Bundesverfassungsgericht Beschluss, 18. Dez. 2018 - 1 BvR 142/15

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rs20181218.1bvr014215
18.12.2018

Tenor

1. a) Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) in der Fassung der Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 286) sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 301) sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes aufgrund des Verstoßes gegen Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie die Kraftfahrzeugkennzeichenerfassung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsehen.

b) Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 ist in dieser und den nachfolgenden Fassungen mit Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er die Identitätsfeststellung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsieht.

2. a) Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 bis 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie

- die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 1 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränken,

- die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen uneingeschränkt für "Durchgangsstraßen ([…] andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr)" vorsehen und

- keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen vorsehen.

b) Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 3 Satz 2 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie die Verarbeitung der Kennzeichen zu weiteren Zwecken nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse beschränken.

3. Die unter 2. angeführten Vorschriften bleiben in ihrer Fassung vom 18. Mai 2018 bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Dezember 2019, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

4. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 - BVerwG 6 C 7.13 -, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2012 - 10 BV 09.2641 - und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. September 2009 - M 7 K 08.3052 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

5. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

6. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben je zu gleichen Teilen dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die seinen gegen den Freistaat Bayern gerichteten Antrag abwiesen, automatisierte Kennzeichenkontrollen nach bayerischem Polizeirecht zu unterlassen. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die diesbezüglichen Rechtsgrundlagen selbst.

I.

2

1. In Bayern ist die Polizei dazu ermächtigt, im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung automatisierte Kennzeichenkontrollen durchzuführen. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 wurden solche Kontrollen auf Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie auf Art. 38 Abs. 3 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (BayGVBl S. 397), zuletzt geändert durch Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (BayGVBl S. 286) - im Folgenden: BayPAG -, gestützt. Sie lauteten:

Art. 33

Besondere Mittel der Datenerhebung

(1) …

(2) …2Darüber hinaus kann die Polizei unbeschadet des Art. 30 Abs. 3 Satz 2 durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme bei Vorliegen entsprechender Lageerkenntnisse in den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfassen. 3Zulässig ist der Abgleich der Kennzeichen mit polizeilichen Fahndungsbeständen, die erstellt wurden

1. über Kraftfahrzeuge oder Kennzeichen, die durch Straftaten oder sonst abhanden gekommen sind,

2. über Personen, die ausgeschrieben sind

a) zur polizeilichen Beobachtung, gezielten Kontrolle oder verdeckten Registrierung,

b) aus Gründen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung, Auslieferung oder Überstellung,

c) zum Zweck der Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen,

d) wegen gegen sie veranlasster polizeilicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr.

4Ein Abgleich mit polizeilichen Dateien, die zur Abwehr von im Einzelfall oder im Hinblick auf bestimmte Ereignisse allgemein bestehenden Gefahren errichtet wurden, ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer solchen Gefahr erforderlich ist und diese Gefahr Anlass für die Kennzeichenerfassung war. 5Die Kennzeichenerfassung darf nicht flächendeckend eingesetzt werden.

(3) - (7) …

Art. 38

Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten

(1) - (2) …

(3) 1Die nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 erfassten Kennzeichen sind nach Durchführung des Datenabgleichs unverzüglich zu löschen. 2Soweit ein Kennzeichen in den abgeglichenen Fahndungsbeständen oder Dateien enthalten und seine Speicherung oder Nutzung im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr oder für Zwecke, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet wurden, erforderlich ist, gelten abweichend hiervon Abs. 1 und 2 sowie die Vorschriften der Strafprozessordnung. 3Außer in den Fällen des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a dürfen Einzelerfassungen nicht zu einem Bewegungsbild verbunden werden.

(4) - (5) …

3

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG verwies als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Maßnahmen der Kennzeichenkontrolle auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG, der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lautete:

Art. 13

Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen

1. zur Abwehr einer Gefahr,

2. wenn die Person sich an einem Ort aufhält,

a) von dem auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort

aa) Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben,

bb) sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, oder

cc) sich Straftäter verbergen, oder

b) an dem Personen der Prostitution nachgehen,

3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind,

4. an einer Kontrollstelle, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinn von § 100a der Strafprozessordnung (StPO) oder Art. 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 5 oder Ordnungswidrigkeiten im Sinn von Art. 21 Abs. 1 Nrn. 8 und 9 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) zu verhindern,

5. im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km sowie auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Europastraßen und andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr) und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität oder

6. …

(2) - (3) …

4

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG wurde durch eine spätere Gesetzesänderung redaktionell einer Änderung des bayerischen Versammlungsrechts angepasst (Gesetz zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes vom 23. November 2015, BayGVBl S. 410). Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG wurde durch das Bayerische Integrationsgesetz (BayIntG) vom 13. Dezember 2016 (BayGVBl S. 335) und Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 durch das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen vom 24. Juli 2017 (BayGVBl S. 388) erweitert. Diese Änderungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

5

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG und Art. 38 Abs. 3 BayPAG wurden durch das Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (BayGVBl S. 301) in einem neuen Art. 39 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 bis 3 BayPAG n.F. bei geringfügigen redaktionellen Änderungen im Wesentlichen wortlautidentisch zusammengeführt.

6

2. Nach den fachgerichtlichen Feststellungen zur praktischen Durchführung der Kennzeichenkontrolle setzt die bayerische Polizei sowohl fest installierte als auch mobile Kennzeichenlesegeräte zur automatisierten Kennzeichenkontrolle ein. Die Geräte erfassen das an vorbeifahrenden Fahrzeugen angebrachte Kraftfahrzeugkennzeichen als Bild. Dieses wird mit einem speziellen Programm in einen Datensatz, bestehend aus den Buchstaben und Ziffern des Kennzeichens, umgewandelt. Der Datensatz wird an einen in der Regel am Fahrbahnrand untergebrachten Computer weitergeleitet. Dort wird der Datensatz mit anderen Daten-sätzen abgeglichen, die anderweitig begründeten Fahndungsbeständen entnommen sind. Der Abgleich beruht auf einer für den Einzelfall zweckbezogenen Auswahl der Fahndungsbestände. Die dafür herangezogenen Datensätze werden dabei jeweils bezogen auf die in Frage stehende Kennzeichenkontrolle in einer eigenen Abgleichdatei zusammengeführt.

7

Das im Kennzeichenlesegerät gespeicherte Bild des Kraftfahrzeugkennzeichens wird nach dem Datenbankabgleich unverzüglich gelöscht. Vom Computer, der zum Datenbankabgleich genutzt wird, wird der Datensatz ebenfalls automatisch und unverzüglich gelöscht, wenn der Datenbankabgleich keinen Treffer ergibt (Nichttrefferfall). Sofern das Programm hingegen einen Treffer meldet, wird das aufgenommene Bild temporär in einer Datenbank auf dem Computer gespeichert und entweder an die Einsatzzentrale übermittelt oder auf dem Computer direkt angezeigt. Polizeibeamte überprüfen visuell, ob das aufgenommene Bild des Kraftfahrzeugkennzeichens und das im Fahndungsbestand gespeicherte Kraftfahrzeugkennzeichen übereinstimmen. Bestätigt die visuelle Überprüfung die vom Computer gemeldete Übereinstimmung nicht (unechter Trefferfall), gibt ein Polizeibeamter durch Betätigen der Taste "Entfernen" den Befehl, den gesamten Vorgang zu löschen. Sofern die Überprüfung einen Treffer bestätigt (Trefferfall), werden diese Daten gespeichert und gegebenenfalls weitere polizeiliche Maßnahmen in die Wege geleitet. Weder Fahrzeugführer noch Fahrzeughalter werden über die automatisierte Kennzeichenkontrolle informiert.

8

Nach den vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegten Feststellungen betrieb der Freistaat Bayern zum Zeitpunkt der Entscheidung insgesamt 25 automatisierte Kennzeichenerkennungssysteme, davon 22 stationäre Systeme, die insgesamt 30 Fahrspuren abdeckten, und drei mobile Systeme. Die stationären Systeme seien auf zwölf Standorte verteilt und befänden sich insbesondere an Bundesautobahnen. Die mobilen Systeme würden anlassbezogen eingesetzt, beispielsweise bei internationalen Fußballturnieren oder ähnlichen Großereignissen. Der jeweilige Standort werde gemäß jährlich aktualisierter Lageerkenntnisse durch das Landeskriminalamt bestimmt. Die Lagebeurteilung werde im Innenministerium dokumentiert und der Landesbeauftragte für Datenschutz jährlich hierüber informiert. Im Zeitraum Juni bis September 2011 seien monatlich etwa acht Millionen Kennzeichen erfasst worden, von denen 40.000 bis 50.000 Treffermeldungen (Trefferfälle und unechte Trefferfälle) und 500 bis 600 Trefferfälle gewesen seien.

9

Vorwiegender Einsatzzweck der automatisierten Kennzeichenkontrolle ist nach Angaben der Bayerischen Staatsregierung zu diesem Verfahren die Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG. Für einen der anderen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BayPAG genannten Zwecke sei die Kennzeichenkontrolle nur vereinzelt eigenständig zum Einsatz gekommen. Allerdings werde die Kennzeichenkontrolle zumeist doppelfunktional für die Zwecke des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG und für den situationsbedingt hinzutretenden jeweils einschlägigen anderen Zweck des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BayPAG eingesetzt.

10

Hinsichtlich der Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG hat die Bayerische Staatsregierung mitgeteilt, dass solche Kontrollstellen im Zeitraum zwischen 2012 und 2016 in insgesamt 28 Fällen von der bayerischen Polizei eingerichtet worden seien, wobei die weit überwiegende Mehrzahl der Verhütung versammlungsrechtlicher Straftaten gedient habe. In diesen Fällen seien bisher noch keine Kennzeichenlesegeräte zum Einsatz gekommen.

II.

11

1. Der Beschwerdeführer, der seinen Hauptwohnsitz in Bayern und einen weiteren Wohnsitz in Österreich hat, ist Halter eines auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeugs, mit dem er regelmäßig zwischen seinen Wohnsitzen pendelt und auf Bundesautobahnen in Bayern unterwegs ist. Er nimmt ferner an Demonstrationen teil. Im Jahr 2008 beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht, den Freistaat Bayern zu verurteilen, es zu unterlassen, durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme Kennzeichen von Kraftfahrzeugen, die auf den Beschwerdeführer zugelassen sind, zu erfassen und mit polizeilichen Dateien abzugleichen.

12

2. a) Das Verwaltungsgericht hielt die Klage für zulässig, aber unbegründet. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zurück.

13

Die Klage sei als allgemeine Unterlassungsklage zulässig. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner zahlreichen Fahrten auf Autobahnen in Bayern mit großer Wahrscheinlichkeit bereits mehrfach von einer Kennzeichenerfassung mit anschließendem Abgleich betroffen gewesen. Sein Begehren sei darauf gerichtet, gleichartige künftige Maßnahmen abzuwehren. Die erforderliche Wiederholungsgefahr liege vor, da der Beschwerdeführer häufig auf Autobahnen in Bayern unterwegs sei. Zudem erfolge die Maßnahme heimlich, so dass er ihr nicht ausweichen könne.

14

Die Klage sei aber unbegründet. Kennzeichenerfassung und -abgleich griffen zwar in den Schutzbereich des Grundrechts des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieser Eingriff beruhe jedoch auf einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage. Bei Heranziehung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe fehle es beim sogenannten Nichttreffer schon an einem Grundrechtseingriff (Verweis auf BVerfGE 120, 378 <399>). Es sei nämlich rechtlich und technisch sichergestellt, dass bei negativem Ergebnis eines unverzüglich nach der Erfassung vorgenommenen Abgleichs die erfassten Kennzeichen anonym blieben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Bezug zum Fahrer, Beifahrer oder Halter des Fahrzeugs herzustellen, gelöscht würden. Zu einem Grundrechtseingriff komme es hingegen, wenn ein erfasstes Kennzeichen gespeichert werde und Grundlage weiterer Maßnahmen werden könne. Das sei nicht nur beim echten Treffer der Fall, sondern bereits beim sogenannten unechten Treffer, wenn sich nur infolge einer fehlerhaften Kennzeichenerfassung beim Abgleich mit dem Fahndungsbestand eine Übereinstimmung ergebe. Der Grundrechtseingriff liege nicht in der Speicherung des Kennzeichens, sondern darin, dass der bearbeitende Polizeibeamte das Kennzeichen ablesen könne, da hierdurch die Anonymität des ansonsten vollständig automatisierten Vorgangs aufgehoben werde.

15

Dieser Grundrechtseingriff finde in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie Art. 38 Abs. 3 BayPAG (in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung) eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. Diese Normen seien formell und materiell verfassungskonform. Der Landesgesetzgeber sei für deren Verabschiedung zuständig, denn Zweck der automatisierten Kennzeichenerfassung sei die präventive polizeiliche Tätigkeit der Gefahrenabwehr, die auch die Gefahrenvorsorge umfasse. Auch wenn der praktische Einsatz Ergebnisse bringe, die auch der Strafverfolgung zugutekommen könnten, etwa wenn sie zur Festnahme eines gesuchten Straftäters beitrügen, sei die Maßnahme im Kern präventiv zweckbestimmt und eben nicht der Strafverfolgung zuzuordnen. Kompetenzrechtliche Zweifel bestünden, soweit Art. 38 Abs. 3 Satz 2BayPAG bestimme, dass ein Kennzeichen, das in den abgeglichenen Fahndungsbeständen und Dateien enthalten ist, auch für Zwecke gespeichert oder genutzt werden könne, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet worden seien, und damit auch für Zwecke der Strafverfolgung. Darauf komme es jedoch nicht an. Entweder richte sich die Klage des Beschwerdeführers lediglich gegen die Erfassung und den Datenabgleich, nicht aber gegen die auf einer anderen, zweiten Ebene erfolgende Speicherung oder Nutzung der Daten. Oder eine eventuelle Teilnichtigkeit des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG im Hinblick auf den Strafverfolgungszweck ließe Maßnahmen zum Zwecke der Gefahrenabwehr weiterhin zu.

16

In materieller Hinsicht genüge das Gesetz den Bestimmtheitsanforderungen ebenso wie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Mit dem Ziel der Abwehr von Gefahren verfolgten die Regelungen insbesondere einen legitimen Zweck. Die Eignung der Kennzeichenkontrolle scheitere nicht an der großen Streubreite der Kennzeichenerfassung, da es ausreiche, wenn die Maßnahme nur teilweise Erfolg habe. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers sei die Einführung der Kennzeichenerfassung aufgrund aktueller Entwicklungen im Bereich der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus sowie zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit erforderlich gewesen. Denn der Einsatz von Streifenpolizisten oder die Kontrolle einzelner Kraftfahrzeuge in Form von Stichproben an herkömmlichen Kontrollstellen erreiche nicht die gleiche Effizienz wie die automatisierte Kennzeichenerfassung. Es sei auch erforderlich, die Kennzeichenerfassung verdeckt vorzunehmen, da die betreffenden Personen ansonsten andere Routen wählten. Die Vorschriften zur automatisierten Kennzeichenerfassung würden bei verfassungskonformer Auslegung trotz Bedenken beziehungsweise Zweifeln hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne noch gerecht. Denn bei einer umfassenden Gegenüberstellung der Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Erfassung und den Datenabgleich von Kraftfahrzeugkennzeichen und dem damit verfolgten gesetzlichen Ziel der Gefahrenprävention überwiege das öffentliche Schutzinteresse die grundrechtlich geschützten privaten Belange der betroffenen Bürger.

17

b) Das Bundesverwaltungsgericht wies die hiergegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers zurück. Der Kläger könne sein Begehren in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage zwar zulässig geltend machen, die Klage sei jedoch unbegründet.

18

Die erhobene Unterlassungsklage setze voraus, dass dem Beschwerdeführer durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die automatisierte Kennzeichenerfassung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung drohe. Das sei nicht der Fall. Ausgehend von den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben sei für den Fall des Nichttreffers die Eingriffsqualität von Erfassung und Abgleich eines Kraftfahrzeugkennzeichens zu verneinen (Verweis auf BVerfGE 120, 378 <399>). Erfassung und Abgleich vollzögen sich in dieser Konstellation ohne zeitlichen Verzug in vollständig automatisierter Weise. Es sei ferner gesichert, dass die Daten einer menschlichen Kenntnisnahme unzugänglich blieben. Auch der unechte Treffer sei kein Eingriff. Zwar werde das erfasste Kennzeichen in dieser Konstellation durch den Polizeibeamten, der mit dem visuellen Abgleich betraut sei, zur Kenntnis genommen. Der Polizeibeamte beschränke sich jedoch auf die Vornahme dieses Abgleichs und lösche den Vorgang umgehend, wenn der Abgleich negativ ausfalle. In diesem Stadium sei das behördliche Interesse an den betroffenen Daten nicht bereits derart verdichtet, dass der Inhaber des Kraftfahrzeugkennzeichens in einer Qualität betroffen sei, die einen Grundrechtseingriff bewirke. Das behördliche Interesse sei hier nur ein systembezogenes Korrekturinteresse. Mithilfe des visuellen Abgleichs solle lediglich ausgeschlossen werden, dass aufgrund des unvollkommenen Lesemodus des Systems polizeiliche Maßnahmen zu Kennzeichen eingeleitet würden, die zwar im Fahndungsbestand notiert seien, tatsächlich aber die Erfassungsstelle gar nicht passiert hätten. Es werde lediglich der unvollkommene Lesemodus des Systems korrigiert. Der Inhaber des tatsächlich erfassten Kennzeichens habe insoweit nicht mehr hinzunehmen als eine lediglich kurzzeitige Wahrnehmung der Buchstaben-Zahlen-Kombination durch den Polizeibeamten, der seinerseits nicht über die Befugnis verfüge und auch der Sache nach keinen Anlass habe, eine Abfrage aus dem Fahrzeugregister vorzunehmen. Die Anonymität des Inhabers bleibe in diesen Fällen gewahrt.

19

In einem echten Trefferfall werde hingegen die Eingriffsschwelle überschritten. Habe der abgleichende Polizeibeamte die vom System gegebene Treffermeldung verifiziert, verdichte sich das behördliche Interesse an den Daten. Durch die vorgesehene manuelle Abfrage aus der Fahndungsdatei werde die Identität des Kennzeicheninhabers offenbart. Durch die weiter vorgesehene Speicherung des Vorgangs würden die gewonnenen Daten über Zeitpunkt und Ort der Erfassung für den Staat verfügbar gemacht. Dieser sei hierdurch in die Lage versetzt, weitere Maßnahmen gegen den Betroffenen einleiten zu können. Betroffene seien hierdurch in einer einen Grundrechtseingriff auslösenden Qualität berührt.

20

Im vorliegenden Fall könne es hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers jedoch nach dem damaligen Sachstand nicht zu einem echten Treffer kommen, da nach den vorinstanzlichen Feststellungen sein Kraftfahrzeugkennzeichen nicht im Fahndungsbestand gespeichert sei. Die bloße Eventualität einer künftigen Speicherung müsse außer Betracht bleiben. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch biete keine Handhabe, um behördliches Handeln abzuwehren, dem nur bei künftigem Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände Eingriffsqualität gegenüber dem Beschwerdeführer zukomme.

III.

21

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen.

22

Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof hätten den Umfang des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verkannt, da sie bei Nichttrefferfällen keinen Grundrechtseingriff angenommen hätten. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Umfang des Schutzbereichs sogar für unechte Treffer verkannt. Es seien nicht nur die tatsächlich drohenden Nachteile zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass Betroffene der Kennzeichenkontrolle damit rechnen müssten, dass ihr Fahrverhalten aufgezeichnet und nachvollzogen werden könne. Das könne dazu führen, dass sie ihr Bewegungsverhalten anpassten. Es sei nicht erkennbar, was mit den erfassten Daten geschehe. Bei der automatisierten Kennzeichenkontrolle würden personenbezogene Daten nicht nur ungezielt und allein technikbedingt miterfasst, sondern es sei gerade das Ziel, die Kennzeichen für die staatliche Datenverarbeitung verfügbar zu machen. Die Löschung erfolge nicht unmittelbar nach der Erfassung, sondern erst nach dem Abgleich mit dem Fahndungsbestand. Es bleibe zudem auch nach der Löschung die Information erhalten, dass die abgeglichenen Kennzeichen am Ort der Kennzeichenerfassung nicht festgestellt worden seien, wodurch beispielsweise bestimmte Fluchtrouten ausgeschlossen werden könnten.

23

Die von den Fachgerichten als Rechtsgrundlage für die Kennzeichenkontrolle herangezogenen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie Art. 38 Abs. 3 BayPAG seien formell verfassungswidrig. Es seien Regelungen in einem Bereich, in dem der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG abschließend Gebrauch gemacht habe. Die Maßnahmen dienten zum Teil repressiven Zwecken. Zentraler Zweck der Kennzeichenkontrolle sei das Auffinden von Kraftfahrzeugen oder Kennzeichen, die durch eine Straftat abhandengekommen sind, was dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und damit der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen sei.

24

Es liege ferner ein Verstoß gegen die Gebote der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit vor. Die Normen regelten den Zweck der Kennzeichenkontrolle nicht bereichsspezifisch und präzise. Es bestehe zudem die Gefahr einer laufenden und nicht vorhersehbaren Ausweitung der zum Abgleich herangezogenen Datenbestände, da diese nicht aufgeführt würden. Auch der weitere Umgang mit den erhobenen Daten in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG sei nicht bereichsspezifisch und präzise geregelt. Die Unverhältnismäßigkeit der automatisierten Kennzeichenkontrolle folge aus der hohen Eingriffsintensität, denn sie betreffe eine Vielzahl von Personen, ohne dass ein konkreter Verdacht gegen diese vorliege, lasse Rückschlüsse auf das Bewegungsverhalten zu und gefährde die Wahrnehmung weiterer Grundrechte wie der Versammlungsfreiheit, während zugleich nur wenige Treffer festgestellt würden, die sich zudem vorwiegend im Bereich der Kraftfahrzeugdiebstähle befänden, die der Alltagskriminalität zuzuordnen seien und keinen Totalabgleich aller Verkehrsteilnehmer rechtfertigen könnten. Die Kennzeichenkontrolle sei ein Präzedenzfall für einen automatisierten Massenabgleich der Bevölkerung mit Fahndungsdatenbanken. Es bestehe auch ein erhebliches Missbrauchspotential hinsichtlich der erhobenen Daten. Die Voraussetzungen für die Kennzeichenkontrolle würden diese Umstände nicht berücksichtigen, da sie auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Identitätsfeststellung verwiesen, deren Eingriffsgewicht geringer sei, da massenhafte Identitätskontrollen - anders als bei der Kennzeichenkontrolle - nicht vorgesehen seien. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG enthalte keine tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die Weite des Art. 13 BayPAG im Hinblick auf die Kennzeichenkontrolle ausreichend einschränkten. Unabhängig davon bestünden bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Art. 13 BayPAG. Mittels der automatisierten Kennzeichenkontrolle würden Verkehrsteilnehmer generell und anlassunabhängig überprüft. Die Kennzeichenkontrolle nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG sei nicht auf erhebliche Gefahren für wichtige Rechtsgüter beschränkt. In den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BayPAG könne den an den genannten Orten auftretenden Gefahren nicht mittels der Kennzeichenkontrolle begegnet werden, da im Fahndungsbestand im Wesentlichen nur gestohlene und unversicherte Kraftfahrzeuge enthalten seien. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG überwiege die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit das Interesse an der Verhinderung von Straftaten, die lediglich mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht seien. Im Fall der Schleierfahndung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG folge die Unverhältnismäßigkeit unter anderem daraus, dass Kennzeichenkontrollen an Durchgangsstraßen und Verkehrseinrichtungen im gesamten Land zugelassen seien. Die angegriffenen Normen beschränkten zudem den zum Abgleich herangezogenen Datenbestand nicht auf die zur Erreichung des Zwecks der jeweiligen Kontrolle erforderlichen Daten. Des Weiteren binde Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG die Verwendung der erhobenen Daten nicht klar an den Zweck, zu dem sie erhoben wurden. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG liege zudem darin, dass die automatisierte Kennzeichenkontrolle verdeckt erfolge und die Betroffenen hierüber nicht informiert würden.

IV.

25

Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen. Sie ist der Auffassung, dass die Fälle der Nichttreffer und der unechten Treffer schon keine Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG darstellten. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits grundsätzlich im Hinblick auf Nichttreffer und das Bundesverwaltungsgericht für die angegriffenen Normen im Hinblick auf Nichttreffer und unechte Treffer entschieden. Insbesondere der vollautomatische Abgleichvorgang und die sofortige Löschung der Daten, wenn kein Trefferfall vorliege, schlössen danach einen Grundrechtseingriff aus. In Fällen der unechten Treffer sei mangels einer Halterabfrage die Anonymität des Kraftfahrzeugführers noch nicht aufgehoben. Da nur bei echten Trefferfällen ein Grundrechtseingriff anzunehmen sei, erweise sich die Maßnahme in ihren grundrechtlichen Wirkungen als in hohem Maße treffgenau, so dass ihre Streubreite eng sei. Der Eingriff bei echten Trefferfällen sei von geringer Intensität, da er unter anderem mit dem Kraftfahrzeugkennzeichen ein personenbezogenes Datum betreffe, das für jedermann wahrnehmbar und von geringer Persönlichkeitsrelevanz sei. Zudem erfolge ein Grundrechtseingriff nur, wenn aufgrund der Speicherung des Kennzeichens in den Fahndungsbeständen ein Anlass für eine Überprüfung bestehe. Für die echten Trefferfälle liege mit Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 38 Abs. 3 BayPAG eine formell und materiell verfassungskonforme Rechtsgrundlage vor.

26

Die Kennzeichenkontrolle verfolge mit der Gefahrenabwehr und der Straftatenverhütung in den angegriffenen Normen eindeutig als präventiv ausgestaltete Zwecke. Der Verfolgungsvorsorge würde keinerlei eingriffslegitimierende Wirkung beigemessen. Dass die zum Abgleich herangezogenen Fahndungsbestände auch Ausschreibungen zu repressiven Zwecken enthielten, nehme der Kennzeichenkontrolle nicht die präventive Zweckrichtung, da Ausschreibungen häufig sowohl repressiven wie präventiven Zwecken dienten. Der Ausschreibungsgrund bestimme jedoch nicht den Zugriffszweck. Die tatbestandlichen Voraussetzungen seien ausreichend bestimmt, insbesondere durch den Verweis auf die Voraussetzungen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Aufgrund der Konkretisierung des Begriffs des Fahndungsbestands mittels der Auflistung der Ausschreibungsgründe in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG sei auch der zum Abgleich eröffnete Datenbestand hinreichend konkretisiert. Gleiches gelte für die Verwendungsregelungen in Art. 38 Abs. 3 BayPAG.

27

Die Regelungen seien insgesamt verhältnismäßig. Sie dienten dem präventiven Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, was in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG näher ausdifferenziert und spezifiziert werde. Hierzu sei die Kennzeichenkontrolle geeignet und erforderlich. Sie sei auch angemessen. Der Grundrechtseingriff in Trefferfällen erfolge treffgenau und sei nur von geringer Intensität, wohingegen den verfolgten Zwecken ein hohes verfassungsrechtliches Gewicht zukomme. Auf allen Ebenen der Datenverarbeitung (Kennzeichenerfassung, Kennzeichenabgleich, Verwendung in Trefferfällen) enthielten die angegriffenen Regelungen dem Zweck der Maßnahme angepasste Begrenzungen. Die Bindung der Kennzeichenerfassung an die Voraussetzungen der Identitätsfeststellung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG sei sachgerecht, da die Kennzeichenkontrolle ein Hilfsmittel zur Ermittlung der Identität sei. Ferner finde eine Begrenzung durch das Erfordernis entsprechender Lageerkenntnisse und das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art. 4 BayPAG statt.

28

Die zum Abgleich herangezogenen Datenbestände würden, soweit dies technisch möglich sei, auf den jeweiligen Einsatzzweck zugeschnitten aus den Fahndungsbeständen erstellt und in einer separaten, für den Einsatzzweck erstellten Abgleichdatei gespeichert. Art. 38 Abs. 3 BayPAG regele in abgestufter Weise die Verwendung in Nichtreffer-, unechten Treffer- und Trefferfällen. In Trefferfällen erfolge eine Verwendung der Daten nur nach einer Erforderlichkeitsprüfung. Zur Erstellung von Bewegungsbildern dürften die Daten nur in speziell geregelten Fällen verwendet werden. Eine nachträgliche Benachrichtigung der von einer Kennzeichenkontrolle Betroffenen sei bei Nichttreffern und unechten Treffern mangels eines Grundrechtseingriffs nicht erforderlich und würde aufgrund der zwingend vorzunehmenden Datenspeicherung für die Benachrichtigung erst - kontraproduktiv - zu einem Grundrechtseingriff führen. In Trefferfällen würden Betroffene zumeist durch sich anschließende polizeiliche Maßnahmen informiert. Zudem bestehe der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 48 BayPAG.

B.

29

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

30

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer zulässigerweise gegen die klageabweisenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, letztinstanzlich des Bundesverwaltungsgerichts, mit denen sein Unterlassungsbegehren gegenüber ihn möglicherweise erfassenden Kennzeichenkontrollen abgewiesen wurde. Mittelbar wendet er sich dabei gegen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie gegen Art. 38 Abs. 3 BayPAG.

31

Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er macht geltend, durch automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen, denen er als Verkehrsteilnehmer in Bayern ausgesetzt sei, und durch die ihm hiergegen Rechtsschutz verweigernden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt zu sein. Die Frage, ob eine Kennzeichenkontrolle gegenüber dem Beschwerdeführer tatsächlich einen Grundrechtseingriff begründet, ist wesentlicher Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und wurde von den Fachgerichten nicht einheitlich beurteilt. Insoweit ist eine Grundrechtsverletzung jedenfalls möglich.

II.

32

Für die Verfassungsbeschwerde ist durch die Änderung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes zum 25. Mai 2018 nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Durch diese Änderung wurde der Regelungsgehalt der angegriffenen Vorschriften nicht verändert. Die Vorschriften wurden lediglich zusammengeführt, an eine andere Stelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes verschoben und redaktionell geringfügig neu gefasst. Da der Beschwerdeführer auch hinsichtlich der nunmehr geltenden Gesetzeslage nicht mit einem Erfolg seines Begehrens im fachgerichtlichen Verfahren rechnen kann, ist sein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen (vgl. BVerfGE 56, 363 <379>).

33

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Vorschriften in ihrer alten Fassung, die Grundlage und Prüfungsgegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 waren. Soweit die Befugnisse zur Kennzeichenkontrolle im Rahmen der genannten Gesetzesänderung - wie durch Gesetzesänderungen des Art. 13 Abs. 1 BayPAG zuvor - erweitert wurden, sind diese Änderungen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die im Folgenden zugrunde gelegte und zitierte Fassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes bezieht sich dementsprechend auf dessen Stand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

C.

34

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die von ihm mittelbar angegriffenen Vorschriften greifen in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein und genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen zum Teil nicht.

I.

35

In der Durchführung einer Kennzeichenkontrolle zur gezielten Suche nach bestimmten Personen oder Sachen liegt gegenüber dem Beschwerdeführer ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

36

1. Die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle berührt den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

37

a) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben. Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit; es lässt ihn schon auf der Stufe der Gefährdung des Persönlichkeitsrechts beginnen. Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern entstehen. Mittels elektronischer Datenverarbeitung sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unbegrenzt speicherbar und jederzeit und ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar. Sie können darüber hinaus mit anderen Datensammlungen zusammengefügt werden, wodurch vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen. Dadurch können weitere Informationen erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch anschließende Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit nach sich ziehen können. Eine weitere Besonderheit des Eingriffspotentials von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Wege gar nicht bewältigt werden könnte. Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz (BVerfGE 120, 378 <397 f.> m.w.N.; stRspr).

38

Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (BVerfGE 120, 378 <398 f.> m.w.N.; stRspr).

39

Auch entfällt der grundrechtliche Schutz nicht schon deshalb, weil die betroffene Information öffentlich zugänglich ist. Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden (vgl. BVerfGE 120, 378 <399>).

40

b) Danach fällt die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Mit ihr werden einzelne, jeweils einem Fahrzeug und über dieses dem jeweiligen Halter zuordenbare Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung mit weiteren Daten abgeglichen. Insoweit handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Kennzeichen sind den jeweiligen Haltern individuell zugeordnet. Mit ihnen lassen sich deren Name, Anschrift sowie weitere Informationen ermitteln. Dass die Kennzeichen öffentlich sichtbar sind, ändert hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass sie selbst den Namen des Fahrzeughalters nicht anzeigen. Maßgeblich ist allein, dass sich das Kennzeichen eindeutig einer bestimmten Person zuordnen lässt und damit personenbezogene Informationen vermitteln kann (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>; 118, 168 <184 ff.>; 120, 378 <400 f.>; 128, 1 <42 ff.>; 130, 151 <184>). Die Kennzeichenkontrolle erfasst Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs; diese Informationen können mittels einer Halterabfrage einer bestimmten Person zugeordnet werden.

