz 2 abgebildet werden, mit dem beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikoabschlages (§ 340e Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs) zu bewerten.2Nummer 2 Satz 2 ist nicht anzuwenden. - 3.
Verbindlichkeiten sind unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nummer 2 anzusetzen. - 3a.
Rückstellungen sind höchstens insbesondere unter Berücksichtigung folgender Grundsätze anzusetzen: - a)
bei Rückstellungen für gleichartige Verpflichtungen ist auf der Grundlage der Erfahrungen in der Vergangenheit aus der Abwicklung solcher Verpflichtungen die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige nur zu einem Teil der Summe dieser Verpflichtungen in Anspruch genommen wird; - b)
Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen sind mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten; - c)
künftige Vorteile, die mit der Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich verbunden sein werden, sind, soweit sie nicht als Forderung zu aktivieren sind, bei ihrer Bewertung wertmindernd zu berücksichtigen; - d)
Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln.2Rückstellungen für gesetzliche Verpflichtungen zur Rücknahme und Verwertung von Erzeugnissen, die vor Inkrafttreten entsprechender gesetzlicher Verpflichtungen in Verkehr gebracht worden sind, sind zeitanteilig in gleichen Raten bis zum Beginn der jeweiligen Erfüllung anzusammeln; Buchstabe e ist insoweit nicht anzuwenden.3Rückstellungen für die Verpflichtung, ein Kernkraftwerk stillzulegen, sind ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung bis zum Zeitpunkt, in dem mit der Stilllegung begonnen werden muss, zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln; steht der Zeitpunkt der Stilllegung nicht fest, beträgt der Zeitraum für die Ansammlung 25 Jahre; - e)
Rückstellungen für Verpflichtungen sind mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent abzuzinsen; ausgenommen von der Abzinsung sind Rückstellungen für Verpflichtungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Rückstellungen für Verpflichtungen, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.2Für die Abzinsung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen ist der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend.3Für die Abzinsung von Rückstellungen für die Verpflichtung, ein Kernkraftwerk stillzulegen, ist der sich aus Buchstabe d Satz 3 ergebende Zeitraum maßgebend; und - f)
bei der Bewertung sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend; künftige Preis- und Kostensteigerungen dürfen nicht berücksichtigt werden.
- 4.
Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind mit dem Teilwert anzusetzen; die Entnahme ist in den Fällen des § 4 Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz mit dem gemeinen Wert und in den Fällen des § 4 Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert.2Die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, ist für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen; bei der privaten Nutzung von Fahrzeugen mit Antrieb ausschließlich durch Elektromotoren, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden (Elektrofahrzeuge), oder von extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen, ist der Listenpreis dieser Kraftfahrzeuge - 1.
soweit die Nummern 2, 3 oder 4 nicht anzuwenden sind und bei Anschaffung vor dem 1. Januar 2023 um die darin enthaltenen Kosten des Batteriesystems im Zeitpunkt der Erstzulassung des Kraftfahrzeugs wie folgt zu mindern: für bis zum 31. Dezember 2013 angeschaffte Kraftfahrzeuge um 500 Euro pro Kilowattstunde der Batteriekapazität, dieser Betrag mindert sich für in den Folgejahren angeschaffte Kraftfahrzeuge um jährlich 50 Euro pro Kilowattstunde der Batteriekapazität; die Minderung pro Kraftfahrzeug beträgt höchstens 10 000 Euro; dieser Höchstbetrag mindert sich für in den Folgejahren angeschaffte Kraftfahrzeuge um jährlich 500 Euro, oder - 2.
soweit Nummer 3 nicht anzuwenden ist und bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2022 nur zur Hälfte anzusetzen; bei extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen muss das Fahrzeug die Voraussetzungen des § 3 Absatz 2 Nummer 1 oder 2 des Elektromobilitätsgesetzes erfüllen, oder - 3.
bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2031 nur zu einem Viertel anzusetzen, wenn das Kraftfahrzeug keine Kohlendioxidemission je gefahrenen Kilometer hat und der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 60 000 Euro beträgt, oder - 4.
soweit Nummer 3 nicht anzuwenden ist und bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2021 und vor dem 1. Januar 2025 nur zur Hälfte anzusetzen, wenn das Kraftfahrzeug - a)
eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder - b)
die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 60 Kilometer beträgt, oder
- 5.
soweit Nummer 3 nicht anzuwenden ist und bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2024 und vor dem 1. Januar 2031 nur zur Hälfte anzusetzen, wenn das Kraftfahrzeug - a)
eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder - b)
die Reichweite des Fahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt,
- 1.
soweit die Nummern 2, 3 oder 4 nicht anzuwenden sind und bei Anschaffung vor dem 1. Januar 2023 die der Berechnung der Entnahme zugrunde zu legenden insgesamt entstandenen Aufwendungen um Aufwendungen für das Batteriesystem zu mindern; dabei ist bei zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehörenden Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen die der Berechnung der Absetzungen für Abnutzung zugrunde zu legende Bemessungsgrundlage um die nach Satz 2 in pauschaler Höhe festgelegten Aufwendungen zu mindern, wenn darin Kosten für ein Batteriesystem enthalten sind, oder - 2.
soweit Nummer 3 nicht anzuwenden ist und bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2022 bei der Ermittlung der insgesamt entstandenen Aufwendungen die Anschaffungskosten für das Kraftfahrzeug oder vergleichbare Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen; bei extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen muss das Fahrzeug die Voraussetzungen des § 3 Absatz 2 Nummer 1 oder 2 des Elektromobilitätsgesetzes erfüllen, oder - 3.
bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2031 bei der Ermittlung der insgesamt entstandenen Aufwendungen die Anschaffungskosten für das Kraftfahrzeug oder vergleichbare Aufwendungen nur zu einem Viertel zu berücksichtigen, wenn das Kraftfahrzeug keine Kohlendioxidemission je gefahrenen Kilometer hat, und der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 60 000 Euro beträgt oder - 4.
soweit Nummer 3 nicht anzuwenden ist und bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2021 und vor dem 1. Januar 2025 bei der Ermittlung der insgesamt entstandenen Aufwendungen die Anschaffungskosten für das Kraftfahrzeug oder vergleichbare Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, wenn das Kraftfahrzeug - a)
eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder - b)
die Reichweite des Kraftfahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 60 Kilometer beträgt, oder
- 5.
soweit Nummer 3 nicht anzuwenden ist und bei Anschaffung nach dem 31. Dezember 2024 und vor dem 1. Januar 2031 bei der Ermittlung der insgesamt entstandenen Aufwendungen die Anschaffungskosten für das Kraftfahrzeug oder vergleichbare Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, wenn das Kraftfahrzeug - a)
eine Kohlendioxidemission von höchstens 50 Gramm je gefahrenen Kilometer hat oder - b)
die Reichweite des Kraftfahrzeugs unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine mindestens 80 Kilometer beträgt,
- 5.
Einlagen sind mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; sie sind jedoch höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut - a)
innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist, - b)
ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist und der Steuerpflichtige an der Gesellschaft im Sinne des § 17 Absatz 1 oder Absatz 6 beteiligt ist; § 17 Absatz 2 Satz 5 gilt entsprechend, oder - c)
ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 20 Absatz 2 oder im Sinne des § 2 Absatz 4 des Investmentsteuergesetzes ist.
- 5a.
In den Fällen des § 4 Absatz 1 Satz 8 zweiter Halbsatz ist das Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert anzusetzen; unterliegt der Steuerpflichtige in einem anderen Staat einer Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates, ist das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. - 5b.
Im Fall des § 4 Absatz 1 Satz 9 ist das Wirtschaftsgut jeweils mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. - 6.
Bei Eröffnung eines Betriebs ist Nummer 5 entsprechend anzuwenden. - 7.
Bei entgeltlichem Erwerb eines Betriebs sind die Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen.
(2)1Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der nach Absatz 1 Nummer 5 bis 6 an deren Stelle tretende Wert von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, können im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder der Eröffnung des Betriebs in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Absatz 1), oder der nach Absatz 1 Nummer 5 bis 6 an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgut 800 Euro nicht übersteigen.2Ein Wirtschaftsgut ist einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind.3Das gilt auch, wenn das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann.4Wirtschaftsgüter im Sinne des Satzes 1, deren Wert 250 Euro übersteigt, sind unter Angabe des Tages der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder der Eröffnung des Betriebs und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des nach Absatz 1 Nummer 5 bis 6 an deren Stelle tretenden Werts in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen.5Das Verzeichnis braucht nicht geführt zu werden, wenn diese Angaben aus der Buchführung ersichtlich sind.
(2a)1Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann für die abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder der Eröffnung des Betriebs ein Sammelposten gebildet werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Absatz 1), oder der nach Absatz 1 Nummer 5 bis 6 an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgut 250 Euro, aber nicht 1 000 Euro übersteigen.2Der Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und den folgenden vier Wirtschaftsjahren mit jeweils einem Fünftel gewinnmindernd aufzulösen.3Scheidet ein Wirtschaftsgut im Sinne des Satzes 1 aus dem Betriebsvermögen aus, wird der Sammelposten nicht vermindert.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der nach Absatz 1 Nummer 5 bis 6 an deren Stelle tretende Wert von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, können im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder der Eröffnung des Betriebs in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Absatz 1), oder der nach Absatz 1 Nummer 5 bis 6 an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgut 250 Euro nicht übersteigen.5Die Sätze 1 bis 3 sind für alle in einem Wirtschaftsjahr angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter einheitlich anzuwenden.
(3)1Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; dies gilt auch bei der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen sowie bei der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person.2Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) Wirtschaftsgüter, die weiterhin zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören, nicht überträgt, sofern der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt.3Der Rechtsnachfolger ist an die in Satz 1 genannten Werte gebunden.
(4) Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut außer in den Fällen der Einlage (§ 4 Absatz 1 Satz 8) unentgeltlich in das Betriebsvermögen eines anderen Steuerpflichtigen übertragen, gilt sein gemeiner Wert für das aufnehmende Betriebsvermögen als Anschaffungskosten.
(5)1Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt, ist bei der Überführung der Wert anzusetzen, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; § 4 Absatz 1 Satz 4 ist entsprechend anzuwenden.2Satz 1 gilt auch für die Überführung aus einem eigenen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in dessen Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt sowie für die Überführung zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen bei verschiedenen Mitunternehmerschaften.3Satz 1 gilt entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut
- 1.
unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt, - 2.
unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, und umgekehrt oder - 3.
unentgeltlich zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft
(6)1Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut im Wege des Tausches übertragen, bemessen sich die Anschaffungskosten nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts.2Erfolgt die Übertragung im Wege der verdeckten Einlage, erhöhen sich die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft um den Teilwert des eingelegten Wirtschaftsguts.3In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 5 Satz 1 Buchstabe a erhöhen sich die Anschaffungskosten im Sinne des Satzes 2 um den Einlagewert des Wirtschaftsguts.4Absatz 5 bleibt unberührt.
(7) Im Fall des § 4 Absatz 3 sind
(1)1Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes.2Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.3Bei den inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beträgt das Einkommen aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen.4Bei Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, sind Leistungen und Leistungsversprechen zwischen der Körperschaft und Personen, die aus dieser Körperschaft Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 9 des Einkommensteuergesetzes erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit Ertragsteuern wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Körperschaft und deren Anteilseignern zu behandeln.
(2) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
(3)1Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird.2Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.3Verdeckte Einlagen erhöhen das Einkommen nicht.4Das Einkommen erhöht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat.5Satz 4 gilt auch für eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte Gewinnausschüttung hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert.6In den Fällen des Satzes 5 erhöht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung.
(4) (weggefallen)
(5) Bei Personenvereinigungen bleiben für die Ermittlung des Einkommens Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz.
(6) Besteht das Einkommen nur aus Einkünften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.
(7)1Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind
- 1.
bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben; - 2.
bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
(8)1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.2Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden.3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung erzielt.5Die Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden.6Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.
(9)1Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:
- 1.
Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen; - 2.
Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden; - 3.
alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
(10)1Bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist § 2 Absatz 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fällen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.
1Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.2Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe
- 1.
des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, - 2.
des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, - 3.
des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien,
(1) Steuermessbeträge, die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden durch Steuermessbescheid festgesetzt. Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sind sinngemäß anzuwenden. Ferner sind § 182 Abs. 1 und für Grundsteuermessbescheide auch Abs. 2 und § 183 sinngemäß anzuwenden.
(2) Die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Absatz 1 Satz 1 ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Eine Maßnahme nach § 163 Absatz 1 Satz 2 wirkt, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.
(3) Die Finanzbehörden teilen den Inhalt des Steuermessbescheids sowie die nach Absatz 2 getroffenen Maßnahmen den Gemeinden mit, denen die Steuerfestsetzung (der Erlass des Realsteuerbescheids) obliegt. Die Mitteilungen an die Gemeinden erfolgen durch Bereitstellung zum Abruf; § 87a Absatz 8 und § 87b Absatz 1 gelten dabei entsprechend.
Auf Grund der Abgabenordnung erlassene Änderungs- und Folgebescheide können nicht in weiterem Umfang angegriffen werden, als sie in dem außergerichtlichen Vorverfahren angefochten werden können.
(1) Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, können nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
(2) Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden.
Tatbestand
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I. Streitpunkt ist, ob Aufwendungen einer GmbH in Zusammenhang mit Einladungen zu …-Veranstaltungen nichtabzugsfähige Betriebsausgaben sind.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der X-GmbH, die in den Streitjahren 1994, 1996 und 1998 mit der Vermittlung von Verträgen über den Erwerb von Anteilen an Fondsgesellschaften befasst war. Insbesondere waren das Anteile an zwei der Y-Fonds. Diese Fonds investierten u.a. in ein …-Theater und in einen Gebäudekomplex, in dem neben anderen Einrichtungen zwei …-Theater betrieben wurden. Der Vertrieb der Fondsanteile wurde in der Weise durchgeführt, dass die X-GmbH mit externen Vertriebspartnern (Unter-)Vertriebsverträge schloss, die ihrerseits die Verträge zwischen den Anlegern und der Fondsgesellschaft vermittelten. Die X-GmbH selbst trat mit den Anlegern nicht in vertragliche Beziehungen.
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In den Jahren 1994, 1996 und 1998 organisierte die X-GmbH in jeweils einem der …-Theater eine geschlossene …-Sondervorführung und wendete hierfür … DM (1994), … DM (1996) und … DM (1998) auf. Zu den Vorstellungen lud sie neben anderen Personen auch jene Anleger der Y-Fonds ein, die Beteiligungen im Mindestbetrag von 250.000 DM (1994 --… Personen--), 300.000 DM (1996 --… Personen--) bzw. 400.000 DM (1998 --… Personen--) erworben hatten, und übernahm --sofern gewünscht-- auch deren Übernachtungskosten. Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung haben sich die Beteiligten im Klageverfahren darauf geeinigt, dass davon auf die Anleger des Y-Fonds insgesamt Aufwendungen in Höhe von … DM (1994), … DM (1996) und … DM (1998) entfielen und dass die Aufwendungen für die einzelnen Anleger je … DM (1994), … DM (1996) und … DM (1998) betrugen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, bei den Aufwendungen zugunsten der Anleger des Y-Fonds handele es sich um Geschenke und mithin um gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990/1997) nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Er erließ entsprechend geänderte Bescheide. Die deswegen erhobene Sprungklage (§ 45 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) blieb ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat sie mit Urteil vom 21. September 2009 6 K 374/05 als unbegründet abgewiesen. Das FG ist der Auffassung, dass es sich bei den streitbefangenen Zuwendungen an die Anleger zwar nicht um Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1990/1997 handele, dass aber die im Streitfall überschrittene Wertgrenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1990/1997 entsprechend auf die getätigten Aufwendungen anzuwenden sei.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahingehend zu ändern, dass die nicht zum Abzug zugelassenen Aufwendungen --… DM im Jahre 1994, … DM im Jahre 1996 und … DM im Jahre 1998-- als abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt werden.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision hat teilweise Erfolg.
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1. In Bezug auf die für 1994, 1996 und 1998 festgesetzten Körperschaftsteuern ist das Rechtsmittel begründet. Es führt insoweit zur Aufhebung des FG-Urteils und zur antragsgemäßen Änderung der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die Aufwendungen der X-GmbH im Zusammenhang mit den Einladungen zu den …-Veranstaltungen zu Unrecht entsprechend § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997 als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt.
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a) Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist die Annahme des FG, bei den genannten Zuwendungen an die Anleger der Y-Fonds handele es sich nicht um Geschenke i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997.
