Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 23. Mai 2013 - 2 BvR 2129/11

bei uns veröffentlicht am23.05.2013

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 24. Mai 2011 - 32 StVK 46/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. August 2011 - III-1 Vollz (Ws) 371/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

...

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen wendet sich gegen die Versagung von Ausführungen.

2

1. Der seit 1992 inhaftierte Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und wurde im Jahr 1993 wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit jeweils gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung mit Todesfolge, erpresserischem Menschenraub, schwerem Raub und schwerer räuberischer Erpressung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Es wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

3

Von 1999 bis 2009 war der Beschwerdeführer in der Justizvollzugsanstalt W. untergebracht. Dort wurde er mehrfach, jeweils gefesselt und in Begleitung von zwei bewaffneten Vollzugsbediensteten, nach § 11 StVollzG zu seinem Sohn ausgeführt. Diese Ausführungen verliefen stets beanstandungslos.

4

Seit seiner - auf eigenen Antrag hin angeordneten - Verlegung in die Justizvollzugsanstalt R. im Jahr 2009 wurden dem Beschwerdeführer Ausführungen mit der Begründung versagt, dass - anders als in der Justizvollzugsanstalt W., in der Ausführungen zur Erhaltung der allgemeinen Lebenstüchtigkeit unter Fesselung erfolgten - in der Justizvollzugsanstalt R. Ausführungen nur als sogenannte Behandlungsausführungen zur Vorbereitung auf spätere Lockerungen und ungefesselt erfolgten. Der Beschwerdeführer sei wegen seiner ausländerrechtlichen Situation von Lockerungen ausgeschlossen und erhalte in der Folge auch keine Behandlungsausführungen.

5

Am 8. November 2010 lehnte die Justizvollzugsanstalt, wie schon mehrfach zuvor, einen Antrag des Beschwerdeführers auf Ausführung zu seinem Sohn ab. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft müsse ab dem Jahr 2013 mit Maßnahmen gemäß § 456a StPO gerechnet werden. Vollzugslockerungen in Form von Ausführungen zur Aufrechterhaltung der "Lebensfähigkeit" schieden daher aus, weil diese Maßnahmen der Vorbereitung auf weiterführende Lockerungen und die spätere Entlassung dienten, die hier aus ausländerrechtlichen Gründen nicht in Betracht kämen. Vor dem Hintergrund der anstehenden ausländerrechtlichen Maßnahmen sei es weder zweckdienlich noch geboten, eine Ausführung zum Zweck der "Lebensfähigkeit" zu gewähren, weil deren Zielsetzung, die Vorbereitung auf eine spätere Entlassung, nicht erreicht werden könne und derartige Ausführungen daher nur ungerechtfertigt Kosten verursachen und Personal binden würden. Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte sei die Ablehnung angemessen und verhältnismäßig.

6

2. Hiergegen beantragte der Beschwerdeführer gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG). Die Justizvollzugsanstalt W. habe ihm Ausführungen genehmigt. Außerdem dienten Ausführungen nicht allein oder maßgeblich zur Vorbereitung einer späteren Entlassung. Zur Erhaltung der "Lebensfähigkeit" des Beschwerdeführers und zur Kontaktpflege mit seinen Verwandten seien ihm "begleitete und überwachte Ausgänge" zu gewähren. Besondere Sicherheitsprobleme seien nicht ersichtlich und würden von der Justizvollzugsanstalt R. auch nicht angeführt.

7

Die Justizvollzugsanstalt nahm dahingehend Stellung, dass sie Ausführungen nicht nur zur Vorbereitung weiterer Lockerungsmaßnahmen, sondern auch als eigenständige Lockerung gewähre. Jedoch sei die Erwartung weitergehender Lockerungsmaßnahmen bei einem Gefangenen ein sachlicher Differenzierungsgrund für die Entscheidung über einen Lockerungsantrag. Diese Differenzierung sei notwendig, um der Vielzahl der Anträge auf Ausführungen nach § 11 StVollzG bei der derzeitigen Personalausstattung Herr zu werden. Bei dem Beschwerdeführer sei "nicht zu erwarten, dass dieser wegen der ausländerrechtlichen Situation und der damit einhergehenden Fluchtgefährdung eine Lockerungseignung nach § 11 StVollzG erhält". Er habe "bis zu zweimalig im Monat die Möglichkeit", einen "jeweils vierstündigen Langzeitbesuch von seinem erwachsenen Sohn zu beantragen". Darüber hinaus werde, auch wegen der fehlenden Perspektive, was das künftige Leben des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland angehe, keine Notwendigkeit gesehen, eine Ausführung in die Wohnung des Sohnes durchzuführen. Soweit der Beschwerdeführer vortrage, Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit zu benötigen, sei dies nicht tragfähig.

8

Das Landgericht wies mit angegriffenem Beschluss den Antrag als unbegründet zurück. Zwar begegnete die Entscheidung der Antragsgegnerin Bedenken, wenn sie allein darauf gestützt wäre, dass der Beschwerdeführer nicht in absehbarer Zeit entlassen werde. Die Entscheidung sei jedoch ersichtlich das Ergebnis einer Gesamtabwägung unter Berücksichtigung berechtigter Interessen, insbesondere auch im Hinblick auf die Resozialisierung des Beschwerdeführers und unter Zugrundelegung der sich deutlich voneinander unterscheidenden Vollzugssituation in der Justizvollzugsanstalt W. und in der Justizvollzugsanstalt R. Soweit der nachvollziehbar bejahten Fluchtgefahr in der Justizvollzugsanstalt W. durch Fesselung des Beschwerdeführers und Ausstattung der ihn ausführenden Vollzugsbediensteten mit Schusswaffen begegnet worden sei, sei die Justizvollzugsanstalt R. zu Ausführungen in dieser Form nicht verpflichtet. Es sei fraglich, ob der Gesetzgeber bei § 11 StVollzG diese Form von Ausführungen vor Augen gehabt habe, wenn letztlich erst durch die von der Justizvollzugsanstalt W. getroffenen Vorkehrungen die Fluchtgefahr verneint werden könne. Andererseits möge diese Form der Ausführung unter Abwägung der berechtigten Anliegen eines Gefangenen geboten sein, wenn keine anderen Mittel zur Verfügung stünden, diesen Interessen gerecht zu werden. Die Justizvollzugsanstalt R. weise in diesem Zusammenhang jedoch zu Recht auf die bei ihr gegebene Möglichkeit von Langzeitbesuchen in Räumlichkeiten, die einer Wohnung nachempfunden seien, hin. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass sie den Beschwerdeführer unter Abwägung insbesondere der bestehenden Fluchtgefahr, des berechtigten Interesses des Beschwerdeführers an einer Pflege seines Kontakts zu Familienangehörigen sowie der vorhandenen personellen Ressourcen auf die Möglichkeit eines Langzeitbesuchs anstelle einer Gewährung von Ausführungen mit Fesselung und Schusswaffen hinweise. Entscheidend für die Pflege des Kontaktes zu den Familienangehörigen sei vor allem die Zeit, die die Familienmitglieder ungestört miteinander verbringen könnten, nicht der Umstand, dass diese Zeit in Räumlichkeiten außerhalb der Justizvollzugsanstalt verbracht werde.

9

3. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde ein. Ausführungen seien angesichts seiner schweren psychischen Probleme und der Dauer seiner Inhaftierung zur Aufrechterhaltung seiner "Lebensfähigkeit" notwendig. Die Justizvollzugsanstalt W. habe ihn stets beanstandungsfrei ausgeführt. Die Ablehnungsentscheidung der Justizvollzugsanstalt R. beruhe allein auf der Erwägung, dass die für eine Ausführung des Beschwerdeführers zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen zu aufwendig seien und in der Justizvollzugsanstalt R. grundsätzlich nicht gewährt würden. Dies sei mit § 11 StVollzG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.

10

Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss die Rechtsbeschwerde mit Tenorbegründung als unzulässig; es sei nicht geboten, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG).

II.

11

1. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Die angegriffenen Entscheidungen seien willkürlich und verstießen gegen die Menschenwürdegarantie. Er befinde sich seit etwa 20 Jahren in Haft. Zwar habe er mit seiner Straftat erhebliche Schuld auf sich geladen, jedoch müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in einem solchen Fall die Perspektive erhalten bleiben, der Freiheit in absehbarer Zeit wieder teilhaftig zu werden, und dem Gefangenen müsse durch Vollzugslockerungen die Erhaltung seiner "Lebensfähigkeit" ermöglicht werden. Gerade bei Gefangenen mit langjährigen Freiheitsstrafen müssten die Vollzugsanstalten dem mit langandauernder Inhaftierung einhergehenden "Hospitalismus" begegnen. Da die Justizvollzugsanstalt W. den Beschwerdeführer beanstandungsfrei ausgeführt habe, könne es nicht darauf ankommen, in welchem Land er nach seiner Entlassung leben werde. Gefangenen, die nach Verbüßung der Freiheitsstrafe ins Ausland abgeschoben würden, deshalb Vollzugslockerungen zu versagen, liefe auf eine unzulässige Diskriminierung und darauf hinaus, dass Gefangenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit letztlich immer Vollzugslockerungen verwehrt werden könnten. Die Justizvollzugsanstalt R. könne sich nicht darauf zurückziehen, dass ihr Vollzugskonzept die von der Justizvollzugsanstalt W. durchgeführten Ausführungen nicht vorsehe, denn hierbei handele es sich um gegenüber dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers nachrangige Zweckmäßigkeitserwägungen. Insoweit seien gegebenenfalls Sicherungsmaßnahmen notwendig und vorzuhalten, für die jedoch beim Beschwerdeführer kein besonders erhöhter Bedarf bestehe. Die Möglichkeit von Langzeitbesuchen vermöge dem haftbedingten Hospitalisierungsprozess des Beschwerdeführers nicht entgegenzuwirken, weil sie ihm nicht ermögliche, die Fähigkeit zur Bewältigung von Alltagsproblemen aufrechtzuerhalten, und ihn nicht darauf vorbereite, sich nach seiner Entlassung in Freiheit zurechtzufinden.

12

2. Das nordrhein-westfälische Justizministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben der Kammer vorgelegen.

III.

13

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Danach ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Kammerzuständigkeit begründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

14

1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

15

a) aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrundegelegt (vgl. BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl.BVerfG, a.a.O., S. 92). Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>;BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen ist es geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit dienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen für Lockerungen ohne eine Aufsicht durch Vollzugsbeamte noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, und vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 865/11 -, R&P 2012, S. 222 <224>).

16

bb) Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris, und vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 865/11 -, R&P 2012, S. 222 <224>) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2012, a.a.O., S. 224). Sollen einem langjährig Inhaftierten selbst Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit versagt werden, so genügt zur Rechtfertigung nicht der bloße Verweis darauf, dass die Personallage der Vollzugsanstalt nichts anderes erlaube (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, m.w.N.). Grundrechte bestehen nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen im konkreten Fall oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310>; BVerfGK 13, 163 <166>, m.w.N.). Zwar können sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Justizvollzugsanstalt ergeben (vgl. BVerfGE 42, 95 <100 f.>). Der Strafgefangene kann nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 35, 307 <310>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK 13, 163 <166>; 13, 487 <492>). Außerdem ist eine Vollzugsanstalt von Verfassungs wegen nicht gehalten, dem Strafgefangenen die Erreichung eines von ihm angestrebten Zieles auf einem Wege zu ermöglichen, der für die Vollzugsanstalt außerordentliche Schwierigkeiten mit sich bringt und die Gewährleistung des Vollzugszweckes oder der Ordnung in der Anstalt ernsthaft in Frage stellt, wenn der Strafgefangene das gleiche Ziel ganz oder doch weitgehend auf einem ihm zumutbaren und für die Vollzugsanstalt mit wesentlich weniger Aufwand verbundenem Wege erreichen kann (vgl. BVerfGE 34, 369 <381>). Andererseits kann der Staat grundrechtliche und einfachgesetzliche Ansprüche Gefangener nicht nach Belieben dadurch verkürzen, dass er die Vollzugsanstalten nicht so ausstattet, wie es zur Wahrung der Rechte der Gefangenen erforderlich wäre. Vielmehr setzen die Grundrechte auch Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Es ist Sache des Staates, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 <284>; 45, 187 <240>; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; 13, 487 <492 f.> m.w.N.; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, und vom 28. Oktober 2012 - 2 BvR 737/11 -, juris).

17

cc) All dies gilt grundsätzlich auch für ausländische Gefangene, die aus der Haft heraus abgeschoben werden sollen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Oktober 2012 - 2 BvR 2025/12 -, juris; vgl. dementsprechend VV Nr. 6 zu § 11 StVollzG, wonach selbst bei Gefangenen, gegen die Auslieferungs- und Abschiebungshaft bereits angeordnet ist, nur Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang - unter Ausnahmevorbehalt - ausgeschlossen sind).

18

b) Die Gründe, mit denen das Landgericht die Versagung der vom Beschwerdeführer begehrten Ausführungen gerechtfertigt hat, sind nach diesen Maßstäben nicht tragfähig.

19

Das Landgericht hat zwar nicht verkannt, dass eine ausstehende konkrete Entlassungsperspektive für sich genommen noch keine Versagung von Ausführungen rechtfertigt (s.o. III. 1.a). Jedoch sind die Gründe, aus denen es die Versagung der begehrten Ausführungen dennoch als rechtmäßig bestätigt hat, mit den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht vereinbar. Mit der Frage, ob dem langjährig inhaftierten Beschwerdeführer die begehrte Ausführung - unabhängig davon, dass Kontakte mit seinem Sohn auch mittels Besuchen von dessen Seite gepflegt werden können - zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit hätte gewährt werden müssen, setzt das Landgericht sich nicht auseinander. Deshalb und weil das Landgericht die getroffene behördliche Entscheidung mit Gründen zu rechtfertigen sucht, die von den behördlicherseits angeführten erheblich abweichen, gelangt das Gericht nicht zu der gebotenen Überprüfung der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, die sich wesentlich auf eine durch die personellen Kapazitäten bedingte selbstgesetzte Regel zur Gewährung von Ausführungen gestützt hatte, nach der der Beschwerdeführer im Ergebnis vor allem aufgrund seines ausländerrechtlichen Status von Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit ausgeschlossen war. Die unzureichenden Gründe der vollzugsbehördlichen Entscheidung durch möglicherweise tragfähigere zu ersetzen, ist weder Sache des Bundesverfassungsgerichts noch Sache der Fachgerichte (zur Unzulässigkeit der gerichtlichen Ersetzung vollzugsbehördlicher Ermessenserwägungen vgl. nur BVerfGK 9, 390 <397>).

20

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

21

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

22

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

23

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellung im Beschlusstenor hinaus, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorlägen, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris) hier der Fall.

IV.

24

1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie sind daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

25

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

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(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird.

(2) Kehrt der Verurteilte zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67c Abs. 2 des Strafgesetzbuches entsprechend. Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, dass der Verurteilte zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen; § 131 Abs. 4 sowie § 131a Abs. 3 gelten entsprechend. Der Verurteilte ist zu belehren.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.

(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Koblenz, Strafvollstreckungskammer Diez, vom 13. Dezember 2007 - 7 StVK 432/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft.

2. Der Beschluss des Landgerichts wird im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. März 2008 - 2 Ws 52/08 (Vollz) - wird damit gegenstandslos.

4. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Vollzugsanstalt D. seit 1994 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen eine die Nichtgewährung von Lockerungen betreffende Feststellung in der Fortschreibung seines Vollzugsplans.

2

1. Für den Beschwerdeführer wurde unter dem 10. Oktober 2007 eine Vollzugsplanfortschreibung erstellt, in der es zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen heißt, erst "im Anschluss" an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen", und bevor "der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden".

3

Im Einzelnen hat die Vollzugsplanfortschreibung folgenden Inhalt:

4

"Der Gefangene verbleibt weiterhin im geschlossenen Vollzug der Vollzugsabteilung B.

5

Während der Haft gelang es Herrn M., das Fachabitur erfolgreich abzuschließen (Prüfung am 26.06.2007 mit der Durchschnittsnote 2,6). Auf das Abitur aufbauend begann er nunmehr als Vollzeitstudent ein Studium (Politik und Organisation). Der Studiengang (Bachelor) dauert 3 Jahre, für den Master müsste er noch 2 Jahre länger studieren. Der Gefangene erscheint hoch motiviert noch während der Haft den Studiengang der Fernuniversität Hagen erfolgreich abzuschließen.

6

Inzwischen wurde mit Schreiben vom 16.04.2007 zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer Stellung genommen. Mit der Festlegung der Mindestverbüßungsdauer wird zum Ende des Jahres gerechnet. Erst im Anschluss daran können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen.

7

Während der Konferenz wurde nochmals auf die Stellungnahme des psychologischen Dienstes eingegangen. Darin äußerte OPR W., dass Herr M. zwar zu diszipliniertem Lebenswandel und zu zielorientierter Arbeit fähig sei, es gäbe an den Schilderungen und Darstellungen des Gefangenen eigentlich nichts, worüber ein Diagnostiker im Hinblick auf eine günstige Prognose stolpern müsste. Herr M. habe die Motive seiner Tatbegehung verstanden, Scham und Betroffenheit entwickelt, diese auch zulassen können und habe zudem neue und andere Perspektiven für ein künftiges Leben entwickelt. Er habe sich einer Psychotherapie unterzogen und sein anfangs kämpferisches Verhalten im Vollzug reflektiert und weitestgehend aufgegeben. Dennoch stellten sich beim Diagnostiker Gefühle von Zweifel und Unsicherheit ein, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen echt und authentisch waren.

8

In der Konferenz versucht Herr M. in den psychologischen Gesprächen ehrlich zu sein. Auf Nachfrage, ob er sich tatsächlich verändert hätte, gibt er an, er habe das Unrecht der Tat eingesehen und würde sich heute vom Querulantentum distanzieren.

9

Auf das Angebot, in den Wohngruppenvollzug der Vollzugsabteilung E verlegt zu werden, möchte er nur eingehen, wenn ihm eine Einzelzelle angeboten wird oder wenn er einen passenden Gefangenen für eine Gemeinschaft findet. Er begründet dies mit dem hier anvertrauten Umfeld und den eingeschränkten Sportmöglichkeiten im E-Flügel. Im Übrigen hätte er in der JVA F. ausreichend den Wohngruppenvollzug praktiziert. Dennoch ist er bereit, sich den E-Flügel persönlich vor seiner endgültigen Entscheidung anzuschauen.

10

Das Vollzugsverhalten ist weiterhin beanstandungsfrei. Innerhalb der Vollzugsabteilung wird er als ruhig und freundlich beschrieben. Er nehme an Freizeitaktivitäten (z.B. Tischtennisauswahl) teil, tätige Umschluss und kommt den Weisungen der Bediensteten nach.

11

Regelmäßig führt Herr M. Besuchsüberstellung zu seiner Schwester nach K. durch. Ansonsten pflegt er Kontakt zu seinen Eltern (I.) und einem ehemaligen Strafgefangenen.

12

Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden.

13

Unregelmäßige Urinkontrollen sind weiterhin angezeigt, auch wenn Herr M. sich bislang vom Drogenkonsum innerhalb der Anstalt distanzierte."

14

2. a) Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG). Die Ablehnung jeglicher Vollzugslockerung verletze ihn in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die pauschale Bezugnahme auf die noch nicht erfolgte Festlegung der Mindestverbüßungszeit als Grund für die Verwehrung jeglicher Vollzugslockerungen sei keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob nunmehr Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Es fehle an der notwendigen umfassenden Abwägung der für und gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen sprechenden Umstände. Besonders schwer wiege, dass die Fortschreibung nicht erkennen lasse, auf welchen gesetzlichen Versagungsgrund oder auf welche Ermessenserwägungen die ablehnende Entscheidung sich stütze. Die Vollzugsanstalt habe verkannt, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Urteil des Schwurgerichts nicht notwendigerweise zu einer Verlängerung der Mindestvollstreckungsdauer von 15 Jahren führen müsse. Denn auch in den Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Schwere der Schuld durch das erkennende Gericht festgestellt wurde, müsse gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden, ob die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebiete.

15

Daneben erhob der Beschwerdeführer weitere Einwände gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Von der Darstellung dieser Beanstandungen und ihrer Behandlung durch das Landgericht wird abgesehen, da die Verfassungsbeschwerde sich hierauf nicht bezieht.

16

b) Die Vollzugsanstalt führte in ihrer Stellungnahme aus, Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil - das bei dem vom Beschwerdeführer begangenen Tötungsdelikt drei Mordmerkmale festgestellt habe - festgehalten worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer die Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beschwerdeführer in der Haft wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer weiteren Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden sei. Derzeit könne noch keine verlässliche Prognose erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Nach Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente und insbesondere des Resozialisierungsinteresses des Gefangenen sei die Vollzugsplankonferenz zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

17

c) Der Beschwerdeführer erwiderte, das Strafvollzugsgesetz lasse auch im Falle des Vollzugs lebenslanger Freiheitsstrafen bereits nach zehn Jahren Verbüßungsdauer die Gewährung von Urlaub zu. Damit habe der Gesetzgeber erkennen lassen, dass er auch bei einer weiteren zu verbüßenden Haftzeit von mindestens weiteren fünf Jahren die Gewährung einer weitreichenden Vollzugslockerung wie Urlaub für vertretbar halte. Die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen sei unabhängig von der Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung und einem in diesem Zusammenhang gegebenenfalls einzuholenden Gutachten zu treffen, zumal erfolgreich durchlaufene Vollzugslockerungen entscheidende Anknüpfungstatsachen im Rahmen der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung seien.

18

d) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Dezember 2007 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Der Gefangene habe keinen Anspruch auf Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Vollzugsplan, sondern lediglich Anspruch auf diesbezüglich ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Ermessensfehler sei hier - auch hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen - nicht ersichtlich. Die Vollzugsanstalt habe unter Zugrundelegung ihrer Kenntnisse und ihrer Würdigung zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seines Vollzugsverhaltens Abwägungen vorgenommen, die Ermessensfehler nicht erkennen ließen.

19

Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt nicht gestützt. Vielmehr habe sie unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen eine Verlegung sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit sowie der Entwicklung und des Verhaltens des Beschwerdeführers im Strafvollzug eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass auch positive Gesichtspunkte, die für die Gewährung von Lockerungen sprechen könnten, aufgeführt worden seien. Entscheidend seien für die Vollzugsanstalt die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie der noch ausstehende Beschluss zur Mindestverbüßungszeit gewesen. Zwar habe die Vollzugsanstalt - insoweit sei den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen - eine von der Festsetzung der Mindestverbüßungszeit unabhängige Gesamtabwägung der Umstände vorzunehmen. Allerdings sei auch zu beachten, dass sich die Gewährung von Vollzugslockerungen als Form der Behandlungsmaßnahme insbesondere auch als eine Entlassungsvorbereitung darstelle. Zwar könne allein der Umstand, dass der Zeitpunkt der Entlassung noch nicht absehbar sei, die Versagung von Vollzugslockerungen nicht begründen. Entscheidend träten jedoch weitere Faktoren hinzu. So sei der Beschwerdeführer während der Haft erneut straffällig geworden; auch könne die Vollzugsanstalt unter Zugrundelegung des Eindrucks, den sie durch den persönlichen Umgang mit dem Beschwerdeführer habe gewinnen können, nicht hinreichend verlässlich bewerten, inwieweit die Aufarbeitung und das Verhalten des Beschwerdeführers von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit bestimmt seien, so dass eine verlässliche positive Prognose nicht gestellt werden könne.

20

3. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsbeschwerde. Es fehle an einer vollständigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts. Die Strafvollstreckungskammer dürfe den Sachvortrag einer Seite nicht ungeprüft zugrundelegen. Diese hätte die Gefangenenpersonalakte mit der Stellungnahme des psychologischen Dienstes beiziehen müssen und Feststellungen in der Vollzugsplanfortschreibung nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Im Fall der Beiziehung der Gefangenenpersonalakte und der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes wäre der Kammer nicht verborgen geblieben, dass in der Stellungnahme nur von einem "Graubereich des leichten Zweifels" die Rede sei und nicht von "Zweifeln daran, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen des Antragsstellers echt seien". Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum das Gericht davon ausgehe, dass Lockerungen vor dem Ergehen eines Beschlusses über die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht gewährt werden könnten, obwohl es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass weder für eine Flucht- noch für eine Missbrauchsgefahr Anhaltspunkte vorlägen. Die Kammer habe zudem übersehen, dass es für die ausstehende Entscheidung über eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung ganz wesentlich darauf ankomme, ob er sich bereits im Rahmen von Vollzugslockerungen bewährt habe. Die ermessensfehlerhafte Versagung von Lockerungen nehme ihm die Möglichkeit, durch erfolgreiches Durchlaufen von Vollzugslockerungen zu einer ausreichenden Bandbreite an prognostisch bedeutsamen Anknüpfungstatsachen beizutragen. Er befinde sich seit mehr als 14 Jahren in Haft. Bislang seien ihm keinerlei Lockerungen, nicht einmal Ausführungen, gewährt worden.