41

2. Eine Kennzeichenkontrolle gegenüber dem Beschwerdeführer greift in dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

42

a) Vorschriften, die zum Umgang mit personenbezogenen Daten durch staatliche Behörden ermächtigen, begründen in der Regel verschiedene, aufeinander aufbauende Eingriffe. Insbesondere ist insoweit zwischen der Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten zu unterscheiden (BVerfGE 130, 151 <184> m.w.N.; stRspr). Soweit dabei zu einem Datenabgleich ermächtigt wird, bilden die Erfassung und der Abgleich der Daten grundsätzlich je eigene Grundrechtseingriffe.

43

Ein Eingriff liegt insoweit grundsätzlich zunächst in der Erfassung personenbezogener Daten. Sie macht die Daten für die Behörden verfügbar und bildet die Basis für einen nachfolgenden Abgleich mit Suchbegriffen. An der Eingriffsqualität fehlt es lediglich, sofern Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, aber unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden ausgesondert werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <366>; 115, 320 <343>). Demgegenüber kann auch dann, wenn die Erfassung eines größeren Datenbestands letztlich nur Mittel zum Zweck für eine weitere Verkleinerung der Treffermenge bildet, in der Datenerhebung als solcher bereits ein Eingriff liegen. Maßgeblich ist, ob sich bei einer Gesamtbetrachtung mit Blick auf den durch den Überwachungs- und Verwendungszweck bestimmten Zusammenhang das behördliche Interesse an den betroffenen Daten bereits derart verdichtet hat, dass ein Betroffensein in einer einen Grundrechtseingriff auslösenden Qualität zu bejahen ist (vgl. BVerfGE 115, 320 <343>; 120, 378 <398>).

44

Ein weiterer Eingriff liegt in dem Abgleich der Daten sowie in der folgenden Verwendung der gefilterten Daten.

45

b) Die Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG begründet danach gegenüber dem Beschwerdeführer Grundrechtseingriffe. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich als Ergebnis seiner Kontrolle ein Trefferfall ergibt oder nicht. Auch soweit die Kontrolle hinsichtlich des Beschwerdeführers zu einem Nichttreffer führt, liegen in der Erfassung und dem Abgleich seines Kraftfahrzeugkennzeichens Eingriffe in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Soweit dem die Entscheidung des Senats vom 11. März 2008 (BVerfGE 120, 378) entgegensteht, wird daran nicht festgehalten.

46

aa) Eine automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG besteht aus zwei Schritten der Datenverarbeitung, nämlich der Kennzeichenerfassung nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG sowie dem Kennzeichenabgleich nach Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG. Beide sind unmittelbar aufeinander bezogen: Die Kennzeichenerfassung dient unmittelbar dem Abgleich mit den in der Vorschrift genannten Fahndungsbeständen; in der Verbindung beider sollen Informationen herausgefiltert werden, die für die weitere Aufgabenwahrnehmung der Polizei von Bedeutung sind.

47

bb) Die Erfassung der Kennzeichen und der sich anschließende Abgleich stellen sich in diesem Zusammenhang als Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen dar, deren Kennzeichen in die Kontrolle einbezogen werden.

48

(1) Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Grundrechtseingriff in der Regel nicht anzunehmen ist, wenn personenbezogene Daten Dritter im Rahmen von elektronischen Datenverarbeitungsprozessen nur zufällig am Rande miterfasst werden und unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden gelöscht werden. Wie maßstäblich ausgeführt, ist daran festzuhalten, dass ein Grundrechtseingriff insoweit nur anzunehmen ist, wenn sich das behördliche Interesse an den betroffenen Daten spezifisch verdichtet hat (oben Rn. 43).

49

(2) Unter den Bedingungen der modernen Informationstechnik, die den Abgleich von Kennziffern oder persönlichen Merkmalen mit großen Datenmengen in kürzester Zeit erlauben, ist bei Kontrollvorgängen wie vorliegend der Kennzeichenkontrolle eine solche Verdichtung gegeben. Wenn gezielt mittels Datenabgleich Personen im öffentlichen Raum daraufhin überprüft werden, ob sie oder die von ihnen mitgeführten Sachen polizeilich gesucht werden, besteht an deren Daten auch dann ein verdichtetes behördliches Interesse, wenn diese Daten im Anschluss an die Überprüfung unmittelbar wieder gelöscht werden.

50

Maßgeblich ist hierfür, dass Erfassung und Abgleich der Daten einen Kontrollvorgang begründen, der sich bewusst auf alle in die Kennzeichenkontrolle einbezogenen Personen erstreckt und erstrecken soll. Die Einbeziehung der Daten auch von Personen, deren Abgleich letztlich zu Nichttreffern führt, erfolgt nicht ungezielt und allein technikbedingt, sondern ist notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle und gibt ihr als Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn. In der ex ante-Perspektive der Behörde, die für die Einrichtung einer Kennzeichenkontrolle maßgeblich ist, besteht ein spezifisch verdichtetes Interesse daran, die Kennzeichen aller an der Kennzeichenerfassungsanlage vorbeifahrenden oder sonst in die Kontrolle einbezogenen Fahrzeuge zu erfassen, weil es gerade um deren Kontrolle selbst geht. Zu diesem Zweck werden die Daten gezielt erhoben und kommt es auch auf deren Zuordenbarkeit zu den jeweiligen Personen an. Dass deren Auswertung automatisiert erfolgt, stellt dies nicht in Frage; vielmehr werden damit die Kontrollmöglichkeiten der Polizei wesentlich erweitert.

51

Dem steht auch nicht entgegen, dass den Betroffenen im Nichttrefferfall wegen der sofortigen Löschung aller Daten weder Unannehmlichkeiten noch Konsequenzen erwachsen. Denn das ändert nichts daran, dass sie durch die Kennzeichenkontrolle einer staatlichen Maßnahme unterzogen werden, mit der sich ihnen gegenüber ein spezifisches Fahndungsinteresse zur Geltung bringt. Mit ihr werden die Betroffenen daraufhin überprüft, ob sie oder die von ihnen mitgeführten Sachen behördlich gesucht werden. Zugleich wird ihre ungehinderte Weiterfahrt unter den Vorbehalt gestellt, dass Erkenntnisse gegen sie nicht vorliegen. Eine solche Maßnahme ist nicht erst hinsichtlich ihrer Folgen, sondern als solche freiheitsbeeinträchtigend. Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein (vgl. BVerfGE 107, 299 <328>; 115, 320 <354 f.>; 120, 378 <402>; 122, 342 <370 f.>; 125, 260 <335>). Jederzeit an jeder Stelle unbemerkt registriert und darauf überprüft werden zu können, ob man auf irgendeiner Fahndungsliste steht oder sonst in einem Datenbestand erfasst ist, wäre damit unvereinbar. Vielmehr bedürfen solche Maßnahmen vor der Freiheit des Einzelnen eines spezifischen Grundes und sind als Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigungsbedürftig.

52

(3) Indem sich die Kennzeichenkontrolle mit den Kraftfahrzeugkennzeichen auf personenbezogene Daten erstreckt, unterscheidet sie sich von Kontrollen, die gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ohne Erfassung personenbezogener Daten durchgeführt werden und erst im Fall eines Treffers Daten zu einzelnen Personen erfassen. Dies ist etwa bei Geschwindigkeits- oder Rotlichtkontrollen im Straßenverkehr der Fall. Dort wird das Fahrverhalten zunächst ohne Erfassen des Kennzeichens und damit unabhängig von einer persönlichen Zuordenbarkeit der Kraftfahrzeuge kontrolliert. Personenbezogene Daten werden erst dann erhoben, wenn eine Übertretung gemessen und hierdurch ausgelöst ein Lichtbild erstellt wird. Dass dort ein Grundrechtseingriff nur im Trefferfall anzunehmen ist, lässt sich auf die Kennzeichenkontrolle nicht übertragen. Im Übrigen lassen sich Verkehrskontrollen auch deshalb nicht mit Kennzeichenkontrollen vergleichen, weil sie an risikobehaftetes Tun anknüpfen und damit materiell in anderem Umfang gerechtfertigt sind (unten Rn. 94).

53

(4) Wie andere Überwachungsmaßnahmen auch ist die Kennzeichenkontrolle einheitlich und unabhängig davon zu beurteilen, zu welchem Ergebnis sie im Einzelfall führt. Dass die Kontrolle nicht an höchstpersönliche Merkmale wie etwa das Gesicht anknüpft, sondern an öffentliche Kennzeichen, die nur mittelbar auf einige begrenzte Halterdaten hinweisen, und dass nachteilige Folgen für diejenigen, für die kein Treffer angezeigt wird, ausgeschlossen werden können, ist bei der materiellen Gewichtung des Eingriffs im Rahmen einer Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen - ebenso wie umgekehrt die Streuweite der Kontrollmaßnahme, ihre Heimlichkeit sowie Art und Bedeutung der in den Abgleich einbezogenen Datenbestände (unten Rn. 97 f.).

II.

54

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 38 Abs. 3 BayPAG sind in formeller Hinsicht überwiegend mit der Verfassung vereinbar. Allerdings fehlt es dem Freistaat Bayern an der Gesetzgebungskompetenz, soweit er durch Verweis auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG Kennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze erlaubt und damit Fragen des Grenzschutzes regelt. Im Übrigen steht dem Freistaat Bayern die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungen zu.

55

1. Soweit Kennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze geregelt werden, verstößt Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG gegen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Grenzschutz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG.

56

a) Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG eröffnet Kennzeichenkontrollen - neben anderen Tatbestandsvarianten - zu den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG genannten Zwecken. Ein Einsatzfeld, für das die Kennzeichenkontrollen danach bereitgestellt werden, ist die Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze. Eine solche Befugnis unmittelbar zum Schutz der Bundesgrenze ist jedoch eine Regelung des Grenzschutzes (vgl. BVerfGE 97, 198 <214 und 218>). Hierfür liegt nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz beim Bund. Der Freistaat Bayern kann dies nur regeln, wenn und soweit er hierzu nach Art. 71 GG in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt wird.

57

Eine solche Ermächtigung besteht nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 2 Abs. 4 Bundespolizeigesetz (BPolG). Nach dieser Vorschrift richtet sich in Fällen, in denen die Polizei eines Landes im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt, die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht. Hierin liegt schon vom Wortlaut her keine Ermächtigung zur Gesetzgebung, sondern nur eine Entscheidung dazu, welches Recht anwendbar ist, und insoweit der Verweis auf das allgemein geltende Landesrecht. Dass in Abweichung von Art. 73 Abs. 1 GG den Ländern Gesetzgebungsbefugnisse eingeräumt werden sollen, ist aus der Vorschrift nicht ersichtlich - schon der Sache nach nicht, und jedenfalls nicht ausdrücklich, wie Art. 71 GG verlangt. Das bestätigt auch die Gesetzgebungsgeschichte. Danach hat der Bundesgesetzgeber für den Fall, dass nach § 2 Abs. 1 und 3 BPolG bestimmte Aufgaben des Grenzschutzes auf Länder übertragen werden, keine Notwendigkeit dafür gesehen, dass die Landespolizei bei der Durchführung der übertragenen Grenzschutzaufgaben das spezifische Grenzschutzrecht des Bundes anwendet. Vielmehr hat er hierfür eine Verweisung auf das auch sonst für die Wahrnehmung allgemeinpolizeilicher Aufgaben geltende Landesrecht als ausreichend erachtet (vgl. Deutscher Bundestag, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses vom 20. Juni 1972, zu BTDrucks VI/3569, S. 5). Somit bestanden aus Sicht des Bundesgesetzgebers kein Anlass und keine Notwendigkeit, die Länder zur Schaffung von spezifischem Grenzschutzrecht zu ermächtigen.

58

b) Keinen kompetenzrechtlichen Bedenken unterliegt im Hinblick auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG hingegen, dass durch Verweis auf die weiteren in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG genannten Zwecke eine Befugnis zu Kennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität eingeräumt wird. Dass mit solchen Kontrollen Zwecke verfolgt werden, die einen Grenzbezug haben, macht sie nicht ohne weiteres zur Regelung des Grenzschutzes im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Vielmehr handelt es sich um Regelungen zur Gefahrenabwehr, die zwar an die Offenheit der Grenzen und damit einhergehende Gefahren anknüpfen, jedoch nicht unmittelbar dem Schutz der Bundesgrenze dienen. Dies gilt insbesondere auch für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Denn hierunter sind nicht Verstöße speziell gegen Strafvorschriften zum Schutz der Grenze selbst zu verstehen, sondern allgemein Straftaten, die die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Grenzsituation oder Grenznähe, insbesondere die Erschwerungen grenzüberschreitender Fahndung und Strafverfolgung, ausnutzen (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 187 f.).

59

2. Im Übrigen bestehen gegen die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern keine Bedenken. Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Eine die Landeszuständigkeit ausschließende Bundeskompetenz besteht hinsichtlich der weiteren angegriffenen Vorschriften nicht.

60

a) Der Kompetenz der Länder, Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen und Sachen gesetzlich zu regeln, steht nicht die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Straßenverkehrs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG entgegen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG betrifft das Straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes Ordnungsrecht und dient allein dem Zweck, die spezifischen Gefahren, Behinderungen und Belästigungen auszuschalten oder wenigstens zu mindern, die mit der Straßennutzung unter den Bedingungen des modernen Verkehrs verbunden sind (vgl. BVerfGE 40, 371 <380>). Darum geht es bei der Kennzeichenkontrolle gemäß Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG nicht. Das Straßenverkehrsgesetz und insbesondere auch die bundesrechtliche Regelung der Straßenverkehrskontrollen in § 36 Abs. 5 StVO stellen folglich die Kompetenz des Freistaates Bayern zum Erlass dieser Vorschrift nicht in Frage.

61

b) Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ("gerichtliches Verfahren") und die auf dieser Grundlage erlassenen Bundesvorschriften zum Strafverfahrensrecht stehen der Gesetzgebungskompetenz gleichfalls nicht entgegen. Eine Sperrwirkung dieser Vorschriften käme nur in Betracht, wenn die angegriffenen Vorschriften als Regelungen des strafgerichtlichen Verfahrens zu beurteilen wären. Das ist nicht der Fall.

62

Maßgeblich für die kompetenzrechtliche Zuordnung der Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und des Art. 38 Abs. 3 BayPAG ist eine Abgrenzung zwischen der dem Bund zugewiesenen Materie der Strafverfolgung und der den Ländern grundsätzlich belassenen Materie der Gefahrenabwehr, für die maßgeblich auf den Zweck der Regelungen abzustellen ist (aa). Danach unterfallen diese nicht der Strafverfolgung, sondern der Gefahrenabwehr (bb).

63

aa) Regelungen zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr liegen oft nahe zusammen und überschneiden sich in ihren Wirkungen. Abzugrenzen sind sie nach dem sich aus der Norm ergebenden Zweck.

64

(1) Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weist dem Bund unter dem Gesichtspunkt des "gerichtlichen Verfahrens" die Kompetenz zur Regelung des Strafverfahrens zu. Dieser hat hiervon insbesondere mit der Strafprozessordnung Gebrauch gemacht. Soweit sich Vorschriften als Regelungen des Strafverfahrens darstellen, kommt eine Kompetenz der Länder nur insoweit in Betracht, als die Regelungen des Bundes hierfür nicht abschließend sind.

65

Demgegenüber liegt die Gesetzgebungskompetenz für die hiermit eng verbundene Materie der Gefahrenabwehr grundsätzlich bei den Ländern. Diesbezüglich können die Länder eigenständig Regelungen treffen. Wie weit dies reicht, bestimmt sich wiederum negativ in Abgrenzung zu den dem Bund zugewiesenen Kompetenzen, vorliegend in Abgrenzung zu der Kompetenz für das Strafverfahren.

66

(2) Ob eine Vorschrift die Strafverfolgung oder die Gefahrenabwehr regelt, richtet sich nach deren Zielsetzung, wie sie sich in objektivierter Sicht aus ihrer Ausgestaltung ergibt.

67

(a) Die Kompetenzmaterie "gerichtliches Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG ist weit zu verstehen. Sie reicht von der Einleitung des Verfahrens bis zur Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung. Umfasst ist das eigentliche gerichtliche und das vorgelagerte behördliche Verfahren, sofern es - wie vom Grundsatz her das in der Strafprozessordnung geregelte polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - mit dem gerichtlichen Verfahren in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang steht (vgl. BVerfGE 30, 1 <29>). Die Kompetenz erstreckt sich auf das Strafverfahrensrecht als das Recht der Aufklärung und Aburteilung von Straftaten, die in der Vergangenheit begangen wurden; hierzu gehören die Ermittlung und Verfolgung von Straftätern einschließlich der Fahndung nach ihnen. Gegenstand der Regelungen ist die repressive Polizeitätigkeit, also diejenige, welche in Reaktion auf den Verdacht der Beteiligung einer Person an einer geschehenen oder unmittelbar bevorstehenden strafbaren Handlung vorgenommen wird (vgl. LVerfG MV, Urteil vom 21. Oktober 1999 - 2/98 -, juris, Rn. 57).

68

Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG fällt auch die Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten, die sogenannte Strafverfolgungsvorsorge (vgl. BVerfGE 103, 21 <30>; 113, 348 <370 f.>). Hierzu werden Maßnahmen gerechnet, welche die Ahndung von Straftaten ermöglichen oder erleichtern sollen, die erst in Zukunft erwartet werden. Sie knüpfen nicht an eine bereits begangene Straftat oder einen Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO an, sondern zielen auf die Verfolgung noch nicht begangener, sondern in ungewisser Zukunft möglicherweise bevorstehender Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge geschieht mithin in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren (vgl. BVerfGE 113, 348 <370>).

69

(b) Demgegenüber richtet sich die Gefahrenabwehr auf die Beseitigung und Verhinderung von Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Sie ist nicht repressiv-personenbezogen auf die Verfolgung von Straftätern ausgerichtet, sondern präventiv-objektiv unmittelbar auf den Schutz der Integrität der Rechtsordnung und der durch sie geschützten Rechtsgüter. Hierzu gehört auch die Verhinderung von Straftaten (vgl. BVerfGE 100, 313 <394>).

70

Kompetenzrechtlich den Ländern zugewiesen sind auch Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Bei dieser wird der Staat bereits im Vorfeld konkreter Gefahren aktiv, die zwar zum Zeitpunkt des Handelns noch nicht konkret drohen, aber später entstehen können. Durch das polizeiliche Handeln soll entweder das spätere Entstehen einer Gefahr verhindert oder zumindest deren wirksame Bekämpfung ermöglicht werden (so BVerwGE 141, 329 <335 Rn. 29>). Zur Gefahrenvorsorge gehört als Unterfall auch die Verhütung von Straftaten, die noch nicht konkret drohen, die sogenannte Straftatenverhütung. Sie umfasst Maßnahmen, die in einen antizipierten Geschehensablauf eingreifen oder die Entstehungsbedingungen bestimmter Faktoren oder Ursachenketten beeinflussen sollen, sodass sich der Eintritt der Gefahr einer Straftat bereits im Vorfeld verhüten lässt. Wie weit der Gesetzgeber Maßnahmen in dieser Weise in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzungen verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (vgl. BVerfGE 113, 348 <368>).

71

(3) Gefahrenabwehr und Strafverfolgung liegen oft nahe beieinander. Die Regelungsbefugnisse von Bund und Ländern können sich insoweit überschneiden.

72

Die repressive Verfolgung von Straftätern dient zwangsläufig auch präventiv dem Schutz der Sicherheit, ebenso wie umgekehrt präventive Maßnahmen zum Schutz der Rechtsordnung und damit zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger die Ergreifung von Straftätern und anschließende repressive Maßnahmen befördern können. Insoweit gehen die Regelungsbefugnisse von Bund und Ländern Hand in Hand und sind in ihren Wirkungen miteinander eng verwoben. Dabei ist auch möglich, dass Regelungen doppelfunktional ausgerichtet sind und sowohl der Strafverfolgung als auch der Gefahrenabwehr - und entsprechend sowohl der Strafverfolgungsvorsorge als auch der Gefahrenvorsorge - dienen. Für die Abgrenzung maßgeblich ist hier zunächst der Schwerpunkt des verfolgten Zweckes. Bei doppelfunktionalen Maßnahmen, bei denen sich ein eindeutiger Schwerpunkt weder im präventiven noch im repressiven Bereich ausmachen lässt, steht dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum für die Zuordnung zu und können entsprechende Befugnisse unter Umständen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geregelt werden.

73

Der Landesgesetzgeber ist folglich nicht an dem Erlass einer der Gefahrenabwehr dienenden Regelung gehindert, weil diese ihren tatsächlichen Wirkungen nach auch Interessen der Strafverfolgung dient und damit Regelungsbereiche des Bundes berührt. Maßnahmen können vielmehr auch als Landespolizeirecht zulässig sein, wenn sie präventiv und repressiv zugleich wirken. Ein solches Verständnis der Länderkompetenzen im Polizeirecht folgt aus der Entscheidung der Verfassung, die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr trotz ihrer inhaltlichen Nähe kompetenziell unterschiedlich zu behandeln. Wenn danach ähnliche oder auch gleiche Maßnahmen aus verschiedenen, aber sachlich eng zusammenliegenden Gesichtspunkten einerseits vom Bund und andererseits von den Ländern geregelt werden können, kann und muss eine sachliche Überschneidung der Regelungen nicht völlig ausgeschlossen sein. Genauso wie der Bund Maßnahmen zur Strafverfolgung regeln darf, die sich ihrer Wirkung nach zugleich förderlich für die Gefahrenabwehr auswirken, dürfen die Länder Regelungen zur Gefahrenabwehr treffen, die sich zugleich förderlich für die Strafverfolgung auswirken.

74

(4) Das stellt nicht in Frage, dass die Kompetenzen sorgfältig zu unterscheiden sind und die Ausgestaltung der Regelungen strikt von der Zwecksetzung her bestimmt sein muss, für die jeweils die Kompetenz besteht. Für die Beurteilung, ob eine Norm eine verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage hat, kommt es auf eine genaue Bestimmung der ihr bei objektivierter Sicht unterliegenden Zweckrichtung an. Die Schaffung oder selbständige Erweiterung von Eingriffsbefugnissen zur Verfolgung von Zwecken, die durch die jeweilige Kompetenz nicht gedeckt sind, kann durch die inhaltliche Nähe der Regelungsbereiche nicht gerechtfertigt werden.

75

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich bei den angegriffenen Normen um Regelungen der Gefahrenabwehr.

76

(1) Die Zweckrichtung der Kennzeichenkontrolle ergibt sich aus dem Verweis des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Danach wird die Kennzeichenerfassung als erster und grundlegender Schritt der Kennzeichenkontrolle nur für die Fälle erlaubt, in denen auch eine Identitätsfeststellung zulässig ist. Mit dem Verweis auf die Identitätsfeststellung wird zugleich auf deren Zwecke verwiesen. Diese haben aber zumindest in ihrem Schwerpunkt alle eine präventive Zielrichtung, nämlich die Unterstützung der Polizei bei ihren Aufgaben der Gefahrenabwehr nach dem Polizeigesetz. Genauer sind dies für die Kennzeichenerfassung die Abwehr von bestimmten Gefahren im Einzelfall, die Bekämpfung der Herausbildung und Verfestigung gefährlicher Orte, der Schutz von gefährdeten Orten, die Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen zur Verhinderung schwerer Straftaten oder zum Schutz von Versammlungen sowie die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität oder die Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts mittels der Schleierfahndung. Dass einige dieser Zwecke - wie insbesondere die Kennzeichenkontrolle an gefährlichen Orten oder im Rahmen der Schleierfahndung - bei objektivierter Betrachtung im Ergebnis zugleich die Strafverfolgung befördern, ist nach den oben entwickelten Maßstäben unschädlich.

77

(2) Auf diese präventiven Zwecke ausgerichtet ist auch der sich anschließende Datenabgleich mit den in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG genannten Datenbeständen. Er dient dazu, durch das Auffinden der gesuchten Personen die Erreichung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG ergebenden Zwecke zu unterstützen. Dass der Gesetzgeber dabei auch Datenbestände einbezogen hat, die auf strafrechtlichen Ausschreibungen beruhen, ändert nichts daran, dass der diesbezügliche Abgleich den zuvor genannten präventiven Zwecken dient.

78

Anders wäre dies zu beurteilen, wenn die angegriffenen Vorschriften dahingehend verstanden werden müssten, dass mit der Kennzeichenkontrolle neben den sich aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG ergebenden Zwecken zugleich eigens und hiervon unabhängig allgemein die Fahndung nach allen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG ausgeschriebenen Personen erstrebt und erlaubt werde. Das Ziel des Aufgreifens strafrechtlich ausgeschriebener Personen (vgl. Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchstabe b BayPAG) gehört zur Strafverfolgung und berechtigt den Landesgesetzgeber jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr nicht dazu, hierfür eigene Befugnisse zu schaffen.

79

In diesem Sinne muss und darf die Vorschrift jedoch schon aus materiellen Gründen nicht verstanden werden. Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG erlaubt einen Abgleich nur für die jeweils die Kennzeichenerfassung rechtfertigenden präventiven Zwecke im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG und ist dahin auszulegen, dass jeweils nur solche Datenbestände in den Abgleich einbezogen werden dürfen, die potentiell hierfür geeignet, erforderlich und angemessen sind (unten Rn. 107 ff.). In diesem Verständnis aber handelt es sich um Vorschriften des Gefahrenabwehrrechts. Dass bei deren Anwendung dann als faktische Nebenwirkung auch anderweitig und insbesondere strafrechtlich gesuchte Personen identifiziert werden können, stellt die Zuordnung der Vorschrift zum Gefahrenabwehrrecht nicht in Frage.

80

(3) Kompetenzwidrig ist auch nicht, dass der Gesetzgeber nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG eine Verwendung solch zufällig angefallener Erkenntnisse im Wege der Zweckänderung unabhängig von den Zwecken des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG für die Zwecke öffnet, die den Ausschreibungen zur Fahndung unterliegen. Denn hierin liegt - nach dem Bild der Doppeltür (vgl. BVerfGE 130, 151 <184>; 141, 220 <333 f. Rn. 305>) - lediglich die Öffnung der ersten Tür für die weitere Datennutzung, nicht aber schon die abschließende Ermächtigung zu einer weiteren Nutzung. Für sie ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz aus dem Sachzusammenhang der Regelungsbefugnis für die präventive Kennzeichenkontrolle und der sich hieraus ergebenden Verantwortung für die datenschutzrechtlichen Anforderungen in Blick auf den weiteren Umgang mit den hierbei gewonnenen Daten (vgl. BVerfGE 125, 260 <314 f.>; 130, 151 <184 und 185 f.>). Die Öffnung der zweiten Tür und damit die letztlich maßgebliche Entscheidung über die nähere Nutzung dieser Erkenntnisse zu weiteren Zwecken bedarf eigener Vorschriften nach Maßgabe der hierfür geltenden Kompetenzen (vgl. BVerfGE 113, 348 <368>; 125, 260 <314 f.>; 130, 151 <185 f.>; 141, 220 <333 f. Rn. 305>). Soweit es um die Nutzung der Erkenntnisse zur Strafverfolgung geht, ist hierfür der Bund zuständig. Entsprechend verweist Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG diesbezüglich auf die Vorschriften der Strafprozessordnung, die selbst nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

III.

81

Die angegriffenen Vorschriften sind bei verfassungskonformer Auslegung auch materiell weithin, aber nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar.

82

Als Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind Ermächtigungen zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Sie müssen danach einen legitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (vgl. BVerfGE 67, 157 <173>; 120, 378 <427>; 141, 220 <265 Rn. 93>; stRspr). Dabei müssen sie insbesondere im Bereich der Datenverarbeitung zugleich den Grundsätzen der Normenklarheit und Bestimmtheit genügen (vgl. BVerfGE 113, 348 <375 ff.>; 120, 378 <407 f.>; 141, 220 <265 Rn. 94>; stRspr). Diesen Anforderungen genügen Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Art. 38 Abs. 3 BayPAG teilweise nicht.

83

1. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Art. 38 Abs. 3 BayPAG dienen legitimen Zwecken.

84

Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG eröffnet Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen in Anknüpfung an Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG. Der Gesetzgeber bestimmt damit die Zwecke der Kontrollen. Sie sollen der Abwehr von Gefahren im Einzelfall, der Eindämmung von Orten, die Rückzugs- und Ausgangspunkt für Kriminalität und Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht sind, und dem Schutz von gefährdeten Orten mit Bedeutung für das Gemeinwesen dienen. Weiter dienen sie - in Unterstützung polizeilicher Kontrollstellen - dem Schutz vor schweren Straftaten und der friedlichen Durchführung von Versammlungen sowie dem Schutz vor grenzüberschreitender Kriminalität oder der Verhinderung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht mittels der Schleierfahndung. Der Gesetzgeber verfolgt hiermit legitime Zwecke. Dies gilt auch für Art. 38 Abs. 3 BayPAG, der neben der zweckbezogenen Nutzung der Informationen eine Öffnung für deren Nutzung zu weiteren Zwecken nach Maßgabe weiterer Vorschriften regelt.

85

2. Die Ermächtigung zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen ist zur Erreichung dieser Zwecke grundsätzlich geeignet.

86

Automatisierte Kennzeichenkontrollen, wie sie durch Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG ermöglicht werden, tragen zu diesen Zwecken bei, indem sie zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder Sachen identifizieren. Da sie damit helfen, Personen oder Sachen zu finden, deren Aufgreifen zur Erreichung der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG genannten Zwecke beitragen kann, sind solche Kontrollen hierzu grundsätzlich geeignet. Dass der Abgleich unmittelbar allein Kraftfahrzeugkennzeichen zum Gegenstand hat, damit Trefferfälle nur mittelbar den Fahrzeughalter identifizieren und auch dieser nicht zwangsläufig die gesuchte Person selbst ist, ändert hieran nichts. Denn die Wahrscheinlichkeit, auf diesem Weg auch die zur Erreichung des jeweiligen Zwecks der Kontrolle gesuchten Personen oder Sachen zu finden, wird damit jedenfalls erhöht. Dies genügt, um eine Maßnahme für geeignet zu halten, einen legitimen Zweck zu erreichen (vgl. BVerfGE 67, 157 <175>; 125, 260 <317 f.>; 141, 220 <266 Rn. 97>; stRspr).

87

Die Anforderungen der Geeignetheit müssen freilich auch bei der Ausgestaltung der Kennzeichenkontrolle hinsichtlich der jeweiligen Zwecke im einzelnen beachtet werden. Sie betreffen hierbei insbesondere auch das Verhältnis dieser Zwecke zu den bei dem Abgleich zu berücksichtigenden Fahndungsbeständen (unten Rn. 107 ff.).

88

3. Für die Erreichung dieser Zwecke sind automatisierte Kennzeichenkontrollen auch erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass andere Maßnahmen mit geringerem Eingriffsgewicht diesen Zweck vergleichbar effektiv erreichen.

89

4. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne sind automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nur vereinbar, wenn die Ermächtigung zu den Kontrollen hinreichend begrenzt ist und übergreifende Anforderungen an Kontrolle und Datennutzung beachtet sind (a). Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Vorschriften nicht vollständig (b).

90

a) Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne als Übermaßverbot genügen die Kennzeichenkontrollen nur, wenn der mit ihnen verfolgte Zweck zu dem in ihnen liegenden Eingriffsgewicht nicht außer Verhältnis steht. Erforderlich ist danach, dass die Kontrollen grundsätzlich jeweils durch einen hinreichend konkreten, objektiv bestimmten Grund veranlasst sind (aa) und dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen (bb). Dabei muss sich die gesetzliche Ausgestaltung der Kennzeichenkontrolle in einer Gesamtabwägung der sie kennzeichnenden Umstände als im Blick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zumutbar und damit verfassungsrechtlich tragfähig erweisen (cc). Im Übrigen gehören zu den Verhältnismäßigkeitsanforderungen übergreifend für alle Einzeltatbestände Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle sowie Regelungen zur Datennutzung und Löschung (dd).

91

aa) Polizeiliche Kontrollen zur gezielten Suche nach Personen oder Sachen im öffentlichen Raum, wie sie Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG ermöglichen, setzen als Grundrechtseingriffe grundsätzlich einen objektiv bestimmten und begrenzten Anlass voraus. Der Gesetzgeber hat eine Eingriffsschwelle vorzugeben, durch die das staatliche Handeln an vorhersehbare und kontrollierbare Voraussetzungen gebunden wird (vgl. BVerfGE 141, 220 <271 ff. Rn. 109 ff.> m.w.N.).

92

(1) Allein das allgemeine Interesse, zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder Sachen zu identifizieren und aufzugreifen, reicht zur Rechtfertigung solcher Kontrollen noch nicht. Zwar ist ein auch für sich bestehendes legitimes staatliches Interesse anzuerkennen, solche Personen oder Sachen aufzufinden. Dies rechtfertigt jedoch nicht schon für sich die Durchführung beliebiger Kontrollen gegenüber jedermann. Auch wenn die Fahndungsausschreibung auf eigenen Rechtsgrundlagen beruht, besagt das nicht, dass zur Fahndung jede Maßnahme eingesetzt werden darf. Vielmehr bedürfen diese jeweils eines eigenen Anlasses. Die Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein ist mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar.