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aa) Der Geschenkbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/ 1997 entspricht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dem Begriff der bürgerlich-rechtlichen Schenkung (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1982 IV R 46/78, BFHE 135, 206, BStBl II 1982, 394; Senatsurteil vom 23. Juni 1993 I R 14/93, BFHE 171, 521, BStBl II 1993, 806, m.w.N.). Eine Schenkung ist nach § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn die Zuwendung --für den Empfänger erkennbar-- nicht als Gegenleistung für eine bestimmte Leistung des Empfängers gedacht ist und nicht in einem unmittelbaren zeitlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer solchen Leistung steht (vgl. Senatsurteile vom 20. August 1986 I R 29/85, BFHE 147, 525, BStBl II 1987, 108; vom 4. Februar 1987 I R 132/83, BFH/NV 1988, 352).
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bb) Auf der Grundlage dieser Definition sind Zugaben im Sinne der in den Streitjahren noch anwendbaren Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft (Erster Teil: Zugabewesen --ZugabeVO--, vom 9. März 1932, RGBl I 1932, 121, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juli 1994, BGBl I 1994, 1688, aufgehoben durch Gesetz vom 23. Juli 2001, BGBl I 2001, 1661) keine Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997 (Senatsurteil in BFH/NV 1988, 352; BFH-Beschluss vom 28. November 1986 III B 54/85, BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296; BFH-Urteil vom 21. September 1993 III R 76/88, BFHE 172, 434, BStBl II 1994, 170; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. Mai 1995, Betriebs-Berater 1995, 1222; Bahlau in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG Rz 1158; Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz 702; Crezelius in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 4 Rz 198). Zugaben im Sinne der ZugabeVO sind Waren oder Leistungen, die neben einer Hauptware (-leistung) ohne besondere Berechnung angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wobei der Erwerb der Nebenware vom Erwerb der Hauptware abhängig ist und hierbei ein innerer Zweckzusammenhang in der Weise besteht, dass die Nebenware mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware angeboten wird und wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Für den zweckbedingten inneren Zusammenhang der Zugabe mit dem Hauptgeschäft (Akzessorietät) ist ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Hauptgeschäfts und der Gewährung der Nebenleistung nicht erforderlich; immer jedoch muss der Abschluss des Hauptgeschäfts konkret im Raum stehen und die Zugabe auslösen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1988, 352, m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 172, 434, BStBl II 1994, 170).
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cc) Nach den vorstehenden Maßgaben halten die Erwägungen, mit denen das FG das Vorliegen von Zugaben --und damit die Verneinung von Geschenken-- im Streitfall begründet hat, den Gegenrügen des FA stand.
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aaa) Nach den tatrichterlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sind die Zuwendungen in Form der Einladungen zu den …-Veranstaltungen "untrennbar" mit den Anteilszeichnungen der Empfänger in der jeweils festgelegten Mindesthöhe verbunden gewesen. Die X-GmbH habe den Anlegern die Zuwendungen gewährt, um diese entweder --wie vorher angekündigt-- für das Investment zu belohnen oder um sie zu veranlassen, das Investment --innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor dem Event-- zu tätigen. Dem ist zu entnehmen, dass die Anleger, die Fondsanteile in der erforderlichen Höhe erworben haben, zum Zeichnungszeitpunkt entweder bereits konkret wussten oder aber zumindest damit rechnen konnten, dass die X-GmbH ihnen aufgrund der Zeichnung der Fondsanteile später Einladungen zu … Sonderveranstaltungen zukommen lassen würde. Auch in den Augen dieser Anleger sind die Einladungen von der X-GmbH mithin nicht ohne Bezug zu bestimmten Gegenleistungen, sondern abhängig vom jeweiligen Anteilserwerb ausgesprochen worden, der --auch wenn die X-GmbH nicht unmittelbarer Vertragspartner der Anleger war-- im betrieblichen Interesse der X-GmbH lag. An diese Feststellungen des FG, die nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
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bbb) Entgegen der Auffassung des FA ist es für die Annahme der Abhängigkeit der Einladungen von den Anteilszeichnungen nicht erforderlich, dass die Anleger zum Zeichnungszeitpunkt bereits konkrete, zivilrechtlich durchsetzbare Rechtsansprüche in Bezug auf die Teilnahme an bestimmten …-Veranstaltungen gehabt haben. Es ist dafür vielmehr ausreichend, dass die Anleger mit derartigen Zuwendungen der X-GmbH haben rechnen können (vgl. zur Zugabe Köhler in Köhler/Piper, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl., § 1 ZugabeVO Rz 5, m.w.N.). Soweit das FA in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass die Schreiben der X-GmbH an die Vertriebspartner, in denen die konkreten Einzelheiten und Bedingungen der Einladungen für die jeweiligen Veranstaltungen mitgeteilt worden sind, den zeitlich davor gezeichnet habenden Anlegern nicht bekannt gewesen sein können, ist das folglich kein Grund, die Feststellungen des FG zur Akzessorietät von Zuwendungen und Anteilszeichnungen in Zweifel zu ziehen.
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ccc) Ebenso wenig steht der Beurteilung der Entgeltlichkeit entgegen, dass die X-GmbH als Erbringerin der Nebenleistung an dem Vertragsverhältnis, in dem die Hauptleistungspflicht der Anleger zu erbringen war, selbst nicht beteiligt und folglich nicht unmittelbar Empfängerin der von den Anteilseignern erbrachten Leistungen war. Für den Charakter als Zugabe ist es nicht erforderlich, dass Geber der Zugabe und Anbieter der Hauptleistung identisch sind, sofern nur ein gemeinsames Interesse an der Förderung des Absatzes der Hauptleistung besteht (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 1987 I ZR 44/86, Der Betrieb 1988, 801; Köhler in Köhler/Piper, a.a.O., § 1 ZugabeVO Rz 27). Diese Voraussetzung lag im Streitfall vor, weil die Zeichnung der Anteile durch die Anleger auch im Interesse der X-GmbH als für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlicher Gesellschaft gelegen hat.
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dd) Für die Beurteilung als entgeltliche Zuwendung ist es nicht von Belang, ob die gewährten Zugaben wettbewerbsrechtlich erlaubt oder verboten sind (BFH-Beschluss in BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296; BFH-Urteil in BFHE 172, 434, BStBl II 1994, 170). Denn auch in letzterem Falle handelt es sich nicht um Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997.
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Für die Streitjahre 1996 und 1998 ist zwar das mit Gesetz vom 1. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250) geschaffene Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG 1990/1997 zu berücksichtigen, wonach die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen vom Betriebsausgabenabzug u.a. dann ausgeschlossen sind, wenn wegen der Zuwendung oder des Empfangs der Zuwendung ein Bußgeld rechtskräftig verhängt worden ist. Im Streitfall besteht indes kein Anhalt dafür, dass im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Zuwendungen gegen die Verantwortlichen der X-GmbH wegen Verstößen gegen § 1 ZugabeVO Geldbußen nach § 3 Abs. 2 ZugabeVO verhängt worden sind.
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b) Für die vom FG befürwortete entsprechende Anwendung des Abzugsverbots des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997 auf Zugaben sieht der Senat weder eine Notwendigkeit noch eine gesetzliche Handhabe. Es ist nicht zu ersehen --und vom FG auch nicht näher begründet worden--, dass die Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997 für Geschenke in der Weise lückenhaft ist, dass ihr Gesetzeszweck die Erstreckung auch auf den vom Wortlaut nicht umfassten Fall der Zugabe erfordern würde. Die von der BFH-Rechtsprechung und der Finanzverwaltung im Einklang mit der Zivilrechtslage vorgenommene Abgrenzung zwischen dem sog. Zweckgeschenk, mit dem der Geber allgemein das im betrieblichen Interesse liegende Wohlwollen des Bedachten erringen möchte --und das wegen der fehlenden Verknüpfung mit einer konkreten Gegenleistung als Geschenk i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1997 anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 135, 206, BStBl II 1982, 394; Senatsurteil in BFHE 171, 521, BStBl II 1993, 806; R 4.10 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008)-- und der mit einer bestimmten Gegenleistung des Bedachten in Beziehung stehenden Zugabe erscheint sachgerecht und hinreichend trennscharf. Eine besondere Missbrauchsgefahr, wie sie vom FG --wiederum ohne Erläuterung-- behauptet worden ist, vermag der Senat nicht zu erkennen.
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2. Hinsichtlich der angefochtenen Feststellungsbescheide ist die Revision unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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a) Der gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991/1996) gerichteten Klage kann wegen der Bindungswirkung gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a KStG 1991/ 1996 kein Erfolg beschieden sein. Nach dieser Vorschrift ist der Körperschaftsteuerbescheid im Hinblick auf das zu versteuernde Einkommen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung --AO--) für den Feststellungsbescheid nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG 1991/1996. Die diesbezüglichen Einwendungen können deshalb gemäß § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen die jeweiligen Körperschaftsteuerbescheide als Grundlagenbescheide geltend gemacht werden, nicht aber in jenen gegen die Feststellungsbescheide als Folgebescheide (vgl. z.B. Senatsurteil vom 26. August 1987 I R 141/86, BFHE 151, 366, BStBl II 1988, 143). Die streitbefangenen Einwendungen in Bezug auf die Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen für die …-Veranstaltungen haben Auswirkungen auf die Höhe des zu versteuernden Einkommens, nicht aber auch auf die Feststellung des für Ausschüttungen verwendbaren Teils des Nennkapitals (§ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1991/ 1996), so dass sie von der dargestellten Bindungswirkung umfasst werden.
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b) Ähnliches gilt im Hinblick auf die Bescheide über die gesonderte Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Streitfragen, die den Ansatz oder den Wert einzelner Wirtschaftsgüter betreffen, nur auf dem Gebiet der Ertragsteuern auszutragen. Bei bilanzierenden Gewerbetreibenden sind für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter in der Vermögensaufstellung die Steuerbilanzansätze, die der Ertragsbesteuerung zu Grunde gelegt wurden, dem Grunde und der Höhe nach maßgebend (§ 109 Abs. 1, § 109a des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992, BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146 --BewG--). Soweit das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht, besteht Bestands- und Wertidentität zwischen der Steuerbilanz und der Vermögensaufstellung. Diese --speziell für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens bestehende-- Bindung der Vermögensaufstellung an die Steuerbilanz ergibt sich aus der --zum 1. Januar 1998 aufgehobenen-- Vorschrift des § 109a BewG (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2000 II R 58/98, BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92, und vom 16. Juni 2009 II R 23/07, BFH/NV 2009, 1786, m.w.N.).
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c) Auch in Bezug auf die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Geschäftsanteile der X-GmbH kann die Klägerin mit ihren Einwendungen nicht durchdringen. Denn wenn sich --wie im Streitfall-- der gemeine Wert der Anteile nicht aus Verkäufen ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).
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Das Vermögen von unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften wird gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BewG mit dem Einheitswert des Betriebsvermögens angesetzt, der für den auf den Stichtag (§ 112 BewG) folgenden Feststellungszeitpunkt maßgebend ist. Der Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens ist folglich insoweit Grundlagenbescheid für die Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften (Abschn. 6 Abs. 1 Satz 2 der Vermögensteuer-Richtlinien --VStR-- vom 30. November 1993). Diesbezügliche Einwendungen können demnach nicht im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Folgebescheid geltend gemacht werden.
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Was die Bewertung der Ertragsaussichten betrifft, so ergibt sich aus der Anlage 9 des Betriebsprüfungsberichts vom 22. September 2004, nach dessen Maßgaben die geänderten Bescheide ergangen sind, dass das FA entsprechend den Vorgaben des Abschn. 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c VStR zur Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften (nach dem sog. Stuttgarter Verfahren) die nicht abziehbaren Ausgaben, die es im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens dem Bilanzgewinn hinzugerechnet hat, wiederum in Abzug gebracht hat. Daher ist nicht zu ersehen --und die Klägerin hat solches auch nicht dargetan--, dass die Behandlung der streitbefangenen Aufwendungen als nichtabziehbare Betriebsausgaben Einfluss auf die Bemessung der Ertragsaussichten der X-GmbH gehabt hat.
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3. Die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung weicht von jener des erkennenden Senats --im Ergebnis teilweise-- ab. Ihr Urteil war in dem beschriebenen Umfang hinsichtlich der Bescheide über Körperschaftsteuer 1994, 1996 und 1998 aufzuheben. Die Sache ist insoweit spruchreif. Die angefochtenen Steuerbescheide über Körperschaftsteuer 1994, 1996 und 1998 sind antragsgemäß zu ändern, indem die bisher nicht zum Abzug zugelassenen Aufwendungen im Betrag von … DM (1994), … DM (1996) und … DM (1998) als abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt werden. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Beträge wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Tatbestand
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A. Streitig ist, ob bilanzielle Zuführungen zu Pensionsrückstellungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln sind.
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An der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, waren in den Streitjahren 2006 bis 2008 A, geboren im Mai 1944, zu 50 % sowie B und C zu jeweils 25 % als Gesellschafter beteiligt. A ist seit Gründung der Klägerin im Jahre 1991 zugleich Geschäftsführer; seit 2001 wurde B zum Mitgeschäftsführer bestellt.
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Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 1. November 2006 war mit Stimmenmehrheit der Gesellschafter A und B dem A eine Pensionszusage erteilt worden, nach der dieser bei Ausscheiden aus der Firma mit Erreichen der Altersgrenze eine Altersrente von monatlich 500 € erhalten sollte. Die Altersgrenze wurde mit 67 Jahren und 0 Monaten festgelegt. Bei einem späteren Ausscheiden sollte sich die erreichbare Rente um 0,4 % pro Monat der längeren Dienstzeit erhöhen. Bei einem früheren Ausscheiden sollte die erreichbare Rente um 0,4 % pro Monat des vorzeitigen Bezugs der Altersrente gekürzt werden. Voraussetzung für den Bezug der vorzeitigen Altersversorgung ist jedoch ein mindestens dreijähriger Bestand der Pensionsvereinbarung.
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Die Klägerin bildete aufgrund dieser Pensionszusage in den Streitjahren in ihren Handels- und Steuerbilanzen Pensionsrückstellungen, die von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit der Begründung nicht anerkannt wurden, A könne die zugesagte Pension nicht mehr erdienen; er sei im Zeitpunkt der Zusage bereits 62 Jahre alt gewesen. Hiervon ausgehend erließ das FA entsprechende Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, in denen es die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen als vGA dem Gewinn hinzurechnete. Das Thüringer Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 16. Februar 2012 1 K 368/11 ab. Das Urteil ist in Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 2012, 1519 veröffentlicht worden.
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Gegen das Urteil des FG richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.
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Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und
1. die Körperschaftsteuer- und Solidaritätszuschlagsbescheide 2006 bis 2008 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf 26.840 € (2006), 21.007 € (2007) und 21.260 € (2008) herabgesetzt und der Solidaritätszuschlag jeweils mit 5,5 % dieser Beträge festgesetzt wird,
2. die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2006 bis 2008 dahingehend zu ändern, dass die Messbeträge auf 5.040 € (2006), 3.875 € (2007) und 5.092 € (2008) herabgesetzt werden und
3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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B. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision ist hinsichtlich der Solidaritätszuschlagsbescheide unbegründet, weil die Klage insoweit unzulässig ist (unter I.). Zu Recht ist das FG im Übrigen davon ausgegangen, dass in den angefochtenen Steuerbescheiden die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen gewinnerhöhend als vGA berücksichtigt werden mussten (unter II.).
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I. Die Klage gegen die Solidaritätszuschlagsbescheide 2006 bis 2008 ist unzulässig, weil Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines Grundlagenbescheides nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheides geltend gemacht werden können (§ 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung). Hiernach können insbesondere Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuerbescheides nicht auch gegen die Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsbescheides als Folgebescheid vorgebracht werden (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2012 I R 23/11, BFHE 238, 344). Die Klägerin kann hiervon ausgehend nicht gegen die Solidaritätszuschlagsbescheide 2006 bis 2008 als Folgebescheide zu den Körperschaftsteuerbescheiden 2006 bis 2008 einwenden, der Ansatz der vGA in den Streitjahren sei zu Unrecht erfolgt. Eigenständige Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Solidaritätszuschlagsbescheide hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
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II. Die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen stellen vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002), für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002, dar.
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1. Unter einer vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats).
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2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die durch die Pensionsrückstellung bewirkte Vermögensminderung nach diesen Maßstäben durch das Gesellschaftsverhältnis mitveranlasst. Der Begünstigte A war im Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage Gesellschafter der Klägerin; einem Gesellschaftsfremden wäre unter sonst vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt worden (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316; vom 8. November 2000 I R 70/99, BFHE 193, 422, BStBl II 2005, 653; vom 23. Juli 2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926).
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a) Ob einem gesellschaftsfremden Dritten unter sonst vergleichbaren Umständen eine vergleichbare Zusage erteilt worden wäre, unterliegt vorrangig der Würdigung durch das FG anhand aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2000 I B 110/99, BFH/NV 2001, 67; Senatsurteile vom 4. September 2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347, und vom 14. Juli 2004 I R 14/04, BFH/NV 2005, 245). Hierbei muss das FG insbesondere prüfen, ob im Zeitpunkt der Zusage nach allgemeiner Lebenserfahrung noch von einer Dienstzeit auszugehen ist, in der der Versorgungsanspruch erdient werden kann (Senatsurteile vom 20. Mai 1992 I R 2/91, BFH/NV 1993, 52; vom 10. November 1993 I R 36/93, BFH/NV 1994, 827; in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926; Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 67).