21

Mit angegriffenem Beschluss vom 5. März 2008 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig; die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

II.

22

1. Mit seiner gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die lockerungsbezogene Vollzugsplanfortschreibung betrifft, und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die gerichtliche Bestätigung der auf die fehlende Festlegung der Mindestverbüßungszeit gestützten Versagung von Vollzugslockerungen verletze ihn in seinem durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die Strafvollstreckungskammer habe verkannt, dass der Gesetzgeber einen Zeitrahmen für die Gewährung von Vollzugslockerungen gerade nicht vorgesehen habe. Abgesehen von der in § 13 Abs. 3 StVollzG genannten Ausnahme sei die Gewährung von Vollzugslockerungen nach dem Strafvollzugsgesetz auch bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen jederzeit unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG möglich. Billigte man das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt, so hätte dies zur Folge, dass zu lebenslanger Haft Verurteilte, bei denen die besondere Schwere der Schuld festgestellt sei, von jeglicher Vollzugslockerung - sogar von Ausführungen in Begleitung von Beamten - bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer ausgeschlossen wären. Dies sei unter Resozialisierungsgesichtspunkten unvertretbar.

23

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

24

3. Der Beschwerdeführer hat mitgeteilt, dass ihm nach wie vor keine Vollzugslockerungen gewährt werden.

III.

25

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig (1.) und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG (2.).

26

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stünde es nicht entgegen, wenn zwischenzeitlich eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt sein sollte. Das Rechtsschutzinteresse wäre insoweit nicht wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens entfallen.

27

Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung steht schon nicht fest, ob die weitere Fortschreibung eines Vollzugsplans überhaupt zur Erledigung eines gegen die vorausgegangene Fortschreibung gerichteten Rechtsschutzbegehrens führt (verneinend Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13.Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26/07 u.a. -, juris; für die gegenteilige Auffassung vgl. Nachweise in BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

28

Ein Rechtsschutzinteresse bestünde im Übrigen auch bei anzunehmender Erledigung fort. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall bereits aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergibt (vgl. BVerfGK 8, 319 <322>). Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fortbestehens beeinträchtigender Wirkungen der angegriffenen Entscheidungen und der zugrundeliegenden vollzugsbehördlichen Maßnahme (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <233>; 110, 77 <85 f.>) anzuerkennen. Denn für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung kommt es unter anderem darauf an, ob eine fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen auf rechtmäßiger oder auf rechtswidriger Versagung von Lockerungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08 -, EuGRZ 2009, S. 246 <249 f.>). In diesem Zusammenhang entfaltet die ungerechtfertigte Verneinung der Lockerungseignung in einer Vollzugsplanfortschreibung eine fortdauernde beeinträchtigende Wirkung, wenn sie von den Fachgerichten als rechtmäßig bestätigt wird. Bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ist zudem von einem auch nach Erledigung fortbestehenden Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes auszugehen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 - 2 BvR 785/93 -, juris). Angesichts der Bedeutung lockerungsbezogener Entscheidungen für die Chance des Betroffenen auf Wiedererlangung der Freiheit (vgl. BVerfGE 109, 133 <165 f.>; 117, 71 <108>) steht hier ein im Sinne dieses Grundsatzes gewichtiger Grundrechtsverstoß in Rede.

29

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

30

a) Der Vollzug von Freiheitsstrafen ist nicht nur kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen dem Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 116, 69 <85>; stRspr).

31

Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl. BVerfGK 1, 3 <5 f.>; 9, 231 <236>). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet mit richtungsweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten. Dies setzt voraus, dass der Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze in zureichender, Orientierung ermöglichender Weise eingeht (BVerfGK 9, 231 <236 f.> m.w.N.). Das gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. In diesen Fällen muss jedenfalls bei schon länger andauerndem Vollzug unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders auch auf die Vermeidung schädigender Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 98, 169 <200>) ausgerichtet sein (BVerfGK 9, 231 <237>). Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen dabei eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Die demnach grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans besteht unabhängig davon, ob der Gefangene zuvor Lockerungen beantragt hat (vgl. BVerfGK 8, 319 <324>).

32

Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Das gilt auch für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; stRspr). Die Vollzugsanstalten sind mithin im Blick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsstörungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Diesem Ziel dient der in § 13 Abs. 1 StVollzG geregelte Urlaub (vgl. BVerfGE 64, 261 <273>) ebenso wie ein mit Zustimmung des Gefangenen als Lockerung des Vollzugs angeordneter Ausgang oder eine Ausführung unter Aufsicht. Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar. Für eine vom Gericht zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB) spielt die Bewährung in Vollzugslockerungen ebenfalls eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 117, 71 <108>); die Chancen, zu einer günstigen Sozialprognose zu gelangen (vgl. § 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB), werden durch eine vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert, durch deren Versagung aber verschlechtert (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>, und vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Lockerungen können danach nicht auf die Funktion der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret absehbaren Entlassung beschränkt werden. Bei langjährig Inhaftierten kann es, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet, geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen dadurch zu ermöglichen, dass die Justizvollzugsanstalt einer von ihr angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Die Justizvollzugsanstalt darf sich zudem nicht auf bloße pauschale Wertungen oder auf den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Sinne von § 11 Abs. 2 StVollzG beschränken. Sie hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>). Ob dies geschehen ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>).

33

b) Das Landgericht hat erkannt, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht jegliche Lockerungsperspektive allein mit der Begründung versagt werden kann, die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer für seine Strafe stehe noch aus (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 6. Oktober 1977 - Vollz (Ws) 10/77 -, ZfStrVo 1978 , S. 8; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17. November 1988 - 3 Ws 699/88 (StVollz) -, NStZ 1989, S. 246 f., und vom 5. Juli 1993 - 3 Ws 242/93 -, StV 1993, S. 599; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 27; Lesting, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 50). Es hat aber diese Erkenntnis auf den konkreten Fall nicht angewendet.

34

Die Vollzugsplanfortschreibung für den Beschwerdeführer enthielt zur Frage der Vollzugslockerungen allein zwei Aussagen, die nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben ungeeignet sind, die Versagung von Lockerungen oder eine entsprechende Vorprägung konkreter Lockerungsentscheidungen durch den Vollzugsplan zu tragen: "Erst im Anschluss daran", d.h. an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer, "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen" und "Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden". Durch eine wohlwollende Auslegung der Vollzugsplanfortschreibung dahingehend, dass die sonstigen darin enthaltenen Erwägungen gleichfalls zur Begründung der lockerungsbezogenen Planaussage dienen sollten, konnte - unabhängig von der Frage, ob diese Auslegung noch im Rahmen des fachgerichtlichen Entscheidungsspielraums anzusiedeln wäre - dieser Begründungsmangel schon deshalb nicht behoben werden, weil sich in der Vollzugsplanfortschreibung neben zahlreichen Hinweisen auf eine positive Entwicklung nicht eine einzige Feststellung findet, die auch nur in der Tendenz geeignet wäre, eine fehlende Lockerungseignung des Beschwerdeführers zu begründen.

35

Allerdings hatte die Vollzugsbehörde im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer ergänzende Ausführungen gemacht: Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil festgestellt worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer seine Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Hinzu komme die in der Haftzeit erfolgte strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Betäubungsmittelstraftat. Eine verlässliche Prognose könne derzeit noch nicht erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Die erfolgte Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente, insbesondere seines Resozialisierungsinteresses, habe daher zu dem Ergebnis geführt, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

36

Es kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit es sich hier um ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen handelte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 f.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Auflage 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 115 Rn. 53; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 115 Rn. 4 m.w.N. aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung). Denn jedenfalls beruht auch die nachgeschobene Begründung nicht auf der von Verfassungs wegen gebotenen Gesamtwürdigung der für die Frage der Lockerungseignung erheblichen Umstände (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>), sondern auf der unhaltbaren Annahme, dass über die Lockerungseignung des Beschwerdeführers erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer befunden werden könne. Mit den Behauptungen, es müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne, und erst "nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer" könne "die Lockerungseignung geprüft werden", hat die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme nicht nur an der unzutreffenden ursprünglichen Begründungserwägung festgehalten, sondern zugleich in aller Deutlichkeit bekundet, dass entgegen ihrer Behauptung, es sei eine umfassende Abwägung erfolgt, die erforderliche nähere Prüfung der Lockerungseignung noch gar nicht stattgefunden hatte. Das damit eingestandene Prüfungs- und Abwägungsdefizit springt im Übrigen auch insofern ins Auge, als sich die Stellungnahme mit keinem Wort zu der Frage verhält, weshalb nicht ungeachtet etwaiger Prognoseunsicherheiten die Lockerungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG dadurch gewährleistet werden können, dass Ausführungen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Nachdem der Beschwerdeführer längst die Haftdauer überschritten hatte, jenseits derer einem zu lebenslanger Haft Verurteilten nach § 13 Abs. 1, 3 StVollzG sogar Urlaub aus dem geschlossenen Vollzug gewährt werden kann, waren Feststellungen dazu offensichtlich nicht entbehrlich.

37

Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den lockerungsbezogenen Inhalt der Vollzugsplanfortschreibung dennoch unbeanstandet gelassen hat, gehen an diesen Mängeln der angefochtenen Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorbei und sind auch sonst nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat angenommen, Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt auch nicht gestützt. Unter dieser Voraussetzung konnte die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, Lockerungen vollzugsplanerisch jedenfalls bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungszeit auszuschließen, nur auf der Grundlage einer Ermessensausübung dahingehend, dass Lockerungen unabhängig von den Versagungsgründen nach § 11 Abs. 2 StVollzG nicht zu gewähren seien, Bestand haben (vgl. zur Zulässigkeit rein ermessensbasierter Versagung von Vollzugslockerung statt vieler Arloth, StVollzG, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 3, 12; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 26). Dass die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne getroffen habe, hat das Landgericht offenbar auch angenommen. Zu deren Rechtfertigung wären aber, voraussetzungsgemäß, von der Frage des Vorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr unabhängige Ermessensgründe erforderlich gewesen. Tragfähige Gründe dieser Art hat das Landgericht nicht festgestellt; sie waren - ganz abgesehen von den Grenzen des zulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren - auch weder in der Vollzugsplanfortschreibung noch in der behördlichen Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung aufzufinden. In der behördlicherseits angeführten Begründung, dass zunächst die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden müsse, offenbarte sich vielmehr je nachdem, ob dies als Rechts- oder als Ermessenserwägung aufzufassen war, ein Ermessensnichtgebrauch oder -fehlgebrauch.

IV.

38

1. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft. Die Sache ist insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts, das allein in dieser Frage mit der Rechtsbeschwerde angerufen war, wird damit gegenstandslos.

39

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 16. Oktober 2009 - 7a StVK 25/09 - verletzt den Beschwerdeführerin seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die Festsetzungen der Vollzugsplanfortschreibung vom 19. März 2009 zur Gewährung von Vollzugslockerungen auch insoweit unbeanstandet lässt, als sie sich auf Ausführungen (§ 11 Absatz 1 Nummer 2 Strafvollzugsgesetz) beziehen.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 2010 - 3 Ws 1040/09 (StVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit er die Rechtsbeschwerde auch insoweit als unzulässig verwirft, als sie den gemäß Ziffer 1. des Tenors verfassungsrechtlich zu beanstandenden Inhalt des Beschlusses des Landgerichts betrifft.

3. Die Beschlüsse werden im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Marburg zurückverwiesen.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

5. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt seit Mai 2007 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren wird im November 2019 erreicht sein. Seit November 2010 ist der Beschwerdeführer in der Justizvollzugsanstalt Dresden untergebracht. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen die Feststellungen in der Fortschreibung seines Vollzugsplans, nach denen ihm Vollzugslockerungen nicht zu gewähren sind.

2

1. Unter dem 19. März 2009 schrieb die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt den Vollzugsplan des Beschwerdeführers unter anderem wie folgt fort:

3

"10. Voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt: noch nicht absehbar"

4

"11. Eignung für Vollzugslockerungen: Prüfung abgeschlossen ja

5

Eignung z.Zt. nein

6

Begründung: siehe Punkt 14"

7

"12. Eignung für Urlaub aus der Haft: Prüfung abgeschlossen ja

8

Eignung z.Zt. nein

9

Begründung: siehe Punkt 14"

10

"12a. Prüfung offener Vollzug: nein, weil: zuvor noch Ausgang und Urlaub ohne Beanstandungen bewältigt werden müssen, für die noch keine Eignung festgestellt werden konnte."

11

"13. Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung:

12

zur Zeit nicht erforderlich, weil der Entlassungszeitpunkt noch nicht absehbar ist"

13

"14. Zusammenfassende Begründung

14

vor dem Hintergrund der noch nicht aufgearbeiteten Straftat und dem noch nicht absehbaren Strafende ist eine Flucht- und Missbrauchsgefahr bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlaub nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit auszuschließen."

15

Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG), mit dem er unter anderem geltend machte, die Vollzugsplanfortschreibung genüge, was die lockerungsbezogenen Feststellungen angehe, nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die unter Ziffer 10. getroffene Feststellung des noch nicht absehbaren Entlassungszeitpunktes sei eine Floskel und rechtsfehlerhaft. Die Strafvollstreckungskammer habe rechtzeitig vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren über den Zeitpunkt der Strafaussetzung zu entscheiden und mitzuteilen, wann mit einer Aussetzung zu rechnen sei. Unter den Ziffern 11. und 12. habe die Justizvollzugsanstalt ihm die Eignung für Vollzugslockerungen und Urlaube abgesprochen, weil ein Entlassungsdatum noch nicht bekannt sei. Daraus habe sie rechts- und ermessensfehlerhaft eine Flucht- und Missbrauchsgefahr abgeleitet. Die Verneinung der Eignung für den offenen Vollzug unter Ziffer 12a. sei rechtsfehlerhaft, weil die Justizvollzugsanstalt dabei nicht die vom Strafvollzugsgesetz aufgestellten Voraussetzungen beachtet habe. Ziffer 13. und 14. seien ebenfalls zu beanstanden. Wenn die Justizvollzugsanstalt dort eine Aufarbeitung seiner Straftat voraussetze, müsse sie ihm dazu auch die Möglichkeit geben.

16

Die Justizvollzugsanstalt nahm zu dem Antrag des Beschwerdeführers, soweit er die Frage der Vollzugslockerungen betraf, dahingehend Stellung, dass der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt (Ziffer 10.) nur eine Vorabeinschätzung seitens der Justizvollzugsanstalt sein könne. Da ein möglicher Entlassungszeitpunkt noch nicht absehbar sei, seien Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Auch die zusammenfassende Begründung (Ziffer 14.) sei nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer habe bisher noch nicht über seine Straftat reflektiert und zeige auch kein Interesse hierzu. Vor dem Hintergrund der noch zu verbüßenden Haftzeit seien Vollzugslockerungen und Urlaub noch nicht angezeigt.

17

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 16. Oktober 2009 wies das Landgericht Marburg den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, soweit er die lockerungsbezogenen Inhalte der Vollzugsplanfortschreibung betraf, zurück.

18

Soweit sich der Antrag auf Ziffer 10. beziehe, sei er bereits unzulässig. Die Aussage zum Entlassungszeitpunkt sei mangels unmittelbarer Rechtswirkung keine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG. Hinsichtlich der übrigen lockerungsbezogenen Punkte sei der Antrag nicht begründet. Die Verneinung der Eignung für Vollzugslockerungen unter Ziffer 11. halte der Nachprüfung (noch) stand. Die Justizvollzugsanstalt habe zwar unter Ziffer 14. die Begründung einer Flucht- und Missbrauchsgefahr auf das äußerste Mindestmaß reduziert. Im vorliegenden Fall könne dies allerdings gerade noch als ausreichend gewertet werden. Dass die Flucht- und Missbrauchsgefahr zum einen aus der fehlenden Tataufarbeitung hergeleitet werde, sei nachvollziehbar. Die vom Beschwerdeführer begangene Mordtat (heimtückisches Erschießen eines ehemaligen Arbeitskollegen, der in einen Hinterhalt gelockt worden sei, um 6.000 € zu erlangen) weise auf ein erhebliches Maß an Kaltblütigkeit und krimineller Energie hin, so dass eine Aufarbeitung des Geschehens und der zugrundeliegenden charakterlichen Defizite des Beschwerdeführers dringend erforderlich erscheine. Unstreitig sei damit noch nicht begonnen worden. Zum anderen verweise die Justizvollzugsanstalt auf das noch nicht absehbare Strafende. Insoweit sei anzumerken, dass die Gewährung von Lockerungsmaßnahmen bei Gefangenen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht von der voraussichtlichen Verbüßungsdauer abhängig gemacht werden dürfe. Die Justizvollzugsanstalt habe das Argument des noch nicht absehbaren Strafendes hier jedoch nicht unmittelbar zur Versagung von Lockerungsmaßnahmen, sondern nur mittelbar, nämlich zur Begründung der Flucht- und Missbrauchsgefahr, herangezogen. Dieser Schluss sei grundsätzlich möglich und im Fall des Beschwerdeführers auch vertretbar. Die Mindestverbüßungszeit werde erst in zehn Jahren erreicht sein und aufgrund der festgestellten Schwere der Schuld sei mit noch weiterer Verbüßungszeit zu rechnen. In Ansehung des noch erheblichen Strafrestes bestehe daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt Anlass für die Annahme einer Fluchtgefahr, ohne dass es weiterer Begründung bedürfe.

19

Die nicht vorgenommene Differenzierung zwischen begleiteten und unbegleiteten Lockerungsmaßnahmen sei noch hinnehmbar, weil die von der Justizvollzugsanstalt genannten Argumente derzeit so gewichtig seien, dass sich daraus die Ungeeignetheit für beaufsichtigte Lockerungen ergebe, was die fehlende Eignung für unbeaufsichtigte Lockerungen einschließe. Die Regelung unter Ziffer 12. (Urlaub) sei nicht zu beanstanden, weil gemäß § 13 Abs. 3 StVollzG Urlaub erst nach zehnjähriger Vollzugszeit möglich sei und der Beschwerdeführer diese Zeit noch nicht verbüßt habe. Ziffer 12a. (offener Vollzug) sei ebenfalls nicht aufzuheben. Aus der fehlenden Eignung für begleitete und unbegleitete Vollzuglockerungen ergebe sich zwanglos die Nichteignung für den offenen Vollzug. Der Beschwerdeführer habe letztlich auch keinen Anspruch auf Neubescheidung der Ziffer 13. Die Justizvollzugsanstalt habe Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung zu Recht nicht vorgesehen. In Anbetracht der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe und der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld liege es auf der Hand, dass derartige Maßnahmen aktuell nicht in Betracht kämen. Bei der Bemerkung der Justizvollzugsanstalt, dass der Entlassungszeitpunkt noch nicht absehbar sei, handele es sich nur um die Begründung, die als solche mangels Regelungscharakters nicht anfechtbar sei.

20

3. Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung des Resozialisierungsgebots und des Amtsermittlungsgrundsatzes. Bei Beachtung des Resozialisierungsgebots hätten Lockerungen gewährt werden müssen. Die Strafvollstreckungskammer habe den Sachverhalt fehlerhaft aufgeklärt und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unberücksichtigt gelassen. Der angefochtene Vollzugsplan enthalte keine Resozialisierungsmaßnahmen und genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die Feststellung zur Lockerungseignung werde dem Konkretisierungsgebot nicht gerecht. Die pauschale Annahme einer fehlenden Tataufarbeitung sei nicht zulässig. Zudem sehe der angefochtene Vollzugsplan eine Behandlungsmaßnahme zur Tataufarbeitung nicht vor. Keinesfalls dürfe eine Lockerungsmaßnahme eines zu lebenslanger Haft Verurteilten von der Vollzugsdauer abhängig gemacht werden. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass eine Aussage zum Entlassungszeitpunkt keine Maßnahme sei. Dennoch sei vorliegend der imaginäre Entlassungszeitpunkt die Grundlage für vollzugsbehördliche Ermessensentscheidungen. Was zur Erarbeitung einer Wiedereingliederungsperspektive unternommen werden solle, lasse sich dem Vollzugsplan ebenfalls nicht entnehmen.

21

4. Unter dem 10. Dezember 2009 erfolgte eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans. Während die Ziffern 11., 12. und 12a. gegenüber der Fortschreibung vom 19. März 2009 unverändert blieben, wurden die Ziffern 10., 13. und 14. wie folgt geändert (Änderungen hervorgehoben):

22

"10. Voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt: noch nicht absehbar

23

  Begründung: das weitere Vollzugsverhalten und die Einschätzung   zur besonderen Schwere der Schuld bleiben abzuwarten. "

24

"13. Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung:

25

zur Zeit nicht erforderlich, weil  verfrüht "

26

"14. Zusammenfassende Begründung

27

vor dem Hintergrund der noch nicht aufgearbeiteten Straftat und dem noch nicht absehbaren Strafende ist eine Flucht- und Missbrauchsgefahr bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlaub nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit auszuschließen.  Gründe, die   für die Gewährung einer Ausführung sprechen werden ebenfalls   nicht gesehen. "

28

5. Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Januar 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, da eine Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei.

II.

29

1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 19 Abs. 4 GG unter anderem durch die lockerungsbezogenen Feststellungen des Vollzugsplans. Diese entsprächen nicht dem Resozialisierungsgrundsatz. Die Vollzugsbehörde sehe Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung als nicht erforderlich an, weil ein Entlassungszeitpunkt - den sie nicht benannt habe - nicht absehbar sei. Aus einer wegen Tatleugnung angenommenen fehlenden Straftataufarbeitung und aus dem nicht absehbaren Strafende leite sie eine pauschale Flucht- und Missbrauchsgefahr mit der Folge, dass Vollzugslockerungen nicht gewährt werden könnten, ab.

30

2. Die Hessische Staatskanzlei hat mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2011 zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde sei mangels ausreichender Begründung unzulässig. Der Beschwerdeführer müsse sich mit dem als verfassungswidrig angegriffenen Rechtsakt inhaltlich auseinandersetzen, seine Beanstandungen im Einzelnen darlegen und den maßgeblichen Sachverhalt vortragen. Diesen Anforderungen genüge die Verfassungsbeschwerde nicht. Das Bundesverfassungsgericht müsse sich eine Meinung über die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde gerade aus der Beschwerdeschrift bilden können. Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen jedenfalls unbegründet. Soweit der Vollzugsplan die Eignung des Beschwerdeführers für Vollzugslockerungen schlechthin ablehne, sei die Verfassungsbeschwerde jedoch begründet. Dahingehend hätten die Justizvollzugsanstalt und das Landgericht die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundsätzlich verkannt, denn sie hätten angenommen, dass jegliche Vollzugslockerungen erst nach einer nicht näher bestimmten Mindesthaftdauer zu gewähren seien. Der Vollzugsplan lasse eine Abwägung zwischen dem grundsätzlich bestehenden Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers und anderen Interessen nicht erkennen, und die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 29. Juli 2009 mache deutlich, dass eine entsprechende Prüfung und Abwägung auch nicht stattgefunden habe. Das Landgericht habe diesen Abwägungsmangel als bedenklich, aber noch hinnehmbar angesehen und damit nicht hinlänglich gewürdigt. Auch dadurch, dass das Landgericht die Ableitung mangelnder Lockerungseignung aus der Flucht- und Missbrauchsgefahr gebilligt habe, habe es das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundsätzlich verkannt. Das Oberlandesgericht habe seinerseits übersehen, dass das Landgericht damit auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen sei, und es die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hätte zulassen müssen.

31

3. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens wurden beigezogen.

III.

32

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit der angegriffene Beschluss des Landgerichts die lockerungsbezogenen Vollzugsplaninhalteuneingeschränkt - auch soweit sie die Nichtgewährung von Ausführungen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG) einschließen - als rechtmäßig bestätigt und der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts die Rechtsbeschwerde auch insoweit für unzulässig erachtet hat. Die Annahme zur Entscheidung ist insoweit zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidungliegen insoweit vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die diesbezügliche verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, zulässig (1.) und in einem die Kammerzuständigkeit begründenden Sinne (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet (2., 3.).