93

(2) Verhältnismäßig ist eine Ermächtigung zu einer Kontrolle nur, wenn hierfür ein Anlass bestimmt ist, der das polizeiliche Handeln vorhersehbar und kontrollierbar macht. Insoweit kann der Gesetzgeber etwa auf das Bestehen einzelner Gefahren abstellen. Der Gesetzgeber kann aber auch unabhängig von einer konkreten Gefahr als rechtfertigende Anlässe schon Gefahrenlagen bestimmen, die nur typisiert umschrieben sind. Im Übrigen kann er Kontrollen etwa auch dann erlauben, wenn im Einzelfall oder typischerweise eine spezifisch gesteigerte Wahrscheinlichkeit besteht, gesuchte Personen oder Sachen aufzufinden; in diesem Sinne steht es ihm nach Maßgabe der Kompetenzordnung frei, auch ohne den Bezug auf weitere Zwecke unmittelbar dem öffentlichen Fahndungsinteresse Rechnung zu tragen. Es bedarf jedoch jeweils eines die konkrete Kontrolle rechtfertigenden Grundes, der auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruht und dem staatlichen Handeln nachprüfbare Grenzen setzt.

94

(3) Anlasslose Kontrollen sind damit nicht generell ausgeschlossen. Wenn polizeiliche Kontrollen an ein gefährliches oder risikobehaftetes Tun beziehungsweise an die Beherrschung besonderer Gefahrenquellen anknüpfen, kann schon darin ein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügender Grund liegen. Die Rechtfertigung für Kontrollen kann dort bereits an der besonderen Verantwortung der Betroffenen gegenüber der Allgemeinheit anknüpfen und bedarf deshalb eines darüberhinausgehenden Anlasses grundsätzlich nicht. Für automatisierte Kennzeichenkontrollen kommt das etwa in Betracht, wenn mit ihnen Gefahren bekämpft werden, die sich gerade aus dem Betrieb der Kraftfahrzeuge ergeben, etwa die Durchsetzung der Versicherungspflicht durch Kontrollen zum Auffinden unversicherter Fahrzeuge. Die Lage ist insoweit nicht anders als bei zahlreichen anderen, hier nicht streitgegenständlichen Arten polizeilicher Kontrollmaßnahmen wie bei anlasslos stichprobenhaft durchgeführten Straßenverkehrskontrollen oder anlasslosen Kontrollen in weiten Bereichen etwa des Umwelt- oder Wirtschaftsverwaltungsrechts.

95

bb) Zu den Anforderungen des Übermaßverbots gehört es weiter, dass die Kennzeichenkontrollen durch einen im Verhältnis zum Grundrechtseingriff hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz gerechtfertigt sein müssen. Angesichts ihres Eingriffsgewichts müssen automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen danach dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen.

96

(1) Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen oder Sachen sind bei Gesamtsicht Eingriffe von erheblichem Gewicht.

97

Das Eingriffsgewicht mindernd ist einzustellen, dass die Kennzeichenkontrolle im öffentlichen Verkehrsraum stattfindet. Sowohl die Kraftfahrzeugkennzeichen als auch das erfasste Bewegungsverhalten sind ohne weiteres für alle erkennbar. Dabei bezieht sich die Kontrolle allein auf Kennzeichen, nicht aber unmittelbar auf persönliche Merkmale oder Eigenschaften einer Person; der Personenbezug lässt sich nur mittelbar herstellen. Insoweit aber dient das Kennzeichen seiner Zweckbestimmung nach gerade der Identifizierung (vgl. BVerfGE 120, 378 <404>). Bedeutsam ist dabei auch, dass nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG nur Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfasst werden, nicht aber die Personen oder die Kraftfahrzeuge. Zu berücksichtigen ist weiterhin insbesondere, dass die Kontrolle gegenüber der ganz überwiegenden Zahl der Betroffenen mit keinerlei unmittelbar beeinträchtigenden Folgen verbunden ist und keine Spuren hinterlässt. Dass der Datenabgleich in Sekundenschnelle durchgeführt wird und die erfassten Daten im Nichttrefferfall sofort vollständig wieder gelöscht werden, ohne einer Person bekannt zu werden, nimmt dem Eingriff erheblich an Gewicht.

98

Das Eingriffsgewicht erhöhend zeichnen sich solche Kontrollen dadurch aus, dass sie sich schon ihrem Prinzip nach nicht auf Personen beschränken, die objektiv in einer Gefahrenlage verfangen sind, sondern sich auf eine unbestimmte Vielzahl von Personen erstrecken, die von vornherein hierzu keinerlei Anlass gegeben haben. Sie können praktisch jede und jeden treffen. Solche Informationserhebungen haben grundsätzlich eine erhöhte Eingriffsintensität. Weiter fällt belastend ins Gewicht, dass die Maßnahmen verdeckt durchgeführt werden. Gerade bei Ermittlungsmaßnahmen mit großer Streubreite wie hier der im öffentlichen Raum stattfindenden seriellen Kontrolle von Personen in großer Zahl zu Fahndungszwecken kann dadurch ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen. Dass die von der Kennzeichenkontrolle erfassten Personen dies außerhalb des Trefferfalls nicht bemerken, hebt das hierin liegende Eingriffsgewicht nicht auf. Denn dadurch entfällt zwar die Lästigkeit solcher Maßnahmen, nicht aber ihr Kontrollcharakter und die darin liegende Beeinträchtigung der individuellen Freiheit, die zugleich die Freiheitlichkeit der Gesellschaft insgesamt betrifft (vgl. BVerfGE 120, 378 <402 f.> m.w.N.).

99

(2) Dem erheblichen Eingriffsgewicht automatisierter Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen entspricht es, dass sie zu ihrer Rechtfertigung jeweils auf Gründe gestützt werden müssen, die dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen. Zu diesen Rechtsgütern zählen zunächst die besonders schutzwürdigen Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit der Person und der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder (vgl. BVerfGE 120, 274 <328>; 125, 260 <330>; 141, 220 <270 Rn. 108>). Darüber hinaus kommen aber auch Rechtsgüter in Betracht, die unterhalb dieser für besonders eingriffsintensive Überwachungsmaßnahmen geltenden Schwelle liegen wie etwa der Schutz von nicht unerheblichen Sachwerten. Der Gesetzgeber kann diese Schwelle im einzelnen näher konkretisieren und die Kennzeichenkontrolle etwa auch zur Verhinderung hinreichend gewichtiger Delikte zulassen, für deren Bekämpfung eine Kennzeichenkontrolle von besonderer Bedeutung ist, was gewichtige Ordnungswidrigkeiten einschließen kann. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es auf die Ausgestaltung der Ermächtigung insgesamt an. Insoweit bedarf es sowohl einer Würdigung der vom Gesetzgeber bestimmten Zwecke, die sich aus den Bestimmungen für die Kennzeichenerfassung ergeben, als auch des Umfangs und Inhalts der Fahndungsbestände, die der Gesetzgeber für den Datenabgleich vorsieht.

100

cc) Schließlich muss sich die Ausgestaltung solcher Kontrollen unter Berücksichtigung aller sie kennzeichnenden Umstände auch in einer Gesamtabwägung als verhältnismäßig erweisen. Dabei hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Anlässen andererseits, etwa durch Vorgaben zu Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis oder dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren (vgl. BVerfGE 120, 378 <429>). Daraus folgt auch, dass Maßnahmen nicht flächendeckend durchgeführt werden dürfen. Die Anforderungen an eine räumliche Konkretisierung des Anlasses von Kontrollen sind insoweit aber umso geringer, je schwerwiegender und dringlicher die abzuwehrende Gefahr im Einzelfall ist.Ohnehin ist die Verhältnismäßigkeit der Kontrollen nach allgemeinen Grundsätzen im Rahmen der Anwendung sicherzustellen.

101

dd) Im Übrigen folgen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung gewisse übergreifende Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 65, 1 <44 ff.>; 125, 260 <334 ff.>; 141, 220 <282 Rn. 134>; stRspr). Diese bemessen sich im Einzelnen nach dem Eingriffsgewicht der Kennzeichenkontrolle und reichen daher nicht so weit wie für heimliche Überwachungsmaßnahmen, die eine besonders hohe Eingriffsintensität haben. Verfassungsrechtlich geboten sind weiterhin tragfähige Regelungen zur Nutzung der Daten wie zur Datenlöschung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 133, 277 <366 Rn. 206>; 141, 220 <285 Rn. 144>; stRspr).

102

b) Die angegriffenen Vorschriften genügen den vorgenannten Anforderungen in der Ausgestaltung ihrer einzelnen Tatbestände nicht in jeder Hinsicht. Auch ist den übergreifenden Anforderungen nicht vollständig Genüge getan.

103

aa) In der ersten Variante sieht das Gesetz Kennzeichenkontrollen zur Abwehr einer Gefahr vor (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG). Dies genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit nicht, als die Kontrollen nicht auf einen der Verhältnismäßigkeit genügenden Rechtsgüterschutz beschränkt werden. Im Übrigen ist die Vorschrift bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.

104

(1) Die uneingeschränkte Eröffnung der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Abwehr jeder Gefahr ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Geboten ist eine Beschränkung solcher Kontrollen auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht.

105

Der Gesetzgeber eröffnet durch Verweis auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG Kennzeichenkontrollen zur Abwehr einer Gefahr. Dies verlangt nach Art. 11 Abs. 1 BayPAG zunächst eine im einzelnen Fall bestehende und somit "konkrete Gefahr" (vgl. BayVerfGH, Urteil vom 28. März 2003 - Vf. 7-VII-00 u.a. -, juris, Rn. 119; allgemein zum Begriff der konkreten Gefahr vgl. BVerfGE 115, 320 <364>; 141, 220 <271 Rn. 111>; BVerwGE 116, 347 <351>). Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber stellt so auf die im Sicherheitsrecht übliche Eingriffsschwelle ab und bindet die Kontrollen an einen hinreichend konkreten Anlass (oben Rn. 91). Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber die Frage, ob insoweit auch auf eine "drohende" Gefahr (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BayPAG in der Fassung vom 24. Juli 2017) abgestellt werden kann.

106

Allerdings eröffnet die Vorschrift die Möglichkeit von Kennzeichenkontrollen zur Abwehr jeder Gefahr und damit allgemein zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In Bezug genommen ist so die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung insgesamt, ohne hinsichtlich der in Frage stehenden Rechtsgüter Gewichtungen vorzunehmen. Dies genügt den dargelegten Anforderungen an einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz nicht. Angesichts des Eingriffsgewichts von automatisierten Kennzeichenkontrollen verlangt das Übermaßverbot, diese auf die Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter von zumindest erheblichem Gewicht zu beschränken. Allein der Verweis auf die Integrität der Rechtsordnung insgesamt, wie er dem Gefahrbegriff der polizeilichen Generalklausel zugrunde liegt, reicht dafür nicht.

107

(2) Die Regelung des Datenabgleichs ist bei verfassungskonformer Auslegung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

108

Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG ermächtigt dazu, die erfassten Kraftfahrzeugkennzeichen mit den in diesen Vorschriften genannten Fahndungsbeständen automatisiert abzugleichen. Dieser Abgleich genügt Verhältnismäßigkeitsanforderungen nur, wenn die einzubeziehenden Fahndungsbestände auf solche ausgeschriebenen Personen und Sachen beschränkt werden, die für den jeweiligen Zweck der Kennzeichenkontrolle Bedeutung haben können. Bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift ist dies jedoch sichergestellt.

109

(a) Die Reichweite des durch Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG eröffneten Datenabgleichs ergibt sich aus der Vorschrift nicht eindeutig. Sie lässt sich aber so auslegen, dass die Abgleichdateien anlassbezogen auszuwählen sind.

110

Allerdings enthält die Vorschrift in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Polizei für den Abgleich eine auf den jeweiligen Zweck der Kennzeichenerfassung bezogene Auswahl der Fahndungsbestände vorzunehmen hat. Daher liegt es nicht fern, die Vorschrift so zu verstehen, dass sie jeweils einen Abgleich mit allen dort genannten Fahndungsbeständen erlaubt (vgl. auch Bayerischer Landtag, Drucks 15/10522, S. 2 f.), wofür auch Satz 4 der Vorschrift spricht. Zwingend ist eine solche Auslegung jedoch nicht. Vielmehr lässt sich Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG auch so verstehen, dass die dort aufgeführten Fahndungsbestände nur den Rahmen der für den Abgleich überhaupt eröffneten Daten bilden. Sie können insoweit als der Datenfundus verstanden werden, aus dem je nach Anlass die zweckbezogen zu bestimmenden Daten nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen sind. Art. 33 Abs. 2 Satz 4 BayPAG, der das für die dort genannten Dateien ausdrücklich vorsieht, ist insoweit nicht als Sonderregelung, sondern als Ausdruck eines die Regelung insgesamt anleitenden Verständnisses zu verstehen. Angesichts dessen, dass zur Durchführung einer Kennzeichenkontrolle aus den Fahndungsbeständen für die praktische Umsetzung jeweils eine eigene Abgleichdatei erstellt werden muss, wird dieses Verständnis durch die tatsächlichen Umstände gestützt. Die Bayerische Staatsregierung hat in ihren Stellungnahmen klargestellt, dass sie Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG dieses Verständnis zugrunde legt.

111

(b) Verfassungsrechtlich ist dieses Verständnis auch geboten. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich, dass Eingriffe in Grundrechte nur insoweit gerechtfertigt sein können, als sie zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet und erforderlich sind. Wenn eine Kennzeichenkontrolle zur Abwehr einer bestimmten Gefahr erlaubt wird, muss auch der Abgleich von diesem Zweck her seine Begrenzung finden. Sollen Fahndungsbestände in den Abgleich einbezogen werden, die mit diesem Zweck nichts zu tun haben, so bedarf dies eines eigenen tragfähigen Grundes. Ohne einen solchen Grund ist ein Abgleich, der Fahndungsbestände einbezieht, die von vornherein zu dem Zweck der Kennzeichenkontrolle nicht beitragen können, unverhältnismäßig. Dass der Gesetzgeber mit Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG die von ihm durch den Verweis auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG genau begrenzten Zwecke in dieser Weise unterlaufen und diese Begrenzung zur Durchsetzung eines hiervon abgelösten allgemeinen Fahndungsinteresses konterkarieren wollte, ist vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen. Die weite Fassung der in Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG aufgeführten Fahndungsbestände muss verfassungskonform vielmehr dahin verstanden werden, dass sie in Blick auf die Gesamtheit der verschiedenen Varianten der Kennzeichenkontrolle die zum Abgleich eröffneten Fahndungsbestände insgesamt umschreibt und die Polizei die jeweils relevanten Daten anlassbezogen auszuwählen hat. In diesem Verständnis ist gegen die Reichweite der von Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG erfassten Fahndungsbestände verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

112

(c) Die Regelung genügt auch den Bestimmtheitsanforderungen. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG die zum Abgleich eröffneten Fahndungsbestände nur abstrakt, nicht aber unter Verweis auf konkrete Dateien umschreibt. Hierin liegt weder eine unzulässige dynamische Verweisung, noch widerspricht das dem Bestimmtheitsgebot. Vielmehr hat der Gesetzgeber damit eine hinreichend klare Entscheidung getroffen, deren Gehalt sich durch Auslegung ermitteln lässt und die den Zugriff auf die nicht speziell auf die Kennzeichenkontrolle hin angelegten Fahndungsbestände sachbezogen eingrenzt. Auf ihrer Grundlage darf die nähere Auswahl aus den genannten Fahndungsbeständen den Behörden überlassen werden, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen und unter der Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen haben. Dass ihnen hierbei eine gewisse Einschätzungsprärogative eingeräumt wird, ist verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.

113

(3) Im Übrigen ist die Verhältnismäßigkeit der Kennzeichenkontrolle nach der ersten Variante der Regelung - vorbehaltlich der für alle Varianten geltenden verfahrensmäßigen Anforderungen an eine Dokumentation (unten Rn. 156 f.) - hinreichend gewährleistet.

114

Der Gesetzgeber verlangt, dass für die Durchführung einer solchen Kennzeichenkontrolle entsprechende Lageerkenntnisse vorliegen müssen (vgl. bereits BayVerfGH, Urteil vom 28. März 2003 - Vf. 7-VII-00 u.a. -, juris, Rn. 115). Dies unterstreicht die Notwendigkeit belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der Kontrollen; für das Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr verstärkt dies freilich nur die Anforderungen, die sich bereits aus dem Gefahrenbegriff ergeben.

115

Zum Schutz vor einer übermäßig weiten Erstreckung der Befugnisse begrenzt der Gesetzgeber die Durchführung solcher Maßnahmen weiter dahingehend, dass sie nicht flächendeckend eingesetzt werden dürfen (Art. 33 Abs. 2 Satz 5 BayPAG). Dieses Merkmal ist zwar nicht sehr bedeutungsscharf und bedarf der Auslegung. Gemeint ist hiermit, dass die Kontrollen nur an einzelnen erfolgversprechenden Stellen, das heißt punktuell örtlich begrenzt durchgeführt werden dürfen, nicht aber zu dem Zweck, kontrollfreie Bewegungen möglichst weiträumig oder gar im gesamten Zuständigkeitsbereich der Behörde auszuschließen. In diesem Sinne grenzt das Merkmal die Durchführung solcher Maßnahmen im Einklang mit dem Übermaßverbot weiter ein und ist als Ergänzung der weiteren Tatbestandsmerkmale auch unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden.

116

Keine Vorgaben enthält die Vorschrift dazu, ob die Kennzeichenerfassung mobil oder statisch und ob sie dauerhaft oder zeitlich begrenzt durchgeführt wird. Damit stellt sie die Entscheidung hierzu in das Ermessen der Polizei. Das ist weder unter Bestimmtheitsgesichtspunkten noch in der Sache zu beanstanden. Das Ermessen ist dabei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben. Für die Abwehr von bestimmten einzelnen Gefahren kommt eine dauerhafte Einrichtung einer Kennzeichenkontrolle von vornherein nicht in Betracht.

117

bb) Als zweite Variante regelt das Gesetz Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen an "gefährlichen Orten" (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG). Bei sachgerechter Auslegung und Anwendung der Bestimmung im Einzelfall ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

118

(1) Die Vorschrift erlaubt die Kennzeichenkontrolle an Orten, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, sich Straftäter verbergen oder Personen der Prostitution nachgehen.

119

Bei verständiger Auslegung der Vorschrift im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestehen gegen die Vorschrift keine durchgreifenden Bedenken. Gerechtfertigt ist diese Vorschrift durch das Ziel, zur Sicherheit an diesen Orten beizutragen, und zu verhindern, dass sie zum schutzbietenden Ausgangspunkt für die Verübung von Straftaten werden. Soweit hierbei auf Orte abgestellt wird, an denen Personen der Prostitution nachgehen, richtet sich dies nicht gegen Prostituierte, sondern auf den Schutz vor mit der Prostitution einhergehender Kriminalität - und damit nicht zuletzt auf den Schutz der Prostituierten selbst. Das Ziel, der Gefahr entgegenzuwirken, dass solche Orte zum Sammelpunkt von Straftätern und Personen ohne Aufenthaltsrecht werden, knüpft - unabhängig von dem Einzelgewicht der Rechtsverstöße - an ein strukturell erhöhtes Gefahrenpotential an und dient damit einem öffentlichen Interesse von erheblichem Gewicht.

120

Die Regelung knüpft dabei nicht an eine bloß abstrakte Gefährlichkeit bestimmter Orte an, sondern begrenzt die Kontrollen auf Orte, für die tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie von den in der Vorschrift genannten Personen maßgeblich frequentiert werden. Sie enthält damit nicht etwa eine Generalermächtigung für Kennzeichenkontrollen an praktisch allen wichtigen Verkehrsknotenpunkten oder Orten größerer Zusammenkünfte von Menschen. Vielmehr muss es sich um Orte handeln, für die in diesem Sinne konkrete Erkenntnisse der Polizei vorliegen. Das gilt auch für die nähere Bestimmung der jeweils tatsächlichen Durchführung einer Kontrolle. Diese ist nicht etwa beliebig im weiteren Umfeld dieser Orte erlaubt, sondern nur dort, wo die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen tatsächlich unmittelbar erfüllt sind. Durch das alle Varianten übergreifende Erfordernis entsprechender Lageerkenntnisse in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG wird das weiter abgesichert. Dabei muss der nach polizeilichen Erkenntnissen gefährliche Ort gerade mit Kraftfahrzeugen aufgesucht werden (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 15/10522, S. 2).

121

(2) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist wiederum auch die Reichweite des nach Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG eröffneten Datenabgleichs. Die Vorschrift ist dabei auch hier so auszulegen, dass nur solche Fahndungsbestände in den Abgleich einbezogen werden dürfen, die für die Erreichung der sich aus Art. 13 Abs. 1 BayPAG (hier: Nr. 2) ergebenden Zwecke der Kennzeichenerfassung anlassbezogen relevant sein können (oben Rn. 107 ff.). Danach muss die Auswahl der Fahndungsbestände bei Erstellung der Abgleichdatei strikt darauf beschränkt bleiben, solche Personen oder Sachen aufzufinden, hinsichtlich derer jeweils tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sie an den betreffenden Orten gerade unter den in der Vorschrift genannten Gesichtspunkten anzutreffen sind. Fahndungsbestände, denen für die Erreichung des in Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG gesetzten Zwecks keine erhebliche Bedeutung zukommt, dürfen in die Abgleichdatei nicht aufgenommen werden.

122

(3) Bei Gesamtabwägung ist damit Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG tatbestandlich verfassungsrechtlich tragfähig ausgestaltet. Wägt man das öffentliche Interesse an der Durchführung solcher Kontrollen an den in der Vorschrift genannten Orten mit der Beeinträchtigung der durch die Kennzeichenkontrollen betroffenen Personen unter der Berücksichtigung der weiteren in die Vorschrift eingezogenen Maßgaben, zu denen insbesondere auch das Verbot einer flächendeckenden Überwachung gehört, gegeneinander ab (oben Rn. 100), steht die Durchführung solcher Maßnahmen bei einer Auslegung der Regelung im Lichte der Verfassung nicht außer Verhältnis.

123

cc) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Norm gleichfalls hinsichtlich ihrer dritten Variante, die zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen an "gefährdeten Orten" ermächtigt (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG).

124

(1) Die Vorschrift erlaubt Kennzeichenkontrollen in Verkehrs- oder Versorgungsanlagen oder -einrichtungen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Amtsgebäuden oder anderen besonders gefährdeten Objekten oder in unmittelbarer Nähe hiervon. Die Begründung des Gesetzesentwurfs nennt als Beispiele Flughäfen, Bahnhöfe, öffentliche Verkehrsmittel, militärische Einrichtungen, Kernkraftwerke oder sonstige gefährdete Objekte wie Konsulate ausländischer Staaten, die auf Grund der aktuellen Gefährdungseinschätzung besonderen Schutzes bedürfen (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 15/2096, S. 16). Sie zielt damit auf einen Schutz sowohl dieser Objekte selbst und ihrer Funktion für das öffentliche Leben sowie der in ihnen befindlichen Personen. Dies sind Schutzgüter von zumindest erheblichem Gewicht.

125

Der Gesetzgeber hat für die Durchführung der Kontrollen auch eine verfassungsrechtlich hinreichende Eingriffsschwelle eingezogen. Erlaubt sind diese nur, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder die Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind. Flankiert ist dies durch das für die Norm insgesamt geltende Erfordernis des Vorliegens entsprechender Lageerkenntnisse aus Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG.

126

(2) Bei dem gebotenen Verständnis als konkretisierungsbedürftiger Rahmen (oben Rn. 107 ff.) ist die Reichweite der Fahndungsbestände des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG auch hier nicht zu beanstanden. Da für die Erstellung der Abgleichdatei aus dem Gesamtumfang dieser Fahndungsbestände im Einzelfall diejenigen ausgewählt werden müssen, die zur Gewährleistung der Sicherheit in oder an den gefährdeten Objekten nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG erheblich sein können, ist sowohl eine hinreichende Begrenzung als auch ihre Ausrichtung auf ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut gewährleistet.

127

(3) Die tatbestandliche Ausgestaltung der Vorschrift ist auch in der Gesamtabwägung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eingebettet in die allgemeinen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG und bei einer Einzelfallanwendung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wie es allgemeinen Grundsätzen entspricht, sind gegen die Vorschrift verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.

128

dd) Als vierte Variante sieht das Gesetz Kennzeichenkontrollen an polizeilichen Kontrollstellen vor (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG). Bei einer Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG nach den Grundsätzen des allgemeinen Sicherheitsrechts, nach der die Einrichtung solcher Kontrollstellen eine konkrete Gefahr voraussetzt, steht auch diese Bestimmung mit Verfassungsrecht in Einklang.

129

(1) Die Vorschrift eröffnet Kennzeichenkontrollen zur Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen, soweit diese einerseits zur Verhinderung schwerer Straftaten sowie anderseits zur Verhinderung versammlungsrechtlicher Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eingerichtet sind. Der Schutz vor diesen Straftaten ebenso wie der Schutz von Versammlungen betrifft Rechtsgüter von erheblichem Gewicht, die die Kennzeichenkontrolle rechtfertigen. Bei verständiger Auslegung der Vorschrift ist die Durchführung der Kennzeichenkontrollen auch auf hinreichend eingegrenzte Anlässe beschränkt.

130

(a) Das Ziel der Kennzeichenkontrollen nach der ersten Alternative der Vorschrift liegt - entsprechend dem Ziel der polizeilichen Kontrollstellen selbst - in der Verhinderung von Straftaten im Sinne des § 100a StPO und damit in dem Schutz vor schweren Straftaten. Damit geht es um Rechtsgüter von zumindest erheblichem Gewicht. Nichts anderes gilt aber auch für die in der Vorschrift genannten versammlungsrechtlichen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Zwar dienen die insoweit aufgeführten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nicht alle je für sich dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht, jedoch geht es bei diesen Kontrollen nicht allein um die Verhinderung der einzelnen Delikte, sondern um den Schutz der Versammlungen als solchen. Hierin liegt ein Schutzzweck von erheblichem Gewicht.

131

(b) Die Durchführung solcher Kontrollen ist bei einer verständigen Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG nach den Grundsätzen des allgemeinen Sicherheitsrechts auf hinreichend eingegrenzte Fälle beschränkt.

132

Die Durchführung von automatisierten Kennzeichenkontrollen nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG setzt das Bestehen einer polizeilichen Kontrollstelle voraus und soll sie entlasten. Wann polizeiliche Kontrollstellen ihrerseits eingerichtet werden dürfen, richtet sich nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG. Auch dieser regelt die Einrichtung der Kontrollstellen allerdings nicht explizit. Vielmehr setzt er diese dem Wortlaut nach als Grundlage für eine Identitätsfeststellung voraus. Ersichtlich wollte der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die Einrichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung in einem Zusammenhang regeln.

133

Angesichts fehlender weiterer Maßgaben ist Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG nach den üblichen Grundsätzen des allgemeinen Sicherheitsrechts auszulegen. Als Befugnis zur Gefahrenabwehr setzt er danach eine im Einzelfall bestehende Gefahr voraus (vgl. Art. 11 Abs. 1 BayPAG), dass Straftaten, wie sie mit der Kontrollstelle verhindert werden sollen, tatsächlich bevorstehen. Angesichts der tatbestandlichen Offenheit der Vorschrift kann nur darin eine verfassungsrechtlich tragfähige Auslegung liegen. Zwar beschränkt die Verfassung die Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen nicht auf Situationen, in denen eine konkrete Gefahr vorliegt. Vielmehr kann der Gesetzgeber Kontrollstellen auch unterhalb dieser Schwelle erlauben, etwa zum Schutz von gefahrenträchtigen Großereignissen oder eingebunden in spezifische polizeiliche Ermittlungsstrategien. Solche Fälle muss er dann aber in hinreichend klarer und begrenzter Form regeln. Soweit er diesbezüglich keine weiteren Maßgaben schafft, ist davon auszugehen, dass die Vorschrift durch das Erfordernis einer konkreten Gefahr in das allgemeine Sicherheitsrecht eingebunden bleiben sollte und hierdurch ihre verfassungsrechtlich erforderliche Begrenzung erhält. Ein solches Verständnis bringt die Vorschrift auch nicht um ihren Gehalt, sondern fügt sich in die Zielrichtung des Art. 13 Abs. 1 BayPAG insgesamt ein: Dessen primärer Zweck liegt darin, Identitätsfeststellungen unabhängig von einer Störereigenschaft zu ermöglichen; das objektive Vorliegen einer konkreten Gefahr setzt er dabei auch sonst zum Teil voraus (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BayPAG).

134

Bei diesem Verständnis bestehen auch gegen die Ermächtigung zur Durchführung von Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen an solchen Stellen in Hinsicht auf das Erfordernis eines hinreichend bestimmten Anlasses keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Kennzeichenkontrolle ist danach nur erlaubt, wenn konkrete Hinweise auf schwere Straftaten oder auf erhebliche Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf eine konkrete Versammlung vorliegen und in örtlichem Bezug hierzu eine polizeiliche Kontrollstelle eingerichtet wurde. Hierin liegt ein den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügender Anlass.

135

(c) Die Ermächtigung zu automatisierten Kennzeichenkontrollen an polizeilichen Kontrollstellen zur Verhinderung von versammlungsrechtlichen Straftaten oder zum Schutz von Versammlungen ist auch mit Art. 8 GG vereinbar.

136

Allerdings liegt in der Kennzeichenkontrolle an einer polizeilichen Kontrollstelle, die den Zugang zu einer Versammlung kontrolliert, ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 69, 315 <349>; 84, 203 <209>; Trurnit, NVwZ 2012, S. 1079 <1080>; Hong, in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2015, Kap. B Rn. 54; Enders, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, § 2 Rn. 35). Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Insbesondere genügt er auch in Blick auf den besonderen Schutz der Versammlungsfreiheit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Danach sind solche Kontrollen nicht auf Situationen einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr zu beschränken (a.A. Hong, a.a.O., Rn. 94; Enders, a.a.O., Rn. 35). Die Eingriffsschwelle der unmittelbar bevorstehenden Gefahr wurde von der Rechtsprechung für Verbote und Auflösungen von Versammlungen entwickelt (vgl. BVerfGE 69, 315 <353 f.>). Auf die hier in Frage stehenden Vorfeldkontrollen muss sie nicht übertragen werden. Gegenüber Verboten und Auflösungen haben solche Kontrollen ein geringeres Gewicht, da sie die selbstbestimmte Durchführung der Versammlung als solche nicht beeinträchtigen und diese insbesondere auch schützen. Für die Rechtfertigung von solchen Kontrollen im Vorfeld genügt es daher, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es bezogen auf eine bestimmte Versammlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu versammlungsrechtlichen Straftaten oder den in der Vorschrift genannten Ordnungswidrigkeiten kommen wird. Das aber deckt sich mit der nach Maßgabe einer Wahrscheinlichkeitsprognose zu bestimmenden Frage des Vorliegens einer konkreten Gefahr, wie sie für die Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayPAG maßgeblich ist und damit auch die Voraussetzungen einer entsprechenden Kennzeichenkontrolle bestimmt. Für den Eingriff in Art. 8 GG ist in formeller Hinsicht auch das Zitiergebot beachtet (vgl. Art. 74 BayPAG).

137

(2) Ausgehend von dem oben dargelegten Verständnis des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 BayPAG ist auch die Reichweite der Fahndungsbestände nicht unverhältnismäßig. Da aus den in der Vorschrift genannten Fahndungsbeständen konkret diejenigen ausgewählt werden müssen, die zum Erreichen des durch die Kontrolle erstrebten Zwecks erheblich sein können, ist sowohl eine hinreichende Begrenzung als auch die Ausrichtung auf den Schutz eines Rechtsguts von zumindest erheblichem Gewicht gewährleistet.

138

(3) Bei dargelegtem Verständnis der Norm ist die tatbestandliche Ausgestaltung auch in der Gesamtsicht verfassungsgemäß. Für die im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden allgemeinen Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG kann auf oben verwiesen werden (oben Rn. 113 ff.).

139

ee) Als fünfte Variante sieht die Vorschrift automatisierte Kennzeichenkontrollen als Mittel der Schleierfahndung vor (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG). Sie genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig.

140

(1) Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich durch das Ziel gerechtfertigt, als Ausgleich für den Wegfall von Grenzkontrollen einer hierdurch erleichterten Begehung bestimmter Straftaten entgegenzutreten. Erforderlich ist dafür aber eine hieran orientierte konsequente und klare Begrenzung der Zwecke und Orte solcher Kontrollen. Dem genügt die Regelung nicht in jeder Hinsicht.

141

(a) Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG ermächtigt zu Kennzeichenkontrollen im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km, auf Durchgangsstraßen sowie in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs. Erlaubt sind diese bei Vorliegen entsprechender Lageerkenntnisse zur Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

142

Die Regelung reicht damit weit. Ihr Zweck liegt allgemein in der Bekämpfung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ohne die Kontrollen auf die Verhütung von erheblichen Straftaten oder sonst auf den Schutz von Rechtsgütern von irgendeinem spezifizierten Gewicht zu begrenzen. Auch beschränkt sie die Kontrollen nicht auf objektiv bestimmte Anlässe. Zwar wird für die Kennzeichenkontrolle generell auf entsprechende Lageerkenntnisse verwiesen, jedoch bleibt damit offen, nach welchen Kriterien diese die Kontrollen rechtfertigen sollen. Letztlich handelt es sich um eine Befugnis, die allein final durch eine weit gefasste Zwecksetzung definiert ist. Eine solche Befugnis zu praktisch anlasslosen, nur final angeleiteten Maßnahmen ist - soweit sie nicht an eine spezifische Verantwortlichkeit der Betroffenen anknüpft (oben Rn. 94) - grundsätzlich mit verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. Eine Rechtfertigung kommt daher nur unter besonderen Bedingungen in Betracht.