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aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt es ein starkes Indiz (Senatsurteil in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926) für die fehlende Erdienbarkeit dar, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer im Zeitpunkt der Pensionszusage das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat (Senatsurteile vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 412, BStBl II 1995, 419; vom 5. April 1995 I R 138/93, BFHE 177, 427, BStBl II 1995, 478; vom 16. Dezember 1998 I R 96/95, BFH/NV 1999, 1125; in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926; vom 9. November 2005 I R 94/04, BFH/NV 2006, 616; Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2000 I B 74/00, BFH/NV 2001, 344). Dies gilt unabhängig davon, ob der Begünstigte ein beherrschender oder nicht beherrschender Gesellschafter ist (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2006, 616; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 1094 f.; derselbe, BFH/PR 2005, 22, 23; a.A. Wellisch/Gahl, Betriebs-Berater --BB-- 2009, 2340, 2342). Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer das 60. Lebensjahr vollendet, kommt es für die Frage der Erdienbarkeit nicht mehr auf eine etwaige Parallelwertung zu den Fristen für den Eintritt der Unverfallbarkeit nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) an (Senatsurteil vom 24. Januar 1996 I R 41/95, BFHE 180, 272, BStBl II 1997, 440; Fuhrmann, Steuerberater-Jahrbuch 2009/2010, 291, 300). Wird nämlich eine Pensionszusage erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres erteilt, kann der Arbeitgeber nach allgemeiner Lebenserfahrung nur noch mit einer zeitlich eng begrenzten Tätigkeit des Arbeitnehmers rechnen; auch ein rüstiger Arbeitnehmer wird die Pension wegen nachlassender Arbeitsfähigkeit möglicherweise nicht mehr erdienen können (ständige Spruchpraxis, vgl. Senatsurteile in BFHE 177, 427, BStBl II 1995, 478; vom 17. Mai 1995 I R 66/94, BFH/NV 1995, 1092; in BFHE 203, 114, BStBl 2003, 926, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 344; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG, Anhang zu § 8 Rz 320 "Pensionszusage"; Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1094; derselbe BB 1996, 1698, 1693; Schallmoser/Eisgruber/Janetzko in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 299).
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bb) An dem Kriterium der Erdienbarkeit ist trotz der in der Literatur zuweilen geäußerten Kritik (Baer, BB 1989, 1529, 1530; Haug/Huber in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 1666; Höfer/Kisters-Kölkes, BB 1989, 1157, 1159; Reiners/Wierling, BB 1995, 87, 89) festzuhalten. Es ist insbesondere nicht entbehrlich, weil die Pensionszusagen auch in die Beurteilung der Angemessenheit der Gesamtausstattung einbezogen werden. Die Frage der Erdienbarkeit ist von der Frage der Angemessenheit der Gesamtausstattung zu unterscheiden. Soweit es an der Erdienbarkeit fehlt, ist die Pensionszusage bereits dem Grunde nach steuerrechtlich nicht anzuerkennen; ob die Gesamtausstattung der Höhe nach angemessen ist, spielt dann keine Rolle mehr (Gosch, BB 1996, 1689, 1694; Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 Teil D, Rz 651). Die betriebliche Altersvorsorge ist eine --neben dem eigentlichen Gehalt gewährte-- freiwillige Maßnahme des Arbeitgebers in Anerkennung einer langjährigen Betriebszugehörigkeit und in Erwartung weiterer Betriebstreue (so bereits Senatsurteile in BFHE 176, 412, BStBl II 1995, 419, und in BFH/NV 1995, 1092).
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cc) Der Klägerin ist ferner nicht darin beizupflichten, die Rechtsprechung des Senats führe zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßenden Altersdiskriminierung. Da die Pensionszusage eine zusätzliche Vergütung für geleistete und noch zu erbringende Arbeitsleistungen darstellt, stellt die Annahme, dass eine Pensionszusage bei fortschreitendem Lebensalter nicht mehr erdient werden kann, ein sachliches Kriterium dar, das die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, zumal der Senat die Altersgrenze nie als ein fixes, sondern nur als ein gewichtiges Kriterium im Rahmen einer Gesamtbeurteilung des konkreten Einzelfalls begriffen und angewandt hat, von dem in besonders gelagerten Fällen abgewichen werden kann.
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b) Von diesen Maßgaben ausgehend hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise aus den Umständen des Streitfalls den Schluss gezogen, dass die dem A gewährte Pensionszusage nicht mehr erdient werden konnte. Dies hat das FG aus dem Umstand gefolgert, dass A zum Zeitpunkt der Pensionszusage bereits 62 Jahre und fünf Monate alt war und daher nach nur vier Jahren und sieben Monaten ein Anspruch auf Zahlung der vollen Pension bestand. Unter Hinnahme von Kürzungen war es A zudem bereits drei Jahre nach der Erteilung der Pensionszusage möglich, die Rente in Anspruch zu nehmen. Die Würdigung des FG, diese Umstände deuteten auf eine fehlende Erdienbarkeit und damit auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Pensionszusage hin, kann revisionsrechtlich nur auf verfahrensrechtlich einwandfreies Zustandekommen und auf Verstöße gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze überprüft werden (Senatsurteil vom 13. April 1988 I R 284/82, BFH/NV 1989, 395, und in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926). Einen solchen Rechtsfehler weist die Würdigung des FG nicht auf.
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aa) Die Einwendungen der Klägerin geben keine Veranlassung, von der Rechtsprechung abzurücken, nach der die Vollendung des 60. Lebensjahres durch den begünstigten Gesellschafter-Geschäftsführer zumindest ein starkes Indiz für die Veranlassung einer Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis ist. Der Senat verfügt --ausgehend von den ihn nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG-- über keinerlei Erkenntnisse, dass diese Wertung nicht auch noch für eine im Jahre 2006 gewährte Pensionszusage zutreffend wäre. Die dahin gehende Wertung des FG erscheint jedenfalls möglich, sodass der Senat revisionsrechtlich an sie gebunden ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842, und vom 28. Mai 2013 XI R 44/11, BFH/NV 2013, 1409). Insbesondere besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung das Risiko einer nachlassenden Arbeitsfähigkeit zwingend in einem Maße abgenommen hat, dass auch bei über 60-jährigen noch von einer Erdienbarkeit der Pensionszusagen ausgegangen werden muss.
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bb) Auch die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre gemäß § 35 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Rentenversicherung-- i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554) --SGB VI-- führt im Streitfall nicht zu einer abweichenden Beurteilung. An einer Bedeutung der Anhebung der Regelaltersgrenze für die Beurteilung der Erdienbarkeit mag man bereits deshalb zweifeln, weil die Anhebung der Regelaltersgrenze nach der Gesetzesbegründung allein Folge einer durch die erhöhte Lebenserwartung eingetretenen durchschnittlich längeren Bezugsdauer war und der Generationengerechtigkeit dienen sollte, ohne dass sich der Gesetzgeber erkennbar Gedanken über das Risiko der für die Erdienbarkeit relevanten Leistungsfähigkeit gemacht hätte; entscheidend für den Gesetzgeber war, dass die Rentenbeiträge für die Jüngeren bezahlbar bleiben und die Rentnerinnen und Rentner von den tendenziell höheren Rentenanpassungen profitieren können sollten (vgl. BTDrucks 16/3794, 27). Für den Streitfall muss der erkennende Senat hierzu aber nicht abschließend Stellung nehmen, weil die Anhebung der Regelaltersgrenze, der ein Teil der Literatur eine Wertung für die Beurteilung der Erdienbarkeit entnehmen will (erwogen z.B. von Böhmer, Steuerrecht kurzgefasst 2013, 35, 36, und Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1094), für A als Zusagebegünstigten keine Bedeutung hat. Versicherte, die --wie A-- vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Regelaltersgrenze weiterhin mit Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Hinzu kommt im Streitfall, dass die Regelaltersgrenze nur um zwei Jahre angehoben worden ist, A bei Erteilung der Pensionszusage das 60. Lebensjahr aber bereits um mehr als zwei Jahre und fünf Monate überschritten hatte.
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cc) Angesichts dieser erheblichen Überschreitung der Altersgrenze entfällt deren Indizwirkung für die mangelnde Erdienbarkeit nicht wegen einer nur geringfügigen Überschreitung (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2005, 245; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 723).
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dd) Aufgrund der Feststellungen des FG, die den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, sind auch keine Umstände ersichtlich, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss zulassen, dass durch die Pensionszusage lediglich eine Versorgungslücke geschlossen werden sollte, so dass eine Pensionszusage möglicherweise auch noch nach Vollendung des 60. Lebensjahres steuerrechtlich anzuerkennen wäre (offen gelassen durch Senatsurteile in BFHE 176, 412, BStBl II 1995, 419, und in BFH/NV 1999, 1125; befürwortend Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1094). Allein die Tatsache, dass A nur eine Pension in Höhe von 500 € monatlich ab Vollendung des 67. Lebensjahres zugesagt wurde, genügt hierfür nicht. Dass es das FG darüber hinaus pflichtwidrig unterlassen hätte, weitere Umstände aufzuklären und festzustellen, die für eine Versorgungslücke sprechen, ist nicht ersichtlich und von der Klägerin nicht gerügt worden.
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ee) Soweit die Klägerin schließlich vorträgt, A sei bis weit über sein 67. Lebensjahr hinaus für sie tätig gewesen, ändert auch dies nichts an der Beurteilung der Erdienbarkeit. Abgesehen davon, dass dies das FG nicht festgestellt hat und deshalb nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO zur Entscheidungsgrundlage des Senats geworden ist, kommt es auf diesen Gesichtspunkt zur Beurteilung der Erdienbarkeit nicht an. Maßgebend sind hierfür allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage (Senatsbeschluss vom 8. April 2008 I B 168/07, BFH/NV 2008, 1536).
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III. Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für erforderlich zu erklären, betrifft das Verfahren der Kostenfestsetzung; im hier anhängigen Revisionsverfahren ist er unzulässig (z.B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127, und Senatsurteil vom 6. Juni 2012 I R 3/11, BFHE 238, 46, BStBl II 2013, 430).
Tenor
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Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2015 3 V 774/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) erbrachte in den Streitjahren 2010 und 2011 Bauleistungen an eine Bauträger-GmbH (B-GmbH), die Organgesellschaft der A-GbR als Organträger war. Die B-GmbH verwendete die bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten und für Bestandsimmobilien. Die Antragstellerin und die B-GmbH gingen von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Dementsprechend versteuerte die A-GbR als Steuerschuldner die Leistungsbezüge von der Antragstellerin.
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Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) verlangte die A-GbR die Erstattung der von ihr nach § 13b UStG entrichteten Steuer. Daraufhin änderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2010 und 2011 der Antragstellerin durch die Änderungsbescheide vom 17. April 2015 gemäß § 164 der Abgabenordnung. Dabei ging das FA davon aus, dass die Antragstellerin die steuerpflichtig an die B-GmbH erbrachten Leistungen als Steuerschuldner zu versteuern habe. Zur Begründung wies das FA auf die Neuregelung in § 27 Abs. 19 UStG hin. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.
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Demgegenüber gewährte das Finanzgericht (FG) die beantragte Vollziehungsaussetzung. Es sah die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide insbesondere im Hinblick auf den unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit als ernstlich zweifelhaft an.
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Hiergegen wendet sich das FA mit Beschwerde. § 27 Abs. 19 UStG sei anzuwenden. Es bestehe ein vorrangiges Interesse am Vollzug eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes. Zu beachten seien die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.
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Das FA beantragt,
unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Vollziehungsaussetzung zur Umsatzsteuer 2010 und 2011 abzulehnen.
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Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des FG.
Entscheidungsgründe
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II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde des FA ist unbegründet; sie ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.
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Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, und vom 28. Mai 2015 V B 15/15, BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 9, m.w.N., und in BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.).
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2. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass nach Maßgabe des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 die Antragstellerin anstelle der A-GbR Steuerschuldner ist (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFHE 252, 187, Rz 13).
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3. Es bestehen für die beiden Streitjahre aber ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG, wie sich aus dem BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2015 XI B 84/15 (BFHE 252, 181, BStBl II 2016, 192) ergibt, auf den der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.
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4. Darüber hinaus ist für die beiden Streitjahre auch ernstlich zweifelhaft, ob der in der Person der Antragstellerin begründete Steueranspruch entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bereits in den Streitjahren uneinbringlich geworden sein könnte. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 16 ff.
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5. Soweit das FA die Beschwerde mit haushälterischen Erwägungen begründet, weist der Senat darauf hin, dass es zumindest zweifelhaft ist, ob das FA zu einer Erstattung an den Bauträger auch dann verpflichtet ist, wenn der Bauträger den auf den Leistungsbezug entfallenden Steueranteil nicht an seinen Vertragspartner gezahlt hat (BFH-Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 25).
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6. Es ist nicht danach zu unterscheiden, ob die B-GmbH die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten oder für Bestandsimmobilien verwendet hat. Auch bei einer Verwendung für Bestandsimmobilien besteht nach dem Senatsurteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 keine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, da der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, nicht seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auch insoweit ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA entgegen der früheren Verwaltungsauffassung in Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 und Abschn. 13b.3. Abs. 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses 2011/2012/2013 eine Besteuerung der Leistung bei der Antragstellerin verlangen kann.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Tenor
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Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides für 2007 vom 14. August 2013 wird in Höhe eines Teilbetrages von 86.130,67 € und die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides für 2008 vom 14. August 2013 wird in Höhe eines Teilbetrages von 708.850,16 € bis zum rechtskräftigen Abschluss des Revisionsverfahrens V R 23/14 ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.
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Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
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Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3.
Tatbestand
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I. Die Antragstellerin, Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin) --eine 1995 gegründete GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer A ist-- handelte in den Streitjahren 2007 und 2008 mit Kraftfahrzeugen.
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Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die den Voranmeldungszeitraum 2007 und die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2008 umfasste, gelangte die Prüferin ausweislich des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichtes vom 29. Januar 2010 zu folgenden Feststellungen:
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Bisher als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firma "…" (B) in Spanien behandelte Umsätze seien steuerpflichtig, was zu Mehrsteuern in Höhe von 84.475,71 € im Jahr 2007 und 605.377,24 € in den Voranmeldungszeiträumen Januar bis Juni 2008 führe. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung X-Stadt seien die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich nicht nach Spanien verbracht, sondern im Inland weiter vermarktet worden. Zudem seien Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D GmbH (D) in Höhe von 86.130,67 € (2007) und 311.159,33 € (Januar bis Juni 2008) nicht abziehbar, weil es sich bei dieser Firma um eine "Scheinfirma" gehandelt habe, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.
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Im Rahmen einer weiteren, nunmehr die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2008 umfassenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, dass die Antragstellerin in diesem Zeitraum Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 397.690,83 € geltend gemacht hatte, die ebenfalls nicht abziehbar seien.
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Das seinerseits zuständige Finanzamt … I (FA I) folgte in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 23. Februar 2010 den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen. Am 2. März 2010 legte die Antragstellerin Einspruch "gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 23.2.2010" ein. Ein Einspruchsbescheid erging nicht.
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Am 29. Januar 2010 reichte die Antragstellerin die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2008 ein, ohne die Prüfungsfeststellungen zu berücksichtigen; am selben Tag erließ das FA I für die Voranmeldungszeiträume Juni und Dezember 2008 Vorauszahlungsbescheide. Hiergegen legte die Antragstellerin am 18. Februar 2010 Einspruch ein. Am 23. Februar 2010 stimmte das FA I der Umsatzsteuer-Jahreserklärung der Antragstellerin für 2008 zu, erließ aber am 1. März 2010 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Diesen Bescheid behauptete die Antragstellerin nicht erhalten zu haben. Am 19. November 2010 verwarf das FA I den Einspruch gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide Juni und Dezember 2008 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuer-Jahressteuerbescheid 2008 als unbegründet zurück. Am 21. Dezember 2010 erhob die Antragstellerin Klage wegen Umsatzsteuer 2007 und 2008.
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Mit Verfügung vom 22. März 2010 setzte das FA I die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 in Höhe von 170.606,38 € und in Höhe von 1.314.227,40 € bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aus.
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Zuständig für die Besteuerung der Antragstellerin ist seit April 2011 das Finanzamt Y-Stadt (Antragsgegner, Beklagter und Revisionsbeklagter --FA--). Am 20. Juni 2012 erließ das FA einen geänderten Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 mit demselben Inhalt wie der Bescheid vom 1. März 2010. Während des Klageverfahrens erließ das FA die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 14. August 2013.