33

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

34

1. a) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Vollzugsplan zwischenzeitlich fortgeschrieben wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <489>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

35

b) Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, auch ausreichend substantiiert.

36

aa) Der Beschwerdeführer muss einen Sachverhalt vortragen, der die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung erkennen lässt (vgl. BVerfGE 108, 370 <386 f.>; stRspr) und dem Bundesverfassungsgericht eine mindestens vorläufige - etwa aufgrund der beigezogenen Akten des fachgerichtlichen Verfahrens oder später eingehender Stellungnahmen durchaus noch revidierbare - verfassungsrechtliche Beurteilung ermöglicht (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; BVerfGK 5, 170 <171>; stRspr).Dieser Anforderung muss allerdings entgegen der Annahme der Hessischen Staatskanzlei nicht bereits die Beschwerdeschrift für sich genommen - ohne beigefügte Anlagen - genügen. Zwar kann dem Bundesverfassungsgericht nicht angesonnen werden, Prüfungen "ins Blaue" hinein anzustellen (vgl. BVerfGE 115, 166 <180>). Es ist daher auch nicht seine Aufgabe, aufgrund eines undifferenzierten Hinweises auf frühere Schriftsätze oder sonstige Dokumente den dortigen Vortrag auf verfassungsrechtlich relevante Lebenssachverhalte hin zu untersuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>). So reichen pauschale Bezugnahmen auf - insbesondere umfangreiche - Anlagen, ohne dass behauptete Verfassungsverstöße in der Verfassungsbeschwerdeschrift spezifiziert wären, zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Januar 1999 - 2 BvR 799/98, 2 BvR 800/98 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. September 2011 - 1 BvR 1460/10 -, juris; ebenso für den Fall, dass umfangreiche Anlagen, statt als Anlagen beigefügt, in den Beschwerdeschriftsatz einkopiert sind, BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 1042/07 -, juris). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Verfassungsbeschwerde bereits dann unzulässig wäre, wenn für ihre Beurteilung über den Beschwerdeschriftsatz selbst hinaus auch beigefügte Anlagen erforderlich sind. Dies zeigt sich schon darin, dass es dem Beschwerdeführer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts freisteht, seinen Darlegungslasten entweder durch Wiedergabe des wesentlichen Inhalts angegriffener Entscheidungen und anderer beurteilungserheblicher Unterlagen in der Verfassungsbeschwerdeschrift oder dadurch nachzukommen, dass er die betreffenden Unterlagen der Beschwerdeschrift als Anlagen beifügt (vgl. BVerfGE 112, 304 <314>; BVerfGK 16, 410 <415 f.>). Die letztere Alternative wäre sinnlos, wenn sich alles für die Beurteilung Erforderliche bereits unabhängig von den Anlagen aus der Verfassungsbeschwerdeschrift ergeben müsste.

37

Nähere Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung gehört zur notwendigen Begründung der Verfassungsbeschwerde, soweit sie erforderlich ist, um erkennbar zu machen, inwiefern der Beschwerdeführer sich in seinen Grundrechten verletzt sieht (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345>; stRspr). Eine zutreffende rechtliche Einordnung des Geschehens ist dem Beschwerdeführer darüber hinaus grundsätzlich nicht abverlangt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. August 2008 - 2 BvR 1198/08 -, juris; s. etwa zur Entbehrlichkeit ausdrücklicher und korrekter Bezeichnung des als verletzt angesehenen Grundrechts, sofern dem Verfassungsbeschwerdevortrag der Sache nach entnommen werden kann, in welchem Grundrecht der Beschwerdeführer sich verletzt sieht, BVerfGE 47, 182 <187>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 -, NJW-RR 2004, S. 1153). Soweit fehlende Auseinandersetzung mit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten rechtlichen Maßstäben als ein Begründungsmangel angesehen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Juni 2009 - 2 BvR 1076/09 -, NVwZ 2009, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2009 - 1 BvR 1997/08 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. März 2010 - 1 BvR 2909/08 -, juris), betrifft dies Fälle, in denen anhand der vorliegenden Rechtsprechungsmaßstäbe ein Grundrechtsverstoß - jedenfalls unabhängig von näheren Darlegungen - gerade nicht zu identifizieren und daher die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht dargetan war (für den besonderen Fall, dass der relevante verfassungsrechtliche Maßstab auf rechtlich bewertete komplexe Sachverhalte wie ein bestimmtes allgemeines Niveau des Grundrechtsschutzes Bezug nimmt, vgl. BVerfGE 102, 147 <164>). Die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten ist nicht hinreichend aufgezeigt, wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine solche Verletzung ausscheidet und die Verfassungsbeschwerde dem nichts entgegensetzt (vgl. BVerfGE 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2009 - 2 BvQ 50/09 -, juris).

38

bb) Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde ausreichend begründet. Mit seiner Verfassungsbeschwerde beanstandet der Beschwerdeführer, dass mit Verweis auf eine pauschal angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr jegliche Vollzugslockerung ausgeschlossen worden sei, und sieht sich dadurch, dass seine diesbezüglichen Rügen vor den Fachgerichten erfolglos geblieben sind, in seinem grundrechtlichen Anspruch auf einen resozialisierungsorientierten Vollzug (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt. Mit diesem Vortrag ist hinreichend verdeutlicht, inwiefern der Beschwerdeführer sich durch die angegriffenen Entscheidungen in Grundrechten verletzt sieht; auf eine ungezielte Durchsuchung beigefügter Anlagen wird das Bundesverfassungsgericht damit nicht verwiesen. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, mit der der Beschwerdeführer sich auseinanderzusetzen gehabt hätte, weil sie seiner Annahme, in Grundrechten verletzt zu sein, entgegensteht, liegt nicht vor.

39

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

40

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.>; stRspr). Dies gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat im Strafvollzugsgesetz dementsprechend auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen(vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92).

41

Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Hierfür kommt der Möglichkeit, dem Gefangenen Lockerungen zu gewähren, besondere Bedeutung zu. Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit dienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen hierfür noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, FS 2011, S. 252) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>).

42

b) Den daraus sich ergebenden Anforderungen an die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Vollzugsplanung entspricht der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht, soweit er den planerischen Ausschluss der Gewährung von Lockerungen uneingeschränkt, und damit auch hinsichtlich bloßer Ausführungen, als rechtmäßig bestätigt.

43

Da die bei dieser Lockerungsform vorgesehene Aufsicht von Vollzugsbediensteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG) gerade den Sinn hat, Flucht- und Missbrauchsgefahren entgegenzuwirken, die bei fehlender Aufsicht bestünden, ist die allgemeine - nicht nach Lockerungsformen differenzierende - Feststellung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr für sich genommen grundsätzlich ungeeignet, zu begründen, dass die angenommene Gefahr auch im Fall der Ausführung nicht besteht. Zwar kann im Einzelfall - etwa wenn auf die Gefahr geplanter Befreiungsaktionen im Rahmen organisierter Kriminalität oder auf eine bereits zuvor erfolgte Entziehung des betreffenden Gefangenen aus bestehender Bewachung verwiesen wird - ohne nähere Ausführungen auf der Hand liegen, dass die geltend gemachte Gefahr mit vertretbarem Bewachungsaufwand nicht auszuräumen ist. Die Annahme einer aus solchen Gründen bestehenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr mag dann ohne weiteres auch auf den Fall der Ausführung unter Aufsicht von Vollzugsbediensteten zu beziehen und geeignet sein, die Versagung von Lockerungen auch insoweit zu rechfertigen. Ein derartiger Fall unwidersprechlicher, auf nähere Begründung nicht angewiesener Evidenz, dass die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr auch durch die bei Ausführungen definitionsgemäß vorgesehene vollzugsdienstliche Bewachung nicht auszuschließen sein werde, lag hier jedoch nicht vor. Die zu überprüfende Vollzugsplanfortschreibung verhielt sich mit keinem Wort zu der Frage, weshalb die Lockerungsvoraussetzungen auch bei Ausführungen trotz der damit verbundenen und verbindbaren Sicherheitsvorkehrungen (vgl. zu einer beantragten Ausführung unter Fesselung Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris) nicht gegeben seien, und die von der Justizvollzugsanstalt für die Versagung jeglicher Lockerungen allein angeführten spärlichen allgemeinen Gründe drängten entsprechende Schlussfolgerung auch sonst nicht ansatzweise auf. Für die Bestätigung der Vollzugsplanfortschreibung als rechts- und ermessensfehlerfrei fehlten damit die Voraussetzungen.

44

3. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

45

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

46

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

47

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellung im Beschlusstenor hinaus, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorlägen, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführerserhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris, Rn. 33; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26.Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, Rn. 28). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7) hier der Fall.

IV.

48

1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG sind sie aufzuheben, soweit sie die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 19. März 2009 getroffenen Feststellungen zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betreffen; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

49

2. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG (vgl. zur Auslagenerstattung bei teilweisem Obsiegen BVerfGE 119, 181 <182, 246>; 119, 331 <331, 385>; 120,274 <275, 350>).

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Koblenz, Strafvollstreckungskammer Diez, vom 13. Dezember 2007 - 7 StVK 432/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft.

2. Der Beschluss des Landgerichts wird im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. März 2008 - 2 Ws 52/08 (Vollz) - wird damit gegenstandslos.

4. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Vollzugsanstalt D. seit 1994 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen eine die Nichtgewährung von Lockerungen betreffende Feststellung in der Fortschreibung seines Vollzugsplans.

2

1. Für den Beschwerdeführer wurde unter dem 10. Oktober 2007 eine Vollzugsplanfortschreibung erstellt, in der es zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen heißt, erst "im Anschluss" an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen", und bevor "der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden".

3

Im Einzelnen hat die Vollzugsplanfortschreibung folgenden Inhalt:

4

"Der Gefangene verbleibt weiterhin im geschlossenen Vollzug der Vollzugsabteilung B.

5

Während der Haft gelang es Herrn M., das Fachabitur erfolgreich abzuschließen (Prüfung am 26.06.2007 mit der Durchschnittsnote 2,6). Auf das Abitur aufbauend begann er nunmehr als Vollzeitstudent ein Studium (Politik und Organisation). Der Studiengang (Bachelor) dauert 3 Jahre, für den Master müsste er noch 2 Jahre länger studieren. Der Gefangene erscheint hoch motiviert noch während der Haft den Studiengang der Fernuniversität Hagen erfolgreich abzuschließen.

6

Inzwischen wurde mit Schreiben vom 16.04.2007 zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer Stellung genommen. Mit der Festlegung der Mindestverbüßungsdauer wird zum Ende des Jahres gerechnet. Erst im Anschluss daran können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen.

7

Während der Konferenz wurde nochmals auf die Stellungnahme des psychologischen Dienstes eingegangen. Darin äußerte OPR W., dass Herr M. zwar zu diszipliniertem Lebenswandel und zu zielorientierter Arbeit fähig sei, es gäbe an den Schilderungen und Darstellungen des Gefangenen eigentlich nichts, worüber ein Diagnostiker im Hinblick auf eine günstige Prognose stolpern müsste. Herr M. habe die Motive seiner Tatbegehung verstanden, Scham und Betroffenheit entwickelt, diese auch zulassen können und habe zudem neue und andere Perspektiven für ein künftiges Leben entwickelt. Er habe sich einer Psychotherapie unterzogen und sein anfangs kämpferisches Verhalten im Vollzug reflektiert und weitestgehend aufgegeben. Dennoch stellten sich beim Diagnostiker Gefühle von Zweifel und Unsicherheit ein, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen echt und authentisch waren.

8

In der Konferenz versucht Herr M. in den psychologischen Gesprächen ehrlich zu sein. Auf Nachfrage, ob er sich tatsächlich verändert hätte, gibt er an, er habe das Unrecht der Tat eingesehen und würde sich heute vom Querulantentum distanzieren.

9

Auf das Angebot, in den Wohngruppenvollzug der Vollzugsabteilung E verlegt zu werden, möchte er nur eingehen, wenn ihm eine Einzelzelle angeboten wird oder wenn er einen passenden Gefangenen für eine Gemeinschaft findet. Er begründet dies mit dem hier anvertrauten Umfeld und den eingeschränkten Sportmöglichkeiten im E-Flügel. Im Übrigen hätte er in der JVA F. ausreichend den Wohngruppenvollzug praktiziert. Dennoch ist er bereit, sich den E-Flügel persönlich vor seiner endgültigen Entscheidung anzuschauen.

10

Das Vollzugsverhalten ist weiterhin beanstandungsfrei. Innerhalb der Vollzugsabteilung wird er als ruhig und freundlich beschrieben. Er nehme an Freizeitaktivitäten (z.B. Tischtennisauswahl) teil, tätige Umschluss und kommt den Weisungen der Bediensteten nach.

11

Regelmäßig führt Herr M. Besuchsüberstellung zu seiner Schwester nach K. durch. Ansonsten pflegt er Kontakt zu seinen Eltern (I.) und einem ehemaligen Strafgefangenen.

12

Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden.

13

Unregelmäßige Urinkontrollen sind weiterhin angezeigt, auch wenn Herr M. sich bislang vom Drogenkonsum innerhalb der Anstalt distanzierte."

14

2. a) Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG). Die Ablehnung jeglicher Vollzugslockerung verletze ihn in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die pauschale Bezugnahme auf die noch nicht erfolgte Festlegung der Mindestverbüßungszeit als Grund für die Verwehrung jeglicher Vollzugslockerungen sei keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob nunmehr Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Es fehle an der notwendigen umfassenden Abwägung der für und gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen sprechenden Umstände. Besonders schwer wiege, dass die Fortschreibung nicht erkennen lasse, auf welchen gesetzlichen Versagungsgrund oder auf welche Ermessenserwägungen die ablehnende Entscheidung sich stütze. Die Vollzugsanstalt habe verkannt, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Urteil des Schwurgerichts nicht notwendigerweise zu einer Verlängerung der Mindestvollstreckungsdauer von 15 Jahren führen müsse. Denn auch in den Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Schwere der Schuld durch das erkennende Gericht festgestellt wurde, müsse gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden, ob die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebiete.

15

Daneben erhob der Beschwerdeführer weitere Einwände gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Von der Darstellung dieser Beanstandungen und ihrer Behandlung durch das Landgericht wird abgesehen, da die Verfassungsbeschwerde sich hierauf nicht bezieht.

16

b) Die Vollzugsanstalt führte in ihrer Stellungnahme aus, Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil - das bei dem vom Beschwerdeführer begangenen Tötungsdelikt drei Mordmerkmale festgestellt habe - festgehalten worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer die Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beschwerdeführer in der Haft wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer weiteren Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden sei. Derzeit könne noch keine verlässliche Prognose erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Nach Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente und insbesondere des Resozialisierungsinteresses des Gefangenen sei die Vollzugsplankonferenz zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

17

c) Der Beschwerdeführer erwiderte, das Strafvollzugsgesetz lasse auch im Falle des Vollzugs lebenslanger Freiheitsstrafen bereits nach zehn Jahren Verbüßungsdauer die Gewährung von Urlaub zu. Damit habe der Gesetzgeber erkennen lassen, dass er auch bei einer weiteren zu verbüßenden Haftzeit von mindestens weiteren fünf Jahren die Gewährung einer weitreichenden Vollzugslockerung wie Urlaub für vertretbar halte. Die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen sei unabhängig von der Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung und einem in diesem Zusammenhang gegebenenfalls einzuholenden Gutachten zu treffen, zumal erfolgreich durchlaufene Vollzugslockerungen entscheidende Anknüpfungstatsachen im Rahmen der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung seien.

18

d) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Dezember 2007 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Der Gefangene habe keinen Anspruch auf Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Vollzugsplan, sondern lediglich Anspruch auf diesbezüglich ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Ermessensfehler sei hier - auch hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen - nicht ersichtlich. Die Vollzugsanstalt habe unter Zugrundelegung ihrer Kenntnisse und ihrer Würdigung zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seines Vollzugsverhaltens Abwägungen vorgenommen, die Ermessensfehler nicht erkennen ließen.

19

Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt nicht gestützt. Vielmehr habe sie unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen eine Verlegung sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit sowie der Entwicklung und des Verhaltens des Beschwerdeführers im Strafvollzug eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass auch positive Gesichtspunkte, die für die Gewährung von Lockerungen sprechen könnten, aufgeführt worden seien. Entscheidend seien für die Vollzugsanstalt die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie der noch ausstehende Beschluss zur Mindestverbüßungszeit gewesen. Zwar habe die Vollzugsanstalt - insoweit sei den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen - eine von der Festsetzung der Mindestverbüßungszeit unabhängige Gesamtabwägung der Umstände vorzunehmen. Allerdings sei auch zu beachten, dass sich die Gewährung von Vollzugslockerungen als Form der Behandlungsmaßnahme insbesondere auch als eine Entlassungsvorbereitung darstelle. Zwar könne allein der Umstand, dass der Zeitpunkt der Entlassung noch nicht absehbar sei, die Versagung von Vollzugslockerungen nicht begründen. Entscheidend träten jedoch weitere Faktoren hinzu. So sei der Beschwerdeführer während der Haft erneut straffällig geworden; auch könne die Vollzugsanstalt unter Zugrundelegung des Eindrucks, den sie durch den persönlichen Umgang mit dem Beschwerdeführer habe gewinnen können, nicht hinreichend verlässlich bewerten, inwieweit die Aufarbeitung und das Verhalten des Beschwerdeführers von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit bestimmt seien, so dass eine verlässliche positive Prognose nicht gestellt werden könne.

20

3. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsbeschwerde. Es fehle an einer vollständigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts. Die Strafvollstreckungskammer dürfe den Sachvortrag einer Seite nicht ungeprüft zugrundelegen. Diese hätte die Gefangenenpersonalakte mit der Stellungnahme des psychologischen Dienstes beiziehen müssen und Feststellungen in der Vollzugsplanfortschreibung nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Im Fall der Beiziehung der Gefangenenpersonalakte und der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes wäre der Kammer nicht verborgen geblieben, dass in der Stellungnahme nur von einem "Graubereich des leichten Zweifels" die Rede sei und nicht von "Zweifeln daran, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen des Antragsstellers echt seien". Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum das Gericht davon ausgehe, dass Lockerungen vor dem Ergehen eines Beschlusses über die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht gewährt werden könnten, obwohl es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass weder für eine Flucht- noch für eine Missbrauchsgefahr Anhaltspunkte vorlägen. Die Kammer habe zudem übersehen, dass es für die ausstehende Entscheidung über eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung ganz wesentlich darauf ankomme, ob er sich bereits im Rahmen von Vollzugslockerungen bewährt habe. Die ermessensfehlerhafte Versagung von Lockerungen nehme ihm die Möglichkeit, durch erfolgreiches Durchlaufen von Vollzugslockerungen zu einer ausreichenden Bandbreite an prognostisch bedeutsamen Anknüpfungstatsachen beizutragen. Er befinde sich seit mehr als 14 Jahren in Haft. Bislang seien ihm keinerlei Lockerungen, nicht einmal Ausführungen, gewährt worden.

21

Mit angegriffenem Beschluss vom 5. März 2008 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig; die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

II.

22

1. Mit seiner gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die lockerungsbezogene Vollzugsplanfortschreibung betrifft, und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die gerichtliche Bestätigung der auf die fehlende Festlegung der Mindestverbüßungszeit gestützten Versagung von Vollzugslockerungen verletze ihn in seinem durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die Strafvollstreckungskammer habe verkannt, dass der Gesetzgeber einen Zeitrahmen für die Gewährung von Vollzugslockerungen gerade nicht vorgesehen habe. Abgesehen von der in § 13 Abs. 3 StVollzG genannten Ausnahme sei die Gewährung von Vollzugslockerungen nach dem Strafvollzugsgesetz auch bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen jederzeit unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG möglich. Billigte man das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt, so hätte dies zur Folge, dass zu lebenslanger Haft Verurteilte, bei denen die besondere Schwere der Schuld festgestellt sei, von jeglicher Vollzugslockerung - sogar von Ausführungen in Begleitung von Beamten - bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer ausgeschlossen wären. Dies sei unter Resozialisierungsgesichtspunkten unvertretbar.

23

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

24

3. Der Beschwerdeführer hat mitgeteilt, dass ihm nach wie vor keine Vollzugslockerungen gewährt werden.

III.

25

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig (1.) und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG (2.).

26

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stünde es nicht entgegen, wenn zwischenzeitlich eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt sein sollte. Das Rechtsschutzinteresse wäre insoweit nicht wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens entfallen.

27

Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung steht schon nicht fest, ob die weitere Fortschreibung eines Vollzugsplans überhaupt zur Erledigung eines gegen die vorausgegangene Fortschreibung gerichteten Rechtsschutzbegehrens führt (verneinend Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13.Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26/07 u.a. -, juris; für die gegenteilige Auffassung vgl. Nachweise in BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

28

Ein Rechtsschutzinteresse bestünde im Übrigen auch bei anzunehmender Erledigung fort. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall bereits aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergibt (vgl. BVerfGK 8, 319 <322>). Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fortbestehens beeinträchtigender Wirkungen der angegriffenen Entscheidungen und der zugrundeliegenden vollzugsbehördlichen Maßnahme (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <233>; 110, 77 <85 f.>) anzuerkennen. Denn für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung kommt es unter anderem darauf an, ob eine fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen auf rechtmäßiger oder auf rechtswidriger Versagung von Lockerungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08 -, EuGRZ 2009, S. 246 <249 f.>). In diesem Zusammenhang entfaltet die ungerechtfertigte Verneinung der Lockerungseignung in einer Vollzugsplanfortschreibung eine fortdauernde beeinträchtigende Wirkung, wenn sie von den Fachgerichten als rechtmäßig bestätigt wird. Bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ist zudem von einem auch nach Erledigung fortbestehenden Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes auszugehen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 - 2 BvR 785/93 -, juris). Angesichts der Bedeutung lockerungsbezogener Entscheidungen für die Chance des Betroffenen auf Wiedererlangung der Freiheit (vgl. BVerfGE 109, 133 <165 f.>; 117, 71 <108>) steht hier ein im Sinne dieses Grundsatzes gewichtiger Grundrechtsverstoß in Rede.

29

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

30

a) Der Vollzug von Freiheitsstrafen ist nicht nur kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen dem Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 116, 69 <85>; stRspr).

31

Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl. BVerfGK 1, 3 <5 f.>; 9, 231 <236>). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet mit richtungsweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten. Dies setzt voraus, dass der Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze in zureichender, Orientierung ermöglichender Weise eingeht (BVerfGK 9, 231 <236 f.> m.w.N.). Das gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. In diesen Fällen muss jedenfalls bei schon länger andauerndem Vollzug unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders auch auf die Vermeidung schädigender Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 98, 169 <200>) ausgerichtet sein (BVerfGK 9, 231 <237>). Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen dabei eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Die demnach grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans besteht unabhängig davon, ob der Gefangene zuvor Lockerungen beantragt hat (vgl. BVerfGK 8, 319 <324>).

32

Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Das gilt auch für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; stRspr). Die Vollzugsanstalten sind mithin im Blick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsstörungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Diesem Ziel dient der in § 13 Abs. 1 StVollzG geregelte Urlaub (vgl. BVerfGE 64, 261 <273>) ebenso wie ein mit Zustimmung des Gefangenen als Lockerung des Vollzugs angeordneter Ausgang oder eine Ausführung unter Aufsicht. Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar. Für eine vom Gericht zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB) spielt die Bewährung in Vollzugslockerungen ebenfalls eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 117, 71 <108>); die Chancen, zu einer günstigen Sozialprognose zu gelangen (vgl. § 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB), werden durch eine vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert, durch deren Versagung aber verschlechtert (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>, und vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Lockerungen können danach nicht auf die Funktion der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret absehbaren Entlassung beschränkt werden. Bei langjährig Inhaftierten kann es, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet, geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen dadurch zu ermöglichen, dass die Justizvollzugsanstalt einer von ihr angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Die Justizvollzugsanstalt darf sich zudem nicht auf bloße pauschale Wertungen oder auf den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Sinne von § 11 Abs. 2 StVollzG beschränken. Sie hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>). Ob dies geschehen ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>).

33

b) Das Landgericht hat erkannt, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht jegliche Lockerungsperspektive allein mit der Begründung versagt werden kann, die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer für seine Strafe stehe noch aus (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 6. Oktober 1977 - Vollz (Ws) 10/77 -, ZfStrVo 1978 , S. 8; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17. November 1988 - 3 Ws 699/88 (StVollz) -, NStZ 1989, S. 246 f., und vom 5. Juli 1993 - 3 Ws 242/93 -, StV 1993, S. 599; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 27; Lesting, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 50). Es hat aber diese Erkenntnis auf den konkreten Fall nicht angewendet.