143

(b) Eine solche Rechtfertigung findet die Regelung als Ausgleich für den Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen.

144

Die Schleierfahndung wurde vom Gesetzgeber eingeführt, um den unionsrechtlich bedingten Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen zu kompensieren (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 13/36, S. 4). Für diese war nach innerstaatlichem Recht anerkannt, dass sie ohne weiteren Anlass durchgeführt werden dürfen. Dass der Staat an seinen Grenzen ohne weitere Voraussetzungen Kontrollen vornehmen darf, um zu entscheiden, wer ein- und ausreist, gehört zum überlieferten Instrumentarium zur Sicherung der Territorialhoheit und zur Gewährleistung von Recht und Sicherheit auf dem jeweiligen Staatsgebiet. Wenn die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Unionsrechts die Grenzen öffnet und auf Grenzkontrollen verzichtet, ist es im Grundsatz gerechtfertigt, wenn als Ausgleich hierfür zur Gewährleistung der Sicherheit die allgemeinen Gefahrenabwehrbefugnisse spezifisch erweitert werden.

145

Dem steht nicht entgegen, dass die Kontrollen nicht auf Grenzgänger begrenzt sind und damit auch Personen betreffen, die die Grenze nicht überschritten haben. Sie sollen und können nur ein die Sicherheit betreffender Ausgleich, nicht aber eine andere Form der Grenzkontrolle sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Unionsrecht, das in Art. 67 Abs. 2, Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a AEUV die Abschaffung der Grenzkontrollen bestimmt (vgl. näher Art. 20 und 21 der Verordnung [EG] Nr. 562/2006 vom 15. März 2006 [Schengener Grenzkodex], ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 1; heute: Art. 22 und 23 der Verordnung [EU] Nr. 2016/399 vom 9. März 2016 [Schengener Grenzkodex], ABl L 77 vom 23. März 2016, S. 1). Der Europäische Gerichtshof hat hierzu wiederholt entschieden, dass verdachtsunabhängige Kontrollen in Grenznähe nicht den Charakter von Grenzkontrollen annehmen dürften (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli, C-188/10 und C-189/10, EU:C:2010:363, Rn. 69 f. und 74 f.; Urteil vom 21. Juni 2017, A., C-9/16, EU:C:2017:483, Rn. 34 ff. und 63). Damit darf ein Ausgleich für den Wegfall der Grenzkontrollen aus Gründen des Unionsrechts nur in Maßnahmen gesucht werden, die nicht speziell auf Grenzgänger beschränkt sind, sondern auch Dritte erfassen können.

146

Das ist nicht unverhältnismäßig. Es liegt in der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die punktuellen Beeinträchtigungen durch anlasslose Kennzeichenkontrollen zur Bekämpfung von durch die Grenzöffnung beförderten Gefahren als durch den in dieser Grenzöffnung liegenden Freiheitsgewinn aufgewogen anzusehen. Diese Grenzöffnung kommt auch allen zugute. Bei Personen im Grenzgebiet ist zudem anzunehmen, dass sie häufiger die Grenze überschreiten werden als Personen im Landesinneren. Dass Personen im Grenzgebiet dann gelegentlich auch in Kontrollen geraten können, wenn sie die Grenze nicht übertreten haben, macht die Maßnahmen ihnen gegenüber nicht unzumutbar im Sinne des Übermaßverbots.

147

(c) Verhältnismäßig sind automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen freilich nur in dem Umfang, in dem sie einen konsequenten Grenzbezug haben und dieser gesetzlich in einer den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Weise gesichert ist. Dem genügt die Regelung weithin, aber nicht vollständig.

148

Nicht zu beanstanden ist insoweit der mit den Kennzeichenkontrollen verfolgte Rechtsgüterschutz. Er hat eine klar grenzbezogene Ausrichtung. Die Kontrollen dienen der Unterbindung von Aufenthaltsverstößen und der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und damit der Bekämpfung von Gefahren, die durch die Grenzöffnung eine besondere Dringlichkeit erfahren. Der Begriff der grenzüberschreitenden Kriminalität ist dabei auch auslegungsfähig und hinreichend bestimmt. Er erfasst diejenige Kriminalität, die die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Grenzsituation oder Grenznähe, insbesondere die Erschwerungen grenzüberschreitender Fahndung und Strafverfolgung, ausnutzt (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 212).

149

Nur zum Teil verfassungsrechtlich tragfähig ist demgegenüber die Bestimmung der Orte, an denen die Kennzeichenkontrollen durchgeführt werden dürfen. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich sicherzustellen, dass nur Orte mit einem klaren Grenzbezug in Betracht kommen. Unklare Regelungen, die dazu führen können, dass sich der Grenzbezug in der Praxis verliert und sich Kontrollen weithin allgemein in das Landesinnere verschieben, sind damit unvereinbar. Unbedenklich ist danach, dass Kennzeichenkontrollen in einem Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km durchgeführt werden dürfen. Keine Bedenken bestehen auch gegen die Ermächtigung zu Kennzeichenkontrollen an öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs. Diese haben ersichtlich einen örtlichen Grenzbezug. Auch handelt es sich hierbei um einen auslegungsfähigen Begriff (vgl. BayVerfGH, Urteil vom 28. März 2003 - Vf. 7-VII-00 u.a. -, juris, Rn. 103; ebenso SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 196). Nicht hinreichend bestimmt und begrenzt sind die Kennzeichenkontrollen demgegenüber für Orte, die außerhalb des 30 km-Gürtels vorgenommen werden dürfen. Eine Befugnis zu Kontrollen allgemein auf Durchgangsstraßen im ganzen Land ist mit Bestimmtheitsanforderungen nicht vereinbar und reicht zu weit. Daran ändert die gesetzliche Erläuterung des Begriffs der Durchgangsstraße in der nachfolgenden Klammer nichts: Indem dort nicht nur Bundesautobahnen und Europastraßen, sondern auch "andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr" genannt sind, ist eine hinreichend klare Beschränkung solcher Kontrollen nicht sichergestellt.

150

(2) Auch für diese Tatbestandsvariante ist der Kennzeichenabgleich mit den Datenbeständen der zur Fahndung ausgeschriebenen Personen und Sachen nach Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG auf den Zweck des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG hin auszurichten. In die Abgleichdatei sind nur solche Fahndungsbestände einzustellen, die für die Verhütung oder Unterbindung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht oder die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität Bedeutung haben können. Wie dargelegt kann und muss Art. 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayPAG in diesem Sinne ausgelegt werden.

151

(3) Vorbehaltlich einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Begrenzung der außerhalb des 30 km-Gürtels liegenden Orte, an denen Kennzeichenkontrollen als Mittel der Schleierfahndung eingesetzt werden dürfen, ist gegen deren tatbestandliche Ausgestaltung im Übrigen auch bei Gesamtsicht verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Zwar sind die Kontrollmöglichkeiten hier besonders weit und objektiv wenig eingegrenzt. Zum Ausgleich der Öffnung der Grenzen und des Wegfalls der Grenzkontrollen ist das bei einer Abwägung aller sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der allgemeinen Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG, zu denen auch das Verbot einer flächendeckenden Kontrolle gehört (oben Rn. 113 ff.), jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

152

Ins Gewicht fällt hierbei, dass die Schleierfahndung durch die Maßgaben des Unionsrechts rechtsstaatlich weiter abgefedert wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht das Unionsrecht Regelungen wie der Schleierfahndung nur dann nicht entgegen, wenn mit ihnen ein Rechtsrahmen vorgegeben wird, der gewährleistet, dass deren praktische Anwendung nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Es ist insbesondere dann, wenn Indizien darauf hindeuten, dass eine gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen besteht, durch Konkretisierungen und Einschränkungen sicherzustellen, dass die praktische Ausübung der Schleierfahndung so eingefasst wird, dass eine gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen vermieden wird. Der Rechtsrahmen muss schließlich hinreichend genau und detailliert sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2017, A., C-9/16, EU:C:2017:483, Rn. 37 ff.). Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung, die das deutsche Recht an diesen Anforderungen zu messen hat, genügen Regelungen wie die angegriffenen Vorschriften diesen unionsrechtlichen Maßgaben nicht und dürfen ohne konkretisierende verbindliche und transparente Regelung zur Lenkung der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität der Kontrollen in dieser Form nicht angewendet werden; sie bedürfen insoweit der Nachbesserung (vgl. VGH BW, Urteil vom 13. Februar 2018 - 1 S 1468/17 -, juris, Rn. 76 ff. und 86; Urteil vom 13. Februar 2018 - 1 S 1469/17 -, juris, Rn. 38 ff. und 43 - dort zu entsprechenden Fragen nach dem Bundespolizeigesetz). Insoweit wird durch die unionsrechtlichen Maßgaben die Handhabung der Kontrollbefugnisse weiteren Anforderungen unterworfen, die zu deren Verhältnismäßigkeit beitragen.

153

ff) Die angegriffenen Vorschriften genügen im Wesentlichen auch den aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden übergreifenden Maßgaben an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist allerdings, dass den Behörden gesetzlich keine Dokumentationspflichten vorgeschrieben sind.

154

(1) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, dass die Kennzeichenkontrollen grundsätzlich verdeckt durchgeführt werden (vgl. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 BayPAG). Dies ist zur Erreichung der erstrebten Zwecke geeignet und erforderlich und durch sie gerechtfertigt. Anders als für heimliche Überwachungsmaßnahmen von höherer Eingriffsintensität (vgl. BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 105 und 282 f. Rn. 134 ff.>) bedarf es insoweit keiner Benachrichtigungspflicht. Das gilt auch im Trefferfall. Vielmehr reicht es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, wenn die Betroffenen von den Kontrollen nur im Rahmen von ihnen gegenüber ergriffenen Folgemaßnahmen erfahren und deren Rechtmäßigkeit dann fachgerichtlich überprüfen lassen können. Zu berücksichtigen ist ergänzend, dass - auch wenn für die Kennzeichenerfassung in der Praxis wohl nur ausnahmsweise zielführend - darüber hinaus auch der allgemeine datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch besteht (vgl. Art. 48 BayPAG).

155

(2) Eine aufsichtliche Kontrolle ist - wie verfassungsrechtlich geboten (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 67, 157 <185>; 133, 277 <369 f. Rn. 214 f.>; 141, 220 <284 Rn. 141>; stRspr) - vorgesehen. Neben der Fachaufsicht ist eine datenschutzrechtliche Kontrolle durch den Bayerischen Datenschutzbeauftragten gewährleistet (Art. 49 BayPAG i.V.m. Art. 30 BayDSG).

156

(3) Demgegenüber ist mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht vereinbar, dass das Gesetz keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für den Einsatz von automatisierten Kennzeichenkontrollen vorsieht.

157

Maßgeblich ist hierfür, dass die Entscheidungen über die Einrichtung einer solchen Kennzeichenkontrolle - anders als zu begründende Verwaltungsakte - den Betroffenen in keiner Weise mitgeteilt werden und mitgeteilt werden können. Als verdeckte Maßnahmen werden sie überhaupt nur in den Trefferfällen bekannt und auch dann grundsätzlich nicht begründet. In der Regel vollzieht sich die Entscheidung über die Kennzeichenerfassung allein im Inneren der Behörde. Angesichts dieser Umstände kann die Ermächtigung zur Kennzeichenerfassung nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung einer solchen Maßnahme nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert werden (vgl. BVerfGE 133, 277 <370 Rn. 215>; 141, 220 <284 f. Rn. 141>; SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - Vf. 43-II-00 -, juris, Rn. 218 ff.). Das betrifft insbesondere das in allen Tatbestandsvarianten geltende Erfordernis der "entsprechenden Lageerkenntnisse", das erst durch eine behördliche Konkretisierung nähere Konturen erhält, sowie die Auswahl der einbezogenen Fahndungsbestände. Für die Verhältnismäßigkeit ist dies - bezogen auf alle Fälle der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle - von dreifacher Bedeutung: Zum einen rationalisiert und mäßigt es die Entscheidung der Behörde selbst, wenn diese sich über ihre Entscheidungsgrundlagen Rechenschaft ablegen muss. Zum anderen ermöglicht die Dokumentation erst eine aufsichtliche Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten, der in Fällen eingeschränkter individualrechtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten wie hier gesteigerte Bedeutung zukommt. Schließlich wird damit die verwaltungsgerichtliche Kontrolle erleichtert, wenn solche Maßnahmen bekannt werden.

158

GG) Das Gesetz sieht im Grundsatz auch verfassungsrechtlich tragfähige Regelungen zur Nutzung der Daten wie zur Datenlöschung vor. Nicht hinreichend eingegrenzt ist allerdings die Verwendung der Daten für weitere Zwecke.

159

(1) Art. 33 Abs. 2 BayPAG regelt in Satz 2 die Erhebung der Daten und in den Sätzen 3 und 4 als Regelung zu deren Verwendung die Befugnis, diese im genannten Umfang mit dem Ziel abzugleichen, Aufschlüsse zu den gesuchten Personen oder Sachen in Verfolgung der oben geprüften Zwecke zu erhalten. Dass dieser Abgleich unverzüglich zu erfolgen hat, wird bei verständiger Auslegung der Vorschrift vorausgesetzt und entspricht der Praxis. Kennzeichenerfassung und Kennzeichenabgleich erfolgen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde.

160

Art. 38 Abs. 3 Satz 1 BayPAG stellt des Weiteren sicher, dass die erfassten Kraftfahrzeugkennzeichen nach dem Abgleich unverzüglich zu löschen sind. Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 120, 378 <397, 399>). Von der Löschungsregelung sind auch die unechten Treffer erfasst, sobald geklärt ist, dass es sich insoweit nicht um die ausgeschriebenen Kennzeichen handelt.

161

Dem Zweck der Kennzeichenkontrollen entsprechend hat die Löschung nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG demgegenüber zu unterbleiben, soweit ein Trefferfall vorliegt und die Daten zur Abwehr einer Gefahr benötigt werden. Soweit hierdurch auf die Gefahren verwiesen wird, zu deren Abwehr die Kennzeichenerfassung durchgeführt wird, ergibt sich die Unbedenklichkeit dieser Bestimmung aus der Rechtfertigung der Kennzeichenkontrolle selbst und erfüllt sich hierin ihre Zweckbestimmung. Für die weitere Nutzung der Daten verweist die Vorschrift auf Art. 38 Abs. 1 und 2 BayPAG, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

162

(2) Soweit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG demgegenüber eine Nutzung der Daten über den Zweck der jeweiligen Kennzeichenkontrolle hinaus für weitere Aufgaben erlaubt, liegt hierin eine Zweckänderung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig genügt.

163

Eine solche Zweckänderung liegt jedenfalls darin, dass die Nutzung der Informationen allgemein für alle Zwecke erlaubt wird, zu denen die Fahndungsbestände erstellt oder die Dateien errichtet wurden. Die Polizei soll so auch Zufallserkenntnisse aus den Kennzeichenkontrollen nutzen können, das heißt, sie soll auch in Bezug auf solche Personen oder Sachen Maßnahmen ergreifen können, deren Identifizierung zu dem ursprünglichen Zweck der Kontrolle nichts beiträgt.

164

Gegen eine solche Öffnung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nichts zu erinnern. In ihr liegt ein eigener Eingriff durch die Erweiterung der Datennutzung für neue Zwecke, der gerechtfertigt sein kann und durch die Fahndungszwecke vom Grundsatz her auch gerechtfertigt ist. Dabei steht die Verfassung einer solchen Regelung auch insoweit nicht entgegen, als es sich bei den Fahndungszwecken um solche der Strafverfolgung handelt, die unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Denn es handelt sich hierbei um eine Öffnung, die die Nutzung der Informationen für weitere Zwecke lediglich ermöglicht, nicht aber endgültig regelt; endgültig entscheidet im Rahmen dieser Öffnung dann gegebenenfalls das Bundesrecht über die Nutzung der Daten zu neuen Zwecken (oben Rn. 80).

165

Verfassungsrechtlich setzt eine Zweckänderung jedoch voraus, dass die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben neu auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Ermittlungsmaßnahmen erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 141, 220 <327 f. Rn. 286 f.> m.w.N.; stRspr). Verhältnismäßig ist danach vorliegend eine weitere Nutzung nur, wenn sie dem Schutz von Rechtsgütern dient, die auch die Durchführung einer Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle rechtfertigen könnten. Nach den oben entwickelten Kriterien ist dies grundsätzlich nur zum Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse der Fall (oben Rn. 99), das heißt für das Strafrecht zur Verfolgung von Straftaten von zumindest erheblicher Bedeutung. Da dies für Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG, soweit er eine Nutzung für weitere Zwecke vorsieht, nicht sichergestellt ist, ist die Vorschrift mit der Verfassung insoweit nicht vereinbar.

166

(3) Keinen Einwänden unterliegt demgegenüber Art. 38 Abs. 3 Satz 3 BayPAG, soweit er klarstellt, dass die Einzelerfassungen von Daten nicht mit anderen Daten zu einem Bewegungsbild verbunden werden dürfen, wenn nicht ein Fall des Art. 33 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Buchstabe a BayPAG gegeben ist. Der Abgleich mit Dateien nach dieser letztgenannten Vorschrift zielt bewusst auf eine längerfristige punktuelle Observation und damit in begrenztem Sinne auch auf die Erstellung eines - begrenzten - Bewegungsbildes. Dies kann unter den insoweit maßgeblichen Voraussetzungen grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 120, 378 <416 ff.>). Art. 38 Abs. 3 Satz 3 BayPAG nimmt insoweit auf die Vorschriften zur polizeilichen Beobachtung, gezielten Kontrolle und verdeckten Registrierung lediglich bestätigend Bezug. Diese selbst sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

D.

I.

167

Die angegriffenen Vorschriften sind teilweise für nichtig und im Übrigen für mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären.

168

1. Die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt grundsätzlich zu deren Nichtigkeit. Allerdings kann sich das Bundesverfassungsgericht, wie sich aus § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVerfGG ergibt, auch darauf beschränken, eine verfassungswidrige Norm für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären (BVerfGE 109, 190<235>). Es verbleibt dann bei einer bloßen Beanstandung der Verfassungswidrigkeit ohne den Ausspruch der Nichtigkeit. Die Unvereinbarkeitserklärung kann das Bundesverfassungsgericht dabei zugleich mit der Anordnung einer befristeten Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung verbinden. Dies kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der zu beanstandenden Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (vgl. BVerfGE 33, 1 <13>; 109, 190 <235 f.>; 141, 220 <351 Rn. 355>; stRspr).

169

2. Danach ist Art. 33 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG insoweit, als dieser zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze ermächtigt, für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig zu erklären. Da die Vorschrift insoweit gegen Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG verstößt und eine ausdrückliche Ermächtigung im Sinne des Art. 71 GG nicht besteht, kann der Landesgesetzgeber eine solche Regelung im Wege der Nachbesserung nicht herbeiführen. Nach § 78 Satz 2 BVerfGG, der auch im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gilt (vgl. BVerfGE 18, 288 <300>; 133, 377 <423 Rn. 106>; stRspr), wird im Interesse der Rechtsklarheit in demselben Umfang auch die Neufassung nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts [PAG-Neuordnungsgesetz] vom 18. Mai 2018, BayGVBl S. 301) sowie Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG selbst in der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Fassung und den nachfolgenden Fassungen für mit der Verfassung unvereinbar und nichtig erklärt. Die Vorschriften verstoßen gegen Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG und damit, weil es in formeller Hinsicht an der Rechtfertigung des in ihnen liegenden Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fehlt, auch gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

170

3. Nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären ist demgegenüber Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG, soweit er auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG verweist und dabei die automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränkt. Nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären ist Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5 BayPAG auch insoweit, als er auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG verweist und dabei die Kontrollen über die Bundesautobahnen und Europastraßen hinaus auf Durchgangsstraßen, einschließend allgemein Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr, zulässt. Weiterhin gilt dies auch insoweit, als keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für den Einsatz von Kennzeichenkontrollen vorgesehen ist. Für verfassungswidrig zu erklären ist schließlich Art. 38 Abs. 3 Satz 2 BayPAG, soweit er eine Verwendung der Daten für andere Zwecke als die, für die die Kennzeichenkontrolle nach Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BayPAG durchgeführt werden kann, erlaubt und dies nicht auf Verarbeitungen beschränkt, die dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen.

171

Im Interesse der Rechtsklarheit sind nach § 78 Satz 2 BVerfGG in demselben Umfang auch die insoweit inhaltlich unveränderten Nachfolgeregelungen der Kennzeichenkontrolle in Art. 39 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Art. 39 Abs. 3 Satz 2 BayPAG (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts [PAG-Neuordnungsgesetz] vom 18. Mai 2018, BayGVBl S. 301) lediglich für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. Die Unvereinbarkeitserklärung wird mit der Anordnung ihrer vorübergehenden Fortgeltung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 verbunden.

172

Insoweit sind diese Vorschriften nicht für nichtig zu erklären. Die Gründe für die Verfassungswidrigkeit betreffen hier nicht den Kern der mit ihnen eingeräumten Befugnisse, sondern nur einzelne Aspekte ihrer rechtsstaatlichen Ausgestaltung. Der Gesetzgeber kann die Vorschriften insoweit ohne weiteres nachbessern und damit den Kern der mit ihnen verfolgten Ziele auf verfassungsmäßige Weise verwirklichen. Angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Kennzeichenkontrolle für eine wirksame Gefahrenabwehr beimessen darf, ist unter diesen Umständen deren vorübergehende Fortgeltung eher hinzunehmen als deren Nich-tigerklärung.

173

4. Im Übrigen sind die Vorschriften nach Maßgabe der Gründe verfassungskonform auszulegen.

II.

174

Da die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen auf den teilweise verfassungswidrigen Vorschriften beruhen, verletzen sie den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist als letztinstanzliche Entscheidung aufzuheben und zur Entscheidung über die Kosten zurückzuverweisen.

III.

175

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

IV.

176

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Entscheidung, dass Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen auch im Nichttrefferfall einen Grundrechtseingriff begründen (oben Rn. 45 bis 53), mit 5 : 2 Stimmen, sowie daran anschließend hinsichtlich der allgemeinen Ausführungen zum Erfordernis eines konkreten Anlasses für polizeiliche Kontrollen der vorliegenden Art (oben Rn. 91 bis 94) mit 6 : 1 Stimmen, im Übrigen einstimmig ergangen.

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Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.

(2) Der Grenzschutz umfaßt

1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, zur Sicherung des Grenzraumes das in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Gebiet von der seewärtigen Begrenzung an durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auszudehnen, soweit die Grenzüberwachung im deutschen Küstengebiet dies erfordert. In der Rechtsverordnung ist der Verlauf der rückwärtigen Begrenzungslinie des erweiterten Grenzgebietes genau zu bezeichnen. Von der seewärtigen Begrenzung an darf diese Linie eine Tiefe von 80 Kilometern nicht überschreiten.

(3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.

(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind zu befolgen. Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor, entbinden den Verkehrsteilnehmer jedoch nicht von seiner Sorgfaltspflicht.

(2) An Kreuzungen ordnet an:

1.
Seitliches Ausstrecken eines Armes oder beider Arme quer zur Fahrtrichtung: „Halt vor der Kreuzung“.

Der Querverkehr ist freigegeben.

Wird dieses Zeichen gegeben, gilt es fort, solange in der gleichen Richtung gewinkt oder nur die Grundstellung beibehalten wird. Der freigegebene Verkehr kann nach den Regeln des § 9 abbiegen, nach links jedoch nur, wenn er Schienenfahrzeuge dadurch nicht behindert.
2.
Hochheben eines Arms:

„Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten“,

für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung: „Kreuzung räumen“.

(3) Diese Zeichen können durch Weisungen ergänzt oder geändert werden.

(4) An anderen Straßenstellen, wie an Einmündungen und an Fußgängerüberwegen, haben die Zeichen entsprechende Bedeutung.