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Das Finanzgericht (FG) sah die Klage sowohl für 2007 als auch für 2008 als zulässig an, wies sie jedoch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FG aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D sei zu versagen, weil deren Rechnungen nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten hätten. Bei der in den Rechnungen angegebenen Anschrift habe es sich um einen Briefkastensitz gehandelt, dessen Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfülle. Unter der betreffenden Anschrift, unter der die D lediglich postalisch erreichbar gewesen sei, habe sich eine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins und ein Buchhaltungsbüro, das die Post der D entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt habe, befunden. Eigene geschäftliche Aktivitäten der D hätten dort nicht stattgefunden. Es könne letztlich offenbleiben, ob ein Briefkastensitz als hinreichende Anschrift des leistenden Unternehmers in Ausnahmefällen in Betracht kommen könne. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reiche die Angabe eines Briefkastensitzes jedenfalls bei einer GmbH, die --wie hier die D-- im großen Umfang mit Fahrzeugen handele, nicht aus. Hinzu komme, dass die D ab dem 1. Oktober 2007 zwei Büroräume, eine Einbauküche, zwei Toiletten und Lagerfläche unter einer anderen Anschrift angemietet habe, und einiges dafür spreche, dass sich dort auch die von der D gehandelten Fahrzeuge befunden hätten.
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Es komme auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin auf die Richtigkeit der in den Rechnungen der D angegebenen Anschrift habe vertrauen dürfen. Denn § 15 UStG sehe den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor, weshalb Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht bei der Steuerfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften des UStG, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163, § 227 der Abgabenordnung berücksichtigt werden könnten. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei nicht zu entnehmen, dass im Steuerfestsetzungsverfahren ein Vorsteuerabzug auch bei Angabe eines Scheinsitzes des Leistenden in Betracht kommen könne. Das FG folgte ausdrücklich nicht der vom FG Münster mit Beschluss vom 12. Dezember 2013 5 V 1934/13 U (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 395) vertretenen Ansicht, wonach die Angabe eines Scheinsitzes in der Rechnung dem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehe, wenn sich für den Leistungsempfänger nach den Gesamtumständen im Vorfeld der Lieferung keine Zweifel an der in der Rechnung angegebenen Anschrift hätten ergeben müssen.
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Das FA I sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den in den Rechnungen an die B abgerechneten Umsätzen um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt habe. Die Antragstellerin habe die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen. Die Angaben in den Verbringenserklärungen "Das Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht" seien insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift der B gleichgesetzt werden könne. Zwar könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass --was nicht vorliege-- der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert werde. An welchen Ort die streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht worden seien, sei völlig unklar. Daher stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Lieferungen seien schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich nur, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen sei. Vorliegend fehle es an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsortes der streitigen Lieferungen.
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Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Die Antragstellerin hat die Revision fristgerecht eingelegt und begründet. Die Revision, über die noch nicht entschieden worden ist, wird im Senat unter dem Aktenzeichen V R 23/14 geführt.
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Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008. Zur Begründung trägt sie vor, selbst wenn die Steuerforderung bestünde, wäre sie aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Die Vollziehung sei ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, weil die Vorentscheidung rechtsfehlerhaft sei und für sie, die Antragstellerin, ein günstiger Prozessausgang zu erwarten sei. Zudem sei sie wirtschaftlich nicht in der Lage, Sicherheiten zu stellen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide seien nicht deshalb ausgeschlossen, weil das FG die Klage abgewiesen habe.
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Das FA gehe unzutreffend davon aus, dass der EuGH mit Urteil Planzer Luxembourg, C-73/06, EU:C:2007:397 entschieden habe, dass an eine Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG dieselben Anforderungen wie an einen "Sitz" im Sinne der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige zu stellen seien. Eine Anschrift erfordere nur die postalische Erreichbarkeit an der angegebenen Adresse. Die Angabe der Anschrift i.S. des Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) diene der Identifikation des Rechnungsausstellers. Es sei für einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer unzumutbar, wenn er zu prüfen hätte, inwieweit an der Anschrift über die postalische Erreichbarkeit hinaus Aktivitäten des leistenden Unternehmers stattfänden. Die D habe existiert, sei leistender Unternehmer i.S. des § 2 UStG und unter der angegebenen Anschrift auch postalisch erreichbar gewesen. Zudem seien dort die Buchhaltungsarbeiten der D vorgenommen und ihre Steuererklärungen gefertigt worden. Die in der Rechnung angegebene Anschrift werde nicht deshalb unzutreffend, weil ein Unternehmer unter weiteren Adressen erreichbar sei oder betriebliche Aktivitäten entfalte.
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Auf die Angabe des Zielorts in den Verbringungsnachweisen komme es nicht an, weil sich dieser bereits aus den Ausgangsrechnungen ergebe, die Teile des Buch- und Belegnachweises seien.
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Die Steuerforderung sei jedenfalls aus Billigkeitsgründen zu erlassen, weil sie, die Antragstellerin, durch Erklärungen der Finanzämter dazu bestimmt worden sei, sowohl von der betreffenden Anschrift der D als auch davon auszugehen, dass die Angabe des Ziellandes im Verbringungsnachweis unter den gegebenen Umständen ausreichend sei. Durch den Vollzug von Bescheiden über Steuerforderungen, die im Billigkeitswege zu erlassen seien, würde sie, die Antragstellerin, in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
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Die Antragstellerin bringt zudem --unter Vorlage verschiedener Unterlagen-- vor, dass sie keine Möglichkeit habe, einen Geldbetrag zu zahlen oder eine Bürgschaft zu stellen, und über keine Vermögenswerte verfüge, die als Sicherheit dem FA oder einer Bank zur Erlangung eines Kredites gestellt werden könnten. Es sei unverhältnismäßig und verstoße gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes i.S. des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, dem Steuerpflichtigen die AdV eines angefochtenen Steuerbescheides zu versagen, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse die Leistung einer Sicherheit nicht zuließen.
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Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 sowie Zinsen zur Umsatzsteuer 2008 bis zur Zustellung einer das Revisionsverfahren V R 23/14 abschließenden Entscheidung auszusetzen.
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Das FA beantragt,
den Antrag auf AdV der Umsatzsteuer 2008 abzulehnen, hilfsweise die AdV nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.
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Das angefochtene Urteil der Vorinstanz, das der Rechtsprechung des EuGH und BFH entspreche, enthalte keine Rechtsfehler. Ein Erlass der streitgegenständlichen Umsatzsteuerschulden sei vorliegend nicht zu prüfen, weil diesbezüglich ein eigenes Verfahren zu führen sei. Zudem bestünden für die Annahme eines Erlasses keine Anhaltspunkte.
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Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin keine Sicherheitsleistung erbringen könne oder sie ihre Kreditlinie bereits ausgeschöpft habe. Die Vermögenslage der Antragstellerin verschlechtere sich jährlich. Es sei daher zu befürchten, dass nach Abschluss des Revisionsverfahrens die Steuerforderungen nicht mehr durchgesetzt werden könnten.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag auf AdV der Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 ist teilweise begründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Da die Antragstellerin gegen das Urteil des FG wirksam Revision eingelegt und begründet hat, ist der BFH nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Gericht der Hauptsache für den Antrag auf AdV zuständig (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 I S 7/11, BFH/NV 2012, 583, Rz 8; vom 18. Juli 2012 X S 19/12, BFH/NV 2012, 2008, Rz 12; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, Rz 22).
- 25
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b) Zudem hat das FA den erneuten Antrag auf AdV mit Verfügung vom 20. Mai 2014 abgelehnt und den hiergegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO, die auch für Anträge auf AdV gilt, die --wie hier-- beim BFH als Gericht der Hauptsache gestellt werden (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 18. August 1998 XI S 7/98, n.v.; vom 27. März 2000 III S 6/99, BFH/NV 2000, 1129, jeweils m.w.N.), liegt damit vor.
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2. Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
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a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Juli 2013 XI B 41/13, BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, BFH/NV 2014, 1601, Rz 24, jeweils m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; in BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; in BFH/NV 2014, 1601, Rz 24, jeweils m.w.N.). Ist der angegriffene Steuerbescheid --wie im Streitfall-- bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, bestehen ernstliche Zweifel, wenn unter Berücksichtigung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Steuerbescheides zu rechnen ist. Das bedeutet, dass bei vermutlichem Durcherkennen des BFH auf die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, bei voraussichtlicher Zurückverweisung auf die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens abzustellen ist. Im Fall einer Zurückverweisung bestehen ernstliche Zweifel allerdings auch dann, wenn sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht absehen lässt, ob die Klage letztlich Erfolg haben wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. März 2014 III S 22/13, BFH/NV 2014, 856, Rz 17, m.w.N.).
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b) Nach diesen Maßgaben bestehen im Streitfall insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide, als das FA darin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der D versagt hat.
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aa) Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung (grundsätzlich) nicht aus (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.C.1.a; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.c, und vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, unter II.1.d; BFH-Beschluss vom 5. November 2009 V B 5/09, BFH/NV 2010, 478). Zwar kann nach den Umständen des Einzelfalls auch die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit postalischer Erreichbarkeit als Anschrift, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllt, genügen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, m.w.N.). Unter welchen besonderen Umständen die Angabe einer Anschrift mit nur postalischer Erreichbarkeit als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung ausreichend sein könnte, ist höchstrichterlich aber insoweit geklärt, als es jedenfalls bei einer GmbH, die --wie hier die D-- in großem Umfang mit Kfz handelt, nicht ausreicht, wenn sich unter der in der Rechnung angegebenen Anschrift keine eigenen Geschäftsräume, sondern lediglich eine nicht in Anspruch genommene Telefonleitung und eine Briefempfangsstelle befinden (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 14. März 2000 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252).
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bb) Unentschiedenheit oder Unsicherheit besteht dagegen in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. Urteile Mahagében und Dávid, C-80/11 und C-142/11, EU:C:2012:373; Maks Pen EOOD, C-18/13, EU:C:2014:69) der Leistungsempfänger zum Abzug der Vorsteuerbeträge berechtigt ist, wenn er auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 16. April 2014 V B 48/13, BFH/NV 2014, 1243, Rz 6). Insoweit könnte die Antragstellerin --obgleich § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vorsieht und Vertrauensschutzgesichtspunkte deshalb grundsätzlich nicht bei der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO berücksichtigt werden können (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, m.w.N.; FG Köln, Urteil vom 12. März 2014 4 K 2374/10, EFG 2014, 1442, Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 22/14)-- zum Vorsteuerabzug berechtigt sein (vgl. auch FG Münster in EFG 2014, 395, nach dem --entgegen der Vorentscheidung-- die Angabe eines Scheinsitzes dem Vorsteuerabzug nicht entgegensteht, wenn sich für den Leistungsempfänger keine Zweifel an der in der Rechnung angegebenen Anschrift hätten ergeben müssen).
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Nach Auffassung des Sächsischen FG (Beschluss vom 4. März 2014 4 V 297/13, juris) bestehen Zweifel daran, ob der Vorsteuerabzug ausschließlich mit der Begründung versagt werden kann, dass es sich bei der angegebenen Rechnungsanschrift um einen sog. "Scheinsitz" handelt und damit die erforderliche "zutreffende" Anschrift des leistenden Unternehmers in der Rechnung fehlt. Das FG Berlin-Brandenburg hält es für ernstlich zweifelhaft, dass allein wegen einer (objektiv) fehlerhaften Anschrift im Abrechnungsdokument der Vorsteuerabzug versagt werden kann (Beschluss vom 3. April 2014 7 V 7027/14, EFG 2014, 1445).
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cc) Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage ist die beantragte AdV zu gewähren, soweit das FA den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid versagte. Ist --wie hier-- die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren zu entscheiden; die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 2002 V B 60/02, BFH/NV 2003, 87, unter II.3.; vom 25. November 2005 V B 75/05, BFHE 212, 176, BStBl II 2006, 484, unter II.3.b; vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, Rz 22; vom 12. Dezember 2013 XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550, Rz 26; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, BFH/NV 2014, 1601, jeweils m.w.N.).
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Insoweit ist bei summarischer Prüfung ein Erfolg der Antragstellerin im Revisionsverfahren nicht auszuschließen.
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c) Im Übrigen bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide keine ernstlichen Zweifel. Bei den in den Rechnungen an die B abgerechneten Umsätzen hat es sich um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt; die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) liegen nicht vor.
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aa) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).
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bb) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt. Die Antragstellerin hat die von ihr für die Lieferung der Fahrzeuge beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.
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cc) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber gemäß § 17a Abs. 2 UStDV durch das Doppel einer Rechnung nach §§ 14, 14a UStG (Nr. 1), durch einen handelsüblichen Beleg (Nr. 2), durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3) sowie in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer, durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern (Nr. 4), führen.
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dd) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts --wie die Antragstellerin sinngemäß vorbringt-- unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420; vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 779; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Das ist hier nicht der Fall. Denn nach den Feststellungen des FG ist der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar".
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ee) Die betreffenden Lieferungen sind auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich --wovon das FG zutreffend ausgegangen ist-- erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, m.w.N.). Im Streitfall fehlt es an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser --wie vorstehend unter II.2.d aa ausgeführt-- nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift des B gleichgesetzt werden kann.
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3. Die somit im Umfang des Tenors zu gewährende AdV ist nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
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a) Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen. Solche Ausfälle können vor allem dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. November 2004 V B 78/04, BFHE 208, 93, BStBl II 2005, 535; vom 6. August 2007 VII B 108-109/06, BFH/NV 2007, 2358; vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.). Eine Gefährdung der umstrittenen Umsatzsteueransprüche ergibt sich vorliegend schon aus dem unwidersprochenen Vorbringen des FA, wonach sich die Vermögenslage der Antragstellerin jährlich verschlechtere. Zudem gibt die Antragstellerin selbst an, keine Sicherheitsleistung erbringen zu können.
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b) Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. August 2011 XI B 39/11, BFH/NV 2011, 2106; in BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
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c) Die Anforderung einer Sicherheitsleistung darf jedoch --wie hier-- nicht erfolgen, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515; in BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.). Lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine Sicherheitsleistung nicht zu, darf deshalb der Rechtsvorteil der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides --auch bei fortlaufend veranlagten und festgesetzten Steuern wie Lohn- und Umsatzsteuer-- grundsätzlich nicht versagt werden (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. September 2009 1 BvR 1305/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 70, unter IV.1.b; ferner BFH-Beschlüsse vom 19. Februar 2010 II B 122/09, BFH/NV 2010, 1144; in BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, jeweils m.w.N.).
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Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin nach eigenem glaubhaften und substantiiert dargelegten Bekunden weder einen Geldbetrag zahlen noch eine Bürgschaft stellen kann und über keine Vermögenswerte verfügt, die als Sicherheit gestellt werden könnten, wird von der Anordnung einer Sicherheitsleistung abgesehen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
Tatbestand
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I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist als Schadensregulierer bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen, die bei ausländischen Versicherungsgesellschaften versichert sind, tätig. Nach dem in dieser Streitsache ergangenen Beschluss des Finanzgerichts (FG) war "Auftraggeber" der Antragstellerin ein inländischer Verein, bei dem es sich um eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer zur Abwicklung von Autohaftpflichtfällen im Rahmen des sog. Grüne-Karte-Systems handelt. Dabei übernahm der Verein die Pflichten eines Haftpflichtversicherers für ausländische Kraftfahrzeuge in Deutschland. Der Verein regulierte die Schadensfälle nicht selbst, sondern übertrug die Abwicklung des Falles insbesondere privaten Schadensregulierern wie z.B. der Antragstellerin, die dann "im Auftrage" des Vereins tätig wurden.
- 2
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Die Antragstellerin hatte für die Streitjahre (2005 bis 2008) Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben und darin ihre Umsätze als Schadensregulierer nicht der Umsatzsteuer unterworfen, da sich der Ort ihrer Leistungen nicht im Inland befunden habe. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar 2007 bis Mai 2007 ging der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) demgegenüber davon aus, dass die Tätigkeit der Antragstellerin lediglich Verwaltungscharakter gehabt habe und mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar sei, so dass die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen Inlandsumsätze seien. Das FA erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Inlandsumsätze unter Verminderung der nichtsteuerbaren Auslandsumsätze für die Streitjahre 2005 bis 2008 in den Umsatzsteueränderungsbescheiden vom 22. November 2010 in Höhe von insgesamt 141.940 €. Dabei versagte das FA für das Streitjahr 2007 auch den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit zwei steuerpflichtigen Mietverhältnissen, da die dem Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Rechnungen fehlerhaft gewesen seien.
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Gegen die Änderungsbescheide legte die Antragstellerin am 23. Dezember 2010 Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Auch hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, dem das FA nur insoweit abhalf, als es die bisher als nichtsteuerbar behandelten Auslandsumsätze nicht mehr als Entgelt, sondern als Gegenleistung für steuerpflichtige Inlandsleistungen ansah und AdV in Höhe von 27.702,78 € gewährte.