34

Die Vollzugsplanfortschreibung für den Beschwerdeführer enthielt zur Frage der Vollzugslockerungen allein zwei Aussagen, die nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben ungeeignet sind, die Versagung von Lockerungen oder eine entsprechende Vorprägung konkreter Lockerungsentscheidungen durch den Vollzugsplan zu tragen: "Erst im Anschluss daran", d.h. an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer, "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen" und "Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden". Durch eine wohlwollende Auslegung der Vollzugsplanfortschreibung dahingehend, dass die sonstigen darin enthaltenen Erwägungen gleichfalls zur Begründung der lockerungsbezogenen Planaussage dienen sollten, konnte - unabhängig von der Frage, ob diese Auslegung noch im Rahmen des fachgerichtlichen Entscheidungsspielraums anzusiedeln wäre - dieser Begründungsmangel schon deshalb nicht behoben werden, weil sich in der Vollzugsplanfortschreibung neben zahlreichen Hinweisen auf eine positive Entwicklung nicht eine einzige Feststellung findet, die auch nur in der Tendenz geeignet wäre, eine fehlende Lockerungseignung des Beschwerdeführers zu begründen.

35

Allerdings hatte die Vollzugsbehörde im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer ergänzende Ausführungen gemacht: Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil festgestellt worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer seine Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Hinzu komme die in der Haftzeit erfolgte strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Betäubungsmittelstraftat. Eine verlässliche Prognose könne derzeit noch nicht erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Die erfolgte Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente, insbesondere seines Resozialisierungsinteresses, habe daher zu dem Ergebnis geführt, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

36

Es kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit es sich hier um ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen handelte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 f.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Auflage 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 115 Rn. 53; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 115 Rn. 4 m.w.N. aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung). Denn jedenfalls beruht auch die nachgeschobene Begründung nicht auf der von Verfassungs wegen gebotenen Gesamtwürdigung der für die Frage der Lockerungseignung erheblichen Umstände (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>), sondern auf der unhaltbaren Annahme, dass über die Lockerungseignung des Beschwerdeführers erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer befunden werden könne. Mit den Behauptungen, es müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne, und erst "nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer" könne "die Lockerungseignung geprüft werden", hat die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme nicht nur an der unzutreffenden ursprünglichen Begründungserwägung festgehalten, sondern zugleich in aller Deutlichkeit bekundet, dass entgegen ihrer Behauptung, es sei eine umfassende Abwägung erfolgt, die erforderliche nähere Prüfung der Lockerungseignung noch gar nicht stattgefunden hatte. Das damit eingestandene Prüfungs- und Abwägungsdefizit springt im Übrigen auch insofern ins Auge, als sich die Stellungnahme mit keinem Wort zu der Frage verhält, weshalb nicht ungeachtet etwaiger Prognoseunsicherheiten die Lockerungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG dadurch gewährleistet werden können, dass Ausführungen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Nachdem der Beschwerdeführer längst die Haftdauer überschritten hatte, jenseits derer einem zu lebenslanger Haft Verurteilten nach § 13 Abs. 1, 3 StVollzG sogar Urlaub aus dem geschlossenen Vollzug gewährt werden kann, waren Feststellungen dazu offensichtlich nicht entbehrlich.

37

Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den lockerungsbezogenen Inhalt der Vollzugsplanfortschreibung dennoch unbeanstandet gelassen hat, gehen an diesen Mängeln der angefochtenen Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorbei und sind auch sonst nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat angenommen, Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt auch nicht gestützt. Unter dieser Voraussetzung konnte die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, Lockerungen vollzugsplanerisch jedenfalls bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungszeit auszuschließen, nur auf der Grundlage einer Ermessensausübung dahingehend, dass Lockerungen unabhängig von den Versagungsgründen nach § 11 Abs. 2 StVollzG nicht zu gewähren seien, Bestand haben (vgl. zur Zulässigkeit rein ermessensbasierter Versagung von Vollzugslockerung statt vieler Arloth, StVollzG, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 3, 12; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 26). Dass die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne getroffen habe, hat das Landgericht offenbar auch angenommen. Zu deren Rechtfertigung wären aber, voraussetzungsgemäß, von der Frage des Vorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr unabhängige Ermessensgründe erforderlich gewesen. Tragfähige Gründe dieser Art hat das Landgericht nicht festgestellt; sie waren - ganz abgesehen von den Grenzen des zulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren - auch weder in der Vollzugsplanfortschreibung noch in der behördlichen Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung aufzufinden. In der behördlicherseits angeführten Begründung, dass zunächst die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden müsse, offenbarte sich vielmehr je nachdem, ob dies als Rechts- oder als Ermessenserwägung aufzufassen war, ein Ermessensnichtgebrauch oder -fehlgebrauch.

IV.

38

1. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft. Die Sache ist insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts, das allein in dieser Frage mit der Rechtsbeschwerde angerufen war, wird damit gegenstandslos.

39

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 25. Februar 2009 - 33 Vollz 623/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Mai 2009 - 1 Vollz (Ws) 269/09 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 GG.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

...

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer verbüßt seit August 1993 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Mindestverbüßungsdauer hat das Landgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2008 auf 20 Jahre festgesetzt.

2

Im Februar 2007 beantragte der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt eine gefesselte Ausführung. Während der zurückliegenden Haftzeit von dreizehneinhalb Jahren habe er sich stets gut geführt und diverse Therapien absolviert. Die Justizvollzugsanstalt habe bereits im Jahr 2004 festgestellt, dass bei ihm keine Flucht- oder Missbrauchsgefahrbestehe. Nach so langer Vollzugsdauer verliere er die Vorstellung vom normalen Lebensablauf außerhalb der Anstalt, was seine Reintegration in Frage zu stellen drohe.

3

Mit angegriffenem Bescheid vom 13. Juli 2007 lehnte die Justizvollzugsanstalt den Antrag ab. Beim Beschwerdeführer seien massive Persönlichkeitsstörungen gutachterlich diagnostiziert, die auf einer ungünstigen Sozialisation beruhten. Die bisherigen Behandlungen hätten zwar zu erkennbaren Verbesserungen geführt; diese genügten jedoch nicht, um eine Flucht- und Missbrauchsgefahr mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen zu können. Aufgrund der fortbestehenden Persönlichkeitsproblematik sei zu befürchten, dass er eine Ausführung zur Flucht und/oder zur Begehung neuer Straftaten missbrauchen werde.

4

2. Gegen diese Entscheidung stellte der Beschwerdeführer unter dem 7. Juli 2008 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sein mit beigefügtem Schreiben vom 18. Juli 2007 eingelegter Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid sei nicht beschieden worden. Die Ablehnung der Ausführung verletze seinen Resozialisierungsanspruch. Er habe Anspruch auf entlassungsvorbereitende Lockerungen. Die Justizvollzugsanstalt habe im Jahr 2005 anlässlich der Ablehnung eines gleichlautenden Antrags in einer Stellungnahme ausgeführt, dass bei der Verwendung von Fesseln und Begleitung durch Vollzugsbedienstete eine Flucht- und Missbrauchsgefahr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Damals sei der Antrag abgelehnt worden, weil eine Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht erforderlich sei; mit diesem Gesichtspunkt setze sich die Justizvollzugsanstalt nun nicht mehr auseinander.

5

Die Justizvollzugsanstalt nahm dahingehend Stellung, dass das Widerspruchsschreiben des Beschwerdeführers bislang nicht vorgelegen habe. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei zulässig, aber nicht begründet. Die Flucht- und Missbrauchsgefahr könne bei einer von Beamten der Justizvollzugsanstalt begleiteten gefesselten Ausführung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Personallage der Justizvollzugsanstalt zwinge jedoch dazu, Prioritäten bei der Gewährung bewachter Ausführungen zu setzen. Ausführungen nach § 11 StVollzG könnten neben Ausführungen aus wichtigem Anlass nur eingeschränkt ermöglicht werden. Zu lebenslanger Haft Verurteilten würden Ausführungen gewährt, um schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken, oder als Einstieg in den Lockerungsprozess. Der Beschwerdeführer gehöre zu keiner dieser beiden Fallgruppen. Ein Einstieg in den Lockerungsprozess sei derzeit nicht vorgesehen, und es sei weder ein Verlernen von autonomen Lebenstechniken noch ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit feststellbar. Die beantragte Ausführung sei daher zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht erforderlich.

6

Der Beschwerdeführer entgegnete, er könne nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer nur entlassen werden, wenn er zuvor innerhalb eines Jahres zwei gefesselte Ausführungen sowie innerhalb eines weiteren Jahres zwei ungefesselte Ausführungen absolviert habe, ihm Urlaub gewährt worden sei und er sich zwei Jahre lang im offenen Vollzug bewährt habe. Damit sei der noch verbleibende Zeitraum ausgefüllt. Durch die Versagung der gefesselten Ausführung vereitele die Justizvollzugsanstalt seine Entlassung im August 2013. Personalknappheit sei kein Grund, der die Ablehnung rechtfertigen könnte. Der Ansicht der Justizvollzugsanstalt, dass bei ihm keine schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs vorlägen, sei nicht zu folgen. Er kenne weder den Euro noch den Umgang mit dem Handy, dem PC und dem Internet. Die drastischen Veränderungen im technischen und damit auch im alltäglichen Bereich seien völlig an ihm vorbeigegangen. Auch der gesamte städtische Lebensraum habe sich seit seiner Inhaftierung nachhaltig verändert.

7

3. Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Februar 2009 wies das Landgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Antrag sei zulässig; der Beschwerdeführer habe durch Vorlage eines Fax-Sendeberichts glaubhaft gemacht, dass er das Seinige getan habe, um eine Widerspruchsentscheidung herbeizuführen. Jedoch sei der Antrag unbegründet. Das Gericht könne die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt nur auf Ermessensüberschreitung oder zweckwidrigen Ermessensgebrauch hin prüfen. Maßgeblich seien insbesondere Gründe, die den Stand des Behandlungsprozesses und die Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Vollzugsziels beträfen. Eine Ausführung könne die Justizvollzugsanstalt auch aus situativen Gründen, etwa weil nicht genügend Bedienstete verfügbar seien, ablehnen. Nach diesen Maßstäben lägen Ermessensfehler nicht vor. Zwar dürfe durch das Nachschieben von Gründen der Rechtsschutz des Antragstellers nicht verkürzt werden; die angefochtene Maßnahme dürfe nicht in ihrem Wesen verändert und dem Antragsteller die Rechtsverteidigung nicht unzumutbar erschwert werden. So dürfe die Vollzugsbehörde keine neuen oder dem Antragsteller unbekannten oder zwar bekannten, von ihr aber ersichtlich außer Betracht gelassenen Tatsachen nachschieben. Danach liege hier ein unzulässiges Nachschieben von Gründen nicht vor, da die Praxis der Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer bereits aus einem früheren Widerspruchsverfahren bekannt gewesen sei. Die Justizvollzugsanstalt müsse denknotwendig innerhalb der ihr durch die Personalsituationvorgegebenen Grenzen agieren. Wenn sie ihr Ermessen zur angestrebten Gleichbehandlung aller Gefangenen dahingehend binde, dass sie Ausführungen nur in den genannten zwei Fallgruppen gewähre, sei dies sachgerecht und nicht zu beanstanden. Auch der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass er autonome Lebenstechniken verlernt habe oder ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit aufweise. Da die Justizvollzugsanstalt den Stand des Behandlungsprozesses in ihre Ermessensentscheidung aufnehmen dürfe, dürfe sie dem Beschwerdeführer auch die Eignung zum Einstieg in den Lockerungsprozess absprechen. Von einer weiteren Begründung könne abgesehen werden, da das Gericht im Ergebnis den Gründen der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang folge (§ 115 Abs. 1 Satz 4 StVollzG).

8

4. Mit der Rechtsbeschwerde (§ 116 Abs. 1 StVollzG) machte der Beschwerdeführer geltend, der Beschluss des Landgerichts verletze ihn in seinem Resozialisierungsanspruch. Die Entscheidung verstoße gegen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten ein sinnvoller Behandlungsvollzug stattfinden müsse und den Interessen des Gefangenen an der Bewahrung vor schädlichen Folgen aus langjähriger Inhaftierung und an der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit umso höheres Gewicht zukomme, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe dauere. Der Staat könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf fehlende personelle und finanzielle Ressourcen berufen. Der angegriffene Beschluss lasse zu Unrecht den von der Justizvollzugsanstalt einzig angeführten Grund, nämlich die Personalknappheit, genügen. Der Staat könne sich der Verantwortung für die Einhaltung verfassungsrechtlicher Garantien nicht mit dieser Begründung entziehen. Der Beschluss verkenne zudem die Dringlichkeit von Vollzugslockerungenangesichts der bisherigen Vollzugsdauer; mit den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers - insbesondere zur zeitlichen Staffelung von Vollzugslockerungen zwecks Entlassungsvorbereitung - habe sich das Landgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt.Entlassungsvorbereitungen in Form von Vollzugslockerungen hätten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frühestmöglich im Hinblick auf den frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt zu erfolgen.

9

5. Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss vom 25. Mai 2009 die Rechtsbeschwerde als unzulässig; es sei nicht geboten, die Nachprüfung des Beschlusses des Landgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG).

10

6. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf Resozialisierung und seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Ausführungen in den angegriffenen Beschlüssen stünden in krassem Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach stehe auch zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilten die Möglichkeit zu, die Freiheit wiederzuerlangen, hätten Vollzugslockerungen so früh einzusetzen, dass die Grundlagen für eine Prognoseentscheidung zum frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt geschaffen würden, und hätten die Strafvollstreckungskammern darauf hinzuwirken, dass die Grundlagen für diese Prognoseentscheidung durch die Justizvollzugsanstalt geschaffen worden seien.

11

Der frühestmögliche Entlassungszeitpunkt werde bei ihm erst in ungefähr vier Jahren (August 2013) eintreten. Die Einholung des für eine Entlassung erforderlichen Gefährlichkeitsgutachtens werde wegen Überlastung der Gutachter vier bis fünf Monate dauern, so dass das Überprüfungsverfahren gemäß § 57a StGB spätestens im März 2013 zu erfolgen habe. Seien bis dahin keine Lockerungen gewährt worden, werde das Gericht gegebenenfalls gar nicht die Einholung eines Gefährlichkeitsgutachtens erwägen. Ferner habe die Gewährung von Lockerungen maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis des Gefährlichkeitsgutachtens und beeinflusse die Entscheidung über die Mindestverbüßungsdauer.

12

7. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, hat sich zu der Frage geäußert, ob der Beschwerdeführer vor Klageerhebung Widerspruch gegen den Bescheid der Justizvollzugsanstalt erhoben hatte. Dies sei nicht der Fall; ein Schreiben des Bevollmächtigten sei damals nicht aktenkundig gewesen. Im Übrigen hat das Justizministerium von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Vorraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

14

1. Für die Zulässigkeit und Annahmefähigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob ein vom Beschwerdeführer eingelegter Widerspruch bei den Justizbehörden erst im fachgerichtlichen Verfahren aktenkundig geworden ist. Im Hinblick auf die erforderliche Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) ist dies ohne Belang, da das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 113 StVollzG als zulässig behandelt hat. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch Vorlage eines Fax-Sendeberichtsglaubhaft gemacht habe, zur Einlegung des Widerspruchs das seinerseits Erforderliche getan zu haben. Bedenken gegen diese Einschätzung sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Danach spricht auch nichts dafür, dass wegen eines fehlenden oder unzureichend durchgeführten Widerspruchsverfahrens der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsschutzziel auch im Fall der Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und Zurückverweisung der Sache letztlich keinen Erfolg haben könnte und die Verfassungsbeschwerde deshalb mangels eines bei Nichtannahme drohenden besonders schweren Nachteils (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>) nicht zur Entscheidung anzunehmen sein könnte.

15

2. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>).

17

Das gilt auch, wenn der Betroffene zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ist, zumal dem Gefangenen auch in diesem Fall eine Chance verbleiben muss, eines Tages die Freiheit wiederzuerlangen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 ff.>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>, und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen(vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92). Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen(§ 11Abs. 1StVollzG), so wird er daher durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris, Rn. 3, und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32).

18

bb) Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Vollzugsgestaltung gelten nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungs- oder Justizeinrichtungentatsächlich oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 40, 276 <284>; 116, 69 <89 f.>). Zwar können sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen auch aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Justizvollzugsanstalt ergeben (vgl. BVerfGE 42, 95 <100 f.>). Der Strafgefangene kann nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 35, 307 <310>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK 13, 163 <166>; 13, 487 <492>). Andererseits kann aber der Staat grundrechtliche und einfachgesetzlich begründete Ansprüche Gefangener nicht nach Belieben dadurch verkürzen, dass er die Vollzugsanstalten nicht so ausstattet, wie es zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich wäre. Vielmehr setzen die Grundrechte auch Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Der Staat ist verpflichtet, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 <284>; 45, 187 <240>; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; 13, 487 <492 f.> m.w.N.).

19

Sind vorhandene Vollzugseinrichtungen und deren Ausstattung so beschaffen, dass Rechte der Gefangenen nicht gewahrt werden können, ohne dass dadurch Rechte anderer Gefangener oder sonstige Belange von vergleichbarem Gewicht beeinträchtigt werden, so folgt auch hieraus nicht, dass die insoweit auf der einen oder anderen Seite unvermeidlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres und unabhängig von laufenden Bemühungen um kurzfristige Abhilfe als rechtmäßig hinzunehmen wären (vgl. BVerfGK 13, 487 <493> m.w.N.). Die Frage, wie mit derartigen Notsituationen umzugehen ist, stellt sich im Übrigen erst, wenn feststeht, dass eine auch mit besonderem Einsatz nicht vermeidbare Notsituation tatsächlich vorliegt. Drohen aufgrund unzureichender Ausstattung von Haftanstalten Beeinträchtigungen, die normalerweise von Rechts wegen nicht hinnehmbar sind, so sind - unbeschadet der Pflicht der zuständigen Organe, für eine dauerhafte Verbesserung der Ausstattung zu sorgen - den zuständigen Anstalten und ihren Trägern besondere Anstrengungen zum Ausgleich des Mangels und zur zügigen Abhilfe abzuverlangen; das Niveau der "zumutbaren Anstrengungen" (vgl. BVerfGE 42, 95 <102>) bemisst sich insoweit nach der staatlichen Verantwortung für die Ausstattung des Vollzuges mit den für die rechtmäßige Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mitteln (vgl. BVerfGK 13, 487 <493>).

20

cc) Die hiernach entscheidungserheblichen Umstände haben die Gerichte aufzuklären. Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 13, 487 <493>). Das Rechtsstaatsprinzip, die materiell berührten Grundrechte und das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Haftvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 13, 487 <493 f.>).

21

b) Nach diesen Maßstäben kann der angegriffene Beschluss des Landgerichts keinen Bestand haben, weil er sowohl das Gewicht der betroffenen grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführers als auch die verfassungsrechtlichen Grenzen möglicher Rechtfertigung der Ablehnung von Lockerungen durch Personalknappheit und die daraus folgenden Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung verkennt.

22

Es kann offen bleiben, ob Grundrechte des Beschwerdeführers bereits dadurch verletzt sind, dass das Landgericht seiner Prüfung eine im gerichtlichen Verfahren ausgewechselte Begründung der Justizvollzugsanstalt für ihren ablehnenden Bescheid zugrundegelegt und damit ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessensgründen hingenommen hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 <32>; OLG Hamburg, Beschluss vom 21. August 2008 - 3 Vollz (Ws) 34/08 -, juris, Rn. 21 ff.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Aufl. 2006, § 115 Rn. 53; Schuler/Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl. 2009, § 115 Rn. 4 m.w.N.). Denn auch ausgehend von der ausgewechselten Begründung wird der Beschluss des Landgerichts den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.

23

Wenn das Gericht dem Beschwerdeführer entgegenhält, er selbst behaupte nicht, dass er autonome Lebenstechniken verlernt habe oder ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit aufweise, verfehlt es - wie zuvor schon die Justizvollzugsanstalt - den Sinn des grundrechtlichen Gebots, einem Verlust der Lebenstüchtigkeit des Beschwerdeführers nach Möglichkeit entgegenzuwirken (s. unter a) aa)). Dieses Gebot bezieht sich als Element der staatlichen Verpflichtung, den Haftvollzug am Resozialisierungsziel auszurichten, offensichtlich nicht nur auf den Verlust von für das Leben in Haft bedeutsamen Fähigkeiten, sondern gerade auch auf die Erhaltung der Tüchtigkeit für ein Leben in Freiheit. Der Gefangene soll so lebenstüchtig bleiben, dass er sich im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben wieder zurechtfindet (vgl. BVerfGE 45, 187 <240>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 - 2 BvR 615/97 -, NStZ-RR 1998, S. 121 <122>, und vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Mit der Annahme, das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen nach Möglichkeit zu erhalten, greife erst ein, wenn der Gefangene Anzeichen einer haftbedingten Depravation aufweist, die sich bereits als Einschränkungen seiner Lebenstüchtigkeit unter den Verhältnissen der Haft bemerkbar machen, wird es daher grundlegend missverstanden. Dem hohen Gewicht, das dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers nach mehr als zehnjähriger Haftverbüßung für die Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt zukam (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 - 2 BvR 615/97 -, NStZ-RR 1998, S. 121 <122 f.>), hat das Landgericht auf diese Weise nicht im Geringsten Rechnung getragen.

24

Der angegriffene Beschluss verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen zudem auch dadurch, dass er sich mit den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Grenzen der Möglichkeit, Versagungen durch Personalknappheit zu rechtfertigen (s. unter a) bb)), nicht auseinandersetzt, obwohl dies angesichts des Gewichts der berührten grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführersoffensichtlich angezeigt war. Infolgedessen ist auch die insoweit erforderliche Sachverhaltsaufklärung unterblieben (s. unter a) cc)). Weder hat das Gericht nähere Feststellungen zu Art und Dauer der von der Justizvollzugsanstalt angeführten Mangellage getroffen noch geprüft, ob und welche Abhilfemaßnahmen von der Justizvollzugsanstalt ergriffen beziehungsweise beantragt wurden und ob und welche besonderen Anstrengungen ihr zumindest vorübergehend zumutbar sind, um sicherzustellen, dass die gesetzlich eröffnete Möglichkeit von Vollzugslockerungen nicht in einer mit dem dahinterstehenden Resozialisierungsziel unvereinbaren Weise leerläuft.

25

3. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgericht verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

26

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

27

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.

28

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellung im Beschlusstenor hinaus, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorlägen, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführerserhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris, Rn. 33). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7), auf die der Beschwerdeführer zudem bereits mit seinem ersten Rechtsbeschwerdeschriftsatz hingewiesen hat, hier der Fall.

III.

29

1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG sind sie aufzuheben und ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

30

2. Die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren sind dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG zu erstatten.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 055 StVK 486/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. März 2011 - 1 Vollz (Ws) 53/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde des im Maßregelvollzug untergebrachten Beschwerdeführers betrifft die Versagung von Vollzugslockerungen.

I.

2

1. Der wegen sexuellen Kindesmissbrauchs seit 1999 gemäß § 63 StGB untergebrachte Beschwerdeführer beantragte bei der Klinik die Gewährung nicht näher bezeichneter Lockerungen, da er dem Leben in Freiheit nicht völlig entfremdet werden dürfe und angesichts der Dauer seiner Unterbringung sein Anspruch auf Lockerungen in den Vordergrund trete.

3

Die Klinik lehnte den Antrag ab. Der Beschwerdeführer habe zu Beginn seiner Unterbringung wenige Gespräche mit dem therapeutischen Personal geführt und darin zu verstehen gegeben, dass er sich im Maßregelvollzug nicht richtig untergebracht fühle. Sobald seiner Argumentation nicht gefolgt worden sei, habe er die Gespräche abgebrochen. Mit Ausnahme einer Begutachtung habe er an gutachterlichen Untersuchungen nicht teilgenommen. Seit 2004 bestehe kein therapeutischer Kontakt mehr. Er schlafe tagsüber, sei nachts aktiv und weiche Gesprächen mit dem therapeutischen Personal aus. Zum pflegerischen Personal halte er den organisatorisch notwendigen Kontakt aufrecht und habe in den vergangenen Jahren sporadisch einige Gespräche mit diesem geführt. Aufgrund dieses Verhaltens lasse sich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht einschätzen. Weil er aufgrund seiner Weigerung nicht behandelt worden sei, könne nur von einem Fortbestehen seiner Gefährlichkeit ausgegangen werden.