(5) Polizeibeamte dürfen Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle einschließlich der Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit und zu Verkehrserhebungen anhalten. Das Zeichen zum Anhalten kann auch durch geeignete technische Einrichtungen am Einsatzfahrzeug, eine Winkerkelle oder eine rote Leuchte gegeben werden. Mit diesen Zeichen kann auch ein vorausfahrender Verkehrsteilnehmer angehalten werden. Die Verkehrsteilnehmer haben die Anweisungen der Polizeibeamten zu befolgen.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. September 2014 - 1 K 1879/13 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten am 13. April 2013 in Freiburg durchgeführte Identitätsfeststellung des Klägers, die Anwendung unmittelbaren Zwangs, der Datenabgleich und die Durchsuchung seines Rucksacks rechtswidrig waren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen in beiden Rechtszügen der Kläger jeweils zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine polizeiliche Personenkontrolle.
Der xxx geborene Kläger wohnte xxx als Student der Rechtswissenschaft in Freiburg. Er betrat am Abend des 13.04.2013 das Untergeschoss des Freiburger Hauptbahnhofs (sog. Basement) mit einem schwarzen, voll bepackten Rucksack. Dort wurde er gegen 19.55 Uhr von zwei uniformierten Beamten der Bundespolizei, Polizeiobermeister (POM) xxx und POM’in xxx, angesprochen. POM xxx schilderte den Vorfall wie folgt (Stellungnahme vom 18.04.2013, S. 1 f. = Bl. 5 f. d. Verw.-Akte):
„[Der Kläger] wurde durch POM xxx mit den Worten „Guten Tag, Bundespolizei, Personenkontrolle, Ihren Ausweis bitte“ angesprochen. [Der Kläger] wollte von den Beamten sofort eine schriftliche Bescheinigung über die durchgeführte Kontrolle. POM xxx teilte ihm mit, dass es eine solche Bescheinigung vor Ort nicht gäbe. Daraufhin sprach der [Kläger] vorbeilaufende Passanten an, welche er als unabhängige Zeugen in Anspruch nehmen wollte. Diese Leute gingen jedoch zügig weiter, da der [Kläger] hysterisch und laut auf die Leute einwirkte.
Dem [Kläger] wurde nach dessen Aufforderung der Grund der Maßnahme (hier: verdachtsunabhängige Kontrolle) mitgeteilt, was ihn nicht beruhigte. Er verlangte lautstark nach einer Bescheinigung und den Namen der Beamten. Außerdem hielt er den Beamten vor, dass es sich hier um eine Freiheitsberaubung handelt und die Polizei nicht willkürlich Kontrollen durchführen darf. Der Name wurde dem [Kläger] anstandslos angegeben.
Aufgrund des Verhaltens des [Klägers] gegenüber den Beamten wurde durch POMin xxx eine weitere Streife zur Unterstützung angefordert. Der [Kläger] weigerte sich auch nach mehrmaliger Aufforderung, sich auszuweisen. Ihm wurde erklärt, dass die Identitätsfeststellung auch auf der Dienststelle vorgenommen werden kann, wenn es vor Ort nicht möglich sei. Der [Kläger] schrie weiterhin auf den Beamten ein, er verlangte nun sofort eine Bescheinigung.
POM xxx forderte [den Kläger] nun auf, den Beamten zur Dienststelle zu folgen. Gleichzeitig wurde ihm der unmittelbare Zwang angedroht, falls er der Maßnahme nicht Folge leisten würde. Nochmals wurde dem [Kläger] vermittelt, dass eine Mitnahme zur Dienststelle unumgänglich sei, würde er sich nicht ausweisen. Da der [Kläger] weiterhin uneinsichtig blieb und der Aufforderung zur Dienststelle mitzugehen nicht Folge leistete, wurde versucht, ihn durch Führen am Arm zur Dienststelle zu bewegen.
In diesem Moment wies sich der [Kläger] gegenüber POMin xxx ordnungsgemäß aus.
Kurz darauf erschien die Streife POK xxx / POMin xxx am Ereignisort, danach außerdem die Streife POM xxx / PHMin xxx.
Durch die Beamten wurde der [Kläger] aufgefordert, seine Hände aus Eigensicherungsgründen aus den Hosentaschen zu nehmen. Während der gesamten Kontrollzeit musste diese Aufforderung mehrmals durch die Beamten wiederholt werden, da er immer wieder seine Hände in die Taschen steckte und sich sehr nahe den Beamten näherte. In Folge dessen wurde der [Kläger] durch den nun wortführenden Beamten POK xxx aufgefordert, seine Hosentaschen zu leeren.
10 
POM xxx durchsuchte den mitgeführten Rucksack.
11 
Nach Abschluss der Identitätsfeststellung wurde der Ausweis des [Klägers] zurückgegeben und die Kontrolle für beendet erklärt.
12 
POK xxx erörterte dem [Kläger] im Anschluss daran die Option der Beschwerde und händigte ihm eine Visitenkarte aus.
13 
Die Streife POMin xxx / POM xxx verließ nun die Örtlichkeit.
14 
Die polizeilichen Maßnahmen vor Ort dauerten ca. 10 Minuten.“
15 
Einen Tag nach dem Vorfall, am 14.04.2013, erschien der Kläger gegen 22.45 Uhr im Bundespolizeirevier Freiburg. Er erhob u.a. Beschwerde gegen die Kontrolle vom Vortag, äußerte den Verdacht einer Nötigung oder Körperverletzung im Amt und schilderte den Ablauf der Kontrolle wie folgt (Niederschrift vom 14.04.2013, S. ff. = Bl. 2 ff. d. Verw.-Akte):
16 
„Auf Nachfrage nach dem rechtlichen Grund wurde vom Beamten xxx eröffnet, dass im 30-Kilometerbereich der Grenze verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchgeführt werden dürfen.
17 
Ich fragte, ob die Beamten sich ausweisen können und ob sie zur Rechtmäßigkeitsüberprüfung der Maßnahme mir eine Bescheinigung ausstellen können. Daraufhin wurde mir eröffnet, die Unterhaltung auch auf der Dienststelle fortführen zu können.
18 
Ich wurde, ohne mich weiter zu Wort kommen zu lassen, von dem Beamten angegangen.
19 
Ich wurde mit der Stimme lauter und versuchte das umliegende Publikum so anzusprechen, dass die Maßnahme von Zeugen beobachtet werden konnte.
20 
Der Kollege äußerte im schnellen Ablauf die Androhung unmittelbaren Zwanges, ohne mir Gelegenheit zu geben, mich zu äußern und packte mich im festen Griff am rechten Oberarm.
21 
Ich zeigte im folgenden meinen Ausweis, dieser wurde nach hinten zu einer weiteren Kollegin gereicht und ein Datenabgleich vorgenommen.
22 
Zwischenzeitlich trafen weitere Kollegen ein.
23 
Insbesondere kam Herr xxx an den Ort der Maßnahme.
24 
Herr xxx gab mir zu verstehen, ich solle den Ausweis aushändigen. Die Kollegen verwiesen auf die Kollegin, die bereits den Datenabgleich durchführte. Mir wurde durch die kontrollierenden Beamten nicht bekannt gegeben, zu welchem Zweck der Datenabgleich stattfand. Danach nahm Herr xxx eine Position im Hintergrund des Geschehens ein. Mittlerweile zog sich der Kollege xxx Handschuhe an. In dieser Phase meldete sich eine Kollegin im Hintergrund mit den Worten „negativ“, in diesem Moment drehte sich Herr xxx zu der Kollegin um und diese wiederholte, dass der Datenabgleich negativ sei.
25 
Herr xxx nahm dann die Durchsuchung meines mitgeführten Rucksacks vor. Es wurde nicht bekannt gegeben, warum eine Durchsuchung des Rucksacks vorgenommen wurde. Dabei wurden die beiden vorderen Reißverschlusstaschen zuerst durchgeschaut. In der zweiten der beiden Taschen befand sich ein Buch, dessen Titel Herr xxx mit den Worten kommentierte: „So, so, der Schiedsrichterstaat“. Diese Äußerung war für den Publikumsverkehr in der Tonstärke wahrnehmbar. Weiter wurde das Hauptfach kontrolliert. Insbesondere inspizierte Herr xxx 3 Bücher, deren Titel er wahrnahm(,) und (er) schaute zudem auf einen englischsprachigen Aufsatz.
26 
Herr xxx kommentierte wiederum die Literatur. Während der Durchsuchung des Rucksacks war ich deutlich angespannt, das Zittern meiner Beine war für die Beamten deutlich erkennbar. Eine Streifenpartnerin von Herrn xxx redete mit mir in einer beruhigenden Art und Weise. Sie fragte z.B., „ob das meine erste Polizeikontrolle sei“, was ich bejahte. Sie äußerte weiter, dass sie auch nur ihre Arbeit machten und am Abend sicher zu ihren Familien zurückkehren möchten. Während des Gesprächs schwankte ich unsicher und wurde ab und zu gebeten, etwas zurückzutreten. Gleichfalls fasste ich reflexartig an die Hosentaschen, wobei ich stets mit lauter Stimme aufgefordert wurde, die Hände aus den Taschen hoch zu nehmen. Ich fasste mehrmals an meine Taschen. Die Aufforderung wurde wiederholt.
27 
Ich verstand nicht, warum von den Taschen eine Gefahr ausging, zumal ich den Inhalt der linken Tasche zur Vorlage des Ausweises bereits vorgezeigt habe.
28 
Als Herr xxx die Durchsuchung des Rucksacks beendete, wandte er sich und ging dazu über, den Inhalt der Taschen vorzeigen zu lassen. Zuerst die linke Tasche. Ich wies darauf hin, dass ein Geldbeutel darin sei. Dann die rechte Tasche. Zuerst zeigte ich mein Handy. Auf Nachfrage was noch spitzes in der Tasche sei, zeigte ich meinen Schlüsselbund.
29 
Ich wurde nicht aufgefordert, zuerst die Dinge explizit zu benennen. Herr xxx fragte, ob ich ein Messer mit mir führe. Ich verneinte.
30 
Auch vor der angeordneten Hosentaschenkontrolle wurde ich nicht über den Zweck der Maßnahme belehrt.
31 
Danach verlangte ich eine Bescheinigung über die durchgeführten Maßnahmen. Diese wurde abgelehnt.
32 
Auf Vorhalt, den Vorgang rechtlich überprüfen zu lassen, fragte ich weiter nach einem Namen der durchführenden Personen. Eine Ausweisung wurde zunächst nicht vorgenommen, auf weiteres Nachfragen äußerte der Beamte xxx mit lauter Stimme sinngemäß: „xxx mein Name, Bundespolizei“.
33 
Im Anschluss folgte noch der Satz: „Können Sie sich das merken?"
34 
Ich verlangte weiterhin eine Bescheinigung, um den Vorfall dokumentieren zu können.
35 
Herr xxx gab mir dann eine Visitenkarte mit seinem Namen und der Adresse der Dienststelle, mit dem Hinweis, dort könne man sich beschweren. Es war nicht klar, ob die auf der Visitenkarte benannte Person ein Beteiligter der Maßnahme ist. Es hätte auch ein Vorgesetzter sein können.“
36 
Mit Schreiben vom 22.04.2013 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Personenkontrolle und die „Verweigerung der Ausstellung der Bescheinigung“ über die Durchsuchung des Rucksacks.
37 
Unter Bezugnahme auf die vom Kläger erhobene Beschwerde führte die Beklagte nach Einholung der Stellungnahme von POM xxx und einer ergänzenden Stellungnahme des Gruppenleiters POK xxx (Bl. 7 f. d. Verw.-Akte) mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Stuttgart vom 29.05.2013 aus, sowohl die Identitätsfeststellung als auch die Durchsuchung seiner Person und der mitgeführten Sachen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Einzig die gewünschte Bescheinigung über die Durchsuchung hätte der Kläger erhalten müssen. Dazu werde ihm als Anlage das Durchsuchungsprotokoll übermittelt, womit der Fehler hoffentlich geheilt sei.
38 
Am 17.05.2013 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben. Dieses hat sich mit Beschluss vom 03.06.2013 - 4 K 896/13 - für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen. Eine dagegen vom Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde (xxx) hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.
39 
Mit Urteil vom 25.09.2014 - 1 K 1879/13 - hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage mit dem Antrag festzustellen, dass die von der Beklagten am 13.04.2013 durchgeführte Identitätsfeststellung, die Anwendung unmittelbaren Zwangs, der Datenabgleich, die Durchsuchung der Hosentaschen und die Durchsuchung des Rucksacks rechtswidrig waren, abgewiesen.
40 
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die verdachtsunabhängig durchgeführte Identitätskontrolle des Klägers finde ihre Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG. Danach könne die Bundespolizei die Identität einer Person feststellen im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG. Nach § 12 Abs. 1 BPolG nehme die Bundespolizei die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahr, soweit der Verdacht eines Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB) bestehe, das (u.a.) gegen die Sicherheit der Grenze oder die Durchführung ihrer Aufgaben nach § 2 BPolG gerichtet sei (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 BPolG). Nach § 2 Abs. 1 BPolG obliege der Bundespolizei grundsätzlich der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPolG umfasse der Grenzschutz im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigten. Nach § 23 Abs. 3 BPolG könne die Bundespolizei zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere den Betroffenen anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, dass er Ausweispapiere zur Prüfung aushändige. Europarechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Vorschriften bestünden nicht. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Durchführung der Identitätskontrolle des Klägers hätten vorgelegen. Der Auftrag der Beamten der Bundespolizei habe am 13.04.2013 bei der Aufgabenwahrnehmung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPolG gelegen, d.h. der Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigten. Gefahren, die der Sicherheit der Grenze drohten, seien vielfältiger Art. Sie umfassten u.a. die Verhütung grenzbezogener Kriminalität, u.a. Schleuserkriminalität, Verstöße gegen Verbringungsverbote oder das Passgesetz, Aufenthaltsgesetz etc. Es kämen u.a. Personen als Adressaten der Identitätskontrolle in Betracht, die in Beziehung zu den Gegebenheiten stünden, die den Grenzraum hervorhöben. Eine konkrete Gefahr sei nicht erforderlich. Die Durchführung der Identitätskontrolle sei verdachtsunabhängig möglich. Die Kontrolle des Klägers im Vorfeld konkreter Gefahren zur Verhinderung und vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten sei auch verhältnismäßig gewesen.
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Auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs (durch das Festhalten des Oberarms) sei rechtmäßig gewesen. Die Maßnahme finde ihre Rechtsgrundlage in in § 6 Abs. 1 und 2, § 12 VwVG i.V.m. §§ 1 bis 4 UZwG. Diese Vorschriften verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Ihre Voraussetzungen seien erfüllt gewesen. Ein auf die Vornahme einer Handlung gerichteter Verwaltungsakt (§ 6 Abs. 1 VwVG) habe in der im Rahmen der Identitätsfeststellung verlangten Aushändigung des Ausweises gelegen. Die Androhung unmittelbaren Zwangs sei nicht zu beanstanden. Dass der Kläger keine Gelegenheit gehabt habe zu reagieren, sei nicht ersichtlich. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs - die Führung am Arm, die sofort beendet worden sei, als der Kläger seinen Ausweis herausgegeben habe - sei verhältnismäßig gewesen.
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Der nach Vorlage des Ausweises durchgeführte Datenabgleich sei ebenfalls rechtmäßig gewesen. Rechtsgrundlage sei § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG. Danach könne die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift bestünden nicht.
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Die gegen die Offenlegung des Inhalts der Hosentaschen gerichtete Klage betreffe eine Durchsuchung der Person des Klägers. Diese finde ihre Rechtfertigung in § 43 Abs. 3 BPolG. Danach könne die Bundespolizei eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden solle, nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz (u.a.) des Beamten der Bundespolizei erforderlich sei. Diese Voraussetzungen hätten vorgelegen. Der Kläger habe während der Identitätsfeststellung mehrfach seine Hände bzw. Daumen in seine Hosentaschen gesteckt und sich den Beamten genähert, obwohl er aufgefordert worden sei, dies zu unterlassen. Diese aus Eigensicherungsgründen der Polizeibeamten erfolgte Anordnung habe mehrmals wiederholt werden müssen. Es begegne keinen rechtlichen Bedenken, dass sich die Polizeibeamten veranlasst gesehen hätten, den Kläger aufzufordern, den Inhalt seiner Hosentaschen darzulegen.
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Die Durchsuchung des Rucksacks sei ebenfalls rechtmäßig. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BPolG und § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 BPolG könne die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern eine Sache auch zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG durchsuchen. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG könne die Bundespolizei in den Fällen des § 23 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 5 Satz 2 BPolG eine Sache durchsuchen, wenn sie von einer Person mitgeführt werde, die nach § 43 BPolG durchsucht werden könne. Diese Vorschriften seien weder europarechts- noch verfassungswidrig. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen hätten vorgelegen. Die Durchsuchung sei angeordnet worden, weil nach polizeilichen Erfahrungswerten der sehr nervöse Kläger den Eindruck vermittelt habe, möglicherweise gegen Verbringungsverbote zu verstoßen. Im Hinblick auf seine Nervosität und Gereiztheit bzw. Reizbarkeit während der Identitätsfeststellung und sein ungewöhnlich unkooperatives Verhalten hätten die Polizeibeamten auf den Versuch der Ablenkung auf Nebensächliches und der Verhinderung einer tiefergehenden Kontrolle schließen können sowie darauf, dass der Kläger etwas zu verbergen haben könnte, das mit Kriminalität i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG in Zusammenhang stehe. Die Durchsuchung des Klägers sei nach § 43 BPolG erfolgt, so dass auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG gegeben seien. Dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, den Durchsuchungsvorgang zu verfolgen und ein Zeuge habe hinzugezogen werden müssen (§ 44 Abs. 4 BPolG), sei nicht zu erkennen. Dies zeige sich für das Gericht insbesondere daran, dass der Kläger zur Schilderung des Sachverhalts der Durchsuchung in der Lage gewesen sei.
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Gegen dieses Urteil hat der Senat auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 18.09.2015 - 1 S 2144/14 - die Berufung zugelassen, das Verfahren mit Beschluss vom 07.04.2016 - 1 S 1944/15 - bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsverfahren C-9/16 beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ausgesetzt und nach der Entscheidung des EuGH vom 21.06.2017 - C-9/16 - wiederaufgenommen.
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Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, der als Rechtsgrundlage für die Identitätskontrolle genannte § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG und der für die Durchsuchung des Rucksacks genannte § 44 Abs. 2 BPolG seien unionsrechtswidrig. Die Vorschrift verstießen gegen Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 20 und 21 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 105 vom 13.04.2006, S. 1 - Schengener Grenzkodex). Nach diesen Vorschriften dürfe die Ausübung polizeilicher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Das Vorliegen einer gleichen Wirkung werde nach der Rechtsprechung des EuGH indiziert, wenn eine nationale Vorschrift (auf den Grenzraum bezogene) Sonderregeln für ihren Geltungsbereich enthalte. Das sei bei den §§ 23, 44 BPolG durch die „30-km-Grenzklausel“ der Fall. Diese Klausel sei nach ihrem Wortlaut („zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet“) gerade darauf angelegt, die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen zu haben. In einem solchen Fall sei es nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich, dass durch „genaue Regelungen und Einschränkungen“ u.a. sichergestellt werde, dass die praktische Ausübung der den Mitgliedstaaten zustehenden polizeilichen Befugnisse so eingegrenzt werde, dass eine gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen vermieden werde. An solchen Regelungen fehle es im nationalen deutschen Recht. Die Beklagte könne auch nicht auf Verwaltungsvorschriften verweisen. Die unionsrechtlich gebotene „genaue Regelung und Einschränkung“ müsse auf Gesetzesebene erfolgen. Die von der Beklagten in Bezug genommenen innerdienstlichen Vorgaben seien unabhängig davon weder formell noch inhaltlich dazu geeignet, die unionsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Außerdem seien selbst die dort genannten Voraussetzungen für eine Kontrolle im Grenzraum in seinem (des Klägers) Fall nicht erfüllt gewesen.
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Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger weiter vor, die Personenkontrolle vom 13.04.2013 sei auch mit nationalem Recht unvereinbar gewesen. Die einfachgesetzlichen Rechtsgrundlagen aus dem Polizeigesetz seien jedenfalls teilweise verfassungswidrig, die einzelnen Maßnahmen teils formell und durchweg materiell rechtswidrig. Die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen seien nicht erfüllt gewesen und die Polizeibeamten hätten ermessensfehlerhaft gehandelt. All dies habe das örtlich unzuständige Verwaltungsgericht, das einen teils unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt habe, einseitig der Sachverhaltsdarstellung der Beklagten gefolgt sei und das u.a. gegen seine Rechte auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör verstoßen sowie ein mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbares Urteil gefällt habe, ebenso verkannt wie die Beklagte, die mit ihren Ausführungen im Gerichtsverfahren die Grenzen zulässiger Rechtsverteidigung zu Lasten seines (des Klägers) sozialen Geltungsanspruchs überschritten habe. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens des Klägers wird insbesondere auf S. 4-16 und 23-188 der Berufungsbegründung vom 12.11.2015 sowie die ergänzenden Schriftsätze des Klägers verwiesen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.09.2014 - 1 K 1879/13 - zu ändern und festzustellen, dass die von der Beklagten am 13.04.2013 in Freiburg durchgeführte Identitätsfeststellung des Klägers, die Anwendung unmittelbaren Zwangs, der Datenabgleich, die Durchsuchung der Hosentaschen und die Durchsuchung des Rucksacks rechtswidrig waren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, die Identitätsfeststellung sei rechtmäßig gewesen. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG sei insbesondere unionsrechtskonform. Der EuGH verlange einen Rechtsrahmen, der gewährleiste, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben könne. Die vom EuGH geforderten Konkretisierungen und Einschränkungen müssten nicht notwendigerweise gesetzlicher Natur und erst recht nicht in § 23 BPolG selbst statuiert sein. Vielmehr kämen hierfür auch Verwaltungsvorschriften in Betracht. Im maßgeblichen Zeitpunkt der hier streitbefangenen Kontrolle vom 13.04.2013 sei eine ausreichende Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen durch die „BRAS 120“ („BRAS“ bedeutet „Bestimmungen, Richtlinie, Anweisungen, Kataloge, Nachschlagewerk“), Band I, Abschnitt II, mit den darin enthaltenen Angaben zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung („Best Grepo“) mit dem damaligen Stand vom 01.03.2008 bewirkt worden. Bei den „BRAS 120“ handele es sich um Verwaltungsvorschriften. Darin werde klargestellt, dass es unzulässig sei, an den Binnengrenzen Personenkontrollen unabhängig von jedem Anlass ausschließlich aufgrund eines vorangegangenen Grenzübertritts vorzunehmen. Außerdem seien darin nähere, den Vorgaben des EuGH genügende Vorgaben für Maßnahmen der Bundespolizei zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung im Binnengrenzraum enthalten. Dort werde u.a. klargestellt, dass Kontrollen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG nur „im Einzel- bzw. Ausnahmefall“ in Betracht kämen und das Vorliegen „hinreichender Anhaltspunkte für eine illegale Einreise oder eine Schleusung“ voraussetzten. Die Verwaltungsvorschrift präzisiere darüber hinaus, wann solche Anhaltspunkte vorlägen. Die von § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erlaubten Identitätsfeststellungen beruhten daher auf Lageerkenntnissen und/oder polizeilichen Erfahrungen und hingen zudem auch vom Verhalten der betroffenen Person bzw. sonstigen Umständen ab, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergebe. Praktische Erfahrungen belegten zudem, dass die Vorgaben der „BRAS 120“ tatsächlich wirksam gewesen seien und nicht unter Rückgriff auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG unzulässige systematische Personenkontrollen durchgeführt würden. Die dort vorgesehenen Kontrollen würden in der Praxis lediglich stichprobenartig und in einer Art und Weise durchgeführt, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterschieden.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Identitätskontrolle des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG hätten am 13.04.2013 auch unter Berücksichtigung der „BRAS 120“ vorgelegen. Damals habe ein besonderes Lagebild für den Freiburger Hauptbahnhof vorgelegen, in dem u.a. konstatiert worden sei, dass der Bahnhof aufgrund seiner Lage und Verbindungsmöglichkeiten von und nach Frankreich und in die Schweiz geradezu eine Drehscheibe für unerlaubte Migration gewesen sei. Wegen der Einzelheiten werde auf das Dokument „Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein, Lagebild ‚HBF Freiburg‘, Stand 01.08.2013“ (Anlage B2 = Bl. 973 ff. d. VGH-Akte) verwiesen. Die dort durchgeführten Identitätskontrollen einschließlich derjenigen des Klägers beruhten hiernach auf Erkenntnissen über in der Vergangenheit bereits tatsächlich erfolgte und auch künftig zu erwartende unerlaubte Einreisen und Schleusungen. Schon dadurch unterschieden sie sich von systematischen Grenzkontrollen. Dass sich die Beamten spontan entschlossen hätten, die Identität des Klägers festzustellen, habe darauf beruht, dass er einen voll bepackten Rucksack mit sich geführt habe, der auf eine bevorstehende Reiseabsicht in Grenznähe habe schließen lassen, womit jedenfalls die Möglichkeit gegeben gewesen sei, dass er über die Grenze kommend unerlaubt eingereist sei. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stehe auch mit deutschem Verfassungsrecht in Einklang, sei insbesondere verhältnismäßig. Die Identitätsfeststellung sei auch im Übrigen fehlerfrei durchgeführt worden. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren vortrage, er habe den Beamten seinen Universitätsausweis vorgezeigt, könne dieser Vortrag nicht mehr verifiziert werden, er sei aber auch unerheblich, weil es sich nicht um ein amtliches Ausweisdokument handele.
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Rechtmäßig seien auch die übrigen im Zusammenhang mit der Identitätskontrolle durchgeführten Maßnahmen gewesen. Die Voraussetzungen für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs hätten vorgelegen. Das gelte selbst dann, wenn man annehme, die Kontrolle nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG und das Verlangen nach dem Ausweis seien rechtswidrig gewesen, weil diese Maßnahmen sofort vollziehbar gewesen seien und es für ihre Vollstreckung nicht auf die Rechtmäßigkeit ankomme. Auch der Datenabgleich sei rechtmäßig erfolgt. Insbesondere sei § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG verfassungsgemäß. Der in der Literatur teils erhobene Vorwurf der Unbestimmtheit der Norm sei nicht berechtigt, da die Norm auslegbar sei. Auch Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit des mit einem Abgleich verbundenen Eingriffs bestünden nicht. Im Ergebnis zutreffend habe das Verwaltungsgericht auch entschieden, dass die an den Kläger ergangene Aufforderung, den Inhalt seiner Hosentaschen offenzulegen, rechtmäßig gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe es sich allerdings nicht um eine „Durchsuchung der Person“ im Sinne des § 43 Abs. 3 BPolG gehandelt, da die Beamten den Kläger weder abgetastet noch selbst in seine Hosentaschen gegriffen hätten. Sie hätten lediglich die nach Aufforderung von ihm selbst hervorgeholten Gegenstände untersucht, was eine „Durchsuchung von Sachen“ im Sinne des § 44 BPolG gewesen sei, die rechtmäßig erfolgt sei. Unabhängig davon hätten aber selbst die Voraussetzungen für eine Durchsuchung der Person zum Zwecke der Eigensicherung nach § 43 Abs. 3 BPolG vorgelegen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Identitätsfeststellung nach § 23 BPolG selbst rechtmäßig erfolgt sei, weil es darauf im Rahmen des § 43 BPolG nicht ankomme, der nur darauf abstelle, dass eine Identitätsfeststellung erfolgen „soll“. Rechtmäßig sei schließlich auch die Durchsuchung des Rucksacks gewesen, die sowohl nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG als auch unabhängig davon nach § 44 Abs. 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG zulässig gewesen sei. Sofern für die zweite Rechtsgrundlage eine erhöhte abstrakte Gefahr gefordert werde, habe diese bei dem ungewöhnlich nervös wirkenden Kläger vorgelegen. Unerheblich sei, dass dem Kläger die nach § 44 Abs. 4 BPolG erforderliche Bescheinigung erst nachträglich ausgehändigt worden sei. Die Hinzuziehung von Zeugen zur Durchsuchung sei nicht erforderlich gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung ist zulässig (-A.-) und zum Teil begründet (-B.-).
57 
A. Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere entspricht die vom Kläger eingereichte Berufungsbegründungsschrift vom 12.11.2015 inhaltlich noch den gesetzlichen Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Zwar hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 12.11.2015 in erheblichem Umfang der Sache nach Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt, obwohl der Senat zuvor bereits die Berufung gegen sein Urteil zugelassen hatte. Der Schriftsatz genügt aber dessen ungeachtet noch den Anforderungen an eine Berufungsbegründung. Die Begründung der Berufung muss erkennen lassen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dieses Urteil nach Ansicht der Berufungskläger unrichtig sein soll und geändert werden muss. Hierfür muss der Berufungskläger zumindest eine bestimmte tatsächliche Feststellung, eine rechtliche Sachverhaltswürdigung oder eine allgemeine Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die dessen Urteil tragen, angreifen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 17.12.2015 - 6 B 24/15 - juris; Senat, Urt. v. 21.07.2017 - 1 S 1240/16 - juris). Die Ausführungen des Klägers zu den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 VwGO, insbesondere zu den sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfragen und zu den angeblichen Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts lassen zwar nicht immer erkennen, aus welchen Gründen das Urteil des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO zu ändern sein soll. Jedoch ist bei zusammenschauender Betrachtung des Klägervorbringens insgesamt noch hinreichend dargelegt, weshalb aus seiner Sicht das angegriffene Urteil unrichtig und in der Sache anders zu entscheiden sein soll.
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B. Die Berufung ist auch teilweise begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen als Fortsetzsetzungsfeststellungs- bzw. Feststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage ist auch teilweise begründet. Denn die vom Kläger angefochtenen Maßnahmen waren zum Teil rechtswidrig und verletzten ihn insoweit in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Rechtswidrig waren die Identitätsfeststellung (-I.-), die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch das Festhalten am Oberarm (-II.-), der Datenabgleich (-III.-) sowie die Durchsuchung des Rucksacks (-IV.-). Rechtmäßig war hingegen die Aufforderung, den Inhalt der Hosentaschen vorzuzeigen einschließlich der anschließenden Betrachtung der vorgezeigten Gegenstände (-V.-); insoweit ist die Klage unbegründet.
60 
I. Die am 13.04.2013 durchgeführte Identitätsfeststellung war rechtswidrig.
61 
Als Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. jeweils W.-R. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 23 BPolG Rn. 3) bedurfte die Identitätsfeststellung einer gesetzlichen Grundlage. Daran fehlte es. Der von der Beklagten angeführte und einzig in Betracht kommende § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war jedenfalls in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Kontrolle selbst, am 13.04.2013, aus Gründen des Unionsrechts unanwendbar (-1.-). Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - materiell rechtswidrig, weil sie unter Zugrundelegung der von der Beklagten angeführten ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ermessensfehlerhaft durchgeführt wurde (-2.-).
62 
1. Die streitbefangene Identitätsfeststellung findet in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG keine gesetzliche Grundlage. Die Vorschrift (-a-) war im April 2013 nicht anwendbar (-b-).
63 
a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG kann die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG die Identität einer Person feststellen. Straftaten im Sinne dieser Vorschrift sind Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB), die (Nr. 1) gegen die Sicherheit der Grenze oder die Durchführung der Aufgaben der Bundespolizei nach § 2 BPolG - d.h. der Aufgaben des Grenzschutzes - gerichtet sind, oder die (Nr. 2) nach den Vorschriften des Paßgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes zu verfolgen sind, soweit sie durch den Grenzübertritt oder in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem begangen wurden, oder die (Nr. 3) einen Grenzübertritt mittels Täuschung, Drohung, Gewalt oder auf sonst rechtswidrige Weise ermöglichen sollen, soweit sie bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs festgestellt werden, oder die (Nr. 4) das Verbringen einer Sache über die Grenze ohne behördliche Erlaubnis als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der Strafvorschrift verwirklichen, sofern der Bundespolizei durch oder auf Grund eines Gesetzes die Aufgabe der Überwachung des Verbringungsverbotes zugewiesen ist (wie dies z.B. im Bereich des Betäubungsmittelrechts der Fall ist, vgl. § 21 Abs. 2 BtMG).
64 
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erfüllt, kann die Bundespolizei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BPolG zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, dass er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, dass der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 23 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BPolG).
65 