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Das FG gab daraufhin dem bei ihm hinsichtlich der weiteren Steuernachforderung gestellten Antrag auf AdV mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2011, 1930 veröffentlichten Beschluss ganz überwiegend statt. Ein Unternehmen, das für ausländische Versicherungsunternehmen die Schadensregulierung bei Kraftfahrzeugunfällen im Inland vornehme, erbringe Rechtsdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) und übe damit eine anwaltsähnliche Tätigkeit i.S. von § 3a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) aus. Eine "ähnliche Leistung" i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG könne auch vorliegen, wenn sie keine Beratungsleistung darstelle. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe die Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) für die Vorsteuerkorrektur aber nur ex nunc-Wirkung. Der erst nach Ablauf der Streitjahre erfolgten Rechnungskorrektur komme daher keine Rückwirkung zu.
- 5
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Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Tätigkeit der Antragstellerin sei nicht mit der eines Rechtsanwalts vergleichbar. Sie könne keine Interessenvertretung übernehmen und sei kein Organ der Rechtspflege. Die von der Antragstellerin nur rudimentär vorgenommene rechtliche Beurteilung sei nur eine Nebenleistung.
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Das FA beantragt,
den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde des FA ist überwiegend begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag auf AdV zur Umsatzsteuer 2005, 2006 und 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Im Übrigen wird das Verfahren an das FG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Entgegen dem Beschluss des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel an der inländischen Steuerpflicht der durch die Antragstellerin erbrachten Leistungen bei der Schadensregulierung. Der Senat kann aber für das Streitjahr 2007 nicht abschließend entscheiden, ob ernstliche Zweifel an der Versagung des Vorsteuerabzugs bestehen.
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFH/NV 2012, 95, unter II.2., m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 95, unter II.2.).
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2. Entgegen dem Beschluss des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel am Vorliegen eines inländischen Leistungsorts gemäß § 3a Abs. 1 UStG. Die Voraussetzungen für eine hiervon abweichende Ortsbestimmung gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG liegen entgegen dem Beschluss des FG nicht vor, da die Leistungen der Antragstellerin bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als ähnliche Beratungsleistungen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.
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a) Nach § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung wurden die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer, insbesondere die rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG ist entsprechend dem ihm unionsrechtlich zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 20/11, juris). Danach gilt als Ort der Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstiger ähnlicher Leistungen sowie der Datenverarbeitung und der Überlassung von Informationen der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Für die Streitjahre 2007 und 2008 folgt dies aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).
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b) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die Anwendung von § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG im Streitfall bereits daran scheitert, dass der Verein als "Auftraggeber" im Inland Empfänger der von der Antragstellerin erbrachten Leistungen war (zur Bestimmung der Person des Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa). Unabhängig hiervon kommt die Anwendung des Empfängerortprinzips nicht in Betracht, da die Antragstellerin keine sonstige Leistung i.S. von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG erbracht hat.
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aa) Der bei richtlinienkonformer Auslegung von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG zu berücksichtigende Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG bezieht sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht auf Berufe, sondern "zieht die in dieser Bestimmung aufgeführten Berufe heran, um die dort angesprochenen Arten von Leistungen zu definieren" (EuGH-Urteile vom 16. September 1997 C-145/96, von Hoffmann, Slg. 1997, I-4857 Rdnr. 15, und vom 7. Oktober 2010 C-222/09, Kronospan Mielec, BFH/NV 2010, 2377 Rdnr. 19). Dabei muss es sich um Leistungen handeln, die hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen eines dieser Berufe erbracht werden (EuGH-Urteile von Hoffmann in Slg. 1997, I-4857 Rdnr. 16, und Kronospan Mielec in BFH/NV 2010, 2377 Rdnr. 20; BFH-Urteil vom 10. November 2010 V R 40/09, BFH/NV 2011, 1026, unter II.1.c).
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Darüber hinaus bezieht sich der Begriff der sonstigen ähnlichen Leistungen i.S. von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht auf ein Element, das den in dieser Bestimmung aufgeführten unterschiedlichen Tätigkeiten gemeinsam ist, sondern auf Leistungen, die irgendeiner dieser Tätigkeiten --bei gesonderter Betrachtung-- ähnlich sind. Dabei ist eine Leistung dann einer in dieser Bestimmung aufgeführten Tätigkeit ähnlich, wenn beide Tätigkeiten dem gleichen Zweck dienen (vgl. EuGH-Urteile vom 6. März 1997 C-167/95, Linthorst, Pouwels en J. Scheren, Slg. 1997, I-1195 Rdnrn. 19 bis 22; von Hoffmann in Slg. 1997, I-4857 Rdnrn. 20 und 21, und vom 6. Dezember 2007 C-401/06, Kommission/Deutschland, Slg. 2007, I-10609 Rdnr. 31). Dies ist bei der richtlinienkonformen Auslegung der Tatbestandsmerkmale "rechtliche, wirtschaftlich und technische Beratung gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG" zu berücksichtigen.
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Danach entsprechen z.B. die Leistungen eines Testamentsvollstreckers nicht denen eines Rechtsanwalts. Denn während die Leistungen des Rechtsanwalts vor allem der Rechtspflege dienen, sind die Leistungen der Testamentsvollstrecker wirtschaftlicher Art und dienen der Bewertung und Verteilung des Vermögens des Erblassers sowie dem Schutz dieses Vermögens und der Fruchtziehung aus diesem (EuGH-Urteil Kommission/ Deutschland in Slg. 2007, I-10609 Rdnr. 39).
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bb) Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass ein von § 3a Abs. 1 UStG abweichender Leistungsort nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG aufgrund einer Ähnlichkeit mit einer Rechtsanwaltsleistung nicht in Betracht kommt. Denn die Rechtsanwaltsleistung wird durch das Handeln zur Rechtspflege geprägt, während die Leistungen der Antragstellerin bei der Schadensregulierung --ähnlich einer Testamentsvollstreckung-- eher wirtschaftlicher Art sind, dem Vermögensschutz der Versicherung dienen und insoweit Vermögensbetreuungscharakter haben.
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cc) Für ihre Gegenauffassung kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die vom FG gezogene Parallele zum RDG berufen. Der Senat hat im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die Antragstellerin Rechtsdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 1 RDG erbracht hat und danach in konkreten fremden Angelegenheiten mit einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls tätig war.
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Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin unterstellt wird, dass sie Rechtsdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 1 RDG erbracht hat, scheitert eine Anwendung von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG zu ihren Gunsten zumindest daran, dass Schwerpunkt ihrer Leistungstätigkeit keine Rechtsdienstleistungen sind, wie sie hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen einer Anwaltstätigkeit erbracht werden. Hierfür spricht bereits, dass der Antragstellerin die Erbringung von Rechtsdienstleistungen weder nach den §§ 6 ff. RDG als nicht registrierte Person noch nach den §§ 10 ff. RDG als registrierte Person erlaubt war. Sie durfte daher gemäß § 5 Abs. 1 RDG Rechtsdienstleistungen nur im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbringen, wenn die Rechtsdienstleistung als Nebenleistung zu einem "Berufs- oder Tätigkeitsbild" gehört, wobei sich das Vorliegen einer Nebenleistung nach ihrem Inhalt, dem Umfang und dem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind, beurteilt.
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Im Rahmen der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist dabei davon auszugehen, dass die Antragstellerin die ihr nach dem RDG zustehenden Befugnisse nicht überschritten hat. Soweit sie Rechtsdienstleistungen erbracht haben sollte, handelte es sich daher bei diesen nur um "Nebenleistungen" zu der Haupttätigkeit eines gewerblichen Schadensregulierers. Dass nur eine Nebenleistung und damit nur ein Teilaspekt mit einer durch Rechtsanwälte erbrachten Leistung vergleichbar ist, reicht indes zur Begründung einer ähnlichen Leistung nicht aus.
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3. Der Senat kann demgegenüber nicht entscheiden, ob eine Vollziehungsaussetzung für das Streitjahr 2007 insoweit in Betracht kommt, als das FA den Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, der Antragstellerin seien für die von ihr bezogenen Leistungen unvollständige oder unrichtige Rechnungen ausgestellt worden und einer erst späteren Rechnungsberichtigung komme keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zu. Insoweit war der Beschluss des FG aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
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a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sowie in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a MwStSystRL.
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b) Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung erfolgen kann, ist das Urteil des EuGH vom 15. Juli 2010 C-368/09, Pannon Gép (Slg. 2010, I-7467) zu berücksichtigen.
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aa) Nach dem EuGH-Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 steht das Unionsrecht "einer nationalen Regelung oder Praxis entgegen, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (...), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen".
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bb) Ob sich hieraus eine Rückwirkung für den Fall der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten.
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(1) Mehrere FGs (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25. Oktober 2010 5 K 425/08, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2011, 1337, Rev. eingelegt, Az. des BFH: XI R 41/10; ebenso Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2011 5 V 5004/11, EFG 2011, 1295; Urteil des FG Köln vom 13. Juli 2011 2 K 2695/10, juris, und Beschluss des FG Hamburg vom 6. Dezember 2011 2 V 149/11, sowie Huschens, Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2010, 333; Meurer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2442, und wohl auch Nieskens, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 693) gehen davon aus, dass einer Rechnungsberichtigung auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 keine Rückwirkung zukommt, da sich der EuGH nicht ausdrücklich zur Frage der Rückwirkung geäußert habe (Huschens, UVR 2010, 333, 335, und Meurer, DStR 2010, 2442, 2443), nach dem nationalen Recht des diese Rechtssache betreffenden Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einer Rechnungskorrektur mit Rückwirkung bestehe (Huschens, UVR 2010, 333, 336) und § 31 Abs. 5 UStDV nur zum Ausdruck bringen solle, dass das Fehlen oder die Unrichtigkeit von Rechnungsangaben nicht zu einem endgültigen Verlust des Vorsteuerabzugs führt (Huschens, UVR 2010, 333, 336).
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(2) Demgegenüber kann das EuGH-Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 unter Berücksichtigung des dieser Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts auch dahingehend zu verstehen sein, dass das FA nicht berechtigt ist, den in dieser Rechtssache streitigen Vorsteuerabzug für das Jahr 2007 durch einen in 2009 ergangenen Nachforderungsbescheid zu versagen, wenn dem FA im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides eine bereits in 2008 erfolgte Rechnungsberichtigung vorliegt (für ernstliche Zweifel z.B. Beschluss des FG Nürnberg vom 7. Oktober 2010 2 V 802/2009, EFG 2011, 1113; Beschluss des FG des Saarlandes vom 16. Februar 2012 2 V 1343/11, EFG 2012, 1115, Beschwerde eingelegt, Az. des BFH: XI B 33/12; vgl. auch Martin, BFH/PR 2010, 388; Sterzinger, UR 2010, 700; Wäger, DStR 2010, 1478, und Wagner, UVR 2010, 311).
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c) Ob einer Rechnungsberichtigung unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zukommen kann, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen (BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.5.). Diese Frage ist auch im Streitfall, der ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft, nicht abschließend zu entscheiden.
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Für das Vorliegen der im Streitfall allein entscheidungserheblichen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des vom FA festgesetzten Steueranspruchs trotz der vom FG angenommenen Rechnungsberichtigung spricht nun, dass eine derartige Rückwirkung mit dem Wortlaut des § 31 Abs. 5 UStDV vereinbar ist (vgl. Widmann, UR 2009, 249, 250; Widmann in Plückebaum/ Malitzky, UStG, § 14 Rz 114, und Wagner, in Sölch/Ringleb, UStG, § 14 Rz 484 ff.) und der EuGH in seinem Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 für eine vergleichbare Fallkonstellation ebenfalls eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung zu bejahen scheint.
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Die gleichwohl an der Bedeutung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 bestehenden Zweifel, wie z.B. die Frage, wie diese Entscheidung mit der EuGH-Rechtsprechung zu vereinbaren ist, nach der der erstmaligen Rechnungserteilung keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung zukommt (EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-152/02, Terra Baubedarf-Handel, Slg. 2004, I-5583), lassen die ernstlichen Zweifel nicht entfallen. Insbesondere erscheint es durchaus möglich, dass der Steuerpflichtige entsprechend dem EuGH-Urteil Terra Baubedarf-Handel in Slg. 2004, I-5583 das Recht auf Vorsteuerabzug erst ausüben kann, wenn ihm eine Rechnung vorliegt, dass diese Rechnung bei Fehlern oder Unvollständigkeiten aber auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung berichtigt werden kann. Der von Huschens in UVR 2010, 333, 336 befürchtete Wertungswiderspruch, dass eine Rechnungsberichtigung zu einem Vorsteuerabzug mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung führen könne, entsteht dann nicht.
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d) Der Senat kann über die Frage, ob danach im Streitfall ernstliche Zweifel an dem festgesetzten Steueranspruch bestehen, gleichwohl nicht selbst entscheiden.
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aa) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten und den präsenten Beweismitteln ergibt, aus denen das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen hat. Zwar besteht im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Antrags auf AdV durch das FG für den BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung. Dies steht aber nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. März 2009 X B 197/08, BFH/NV 2009, 961) einer Zurückverweisung des Verfahrens zur ergänzenden Tatsachenfeststellung durch das FG nach §§ 132, 155 FGO i.V.m. § 572 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht entgegen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Feststellungen besser durch das FG getroffen werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der BFH als Revisions- und Beschwerdegericht in erster Linie die Aufgabe hat, die Entscheidungen der FG zu überprüfen, wohingegen die FG dem Rechtsuchenden den ersten Zugang zum Richter zu bieten haben.
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bb) Danach ist die Sache an das FG zur ergänzenden Tatsachenfeststellung zurückzuverweisen. Das FG hat zu den Mängeln der der Antragstellerin zunächst vorliegenden Rechnungen keinerlei Feststellungen getroffen. Im Streitfall ist es dem Senat auch weder anhand der vorliegenden Akten noch anhand der präsenten Beweismittel feststellbar, wie die Mängel, die die der Antragstellerin zunächst erteilten Rechnungen aufwiesen, später behoben worden sind.
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Insoweit ist zu beachten, dass, wenn die Möglichkeit einer Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zu bejahen ist, die Rechnungsberichtigung aber von einer erstmaligen Rechnungserteilung abzugrenzen ist. Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen. Dabei kann das FG von der Berichtigung einer bereits zuvor erteilten Rechnung jedenfalls dann ausgehen, wenn das zunächst erteilte "Dokument", das später berichtigt werden soll, zumindest die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG aufweist und daher Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, unter II.c bb ddd).
Tenor
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Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2015 3 V 774/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) erbrachte in den Streitjahren 2010 und 2011 Bauleistungen an eine Bauträger-GmbH (B-GmbH), die Organgesellschaft der A-GbR als Organträger war. Die B-GmbH verwendete die bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten und für Bestandsimmobilien. Die Antragstellerin und die B-GmbH gingen von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Dementsprechend versteuerte die A-GbR als Steuerschuldner die Leistungsbezüge von der Antragstellerin.
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Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) verlangte die A-GbR die Erstattung der von ihr nach § 13b UStG entrichteten Steuer. Daraufhin änderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2010 und 2011 der Antragstellerin durch die Änderungsbescheide vom 17. April 2015 gemäß § 164 der Abgabenordnung. Dabei ging das FA davon aus, dass die Antragstellerin die steuerpflichtig an die B-GmbH erbrachten Leistungen als Steuerschuldner zu versteuern habe. Zur Begründung wies das FA auf die Neuregelung in § 27 Abs. 19 UStG hin. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.
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Demgegenüber gewährte das Finanzgericht (FG) die beantragte Vollziehungsaussetzung. Es sah die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide insbesondere im Hinblick auf den unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit als ernstlich zweifelhaft an.
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Hiergegen wendet sich das FA mit Beschwerde. § 27 Abs. 19 UStG sei anzuwenden. Es bestehe ein vorrangiges Interesse am Vollzug eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes. Zu beachten seien die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.
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Das FA beantragt,
unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Vollziehungsaussetzung zur Umsatzsteuer 2010 und 2011 abzulehnen.
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Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des FG.
Entscheidungsgründe
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II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde des FA ist unbegründet; sie ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.
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Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, und vom 28. Mai 2015 V B 15/15, BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 9, m.w.N., und in BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.).
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2. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass nach Maßgabe des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 die Antragstellerin anstelle der A-GbR Steuerschuldner ist (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFHE 252, 187, Rz 13).
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3. Es bestehen für die beiden Streitjahre aber ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG, wie sich aus dem BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2015 XI B 84/15 (BFHE 252, 181, BStBl II 2016, 192) ergibt, auf den der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.
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4. Darüber hinaus ist für die beiden Streitjahre auch ernstlich zweifelhaft, ob der in der Person der Antragstellerin begründete Steueranspruch entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bereits in den Streitjahren uneinbringlich geworden sein könnte. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 16 ff.