4

2. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen zurück. Angesichts des Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers fehle es an einem Therapiebündnis. Die Klinik könne aufgrund der Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers nur von seiner Gefährlichkeit ausgehen. Die Entscheidung über die Gewährung von Lockerungen hänge unter anderem von einem Therapieerfolg ab, an dem es bislang fehle. Die Verweigerung von Lockerungen sei auch angemessen, überwiege doch der Schutz der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an Lockerungen. Der Beschwerdeführer könne das Behandlungsangebot der Klinik in Anspruch nehmen, um sich im Wege einer Therapie zu bewähren und bei Erfolg entsprechende Lockerungen zu erhalten.

5

3. Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG), gerichtet auf Gewährung von Lockerungen unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids. Ein begleiteter Ausgang mit zwei Bediensteten, "hilfsweise sogar mit justizüblicher Fesselung", sei vertretbar. Die Klinik habe angesichts seiner inzwischen über elf Jahre andauernden Unterbringung durchaus die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers einschätzen können. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie der als gefährlich eingestufte Beschwerdeführer auf einer Therapiestation und nicht auf der Krisen- oder Zugangsstation untergebracht sein könne. Ohne Lockerungen, auf die der Beschwerdeführer angesichts der Dauer seiner Unterbringung einen Anspruch habe, werde er dem Leben in Freiheit völlig entfremdet. Die Vollzugseinrichtung dürfe sich nicht auf pauschale Wertungen oder den Hinweis auf eine Uneinschätzbarkeit des Untergebrachten beschränken.

6

Das Landgericht wies den Antrag zurück. Da sich der Beschwerdeführer, bei dem eine sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung, eine Neigung zur Pädophilie und eine Störung durch Cannabinoide festgestellt worden seien, seit 2004 jeglicher Therapie entziehe, keinen Kontakt zum therapeutischen Personal halte, tagsüber schlafe und nur nachts aktiv sei, seien therapeutische Gespräche mit ihm seit sechs Jahren nicht mehr möglich. Zum pflegerischen Personal halte er nur einen organisatorisch notwendigen Kontakt. Vereinzelte Gespräche stellten sich als Monolog des Beschwerdeführers dar. Mangels Behandlung fehle es aktuell an erkennbaren Therapieerfolgen, weswegen sich eine verringerte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht beurteilen lasse. Lockerungen ließen sich nicht als weiteres Mittel zur Erzielung von Behandlungserfolgen einsetzen, da sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit vom Erreichen erster Erfolge im Behandlungsverlauf abhingen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer über weitere Erkenntnismöglichkeiten verfüge, welche seine weitere Gefährlichkeit ausschlössen. Die Lockerungsversagung sei verhältnismäßig, da aufgrund der bislang unbehandelten Erkrankung des Beschwerdeführers auch weiterhin die Begehung von Straftaten im Sinne des Anlassdeliktes zu befürchten sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer sich seit über zehn Jahren im Maßregelvollzug befinde. Denn die Dauer der Unterbringung allein könne ohne therapeutischen Fortschritt keine positive Entscheidung über die Lockerung begründen. Es sei zwar Ziel der Unterbringung, den Betroffenen zu resozialisieren; dies erfolge jedoch nicht durch "kalte" Erprobung im Wege der Gewährung von Lockerungen, sondern durch therapeutische Vorbereitung, Begleitung und Nachsorge. Soweit Untergebrachte keine Lockerungen erhalten könnten, hätten sie im Fall wichtiger Gründe einen Anspruch auf Ausführung durch die Vollzugsbehörde. Entsprechende Gründe habe der Beschwerdeführer aber nicht vorgetragen. Zudem sei insoweit das Vorschaltverfahren nicht durchgeführt worden.

7

4. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde mit der Sach- und der Verfahrensrüge. Das Landgericht mache sich unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz die Ausführungen in der Stellungnahme der Klinik und im Widerspruchsbescheid zu eigen. Die vom Landgericht aufgeführten Persönlichkeitsstörungen lägen beim Beschwerdeführer nicht vor. Er gehe dem therapeutischen Personal auch nicht aus dem Weg. Die Behauptung, der Beschwerdeführer führe mit dem Personal nur sporadische und monologartige Gespräche, sei unzutreffend. Die Ablehnung von Lockerungen beruhe auf einer Verkennung des Resozialisierungsgebots. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Gewährung von Lockerungen unabhängig davon geboten sein könne, ob der Untergebrachte Therapieangebote annimmt. Der Gutachter im Erkenntnisverfahren habe keine zu behandelnde Störung oder Erkrankung des Beschwerdeführers festgestellt, sondern dass die kriminelle Energie des Beschwerdeführers eher abnehme, weswegen eine Unterbringung des Beschwerdeführers nach § 63 StGB unverhältnismäßig sei. Der Beschwerdeführer sei nicht therapieresistent, sondern verweigere eine Therapie, weil er sicher wisse, dass er an keiner im Maßregelvollzug zu behandelnden Erkrankung oder Störung leide. Einem therapeutischen Konzept, das ihn befähigte, in Freiheit nicht erneut rückfällig zu werden, verweigere er sich nicht. Hierzu seien vielmehr die beantragten Vollzugslockerungen erforderlich.

8

Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss die Rechtsbeschwerde mit Tenorbegründung und ergänzte, dass die Klinikleitung, soweit der Beschwerdeführer künftig nicht näher spezifizierte Lockerungen beantrage, auf eine Konkretisierung der Lockerungswünsche hinzuwirken haben dürfte, damit die gemäß § 18 Abs. 4 des nordrhein-westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes (im Folgenden: MRVG NRW) erforderliche Prüfung erfolgen könne.

II.

9

1. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 2 GG und wiederholt sinngemäß die im fachgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Beanstandungen. Ergänzend trägt er unter anderem vor, dass er aufgrund einer massiven körperlichen Behinderung selbst ohne Handfesselung außerstande sei, zu fliehen. Im Übrigen trage er keinen dahingehenden Wunsch in sich. Er sei bei mehreren ärztlichen Ausführungen - gemeint wohl: Ausführungen zu Arztterminen - an "unzähligen Personen (hier auch Kindern)" vorbeigeführt worden, ohne dass dies die Sicherheit der Allgemeinheit gefährdet habe. Er könne nicht einmal das Grab seiner Mutter besuchen. Die Rechtsbeschwerde sei entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts zulässig gewesen, um die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

10

2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat dahingehend Stellung genommen, dass eine Gewährung von Vollzugslockerungen nicht möglich sei, weil es an jeglichem therapeutischen Kontakt zum Beschwerdeführer fehle und eine Risikoabschätzung im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit daher nicht möglich sei. Wichtige Gründe im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 5 MRVG NRW seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch der mit einer Begleitung des Beschwerdeführers verbundene Sicherungsgrad rechtfertige nicht, bei der erforderlichen Abwägung der Rechte des Beschwerdeführers und der Rechte potentiell gefährdeter Personen von einem Überwiegen der Belange des Beschwerdeführers auszugehen.

B.

I.

11

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (s. unter II. 1. und 2.). Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

II.

12

1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

13

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrundegelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92).

14

Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Hierfür kommt der Möglichkeit, dem Gefangenen Lockerungen zu gewähren, besondere Bedeutung zu. Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeitdienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen hierfür noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, FS 2011, S. 252) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris).

15

Für den Vollzug von Maßregeln, der nicht anders als der Strafvollzug im engeren Sinne auf das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel der sozialen Wiedereingliederungausgerichtet sein muss (vgl. BVerfGE 98, 169 <200 f.>; 109, 133 <151>; 128, 326 <377>), kann insoweit nichts anderes gelten. Dementsprechend sieht § 18 Abs. 1 Satz 3 MRVG NRW vor, dass Vollzugslockerungengrundsätzlich der Erreichung des Behandlungszwecksdienen; zu diesem gehört nach § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVG NRW die Eingliederung des Untergebrachten in die Gemeinschaft.

16

b) Den daraus sich ergebenden Anforderungen an die gerichtliche Überprüfung der vollzugsbehördlichen Entscheidung wird der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht gerecht, soweit er die Versagung von Lockerungen uneingeschränkt, und damit auch hinsichtlich bloßer Ausführungen, als rechtmäßig bestätigt. Der Beschluss des Landgerichts verhält sich mit keinem Wort zu der Frage, weshalb die Lockerungsvoraussetzungen auch bei Ausführungen trotz der damit verbundenen und verbindbaren Sicherungsvorkehrungen nicht gegeben sein sollen.

17

Die bei einer Ausführung nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 MRVG NRW vorgesehene Begleitung des Untergebrachten (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks 12/3728, S. 39) dient gerade dem Zweck, einer von ihm ausgehenden Flucht- und Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken, die bei fehlender Begleitung entstünde. Die allgemeine - nicht nach Lockerungsformen differenzierende - Feststellung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr ist daher für sich genommen grundsätzlich ungeeignet, zu begründen, dass die angenommene Gefahr auch im Fall der Ausführung besteht (vgl. zu einer beantragten Ausführung unter Fesselung Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Zwar kann im Einzelfall - etwa wenn auf eine bereits zuvor erfolgte Entziehung des betreffenden Untergebrachten aus bestehender Bewachung verwiesen wird - ohne nähere Ausführungen auf der Hand liegen, dass die geltend gemachte Gefahr mit vertretbarem Bewachungsaufwand nicht auszuräumen ist. Die Annahme einer aus solchen Gründen bestehenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr mag dann ohne weiteres auch auf den Fall der Ausführung in Begleitung von Bediensteten zu beziehen und geeignet sein, die Versagung von Lockerungen auch insoweit zu rechtfertigen. Ein derartiger Fall unwidersprechlicher, auf nähere Begründung nicht angewiesener Evidenz, dass die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr auch durch die bei Ausführungen vorgesehene Bewachung nicht auszuschließen sein werde, lag hier jedoch nicht vor. Die von der Klinik für die Versagung jeglicher Lockerungen allein angeführten allgemeinen Gründe drängten eine entsprechende Schlussfolgerung nicht ansatzweise auf.

18

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

19

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

20

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

21

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht wurde, liegen über die Feststellung im Tenor des Beschlusses des Oberlandesgerichts, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorliege, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 und 2 BvR 368/10 -, jeweils juris). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris) hier der Fall.

22

3. Da die angegriffenen Entscheidungen auf dem festgestellten Verfassungsverstoßberuhen, sind sie nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

III.

23

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Koblenz, Strafvollstreckungskammer Diez, vom 13. Dezember 2007 - 7 StVK 432/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft.

2. Der Beschluss des Landgerichts wird im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. März 2008 - 2 Ws 52/08 (Vollz) - wird damit gegenstandslos.

4. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Vollzugsanstalt D. seit 1994 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen eine die Nichtgewährung von Lockerungen betreffende Feststellung in der Fortschreibung seines Vollzugsplans.

2

1. Für den Beschwerdeführer wurde unter dem 10. Oktober 2007 eine Vollzugsplanfortschreibung erstellt, in der es zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen heißt, erst "im Anschluss" an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen", und bevor "der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden".

3

Im Einzelnen hat die Vollzugsplanfortschreibung folgenden Inhalt:

4

"Der Gefangene verbleibt weiterhin im geschlossenen Vollzug der Vollzugsabteilung B.

5

Während der Haft gelang es Herrn M., das Fachabitur erfolgreich abzuschließen (Prüfung am 26.06.2007 mit der Durchschnittsnote 2,6). Auf das Abitur aufbauend begann er nunmehr als Vollzeitstudent ein Studium (Politik und Organisation). Der Studiengang (Bachelor) dauert 3 Jahre, für den Master müsste er noch 2 Jahre länger studieren. Der Gefangene erscheint hoch motiviert noch während der Haft den Studiengang der Fernuniversität Hagen erfolgreich abzuschließen.

6

Inzwischen wurde mit Schreiben vom 16.04.2007 zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer Stellung genommen. Mit der Festlegung der Mindestverbüßungsdauer wird zum Ende des Jahres gerechnet. Erst im Anschluss daran können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen.

7

Während der Konferenz wurde nochmals auf die Stellungnahme des psychologischen Dienstes eingegangen. Darin äußerte OPR W., dass Herr M. zwar zu diszipliniertem Lebenswandel und zu zielorientierter Arbeit fähig sei, es gäbe an den Schilderungen und Darstellungen des Gefangenen eigentlich nichts, worüber ein Diagnostiker im Hinblick auf eine günstige Prognose stolpern müsste. Herr M. habe die Motive seiner Tatbegehung verstanden, Scham und Betroffenheit entwickelt, diese auch zulassen können und habe zudem neue und andere Perspektiven für ein künftiges Leben entwickelt. Er habe sich einer Psychotherapie unterzogen und sein anfangs kämpferisches Verhalten im Vollzug reflektiert und weitestgehend aufgegeben. Dennoch stellten sich beim Diagnostiker Gefühle von Zweifel und Unsicherheit ein, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen echt und authentisch waren.

8

In der Konferenz versucht Herr M. in den psychologischen Gesprächen ehrlich zu sein. Auf Nachfrage, ob er sich tatsächlich verändert hätte, gibt er an, er habe das Unrecht der Tat eingesehen und würde sich heute vom Querulantentum distanzieren.

9

Auf das Angebot, in den Wohngruppenvollzug der Vollzugsabteilung E verlegt zu werden, möchte er nur eingehen, wenn ihm eine Einzelzelle angeboten wird oder wenn er einen passenden Gefangenen für eine Gemeinschaft findet. Er begründet dies mit dem hier anvertrauten Umfeld und den eingeschränkten Sportmöglichkeiten im E-Flügel. Im Übrigen hätte er in der JVA F. ausreichend den Wohngruppenvollzug praktiziert. Dennoch ist er bereit, sich den E-Flügel persönlich vor seiner endgültigen Entscheidung anzuschauen.

10

Das Vollzugsverhalten ist weiterhin beanstandungsfrei. Innerhalb der Vollzugsabteilung wird er als ruhig und freundlich beschrieben. Er nehme an Freizeitaktivitäten (z.B. Tischtennisauswahl) teil, tätige Umschluss und kommt den Weisungen der Bediensteten nach.

11

Regelmäßig führt Herr M. Besuchsüberstellung zu seiner Schwester nach K. durch. Ansonsten pflegt er Kontakt zu seinen Eltern (I.) und einem ehemaligen Strafgefangenen.

12

Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden.

13

Unregelmäßige Urinkontrollen sind weiterhin angezeigt, auch wenn Herr M. sich bislang vom Drogenkonsum innerhalb der Anstalt distanzierte."

14

2. a) Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG). Die Ablehnung jeglicher Vollzugslockerung verletze ihn in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die pauschale Bezugnahme auf die noch nicht erfolgte Festlegung der Mindestverbüßungszeit als Grund für die Verwehrung jeglicher Vollzugslockerungen sei keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob nunmehr Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Es fehle an der notwendigen umfassenden Abwägung der für und gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen sprechenden Umstände. Besonders schwer wiege, dass die Fortschreibung nicht erkennen lasse, auf welchen gesetzlichen Versagungsgrund oder auf welche Ermessenserwägungen die ablehnende Entscheidung sich stütze. Die Vollzugsanstalt habe verkannt, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Urteil des Schwurgerichts nicht notwendigerweise zu einer Verlängerung der Mindestvollstreckungsdauer von 15 Jahren führen müsse. Denn auch in den Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Schwere der Schuld durch das erkennende Gericht festgestellt wurde, müsse gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden, ob die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebiete.

15

Daneben erhob der Beschwerdeführer weitere Einwände gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Von der Darstellung dieser Beanstandungen und ihrer Behandlung durch das Landgericht wird abgesehen, da die Verfassungsbeschwerde sich hierauf nicht bezieht.

16

b) Die Vollzugsanstalt führte in ihrer Stellungnahme aus, Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil - das bei dem vom Beschwerdeführer begangenen Tötungsdelikt drei Mordmerkmale festgestellt habe - festgehalten worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer die Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beschwerdeführer in der Haft wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer weiteren Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden sei. Derzeit könne noch keine verlässliche Prognose erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Nach Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente und insbesondere des Resozialisierungsinteresses des Gefangenen sei die Vollzugsplankonferenz zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

17

c) Der Beschwerdeführer erwiderte, das Strafvollzugsgesetz lasse auch im Falle des Vollzugs lebenslanger Freiheitsstrafen bereits nach zehn Jahren Verbüßungsdauer die Gewährung von Urlaub zu. Damit habe der Gesetzgeber erkennen lassen, dass er auch bei einer weiteren zu verbüßenden Haftzeit von mindestens weiteren fünf Jahren die Gewährung einer weitreichenden Vollzugslockerung wie Urlaub für vertretbar halte. Die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen sei unabhängig von der Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung und einem in diesem Zusammenhang gegebenenfalls einzuholenden Gutachten zu treffen, zumal erfolgreich durchlaufene Vollzugslockerungen entscheidende Anknüpfungstatsachen im Rahmen der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung seien.

18

d) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Dezember 2007 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Der Gefangene habe keinen Anspruch auf Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Vollzugsplan, sondern lediglich Anspruch auf diesbezüglich ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Ermessensfehler sei hier - auch hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen - nicht ersichtlich. Die Vollzugsanstalt habe unter Zugrundelegung ihrer Kenntnisse und ihrer Würdigung zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seines Vollzugsverhaltens Abwägungen vorgenommen, die Ermessensfehler nicht erkennen ließen.

19

Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt nicht gestützt. Vielmehr habe sie unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen eine Verlegung sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit sowie der Entwicklung und des Verhaltens des Beschwerdeführers im Strafvollzug eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass auch positive Gesichtspunkte, die für die Gewährung von Lockerungen sprechen könnten, aufgeführt worden seien. Entscheidend seien für die Vollzugsanstalt die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie der noch ausstehende Beschluss zur Mindestverbüßungszeit gewesen. Zwar habe die Vollzugsanstalt - insoweit sei den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen - eine von der Festsetzung der Mindestverbüßungszeit unabhängige Gesamtabwägung der Umstände vorzunehmen. Allerdings sei auch zu beachten, dass sich die Gewährung von Vollzugslockerungen als Form der Behandlungsmaßnahme insbesondere auch als eine Entlassungsvorbereitung darstelle. Zwar könne allein der Umstand, dass der Zeitpunkt der Entlassung noch nicht absehbar sei, die Versagung von Vollzugslockerungen nicht begründen. Entscheidend träten jedoch weitere Faktoren hinzu. So sei der Beschwerdeführer während der Haft erneut straffällig geworden; auch könne die Vollzugsanstalt unter Zugrundelegung des Eindrucks, den sie durch den persönlichen Umgang mit dem Beschwerdeführer habe gewinnen können, nicht hinreichend verlässlich bewerten, inwieweit die Aufarbeitung und das Verhalten des Beschwerdeführers von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit bestimmt seien, so dass eine verlässliche positive Prognose nicht gestellt werden könne.

20

3. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsbeschwerde. Es fehle an einer vollständigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts. Die Strafvollstreckungskammer dürfe den Sachvortrag einer Seite nicht ungeprüft zugrundelegen. Diese hätte die Gefangenenpersonalakte mit der Stellungnahme des psychologischen Dienstes beiziehen müssen und Feststellungen in der Vollzugsplanfortschreibung nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Im Fall der Beiziehung der Gefangenenpersonalakte und der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes wäre der Kammer nicht verborgen geblieben, dass in der Stellungnahme nur von einem "Graubereich des leichten Zweifels" die Rede sei und nicht von "Zweifeln daran, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen des Antragsstellers echt seien". Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum das Gericht davon ausgehe, dass Lockerungen vor dem Ergehen eines Beschlusses über die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht gewährt werden könnten, obwohl es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass weder für eine Flucht- noch für eine Missbrauchsgefahr Anhaltspunkte vorlägen. Die Kammer habe zudem übersehen, dass es für die ausstehende Entscheidung über eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung ganz wesentlich darauf ankomme, ob er sich bereits im Rahmen von Vollzugslockerungen bewährt habe. Die ermessensfehlerhafte Versagung von Lockerungen nehme ihm die Möglichkeit, durch erfolgreiches Durchlaufen von Vollzugslockerungen zu einer ausreichenden Bandbreite an prognostisch bedeutsamen Anknüpfungstatsachen beizutragen. Er befinde sich seit mehr als 14 Jahren in Haft. Bislang seien ihm keinerlei Lockerungen, nicht einmal Ausführungen, gewährt worden.

21

Mit angegriffenem Beschluss vom 5. März 2008 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig; die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

II.

22

1. Mit seiner gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die lockerungsbezogene Vollzugsplanfortschreibung betrifft, und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die gerichtliche Bestätigung der auf die fehlende Festlegung der Mindestverbüßungszeit gestützten Versagung von Vollzugslockerungen verletze ihn in seinem durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die Strafvollstreckungskammer habe verkannt, dass der Gesetzgeber einen Zeitrahmen für die Gewährung von Vollzugslockerungen gerade nicht vorgesehen habe. Abgesehen von der in § 13 Abs. 3 StVollzG genannten Ausnahme sei die Gewährung von Vollzugslockerungen nach dem Strafvollzugsgesetz auch bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen jederzeit unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG möglich. Billigte man das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt, so hätte dies zur Folge, dass zu lebenslanger Haft Verurteilte, bei denen die besondere Schwere der Schuld festgestellt sei, von jeglicher Vollzugslockerung - sogar von Ausführungen in Begleitung von Beamten - bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer ausgeschlossen wären. Dies sei unter Resozialisierungsgesichtspunkten unvertretbar.

23

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

24

3. Der Beschwerdeführer hat mitgeteilt, dass ihm nach wie vor keine Vollzugslockerungen gewährt werden.

III.

25

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig (1.) und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG (2.).

26

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stünde es nicht entgegen, wenn zwischenzeitlich eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt sein sollte. Das Rechtsschutzinteresse wäre insoweit nicht wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens entfallen.

27

Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung steht schon nicht fest, ob die weitere Fortschreibung eines Vollzugsplans überhaupt zur Erledigung eines gegen die vorausgegangene Fortschreibung gerichteten Rechtsschutzbegehrens führt (verneinend Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13.Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26/07 u.a. -, juris; für die gegenteilige Auffassung vgl. Nachweise in BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

28

Ein Rechtsschutzinteresse bestünde im Übrigen auch bei anzunehmender Erledigung fort. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall bereits aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergibt (vgl. BVerfGK 8, 319 <322>). Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fortbestehens beeinträchtigender Wirkungen der angegriffenen Entscheidungen und der zugrundeliegenden vollzugsbehördlichen Maßnahme (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <233>; 110, 77 <85 f.>) anzuerkennen. Denn für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung kommt es unter anderem darauf an, ob eine fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen auf rechtmäßiger oder auf rechtswidriger Versagung von Lockerungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08 -, EuGRZ 2009, S. 246 <249 f.>). In diesem Zusammenhang entfaltet die ungerechtfertigte Verneinung der Lockerungseignung in einer Vollzugsplanfortschreibung eine fortdauernde beeinträchtigende Wirkung, wenn sie von den Fachgerichten als rechtmäßig bestätigt wird. Bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ist zudem von einem auch nach Erledigung fortbestehenden Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes auszugehen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 - 2 BvR 785/93 -, juris). Angesichts der Bedeutung lockerungsbezogener Entscheidungen für die Chance des Betroffenen auf Wiedererlangung der Freiheit (vgl. BVerfGE 109, 133 <165 f.>; 117, 71 <108>) steht hier ein im Sinne dieses Grundsatzes gewichtiger Grundrechtsverstoß in Rede.

29

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

30

a) Der Vollzug von Freiheitsstrafen ist nicht nur kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen dem Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 116, 69 <85>; stRspr).

31

Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl. BVerfGK 1, 3 <5 f.>; 9, 231 <236>). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet mit richtungsweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten. Dies setzt voraus, dass der Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze in zureichender, Orientierung ermöglichender Weise eingeht (BVerfGK 9, 231 <236 f.> m.w.N.). Das gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. In diesen Fällen muss jedenfalls bei schon länger andauerndem Vollzug unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders auch auf die Vermeidung schädigender Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 98, 169 <200>) ausgerichtet sein (BVerfGK 9, 231 <237>). Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen dabei eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Die demnach grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans besteht unabhängig davon, ob der Gefangene zuvor Lockerungen beantragt hat (vgl. BVerfGK 8, 319 <324>).