Die genannten Bestimmungen zur Identitätsfeststellung sind Teil der Vorschriften über die sog. Schleierfahndung im Grenzgebiet (näher zur Genese der diesbezüglichen Vorschriften Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 355 f., 385 ff.; Gnüchtel, NVwZ 2013, 980 f.). § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG zeichnet sich wie andere Vorschriften aus diesem Bereich insbesondere dadurch aus, dass der Tatbestand der Vorschrift das polizeiliche Eingreifen - hier die Identitätsfeststellung - nicht vom Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne abhängig macht (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 23 BPolG Rn. 12; Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 4. Aufl., § 23 Rn. 14). Anknüpfungspunkt für eine Identitätsfeststellung ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vielmehr allein der Umstand, dass sich eine Person an einem bestimmten Ort - im Grenzgebiet im Sinne der o.g. Vorschriften - aufhält. Hinweise darauf, dass von der zu überprüfenden Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder dass sie eine Straftat begangen hat, müssen nach dem Wortlaut der Norm hingegen nicht vorliegen (auch daher sog. anlass-, verdachts- oder ereignisunabhängige Personenkontrolle, vgl. Rachor, a.a.O., Rn. 357).
66 
b) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war im April 2013 keine taugliche Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung des Klägers. Sie war auch unter Berücksichtigung der ergänzend erlassenen Verwaltungsvorschriften der Beklagten mit Unionsrecht (-aa-) nicht vereinbar (-bb-) und daher unanwendbar (-cc-).
67 
aa) Gemäß Art. 67 Abs. 2 AEUV stellt die Union u.a. sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. Die vor diesem Hintergrund erlassene - im April 2013 noch maßgebliche - Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 105 vom 13.04.2006, S. 1 - Schengener Grenzkodex ) definiert dazu in Art. 2 Nr. 9 bis 11 verschiedene Begriffe. Danach sind „Grenzkontrollen“ die an einer Grenze nach Maßgabe und für die Zwecke dieser Verordnung unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen, die aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung bestehen. „Grenzübertrittskontrollen“ sind die Kontrollen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen, um festzustellen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen. Als „Grenzüberwachung“ gilt die Überwachung der Grenzen zwischen den Grenzübergangsstellen und die Überwachung der Grenzübergangsstellen außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden, um zu vermeiden, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen.
68 
Auf diesen Begriffsbestimmungen aufbauend bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen. Gemäß Art. 21 SGK berührt die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen allerdings nicht:
69 
„a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
70 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
71 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
72 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
73 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
74 
(…)
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c) die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, in ihren Rechtsvorschriften die Verpflichtung zum Besitz oder Mitführen von Urkunden und Bescheinigungen vorzusehen; (…).“
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Zur Auslegung dieser Vorschriften und der Frage, ob sie nationalen Regelungen entgegenstehen, die verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzraum ermöglichen, hat sich der EuGH in drei Entscheidungen zum - für unionsrechtswidrig befundenen - französischen Recht (Urt. v. 22.06.2010 - C-188/10 - Slg. 2010, I-5667 ), zum - als unionsrechtskonform gebilligten - niederländischen Recht (Urt. v. 19.07.2012 - C-278/12 - juris ) sowie zuletzt zum deutschen Recht, namentlich zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, geäußert (Urt. v. 21.06.2017 - C-9/16 - EUGRZ 2017, 360; s. zum Vorlagebeschluss AG Kehl, Beschl. v. 21.12.2015 - 3 Ds Js 7262/14 - juris).
77 
Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, die Einhaltung des Unionsrechts und insbesondere der Art. 20 und 21 SGK durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ zu sichern, der gewährleistet, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 37; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 68). Sie haben insbesondere dann, wenn „Indizien“ darauf hindeuten, dass eine gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen besteht, die Konformität der Identitätskontrollen mit Art. 21 Buchst. a SGK durch „Konkretisierungen und Einschränkungen“ sicherzustellen, die die praktische Ausübung der den Mitgliedstaaten zustehenden polizeilichen Befugnisse so einfassen, dass eine solche gleiche Wirkung vermieden wird (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 38; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 70 m.w.N.). Eine nationale Regelung, die den Polizeibehörden eine Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen einräumt, die zum einen auf das Gebiet an der Grenze des Mitgliedstaats zu anderen Mitgliedstaaten beschränkt und zum anderen unabhängig vom Verhalten der kontrollierten Person und vom Vorliegen besonderer Umstände ist, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, muss insbesondere das Ermessen lenken, über das diese Behörden bei der praktischen Handhabung der besagten Befugnis verfügen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 39; Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 74). Je zahlreicher die Indizien für eine mögliche gleiche Wirkung im Sinne von Art. 21 Buchst. a SGK sind, die sich aus dem mit Kontrollen in einem Grenzgebiet verfolgten Ziel, aus deren räumlichem Anwendungsbereich und aus dem Bestehen unterschiedlicher Grundlagen für diese Kontrollen und die Kontrollen im übrigen Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ergeben, umso strenger müssen außerdem die Konkretisierungen und Einschränkungen sein und eingehalten werden, die für die Ausübung der ihnen zustehenden polizeilichen Befugnisse durch die Mitgliedstaaten in einem Grenzgebiet gelten, um die Verwirklichung des Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht zu gefährden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 75). Schließlich muss der erforderliche Rahmen „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76).
78 
bb) Diesen Vorgaben genügt § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch in Verbindung mit den im April 2013 geltenden Verwaltungsvorschriften der Beklagten nicht.
79 
Kontrollen, wie sie in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vorgesehen sind, finden nicht „an einer Grenze“ oder beim „Grenzübertritt“, sondern im Innern des deutschen Hoheitsgebiets statt. Es handelt sich daher weder um verbotene „Grenzkontrollen“ noch um „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne der o.g. Legaldefinitionen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 42 ff.). Es bestehen allerdings mehrere „Indizien“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, die darauf hindeuten, dass eine im Sinne des Art. 21 SGK „gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen“ besteht. Solche Indizien ergeben sich zum einen aus dem Umstand, dass für die Kontrollen hinsichtlich ihres räumlichen Anwendungsbereichs Sonderregeln mit Bezug zum Grenzraum gelten (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 53; ferner Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 72). Die gleiche Wirkung wird zum anderen dadurch indiziert, dass die Kontrollen nach dem Wortlaut der Norm unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person und von Umständen, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, gestattet sind (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40, 55). Die Beklagte hat deshalb durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ mit hinreichend genauen und detaillierten Konkretisierungen oder Einschränkungen zur Lenkung der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität der Kontrollen zu gewährleisten, dass die praktische Ausübung der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG eingeräumten Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57 ff., 59, 63 zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG).
80 
An einem solchen beschränkenden „Rechtsrahmen“ fehlte es im April 2013. Weder § 23 BPolG selbst (1) noch die im April 2013 darüber hinaus in Betracht kommenden rechtlichen Vorgaben (2) boten einen solchen Rahmen.
81 
(1) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst enthält insbesondere hinsichtlich der Intensität und der Häufigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage möglichen Kontrollen weder Konkretisierungen noch Einschränkungen der mit ihm eingeräumten Befugnis, die verhindern sollen, dass die Anwendung und die praktische Ausübung dieser Befugnis durch die zuständigen Behörden zu Kontrollen führen, die im Sinne von Art. 21 Buchst. a der Verordnung Nr. 562/2006 die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Die Vorschrift selbst bietet den vom Unionsrecht geforderten Rechtsrahmen daher, wie der EuGH insoweit bereits selbst entschieden hat, nicht (vgl. zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, dort u.H. auf die entsprechenden Überlegungen im Urt. v. 22.06.2010, a.a.O. Rn. 73; ebenso - teils bereits zuvor - Groh, NVwZ 2016, 1678; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, DÖV 2012, 216 <221 ff.>; Albrecht/Halder, jurisPR-ITR 4/2016 Anm. 6). Daran ändert der von der Beklagten hervorgehobene Umstand, dass sich in den Gesetzesmaterialien Hinweise darauf finden, dass der Bundesgesetzgeber möglicherweise nicht beabsichtigte, „flächendeckende“ Kontrollen im Grenzgebiet einzuführen (vgl. zu § 22 Abs. 1a BGSG a.F. BT-Drs. 13/11159, S. 6; Gnüchtel, a.a.O., S. 981), nichts.
82 
(2) Ob das deutsche nationale Recht außerhalb dieser Vorschrift einen beschränkenden Rechtsrahmen im o.g. Sinn enthält, hat der EuGH in dem auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG bezogenen Vorlageverfahren C-9/16 nicht weiter geprüft und ausgeführt, diese Prüfung sei Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Ls. 1 und Rn. 60 ff., 63). Diese Prüfung ergibt, dass das deutsche nationale Recht jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt - im April 2013 - keinen den o.g. Anforderungen genügenden „Rechtsrahmen“ zum Ausschluss von Identitätskontrollen mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen bot (im Ergebnis ebenso Groh, a.a.O., S. 1678; Kugelmann, a.a.O., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, a.a.O, 222 f.>; Albrecht/Halder, a.a.O., Anm. 6).
83 
(a) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich nicht aus dem - von der Beklagten im Vorlageverfahren C-9/16 genannten - § 15 BPolG. Diese Vorschrift normiert im Allgemeinen Teil des Abschnitts 2 („Befugnisse“) des Bundespolizeigesetzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Maßnahmen der Bundespolizei. Dieser Grundsatz schützt den Adressaten einer Maßnahme vor unverhältnismäßigen Eingriffen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bezieht sich aber auf das polizeiliche Handeln im jeweils konkreten Einzelfall und ist nicht dazu geeignet zu verhindern, dass die polizeiliche Praxis bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG generell die Wirkung von Grenzübertrittskontrollen erhält. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzt die einzelne Maßnahme nicht in Bezug zu anderen Maßnahmen, erreicht mithin keine effektive Steuerung der Frage, wie oft verdachtsunabhängige Personenfeststellungen im Grenzraum durchgeführt werden. Er kann also insbesondere keine „Summierungseffekte“ verhindern (so zu Recht Michl, DÖV 2018, 50 <57>). Einen Rechtsrahmen zur Lenkung der „Häufigkeit und Selektivität“ (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, 59) von anlassunabhängigen Kontrollen im Grenzraum bietet § 15 BPolG selbst nicht.
84 
(b) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im April 2013 auch nicht aus den von der Beklagten ergänzend angeführten innerdienstlichen Vorgaben zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG.
85 
Die Beklagte verweist insoweit auf die „BRAS 120“, Band I, Abschnitt II, mit den darin enthaltenen Angaben zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung („Best Grepo“) und dem im April 2013 noch maßgeblichen Stand vom 01.03.2008, bei denen es sich ihres Erachtens um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt. Die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 waren jedoch weder ihrer Form (-aa-) noch ihrem Inhalt (-bb-) nach dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
86 
(aa) Im vorliegenden Verfahren bedarf es keiner Entscheidung, ob der unionsrechtlich geforderte „Rechtsrahmen“ stets durch Vorschriften des Außenrechts (Gesetze im formellen Sinn, Rechtsverordnungen) gesetzt werden muss oder ob dafür grundsätzlich auch Verwaltungsvorschriften als Innenrecht in Betracht kommen (vgl. zum Meinungsstand einerseits - abl. - Trennt, a.a.O., S. 222 f.; Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682 f.>, ders., NVwZ 2017, 1608 <1609 f.>, sowie andererseits - bejahend - Graf Vitzthum, ELR 2010, 236 <240 f.>; Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>; insoweit tendenziell auch Michl, a.a.O., S. 57 f.). Erforderlich ist jedenfalls, dass die konkret in Rede stehende innerdienstliche Vorgabe die Mindestanforderungen an das Vorliegen einer rechtliche Regelung erfüllt. Denn das Unionsrecht erfordert zur Steuerung von verdachtsunabhängigen grenzpolizeilichen Befugnissen eine „nationale Regelung“ (vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., 74 f., und die Sprachfassung der damaligen Verfahrenssprache: „législation nationale“), die den Erfordernissen der Rechtssicherheit („sécurité juridique“, vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 75) dienen soll, hinreichend bestimmt ist und effektiven Rechtsschutz ermöglicht („Kontrolle der Kontrolle“, vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Als „Rechtsrahmen“ kommen daher - jedenfalls - nur solche innerbehördlichen Vorgaben in Betracht, die wenigstens veröffentlicht und daher für den Normunterworfenen zugänglich sowie vorhersehbar sind (vgl. Michl, a.a.O., S. 57; allg. zu den Anforderungen für die Qualifizierung einer Vorschrift als „law“ bzw. „loi“ EGMR, Urt. v. 24.04.1990 - 11105/84 - : „accessibility“ und „foreseeability“; ebenso EuGH, Urt. v. 15.03.2017 - C-528/15 - NVwZ 2017, 777). Innerdienstliche Vorgaben, die nicht veröffentlicht werden, genügen den Mindestanforderungen an einen „Rechtsrahmen“ hingegen grundsätzlich nicht. Sind sie auch auf andere Weise nicht zugänglich, ist die Rechtsanwendung für die Normunterworfenen nicht vorhersehbar. Diese wären zudem zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz „ins Blaue hinein“ gezwungen, was mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist (vgl. zum nationalen Gebot effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG BVerfG, Beschl. v. 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178). Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass sich aus dem nationalen deutschen Recht keine generelle Pflicht ergibt, Verwaltungsvorschriften allgemein bekannt zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 - 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220). Denn Prüfungsmaßstab ist im vorliegenden Zusammenhang allein das Unionsrecht, das insoweit einen „Rechtsrahmen“ erfordert, der den oben genannten Mindestanforderungen genügt.
87 
Daran gemessen scheiden die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 schon deshalb als „Rechtsrahmen“ aus, weil sie von der Beklagten als „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ (VS NfD) eingestuft wurden. Denn das hat zur Folge, dass die Beklagte die Angaben in den „BRAS 120“ als geheimhaltungsbedürftige Tatsachen und Erkenntnisse einordnet (vgl. § 4 Abs. 1 SÜG), von denen nur Personen Kenntnis erhalten dürfen und durften, die auf Grund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen, wobei diese Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und die Angaben grundsätzlich nicht an nichtöffentliche Stellen weitergeben dürfen (vgl. § 4 Abs. 1a, 3 und 4 SÜG). Diese Einschränkungen hat die Beklagte auch in der Praxis umgesetzt. Die „BRAS 120“ waren 2013 - und sind weiterhin - nicht veröffentlicht. Die Beklagte hat auch im vorliegenden Einzelfall den Kläger zunächst nicht von deren Existenz in Kenntnis gesetzt, selbst in der erstinstanzlichen Klageerwiderung noch nichts dazu vorgetragen und erst im Berufungsverfahren Auszüge daraus mit dem Vermerk „NfD“ vorgelegt. Auch außergerichtliche Ersuchen, den Text der „BRAS 120“ für rechtswissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) noch 2017 abgelehnt (vgl. Michl, a.a.O., S. 57, dort auch zu dem unter dem Eindruck eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren ergänzend verfassten und veröffentlichten - 2013 aber noch nicht existenten - Erlass des BMI zur Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vom 07.03.2016, GMBl. 2016, S. 203).
88 
(bb) Unabhängig davon waren die „BRAS 120“ auch ihrem Inhalt nach nicht dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
89 
Die „BRAS 120“ enthielten in der 2013 geltenden Fassung, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage B 1 (Bl. 955-971 d. VGH-Akte) verwiesen wird, im Abschnitt „Best Grepo“ unter der Überschrift „Der Einsatz der Bundespolizei im Binnengrenzraum“ u.a. folgende Hinweise (Hervorh. im Original):
90 
„1 Die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG
91 
Nach Inkraftsetzung [des Schengener Grenzkodex] darf die Bundespolizei gem. Art. 20 des Schengener Grenzkodex an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsparteien (Binnengrenze) keine Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen mehr durchführen. Jede Person kann - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit - die Binnengrenze an jeder Stelle ungehindert und ohne Formalitäten überschreiten. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG tritt hinter die Regelungen des Schengener Grenzkodex zurück. Dies gilt auch für Personenkontrollen im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt, wenn diese im Rahmen der polizeilichen Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 des BPolG räumlich abgesetzt von der Grenzlinie Im Grenzgebiet (30 Kilometer) erfolgen. Derartige Ersatzgrenzkontrollen stehen ebenso nicht in Einklang mit der der Regelungsabsicht des Schengener Grenzkodex und sind damit unzulässig. (…)
92 
2 Die polizeiliche Überwachung der Grenze gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BPolG
93 
Die polizeiliche Überwachung der Grenze ist eine allgemeine grenzpolizeiliche Aufgabe der Gefahrenvorsorge.
94 
(…) Nicht in Einklang mit dem Schengener Regelwerk stehen die im Rahmen der polizeilichen Überwachung der Binnengrenzen vorgenommenen Personenkontrollen, die unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund eines vorangegangenen Grenzübertritts erfolgen. Auch in derartigen Fällen würde es sich um eine Form von Verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen handeln, die als Ersatzgrenzkontrollen gegen Art. 20 des Schengener Grenzkodex verstoßen.
95 
3 Handeln der Bundespolizei im Binnengrenzraum zur Abwehr konkreter Gefahren und zur Strafverfolgung
96 
Gefahrenabwehrende (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG) undstrafverfolgende Tätigkeiten bzw. Maßnahmen (§12 BPolG) der Bundespolizei im Binnengrenzraum (dies gilt an der Landgrenze wie im Binnenflugverkehr) beikonkretem Gefahrenverdacht oder im Falle der Strafverfolgung stehen nicht im Widerspruch zu Art. 20 des Schengener Grenzkodex. Sie sind vielmehr Anwendungsfälle von Art 21 des Schengener Grenzkodex.
97 
- Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG obliegt der Bundespolizei die Abwehr von Gefahren in seinem Zuständigkeitsbereich.
98 
Dazu zählt u. a. die illegale Einfuhr von Rauschgift, da die erst dadurch gegebene Möglichkeit seiner illegalen Verbreitung im Inland eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland darstellt, wie sich auch aus der Bewertung des Rauschgiftkriminellen in §§ 53 Nr. 2 und 54 Nr. 3 AufenthG durch den Gesetzgeber ergibt, insofern für diesen gerade „wegen besonderer Gefährlichkeit“ eine spezielle Ausweisungsregelung besteht. Insofern stellt die illegale Einfuhr von Rauschgift sowohl einen strafbewehrten Verstoß gegen das Verbot des Verbringen einer Sache i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BPolG als auch eine Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG dar. (…)
99 
4. Maßnahmen der Bundespolizei zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung im Binnengrenzraum bis zu einer Tiefe von 30km im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG
100 
Die Beseitigung der Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsstaaten verbietet Kontrollen, die lediglich aufgrund oder anlässlich eines Übertritts der Binnengrenze vorgenommen werden sowie damit zusammenhängende Formalitäten. Die Ausübung allgemein polizeilicher Befugnisse der zuständigen Behörden bleibt unberührt. Daher hat die Bundespolizei an den Binnengrenzen auch nach Inkraftsetzung des Schengener Grenzkodexes eine - wenn auch deutlich reduzierte - Befugnis zur Bekämpfung von illegalen Einreisen und Schleusungen. Sie darf auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolGKontrollen an den Binnengrenzen sowie im 30 km-Grenzgebiet im Einzel- bzw. Ausnahmefall durchführen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine illegale Einreise oder eine Schleusung bestehen.
101 
Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben, wenn - bezogen auf einen in Betracht kommenden Binnengrenzabschnitt -
102 
- durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
103 
und
104 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
105 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
106 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.
107 
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein Grenzbezug nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolG gegeben.
108 
Dabei erfolgt die Kontrolle in der Weise, dass Personen, die in die genannten Kategorien fallen könnten, angehalten und hinsichtlich ihrer Identität und ihres ausländerrechtlichen Status überprüft werden dürfen. (…)“
109 
Diese Erläuterungen aus den „BRAS 120“ gewährleisteten keine unionsrechtlich ausreichende Lenkung der „Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen“.
110 
Der Rechtsrahmen zur „Konkretisierung und Einschränkung“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen muss, wie gezeigt, „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Bereits daran fehlt es hier. Denn die zitierten Erläuterungen aus den „BRAS 120“ sind in einer Weise formuliert, die nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, welche Bedeutung ihnen für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG genau zukommen soll. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst findet in den zitierten Auszügen der „BRAS 120“ keine Erwähnung. Der einzige Tatbestand aus § 23 BPolG, der dort genannt wird, ist „§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG“. Eine solche Vorschrift gab es im April 2013 nicht mehr. Gemeint war wohl § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG in der Fassung vom 19.10.1994 (im Folgenden: BPolG 1994), die allerdings bereits mit Ablauf des 31.08.1998 außer Kraft getreten war. Eine Verwaltungsvorschrift, die sich auf außer Kraft getretenes Recht bezieht, ist jedoch nicht „hinreichend genau“ und auch in der Sache nicht geeignet, eine effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens zu bewirken.
111 
Das genannte Defizit kann auch nicht als unerheblicher Redaktionsfehler abgetan werden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG 1994 gestattete die Identitätsfeststellung „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern“. Demgegenüber gestattet § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der seit dem 01.07.2005 geltenden und daher auch im April 2013 maßgeblichen Fassung Identitätsfeststellungen „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 (BPolG)“. Der Tatbestand der neuen Fassung ist also weiter gefasst als derjenige der alten Fassung (näher zur Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesänderung Gnüchtel, a.a.O., S. 980 f.). Diese Gesetzesänderung haben die „BRAS 120“ in ihrer 2013 geltenden Fassung nicht nachvollzogen. Es ist daher nicht hinreichend klar, welche Vorgaben genau der Erlassgeber der „BRAS 120“ für welche Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG machen wollte. Ein „Rechtsrahmen“ für die zweite, 2005 aufgenommene Tatbestandsvariante (Identitätsfeststellung „zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt in den „BRAS 120“ jedenfalls zur Gänze.
112 
Dieses Regelungsdefizit kann auch nicht durch die von der Beklagten in Betracht gezogene „ergänzende Auslegung“ der „BRAS 120“ ausgeglichen werden. Dem steht bereits entgegen, dass keine Maßstäbe niedergelegt oder sonst hinreichend deutlich erkennbar sind, anhand derer eine solche Auslegung der „BRAS 120“ vorgenommen werden könnte. Unabhängig davon würde eine gleichsam „ungeschriebene Verwaltungsvorschrift“, die sich jeder einzelne Beamte allenfalls durch eine „fortschreibende Auslegung“ erschließen könnte, den Anforderungen an einen „hinreichend genauen“ und für effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens geeigneten „Rechtsrahmen“ nicht genügen.
113 
Die „BRAS 120“ genügen den unionsrechtlichen Vorgaben zudem auch deshalb inhaltlich nicht, weil das Unionsrecht einen Rechtsrahmen verlangt, der seinem Inhalt nach eine Lenkung „der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität“ der Kontrollen gewährleistet (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 59). Auch daran fehlt es. Konkrete Vorgaben für die Durchführung von Identitätsfeststellungen enthalten die „BRAS 120“ allenfalls in der zitierten Nummer 4, die sich - bei wohlwollender Auslegung - auf die „Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise“ beziehen (Alt. 1 des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG). Selbst diese Vorgaben beziehen sich aber nur auf die Anforderungen an eine Kontrolle im Einzelfall. Sie sind, da sie - anders als etwa die vom EuGH gebilligten niederländischen Regelungen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff., 80) - keine Beziehung zu der Gesamtheit aller Kontrollen enthalten und auch keine Beschränkung beispielsweise auf Stichproben vorsehen, nicht geeignet, die „Häufigkeit“ der Kontrollen im Grenzgebiet insgesamt effektiv zu beschränken (im Ergebnis ebenso Michl, a.a.O., S. 58 zu dem Erlass des BMI vom 07.03.2016). Für die zweite Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG („Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt es, wie gezeigt, noch weitergehend an jeglichen präzierenden und beschränkenden Vorgaben.
114 
(c) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im April 2013 schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass sie § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der Verwaltungspraxis - schon wegen der Zahl der zur Verfügung stehenden Beamten - nicht flächendeckend, sondern nur für stichprobenartige Kontrollen anwende. Eine - ohnehin jederzeit änderbare - Verwaltungspraxis stellt weder der Form noch dem Inhalt nach einen „Rechtsrahmen“ im oben genannten Sinne dar und wäre erst recht nicht dazu geeignet, die vom Unionsrecht geforderten - ihrerseits kontrollierbaren - „Konkretisierungen und Einschränkungen“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen zu gewährleisten (vgl. Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682>; Michl, a.aO., S. 55 ff.; insoweit selbst die Verwaltungsvorschriften in Betracht ziehenden Stimmen aus dem Schrifttum, die zumindest „Rechtsvorschriften des positiven Rechts“ verlangen, vgl. Graf Vitzthum, a.a.O., S. 241; Kempfler, a.a.O., S. 11).
115 
cc) Fehlte es nach alledem jedenfalls im April 2013 an dem unionsrechtlich gebotenen Rechtsrahmen zur Konkretisierung und Einschränkung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, war diese Norm im damaligen Zeitpunkt unanwendbar (vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.1964 - 6/64 - Slg. 10, 1251; BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422; BVerwG, Urt. v. 07.07.2011 - 10 C 26.10 - BVerwGE 140, 114; zum Anwendungsvorrang im Polizeirecht auch Lindner, JuS 2005, 302 <303>). Die zu Lasten des Klägers durchgeführte Identitätsfeststellung war daher mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig.
116 
2. Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - jedenfalls materiell rechtswidrig. Denn sie wurde unter Zugrundelegung der „BRAS 120“, die aus Sicht der Beklagten als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift fungieren sollte, ermessensfehlerhaft durchgeführt.
117 
§ 23 Abs. 1 BPolG räumt der Beklagten Ermessen ein („kann“). Nach ihrem Vortrag sollten die „BRAS 120“ dieses Ermessen steuern. Nummer 4 des oben zitierten Abschnitts der „BRAS 120“ nimmt bei wohlwollender Auslegung, wie gezeigt, auf die erste Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG Bezug (Identitätsfeststellung zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet, im Sprachgebrauch von Nummer 4 der „BRAS 120“ „illegale Einreise oder Schleusung“). Nach den diesbezüglichen Erläuterungen der „BRAS 120“ soll eine Identitätsfeststellung erfolgen, wenn Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben sind, was der Fall sein soll, wenn
118 
„durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
119 
und
120 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
121 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
122 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.“
123 
Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Dass - im Sinne der ersten der beiden kumulativen Voraussetzung - Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen am Freiburger Hauptbahnhof bestanden, hat die Beklagte zwar mit dem auch für den April 2013 ergiebigen „Lagebild“ dargelegt (vgl. a.a.O., S. 9 = Bl. 989 d. VGH-Akte). Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - im Sinne der zweiten Voraussetzung - aufgrund seines „äußeren Anscheins“ oder „sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse“ unerlaubt eingereist sein oder gar andere bei einer illegalen Einreise unterstützt haben könnte, hat die Beklagte hingegen nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei der am 13.04.2013 durchgeführten Kontrolle selbst haben die Beamten dem Kläger keine dahingehenden Anhaltspunkte benannt, sondern nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten wiederholt erklärt, die Kontrolle sei „verdachtsunabhängig“ durchgeführt worden. Auch in dem die Beschwerde des Klägers zurückweisenden Schreiben der Bundespolizeiinspektion Stuttgart vom 29.05.2013 führte diese lediglich aus, Adressat einer Maßnahme der durchgeführten Art könne „jedermann“ sein (a.a.O., S. 4 = Bl. 25 d. Verw.-Akte). In der Klageerwiderung vom 18.07.2013 erläuterte die Beklagte (erstmals), der Kläger habe eine „Tasche“ (gemeint wohl: den Rucksack) mit sich geführt, „was auf eine entweder bereits erfolgte oder bevorstehende Reiseabsicht in Grenznähe schließen“ lasse und „somit“ hätten die materiellen Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung vorgelegen (Schriftsatz vom 18.07.2013, S. 4 = Bl. 95 d. VG-Akte; ähnl. das Vorbringen im Berufungsverfahren, vgl. Schriftsatz vom 02.08.2017, S. 12 = Bl. 921 d. VGH-Akte). Mit dem Hinweis auf den Rucksack des Klägers und eine daraus ableitbare Reiseabsicht sind jedoch keine Anhaltspunkte für eine gerade „unerlaubte“ Einreise dargelegt.
124 
Die Beklagte kann dem auch nicht mit Erfolg ihren zuletzt sinngemäß erhobenen Einwand entgegenhalten, die zweite der beiden kumulativen Voraussetzungen erfordere nur, dass die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins unerlaubt eingereist sein „könne“, wodurch zwar beispielsweise Angestellte einer Bäckerei in einem Bahnhof als Adressaten einer Personenkontrolle ausgeschlossen seien, womit aber grundsätzlich jeder Reisende dafür in Betracht komme. Der Senat vermag dieser von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der oben zitierten Nummer 4 der „BRAS 120“ schon in der Sache nicht zu folgen. Denn damit würde der Wortlaut der Vorschrift, der „verdachtsbegründende“ Erkenntnisse verlangt, überdehnt. Die Auslegung liefe zudem der von der „BRAS 120“ ansatzweise bezweckten Beschränkung der Kontrollen zuwider. Unabhängig davon wäre die Klage bei Zugrundelegung der von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der Nr. 4 - gemessen an dem oben (unter 1.) Gesagten - erst recht begründet. Denn bei dieser weiten Auslegung, nach der praktisch jeder Reisende in einem Grenzbahnhof wie dem Freiburger als Adressat einer Maßnahme der Schleierfahndung in Betracht kommt, böten die „BRAS 120“ erst recht keinen Rahmen, der die unionsrechtlich geforderte Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen gewährleistet. Hinzu kommt, dass die „BRAS 120“ bei diesem weiten Begriffsverständnis auch dem oben genannten unionsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht genügen würden.
125 
Aus den vorstehenden Bedenken folgt nicht, dass der nationale Gesetzgeber die vom Unionsrecht geforderten Beschränkungen zwingend durch Vorschriften normieren muss, die Kontrollen vom Vorliegen konkreter Gefahren oder auch sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse abhängig machen. Dieser in den „BRAS 120“ - wenn auch defizitär - verfolgte Ansatz ist ein möglicher, aber nicht der einzige Weg, die erforderlichen Einschränkungen vorzunehmen. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht schließen die Durchführung von verdachtsunabhängigen Kontrollen grundsätzlich aus. Wenn solche Kontrollen im nationalen Recht ermöglicht werden sollen, müssen aber auf andere Weise geeignete Einschränkungen im nationalen Rechtsrahmen verankert werden, die sich beispielsweise aus hinreichend konkreten Vorgaben zur Quantität der (verdachtsunabhängigen) Kontrollen ergeben können (vgl. zu dem dahingehenden „Stichprobenansatz“ im niederländischen Recht EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff.).