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5. Soweit das FA die Beschwerde mit haushälterischen Erwägungen begründet, weist der Senat darauf hin, dass es zumindest zweifelhaft ist, ob das FA zu einer Erstattung an den Bauträger auch dann verpflichtet ist, wenn der Bauträger den auf den Leistungsbezug entfallenden Steueranteil nicht an seinen Vertragspartner gezahlt hat (BFH-Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 25).
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6. Es ist nicht danach zu unterscheiden, ob die B-GmbH die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten oder für Bestandsimmobilien verwendet hat. Auch bei einer Verwendung für Bestandsimmobilien besteht nach dem Senatsurteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 keine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, da der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, nicht seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auch insoweit ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA entgegen der früheren Verwaltungsauffassung in Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 und Abschn. 13b.3. Abs. 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses 2011/2012/2013 eine Besteuerung der Leistung bei der Antragstellerin verlangen kann.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1)1Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes.2Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.3Bei den inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beträgt das Einkommen aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen.4Bei Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, sind Leistungen und Leistungsversprechen zwischen der Körperschaft und Personen, die aus dieser Körperschaft Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 9 des Einkommensteuergesetzes erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit Ertragsteuern wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Körperschaft und deren Anteilseignern zu behandeln.
(2) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
(3)1Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird.2Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.3Verdeckte Einlagen erhöhen das Einkommen nicht.4Das Einkommen erhöht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat.5Satz 4 gilt auch für eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte Gewinnausschüttung hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert.6In den Fällen des Satzes 5 erhöht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung.
(4) (weggefallen)
(5) Bei Personenvereinigungen bleiben für die Ermittlung des Einkommens Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz.
(6) Besteht das Einkommen nur aus Einkünften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.
(7)1Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind
- 1.
bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben; - 2.
bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
(8)1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.2Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden.3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung erzielt.5Die Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden.6Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.
(9)1Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:
- 1.
Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen; - 2.
Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden; - 3.
alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
(10)1Bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist § 2 Absatz 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fällen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.
1Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.2Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe
- 1.
des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, - 2.
des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, - 3.
des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien,
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.
(2) Absatz 1 gilt nicht,
- 1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder - 2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.
(2) Absatz 1 gilt nicht,
- 1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder - 2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.
(1) Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.
(2) Aufzeichnungen sind so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird.
(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.
(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.
(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.
(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass
- 1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt, - 2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, - 3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und - 4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.
(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.
(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.
(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:
- 1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, - 2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe, - 3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe, - 4.
Buchungsbelege, - 4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union, - 5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten
- 1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, - 2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.
(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.
(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.
(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.
(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,
- 1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen, - 2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder - 3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
- 1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder - 2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder - 3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.
(1) Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.
(2) Aufzeichnungen sind so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird.
(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:
- 1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, - 2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe, - 3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe, - 4.
Buchungsbelege, - 4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union, - 5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten
- 1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, - 2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.
(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.
(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.
(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.
(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,
- 1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen, - 2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder - 3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
- 1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder - 2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder - 3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.
Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.
(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:
- 1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, - 2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe, - 3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe, - 4.
Buchungsbelege, - 4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union, - 5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten
- 1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, - 2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.
(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.
(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.
(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.
(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,
- 1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen, - 2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder - 3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
- 1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder - 2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder - 3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.
(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.
(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.
(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.
(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass
- 1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt, - 2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, - 3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und - 4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.
(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.
(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.
(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
(1) Bei der Führung der Handelsbücher und bei den sonst erforderlichen Aufzeichnungen hat sich der Kaufmann einer lebenden Sprache zu bedienen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muß im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.
(2) Die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden.
(3) Eine Eintragung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, daß der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiß läßt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
(4) Die Handelsbücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muß insbesondere sichergestellt sein, daß die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß.
(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.
(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.
(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.
(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass
- 1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt, - 2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, - 3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und - 4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.
(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.
(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.
(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
(1) Bei der Führung der Handelsbücher und bei den sonst erforderlichen Aufzeichnungen hat sich der Kaufmann einer lebenden Sprache zu bedienen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muß im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.
(2) Die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden.
(3) Eine Eintragung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, daß der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiß läßt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
(4) Die Handelsbücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muß insbesondere sichergestellt sein, daß die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß.
(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:
- 1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen, - 2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe, - 3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe, - 4.
Buchungsbelege, - 4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union, - 5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.
(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten
- 1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden, - 2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.
(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.
(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.
(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.
(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,
- 1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen, - 2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder - 3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
- 1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder - 2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder - 3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.
Tenor
-
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26. Juli 2012 4 K 2071/09 E,U aufgehoben.
-
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
-
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den verbliebenen Streitjahren 2001 und 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger betrieb von 1996 bis zum Frühjahr 2002 und erneut ab dem Frühjahr 2003 eine Schank- und Speisewirtschaft in Räumen, die er von einer Brauerei angemietet hatte. Die Klägerin war im Betrieb angestellt.
- 2
-
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Den größten Teil seiner Bareinnahmen rechnete er über eine elektronische Registrierkasse ab. Daneben führte er für die Thekeneinnahmen eine von der Registrierkasse getrennte Barkasse.
- 3
-
Im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung und stützte sich hierbei auf die folgenden Punkte:
-
Zwar ist für jeden Öffnungstag des Jahres 2001 ein Tagesendsummenbon vorhanden; die fortlaufende Nummerierung dieser Bons weist für die Zeit vom 1. Januar bis 16. März 2001 aber Unterbrechungen auf. Die Bons mit den dazwischenliegenden Nummern haben die Kläger nicht vorgelegt und hierzu vorgetragen, es handele sich um "Leerbons".
-
Für das Jahr 2003 liegen zwar fortlaufend nummerierte Tagesendsummenbons vor. Allerdings ist auf diesen Bons kein Datum ausgedruckt.
-
Die Kläger haben weder Programmierprotokolle der Registrierkasse noch die Speisekarte für das Jahr 2001 vorgelegt.
-
Ausweislich der Feststellungen des Finanzgerichts (FG) --im Betriebsprüfungsbericht ist dieser Umstand hingegen nicht erwähnt-- wurden für die Thekenkasse keine Kassenberichte erstellt, in denen die sich anhand der Aufzeichnungen ergebenden Soll-Kassenbestände mit den durch Auszählen ermittelten Ist-Beständen abzugleichen gewesen wären. Vielmehr wurden die täglichen Bestände dieser Kasse lediglich rechnerisch durch Gegenüberstellung der aufgezeichneten Einnahmen und Ausgaben ermittelt.
-
Der Kläger hat die Warenendbestände zum Ende der Streitjahre nicht durch Inventuren, sondern im Wege der Schätzung ermittelt.
-
Für das Jahr 2003 hat der Prüfer vier Bareinlagen in Höhe von insgesamt 4.164,78 € als ungeklärt angesehen. Hierzu hat das FG allerdings keine Feststellungen getroffen.
- 4
-
Der Prüfer erhöhte die vom Kläger erklärten Erlöse um Hinzuschätzungen, für deren Höhe er sich auf einen sog. "Zeitreihenvergleich" stützte. Dabei ging er wie folgt vor:
-
Aus den Eingangsrechnungen des Klägers ermittelte der Prüfer den Wareneinkauf für jede Kalenderwoche des Prüfungszeitraums. Nach dem --von den Klägern teilweise bestrittenen-- Vortrag des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) habe der Prüfer hierbei das Lieferdatum zugrunde gelegt, sofern ein solches in den Eingangsrechnungen angegeben gewesen sei. Ansonsten habe er das Rechnungsdatum herangezogen. Sofern der Kläger beim jeweiligen Lieferanten weniger als einmal wöchentlich eingekauft habe, habe der Prüfer den Wert des Einkaufs gleichmäßig auf den Zeitraum zwischen den aufeinanderfolgenden Einkäufen verteilt.
-
Den Wareneinkauf minderte der Prüfer um die sich aus der Buchführung des Klägers --auf der Grundlage der von der Finanzverwaltung hierfür veröffentlichten Pauschbeträge-- ergebenden Werte für Sachentnahmen der Familie der Kläger und für die Beköstigung des Personals. Diese Beträge verteilte er gleichmäßig auf die Kalenderwochen eines Jahres.
-
Für das Jahr 2003 minderte der Prüfer den Wareneinkauf ferner um den vom Kläger geschätzten Warenendbestand zum 31. Dezember 2003 (10.800 €), der ebenfalls gleichmäßig auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt wurde.
-
Den sich danach ergebenden wöchentlichen Wareneinsatz verglich der Prüfer mit den vom Kläger für die jeweilige Kalenderwoche erklärten Einnahmen. Aus diesem Vergleich ergab sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz.
-
Anschließend ermittelte der Prüfer für jede Kalenderwoche den Durchschnittswert aus den Rohgewinnaufschlagsätzen dieser Woche und der neun vorangehenden Wochen.
-
Seiner Schätzung legte der Prüfer den höchsten Zehn-Wochen-Durchschnittswert zugrunde, der sich im jeweiligen Kalenderjahr ergab. Dies waren für das Jahr 2001 die Kalenderwochen 23 bis 32 mit einem Rohgewinnaufschlagsatz (hier: Vergleich der Brutto-Einnahmen mit dem Netto-Wareneinsatz) von 241,54 %, für das Jahr 2003 die Kalenderwochen 28 bis 37 mit einem Brutto/Netto-Rohgewinnaufschlagsatz von 263,42 %.
-
Diese Rohgewinnaufschlagsätze wendete der Prüfer für das gesamte jeweilige Kalenderjahr auf den tatsächlich vom Kläger erklärten Wareneinsatz an.
- 5
-
Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer die folgenden Hinzuschätzungsbeträge:
Jahr
2001
2003
Wareneinsatz netto
200.244,83 DM
73.368,42 €
höchster RAS brutto/netto
241,54 %
263,42 %
zum Vergleich: RAS lt. Kläger
228,15 %
201,09 %
Erlöse brutto lt. Prüfer
683.908,83 DM
266.634,31 €
Erlöse brutto lt. Kläger
657.095,38 DM
220.905,86 €
Mehrerlöse brutto lt. Prüfer
26.813,44 DM
45.728,46 €
Mehrerlöse netto lt. Prüfer
23.115,03 DM
39.421,08 €
Hinzuschätzung netto lt. Prüfer (nach Abrundung auf den nächsten durch 5.000 teilbaren Betrag)
20.000,00 DM
35.000,00 €
- 6
-
Für das --im Revisionsverfahren nicht mehr streitbefangene-- Jahr 2002 nahm der Prüfer wegen aus seiner Sicht ungeklärt gebliebener Vermögenszuwächse eine Hinzuschätzung von 40.000 € netto vor.
- 7
-
Das FA erließ entsprechend geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Einspruchsverfahren legten die Kläger Geldverkehrsrechnungen für die Jahre 2001 und 2002 samt Unterlagen zu ihren außerbetrieblichen Einnahmen sowie zu Vermögensumschichtungen vor. Für das Jahr 2003 beantragten sie, weitere Schuldzinsen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Gegen den Zeitreihenvergleich wandten sie sich mit dem folgenden Vorbringen:
-
Für die Durchführung des Zeitreihenvergleichs sei die exakte Zuordnung des wöchentlichen Wareneinsatzes zu den Erlösen der jeweiligen Woche von herausragender Bedeutung. Der Schluss vom Wareneinkauf --nur insoweit bestehe eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht-- auf den wöchentlichen Wareneinsatz sei aber wegen des Fehlens einer Verpflichtung zu wöchentlichen Inventuren mit großen Unsicherheiten belastet. Zwar werde durch die Bildung eines Durchschnittswerts über einen Zehn-Wochen-Zeitraum eine gewisse Nivellierung vorgenommen; zufällige Verschiebungen am Anfang oder Ende eines solchen Zehn-Wochen-Zeitraums könnten aber immer noch erhebliche rechnerische Auswirkungen auf den sich ergebenden Rohgewinnaufschlagsatz haben.
-
Bereits die betriebs- und saisonüblichen Schwankungen in der Lagerhaltung sowie hinsichtlich der Ein- und Verkaufspreise und der Verteilung zwischen den Warenarten würden aufgrund der Systematik des Zeitreihenvergleichs zwingend zu rechnerischen Mehrergebnissen führen.
-
Es entspreche nicht dem tatsächlichen Ablauf, den Aufbau des zum 31. Dezember 2003 vorhandenen Warenendbestands gleichmäßig auf alle Kalenderwochen des Jahres 2003 zu verteilen.
-
Am letzten Augustwochenende (34. Kalenderwoche 2001 bzw. 35. Kalenderwoche 2003) finde jeweils das X-Fest statt, das zwar zu erheblich überdurchschnittlichen Wochenumsätzen, nicht aber zu einem entsprechenden Anstieg des Wareneinkaufs in derselben Kalenderwoche führe.
-
Im Jahr 2003 sei ein gerade kostendeckender Mittagstisch angeboten worden.
-
Der Warenverderb sei unberücksichtigt geblieben.
- 8
-
In seinen Einspruchsentscheidungen setzte das FA die Hinzuschätzung für 2002 auf 15.000 € herab und wies die Einsprüche im Übrigen zurück. Im Klageverfahren legten die Kläger auch für 2003 eine Geldverkehrsrechnung vor und erklärten aus vorhandenen Geldanlagen Zinseinnahmen für 2001 nach, die allerdings unterhalb der damals geltenden Freibeträge lagen.
- 9
-
Das FG gab der Klage für 2002 in vollem Umfang statt und berücksichtigte für 2003 zusätzliche Schuldzinsen in Höhe von 3.764 € als Betriebsausgaben. Im Übrigen wies es die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1982). Zur Begründung des klageabweisenden Teils seiner Entscheidung führte es aus, die Buchführung des Klägers sei in den Jahren 2001 und 2003 formell nicht ordnungsgemäß gewesen. Diese formellen Mängel seien wegen der entscheidenden Bedeutung der Bareinnahmen für den Betrieb des Klägers auch Anlass, die sachliche Richtigkeit der Buchführung anzuzweifeln, da es wegen der nur rechnerischen Führung der Kasse (gemeint wohl: Thekenkasse) an der Kassensturzfähigkeit fehle.
- 10
-
Der Zeitreihenvergleich stelle im Streitfall eine geeignete Schätzungsmethode dar. Die Wahl der Schätzungsmethode stehe im Ermessen des FA bzw. des FG; Unschärfen gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Methode des Zeitreihenvergleichs basiere darauf, dass es in der Praxis kaum möglich sei, über kurze Zeiträume genau denjenigen Wareneinkauf zu verschweigen, mit dem nicht verbuchte Erlöse erzielt würden. Im Betrieb des Klägers habe es in den Streitjahren keine wesentlichen Änderungen in der Betriebsführung oder -struktur gegeben, die einem Zeitreihenvergleich entgegenstehen könnten. Saisonale oder jahreszeitliche Schwankungen des Geschäfts seien nicht erkennbar, weil die wochenweise ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze nicht in Abhängigkeit von der Jahreszeit, sondern auch innerhalb einer Jahreszeit unterschiedlich seien. Das X-Fest könne sich nicht ausgewirkt haben, da es nur im Jahr 2003, nicht aber im Jahr 2001 in den vom FA herangezogenen Zehn-Wochen-Zeitraum falle, und auch für das Jahr 2003 der höchste Rohgewinnaufschlagsatz des Zehn-Wochen-Zeitraums gerade nicht in die Woche des X-Fests falle. Der Warenendbestand 2003 sei zu Recht auf das gesamte Jahr verteilt worden, da davon auszugehen sei, dass er während des gesamten Jahres aufgebaut worden sei. Für die Kläger sei dies günstiger als eine Berücksichtigung in einem kurzen Zeitraum, die dann in diesem Zeitraum zu überproportional hohen rechnerischen Wareneinsätzen führen würde. Die vom FA vorgenommene Abrundung gleiche weitere Unschärfen der Schätzung aus. Das Schätzungsergebnis bewege sich im mittleren Bereich der Richtsätze für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften (Netto/Netto-Mittelwert: 213 % bei einer Spanne von 150 bis 317 % für 2001 bzw. 144 bis 317 % für 2003).
- 11
-
Die von den Klägern eingereichten Geldverkehrsrechnungen seien als Schätzungsgrundlage nicht geeignet. Ihnen seien die sich aus der Buchführung ergebenden Betriebseinnahmen zugrunde gelegt worden, obwohl die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Für 2001 komme hinzu, dass die Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag doppelt angesetzt und die Herkunft der aus dem Ausland stammenden Mittel nicht nachgewiesen worden sei. Ohnehin bestehe kein Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode.
- 12
-
Für das Jahr 2002 sei die Klage hingegen begründet. Dem FA stehe insoweit keine Schätzungsbefugnis zu, weil die Buchführung des Klägers keine Mängel aufgewiesen habe. Es seien auch keine ungeklärten Vermögenszuwächse zu verzeichnen, weil die vom FA vorgenommene Geldverkehrsrechnung methodische Mängel aufweise.