32

Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Das gilt auch für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; stRspr). Die Vollzugsanstalten sind mithin im Blick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsstörungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Diesem Ziel dient der in § 13 Abs. 1 StVollzG geregelte Urlaub (vgl. BVerfGE 64, 261 <273>) ebenso wie ein mit Zustimmung des Gefangenen als Lockerung des Vollzugs angeordneter Ausgang oder eine Ausführung unter Aufsicht. Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar. Für eine vom Gericht zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB) spielt die Bewährung in Vollzugslockerungen ebenfalls eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 117, 71 <108>); die Chancen, zu einer günstigen Sozialprognose zu gelangen (vgl. § 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB), werden durch eine vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert, durch deren Versagung aber verschlechtert (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>, und vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Lockerungen können danach nicht auf die Funktion der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret absehbaren Entlassung beschränkt werden. Bei langjährig Inhaftierten kann es, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet, geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen dadurch zu ermöglichen, dass die Justizvollzugsanstalt einer von ihr angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Die Justizvollzugsanstalt darf sich zudem nicht auf bloße pauschale Wertungen oder auf den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Sinne von § 11 Abs. 2 StVollzG beschränken. Sie hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>). Ob dies geschehen ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>).

33

b) Das Landgericht hat erkannt, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht jegliche Lockerungsperspektive allein mit der Begründung versagt werden kann, die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer für seine Strafe stehe noch aus (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 6. Oktober 1977 - Vollz (Ws) 10/77 -, ZfStrVo 1978 , S. 8; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17. November 1988 - 3 Ws 699/88 (StVollz) -, NStZ 1989, S. 246 f., und vom 5. Juli 1993 - 3 Ws 242/93 -, StV 1993, S. 599; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 27; Lesting, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 50). Es hat aber diese Erkenntnis auf den konkreten Fall nicht angewendet.

34

Die Vollzugsplanfortschreibung für den Beschwerdeführer enthielt zur Frage der Vollzugslockerungen allein zwei Aussagen, die nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben ungeeignet sind, die Versagung von Lockerungen oder eine entsprechende Vorprägung konkreter Lockerungsentscheidungen durch den Vollzugsplan zu tragen: "Erst im Anschluss daran", d.h. an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer, "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen" und "Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden". Durch eine wohlwollende Auslegung der Vollzugsplanfortschreibung dahingehend, dass die sonstigen darin enthaltenen Erwägungen gleichfalls zur Begründung der lockerungsbezogenen Planaussage dienen sollten, konnte - unabhängig von der Frage, ob diese Auslegung noch im Rahmen des fachgerichtlichen Entscheidungsspielraums anzusiedeln wäre - dieser Begründungsmangel schon deshalb nicht behoben werden, weil sich in der Vollzugsplanfortschreibung neben zahlreichen Hinweisen auf eine positive Entwicklung nicht eine einzige Feststellung findet, die auch nur in der Tendenz geeignet wäre, eine fehlende Lockerungseignung des Beschwerdeführers zu begründen.

35

Allerdings hatte die Vollzugsbehörde im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer ergänzende Ausführungen gemacht: Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil festgestellt worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer seine Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Hinzu komme die in der Haftzeit erfolgte strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Betäubungsmittelstraftat. Eine verlässliche Prognose könne derzeit noch nicht erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Die erfolgte Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente, insbesondere seines Resozialisierungsinteresses, habe daher zu dem Ergebnis geführt, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

36

Es kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit es sich hier um ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen handelte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 f.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Auflage 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 115 Rn. 53; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 115 Rn. 4 m.w.N. aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung). Denn jedenfalls beruht auch die nachgeschobene Begründung nicht auf der von Verfassungs wegen gebotenen Gesamtwürdigung der für die Frage der Lockerungseignung erheblichen Umstände (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>), sondern auf der unhaltbaren Annahme, dass über die Lockerungseignung des Beschwerdeführers erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer befunden werden könne. Mit den Behauptungen, es müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne, und erst "nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer" könne "die Lockerungseignung geprüft werden", hat die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme nicht nur an der unzutreffenden ursprünglichen Begründungserwägung festgehalten, sondern zugleich in aller Deutlichkeit bekundet, dass entgegen ihrer Behauptung, es sei eine umfassende Abwägung erfolgt, die erforderliche nähere Prüfung der Lockerungseignung noch gar nicht stattgefunden hatte. Das damit eingestandene Prüfungs- und Abwägungsdefizit springt im Übrigen auch insofern ins Auge, als sich die Stellungnahme mit keinem Wort zu der Frage verhält, weshalb nicht ungeachtet etwaiger Prognoseunsicherheiten die Lockerungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG dadurch gewährleistet werden können, dass Ausführungen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Nachdem der Beschwerdeführer längst die Haftdauer überschritten hatte, jenseits derer einem zu lebenslanger Haft Verurteilten nach § 13 Abs. 1, 3 StVollzG sogar Urlaub aus dem geschlossenen Vollzug gewährt werden kann, waren Feststellungen dazu offensichtlich nicht entbehrlich.

37

Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den lockerungsbezogenen Inhalt der Vollzugsplanfortschreibung dennoch unbeanstandet gelassen hat, gehen an diesen Mängeln der angefochtenen Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorbei und sind auch sonst nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat angenommen, Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt auch nicht gestützt. Unter dieser Voraussetzung konnte die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, Lockerungen vollzugsplanerisch jedenfalls bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungszeit auszuschließen, nur auf der Grundlage einer Ermessensausübung dahingehend, dass Lockerungen unabhängig von den Versagungsgründen nach § 11 Abs. 2 StVollzG nicht zu gewähren seien, Bestand haben (vgl. zur Zulässigkeit rein ermessensbasierter Versagung von Vollzugslockerung statt vieler Arloth, StVollzG, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 3, 12; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 26). Dass die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne getroffen habe, hat das Landgericht offenbar auch angenommen. Zu deren Rechtfertigung wären aber, voraussetzungsgemäß, von der Frage des Vorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr unabhängige Ermessensgründe erforderlich gewesen. Tragfähige Gründe dieser Art hat das Landgericht nicht festgestellt; sie waren - ganz abgesehen von den Grenzen des zulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren - auch weder in der Vollzugsplanfortschreibung noch in der behördlichen Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung aufzufinden. In der behördlicherseits angeführten Begründung, dass zunächst die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden müsse, offenbarte sich vielmehr je nachdem, ob dies als Rechts- oder als Ermessenserwägung aufzufassen war, ein Ermessensnichtgebrauch oder -fehlgebrauch.

IV.

38

1. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft. Die Sache ist insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts, das allein in dieser Frage mit der Rechtsbeschwerde angerufen war, wird damit gegenstandslos.

39

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 16. Oktober 2009 - 7a StVK 25/09 - verletzt den Beschwerdeführerin seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die Festsetzungen der Vollzugsplanfortschreibung vom 19. März 2009 zur Gewährung von Vollzugslockerungen auch insoweit unbeanstandet lässt, als sie sich auf Ausführungen (§ 11 Absatz 1 Nummer 2 Strafvollzugsgesetz) beziehen.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 2010 - 3 Ws 1040/09 (StVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit er die Rechtsbeschwerde auch insoweit als unzulässig verwirft, als sie den gemäß Ziffer 1. des Tenors verfassungsrechtlich zu beanstandenden Inhalt des Beschlusses des Landgerichts betrifft.

3. Die Beschlüsse werden im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Marburg zurückverwiesen.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

5. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt seit Mai 2007 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren wird im November 2019 erreicht sein. Seit November 2010 ist der Beschwerdeführer in der Justizvollzugsanstalt Dresden untergebracht. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen die Feststellungen in der Fortschreibung seines Vollzugsplans, nach denen ihm Vollzugslockerungen nicht zu gewähren sind.

2

1. Unter dem 19. März 2009 schrieb die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt den Vollzugsplan des Beschwerdeführers unter anderem wie folgt fort:

3

"10. Voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt: noch nicht absehbar"

4

"11. Eignung für Vollzugslockerungen: Prüfung abgeschlossen ja

5

Eignung z.Zt. nein

6

Begründung: siehe Punkt 14"

7

"12. Eignung für Urlaub aus der Haft: Prüfung abgeschlossen ja

8

Eignung z.Zt. nein

9

Begründung: siehe Punkt 14"

10

"12a. Prüfung offener Vollzug: nein, weil: zuvor noch Ausgang und Urlaub ohne Beanstandungen bewältigt werden müssen, für die noch keine Eignung festgestellt werden konnte."

11

"13. Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung:

12

zur Zeit nicht erforderlich, weil der Entlassungszeitpunkt noch nicht absehbar ist"

13

"14. Zusammenfassende Begründung

14

vor dem Hintergrund der noch nicht aufgearbeiteten Straftat und dem noch nicht absehbaren Strafende ist eine Flucht- und Missbrauchsgefahr bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlaub nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit auszuschließen."

15

Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG), mit dem er unter anderem geltend machte, die Vollzugsplanfortschreibung genüge, was die lockerungsbezogenen Feststellungen angehe, nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die unter Ziffer 10. getroffene Feststellung des noch nicht absehbaren Entlassungszeitpunktes sei eine Floskel und rechtsfehlerhaft. Die Strafvollstreckungskammer habe rechtzeitig vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren über den Zeitpunkt der Strafaussetzung zu entscheiden und mitzuteilen, wann mit einer Aussetzung zu rechnen sei. Unter den Ziffern 11. und 12. habe die Justizvollzugsanstalt ihm die Eignung für Vollzugslockerungen und Urlaube abgesprochen, weil ein Entlassungsdatum noch nicht bekannt sei. Daraus habe sie rechts- und ermessensfehlerhaft eine Flucht- und Missbrauchsgefahr abgeleitet. Die Verneinung der Eignung für den offenen Vollzug unter Ziffer 12a. sei rechtsfehlerhaft, weil die Justizvollzugsanstalt dabei nicht die vom Strafvollzugsgesetz aufgestellten Voraussetzungen beachtet habe. Ziffer 13. und 14. seien ebenfalls zu beanstanden. Wenn die Justizvollzugsanstalt dort eine Aufarbeitung seiner Straftat voraussetze, müsse sie ihm dazu auch die Möglichkeit geben.

16

Die Justizvollzugsanstalt nahm zu dem Antrag des Beschwerdeführers, soweit er die Frage der Vollzugslockerungen betraf, dahingehend Stellung, dass der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt (Ziffer 10.) nur eine Vorabeinschätzung seitens der Justizvollzugsanstalt sein könne. Da ein möglicher Entlassungszeitpunkt noch nicht absehbar sei, seien Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Auch die zusammenfassende Begründung (Ziffer 14.) sei nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer habe bisher noch nicht über seine Straftat reflektiert und zeige auch kein Interesse hierzu. Vor dem Hintergrund der noch zu verbüßenden Haftzeit seien Vollzugslockerungen und Urlaub noch nicht angezeigt.

17

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 16. Oktober 2009 wies das Landgericht Marburg den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, soweit er die lockerungsbezogenen Inhalte der Vollzugsplanfortschreibung betraf, zurück.

18

Soweit sich der Antrag auf Ziffer 10. beziehe, sei er bereits unzulässig. Die Aussage zum Entlassungszeitpunkt sei mangels unmittelbarer Rechtswirkung keine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG. Hinsichtlich der übrigen lockerungsbezogenen Punkte sei der Antrag nicht begründet. Die Verneinung der Eignung für Vollzugslockerungen unter Ziffer 11. halte der Nachprüfung (noch) stand. Die Justizvollzugsanstalt habe zwar unter Ziffer 14. die Begründung einer Flucht- und Missbrauchsgefahr auf das äußerste Mindestmaß reduziert. Im vorliegenden Fall könne dies allerdings gerade noch als ausreichend gewertet werden. Dass die Flucht- und Missbrauchsgefahr zum einen aus der fehlenden Tataufarbeitung hergeleitet werde, sei nachvollziehbar. Die vom Beschwerdeführer begangene Mordtat (heimtückisches Erschießen eines ehemaligen Arbeitskollegen, der in einen Hinterhalt gelockt worden sei, um 6.000 € zu erlangen) weise auf ein erhebliches Maß an Kaltblütigkeit und krimineller Energie hin, so dass eine Aufarbeitung des Geschehens und der zugrundeliegenden charakterlichen Defizite des Beschwerdeführers dringend erforderlich erscheine. Unstreitig sei damit noch nicht begonnen worden. Zum anderen verweise die Justizvollzugsanstalt auf das noch nicht absehbare Strafende. Insoweit sei anzumerken, dass die Gewährung von Lockerungsmaßnahmen bei Gefangenen mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht von der voraussichtlichen Verbüßungsdauer abhängig gemacht werden dürfe. Die Justizvollzugsanstalt habe das Argument des noch nicht absehbaren Strafendes hier jedoch nicht unmittelbar zur Versagung von Lockerungsmaßnahmen, sondern nur mittelbar, nämlich zur Begründung der Flucht- und Missbrauchsgefahr, herangezogen. Dieser Schluss sei grundsätzlich möglich und im Fall des Beschwerdeführers auch vertretbar. Die Mindestverbüßungszeit werde erst in zehn Jahren erreicht sein und aufgrund der festgestellten Schwere der Schuld sei mit noch weiterer Verbüßungszeit zu rechnen. In Ansehung des noch erheblichen Strafrestes bestehe daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt Anlass für die Annahme einer Fluchtgefahr, ohne dass es weiterer Begründung bedürfe.

19

Die nicht vorgenommene Differenzierung zwischen begleiteten und unbegleiteten Lockerungsmaßnahmen sei noch hinnehmbar, weil die von der Justizvollzugsanstalt genannten Argumente derzeit so gewichtig seien, dass sich daraus die Ungeeignetheit für beaufsichtigte Lockerungen ergebe, was die fehlende Eignung für unbeaufsichtigte Lockerungen einschließe. Die Regelung unter Ziffer 12. (Urlaub) sei nicht zu beanstanden, weil gemäß § 13 Abs. 3 StVollzG Urlaub erst nach zehnjähriger Vollzugszeit möglich sei und der Beschwerdeführer diese Zeit noch nicht verbüßt habe. Ziffer 12a. (offener Vollzug) sei ebenfalls nicht aufzuheben. Aus der fehlenden Eignung für begleitete und unbegleitete Vollzuglockerungen ergebe sich zwanglos die Nichteignung für den offenen Vollzug. Der Beschwerdeführer habe letztlich auch keinen Anspruch auf Neubescheidung der Ziffer 13. Die Justizvollzugsanstalt habe Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung zu Recht nicht vorgesehen. In Anbetracht der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe und der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld liege es auf der Hand, dass derartige Maßnahmen aktuell nicht in Betracht kämen. Bei der Bemerkung der Justizvollzugsanstalt, dass der Entlassungszeitpunkt noch nicht absehbar sei, handele es sich nur um die Begründung, die als solche mangels Regelungscharakters nicht anfechtbar sei.

20

3. Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung des Resozialisierungsgebots und des Amtsermittlungsgrundsatzes. Bei Beachtung des Resozialisierungsgebots hätten Lockerungen gewährt werden müssen. Die Strafvollstreckungskammer habe den Sachverhalt fehlerhaft aufgeklärt und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unberücksichtigt gelassen. Der angefochtene Vollzugsplan enthalte keine Resozialisierungsmaßnahmen und genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die Feststellung zur Lockerungseignung werde dem Konkretisierungsgebot nicht gerecht. Die pauschale Annahme einer fehlenden Tataufarbeitung sei nicht zulässig. Zudem sehe der angefochtene Vollzugsplan eine Behandlungsmaßnahme zur Tataufarbeitung nicht vor. Keinesfalls dürfe eine Lockerungsmaßnahme eines zu lebenslanger Haft Verurteilten von der Vollzugsdauer abhängig gemacht werden. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass eine Aussage zum Entlassungszeitpunkt keine Maßnahme sei. Dennoch sei vorliegend der imaginäre Entlassungszeitpunkt die Grundlage für vollzugsbehördliche Ermessensentscheidungen. Was zur Erarbeitung einer Wiedereingliederungsperspektive unternommen werden solle, lasse sich dem Vollzugsplan ebenfalls nicht entnehmen.

21

4. Unter dem 10. Dezember 2009 erfolgte eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans. Während die Ziffern 11., 12. und 12a. gegenüber der Fortschreibung vom 19. März 2009 unverändert blieben, wurden die Ziffern 10., 13. und 14. wie folgt geändert (Änderungen hervorgehoben):

22

"10. Voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt: noch nicht absehbar

23

  Begründung: das weitere Vollzugsverhalten und die Einschätzung   zur besonderen Schwere der Schuld bleiben abzuwarten. "

24

"13. Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung:

25

zur Zeit nicht erforderlich, weil  verfrüht "

26

"14. Zusammenfassende Begründung

27

vor dem Hintergrund der noch nicht aufgearbeiteten Straftat und dem noch nicht absehbaren Strafende ist eine Flucht- und Missbrauchsgefahr bei der Gewährung von Vollzugslockerungen und Urlaub nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit auszuschließen.  Gründe, die   für die Gewährung einer Ausführung sprechen werden ebenfalls   nicht gesehen. "

28

5. Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Januar 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, da eine Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei.

II.

29

1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 19 Abs. 4 GG unter anderem durch die lockerungsbezogenen Feststellungen des Vollzugsplans. Diese entsprächen nicht dem Resozialisierungsgrundsatz. Die Vollzugsbehörde sehe Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung als nicht erforderlich an, weil ein Entlassungszeitpunkt - den sie nicht benannt habe - nicht absehbar sei. Aus einer wegen Tatleugnung angenommenen fehlenden Straftataufarbeitung und aus dem nicht absehbaren Strafende leite sie eine pauschale Flucht- und Missbrauchsgefahr mit der Folge, dass Vollzugslockerungen nicht gewährt werden könnten, ab.

30

2. Die Hessische Staatskanzlei hat mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2011 zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde sei mangels ausreichender Begründung unzulässig. Der Beschwerdeführer müsse sich mit dem als verfassungswidrig angegriffenen Rechtsakt inhaltlich auseinandersetzen, seine Beanstandungen im Einzelnen darlegen und den maßgeblichen Sachverhalt vortragen. Diesen Anforderungen genüge die Verfassungsbeschwerde nicht. Das Bundesverfassungsgericht müsse sich eine Meinung über die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde gerade aus der Beschwerdeschrift bilden können. Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen jedenfalls unbegründet. Soweit der Vollzugsplan die Eignung des Beschwerdeführers für Vollzugslockerungen schlechthin ablehne, sei die Verfassungsbeschwerde jedoch begründet. Dahingehend hätten die Justizvollzugsanstalt und das Landgericht die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundsätzlich verkannt, denn sie hätten angenommen, dass jegliche Vollzugslockerungen erst nach einer nicht näher bestimmten Mindesthaftdauer zu gewähren seien. Der Vollzugsplan lasse eine Abwägung zwischen dem grundsätzlich bestehenden Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers und anderen Interessen nicht erkennen, und die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 29. Juli 2009 mache deutlich, dass eine entsprechende Prüfung und Abwägung auch nicht stattgefunden habe. Das Landgericht habe diesen Abwägungsmangel als bedenklich, aber noch hinnehmbar angesehen und damit nicht hinlänglich gewürdigt. Auch dadurch, dass das Landgericht die Ableitung mangelnder Lockerungseignung aus der Flucht- und Missbrauchsgefahr gebilligt habe, habe es das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundsätzlich verkannt. Das Oberlandesgericht habe seinerseits übersehen, dass das Landgericht damit auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen sei, und es die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hätte zulassen müssen.

31

3. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens wurden beigezogen.

III.

32

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit der angegriffene Beschluss des Landgerichts die lockerungsbezogenen Vollzugsplaninhalteuneingeschränkt - auch soweit sie die Nichtgewährung von Ausführungen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG) einschließen - als rechtmäßig bestätigt und der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts die Rechtsbeschwerde auch insoweit für unzulässig erachtet hat. Die Annahme zur Entscheidung ist insoweit zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidungliegen insoweit vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die diesbezügliche verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, zulässig (1.) und in einem die Kammerzuständigkeit begründenden Sinne (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet (2., 3.).

33

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

34

1. a) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Vollzugsplan zwischenzeitlich fortgeschrieben wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <489>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

35

b) Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, auch ausreichend substantiiert.

36

aa) Der Beschwerdeführer muss einen Sachverhalt vortragen, der die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung erkennen lässt (vgl. BVerfGE 108, 370 <386 f.>; stRspr) und dem Bundesverfassungsgericht eine mindestens vorläufige - etwa aufgrund der beigezogenen Akten des fachgerichtlichen Verfahrens oder später eingehender Stellungnahmen durchaus noch revidierbare - verfassungsrechtliche Beurteilung ermöglicht (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; BVerfGK 5, 170 <171>; stRspr).Dieser Anforderung muss allerdings entgegen der Annahme der Hessischen Staatskanzlei nicht bereits die Beschwerdeschrift für sich genommen - ohne beigefügte Anlagen - genügen. Zwar kann dem Bundesverfassungsgericht nicht angesonnen werden, Prüfungen "ins Blaue" hinein anzustellen (vgl. BVerfGE 115, 166 <180>). Es ist daher auch nicht seine Aufgabe, aufgrund eines undifferenzierten Hinweises auf frühere Schriftsätze oder sonstige Dokumente den dortigen Vortrag auf verfassungsrechtlich relevante Lebenssachverhalte hin zu untersuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>). So reichen pauschale Bezugnahmen auf - insbesondere umfangreiche - Anlagen, ohne dass behauptete Verfassungsverstöße in der Verfassungsbeschwerdeschrift spezifiziert wären, zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Januar 1999 - 2 BvR 799/98, 2 BvR 800/98 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. September 2011 - 1 BvR 1460/10 -, juris; ebenso für den Fall, dass umfangreiche Anlagen, statt als Anlagen beigefügt, in den Beschwerdeschriftsatz einkopiert sind, BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 1042/07 -, juris). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Verfassungsbeschwerde bereits dann unzulässig wäre, wenn für ihre Beurteilung über den Beschwerdeschriftsatz selbst hinaus auch beigefügte Anlagen erforderlich sind. Dies zeigt sich schon darin, dass es dem Beschwerdeführer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts freisteht, seinen Darlegungslasten entweder durch Wiedergabe des wesentlichen Inhalts angegriffener Entscheidungen und anderer beurteilungserheblicher Unterlagen in der Verfassungsbeschwerdeschrift oder dadurch nachzukommen, dass er die betreffenden Unterlagen der Beschwerdeschrift als Anlagen beifügt (vgl. BVerfGE 112, 304 <314>; BVerfGK 16, 410 <415 f.>). Die letztere Alternative wäre sinnlos, wenn sich alles für die Beurteilung Erforderliche bereits unabhängig von den Anlagen aus der Verfassungsbeschwerdeschrift ergeben müsste.

37

Nähere Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung gehört zur notwendigen Begründung der Verfassungsbeschwerde, soweit sie erforderlich ist, um erkennbar zu machen, inwiefern der Beschwerdeführer sich in seinen Grundrechten verletzt sieht (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345>; stRspr). Eine zutreffende rechtliche Einordnung des Geschehens ist dem Beschwerdeführer darüber hinaus grundsätzlich nicht abverlangt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. August 2008 - 2 BvR 1198/08 -, juris; s. etwa zur Entbehrlichkeit ausdrücklicher und korrekter Bezeichnung des als verletzt angesehenen Grundrechts, sofern dem Verfassungsbeschwerdevortrag der Sache nach entnommen werden kann, in welchem Grundrecht der Beschwerdeführer sich verletzt sieht, BVerfGE 47, 182 <187>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 -, NJW-RR 2004, S. 1153). Soweit fehlende Auseinandersetzung mit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten rechtlichen Maßstäben als ein Begründungsmangel angesehen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Juni 2009 - 2 BvR 1076/09 -, NVwZ 2009, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2009 - 1 BvR 1997/08 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. März 2010 - 1 BvR 2909/08 -, juris), betrifft dies Fälle, in denen anhand der vorliegenden Rechtsprechungsmaßstäbe ein Grundrechtsverstoß - jedenfalls unabhängig von näheren Darlegungen - gerade nicht zu identifizieren und daher die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht dargetan war (für den besonderen Fall, dass der relevante verfassungsrechtliche Maßstab auf rechtlich bewertete komplexe Sachverhalte wie ein bestimmtes allgemeines Niveau des Grundrechtsschutzes Bezug nimmt, vgl. BVerfGE 102, 147 <164>). Die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten ist nicht hinreichend aufgezeigt, wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine solche Verletzung ausscheidet und die Verfassungsbeschwerde dem nichts entgegensetzt (vgl. BVerfGE 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. August 2009 - 2 BvQ 50/09 -, juris).