126 
II. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch das zeitweilige Festhalten des Klägers am Oberarm war ebenfalls rechtswidrig.
127 
Als Rechtsgrundlage für die Anwendung von Verwaltungszwang kommt einzig § 6 Abs. 1 und 2 VwVG i.V.m. den Vorgaben des UZwG in Betracht. Die sich daraus ergebenden Voraussetzungen waren jedoch nicht erfüllt.
128 
Nach § 6 Abs. 1 VwVG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit den Zwangsmitteln nach § 9 VwVG - darunter der unmittelbare Zwang - durchgesetzt werden, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist. Gemäß § 6 Abs. 2 VwVG kann der Verwaltungszwang auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.
129 
Zwangsmittel - darunter der unmittelbare Zwang - müssen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2 VwVG), schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG). Die Androhung ist zuzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist (§ 13 Abs. 7 VwVG). Von dem Gebot, Zwangsmittel schriftlich - und nicht lediglich mündlich - anzudrohen, sieht das Bundesverwaltungsvollstreckungsrecht anders als einige Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze Ausnahmen nur bei der Androhung der Anwendung von Schusswaffen oder Explosivmitteln vor (vgl. §§ 13 f. UZwG und dazu Sadler, VwVG, VwZG, 8. Aufl., § 13 VwVG Rn. 32 f.). Im Übrigen ist das Schriftlichkeitsgebot zwingend (vgl. Sadler, a.a.O., § 13 Rn. 25; Mosbacher, in: Engelhardt/App/Schlattmann, VwVG/VwZG, § 13 Rn. 8). Liegt kein die Androhung von Schusswaffen oder Explosivmittel betreffender Ausnahmefall vor und ist es im konkreten Einzelfall dennoch nicht möglich, die Androhung - wie grundsätzlich geboten - schriftlich zu verfassen und zuzustellen, führt diese Rechtslage dazu, dass die mündliche Androhung rechtstechnisch als Ankündigung eines unmittelbaren Zwangs durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG einzuordnen ist (Sadler, a.a.O., § 6 Rn. 292 ff., § 13 Rn. 33). Diese Vorschrift findet mithin auch Anwendung, wenn ein Verwaltungsakt zwar ergangen ist, die Umstände des Einzelfalls aber eine Einhaltung der (übrigen) Vollstreckungsvoraussetzungen des gestreckten Verfahrens, insbesondere die Erteilung einer schriftlichen Androhung, nicht erlauben (vgl. Sadler, a.a.O., § 6 Rn. 287 ff.; Mosbacher, a.a.O., § 6 Rn. 22 m.w.N.).
130 
Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben bedarf es keiner Entscheidung, ob an den Kläger ein mündlicher Verwaltungsakt mit dem Inhalt, die Bundespolizeibeamten zur Dienststelle zu begleiten, ergangen ist oder nicht. Falls ein solcher Grundverwaltungsakt nicht erlassen wurde, handelte es sich bei dem Griff des Beamten an den Oberarm des Klägers um einen Fall des sofortigen Vollzugs, der den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG genügen muss. Falls ein solcher Verwaltungsakt erlassen wurde, gilt im Ergebnis Gleiches. Denn die Vollstreckung des Grundverwaltungsakt durch unmittelbaren Zwang wurde jedenfalls nicht - wie nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG geboten - schriftlich angedroht, sodass sich die Anwendung des unmittelbaren Zwangs auch in diesem Fall an § 6 Abs. 2 VwVG messen lassen muss.
131 
An den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG gemessen war das Vorgehen der Beamten der Beklagten rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift setzt die Anwendung von Verwaltungszwang im Wege des sofortigen Vollzugs, wie gezeigt, unter anderem voraus, dass die Behörde hierbei „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“ handelt. Daran fehlt es hier.
132 
Eine Behörde handelt nur dann im Sinne des § 6 Abs. 2 VwVG „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“, wenn sie zuständig und auf Grund des materiellen Verwaltungsrechts berechtigt ist, von dem in Anspruch Genommenen das Tun oder Unterlassen zu verlangen, das sie erzwingt (VG Berlin, Urt. v. 19.05.2011 - 1 K 249.10 - juris; Mosbacher, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 29; Sadler, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 326; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 22). Dieser Befund mag rechtspolitisch unbefriedigend sein, weil der Bundesgesetzgeber damit auf der Ebene der besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen von dem allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsatz, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme unerheblich ist (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290; BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 - 7 C 5.08 - VBlBW 2009, 55; Baumeister, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 14 jeweils m.w.N.), für den Sonderfall eines sofortigen Vollzugs abgewichen ist (krit. daher auch Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 22). De lege lata sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der (ggf. fiktiven) Grundverfügung aber in diesem Sonderfall Voraussetzung auch für die Anwendung des sofortigen Vollzugs (Mosbacher, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 29; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 22; Sadler, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 326), was der Überlegung geschuldet ist, dass der Verzicht auf einen Grundverwaltungsakt oder auf die Einhaltung der regulären Vollstreckungsvoraussetzungen, hier einer schriftlichen Androhung, nur dann gerechtfertigt sein soll, wenn zumindest feststeht, dass der (ggf. fiktive) Grundverwaltungsakt rechtmäßig ist (vgl. zur ähnlichen Prüfungsstruktur bei landesrechtlichen Regelungen zur sog. unmittelbaren Ausführung Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Bad.-Württ., 6. Aufl., Rn. 793 f., 798; Belz u.a., Polizeigesetz für Bad.-Württ., 8. Aufl. § 8 Rn. 2, 6). Ausgehend von diesen Grundsätzen war der sofortige Vollzug im vorliegenden Fall rechtswidrig. Denn die - tatsächliche oder fiktive - Grundverfügung mit dem Gebot der Beamten an den Kläger, sie zur Dienststelle zu begleiten, war auf § 23 Abs. 3 Satz 4 BPolG gestützt. Diese Vorschrift bot für die Grundverfügung jedoch keine Rechtsgrundlage, da sie aus den oben (unter I.) genannten unionsrechtlichen Gründen im April 2013 unanwendbar war.
133 
III. Der nach Aushändigung des Personalausweises durchgeführte Datenabgleich war ebenfalls rechtswidrig.
134 
Als Rechtsgrundlage für diese Maßnahme kommt einzig der auch von der Beklagten ins Feld geführte § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen (sog. Fahndungsabgleich). Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BPolG). Die Vorschrift setzt voraus, dass der Bundespolizei die personenbezogenen Daten, die abgeglichen werden sollen, auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind (Arzt, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 34 Rn. 7; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 34 Rn. 12 m.w.N.). Daran fehlt es hier aus den oben (unter I.) genannten unions- und bundesrechtlichen Gründen.
135 
IV. Die Durchsuchung des Rucksacks des Klägers war ebenfalls rechtswidrig.
136 
1. In § 44 Abs. 2 BPolG fand diese Maßnahme keine Rechtsgrundlage. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern eine Sache auch zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG durchsuchen. Diese § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ergänzende Vorschrift ist Teil der Bestimmungen zur sog. Schleierfahndung und soll im o.g. Sinne verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen. Sie war jedenfalls im April 2013 aus den oben (unter I.) genannten unionsrechtlichen Gründen unanwendbar.
137 
2. Auch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 3 BPolG bot keine Rechtsgrundlage für die Durchsuchung des Rucksacks.
138 
Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG kann die Bundespolizei eine Sache durchsuchen, wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 43 BPolG durchsucht werden darf. Nach § 43 Abs. 3 BPolG kann die Bundespolizei eine Person, deren Identität nach dem Bundespolizeigesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz des Beamten der Bundespolizei, der Person selbst oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
139 
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen hier nicht vor. Das folgt bereits daraus, dass die Beamten der Beklagten den Rucksack des Klägers - auch nach der Darstellung der Beklagten - erst durchsuchten, nachdem der Kläger seinen Personalausweis bereits vorgezeigt hatte. Er war daher zum Zeitpunkt der Durchsuchung nicht mehr eine „Person, deren Identität festgestellt werden soll“.
140 
Unabhängig davon besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beamten der Beklagten den Rucksack des Klägers zum Zwecke der Eigensicherung durchsuchten. In dem nachgereichten Durchsuchungsprotokoll gab die Beklagte an, dass zwar die Maßnahme „gem. § 43 Abs. 3 BPolG“ - d.h. die Aufforderung zur Offenlegung des Inhalts der Hosentasche (dazu unten V.) - „zur Eigensicherung während der Identitätsfeststellung“ durchgeführt worden sei. Die Beklagte erklärte aber in dem Protokoll zugleich, dass die Maßnahme „gem. § 44 Abs. 2 BPolG“ - d.h. die Durchsuchung des Rucksacks - eine „Durchsuchung im 30km-Gebiet zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise/Verbringungsverbote“ gewesen sei (vgl. Bl. 16 d. Verw.-Akte). Das entspricht den Angaben von POK xxx in dem von ihm am 18.04.2013 und damit wenige Tage nach der Kontrolle erstellten Stellungnahme, in der er ausführte (Bl. 7 d. Verw.-Akte): „Währenddessen wurde der mitgeführte Rucksack des [Klägers] durch POM xxx durchsucht. Diese Maßnahme begründete sich im Verhalten des [Klägers]. Er war sehr nervös und vermittelte dadurch (nach polizeilichen Erfahrungswerten) den Eindruck, möglicherweise gegen Verbringungsverbote zu verstoßen“. Das belegt zusätzlich, dass die Beamten der Beklagten jedenfalls mit der Durchsuchung des Rucksacks nicht das Ziel einer Eigensicherung verfolgten, sondern sich auch insoweit auf Rechtsgrundlagen aus dem Bereich der „Schleierfahndung“ - dem selbst angeführten § 44 Abs. 2 BPolG - stützten.
141 
3. Die Durchsuchung fand danach auch in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 2 BPolG keine Rechtsgrundlage. Die zuletzt genannte Vorschrift gestattet die Durchsuchung von Personen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Sicherstellen kann die Bundespolizei eine Sache - nach dem hier allenfalls in Betracht kommenden Tatbestand - um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 47 Nr. 1 BPolG), weil entweder von der Sache selbst eine Gefahr ausgeht, weil sie sich in einem gefährlichen Zustand befindet, oder diese in einer Weise verwendet wird, aus der sich Gefahren für Dritte ergeben, insbesondere deren Verletzung droht (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 47 Rn. 9). Die Abwehr solcher Gefahren war aus den oben (2.) genannten Gründen nicht Zweck der Durchsuchung des Rucksacks.
142 
Die von den Beamten angeführte Rechtsgrundlage - § 44 Abs. 2 BPolG - kann im Übrigen auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 2 BPolG ausgetauscht werden. Ein solcher Austausch kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein Verwaltungsakt dadurch und durch den Austausch der Begründung nicht in seinem Wesen geändert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.2010 - 8 C 12.09 - NVwZ-RR 2010, 636 m.w.N.). Wird speziell eine Ermessensentscheidung der Behörde durch die angegebene Rechtsgrundlage nicht gedeckt, kann sie nur dann aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig sein, wenn die beiden Vorschriften zugrundeliegenden Erwägungen übereinstimmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.05.1991 - 8 S 1068/91 - NuR 1991, 434). Nach diesen Grundsätzen ist schon deshalb kein Raum dafür, die Durchsuchung nachträglich und entgegen der von der Beklagten ausdrücklich angegebenen Rechtsgrundlage des § 44 Abs. 2 BPolG auf § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 2 BPolG zu stützen, da Maßnahmen der sog. Schleierfahndung, die auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne gerade verzichten, im Vergleich zu Maßnahmen zur Abwehr konkreter - hier sogar „gegenwärtiger“ - Gefahren wesensverschieden sind. Hinzu kommt, dass in beiden Fällen auch unterschiedliche Gesichtspunkte für die Ermessensausübung von Belang sind.
143 
V. Die Aufforderung der Beamten an den Kläger, seine Hosentaschen zu leeren, und die Betrachtung der vorgezeigten Gegenstände waren hingegen rechtmäßig.
144 
1. Als Rechtsgrundlage für die genannten Maßnahmen kommt der die „Durchsuchung von Personen“ regelnde § 43 BPolG allerdings nicht in Betracht.
145 
Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BPolG kann eine Person durchsucht werden, wenn sie nach dem Bundespolizeigesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann. Nach § 43 Abs. 3 BPolG kann, wie gezeigt, die Bundespolizei eine Person, deren Identität nach dem Bundespolizeigesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz des Beamten der Bundespolizei, der Person selbst oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
146 
Diese Vorschriften scheiden als Rechtsgrundlage schon dem Grunde nach aus, da die Beamten die Person des Klägers nicht durchsucht haben. Unter einer „Durchsuchung der Person“ ist die Suche nach Gegenständen am Körper oder in den Kleidungsstücken des Betroffenen zu verstehen, die sich auf ein Hineingreifen in und zwischen die am Körper getragenen Kleidungsstücke, ein Abtasten des bekleideten Körpers sowie erforderlichenfalls die Nachschau (Betrachtung) des unbekleideten Körpers erstreckt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 16.07.1998 - 24 ZB 98.850 - NVwZ-RR 1999, 310; W.-R. Schenke, a.a.O., § 32 BPolG Rn. 3; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 43 Rn. 2 m.w.N.). Hierbei handelt es sich um einen Realakt (Drewes/Malmberg/Walter ebd.), den nur die Polizei selbst vornehmen kann (Rachor, a.a.O., E Rn. 576). Zu einem solchen Realakt kam es hier nicht. Denn ihre Beamten haben den Kläger stattdessen aufgefordert, seine Hosentaschen selbst zu leeren, und die von ihm daraufhin vorgezeigten Gegenstände in Augenschein genommen. Rechtlich betrachtet haben die Beamten mit ihrer Aufforderung an den Kläger, den Inhalt seiner Hosentaschen selbst vorzuzeigen, dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Betroffenen selbst beim Vorliegen der Voraussetzungen einer „Durchsuchung der Person“ zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zunächst grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden muss, den Inhalt seiner Taschen auszuleeren und bei Bedarf Kleidungsstücke abzulegen (vgl. Rachor, a.a.O., E Rn. 574). Da es sich hierbei um ein deutlich milderes Mittel handelt (vgl. Rachor, a.a.O., E Rn. 172, 574), das die mit einer Durchsuchung der Person verbundenen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht - unter Umständen in die Intimsphäre - des Betroffenen gerade vermeidet, muss eine solche Aufforderung nicht den strengen Anforderungen genügen, die der Gesetzgeber für eine Durchsuchung der Person aufgestellt hat.
147 
2. Die Aufforderung, die Hosentaschen zum Zwecke der Eigensicherung der Polizeibeamten zu leeren, findet ihre Rechtsgrundlage stattdessen mangels abschließender Regelung in den Vorschriften über die Standardmaßnahmen in der polizeiliche Generalklausel aus §§ 1 bis 7 i.V.m. § 14 BPolG.
148 
Nach § 14 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 BPolG die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt. Eine Gefahr in diesem Sinne ist eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 BPolG obliegen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG), darunter der Grenzschutz (§ 2 Abs. 1 BPolG).
149 
a) Die Vorschriften über die polizeiliche Generalklausel sind wirksam. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannten Vorschriften bestehen entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht.
150 
Solche Bedenken ergeben sich insbesondere nicht aus dem sinngemäßen Einwand des Klägers, durch die Einführung der Vorschriften über die Schleierfahndung aus § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 44 Abs. 2 Satz 1 BPolG sei der frühere Bundesgrenzschutz unter Verstoß gegen formelles und materielles Verfassungsrecht zu einer „allgemeinen Polizei des Bundes praeter constitutio(nem)“ geworden. Die diesbezüglichen Einwände beziehen sich auf die Änderungsgesetze zur Schaffung der § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 44 Abs. 2 Satz 1 BPolG zur verdachtsunabhängigen - von konkreten Gefahren grundsätzlich abgelösten - Schleierfahndung. In Bezug auf Rechtsgrundlagen aus dem Bundespolizeigesetz, die - wie hier die polizeirechtliche Generalklausel - der Abwehr von konkreten Gefahren dienen, führen sie nicht weiter (vgl. unabhängig davon zur Vereinbarkeit der Vorschriften zur Schleierfahndung mit deutschem Verfassungsrecht W.-R. Schenke, a.a.O., § 23 BPolG Rn. 12 f. m.w.N.).
151 
Soweit der Kläger Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Bundespolizeigesetzes insgesamt mit seinem sinngemäßen Einwand vorträgt, die durch den Bundesgesetzgeber eingeführte Bezeichnung „Bundespolizei“ sei irreführend und verstoße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Sachlichkeitsgebot, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Der Gesetzgeber hat sich bei dem „Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei“ vom 21.06.2005 (BGBl. I S. 1818) von der Überlegung leiten lassen, dass der zuvor so bezeichnete Bundesgrenzschutz eine Polizei des Bundes ist, „deren Aufgabe sich längst nicht mehr auf den klassischen Schutz der Grenzen beschränkt. Die bestehende Bezeichnung ‚Bundesgrenzschutz‘ wird der tatsächlichen Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht“ (Gesetzesbegründung vom 07.04.2005, BT-Drs. 15/5217, S. 1). Weshalb diese Erwägung „irreführend“ oder sonst unter Verstoß gegen Verfassungsrecht unsachlich sein sollte, erschließt sich nicht.
152 
b) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel wird im vorliegenden Fall auch nicht, wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung in Betracht gezogen, durch die Vorschriften aus § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BPolG ausgeschlossen. Der rechtsmethodische Grundsatz, dass das spezielle Gesetz das allgemeinere verdrängt, ist nicht einschlägig, da § 43 BPolG, wie gezeigt, eine Durchsuchung der Person regelt, um die es hier nicht geht, und daher gegenüber Vorschriften, die andere Maßnahmen zur Inaugenscheinnahme eines Tascheninhalts gestatten, kein spezielleres Gesetz ist. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber § 43 BPolG als abschließende Regelung mit dem Inhalt normieren wollte, dass eine Aufforderung, den Tascheninhalt vorzuzeigen, generell ausgeschlossen sein sollte. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil das einem gesetzlichen Ausschluss von zum Zwecke der Eigensicherung in vielen Fällen gleich wirksamen, aber weniger beeinträchtigenden Maßnahmen gleichkäme, was mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 15 BPolG) nicht zu vereinbaren wäre.
153 
c) Der Anwendung der polizeilichen Generalklausel kann auch nicht entgegengehalten werden, die Beamten der Beklagten hätten auch insoweit - wie bei der Durchsuchung des Rucksacks - tatsächlich nicht zu Zwecken der Eigensicherung gehandelt, sondern sich noch im Bereich der sog. Schleierfahndung bewegt. In dem von der Beklagten erstellten, wie gezeigt differenzierten (s. oben IV.2.) Durchsuchungsprotokoll hatte die Beklagte angegeben, dass - anders als die Durchsuchung des Rucksacks - die Aufforderung zur Offenlegung des Inhalts der Hosentaschen „zur Eigensicherung während der Identitätsfeststellung“ durchgeführt wurde (vgl. Bl. 16 d. Verw.-Akte). An der Richtigkeit dieser Angabe zum Zweck der Maßnahme bestehen keine Zweifel. Sie stimmen mit den Angaben der handelnden Beamten und dem Vortrag des Klägers überein, dass eine der anwesenden Beamtinnen erläutert hatte, man wolle am Abend „sicher zu den Familien zurückkehren“. Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung des Senats erläutert, dass er im Zusammenhang mit der Aufforderung, seine Hosentaschen zu leeren, seitens der Beamten gefragt wurde, ob er Waffen oder gefährliche Gegenstände bei sich trage, und dass diese auf (ihres Erachtens sich durch die Hose abzeichnende) „spitze Gegenstände in der Tasche“ verwiesen hatten. Dass das Gebot, den Inhalt der Hosentaschen zu offenbaren, tatsächlich dem Zweck der Eigensicherung diente, steht daher außer Zweifel.
154 
d) Die Beamten der Beklagten sind bei dem Erlass des Verwaltungsakts mit dem Gebot an den Kläger, den Inhalt seiner Hosentaschen offen zu legen, formell rechtmäßig vorgegangen.
155 
aa) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, wie sämtliche angegriffenen Maßnahmen sei auch das Vorgehen der Beamten im Zusammenhang mit dem Inhalt seiner Hosentaschen bereits aus formellen Gründen nichtig.
156 
Er trägt vor, die Bundespolizeibeamten hätten ihn über die Behördeneigenschaft irregeführt, weil die ihm damals ausgehändigte Visitenkarte die Beamten als solche der „Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein“ ausgewiesen habe, obwohl die Bundespolizeiinspektion keine Behörde, sondern eine unselbständige Untergliederung sei. Diese „Irreführung“ habe dazu geführt, dass er seine Klage bei einem Gericht - dem Verwaltungsgericht Freiburg - eingelegt habe, das sich für nicht zuständig gehalten habe. Die „Irreführung“ führe analog § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG zur „Gesamtnichtigkeit“ der Maßnahmen.
157 
Der Einwand geht fehl. Das gilt unabhängig davon, dass ihm die Visitenkarte ohnehin nach dem Abschluss der Maßnahme betreffend seine Hosentasche ausgehändigt wurde. Nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt, der schriftlich oder elektronisch erlassen wurde, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt, nichtig. Es bedarf keiner Entscheidung, ob diese Vorschrift auf mündliche Verwaltungsakte analog anwendbar ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Rn. 35 m.w.N. zum Meinungsstand). Die Regelung kommt allenfalls dann zum Tragen, wenn für die Betroffenen auch aus den Umständen des Erlasses des Verwaltungsakts nicht mit hinreichender Sicherheit erkennbar ist, ob und ggf. welche Behörde die Regelung getroffen hat. Davon kann hier keine Rede sein. Die Angaben auf der dem Kläger ausgehändigten Visitenkarte waren in tatsächlicher Hinsicht zutreffend (vgl. die Kopie auf S. 141 der Berufungsbegründung = Bl. 675 d. VGH-Akte: „Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein, Revier Freiburg, […], Polizeioberkommissar, Gruppenleiter BPOLR FR - DGE, Hausanschrift: […]“). Dass der Kläger aus diesen zutreffenden Angaben rechtliche falsche Schlüsse in Bezug auf das für seine Klage zuständige Verwaltungsgericht (vgl. § 52 VwGO) gezogen hat, begründet keine „Irreführung“ und führt auch sonst nicht zur formellen Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit des mündlichen Verwaltungsakts.
158 
bb) Das an den Kläger ergangene Gebot, den Inhalt seiner Hosentaschen vorzuzeigen, war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sich nur einer der Beamten (mittels der Visitenkarte) ausgewiesen hat und nach Darstellung des Klägers auch dies erst nach dem Abschluss der Maßnahmen erfolgt ist. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine solche Ausweispflicht im April 2013 aus den hierfür allenfalls in Betracht kommenden innerdienstlichen Weisungen der Beklagten folgte und ob der Kläger daraus ggf. einen Anspruch auf Ausweisung abzuleiten vermochte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, handelte es sich dabei jedenfalls nicht um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass von Verwaltungsakten zur Gefahrenabwehr.
159 
cc) Ein formeller Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger hervorgehobenen und in § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG geregelten Umstand, dass mündlich erlassene Verwaltungsakte zu bestätigen sind, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Das Gebot, einen mündlichen Verwaltungsakt nachträglich zu bestätigen, stellt lediglich eine schlichthoheitliche Maßnahme dar, die Beweiszwecken dient (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 23 m.w.N.). Aus der Vorschrift ergibt sich jedoch keine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den - bereits erlassenen - mündlichen Verwaltungsakt. Unabhängig davon ist der Einwand des Klägers auch in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Denn die Beklagte hat die an den Kläger ergangene Aufforderung, den Inhalt seiner Hosentaschen vorzuzeigen, seit dem von ihm eingeleiteten Beschwerdeverfahren mehrfach bestätigt und erläutert.
160 
dd) Unerheblich für die formelle Rechtmäßigkeit der Aufforderung, den Inhalt der Hosentaschen vorzuzeigen, ist auch, ob § 44 Abs. 4 Satz 3 BPolG auf eine solche Fallkonstellation, wie der Kläger meint, entsprechend anzuwenden ist. Nach dieser unmittelbar bei der Durchsuchung von Sachen anwendbaren Vorschrift ist dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund zu erteilen. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob diese Bescheinigung unmittelbar nach der Durchsuchung ausgestellt werden muss oder - wie hier etwa in Bezug auf den Rucksack geschehen - auch im Wege einer nachgehenden Übersendung des Durchsuchungsprotokolls erfolgen kann. Denn das Gebot, eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund auszustellen, ist jedenfalls keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchsuchung (vgl. Drewes/Malm-berg/Walter, a.a.O., § 44 Rn. 22; W.-R. Schenke, a.a.O., § 44 Rn. 19; a.A. insoweit wohl Rachor, a.a.O., E Rn. 626, der aber auf eine Heilung nach § 46 VwVfG verweist).
161 
e) Der Verwaltungsakt mit dem Gebot an den Kläger, den Inhalt seiner Hosentaschen offen zu legen, war auch materiell rechtmäßig.
162 
Die von der polizeilichen Generalklausel vorausgesetzte Gefahr für die öffentliche Sicherheit lag vor. Denn die Beamten der Beklagten durften bei einer Zusammenschau des ungewöhnlichen Verhaltens des Klägers - dem auch von ihm eingeräumten Erheben der Stimme, seinem nervösen Auftreten, seiner Reaktion auf die Aufforderung Abstand zu halten und seinem reflexartigen Fassen an oder in die gefüllten Hosentaschen -, das sich als deutliche Überreaktion auf einen vergleichsweise nichtigen Anlass darstellte, und des Umstands, dass in seinen Hosentaschen auch nach seiner Darstellung Gegenstände erkennbar waren, bei verständiger Würdigung der Lage davon ausgehen, dass es in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an Individualrechtsgütern, hier namentlich zu einer Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit kommen würde (vgl. zu den Begriffen der konkreten Gefahr und der öffentlichen Sicherheit nur W.-R. Schenke, a.a.O., § 14 Rn. 10 f.; 19; Drewes/Malm-berg/Walter, a.a.O., § 14 Rn. 25, 29). Das gilt umso mehr, als bei einer zum Zwecke der Eigensicherung verfügten Aufforderung, den Inhalt von Hosentaschen offenzulegen, angesichts der hohen Bedeutung der hier gefährdeten Rechtsgüter - Leib und Leben der Beamten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) - keine übersteigerten Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen sind. Unabhängig davon ergäbe sich selbst dann nichts anderes, wenn man davon ausginge, dass die den Beamten bekannten Tatsachen lediglich einen Gefahrenverdacht begründeten. Sie waren dann jedenfalls zu Gefahrerforschungsmaßnahmen befugt, um den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.03.1994 - 10 S 1415/92 - VBlBW 1995, 64; zur Zulässigkeit von Gefahrerforschungseingriffen auf der Grundlage der bundespolizeilichen Generalklausel Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 14 Rn. 57). Das Leeren der Taschen des Klägers diente dem Zweck, durch weitere Ermittlungen auszuschließen, dass er gefährliche Gegenstände bei sich trug und ggf. einsetzen würde.
163 
Der Kläger kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, eine Gefahr habe deshalb nicht vorgelegen, weil zum Zeitpunkt dieser Aufforderung sechs Beamten anwesend gewesen seien. Dieser Umstand hätte möglicherweise bei drohender Realisierung der Gefahr eine Schadensabwehr oder -minderung erleichtert, er schloss das Vorliegen einer Gefahr oder eines dahingehenden Verdachts aber nicht aus.
164 
Unerheblich ist auch, ob die Aufforderung der Beamten, den Inhalt der Hosentaschen vorzuzeigen, - wie die Beklagte vorträgt - während oder - wie der Kläger behauptet - nach Abschluss der Identitätsfeststellung und des Datenabgleichs erfolgte. Ohne Belang sind auch die zwischen den Beteiligten im Einzelnen umstrittenen Fragen, ob jene Maßnahme während oder nach der Durchsuchung des Rucksacks stattfand oder sich damit (nur) teilweise zeitlich überschnitt. Unerheblich ist ferner, ob die Identitätsfeststellung und die Durchsuchung des Rucksacks ihrerseits rechtmäßig waren. Besteht die Gefahr, dass eine - zu Recht oder zu Unrecht - noch oder bis kurz zuvor angehaltene Person Beamte am Körper verletzen könnte, sind diese berechtigt, Maßnahmen zur Eigensicherung zu treffen. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren außerhalb des Bereichs der sog. Schleierfahndung. Schon deshalb besteht der vom Kläger behauptete, alle Maßnahmen übergreifende „Rechtmäßigkeitszusammenhang“ nicht.
165 
Die Aufforderung der Beamten an den Kläger, die Hosentaschen zu leeren, war auch im Übrigen materiell rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei, namentlich verhältnismäßig. Die Beamten haben das in der konkreten Situation mildeste Mittel zur Erreichung des Eigensicherungszwecks (vgl. dazu das Durchsuchungsprotokoll, Bl. 16 d. Verw.-Akte: „Eigensicherung“) gewählt, das zur Erreichung dieses Ziels - des Schutzes von Leib und Leben der Beamten - erforderlich war und angesichts des hohen Rangs der geschützten Rechtsgüter (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einerseits und des vergleichsweise geringfügigen Eingriffs in die Rechte des Klägers andererseits nicht unangemessen (unverhältnismäßig i.e.S.) war.
166 
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, ein materieller „Rechtswidrigkeitsgrund“ ergebe sich daraus, dass die Beklagte mit der gesamten, auch noch während der Kontrolle seiner Hosentascheninhalts (und des Rucksacks) erfolgten, von ihm so bezeichnete „Bewegungseinschränkung“ gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG verstoßen habe. Ein solcher Verstoß liegt nicht vor. Eine „Freiheitsentziehung“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG haben die Beamten der Beklagten entgegen den Andeutungen des Klägers nicht durchgeführt, da der Zweck der Maßnahme - die Kontrolle des Inhalts der Hosentaschen - nicht die Einschränkung der Bewegungsfreiheit - sondern die Eigensicherung - war und diese auch nicht länger andauerte, als dies für diesen Zweck und eine Maßnahme dieser Art typischerweise zu veranschlagen ist (s. näher zur Abgrenzung Rachor, a.a.O., E Rn. 496). Dass der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung sinngemäß ausgeführt hat, die Maßnahme auch angesichts der Zahl der bis dahin anwesenden Beamten subjektiv als „freiheitsentziehend“ empfunden haben mag, ändert daran nichts. Die mit dem kurzzeitigen Anhalten verbundene Freiheitsbeschränkung begegnet auch im Lichte des Art. 104 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere war die gebotene gesetzliche Grundlage vorhanden (vgl. oben a).
167 
3. Selbst wenn die Aufforderung zur Offenlegung des Hosentascheninhalts an dem die „Durchsuchung von Personen“ regelnden § 43 BPolG gemessen würde, ist die Maßnahme rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage dann in dessen Absatz 1 Nr. 2 BPolG. Nach dieser Vorschrift kann, wie gezeigt, die Bundespolizei eine Person durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen, wobei die Bundespolizei eine Sache sicherstellen kann, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 47 Nr. 1 BPolG). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Denn aus den oben (unter 2.) genannten Gründen rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass der Kläger Gegenstände mit sich führen könnte, die eine gegenwärtige - d.h. zeitlich besonders naheliegende und mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit bestehende (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 47 BPolG Rn. 8) - Gefahr für die Beamten der Beklagten begründen. Angesichts der hohen Bedeutung der hier gefährdeten Rechtsgüter sind insoweit auch bei einer zum Zwecke der Eigensicherung durchgeführten Durchsuchung von Sachen keine übersteigerten Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen. Die wenige Minuten dauernde Durchsuchung erfolgte auch ermessensfehlerfrei, insbesondere verhältnismäßig.
168 
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
169 
D. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Fragen, ob die § 28 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 44 Abs. 2 BPolG im April 2013 mit Unionsrecht unvereinbar und deshalb unanwendbar waren, sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da die „BRAS 120“ in der damals geltenden Fassung nicht mehr anwendbar sind und durch andere innerdienstliche Vorgaben ersetzt wurden. Die genannten Fragen sind zudem nicht entscheidungserheblich, da die fraglichen Maßnahmen selbst bei Anwendung des damals geltenden nationalen Rechts aus den oben (unter B.) genannten Gründen rechtswidrig waren.