- 13
-
Mit ihrer Revision wiederholen und vertiefen die Kläger ihre Einwendungen gegen den vom FA durchgeführten Zeitreihenvergleich. Ergänzend führen sie die folgenden Gesichtspunkte an:
-
Selbst wenn man davon ausgehe, dass die wochenweisen Schwankungen im Einkauf frischer Lebensmittel sich über einen Zehn-Wochen-Zeitraum ausgleichen würden, gelte dies nicht hinsichtlich alkoholischer Getränke, die auf Vorrat gekauft würden.
-
Dem von einem Zeitreihenvergleich betroffenen Steuerpflichtigen erschließe sich weder der Ablauf noch das Ergebnis dieser Schätzungsmethode. Dies kollidiere sowohl mit dem für Verwaltungsakte geltenden Begründungserfordernis (§ 121 der Abgabenordnung --AO--) als auch mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--). Es sei dem Steuerpflichtigen nicht möglich, auf die methodischen Mängel des Zeitreihenvergleichs zu reagieren, weil hierfür im Betrieb keine Daten erhoben würden und auch nicht erhoben werden müssten.
-
Die Anwendung des höchsten sich im jeweiligen Kalenderjahr ergebenden Zehn-Wochen-Rohgewinnaufschlagsatzes widerspreche den Denkgesetzen. Zwar könnten Unterschiede zwischen den wöchentlichen Aufschlagsätzen auf Manipulationen hindeuten; sie könnten aber ebenso auf den methodischen Mängeln des Zeitreihenvergleichs --insbesondere auf betriebsüblichen Schwankungen-- beruhen.
-
Der Biereinkauf sei gerade in den Wochen ab Ende November 2003 sehr hoch gewesen, so dass ein überproportionaler Teil des Warenendbestands in dieser Zeit aufgebaut worden sei.
-
Während der Außenprüfung sei beim Kläger nicht der geringste Anhaltspunkt für Schwarzeinkäufe gefunden worden.
- 14
-
Die Kläger haben im Revisionsverfahren ausdrücklich zugestanden, dass ihre Buchführung formell nicht ordnungsgemäß war.
- 15
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Nach Ergehen des angefochtenen Urteils hat das FA am 20. Dezember 2012 und am 4. Februar 2013 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 erlassen. Der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens wird dadurch nicht berührt, weil die Besteuerungsgrundlagen im Bescheid vom 4. Februar 2013 denen entsprechen, die bereits in dem von den Klägern ursprünglich angefochtenen Änderungsbescheid angesetzt worden sind.
- 16
-
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und den Einkommensteuerbescheid 2003 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2003, jeweils vom 17. März 2008 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 15. Mai 2009, sowie den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 4. Februar 2013 dahingehend zu ändern, dass die Hinzuschätzungen zu den Betriebseinnahmen bzw. umsatzsteuerpflichtigen Entgelten in Höhe von 20.000 DM (2001) bzw. 35.000 € (2003) --hinsichtlich der Einkommensteuer unter gegenläufiger Kürzung der Gewerbesteuer-Rückstellung-- rückgängig gemacht werden.
- 17
-
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 18
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Es trägt vor, die Methode des Zeitreihenvergleichs sei nicht neu, sondern werde von Wirtschaftsprüfern seit Jahrzehnten zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Für die Außenprüfung habe sie in den letzten Jahren durch das Datenzugriffsrecht und spezielle Software, die für die Finanzverwaltung entwickelt worden sei, an Bedeutung gewonnen. Sie beruhe darauf, dass sich selbst bei einem Verschweigen sowohl von Wareneinkäufen als auch von Erlösen im Wochenvergleich Auffälligkeiten ergeben würden. Die Methode werde vorzugsweise in Branchen mit eher geringer Lagerhaltung angewendet, bei denen sich die Umsätze relativ gleichmäßig auf das Jahr verteilten (z.B. Gastronomie). Ihr liege die Annahme zugrunde, dass es nicht sinnvoll wäre, bei jederzeit verfügbaren und leicht verderblichen Waren eine nennenswerte Lagerhaltung zu betreiben. Wenn diese Methode zum Ausweis größerer Unterschiede zwischen den wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätzen führe und sich derartige Unterschiede auch nach Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mit den Besonderheiten des jeweiligen Betriebs erklären ließen, werde vermutet, dass Verkäufe und/oder Einkäufe nicht zutreffend in der Buchführung erfasst worden seien. Weil der Zeitreihenvergleich auf betrieblichen Daten beruhe, sei er einer Richtsatzschätzung grundsätzlich überlegen. Er lasse kaum Raum für Zweifel an der unzutreffenden Verbuchung der Erlöse. Grundlage der Hinzuschätzungen seien aber auch in diesem Fall nicht Schwarzeinkäufe, sondern die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.
- 19
-
Die Kläger hätten sich auf die Aufzählung möglicher Unsicherheiten dieser Schätzungsmethode beschränkt, aber nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen der bei ihnen konkret durchgeführte Zeitreihenvergleich zu falschen Ergebnissen geführt habe. Die Schätzung sei hinreichend begründet worden; alle Berechnungen seien den Klägern zur Verfügung gestellt worden. Die Verteilung des Warenendbestands sei Gegenstand mehrerer Besprechungen gewesen. Da es sich um betriebliche Daten handele, sei es an den Klägern, etwaige Einwendungen zu substantiieren.
Entscheidungsgründe
- 20
-
II.Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 21
-
Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass wegen vorhandener Mängel in der Buchführung des Klägers dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis besteht (dazu unten 1.). Der Zeitreihenvergleich weist allerdings im Vergleich zu anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden besondere Problembereiche auf (dazu unten 2.), die seine Anwendbarkeit sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Übernahme des sich aus einem Zeitreihenvergleich ergebenden "Mehrergebnisses" als Betrag der Hinzuschätzung der Höhe nach einschränken (unten 3.). Diese Einschränkungen hat das FG im Streitfall nicht in vollem Umfang beachtet (unten 4.), so dass die Sache an die Vorinstanz zurückgehen muss (unten 5.).
- 22
-
1. Das FA --und über § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auch das FG-- war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO zur Schätzung befugt, weil die Buchführung des Klägers der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann.
- 23
-
a) Das FG hat die folgenden formellen Buchführungsmängel festgestellt, deren Vorliegen mittlerweile zudem zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die allerdings von unterschiedlichem Gewicht sind:
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aa) Die Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons für die Zeit vom 1. Januar bis zum 16. März 2001 ist ein formeller Mangel, der --bezogen auf diesen Zeitraum-- grundsätzlich als gravierend anzusehen ist, da die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht gesichert ist. Zwar konnten den Klägern konkrete Einnahmenverkürzungen nicht nachgewiesen werden. Sie haben ihre Behauptung, es handele sich um --für das Buchführungsergebnis unbeachtliche-- Leerbons, aber ebenfalls nicht belegen können.
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bb) Die fehlende Datierung der Tagesendsummenbons des Jahres 2003 ist unter den Umständen des Streitfalls hingegen nur als eher geringfügiger formeller Mangel anzusehen. Die Bons sind lückenlos nummeriert, so dass sich daraus zumindest ihre zeitliche Reihenfolge zwingend ergibt. Der Kläger hat in seinen Aufzeichnungen die aufeinander folgenden Bons den aufeinander folgenden Öffnungstagen des Betriebs im Jahr 2003 zugeordnet. Zweifel an der Richtigkeit dieser Zuordnung hat auch das FA nicht vorgebracht.
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cc) Auch das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stellt einen formellen Mangel dar. Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie insbesondere die Programmierprotokolle, die nachträgliche Änderungen dokumentieren, sind nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO als "sonstige Organisationsunterlagen" aufbewahrungspflichtig. Dies hat die Finanzverwaltung schon lange vor den Streitjahren vertreten (z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 7. November 1995, BStBl I 1995, 738, Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996, BStBl I 1996, 34; zeitlich nach den Streitjahren auch BMF-Schreiben vom 26. November 2010, BStBl I 2010, 1342, und vom 14. November 2014, BStBl I 2014, 1450, Tz 111). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147 AO Rz 9, 26).
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Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte bisher allerdings keine Gelegenheit, sich zu dem Gewicht dieses Mangels zu äußern. Der erkennende Senat vertritt hierzu die Auffassung, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichsteht. In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre. Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar; von derartigen Manipulationsmöglichkeiten machen Teile der betrieblichen Praxis nach dem Erkenntnisstand des Senats durchaus Gebrauch (zu einem solchen Fall z.B. Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 7. Januar 2015 5 V 2068/14; vgl. zum Ganzen auch Tz. 54 der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, BTDrucks 15/2020, 197 f.). Es ist daher von erheblicher Bedeutung, dass ein Betriebsprüfer --und ggf. auch ein FG-- sich davon überzeugen kann, wie die Kasse im Zeitpunkt ihrer Auslieferung und Inbetriebnahme programmiert war, sowie ob bzw. in welchem Umfang nach der Inbetriebnahme der Kasse spätere Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Für den Steuerpflichtigen überschreitet der mit der Dokumentation verbundene Aufwand die Grenze des Zumutbaren nicht. Beim Erwerb der Kasse kann er vom Verkäufer die Übergabe von Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen verlangen. Die Dokumentation späterer Umprogrammierungen verursacht jedenfalls einen geringeren Aufwand als die Umprogrammierung selbst.
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Das Gewicht dieses Mangels tritt allerdings zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.
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dd) Keine sichere Grundlage bietet das angefochtene Urteil hingegen für die Beurteilung der Frage, welches Gewicht dem Fehlen von Kassenberichten für die Thekenkasse zukommt. Grundsätzlich ist die nur rechnerische Führung einer offenen Ladenkasse, die keine Kassensturzfähigkeit gewährleistet, als ein gravierender Mangel zu bewerten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12), der schon für sich genommen auch ohne Nachweis einer konkreten materiellen Unrichtigkeit zu Hinzuschätzungen berechtigen würde. Allerdings hat das FG für das Jahr 2002 --in dem hinsichtlich der Thekenkasse dieselben Mängel bestanden wie für die Jahre 2001 und 2003-- auf Bl. 17 des Urteils ausdrücklich das Vorliegen von Buchführungsmängeln verneint und insoweit der Klage stattgegeben (auf Bl. 13 Abs. 2 des Urteils heißt es demgegenüber noch, die Kassenführung genüge "hinsichtlich der Streitjahre 2001 bis 2003" nicht den Anforderungen). Damit bleibt unklar, welche Bedeutung das FG den --vom Betriebsprüfer ohnehin nicht erwähnten-- Mängeln bei der Führung der Thekenkasse zugemessen hat. Revisionsrechtlich ist daher davon auszugehen, dass das FG diesem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.
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ee) Ob die Speisekarte des Jahres 2001 im Streitfall gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig war, kann anhand der Feststellungen des FG ebenfalls nicht beurteilt werden. Speisekarten sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht generell aufbewahrungspflichtig, sondern nur dann, wenn sie zum Verständnis und zur Überprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (ausführlich hierzu BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 26 ff.). Ob diese Voraussetzung im Betrieb des Klägers erfüllt war, hat das FG nicht festgestellt. Letztlich kommt es auf diese Frage im Streitfall aber nicht an, da jedenfalls die übrigen festgestellten formellen Mängel für die Bejahung einer Schätzungsbefugnis ausreichen (dazu noch unten c).
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b) Konkrete materielle Mängel der Kassenbuchführung, insbesondere der Einnahmenerfassung, hat das FG nicht festgestellt.
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Zwar stellt die fehlende Inventur für sich genommen einen materiellen Mangel dar, da der in der Buchführung ausgewiesene --offenbar lediglich griffweise geschätzte-- Betrag des Warenendbestands nicht dem tatsächlichen Wert der vorhandenen Waren entspricht und dadurch zugleich der Jahresgewinn verfälscht wird (vgl. zum Gewicht dieses Buchführungsmangels einerseits BFH-Urteil vom 14. Dezember 1966 VI 245/65, BFHE 87, 616, BStBl III 1967, 247; andererseits BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 109/70, BFHE 117, 224, BStBl II 1976, 210). Für die im vorliegenden Verfahren allein entscheidungserhebliche Frage der Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung (Vollständigkeit der Einnahmenerfassung) ist dieser materielle Mangel indes ohne Bedeutung, da die Unrichtigkeit des Warenendbestands keine Wechselwirkung mit der Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen aufweist.
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c) Aufgrund der festgestellten formellen Mängel entspricht die Buchführung des Klägers nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO, so dass ihr nicht die Beweiskraftwirkung des § 158 AO zukommt. Dies würde nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO bereits zur Schätzung berechtigen.
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Allerdings berechtigen formelle Buchführungsmängel nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34). Dies ist vorliegend der Fall. Das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse ist --wie dargestellt-- als gewichtiger Mangel anzusehen, der den gesamten Streitzeitraum betrifft. Dass die Registrierkasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, hat der Kläger nicht dargelegt. Für einen Teil des Jahres 2001 kommt noch das Fehlen eines Teils der Tagesendsummenbons als ebenfalls gewichtiger Mangel hinzu.
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2. Zwar waren FA und FG danach im Streitfall zur Schätzung befugt. Die von ihnen gewählte Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs (zur Beschreibung dieser Methode unten a) ist allerdings sowohl unter methodischen Aspekten (dazu unten b) als auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten (unten c) nicht unproblematisch.
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a) Der Zeitreihenvergleich stellt im Grundsatz eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode dar; er ist dem Bereich der Strukturanalysen zuzurechnen (grundlegend zur Nutzung von Strukturanalysen in der Außenprüfung unter besonderer Berücksichtigung des Zeitreihenvergleichs Huber, Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2002, 199, 233, 258, 293; Wähnert, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 2774; Rau, Statistisch-mathematische Methoden der steuerlichen Betriebsprüfung und die Strukturanalyse als ergänzende Alternative, Köln 2012; speziell zum Zeitreihenvergleich Högemann, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2000, 585; Wiggen, StBp 2008, 168; Vogelsang, BP-Handbuch, München 2008, I Rz 33 ff.; Brinkmann, Schätzungen im Steuerrecht, Berlin 2015, S. 278 ff.).
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Prinzipiell sind zahlreiche Varianten eines Zeitreihenvergleichs denkbar. Die im vorliegenden Verfahren angewendete Methode stellt jedoch ausweislich der recht großen Zahl der hierzu ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen die Standardherangehensweise der Finanzverwaltung dar (zu weiteren Varianten des Zeitreihenvergleichs vgl. Schumann/Wähnert, Steuerberatung 2012, 535). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass für jede Woche eines Kalenderjahres sowohl der wöchentliche Wareneinsatz als auch der Betrag der wöchentlichen Einnahmen ermittelt wird. Aus dem Vergleich dieser beiden Größen ergibt sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz. Die Finanzverwaltung sieht nun den höchsten Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum des Kalenderjahres ergibt, als maßgebend für das Gesamtjahr an. Da in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen in aller Regel keine Daten vorhanden sind, aus denen sich die wöchentlichen Wareneinsätze entnehmen ließen, versucht die Finanzverwaltung, diese Größen im Wege der Schätzung aus einer Verteilung der aus den Eingangsrechnungen ersichtlichen Wareneinkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Ware zu gewinnen. Ferner wird der Wareneinkauf um Personalbeköstigungen, Waren-Sachentnahmen und Warenbestandsveränderungen bereinigt.
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b) Der Zeitreihenvergleich weist gegenüber anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden einige technisch bedingte Besonderheiten auf, die zumindest eine vorsichtige Interpretation seiner Ergebnisse gebieten.
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aa) Auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung führt ein Zeitreihenvergleich denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, da der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden des Jahres auf den Wareneinsatz für das gesamte Jahr angewendet wird. Weil eine absolute Konstanz der wöchentlichen Rohgewinnaufschlagsätze in der Praxis auch bei Betrieben mit relativ geringer Lagerhaltung nicht vorkommt, muss der höchste Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres denknotwendig über dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Gesamtjahres liegen, selbst wenn dieser sich aus einer zutreffenden Buchführung ergibt (ebenso bereits FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004 8 V 3055/04 G, EFG 2004, 1810, rechtskräftig). Andere Schätzungsmethoden (z.B. Aufschlagkalkulation, Geldverkehrsrechnung) weisen diese systembedingte Besonderheit nicht auf, da sie das Ergebnis einer zutreffenden Buchführung im Regelfall bestätigen --nicht aber widerlegen-- werden.