38

bb) Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde ausreichend begründet. Mit seiner Verfassungsbeschwerde beanstandet der Beschwerdeführer, dass mit Verweis auf eine pauschal angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr jegliche Vollzugslockerung ausgeschlossen worden sei, und sieht sich dadurch, dass seine diesbezüglichen Rügen vor den Fachgerichten erfolglos geblieben sind, in seinem grundrechtlichen Anspruch auf einen resozialisierungsorientierten Vollzug (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt. Mit diesem Vortrag ist hinreichend verdeutlicht, inwiefern der Beschwerdeführer sich durch die angegriffenen Entscheidungen in Grundrechten verletzt sieht; auf eine ungezielte Durchsuchung beigefügter Anlagen wird das Bundesverfassungsgericht damit nicht verwiesen. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, mit der der Beschwerdeführer sich auseinanderzusetzen gehabt hätte, weil sie seiner Annahme, in Grundrechten verletzt zu sein, entgegensteht, liegt nicht vor.

39

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

40

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.>; stRspr). Dies gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat im Strafvollzugsgesetz dementsprechend auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen(vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92).

41

Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Hierfür kommt der Möglichkeit, dem Gefangenen Lockerungen zu gewähren, besondere Bedeutung zu. Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit dienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen hierfür noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, FS 2011, S. 252) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>).

42

b) Den daraus sich ergebenden Anforderungen an die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Vollzugsplanung entspricht der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht, soweit er den planerischen Ausschluss der Gewährung von Lockerungen uneingeschränkt, und damit auch hinsichtlich bloßer Ausführungen, als rechtmäßig bestätigt.

43

Da die bei dieser Lockerungsform vorgesehene Aufsicht von Vollzugsbediensteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG) gerade den Sinn hat, Flucht- und Missbrauchsgefahren entgegenzuwirken, die bei fehlender Aufsicht bestünden, ist die allgemeine - nicht nach Lockerungsformen differenzierende - Feststellung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr für sich genommen grundsätzlich ungeeignet, zu begründen, dass die angenommene Gefahr auch im Fall der Ausführung nicht besteht. Zwar kann im Einzelfall - etwa wenn auf die Gefahr geplanter Befreiungsaktionen im Rahmen organisierter Kriminalität oder auf eine bereits zuvor erfolgte Entziehung des betreffenden Gefangenen aus bestehender Bewachung verwiesen wird - ohne nähere Ausführungen auf der Hand liegen, dass die geltend gemachte Gefahr mit vertretbarem Bewachungsaufwand nicht auszuräumen ist. Die Annahme einer aus solchen Gründen bestehenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr mag dann ohne weiteres auch auf den Fall der Ausführung unter Aufsicht von Vollzugsbediensteten zu beziehen und geeignet sein, die Versagung von Lockerungen auch insoweit zu rechfertigen. Ein derartiger Fall unwidersprechlicher, auf nähere Begründung nicht angewiesener Evidenz, dass die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr auch durch die bei Ausführungen definitionsgemäß vorgesehene vollzugsdienstliche Bewachung nicht auszuschließen sein werde, lag hier jedoch nicht vor. Die zu überprüfende Vollzugsplanfortschreibung verhielt sich mit keinem Wort zu der Frage, weshalb die Lockerungsvoraussetzungen auch bei Ausführungen trotz der damit verbundenen und verbindbaren Sicherheitsvorkehrungen (vgl. zu einer beantragten Ausführung unter Fesselung Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris) nicht gegeben seien, und die von der Justizvollzugsanstalt für die Versagung jeglicher Lockerungen allein angeführten spärlichen allgemeinen Gründe drängten entsprechende Schlussfolgerung auch sonst nicht ansatzweise auf. Für die Bestätigung der Vollzugsplanfortschreibung als rechts- und ermessensfehlerfrei fehlten damit die Voraussetzungen.

44

3. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

45

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

46

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

47

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellung im Beschlusstenor hinaus, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorlägen, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführerserhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris, Rn. 33; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26.Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, Rn. 28). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7) hier der Fall.

IV.

48

1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG sind sie aufzuheben, soweit sie die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 19. März 2009 getroffenen Feststellungen zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betreffen; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

49

2. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG (vgl. zur Auslagenerstattung bei teilweisem Obsiegen BVerfGE 119, 181 <182, 246>; 119, 331 <331, 385>; 120,274 <275, 350>).

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 - 055 StVK 486/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. März 2011 - 1 Vollz (Ws) 53/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde des im Maßregelvollzug untergebrachten Beschwerdeführers betrifft die Versagung von Vollzugslockerungen.

I.

2

1. Der wegen sexuellen Kindesmissbrauchs seit 1999 gemäß § 63 StGB untergebrachte Beschwerdeführer beantragte bei der Klinik die Gewährung nicht näher bezeichneter Lockerungen, da er dem Leben in Freiheit nicht völlig entfremdet werden dürfe und angesichts der Dauer seiner Unterbringung sein Anspruch auf Lockerungen in den Vordergrund trete.

3

Die Klinik lehnte den Antrag ab. Der Beschwerdeführer habe zu Beginn seiner Unterbringung wenige Gespräche mit dem therapeutischen Personal geführt und darin zu verstehen gegeben, dass er sich im Maßregelvollzug nicht richtig untergebracht fühle. Sobald seiner Argumentation nicht gefolgt worden sei, habe er die Gespräche abgebrochen. Mit Ausnahme einer Begutachtung habe er an gutachterlichen Untersuchungen nicht teilgenommen. Seit 2004 bestehe kein therapeutischer Kontakt mehr. Er schlafe tagsüber, sei nachts aktiv und weiche Gesprächen mit dem therapeutischen Personal aus. Zum pflegerischen Personal halte er den organisatorisch notwendigen Kontakt aufrecht und habe in den vergangenen Jahren sporadisch einige Gespräche mit diesem geführt. Aufgrund dieses Verhaltens lasse sich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht einschätzen. Weil er aufgrund seiner Weigerung nicht behandelt worden sei, könne nur von einem Fortbestehen seiner Gefährlichkeit ausgegangen werden.

4

2. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen zurück. Angesichts des Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers fehle es an einem Therapiebündnis. Die Klinik könne aufgrund der Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers nur von seiner Gefährlichkeit ausgehen. Die Entscheidung über die Gewährung von Lockerungen hänge unter anderem von einem Therapieerfolg ab, an dem es bislang fehle. Die Verweigerung von Lockerungen sei auch angemessen, überwiege doch der Schutz der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an Lockerungen. Der Beschwerdeführer könne das Behandlungsangebot der Klinik in Anspruch nehmen, um sich im Wege einer Therapie zu bewähren und bei Erfolg entsprechende Lockerungen zu erhalten.

5

3. Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG), gerichtet auf Gewährung von Lockerungen unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids. Ein begleiteter Ausgang mit zwei Bediensteten, "hilfsweise sogar mit justizüblicher Fesselung", sei vertretbar. Die Klinik habe angesichts seiner inzwischen über elf Jahre andauernden Unterbringung durchaus die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers einschätzen können. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie der als gefährlich eingestufte Beschwerdeführer auf einer Therapiestation und nicht auf der Krisen- oder Zugangsstation untergebracht sein könne. Ohne Lockerungen, auf die der Beschwerdeführer angesichts der Dauer seiner Unterbringung einen Anspruch habe, werde er dem Leben in Freiheit völlig entfremdet. Die Vollzugseinrichtung dürfe sich nicht auf pauschale Wertungen oder den Hinweis auf eine Uneinschätzbarkeit des Untergebrachten beschränken.

6

Das Landgericht wies den Antrag zurück. Da sich der Beschwerdeführer, bei dem eine sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung, eine Neigung zur Pädophilie und eine Störung durch Cannabinoide festgestellt worden seien, seit 2004 jeglicher Therapie entziehe, keinen Kontakt zum therapeutischen Personal halte, tagsüber schlafe und nur nachts aktiv sei, seien therapeutische Gespräche mit ihm seit sechs Jahren nicht mehr möglich. Zum pflegerischen Personal halte er nur einen organisatorisch notwendigen Kontakt. Vereinzelte Gespräche stellten sich als Monolog des Beschwerdeführers dar. Mangels Behandlung fehle es aktuell an erkennbaren Therapieerfolgen, weswegen sich eine verringerte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht beurteilen lasse. Lockerungen ließen sich nicht als weiteres Mittel zur Erzielung von Behandlungserfolgen einsetzen, da sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit vom Erreichen erster Erfolge im Behandlungsverlauf abhingen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer über weitere Erkenntnismöglichkeiten verfüge, welche seine weitere Gefährlichkeit ausschlössen. Die Lockerungsversagung sei verhältnismäßig, da aufgrund der bislang unbehandelten Erkrankung des Beschwerdeführers auch weiterhin die Begehung von Straftaten im Sinne des Anlassdeliktes zu befürchten sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer sich seit über zehn Jahren im Maßregelvollzug befinde. Denn die Dauer der Unterbringung allein könne ohne therapeutischen Fortschritt keine positive Entscheidung über die Lockerung begründen. Es sei zwar Ziel der Unterbringung, den Betroffenen zu resozialisieren; dies erfolge jedoch nicht durch "kalte" Erprobung im Wege der Gewährung von Lockerungen, sondern durch therapeutische Vorbereitung, Begleitung und Nachsorge. Soweit Untergebrachte keine Lockerungen erhalten könnten, hätten sie im Fall wichtiger Gründe einen Anspruch auf Ausführung durch die Vollzugsbehörde. Entsprechende Gründe habe der Beschwerdeführer aber nicht vorgetragen. Zudem sei insoweit das Vorschaltverfahren nicht durchgeführt worden.

7

4. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde mit der Sach- und der Verfahrensrüge. Das Landgericht mache sich unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz die Ausführungen in der Stellungnahme der Klinik und im Widerspruchsbescheid zu eigen. Die vom Landgericht aufgeführten Persönlichkeitsstörungen lägen beim Beschwerdeführer nicht vor. Er gehe dem therapeutischen Personal auch nicht aus dem Weg. Die Behauptung, der Beschwerdeführer führe mit dem Personal nur sporadische und monologartige Gespräche, sei unzutreffend. Die Ablehnung von Lockerungen beruhe auf einer Verkennung des Resozialisierungsgebots. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Gewährung von Lockerungen unabhängig davon geboten sein könne, ob der Untergebrachte Therapieangebote annimmt. Der Gutachter im Erkenntnisverfahren habe keine zu behandelnde Störung oder Erkrankung des Beschwerdeführers festgestellt, sondern dass die kriminelle Energie des Beschwerdeführers eher abnehme, weswegen eine Unterbringung des Beschwerdeführers nach § 63 StGB unverhältnismäßig sei. Der Beschwerdeführer sei nicht therapieresistent, sondern verweigere eine Therapie, weil er sicher wisse, dass er an keiner im Maßregelvollzug zu behandelnden Erkrankung oder Störung leide. Einem therapeutischen Konzept, das ihn befähigte, in Freiheit nicht erneut rückfällig zu werden, verweigere er sich nicht. Hierzu seien vielmehr die beantragten Vollzugslockerungen erforderlich.

8

Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss die Rechtsbeschwerde mit Tenorbegründung und ergänzte, dass die Klinikleitung, soweit der Beschwerdeführer künftig nicht näher spezifizierte Lockerungen beantrage, auf eine Konkretisierung der Lockerungswünsche hinzuwirken haben dürfte, damit die gemäß § 18 Abs. 4 des nordrhein-westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes (im Folgenden: MRVG NRW) erforderliche Prüfung erfolgen könne.

II.

9

1. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 2 GG und wiederholt sinngemäß die im fachgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Beanstandungen. Ergänzend trägt er unter anderem vor, dass er aufgrund einer massiven körperlichen Behinderung selbst ohne Handfesselung außerstande sei, zu fliehen. Im Übrigen trage er keinen dahingehenden Wunsch in sich. Er sei bei mehreren ärztlichen Ausführungen - gemeint wohl: Ausführungen zu Arztterminen - an "unzähligen Personen (hier auch Kindern)" vorbeigeführt worden, ohne dass dies die Sicherheit der Allgemeinheit gefährdet habe. Er könne nicht einmal das Grab seiner Mutter besuchen. Die Rechtsbeschwerde sei entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts zulässig gewesen, um die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

10

2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat dahingehend Stellung genommen, dass eine Gewährung von Vollzugslockerungen nicht möglich sei, weil es an jeglichem therapeutischen Kontakt zum Beschwerdeführer fehle und eine Risikoabschätzung im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit daher nicht möglich sei. Wichtige Gründe im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 5 MRVG NRW seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch der mit einer Begleitung des Beschwerdeführers verbundene Sicherungsgrad rechtfertige nicht, bei der erforderlichen Abwägung der Rechte des Beschwerdeführers und der Rechte potentiell gefährdeter Personen von einem Überwiegen der Belange des Beschwerdeführers auszugehen.

B.

I.

11

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (s. unter II. 1. und 2.). Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

II.

12

1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

13

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrundegelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92).

14

Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Hierfür kommt der Möglichkeit, dem Gefangenen Lockerungen zu gewähren, besondere Bedeutung zu. Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeitdienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern - gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen hierfür noch nicht erfüllen - auch Ausführungen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, FS 2011, S. 252) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 368/10 -, juris).

15

Für den Vollzug von Maßregeln, der nicht anders als der Strafvollzug im engeren Sinne auf das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel der sozialen Wiedereingliederungausgerichtet sein muss (vgl. BVerfGE 98, 169 <200 f.>; 109, 133 <151>; 128, 326 <377>), kann insoweit nichts anderes gelten. Dementsprechend sieht § 18 Abs. 1 Satz 3 MRVG NRW vor, dass Vollzugslockerungengrundsätzlich der Erreichung des Behandlungszwecksdienen; zu diesem gehört nach § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVG NRW die Eingliederung des Untergebrachten in die Gemeinschaft.

16

b) Den daraus sich ergebenden Anforderungen an die gerichtliche Überprüfung der vollzugsbehördlichen Entscheidung wird der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht gerecht, soweit er die Versagung von Lockerungen uneingeschränkt, und damit auch hinsichtlich bloßer Ausführungen, als rechtmäßig bestätigt. Der Beschluss des Landgerichts verhält sich mit keinem Wort zu der Frage, weshalb die Lockerungsvoraussetzungen auch bei Ausführungen trotz der damit verbundenen und verbindbaren Sicherungsvorkehrungen nicht gegeben sein sollen.

17

Die bei einer Ausführung nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 MRVG NRW vorgesehene Begleitung des Untergebrachten (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks 12/3728, S. 39) dient gerade dem Zweck, einer von ihm ausgehenden Flucht- und Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken, die bei fehlender Begleitung entstünde. Die allgemeine - nicht nach Lockerungsformen differenzierende - Feststellung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr ist daher für sich genommen grundsätzlich ungeeignet, zu begründen, dass die angenommene Gefahr auch im Fall der Ausführung besteht (vgl. zu einer beantragten Ausführung unter Fesselung Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). Zwar kann im Einzelfall - etwa wenn auf eine bereits zuvor erfolgte Entziehung des betreffenden Untergebrachten aus bestehender Bewachung verwiesen wird - ohne nähere Ausführungen auf der Hand liegen, dass die geltend gemachte Gefahr mit vertretbarem Bewachungsaufwand nicht auszuräumen ist. Die Annahme einer aus solchen Gründen bestehenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr mag dann ohne weiteres auch auf den Fall der Ausführung in Begleitung von Bediensteten zu beziehen und geeignet sein, die Versagung von Lockerungen auch insoweit zu rechtfertigen. Ein derartiger Fall unwidersprechlicher, auf nähere Begründung nicht angewiesener Evidenz, dass die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr auch durch die bei Ausführungen vorgesehene Bewachung nicht auszuschließen sein werde, lag hier jedoch nicht vor. Die von der Klinik für die Versagung jeglicher Lockerungen allein angeführten allgemeinen Gründe drängten eine entsprechende Schlussfolgerung nicht ansatzweise auf.

18

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

19

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

20

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar.

21

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht wurde, liegen über die Feststellung im Tenor des Beschlusses des Oberlandesgerichts, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorliege, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, und vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 und 2 BvR 368/10 -, jeweils juris). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris) hier der Fall.

22

3. Da die angegriffenen Entscheidungen auf dem festgestellten Verfassungsverstoßberuhen, sind sie nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

III.

23

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 25. Februar 2009 - 33 Vollz 623/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Mai 2009 - 1 Vollz (Ws) 269/09 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 GG.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

...

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer verbüßt seit August 1993 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Mindestverbüßungsdauer hat das Landgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2008 auf 20 Jahre festgesetzt.

2

Im Februar 2007 beantragte der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt eine gefesselte Ausführung. Während der zurückliegenden Haftzeit von dreizehneinhalb Jahren habe er sich stets gut geführt und diverse Therapien absolviert. Die Justizvollzugsanstalt habe bereits im Jahr 2004 festgestellt, dass bei ihm keine Flucht- oder Missbrauchsgefahrbestehe. Nach so langer Vollzugsdauer verliere er die Vorstellung vom normalen Lebensablauf außerhalb der Anstalt, was seine Reintegration in Frage zu stellen drohe.

3

Mit angegriffenem Bescheid vom 13. Juli 2007 lehnte die Justizvollzugsanstalt den Antrag ab. Beim Beschwerdeführer seien massive Persönlichkeitsstörungen gutachterlich diagnostiziert, die auf einer ungünstigen Sozialisation beruhten. Die bisherigen Behandlungen hätten zwar zu erkennbaren Verbesserungen geführt; diese genügten jedoch nicht, um eine Flucht- und Missbrauchsgefahr mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen zu können. Aufgrund der fortbestehenden Persönlichkeitsproblematik sei zu befürchten, dass er eine Ausführung zur Flucht und/oder zur Begehung neuer Straftaten missbrauchen werde.

4

2. Gegen diese Entscheidung stellte der Beschwerdeführer unter dem 7. Juli 2008 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sein mit beigefügtem Schreiben vom 18. Juli 2007 eingelegter Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid sei nicht beschieden worden. Die Ablehnung der Ausführung verletze seinen Resozialisierungsanspruch. Er habe Anspruch auf entlassungsvorbereitende Lockerungen. Die Justizvollzugsanstalt habe im Jahr 2005 anlässlich der Ablehnung eines gleichlautenden Antrags in einer Stellungnahme ausgeführt, dass bei der Verwendung von Fesseln und Begleitung durch Vollzugsbedienstete eine Flucht- und Missbrauchsgefahr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Damals sei der Antrag abgelehnt worden, weil eine Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht erforderlich sei; mit diesem Gesichtspunkt setze sich die Justizvollzugsanstalt nun nicht mehr auseinander.

5

Die Justizvollzugsanstalt nahm dahingehend Stellung, dass das Widerspruchsschreiben des Beschwerdeführers bislang nicht vorgelegen habe. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei zulässig, aber nicht begründet. Die Flucht- und Missbrauchsgefahr könne bei einer von Beamten der Justizvollzugsanstalt begleiteten gefesselten Ausführung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Personallage der Justizvollzugsanstalt zwinge jedoch dazu, Prioritäten bei der Gewährung bewachter Ausführungen zu setzen. Ausführungen nach § 11 StVollzG könnten neben Ausführungen aus wichtigem Anlass nur eingeschränkt ermöglicht werden. Zu lebenslanger Haft Verurteilten würden Ausführungen gewährt, um schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken, oder als Einstieg in den Lockerungsprozess. Der Beschwerdeführer gehöre zu keiner dieser beiden Fallgruppen. Ein Einstieg in den Lockerungsprozess sei derzeit nicht vorgesehen, und es sei weder ein Verlernen von autonomen Lebenstechniken noch ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit feststellbar. Die beantragte Ausführung sei daher zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht erforderlich.

6

Der Beschwerdeführer entgegnete, er könne nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer nur entlassen werden, wenn er zuvor innerhalb eines Jahres zwei gefesselte Ausführungen sowie innerhalb eines weiteren Jahres zwei ungefesselte Ausführungen absolviert habe, ihm Urlaub gewährt worden sei und er sich zwei Jahre lang im offenen Vollzug bewährt habe. Damit sei der noch verbleibende Zeitraum ausgefüllt. Durch die Versagung der gefesselten Ausführung vereitele die Justizvollzugsanstalt seine Entlassung im August 2013. Personalknappheit sei kein Grund, der die Ablehnung rechtfertigen könnte. Der Ansicht der Justizvollzugsanstalt, dass bei ihm keine schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs vorlägen, sei nicht zu folgen. Er kenne weder den Euro noch den Umgang mit dem Handy, dem PC und dem Internet. Die drastischen Veränderungen im technischen und damit auch im alltäglichen Bereich seien völlig an ihm vorbeigegangen. Auch der gesamte städtische Lebensraum habe sich seit seiner Inhaftierung nachhaltig verändert.

7

3. Mit angegriffenem Beschluss vom 25. Februar 2009 wies das Landgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Antrag sei zulässig; der Beschwerdeführer habe durch Vorlage eines Fax-Sendeberichts glaubhaft gemacht, dass er das Seinige getan habe, um eine Widerspruchsentscheidung herbeizuführen. Jedoch sei der Antrag unbegründet. Das Gericht könne die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt nur auf Ermessensüberschreitung oder zweckwidrigen Ermessensgebrauch hin prüfen. Maßgeblich seien insbesondere Gründe, die den Stand des Behandlungsprozesses und die Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Vollzugsziels beträfen. Eine Ausführung könne die Justizvollzugsanstalt auch aus situativen Gründen, etwa weil nicht genügend Bedienstete verfügbar seien, ablehnen. Nach diesen Maßstäben lägen Ermessensfehler nicht vor. Zwar dürfe durch das Nachschieben von Gründen der Rechtsschutz des Antragstellers nicht verkürzt werden; die angefochtene Maßnahme dürfe nicht in ihrem Wesen verändert und dem Antragsteller die Rechtsverteidigung nicht unzumutbar erschwert werden. So dürfe die Vollzugsbehörde keine neuen oder dem Antragsteller unbekannten oder zwar bekannten, von ihr aber ersichtlich außer Betracht gelassenen Tatsachen nachschieben. Danach liege hier ein unzulässiges Nachschieben von Gründen nicht vor, da die Praxis der Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer bereits aus einem früheren Widerspruchsverfahren bekannt gewesen sei. Die Justizvollzugsanstalt müsse denknotwendig innerhalb der ihr durch die Personalsituationvorgegebenen Grenzen agieren. Wenn sie ihr Ermessen zur angestrebten Gleichbehandlung aller Gefangenen dahingehend binde, dass sie Ausführungen nur in den genannten zwei Fallgruppen gewähre, sei dies sachgerecht und nicht zu beanstanden. Auch der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass er autonome Lebenstechniken verlernt habe oder ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit aufweise. Da die Justizvollzugsanstalt den Stand des Behandlungsprozesses in ihre Ermessensentscheidung aufnehmen dürfe, dürfe sie dem Beschwerdeführer auch die Eignung zum Einstieg in den Lockerungsprozess absprechen. Von einer weiteren Begründung könne abgesehen werden, da das Gericht im Ergebnis den Gründen der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang folge (§ 115 Abs. 1 Satz 4 StVollzG).

8

4. Mit der Rechtsbeschwerde (§ 116 Abs. 1 StVollzG) machte der Beschwerdeführer geltend, der Beschluss des Landgerichts verletze ihn in seinem Resozialisierungsanspruch. Die Entscheidung verstoße gegen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten ein sinnvoller Behandlungsvollzug stattfinden müsse und den Interessen des Gefangenen an der Bewahrung vor schädlichen Folgen aus langjähriger Inhaftierung und an der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit umso höheres Gewicht zukomme, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe dauere. Der Staat könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf fehlende personelle und finanzielle Ressourcen berufen. Der angegriffene Beschluss lasse zu Unrecht den von der Justizvollzugsanstalt einzig angeführten Grund, nämlich die Personalknappheit, genügen. Der Staat könne sich der Verantwortung für die Einhaltung verfassungsrechtlicher Garantien nicht mit dieser Begründung entziehen. Der Beschluss verkenne zudem die Dringlichkeit von Vollzugslockerungenangesichts der bisherigen Vollzugsdauer; mit den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers - insbesondere zur zeitlichen Staffelung von Vollzugslockerungen zwecks Entlassungsvorbereitung - habe sich das Landgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt.Entlassungsvorbereitungen in Form von Vollzugslockerungen hätten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frühestmöglich im Hinblick auf den frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt zu erfolgen.