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Daraus folgt, dass die vom FA in den Vordergrund seiner Argumentation gestellte Eignung des Zeitreihenvergleichs zur Feststellung von Doppelverkürzungen sowohl dem Grunde nach als auch zur Ermittlung ihres Umfangs der Höhe nach nicht frei von Zweifeln ist:
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(1) Übersteigt der höchste Rohgewinnaufschlagsatz einer Zehn-Wochen-Periode den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres, steht allein mit diesem Befund grundsätzlich noch nicht mit der für eine Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderlichen Sicherheit fest, dass die rechnerische Differenz gerade auf dem Verschweigen von Erlösen beruht. Vielmehr lässt sich bei einem solchen Ergebnis --ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte-- zunächst einmal nicht ausschließen, dass es durch die dargestellte methodische Besonderheit des Zeitreihenvergleichs hervorgerufen sein könnte. Soweit das FA --und sinngemäß wohl auch das FG-- die Auffassung vertritt, ein sich aufgrund eines Zeitreihenvergleichs ergebendes Mehrergebnis lasse "kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse nicht richtig verbucht seien" (ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2007 16 V 4691/06 A(E,U,F), EFG 2007, 814, rechtskräftig, unter II.2.d, und Urteil vom 20. März 2008 16 K 4689/06 E,U,F, EFG 2008, 1256, rechtskräftig, unter 3.d), kann der Senat dem daher nicht folgen.
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(2) Auch auf der anderen Seite des Spektrums möglicher Manipulationen dürfte eine Verprobung mittels eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen geeignet sein, jedenfalls den Einsatz einer technisch fortgeschrittenen Manipulationssoftware aufzudecken. Vielmehr ist eine derartige Software durchaus in der Lage, das Verhältnis zwischen den manipulierten Wareneinkäufen und den Erlösen so zu gestalten, dass die Rohgewinnaufschlagsätze auch im Wochenvergleich nur in einem Rahmen schwanken, der von Betriebsprüfern üblicherweise noch für plausibel gehalten wird.
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(3) Ein empirischer Nachweis der Eignung dieser Verprobungsmethode zur sicheren Aufdeckung von Steuerverkürzungen --insbesondere der mit anderen Methoden nur schwer aufzudeckenden sog. "Doppelverkürzungen" sowohl der Wareneinkäufe als auch der Erlöse-- ist nach dem Kenntnisstand des Senats bisher nicht geführt worden. Insbesondere ist in den bisher von den Finanzgerichten veröffentlichten Entscheidungen allein aus einer sich mittels eines Zeitreihenvergleichs ergebenden Hinzuschätzung in keinem Fall ausdrücklich darauf geschlossen worden, dass der Steuerpflichtige Doppelverkürzungen begangen hat. Das FA hat in seiner Revisionserwiderung zwar --ohne Angabe von Nachweisen-- angeführt, der Zeitreihenvergleich werde von Wirtschaftsprüfern bereits langjährig zur betriebswirtschaftlichen Analyse eingesetzt. Welchem Ziel diese Analysen dienen sollen und wie die Belastbarkeit ihrer Ergebnisse von den beteiligten Fachkreisen eingeschätzt wird, hat es aber nicht vorgetragen.
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bb) Zudem werden die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang durch mathematische "Hebelwirkungen" beeinflusst.
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(1) Dies verdeutlicht im Streitfall beispielhaft eine Betrachtung der Verhältnisse des Jahres 2001: Hier war für das FA und FG der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 23 bis 32 maßgebend. Dabei ergaben sich vor allem für die beiden am Ende dieser Zehn-Wochen-Periode liegenden Kalenderwochen 31 und 32 sehr hohe rechnerische Rohgewinnaufschlagsätze (412 % bzw. 360 %), die damit zugleich auch den Zehn-Wochen-Durchschnitt in die Höhe trieben. Zöge man stattdessen die Kalenderwochen 21 bis 30 heran, würde sich lediglich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von 209,60 % ergeben (statt der vom FA und FG herangezogenen 241,54 %). Hier hätte also bereits eine Verschiebung des Betrachtungszeitraums um nur zwei Wochen erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Schätzung.
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(2) Für das Streitjahr 2003 hat sich der Zeitraum von der 28. bis zur 37. Kalenderwoche vor allem wegen der zu Beginn dieses Zeitraums liegenden 28. Kalenderwoche als Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten Rohgewinnaufschlagsatz des Jahres dargestellt (263,42 %). Für diese 28. Kalenderwoche ergibt sich wegen eines recht geringen Wareneinkaufs ein rechnerischer Rohgewinnaufschlagsatz von 340,68 %. Ordnet man demgegenüber den Wareneinkauf der Vorwoche (27. Kalenderwoche: 1.552,46 €) zu 50 % der 28. Kalenderwoche zu, ergäbe sich die folgende Berechnung:
-
neuer Wareneinsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 14.030,65 € + 50 % von 1.552,46 € = 14.806,88 €
-
neuer Rohgewinnaufschlagsatz der Kalenderwochen 28 bis 37/2003: 244,37 %
-
Brutto-Hinzuschätzung: 31.752,96 € (statt 45.728,46 €; d.h. 31 % weniger als bisher).
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Dies zeigt, dass bereits eine Veränderung in der Zuordnung der Einkäufe nur einer einzigen Woche erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der Zehn-Wochen-Periode hat. Noch größere Auswirkungen würden sich an dieser Stelle zeigen, wenn der außergewöhnlich hohe Wareneinkauf der 26. Kalenderwoche (2.807,88 €) beispielsweise zu 1/3 der 28. Kalenderwoche zugeordnet würde.
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(3) Nun ist dem Senat durchaus bewusst, dass der Zeitreihenvergleich gerade darauf basiert, das höchste --und nicht etwa das zweit- oder dritthöchste oder ein noch anderes-- Ergebnis aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres als maßgebend für das Gesamtjahr anzusehen. Die aufgezeigte Hebelwirkung insbesondere hoher rechnerischer Wochen-Rohgewinnaufschlagsätze am Anfang oder Ende des herausgegriffenen Zehn-Wochen-Zeitraums macht aber deutlich, wie wesentlich die sorgfältige Ermittlung der Schätzungsgrundlagen --vor allem des Wareneinkaufs und seiner Verteilung zum Zwecke der Gewinnung des Wareneinsatzes-- gerade am Anfang und am Ende dieses Zeitraums für eine methodisch korrekte Durchführung eines Zeitreihenvergleichs ist (dazu noch unten 3.c; vgl. hierzu auch Beschluss des FG Münster vom 11. Februar 2000 9 V 5542/99 K,U,F, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 549, rechtskräftig). Dabei ist hinsichtlich des systematischen Verständnisses des Zeitreihenvergleichs darauf hinzuweisen, dass der --für diese Schätzungsmethode grundlegende-- Wareneinsatz eben nicht den eigenen Buchführungsdaten des Steuerpflichtigen entnommen wird, sondern diese Größe im Wege der mehr oder weniger ungenauen Schätzung aus einer Verteilung des Wareneinkaufs abgeleitet wird (ebenso bereits zutreffend FG Köln, Urteil vom 27. Januar 2009 6 K 3954/07, EFG 2009, 1092, rechtskräftig, unter II.3.). Anders wäre es nur, wenn der gesamte Warenbestand durch ein ausgefeiltes Warenwirtschaftssystem verwaltet würde, was in den meisten Betrieben der "Bargeldbranche" aber nicht der Fall ist.
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c) Auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs der Steuerpflichtigen auf einen effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) ist der Zeitreihenvergleich nicht frei von methodenspezifischen Bedenken. Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung --insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung-- möglich ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 24). Dabei müssen sowohl die Kalkulationsgrundlage --und damit auch die spezifischen Daten, auf denen der Zeitreihenvergleich basiert-- als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 2.b, und vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 4.c).
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aa) Für die Steuerpflichtigen, ihre Berater und auch die Finanzgerichte sind die Ergebnisse mathematisch-statistischer Methoden, zu denen auch der Zeitreihenvergleich gehört, wegen der dabei anfallenden umfangreichen Datenmengen nur beschränkt nachprüfbar. So umfasst im Streitfall allein die vom Betriebsprüfer erstellte --und für die Richtigkeit der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs grundlegende-- Aufgliederung der Wareneinkäufe bereits für den relativ kleinen Betrieb des Klägers und nur für das Streitjahr 2001 eine Excel-Tabelle mit ca. 1 100 Zeilen zu je 10 Spalten, d.h. insgesamt ca. 11 000 Eintragungen. Die Nachvollziehbarkeit dieser Datenaufbereitung des Prüfers wird noch dadurch erschwert --bzw. in Teilbereichen sogar ausgeschlossen--, dass die Tabelle weder chronologisch noch nach den einzelnen Lieferanten geordnet ist. Für das Gericht ist daher weder nachprüfbar, ob der Prüfer den Wareneinkauf zutreffend auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, noch ist --hier mit Ausnahme allenfalls des Biereinkaufs-- erkennbar, ob sich bestimmte Einkaufsmuster im Betrieb des Klägers regelmäßig wiederholen oder nicht.
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Hinzu kommt, dass das FA im Streitfall noch nicht einmal das vollständige Zahlenwerk vorgelegt hat. Insbesondere ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, wie der Prüfer den sich aus den Eingangsrechnungen ergebenden Wareneinkauf auf die einzelnen Kalenderwochen verteilt hat, obwohl vor allem dieser Punkt zwischen den Beteiligten umstritten ist. Gerade die Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer --bzw. durch die eingesetzte Software-- wird im Regelfall aber den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen. Die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vom Prüfer notwendigerweise vorgenommenen Wertungen --Datenmaterial zur wochenweisen Verteilung des Wareneinsatzes existiert im Betrieb in aller Regel nicht, zumal es keine gesetzliche Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Aufzeichnungen gibt-- ist für den Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung, um Fehler oder Unsicherheiten in der vom Prüfer vorgenommenen Verteilung aufzeigen zu können. Derartige Fehler können --insbesondere wenn sie dem Prüfer am Anfang oder Ende der von ihm herausgegriffenen Zehn-Wochen-Periode unterlaufen-- aufgrund des aufgezeigten mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren. Auch für das Gericht ist der Einblick in den Verteilungsvorgang wesentlich, um Erkenntnisse über die Größenordnung der im konkreten Fall anzunehmenden Fehlermarge des Zeitreihenvergleichs zu gewinnen.
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bb) Die Finanzbehörde versetzt sich durch die Anwendung solcher mathematisch-statistischer Methoden aufgrund des ihnen innewohnenden Datenüberschusses daher in eine gewisse technisch-rechnerische Überlegenheit gegenüber dem Steuerpflichtigen. Dieser steht nun --jedenfalls nach Auffassung der Verwaltung-- in der Pflicht, "Auffälligkeiten" in den Ergebnissen des Zahlenwerks zu erklären bzw. zu widerlegen, verfügt aber, ohne dass ihm dies rechtlich vorzuwerfen wäre, möglicherweise gar nicht über das umfangreiche Zahlenmaterial --oder auch über das statistisch-methodische Wissen--, das erforderlich wäre, um eine sachgerechte Analyse der Datenmengen vornehmen zu können.
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cc) Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass in Fällen der Anwendung eines Zeitreihenvergleichs die Finanzämter häufig schon ihre Darlegungspflichten nicht erfüllen, indem sie den Steuerpflichtigen und Finanzgerichten nicht alle Daten zur Verfügung stellen, die für eine vollständige Überprüfung des Zahlenwerks erforderlich sind. Auf der anderen Seite verbleiben aber selbst bei vollständiger Aufdeckung des Zahlenwerks rechtsstaatliche Bedenken, da die dann gelieferten Datenmengen so groß sind, dass eine grundlegende Überprüfung durch die Gerichte kaum zu leisten sein dürfte.
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3. Aus diesen Befunden --so sensibel sie unter den aufgezeigten Aspekten der folgerichtigen Methodik und des effektiven Rechtsschutzes sein mögen-- folgt für den Senat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes allerdings nicht das Ergebnis, die Methode des Zeitreihenvergleichs grundsätzlich zu verwerfen. Vielmehr besteht auf Seiten der Finanzverwaltung ein durchaus nachvollziehbares Bedürfnis, moderne Prüfungsmethoden --zu denen in geeigneten Fällen auch mathematisch-statistische Methoden gehören können-- einzusetzen. Denn auch umgekehrt verschafft sich ein Teil der Steuerpflichtigen durch ausgefeilt geplante Doppelverkürzungen und/oder den Einsatz von Manipulationssoftware, die die Aufdeckungsmöglichkeiten herkömmlicher Prüfungsmethoden minimieren, technische Vorteile gegenüber der Finanzverwaltung (vgl. dazu bereits oben 1.a cc). Hierauf darf und muss die Außenprüfung im Interesse der Wahrung der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) reagieren, und zwar auch im Wege der Entwicklung und Anwendung neuartiger Prüfungsmethoden.
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Die aufgezeigten Problembereiche lassen allerdings erkennen, dass der Zeitreihenvergleich für bestimmte Betriebstypen oder bestimmte betriebliche Situationen schon dem Grunde nach keine geeignete Schätzungsmethode darstellt (dazu unten a). Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach als geeignete Methode anzusehen ist, sind seine Ergebnisse --in Abhängigkeit vom Grad der Fehlerhaftigkeit der Buchführung des Steuerpflichtigen und vom Umfang der im jeweiligen Einzelfall in Bezug auf die vollständige Erfassung der Erlöse vorliegenden sonstigen Erkenntnisse-- ggf. nur eingeschränkt für die Höhe der Hinzuschätzung zu übernehmen (unten b). In jedem Fall ist wegen der erheblichen Hebelwirkung methodischer Fehler, die bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs unterlaufen, auf eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen zu achten (unten c).
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a) Bei bestimmten Betriebstypen oder in bestimmten betrieblichen Situationen scheidet der Zeitreihenvergleich schon dem Grunde nach als geeignete Schätzungsmethode aus. So basiert er entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb des Steuerpflichtigen das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum --der allerdings nicht notwendig ein volles Kalenderjahr umfassen muss (z.B. bei Saisonbetrieben)-- weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitgehenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft.
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Auch darf es im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die --nicht anderweitig behebbare-- wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.
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Diese Einschränkungen sind --abstrakt gesehen-- weitestgehend unstreitig und werden, soweit für den Senat ersichtlich, von der Finanzverwaltung im Allgemeinen auch schon bisher bei der Anwendung dieser Verprobungsmethode beachtet.
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b) Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach eine geeignete Verprobungsmethode darstellt, kann er gleichwohl gegenüber anderen Methoden nachrangig sein bzw. können seine Ergebnisse nur unter Beachtung der nachfolgend (unter aa bis cc) dargestellten Abstufungen der Schätzung zugrunde gelegt werden.
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Rechtliche Grundlage dieser Einschränkungen ist die Vorschrift des § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Wahlfreiheit des FA bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, unter 1.c). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des FA bzw. FG (vgl. BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b). Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig.
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Darin liegt keine Abweichung von der --vom FA angeführten-- Rechtsprechung, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. März 2005 X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a, und vom 27. Januar 2009 X B 28/08, BFH/NV 2009, 717, unter 3.b). Denn dies lässt die Geltung der Grundsätze für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unberührt. Im Übrigen betrafen diese Entscheidungen Fälle, in denen der Steuerpflichtige begehrte, das Ergebnis einer ordnungsgemäß angewendeten Schätzungsmethode durch Anwendung einer anderen, jedoch nicht vorrangigen oder besser geeigneten Methode zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b, und in BFH/NV 2009, 717, unter 3.b: keine Überprüfung einer Aufschlagkalkulation durch eine Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung erforderlich; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a: keine Überprüfung einer Geldverkehrsrechnung durch eine Nachkalkulation erforderlich). Darum geht es vorliegend indes nicht.
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aa) Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder --wie in dem Fall, der dem Urteil des FG Köln in EFG 2009, 1092 zugrunde lag-- nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit geführt werden. Diese Einschränkung ist notwendige Folge des Befunds, dass ein Zeitreihenvergleich auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung stets zu einem rechnerischen "Mehrergebnis" führen wird, ein solches rechnerisches Mehrergebnis allein also kein hinreichendes Indiz für eine unvollständige Erfassung von Einnahmen darstellen kann (dazu oben 2.b aa). Schon die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung nur entkräftet ist, wenn das FA nachweist, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann; an die Methodik einer solchen Schätzung sind wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als in Fällen, in denen wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin eine Schätzung der Einnahmen durchgeführt werden muss (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719, unter 2. vor a).
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bb) Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen --so ist der Streitfall nach den Feststellungen des FG gelagert--, ist das FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zwar dem Grunde nach zur Vornahme von Hinzuschätzungen berechtigt, weil die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO nicht gilt. Allein die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs lassen aufgrund der dieser Verprobungsmethode innewohnenden methodenbedingten Unsicherheiten aber noch keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen und den Umfang auch materieller Unrichtigkeiten der Buchführung zu.
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In diesen Fällen sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen (z.B. Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung, Aufschlagkalkulation) grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden --etwa wegen fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen oder eines zu hohen Grades an Komplexität seiner betrieblichen oder sonstigen finanziellen Verhältnisse-- nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden.
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Diese Ergebnisse sind vom FA und FG aber --auch von Amts wegen-- stets auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen, soweit diese bekannt sind (ebenso Schuster in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 158 AO Rz 17). Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geb