9

5. Das Oberlandesgericht verwarf mit angegriffenem Beschluss vom 25. Mai 2009 die Rechtsbeschwerde als unzulässig; es sei nicht geboten, die Nachprüfung des Beschlusses des Landgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG).

10

6. Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf Resozialisierung und seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Ausführungen in den angegriffenen Beschlüssen stünden in krassem Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach stehe auch zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilten die Möglichkeit zu, die Freiheit wiederzuerlangen, hätten Vollzugslockerungen so früh einzusetzen, dass die Grundlagen für eine Prognoseentscheidung zum frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt geschaffen würden, und hätten die Strafvollstreckungskammern darauf hinzuwirken, dass die Grundlagen für diese Prognoseentscheidung durch die Justizvollzugsanstalt geschaffen worden seien.

11

Der frühestmögliche Entlassungszeitpunkt werde bei ihm erst in ungefähr vier Jahren (August 2013) eintreten. Die Einholung des für eine Entlassung erforderlichen Gefährlichkeitsgutachtens werde wegen Überlastung der Gutachter vier bis fünf Monate dauern, so dass das Überprüfungsverfahren gemäß § 57a StGB spätestens im März 2013 zu erfolgen habe. Seien bis dahin keine Lockerungen gewährt worden, werde das Gericht gegebenenfalls gar nicht die Einholung eines Gefährlichkeitsgutachtens erwägen. Ferner habe die Gewährung von Lockerungen maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis des Gefährlichkeitsgutachtens und beeinflusse die Entscheidung über die Mindestverbüßungsdauer.

12

7. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, hat sich zu der Frage geäußert, ob der Beschwerdeführer vor Klageerhebung Widerspruch gegen den Bescheid der Justizvollzugsanstalt erhoben hatte. Dies sei nicht der Fall; ein Schreiben des Bevollmächtigten sei damals nicht aktenkundig gewesen. Im Übrigen hat das Justizministerium von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Vorraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

14

1. Für die Zulässigkeit und Annahmefähigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob ein vom Beschwerdeführer eingelegter Widerspruch bei den Justizbehörden erst im fachgerichtlichen Verfahren aktenkundig geworden ist. Im Hinblick auf die erforderliche Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) ist dies ohne Belang, da das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 113 StVollzG als zulässig behandelt hat. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch Vorlage eines Fax-Sendeberichtsglaubhaft gemacht habe, zur Einlegung des Widerspruchs das seinerseits Erforderliche getan zu haben. Bedenken gegen diese Einschätzung sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Danach spricht auch nichts dafür, dass wegen eines fehlenden oder unzureichend durchgeführten Widerspruchsverfahrens der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsschutzziel auch im Fall der Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und Zurückverweisung der Sache letztlich keinen Erfolg haben könnte und die Verfassungsbeschwerde deshalb mangels eines bei Nichtannahme drohenden besonders schweren Nachteils (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>) nicht zur Entscheidung anzunehmen sein könnte.

15

2. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>).

17

Das gilt auch, wenn der Betroffene zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ist, zumal dem Gefangenen auch in diesem Fall eine Chance verbleiben muss, eines Tages die Freiheit wiederzuerlangen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 ff.>; 109, 133 <150 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>, und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; 109, 133 <150 f.>). Der Gesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen(vgl. BVerfG, a.a.O., S. 92). Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen(§ 11Abs. 1StVollzG), so wird er daher durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris, Rn. 3, und der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32).

18

bb) Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Vollzugsgestaltung gelten nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungs- oder Justizeinrichtungentatsächlich oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 40, 276 <284>; 116, 69 <89 f.>). Zwar können sich Grenzen für die Möglichkeit der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen auch aus der räumlichen und personellen Ausstattung der Justizvollzugsanstalt ergeben (vgl. BVerfGE 42, 95 <100 f.>). Der Strafgefangene kann nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 35, 307 <310>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK 13, 163 <166>; 13, 487 <492>). Andererseits kann aber der Staat grundrechtliche und einfachgesetzlich begründete Ansprüche Gefangener nicht nach Belieben dadurch verkürzen, dass er die Vollzugsanstalten nicht so ausstattet, wie es zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich wäre. Vielmehr setzen die Grundrechte auch Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Der Staat ist verpflichtet, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 <284>; 45, 187 <240>; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; 13, 487 <492 f.> m.w.N.).

19

Sind vorhandene Vollzugseinrichtungen und deren Ausstattung so beschaffen, dass Rechte der Gefangenen nicht gewahrt werden können, ohne dass dadurch Rechte anderer Gefangener oder sonstige Belange von vergleichbarem Gewicht beeinträchtigt werden, so folgt auch hieraus nicht, dass die insoweit auf der einen oder anderen Seite unvermeidlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres und unabhängig von laufenden Bemühungen um kurzfristige Abhilfe als rechtmäßig hinzunehmen wären (vgl. BVerfGK 13, 487 <493> m.w.N.). Die Frage, wie mit derartigen Notsituationen umzugehen ist, stellt sich im Übrigen erst, wenn feststeht, dass eine auch mit besonderem Einsatz nicht vermeidbare Notsituation tatsächlich vorliegt. Drohen aufgrund unzureichender Ausstattung von Haftanstalten Beeinträchtigungen, die normalerweise von Rechts wegen nicht hinnehmbar sind, so sind - unbeschadet der Pflicht der zuständigen Organe, für eine dauerhafte Verbesserung der Ausstattung zu sorgen - den zuständigen Anstalten und ihren Trägern besondere Anstrengungen zum Ausgleich des Mangels und zur zügigen Abhilfe abzuverlangen; das Niveau der "zumutbaren Anstrengungen" (vgl. BVerfGE 42, 95 <102>) bemisst sich insoweit nach der staatlichen Verantwortung für die Ausstattung des Vollzuges mit den für die rechtmäßige Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mitteln (vgl. BVerfGK 13, 487 <493>).

20

cc) Die hiernach entscheidungserheblichen Umstände haben die Gerichte aufzuklären. Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 13, 487 <493>). Das Rechtsstaatsprinzip, die materiell berührten Grundrechte und das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Haftvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 13, 487 <493 f.>).

21

b) Nach diesen Maßstäben kann der angegriffene Beschluss des Landgerichts keinen Bestand haben, weil er sowohl das Gewicht der betroffenen grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführers als auch die verfassungsrechtlichen Grenzen möglicher Rechtfertigung der Ablehnung von Lockerungen durch Personalknappheit und die daraus folgenden Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung verkennt.

22

Es kann offen bleiben, ob Grundrechte des Beschwerdeführers bereits dadurch verletzt sind, dass das Landgericht seiner Prüfung eine im gerichtlichen Verfahren ausgewechselte Begründung der Justizvollzugsanstalt für ihren ablehnenden Bescheid zugrundegelegt und damit ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessensgründen hingenommen hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 <32>; OLG Hamburg, Beschluss vom 21. August 2008 - 3 Vollz (Ws) 34/08 -, juris, Rn. 21 ff.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Aufl. 2006, § 115 Rn. 53; Schuler/Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl. 2009, § 115 Rn. 4 m.w.N.). Denn auch ausgehend von der ausgewechselten Begründung wird der Beschluss des Landgerichts den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.

23

Wenn das Gericht dem Beschwerdeführer entgegenhält, er selbst behaupte nicht, dass er autonome Lebenstechniken verlernt habe oder ein erhöhtes Maß an Unselbständigkeit aufweise, verfehlt es - wie zuvor schon die Justizvollzugsanstalt - den Sinn des grundrechtlichen Gebots, einem Verlust der Lebenstüchtigkeit des Beschwerdeführers nach Möglichkeit entgegenzuwirken (s. unter a) aa)). Dieses Gebot bezieht sich als Element der staatlichen Verpflichtung, den Haftvollzug am Resozialisierungsziel auszurichten, offensichtlich nicht nur auf den Verlust von für das Leben in Haft bedeutsamen Fähigkeiten, sondern gerade auch auf die Erhaltung der Tüchtigkeit für ein Leben in Freiheit. Der Gefangene soll so lebenstüchtig bleiben, dass er sich im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben wieder zurechtfindet (vgl. BVerfGE 45, 187 <240>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 - 2 BvR 615/97 -, NStZ-RR 1998, S. 121 <122>, und vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, StV 2011, S. 488 <490>). Mit der Annahme, das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen nach Möglichkeit zu erhalten, greife erst ein, wenn der Gefangene Anzeichen einer haftbedingten Depravation aufweist, die sich bereits als Einschränkungen seiner Lebenstüchtigkeit unter den Verhältnissen der Haft bemerkbar machen, wird es daher grundlegend missverstanden. Dem hohen Gewicht, das dem Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers nach mehr als zehnjähriger Haftverbüßung für die Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt zukam (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 1997 - 2 BvR 615/97 -, NStZ-RR 1998, S. 121 <122 f.>), hat das Landgericht auf diese Weise nicht im Geringsten Rechnung getragen.

24

Der angegriffene Beschluss verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen zudem auch dadurch, dass er sich mit den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Grenzen der Möglichkeit, Versagungen durch Personalknappheit zu rechtfertigen (s. unter a) bb)), nicht auseinandersetzt, obwohl dies angesichts des Gewichts der berührten grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführersoffensichtlich angezeigt war. Infolgedessen ist auch die insoweit erforderliche Sachverhaltsaufklärung unterblieben (s. unter a) cc)). Weder hat das Gericht nähere Feststellungen zu Art und Dauer der von der Justizvollzugsanstalt angeführten Mangellage getroffen noch geprüft, ob und welche Abhilfemaßnahmen von der Justizvollzugsanstalt ergriffen beziehungsweise beantragt wurden und ob und welche besonderen Anstrengungen ihr zumindest vorübergehend zumutbar sind, um sicherzustellen, dass die gesetzlich eröffnete Möglichkeit von Vollzugslockerungen nicht in einer mit dem dahinterstehenden Resozialisierungsziel unvereinbaren Weise leerläuft.

25

3. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgericht verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

26

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

27

b) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.

28

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Strafsenat, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn er die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da der Strafsenat von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), Gebrauch gemacht hat, liegen über die Feststellung im Beschlusstenor hinaus, dass die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannte Voraussetzung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde - Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - nicht vorlägen, Entscheidungsgründe, die das Bundesverfassungsgericht einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführerserhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1993 - 2 BvR 251/93 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris, Rn. 33). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7), auf die der Beschwerdeführer zudem bereits mit seinem ersten Rechtsbeschwerdeschriftsatz hingewiesen hat, hier der Fall.

III.

29

1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG sind sie aufzuheben und ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

30

2. Die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren sind dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG zu erstatten.

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Stralsund vom 9. Dezember 2010 - 21 Ks 2/10 - und des Oberlandesgerichts Rostock vom 3. März 2011 - I Ws 45/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit sie die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch das Rauchen zweier Mitgefangener betreffen.

Die Beschlüsse werden insoweit aufgehoben, und die Sache wird an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen.

...

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Beeinträchtigung eines Untersuchungsgefangenen durch das Rauchen von Mitgefangenen im Haftraum. Soweit die angegriffenen Entscheidungen noch Weiteres zum Gegenstand hatten, beanstandet der Beschwerdeführer sie ausdrücklich nicht.

2

1. Der Beschwerdeführer, ein Nichtraucher, wurde am 27. Februar 2010 als Untersuchungsgefangener in der Justizvollzugsanstalt Stralsund in einem Drei-Personen-Haftraum mit zwei rauchenden Mitgefangenen untergebracht. Am 3. März 2010 wurden die beiden rauchenden Gefangenen in einen anderen Haftraum verlegt, und der Beschwerdeführer wurde gemeinsam mit einem Nichtraucher untergebracht.

3

2. Unter dem 29. November 2010 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Landgericht Stralsund. Er beantragte unter anderem die Feststellung, dass die "Zulassung der Zufügung von körperlichen Schmerzen durch gesundheitsgefährdende Stoffe" rechtswidrig gewesen sei. Die beiden Mitgefangenen hätten stark geraucht, sogar mehrmals während der Nacht. Aufgrund des Rauches habe er bereits nach der ersten Nacht starke Kopfschmerzen bekommen, die trotz Schmerztabletten angehalten hätten. Auf seinen Hinweis, dass die Zustände im Haftraum für ihn unhaltbar seien, sei zunächst nichts unternommen worden. Er sei genötigt worden, gesundheitsgefährdende Stoffe zu inhalieren, wodurch ihm körperliche Schmerzen zugefügt worden seien. Eine Zustimmung zu einer gemeinsamen Unterbringung habe er nicht erteilt.

4

Zu dem Antrag nahm die Justizvollzugsanstalt Stellung. Nach Hinweisen der Polizei sei von der Gefahr der Selbsttötung oder -verletzung ausgegangen worden, so dass zum Schutz des Beschwerdeführerseine Unterbringung in Gemeinschaft sowie Kontrollen verfügt worden seien. Die kurzzeitige Unterbringung auf einem Haftraum mit Rauchern sei in der zeitweiligen Belegungssituation der Justizvollzugsanstalt begründet gewesen. Die Notwendigkeit der Gemeinschaftsunterbringung sei vom psychologischen Fachdienst bis zum 7. April 2010 aufrechterhalten worden; seitdem sei der Beschwerdeführer allein untergebracht.

5

3. Mit angegriffenem Beschluss vom 9. Dezember 2010 wies das Landgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Antrag sei, soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeinsamen Unterbringung mit Rauchern begehrt werde, unbegründet. Zwar seien die Untersuchungsgefangenen gemäß § 13 Abs. 1 UVollzG M.-V. während der Ruhezeiten grundsätzlich getrennt und nur mit ihrer Zustimmung gemeinsam unterzubringen. Ihre Zustimmung sei aber bei Gefahr für Leib oder Leben entbehrlich. Bei dem Beschwerdeführer sei vom psychologischen Fachdienst die Gefahr der Selbsttötung oder Selbstverletzung erkannt worden. Dies habe eine Gemeinschaftsunterbringung notwendig gemacht. Die Aufteilung der Belegung der einzelnen Zelle obliege der Justizvollzugsanstalt in eigener Zuständigkeit. Dabei habe sie zwar grundsätzlich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten darauf zu achten, dass ein Nichtraucher nicht in einen Haftraum mit Rauchern gelegt werde. Sollte dies aufgrund der jeweiligen Belegungssituation aber nicht sofort zu realisieren sein, so müsse die Möglichkeit einer kurzfristigen anderweitigen Unterbringung bestehen.

6

4. Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Weder ein Hinweis der Polizei zu einer Selbsttötungs- oder -verletzungsgefahrnoch die von der Justizvollzugsanstalt nicht belegte Belegungssituation rechtfertigten einen Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und die Gefährdung und Schädigung seiner Gesundheit. Wenn die Justizvollzugsanstalt den Hinweis der Polizei, die zur Stellung einer solchen Diagnose weder kompetent noch qualifiziert sei, ernstgenommen hätte, wäre es ihre Pflicht gewesen, ihn einem Arzt vorzustellen. Hierauf habe die Justizvollzugsanstalt aber verzichtet; dem psychologischen Fachdienst sei er erst nach zwei Tagen vorgestellt worden. Einen weiteren Tag später sei er einem Arzt zur Aufnahmeuntersuchung vorgestellt worden. Dieser habe die angeblichen Selbsttötungs- oder -verletzungsabsichten sofort verneint. § 52 Abs. 2 UVollzG M.-V. bestimme, dass, wenn der seelische Zustand eines Untersuchungsgefangenen Anlass zu einer Sicherungsmaßnahme gebe,  vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen sei. Zur Belegungssituationhabe die Justizvollzugsanstalt nur unzureichend und ohne Beleg vorgetragen. Die später erfolgte Zusammenlegung mit einem anderen, nicht rauchenden Untersuchungsgefangenen hätte auch sofort, nicht erst nach vier Tagen, erfolgen können. Es sei unklar, wie die Justizvollzugsanstalt zu ihrer Aussage komme, die Belegungssituation habe die Form der Unterbringung erfordert.

7

5. Mit angegriffenem Beschluss vom 3. März 2011 verwarf das Oberlandesgericht die Beschwerde "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" als unbegründet.

II.

8

1. Mit seiner am 1. April 2011 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG sowie von Art. 3 EMRK. Die gemeinsame Unterbringung mit zwei Rauchern sei weder im Hinblick auf die Belegungssituation noch im Hinblick auf die angebliche Selbsttötungsgefahrerforderlich gewesen. Die Gerichte hätten den dürftigen Vortrag der Justizvollzugsanstalt einer Überprüfung unterziehen müssen. Sie hätten sich nicht mit dem Ermittlungsgrundsatz, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Übermaßverbot sowie dem Ausschluss von unmenschlicher Behandlung und dem Willkürverbot auseinandergesetzt.

9

2. Das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

III.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Danach ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Kammerzuständigkeit begründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

11

1. Der Zulässigkeit der fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich zur Verbüßung von Strafhaft in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt worden ist. Bei gewichtigen Grundrechtseingriffen ist vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch dann auszugehen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte (vgl. BVerfGE 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2008 - 2 BvR 1661/06 -, juris). Gewichtig im hier maßgeblichen Sinne können neben Grundrechtseingriffen, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>), auch Eingriffe in andere Grundrechte sein (vgl. nur BVerfGE 110, 77 <86>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. März 2012 - 2 BvR 988/10 -, juris, m.w.N.).

12

Danach kann dem Beschwerdeführer ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden. Wegen der typischerweise kurzen Dauer der Untersuchungshaft kann ein Untersuchungsgefangener nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Maßnahmen in deren Vollzug nicht erlangen, während die Untersuchungshaft noch andauert. Entfiele das Rechtsschutzbedürfnis für Verfassungsbeschwerden, die Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, jeweils mit dem Übergang des Betroffenen in die Strafhaft oder mit einer aufgrund dessen erfolgenden Verlegung, so fiele ein wirksamer verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in diesem Bereich weitgehend aus (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. November 2010 - 2 BvR 1183/09 -, juris). Auf die im fachgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigende Frage, ob Beeinträchtigungen durch das Rauchen von im selben Haftraum untergebrachten Mitgefangenen sich darüber hinaus generell oder in der Justizvollzugsanstalt, in der der Beschwerdeführer untergebracht ist, auch unabhängig von der Dauer der Untersuchungshafttypischerweise - etwa wegen gezielter Erledigung zur Aufrechterhaltung einer Praxis, die gerichtlicher Überprüfung nicht standhalten kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2011 - 2 BvR 576/09 -, juris, Rn. 4) - binnen so kurzer Frist erledigen, dass der Betroffene auch eine fachgerichtliche Entscheidung vor dem Zeitpunkt der Erledigung nicht erlangen kann, kommt es daher für die Frage eines fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht an. In Anbetracht des Gewichts des vom Beschwerdeführer gerügten Eingriffs (s. unter 2.a)) entfällt das Rechtsschutzbedürfnis auch nicht deshalb, weil der gerügte Grundrechtseingriff nicht die erforderliche Schwere erreichte.

13

2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

14

a) Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

15

aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Angesichts der jedenfalls bei unentrinnbarem gemeinsamen Aufenthalt auf engem Raum nicht nur erheblich belästigenden, sondern auch - zumindest nicht ausschließbaren - gesundheitsgefährdenden Wirkungen des Passivrauchens (vgl. BVerfGE 95, 173 <184 f.>;121,317 <350 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 1998 - 1 BvR 2234/97 -, NJW 1998, S. 2961 <2962>) kann darin, dass ein Gefangener auf seinem Haftraum ohne seine Zustimmung dem Rauchen eines Mitgefangenen ausgesetzt wird, ein Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht liegen (vgl. BVerfGK 13, 67 <68>). Der Gefangene hat Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal(vgl. BVerfGK 13, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Oktober 2008 - 2 BvR 1203/07 - juris; aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung OLG Celle, Beschluss vom 1. Juni 2004 - 1 Ws 102/04 -, NJW 2004, S. 2766 <2767>; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. September 1988 - 3 Ws 402/88 -, NStZ 1989, S. 96; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Juli 1984 - 1 Vollz (Ws) 120/84 -, NStZ 1984, S. 574 <575>; OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. September 2008 - 2 Ws 416/08 -, juris; LG Detmold, Urteil vom 2. November 2006 - 9 O 163/05 -, juris). Demnach lag hier ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor, denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beschwerdeführers war dieser als Nichtraucher gegen seinen Willen für mehrere Tage mit zwei stark rauchenden Mitgefangenen in einem Haftraum untergebracht.

16

bb) Gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG darf in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Die vom Landgericht herangezogene Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 3 UVollzG M.-V., nach der bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit eine gemeinsame Unterbringung von Untersuchungsgefangenen während der Ruhezeiten auch ohne die Zustimmung des gefährdeten oder hilfsbedürftigen Untersuchungsgefangenen möglich ist, stellt keine Rechtsgrundlage für den hier zu beurteilenden, in der gemeinsamen Haftraumunterbringung des Beschwerdeführers gerade mit mehreren rauchenden Mitgefangenen liegenden Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit dar.

17

Das Landgericht hat zudem jedenfalls bei der Anwendung der als Eingriffsgrundlage herangezogenen Norm die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dadurch verkannt, dass es die gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers mit zwei Rauchern als rechtmäßig bewertet hat, ohne die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu prüfen, wie dies bei der angenommenen grundsätzlichen Nutzbarkeit des § 13 Abs. 1 Satz 3 UVollzG M.-V. als Eingriffsgrundlage oder bei Anwendung anderer Vorschriften, deren Heranziehung hätte erwogen werden können (§ 4 Abs. 2 UVollzG M.-V.), geboten gewesen wäre.

18

(1) Schon der Frage, ob der Eingriff erforderlich war, ist das Landgericht nicht in der gebotenen Weise nachgegangen.

19

Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <127 f.>; 13, 487 <493>). Dies gilt auch für die gerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen im Strafvollzug. Die materiell berührten Grundrechte - hier Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG -, das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Strafvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 9, 390 <395>; 9, 460 <463 f.>, BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 2518/08 -, juris, und vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris). An der demnach gebotenen Sachverhaltsaufklärung fehlt es hier. Das Landgericht hat angenommen, dass die gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers mit einem oder mehreren Nichtrauchern aufgrund der Belegungssituation nicht möglich gewesen sei. Dies hat es aus der Angabe der Justizvollzugsanstalt gefolgert, die Unterbringung auf einem Haftraum mit Rauchern sei in der zeitweiligen Belegungssituation der Justizvollzugsanstalt begründet gewesen. Die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt enthielt jedoch noch nicht einmal eine ausdrückliche Feststellung des Inhalts, dass in einer gemeinsamen Unterbringung des Beschwerdeführers mit zwei rauchenden Mitgefangenen tatsächlich - auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer vorübergehenden anstaltsinternen Verlegung anderer Gefangener - die einzige Möglichkeit der sicheren Unterbringung des Beschwerdeführers bestand, geschweige denn eine Begründung, die dies plausibel gemacht hätte.

20

(2) Das Landgericht hat sich zudem einer näheren Prüfung der Zumutbarkeit des Eingriffs in der unzutreffenden Annahme verschlossen, Grundrechtseingriffe, die durch die faktischen Verhältnisse in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt bedingt sind, seien vom Gefangenen ohne weiteres hinzunehmen. Die Art und Weise der Unterbringung des Beschwerdeführers hat es mit der Begründung gebilligt, dass eine solche Unterbringung möglich sein müsse, wenn aufgrund der gegebenen Belegungssituation eine von Rauchern getrennte Unterbringung nicht sofort zu realisieren sei.

21

Diese Begründung verkennt, dass nicht beliebige Einschränkungen damit gerechtfertigt werden können, die gegebene Ausstattung der Justizvollzugsanstalt lasse nichts anderes zu. Grundrechte bestehen nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen im konkreten Fall oder üblicherweise vorhanden ist (vgl. BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310>; BVerfGK 13, 163 <166>, m.w.N.). Vielmehr stellt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der den Vollzug der Untersuchungshaft in besonderem Maße beherrschen muss (vgl. BVerfGE 34, 369 <380>; 35, 5 <9>; 35, 307 <309>; BVerfGK, a.a.O.), auch Anforderungen an die Ausstattung der Justizvollzugsanstalten. Es ist Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen (vgl. BVerfGE 36, 264 <275>; 42, 95 <101 f.>; BVerfGK 13, 163 <168 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, a.a.O., m.w.N.).

22

b) Nach alledem verletzt auch der Beschluss des Oberlandesgerichts, der sich auf die für zutreffend erachteten Gründe des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts stützt, die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

IV.

23

1. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie sind daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

24

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.

(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.