Gründe

 
56 
Die Berufung ist zulässig (-A.-) und zum Teil begründet (-B.-).
57 
A. Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere entspricht die vom Kläger eingereichte Berufungsbegründungsschrift vom 12.11.2015 inhaltlich noch den gesetzlichen Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Zwar hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 12.11.2015 in erheblichem Umfang der Sache nach Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt, obwohl der Senat zuvor bereits die Berufung gegen sein Urteil zugelassen hatte. Der Schriftsatz genügt aber dessen ungeachtet noch den Anforderungen an eine Berufungsbegründung. Die Begründung der Berufung muss erkennen lassen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dieses Urteil nach Ansicht der Berufungskläger unrichtig sein soll und geändert werden muss. Hierfür muss der Berufungskläger zumindest eine bestimmte tatsächliche Feststellung, eine rechtliche Sachverhaltswürdigung oder eine allgemeine Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die dessen Urteil tragen, angreifen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 17.12.2015 - 6 B 24/15 - juris; Senat, Urt. v. 21.07.2017 - 1 S 1240/16 - juris). Die Ausführungen des Klägers zu den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 VwGO, insbesondere zu den sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfragen und zu den angeblichen Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts lassen zwar nicht immer erkennen, aus welchen Gründen das Urteil des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO zu ändern sein soll. Jedoch ist bei zusammenschauender Betrachtung des Klägervorbringens insgesamt noch hinreichend dargelegt, weshalb aus seiner Sicht das angegriffene Urteil unrichtig und in der Sache anders zu entscheiden sein soll.
58 
B. Die Berufung ist auch teilweise begründet.
59 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen als Fortsetzsetzungsfeststellungs- bzw. Feststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage ist auch teilweise begründet. Denn die vom Kläger angefochtenen Maßnahmen waren zum Teil rechtswidrig und verletzten ihn insoweit in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Rechtswidrig waren die Identitätsfeststellung (-I.-), die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch das Festhalten am Oberarm (-II.-), der Datenabgleich (-III.-) sowie die Durchsuchung des Rucksacks (-IV.-). Rechtmäßig war hingegen die Aufforderung, den Inhalt der Hosentaschen vorzuzeigen einschließlich der anschließenden Betrachtung der vorgezeigten Gegenstände (-V.-); insoweit ist die Klage unbegründet.
60 
I. Die am 13.04.2013 durchgeführte Identitätsfeststellung war rechtswidrig.
61 
Als Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. jeweils W.-R. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 23 BPolG Rn. 3) bedurfte die Identitätsfeststellung einer gesetzlichen Grundlage. Daran fehlte es. Der von der Beklagten angeführte und einzig in Betracht kommende § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war jedenfalls in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Kontrolle selbst, am 13.04.2013, aus Gründen des Unionsrechts unanwendbar (-1.-). Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - materiell rechtswidrig, weil sie unter Zugrundelegung der von der Beklagten angeführten ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ermessensfehlerhaft durchgeführt wurde (-2.-).
62 
1. Die streitbefangene Identitätsfeststellung findet in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG keine gesetzliche Grundlage. Die Vorschrift (-a-) war im April 2013 nicht anwendbar (-b-).
63 
a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG kann die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG die Identität einer Person feststellen. Straftaten im Sinne dieser Vorschrift sind Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB), die (Nr. 1) gegen die Sicherheit der Grenze oder die Durchführung der Aufgaben der Bundespolizei nach § 2 BPolG - d.h. der Aufgaben des Grenzschutzes - gerichtet sind, oder die (Nr. 2) nach den Vorschriften des Paßgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes zu verfolgen sind, soweit sie durch den Grenzübertritt oder in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem begangen wurden, oder die (Nr. 3) einen Grenzübertritt mittels Täuschung, Drohung, Gewalt oder auf sonst rechtswidrige Weise ermöglichen sollen, soweit sie bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs festgestellt werden, oder die (Nr. 4) das Verbringen einer Sache über die Grenze ohne behördliche Erlaubnis als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der Strafvorschrift verwirklichen, sofern der Bundespolizei durch oder auf Grund eines Gesetzes die Aufgabe der Überwachung des Verbringungsverbotes zugewiesen ist (wie dies z.B. im Bereich des Betäubungsmittelrechts der Fall ist, vgl. § 21 Abs. 2 BtMG).
64 
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erfüllt, kann die Bundespolizei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BPolG zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, dass er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, dass der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 23 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BPolG).
65 
Die genannten Bestimmungen zur Identitätsfeststellung sind Teil der Vorschriften über die sog. Schleierfahndung im Grenzgebiet (näher zur Genese der diesbezüglichen Vorschriften Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 355 f., 385 ff.; Gnüchtel, NVwZ 2013, 980 f.). § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG zeichnet sich wie andere Vorschriften aus diesem Bereich insbesondere dadurch aus, dass der Tatbestand der Vorschrift das polizeiliche Eingreifen - hier die Identitätsfeststellung - nicht vom Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne abhängig macht (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 23 BPolG Rn. 12; Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 4. Aufl., § 23 Rn. 14). Anknüpfungspunkt für eine Identitätsfeststellung ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vielmehr allein der Umstand, dass sich eine Person an einem bestimmten Ort - im Grenzgebiet im Sinne der o.g. Vorschriften - aufhält. Hinweise darauf, dass von der zu überprüfenden Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder dass sie eine Straftat begangen hat, müssen nach dem Wortlaut der Norm hingegen nicht vorliegen (auch daher sog. anlass-, verdachts- oder ereignisunabhängige Personenkontrolle, vgl. Rachor, a.a.O., Rn. 357).
66 
b) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war im April 2013 keine taugliche Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung des Klägers. Sie war auch unter Berücksichtigung der ergänzend erlassenen Verwaltungsvorschriften der Beklagten mit Unionsrecht (-aa-) nicht vereinbar (-bb-) und daher unanwendbar (-cc-).
67 
aa) Gemäß Art. 67 Abs. 2 AEUV stellt die Union u.a. sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. Die vor diesem Hintergrund erlassene - im April 2013 noch maßgebliche - Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 105 vom 13.04.2006, S. 1 - Schengener Grenzkodex ) definiert dazu in Art. 2 Nr. 9 bis 11 verschiedene Begriffe. Danach sind „Grenzkontrollen“ die an einer Grenze nach Maßgabe und für die Zwecke dieser Verordnung unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen, die aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung bestehen. „Grenzübertrittskontrollen“ sind die Kontrollen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen, um festzustellen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen. Als „Grenzüberwachung“ gilt die Überwachung der Grenzen zwischen den Grenzübergangsstellen und die Überwachung der Grenzübergangsstellen außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden, um zu vermeiden, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen.
68 
Auf diesen Begriffsbestimmungen aufbauend bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen. Gemäß Art. 21 SGK berührt die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen allerdings nicht:
69 
„a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
70 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
71 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
72 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
73 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
74 
(…)
75 
c) die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, in ihren Rechtsvorschriften die Verpflichtung zum Besitz oder Mitführen von Urkunden und Bescheinigungen vorzusehen; (…).“
76 
Zur Auslegung dieser Vorschriften und der Frage, ob sie nationalen Regelungen entgegenstehen, die verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzraum ermöglichen, hat sich der EuGH in drei Entscheidungen zum - für unionsrechtswidrig befundenen - französischen Recht (Urt. v. 22.06.2010 - C-188/10 - Slg. 2010, I-5667 ), zum - als unionsrechtskonform gebilligten - niederländischen Recht (Urt. v. 19.07.2012 - C-278/12 - juris ) sowie zuletzt zum deutschen Recht, namentlich zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, geäußert (Urt. v. 21.06.2017 - C-9/16 - EUGRZ 2017, 360; s. zum Vorlagebeschluss AG Kehl, Beschl. v. 21.12.2015 - 3 Ds Js 7262/14 - juris).
77 
Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, die Einhaltung des Unionsrechts und insbesondere der Art. 20 und 21 SGK durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ zu sichern, der gewährleistet, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 37; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 68). Sie haben insbesondere dann, wenn „Indizien“ darauf hindeuten, dass eine gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen besteht, die Konformität der Identitätskontrollen mit Art. 21 Buchst. a SGK durch „Konkretisierungen und Einschränkungen“ sicherzustellen, die die praktische Ausübung der den Mitgliedstaaten zustehenden polizeilichen Befugnisse so einfassen, dass eine solche gleiche Wirkung vermieden wird (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 38; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 70 m.w.N.). Eine nationale Regelung, die den Polizeibehörden eine Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen einräumt, die zum einen auf das Gebiet an der Grenze des Mitgliedstaats zu anderen Mitgliedstaaten beschränkt und zum anderen unabhängig vom Verhalten der kontrollierten Person und vom Vorliegen besonderer Umstände ist, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, muss insbesondere das Ermessen lenken, über das diese Behörden bei der praktischen Handhabung der besagten Befugnis verfügen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 39; Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 74). Je zahlreicher die Indizien für eine mögliche gleiche Wirkung im Sinne von Art. 21 Buchst. a SGK sind, die sich aus dem mit Kontrollen in einem Grenzgebiet verfolgten Ziel, aus deren räumlichem Anwendungsbereich und aus dem Bestehen unterschiedlicher Grundlagen für diese Kontrollen und die Kontrollen im übrigen Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ergeben, umso strenger müssen außerdem die Konkretisierungen und Einschränkungen sein und eingehalten werden, die für die Ausübung der ihnen zustehenden polizeilichen Befugnisse durch die Mitgliedstaaten in einem Grenzgebiet gelten, um die Verwirklichung des Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht zu gefährden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 75). Schließlich muss der erforderliche Rahmen „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76).
78 
bb) Diesen Vorgaben genügt § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch in Verbindung mit den im April 2013 geltenden Verwaltungsvorschriften der Beklagten nicht.
79 
Kontrollen, wie sie in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vorgesehen sind, finden nicht „an einer Grenze“ oder beim „Grenzübertritt“, sondern im Innern des deutschen Hoheitsgebiets statt. Es handelt sich daher weder um verbotene „Grenzkontrollen“ noch um „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne der o.g. Legaldefinitionen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 42 ff.). Es bestehen allerdings mehrere „Indizien“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, die darauf hindeuten, dass eine im Sinne des Art. 21 SGK „gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen“ besteht. Solche Indizien ergeben sich zum einen aus dem Umstand, dass für die Kontrollen hinsichtlich ihres räumlichen Anwendungsbereichs Sonderregeln mit Bezug zum Grenzraum gelten (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 53; ferner Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 72). Die gleiche Wirkung wird zum anderen dadurch indiziert, dass die Kontrollen nach dem Wortlaut der Norm unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person und von Umständen, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, gestattet sind (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40, 55). Die Beklagte hat deshalb durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ mit hinreichend genauen und detaillierten Konkretisierungen oder Einschränkungen zur Lenkung der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität der Kontrollen zu gewährleisten, dass die praktische Ausübung der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG eingeräumten Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57 ff., 59, 63 zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG).
80 
An einem solchen beschränkenden „Rechtsrahmen“ fehlte es im April 2013. Weder § 23 BPolG selbst (1) noch die im April 2013 darüber hinaus in Betracht kommenden rechtlichen Vorgaben (2) boten einen solchen Rahmen.
81 
(1) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst enthält insbesondere hinsichtlich der Intensität und der Häufigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage möglichen Kontrollen weder Konkretisierungen noch Einschränkungen der mit ihm eingeräumten Befugnis, die verhindern sollen, dass die Anwendung und die praktische Ausübung dieser Befugnis durch die zuständigen Behörden zu Kontrollen führen, die im Sinne von Art. 21 Buchst. a der Verordnung Nr. 562/2006 die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Die Vorschrift selbst bietet den vom Unionsrecht geforderten Rechtsrahmen daher, wie der EuGH insoweit bereits selbst entschieden hat, nicht (vgl. zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, dort u.H. auf die entsprechenden Überlegungen im Urt. v. 22.06.2010, a.a.O. Rn. 73; ebenso - teils bereits zuvor - Groh, NVwZ 2016, 1678; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, DÖV 2012, 216 <221 ff.>; Albrecht/Halder, jurisPR-ITR 4/2016 Anm. 6). Daran ändert der von der Beklagten hervorgehobene Umstand, dass sich in den Gesetzesmaterialien Hinweise darauf finden, dass der Bundesgesetzgeber möglicherweise nicht beabsichtigte, „flächendeckende“ Kontrollen im Grenzgebiet einzuführen (vgl. zu § 22 Abs. 1a BGSG a.F. BT-Drs. 13/11159, S. 6; Gnüchtel, a.a.O., S. 981), nichts.
82 
(2) Ob das deutsche nationale Recht außerhalb dieser Vorschrift einen beschränkenden Rechtsrahmen im o.g. Sinn enthält, hat der EuGH in dem auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG bezogenen Vorlageverfahren C-9/16 nicht weiter geprüft und ausgeführt, diese Prüfung sei Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Ls. 1 und Rn. 60 ff., 63). Diese Prüfung ergibt, dass das deutsche nationale Recht jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt - im April 2013 - keinen den o.g. Anforderungen genügenden „Rechtsrahmen“ zum Ausschluss von Identitätskontrollen mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen bot (im Ergebnis ebenso Groh, a.a.O., S. 1678; Kugelmann, a.a.O., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, a.a.O, 222 f.>; Albrecht/Halder, a.a.O., Anm. 6).
83 
(a) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich nicht aus dem - von der Beklagten im Vorlageverfahren C-9/16 genannten - § 15 BPolG. Diese Vorschrift normiert im Allgemeinen Teil des Abschnitts 2 („Befugnisse“) des Bundespolizeigesetzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Maßnahmen der Bundespolizei. Dieser Grundsatz schützt den Adressaten einer Maßnahme vor unverhältnismäßigen Eingriffen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bezieht sich aber auf das polizeiliche Handeln im jeweils konkreten Einzelfall und ist nicht dazu geeignet zu verhindern, dass die polizeiliche Praxis bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG generell die Wirkung von Grenzübertrittskontrollen erhält. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzt die einzelne Maßnahme nicht in Bezug zu anderen Maßnahmen, erreicht mithin keine effektive Steuerung der Frage, wie oft verdachtsunabhängige Personenfeststellungen im Grenzraum durchgeführt werden. Er kann also insbesondere keine „Summierungseffekte“ verhindern (so zu Recht Michl, DÖV 2018, 50 <57>). Einen Rechtsrahmen zur Lenkung der „Häufigkeit und Selektivität“ (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, 59) von anlassunabhängigen Kontrollen im Grenzraum bietet § 15 BPolG selbst nicht.
84 
(b) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im April 2013 auch nicht aus den von der Beklagten ergänzend angeführten innerdienstlichen Vorgaben zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG.
85 
Die Beklagte verweist insoweit auf die „BRAS 120“, Band I, Abschnitt II, mit den darin enthaltenen Angaben zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung („Best Grepo“) und dem im April 2013 noch maßgeblichen Stand vom 01.03.2008, bei denen es sich ihres Erachtens um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt. Die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 waren jedoch weder ihrer Form (-aa-) noch ihrem Inhalt (-bb-) nach dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
86 
(aa) Im vorliegenden Verfahren bedarf es keiner Entscheidung, ob der unionsrechtlich geforderte „Rechtsrahmen“ stets durch Vorschriften des Außenrechts (Gesetze im formellen Sinn, Rechtsverordnungen) gesetzt werden muss oder ob dafür grundsätzlich auch Verwaltungsvorschriften als Innenrecht in Betracht kommen (vgl. zum Meinungsstand einerseits - abl. - Trennt, a.a.O., S. 222 f.; Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682 f.>, ders., NVwZ 2017, 1608 <1609 f.>, sowie andererseits - bejahend - Graf Vitzthum, ELR 2010, 236 <240 f.>; Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>; insoweit tendenziell auch Michl, a.a.O., S. 57 f.). Erforderlich ist jedenfalls, dass die konkret in Rede stehende innerdienstliche Vorgabe die Mindestanforderungen an das Vorliegen einer rechtliche Regelung erfüllt. Denn das Unionsrecht erfordert zur Steuerung von verdachtsunabhängigen grenzpolizeilichen Befugnissen eine „nationale Regelung“ (vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., 74 f., und die Sprachfassung der damaligen Verfahrenssprache: „législation nationale“), die den Erfordernissen der Rechtssicherheit („sécurité juridique“, vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 75) dienen soll, hinreichend bestimmt ist und effektiven Rechtsschutz ermöglicht („Kontrolle der Kontrolle“, vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Als „Rechtsrahmen“ kommen daher - jedenfalls - nur solche innerbehördlichen Vorgaben in Betracht, die wenigstens veröffentlicht und daher für den Normunterworfenen zugänglich sowie vorhersehbar sind (vgl. Michl, a.a.O., S. 57; allg. zu den Anforderungen für die Qualifizierung einer Vorschrift als „law“ bzw. „loi“ EGMR, Urt. v. 24.04.1990 - 11105/84 - : „accessibility“ und „foreseeability“; ebenso EuGH, Urt. v. 15.03.2017 - C-528/15 - NVwZ 2017, 777). Innerdienstliche Vorgaben, die nicht veröffentlicht werden, genügen den Mindestanforderungen an einen „Rechtsrahmen“ hingegen grundsätzlich nicht. Sind sie auch auf andere Weise nicht zugänglich, ist die Rechtsanwendung für die Normunterworfenen nicht vorhersehbar. Diese wären zudem zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz „ins Blaue hinein“ gezwungen, was mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist (vgl. zum nationalen Gebot effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG BVerfG, Beschl. v. 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178). Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass sich aus dem nationalen deutschen Recht keine generelle Pflicht ergibt, Verwaltungsvorschriften allgemein bekannt zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 - 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220). Denn Prüfungsmaßstab ist im vorliegenden Zusammenhang allein das Unionsrecht, das insoweit einen „Rechtsrahmen“ erfordert, der den oben genannten Mindestanforderungen genügt.
87 
Daran gemessen scheiden die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 schon deshalb als „Rechtsrahmen“ aus, weil sie von der Beklagten als „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ (VS NfD) eingestuft wurden. Denn das hat zur Folge, dass die Beklagte die Angaben in den „BRAS 120“ als geheimhaltungsbedürftige Tatsachen und Erkenntnisse einordnet (vgl. § 4 Abs. 1 SÜG), von denen nur Personen Kenntnis erhalten dürfen und durften, die auf Grund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen, wobei diese Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und die Angaben grundsätzlich nicht an nichtöffentliche Stellen weitergeben dürfen (vgl. § 4 Abs. 1a, 3 und 4 SÜG). Diese Einschränkungen hat die Beklagte auch in der Praxis umgesetzt. Die „BRAS 120“ waren 2013 - und sind weiterhin - nicht veröffentlicht. Die Beklagte hat auch im vorliegenden Einzelfall den Kläger zunächst nicht von deren Existenz in Kenntnis gesetzt, selbst in der erstinstanzlichen Klageerwiderung noch nichts dazu vorgetragen und erst im Berufungsverfahren Auszüge daraus mit dem Vermerk „NfD“ vorgelegt. Auch außergerichtliche Ersuchen, den Text der „BRAS 120“ für rechtswissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) noch 2017 abgelehnt (vgl. Michl, a.a.O., S. 57, dort auch zu dem unter dem Eindruck eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren ergänzend verfassten und veröffentlichten - 2013 aber noch nicht existenten - Erlass des BMI zur Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vom 07.03.2016, GMBl. 2016, S. 203).
88 
(bb) Unabhängig davon waren die „BRAS 120“ auch ihrem Inhalt nach nicht dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
89 
Die „BRAS 120“ enthielten in der 2013 geltenden Fassung, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage B 1 (Bl. 955-971 d. VGH-Akte) verwiesen wird, im Abschnitt „Best Grepo“ unter der Überschrift „Der Einsatz der Bundespolizei im Binnengrenzraum“ u.a. folgende Hinweise (Hervorh. im Original):
90 
„1 Die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG
91 
Nach Inkraftsetzung [des Schengener Grenzkodex] darf die Bundespolizei gem. Art. 20 des Schengener Grenzkodex an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsparteien (Binnengrenze) keine Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen mehr durchführen. Jede Person kann - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit - die Binnengrenze an jeder Stelle ungehindert und ohne Formalitäten überschreiten. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG tritt hinter die Regelungen des Schengener Grenzkodex zurück. Dies gilt auch für Personenkontrollen im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt, wenn diese im Rahmen der polizeilichen Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 des BPolG räumlich abgesetzt von der Grenzlinie Im Grenzgebiet (30 Kilometer) erfolgen. Derartige Ersatzgrenzkontrollen stehen ebenso nicht in Einklang mit der der Regelungsabsicht des Schengener Grenzkodex und sind damit unzulässig. (…)
92 
2 Die polizeiliche Überwachung der Grenze gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BPolG
93 
Die polizeiliche Überwachung der Grenze ist eine allgemeine grenzpolizeiliche Aufgabe der Gefahrenvorsorge.
94 
(…) Nicht in Einklang mit dem Schengener Regelwerk stehen die im Rahmen der polizeilichen Überwachung der Binnengrenzen vorgenommenen Personenkontrollen, die unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund eines vorangegangenen Grenzübertritts erfolgen. Auch in derartigen Fällen würde es sich um eine Form von Verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen handeln, die als Ersatzgrenzkontrollen gegen Art. 20 des Schengener Grenzkodex verstoßen.
95 
3 Handeln der Bundespolizei im Binnengrenzraum zur Abwehr konkreter Gefahren und zur Strafverfolgung
96 
Gefahrenabwehrende (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG) undstrafverfolgende Tätigkeiten bzw. Maßnahmen (§12 BPolG) der Bundespolizei im Binnengrenzraum (dies gilt an der Landgrenze wie im Binnenflugverkehr) beikonkretem Gefahrenverdacht oder im Falle der Strafverfolgung stehen nicht im Widerspruch zu Art. 20 des Schengener Grenzkodex. Sie sind vielmehr Anwendungsfälle von Art 21 des Schengener Grenzkodex.
97 
- Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG obliegt der Bundespolizei die Abwehr von Gefahren in seinem Zuständigkeitsbereich.
98 
Dazu zählt u. a. die illegale Einfuhr von Rauschgift, da die erst dadurch gegebene Möglichkeit seiner illegalen Verbreitung im Inland eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland darstellt, wie sich auch aus der Bewertung des Rauschgiftkriminellen in §§ 53 Nr. 2 und 54 Nr. 3 AufenthG durch den Gesetzgeber ergibt, insofern für diesen gerade „wegen besonderer Gefährlichkeit“ eine spezielle Ausweisungsregelung besteht. Insofern stellt die illegale Einfuhr von Rauschgift sowohl einen strafbewehrten Verstoß gegen das Verbot des Verbringen einer Sache i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BPolG als auch eine Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG dar. (…)
99 
4. Maßnahmen der Bundespolizei zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung im Binnengrenzraum bis zu einer Tiefe von 30km im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG
100 
Die Beseitigung der Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsstaaten verbietet Kontrollen, die lediglich aufgrund oder anlässlich eines Übertritts der Binnengrenze vorgenommen werden sowie damit zusammenhängende Formalitäten. Die Ausübung allgemein polizeilicher Befugnisse der zuständigen Behörden bleibt unberührt. Daher hat die Bundespolizei an den Binnengrenzen auch nach Inkraftsetzung des Schengener Grenzkodexes eine - wenn auch deutlich reduzierte - Befugnis zur Bekämpfung von illegalen Einreisen und Schleusungen. Sie darf auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolGKontrollen an den Binnengrenzen sowie im 30 km-Grenzgebiet im Einzel- bzw. Ausnahmefall durchführen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine illegale Einreise oder eine Schleusung bestehen.
101 
Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben, wenn - bezogen auf einen in Betracht kommenden Binnengrenzabschnitt -
102 
- durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
103 
und
104 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
105 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
106 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.
107 
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein Grenzbezug nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolG gegeben.
108 
Dabei erfolgt die Kontrolle in der Weise, dass Personen, die in die genannten Kategorien fallen könnten, angehalten und hinsichtlich ihrer Identität und ihres ausländerrechtlichen Status überprüft werden dürfen. (…)“
109 
Diese Erläuterungen aus den „BRAS 120“ gewährleisteten keine unionsrechtlich ausreichende Lenkung der „Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen“.
110 
Der Rechtsrahmen zur „Konkretisierung und Einschränkung“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen muss, wie gezeigt, „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Bereits daran fehlt es hier. Denn die zitierten Erläuterungen aus den „BRAS 120“ sind in einer Weise formuliert, die nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, welche Bedeutung ihnen für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG genau zukommen soll. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst findet in den zitierten Auszügen der „BRAS 120“ keine Erwähnung. Der einzige Tatbestand aus § 23 BPolG, der dort genannt wird, ist „§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG“. Eine solche Vorschrift gab es im April 2013 nicht mehr. Gemeint war wohl § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG in der Fassung vom 19.10.1994 (im Folgenden: BPolG 1994), die allerdings bereits mit Ablauf des 31.08.1998 außer Kraft getreten war. Eine Verwaltungsvorschrift, die sich auf außer Kraft getretenes Recht bezieht, ist jedoch nicht „hinreichend genau“ und auch in der Sache nicht geeignet, eine effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens zu bewirken.
111 
Das genannte Defizit kann auch nicht als unerheblicher Redaktionsfehler abgetan werden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG 1994 gestattete die Identitätsfeststellung „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern“. Demgegenüber gestattet § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der seit dem 01.07.2005 geltenden und daher auch im April 2013 maßgeblichen Fassung Identitätsfeststellungen „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 (BPolG)“. Der Tatbestand der neuen Fassung ist also weiter gefasst als derjenige der alten Fassung (näher zur Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesänderung Gnüchtel, a.a.O., S. 980 f.). Diese Gesetzesänderung haben die „BRAS 120“ in ihrer 2013 geltenden Fassung nicht nachvollzogen. Es ist daher nicht hinreichend klar, welche Vorgaben genau der Erlassgeber der „BRAS 120“ für welche Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG machen wollte. Ein „Rechtsrahmen“ für die zweite, 2005 aufgenommene Tatbestandsvariante (Identitätsfeststellung „zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt in den „BRAS 120“ jedenfalls zur Gänze.
112 
Dieses Regelungsdefizit kann auch nicht durch die von der Beklagten in Betracht gezogene „ergänzende Auslegung“ der „BRAS 120“ ausgeglichen werden. Dem steht bereits entgegen, dass keine Maßstäbe niedergelegt oder sonst hinreichend deutlich erkennbar sind, anhand derer eine solche Auslegung der „BRAS 120“ vorgenommen werden könnte. Unabhängig davon würde eine gleichsam „ungeschriebene Verwaltungsvorschrift“, die sich jeder einzelne Beamte allenfalls durch eine „fortschreibende Auslegung“ erschließen könnte, den Anforderungen an einen „hinreichend genauen“ und für effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens geeigneten „Rechtsrahmen“ nicht genügen.
113 
Die „BRAS 120“ genügen den unionsrechtlichen Vorgaben zudem auch deshalb inhaltlich nicht, weil das Unionsrecht einen Rechtsrahmen verlangt, der seinem Inhalt nach eine Lenkung „der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität“ der Kontrollen gewährleistet (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 59). Auch daran fehlt es. Konkrete Vorgaben für die Durchführung von Identitätsfeststellungen enthalten die „BRAS 120“ allenfalls in der zitierten Nummer 4, die sich - bei wohlwollender Auslegung - auf die „Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise“ beziehen (Alt. 1 des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG). Selbst diese Vorgaben beziehen sich aber nur auf die Anforderungen an eine Kontrolle im Einzelfall. Sie sind, da sie - anders als etwa die vom EuGH gebilligten niederländischen Regelungen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff., 80) - keine Beziehung zu der Gesamtheit aller Kontrollen enthalten und auch keine Beschränkung beispielsweise auf Stichproben vorsehen, nicht geeignet, die „Häufigkeit“ der Kontrollen im Grenzgebiet insgesamt effektiv zu beschränken (im Ergebnis ebenso Michl, a.a.O., S. 58 zu dem Erlass des BMI vom 07.03.2016). Für die zweite Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG („Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt es, wie gezeigt, noch weitergehend an jeglichen präzierenden und beschränkenden Vorgaben.
114 
(c) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im April 2013 schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass sie § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der Verwaltungspraxis - schon wegen der Zahl der zur Verfügung stehenden Beamten - nicht flächendeckend, sondern nur für stichprobenartige Kontrollen anwende. Eine - ohnehin jederzeit änderbare - Verwaltungspraxis stellt weder der Form noch dem Inhalt nach einen „Rechtsrahmen“ im oben genannten Sinne dar und wäre erst recht nicht dazu geeignet, die vom Unionsrecht geforderten - ihrerseits kontrollierbaren - „Konkretisierungen und Einschränkungen“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen zu gewährleisten (vgl. Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682>; Michl, a.aO., S. 55 ff.; insoweit selbst die Verwaltungsvorschriften in Betracht ziehenden Stimmen aus dem Schrifttum, die zumindest „Rechtsvorschriften des positiven Rechts“ verlangen, vgl. Graf Vitzthum, a.a.O., S. 241; Kempfler, a.a.O., S. 11).
115 
cc) Fehlte es nach alledem jedenfalls im April 2013 an dem unionsrechtlich gebotenen Rechtsrahmen zur Konkretisierung und Einschränkung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, war diese Norm im damaligen Zeitpunkt unanwendbar (vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.1964 - 6/64 - Slg. 10, 1251; BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422; BVerwG, Urt. v. 07.07.2011 - 10 C 26.10 - BVerwGE 140, 114; zum Anwendungsvorrang im Polizeirecht auch Lindner, JuS 2005, 302 <303>). Die zu Lasten des Klägers durchgeführte Identitätsfeststellung war daher mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig.
116 
2. Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - jedenfalls materiell rechtswidrig. Denn sie wurde unter Zugrundelegung der „BRAS 120“, die aus Sicht der Beklagten als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift fungieren sollte, ermessensfehlerhaft durchgeführt.
117 
§ 23 Abs. 1 BPolG räumt der Beklagten Ermessen ein („kann“). Nach ihrem Vortrag sollten die „BRAS 120“ dieses Ermessen steuern. Nummer 4 des oben zitierten Abschnitts der „BRAS 120“ nimmt bei wohlwollender Auslegung, wie gezeigt, auf die erste Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG Bezug (Identitätsfeststellung zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet, im Sprachgebrauch von Nummer 4 der „BRAS 120“ „illegale Einreise oder Schleusung“). Nach den diesbezüglichen Erläuterungen der „BRAS 120“ soll eine Identitätsfeststellung erfolgen, wenn Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben sind, was der Fall sein soll, wenn
118 
„durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
119 
und
120 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
121 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
122 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.“
123 
Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Dass - im Sinne der ersten der beiden kumulativen Voraussetzung - Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen am Freiburger Hauptbahnhof bestanden, hat die Beklagte zwar mit dem auch für den April 2013 ergiebigen „Lagebild“ dargelegt (vgl. a.a.O., S. 9 = Bl. 989 d. VGH-Akte). Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - im Sinne der zweiten Voraussetzung - aufgrund seines „äußeren Anscheins“ oder „sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse“ unerlaubt eingereist sein oder gar andere bei einer illegalen Einreise unterstützt haben könnte, hat die Beklagte hingegen nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei der am 13.04.2013 durchgeführten Kontrolle selbst haben die Beamten dem Kläger keine dahingehenden Anhaltspunkte benannt, sondern nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten wiederholt erklärt, die Kontrolle sei „verdachtsunabhängig“ durchgeführt worden. Auch in dem die Beschwerde des Klägers zurückweisenden Schreiben der Bundespolizeiinspektion Stuttgart vom 29.05.2013 führte diese lediglich aus, Adressat einer Maßnahme der durchgeführten Art könne „jedermann“ sein (a.a.O., S. 4 = Bl. 25 d. Verw.-Akte). In der Klageerwiderung vom 18.07.2013 erläuterte die Beklagte (erstmals), der Kläger habe eine „Tasche“ (gemeint wohl: den Rucksack) mit sich geführt, „was auf eine entweder bereits erfolgte oder bevorstehende Reiseabsicht in Grenznähe schließen“ lasse und „somit“ hätten die materiellen Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung vorgelegen (Schriftsatz vom 18.07.2013, S. 4 = Bl. 95 d. VG-Akte; ähnl. das Vorbringen im Berufungsverfahren, vgl. Schriftsatz vom 02.08.2017, S. 12 = Bl. 921 d. VGH-Akte). Mit dem Hinweis auf den Rucksack des Klägers und eine daraus ableitbare Reiseabsicht sind jedoch keine Anhaltspunkte für eine gerade „unerlaubte“ Einreise dargelegt.
124 
Die Beklagte kann dem auch nicht mit Erfolg ihren zuletzt sinngemäß erhobenen Einwand entgegenhalten, die zweite der beiden kumulativen Voraussetzungen erfordere nur, dass die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins unerlaubt eingereist sein „könne“, wodurch zwar beispielsweise Angestellte einer Bäckerei in einem Bahnhof als Adressaten einer Personenkontrolle ausgeschlossen seien, womit aber grundsätzlich jeder Reisende dafür in Betracht komme. Der Senat vermag dieser von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der oben zitierten Nummer 4 der „BRAS 120“ schon in der Sache nicht zu folgen. Denn damit würde der Wortlaut der Vorschrift, der „verdachtsbegründende“ Erkenntnisse verlangt, überdehnt. Die Auslegung liefe zudem der von der „BRAS 120“ ansatzweise bezweckten Beschränkung der Kontrollen zuwider. Unabhängig davon wäre die Klage bei Zugrundelegung der von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der Nr. 4 - gemessen an dem oben (unter 1.) Gesagten - erst recht begründet. Denn bei dieser weiten Auslegung, nach der praktisch jeder Reisende in einem Grenzbahnhof wie dem Freiburger als Adressat einer Maßnahme der Schleierfahndung in Betracht kommt, böten die „BRAS 120“ erst recht keinen Rahmen, der die unionsrechtlich geforderte Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen gewährleistet. Hinzu kommt, dass die „BRAS 120“ bei diesem weiten Begriffsverständnis auch dem oben genannten unionsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht genügen würden.
125 
Aus den vorstehenden Bedenken folgt nicht, dass der nationale Gesetzgeber die vom Unionsrecht geforderten Beschränkungen zwingend durch Vorschriften normieren muss, die Kontrollen vom Vorliegen konkreter Gefahren oder auch sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse abhängig machen. Dieser in den „BRAS 120“ - wenn auch defizitär - verfolgte Ansatz ist ein möglicher, aber nicht der einzige Weg, die erforderlichen Einschränkungen vorzunehmen. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht schließen die Durchführung von verdachtsunabhängigen Kontrollen grundsätzlich aus. Wenn solche Kontrollen im nationalen Recht ermöglicht werden sollen, müssen aber auf andere Weise geeignete Einschränkungen im nationalen Rechtsrahmen verankert werden, die sich beispielsweise aus hinreichend konkreten Vorgaben zur Quantität der (verdachtsunabhängigen) Kontrollen ergeben können (vgl. zu dem dahingehenden „Stichprobenansatz“ im niederländischen Recht EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff.).
126 
II. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch das zeitweilige Festhalten des Klägers am Oberarm war ebenfalls rechtswidrig.
127 
Als Rechtsgrundlage für die Anwendung von Verwaltungszwang kommt einzig § 6 Abs. 1 und 2 VwVG i.V.m. den Vorgaben des UZwG in Betracht. Die sich daraus ergebenden Voraussetzungen waren jedoch nicht erfüllt.
128 
Nach § 6 Abs. 1 VwVG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit den Zwangsmitteln nach § 9 VwVG - darunter der unmittelbare Zwang - durchgesetzt werden, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist. Gemäß § 6 Abs. 2 VwVG kann der Verwaltungszwang auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.
129 
Zwangsmittel - darunter der unmittelbare Zwang - müssen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2 VwVG), schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG). Die Androhung ist zuzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist (§ 13 Abs. 7 VwVG). Von dem Gebot, Zwangsmittel schriftlich - und nicht lediglich mündlich - anzudrohen, sieht das Bundesverwaltungsvollstreckungsrecht anders als einige Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze Ausnahmen nur bei der Androhung der Anwendung von Schusswaffen oder Explosivmitteln vor (vgl. §§ 13 f. UZwG und dazu Sadler, VwVG, VwZG, 8. Aufl., § 13 VwVG Rn. 32 f.). Im Übrigen ist das Schriftlichkeitsgebot zwingend (vgl. Sadler, a.a.O., § 13 Rn. 25; Mosbacher, in: Engelhardt/App/Schlattmann, VwVG/VwZG, § 13 Rn. 8). Liegt kein die Androhung von Schusswaffen oder Explosivmittel betreffender Ausnahmefall vor und ist es im konkreten Einzelfall dennoch nicht möglich, die Androhung - wie grundsätzlich geboten - schriftlich zu verfassen und zuzustellen, führt diese Rechtslage dazu, dass die mündliche Androhung rechtstechnisch als Ankündigung eines unmittelbaren Zwangs durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG einzuordnen ist (Sadler, a.a.O., § 6 Rn. 292 ff., § 13 Rn. 33). Diese Vorschrift findet mithin auch Anwendung, wenn ein Verwaltungsakt zwar ergangen ist, die Umstände des Einzelfalls aber eine Einhaltung der (übrigen) Vollstreckungsvoraussetzungen des gestreckten Verfahrens, insbesondere die Erteilung einer schriftlichen Androhung, nicht erlauben (vgl. Sadler, a.a.O., § 6 Rn. 287 ff.; Mosbacher, a.a.O., § 6 Rn. 22 m.w.N.).
130 
Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben bedarf es keiner Entscheidung, ob an den Kläger ein mündlicher Verwaltungsakt mit dem Inhalt, die Bundespolizeibeamten zur Dienststelle zu begleiten, ergangen ist oder nicht. Falls ein solcher Grundverwaltungsakt nicht erlassen wurde, handelte es sich bei dem Griff des Beamten an den Oberarm des Klägers um einen Fall des sofortigen Vollzugs, der den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG genügen muss. Falls ein solcher Verwaltungsakt erlassen wurde, gilt im Ergebnis Gleiches. Denn die Vollstreckung des Grundverwaltungsakt durch unmittelbaren Zwang wurde jedenfalls nicht - wie nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG geboten - schriftlich angedroht, sodass sich die Anwendung des unmittelbaren Zwangs auch in diesem Fall an § 6 Abs. 2 VwVG messen lassen muss.
131 
An den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG gemessen war das Vorgehen der Beamten der Beklagten rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift setzt die Anwendung von Verwaltungszwang im Wege des sofortigen Vollzugs, wie gezeigt, unter anderem voraus, dass die Behörde hierbei „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“ handelt. Daran fehlt es hier.
132 
Eine Behörde handelt nur dann im Sinne des § 6 Abs. 2 VwVG „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“, wenn sie zuständig und auf Grund des materiellen Verwaltungsrechts berechtigt ist, von dem in Anspruch Genommenen das Tun oder Unterlassen zu verlangen, das sie erzwingt (VG Berlin, Urt. v. 19.05.2011 - 1 K 249.10 - juris; Mosbacher, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 29; Sadler, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 326; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 22). Dieser Befund mag rechtspolitisch unbefriedigend sein, weil der Bundesgesetzgeber damit auf der Ebene der besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen von dem allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsatz, dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme unerheblich ist (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290; BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 - 7 C 5.08 - VBlBW 2009, 55; Baumeister, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 14 jeweils m.w.N.), für den Sonderfall eines sofortigen Vollzugs abgewichen ist (krit. daher auch Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 22). De lege lata sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der (ggf. fiktiven) Grundverfügung aber in diesem Sonderfall Voraussetzung auch für die Anwendung des sofortigen Vollzugs (Mosbacher, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 29; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 22; Sadler, a.a.O., § 6 VwVG Rn. 326), was der Überlegung geschuldet ist, dass der Verzicht auf einen Grundverwaltungsakt oder auf die Einhaltung der regulären Vollstreckungsvoraussetzungen, hier einer schriftlichen Androhung, nur dann gerechtfertigt sein soll, wenn zumindest feststeht, dass der (ggf. fiktive) Grundverwaltungsakt rechtmäßig ist (vgl. zur ähnlichen Prüfungsstruktur bei landesrechtlichen Regelungen zur sog. unmittelbaren Ausführung Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Bad.-Württ., 6. Aufl., Rn. 793 f., 798; Belz u.a., Polizeigesetz für Bad.-Württ., 8. Aufl. § 8 Rn. 2, 6). Ausgehend von diesen Grundsätzen war der sofortige Vollzug im vorliegenden Fall rechtswidrig. Denn die - tatsächliche oder fiktive - Grundverfügung mit dem Gebot der Beamten an den Kläger, sie zur Dienststelle zu begleiten, war auf § 23 Abs. 3 Satz 4 BPolG gestützt. Diese Vorschrift bot für die Grundverfügung jedoch keine Rechtsgrundlage, da sie aus den oben (unter I.) genannten unionsrechtlichen Gründen im April 2013 unanwendbar war.
133 
III. Der nach Aushändigung des Personalausweises durchgeführte Datenabgleich war ebenfalls rechtswidrig.
134 
Als Rechtsgrundlage für diese Maßnahme kommt einzig der auch von der Beklagten ins Feld geführte § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen (sog. Fahndungsabgleich). Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BPolG). Die Vorschrift setzt voraus, dass der Bundespolizei die personenbezogenen Daten, die abgeglichen werden sollen, auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind (Arzt, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 34 Rn. 7; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 34 Rn. 12 m.w.N.). Daran fehlt es hier aus den oben (unter I.) genannten unions- und bundesrechtlichen Gründen.
135 
IV. Die Durchsuchung des Rucksacks des Klägers war ebenfalls rechtswidrig.
136 
1. In § 44 Abs. 2 BPolG fand diese Maßnahme keine Rechtsgrundlage. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern eine Sache auch zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG durchsuchen. Diese § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ergänzende Vorschrift ist Teil der Bestimmungen zur sog. Schleierfahndung und soll im o.g. Sinne verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen. Sie war jedenfalls im April 2013 aus den oben (unter I.) genannten unionsrechtlichen Gründen unanwendbar.
137 
2. Auch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 3 BPolG bot keine Rechtsgrundlage für die Durchsuchung des Rucksacks.
138 
Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG kann die Bundespolizei eine Sache durchsuchen, wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 43 BPolG durchsucht werden darf. Nach § 43 Abs. 3 BPolG kann die Bundespolizei eine Person, deren Identität nach dem Bundespolizeigesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz des Beamten der Bundespolizei, der Person selbst oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
139 
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen hier nicht vor. Das folgt bereits daraus, dass die Beamten der Beklagten den Rucksack des Klägers - auch nach der Darstellung der Beklagten - erst durchsuchten, nachdem der Kläger seinen Personalausweis bereits vorgezeigt hatte. Er war daher zum Zeitpunkt der Durchsuchung nicht mehr eine „Person, deren Identität festgestellt werden soll“.
140 
Unabhängig davon besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beamten der Beklagten den Rucksack des Klägers zum Zwecke der Eigensicherung durchsuchten. In dem nachgereichten Durchsuchungsprotokoll gab die Beklagte an, dass zwar die Maßnahme „gem. § 43 Abs. 3 BPolG“ - d.h. die Aufforderung zur Offenlegung des Inhalts der Hosentasche (dazu unten V.) - „zur Eigensicherung während der Identitätsfeststellung“ durchgeführt worden sei. Die Beklagte erklärte aber in dem Protokoll zugleich, dass die Maßnahme „gem. § 44 Abs. 2 BPolG“ - d.h. die Durchsuchung des Rucksacks - eine „Durchsuchung im 30km-Gebiet zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise/Verbringungsverbote“ gewesen sei (vgl. Bl. 16 d. Verw.-Akte). Das entspricht den Angaben von POK xxx in dem von ihm am 18.04.2013 und damit wenige Tage nach der Kontrolle erstellten Stellungnahme, in der er ausführte (Bl. 7 d. Verw.-Akte): „Währenddessen wurde der mitgeführte Rucksack des [Klägers] durch POM xxx durchsucht. Diese Maßnahme begründete sich im Verhalten des [Klägers]. Er war sehr nervös und vermittelte dadurch (nach polizeilichen Erfahrungswerten) den Eindruck, möglicherweise gegen Verbringungsverbote zu verstoßen“. Das belegt zusätzlich, dass die Beamten der Beklagten jedenfalls mit der Durchsuchung des Rucksacks nicht das Ziel einer Eigensicherung verfolgten, sondern sich auch insoweit auf Rechtsgrundlagen aus dem Bereich der „Schleierfahndung“ - dem selbst angeführten § 44 Abs. 2 BPolG - stützten.
141 
3. Die Durchsuchung fand danach auch in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 2 BPolG keine Rechtsgrundlage. Die zuletzt genannte Vorschrift gestattet die Durchsuchung von Personen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Sicherstellen kann die Bundespolizei eine Sache - nach dem hier allenfalls in Betracht kommenden Tatbestand - um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 47 Nr. 1 BPolG), weil entweder von der Sache selbst eine Gefahr ausgeht, weil sie sich in einem gefährlichen Zustand befindet, oder diese in einer Weise verwendet wird, aus der sich Gefahren für Dritte ergeben, insbesondere deren Verletzung droht (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 47 Rn. 9). Die Abwehr solcher Gefahren war aus den oben (2.) genannten Gründen nicht Zweck der Durchsuchung des Rucksacks.
142 
Die von den Beamten angeführte Rechtsgrundlage - § 44 Abs. 2 BPolG - kann im Übrigen auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 2 BPolG ausgetauscht werden. Ein solcher Austausch kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein Verwaltungsakt dadurch und durch den Austausch der Begründung nicht in seinem Wesen geändert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.2010 - 8 C 12.09 - NVwZ-RR 2010, 636 m.w.N.). Wird speziell eine Ermessensentscheidung der Behörde durch die angegebene Rechtsgrundlage nicht gedeckt, kann sie nur dann aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig sein, wenn die beiden Vorschriften zugrundeliegenden Erwägungen übereinstimmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.05.1991 - 8 S 1068/91 - NuR 1991, 434). Nach diesen Grundsätzen ist schon deshalb kein Raum dafür, die Durchsuchung nachträglich und entgegen der von der Beklagten ausdrücklich angegebenen Rechtsgrundlage des § 44 Abs. 2 BPolG auf § 44 Abs. 1 Nr. 1 BPolG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 2 BPolG zu stützen, da Maßnahmen der sog. Schleierfahndung, die auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne gerade verzichten, im Vergleich zu Maßnahmen zur Abwehr konkreter - hier sogar „gegenwärtiger“ - Gefahren wesensverschieden sind. Hinzu kommt, dass in beiden Fällen auch unterschiedliche Gesichtspunkte für die Ermessensausübung von Belang sind.
143 
V. Die Aufforderung der Beamten an den Kläger, seine Hosentaschen zu leeren, und die Betrachtung der vorgezeigten Gegenstände waren hingegen rechtmäßig.
144 
1. Als Rechtsgrundlage für die genannten Maßnahmen kommt der die „Durchsuchung von Personen“ regelnde § 43 BPolG allerdings nicht in Betracht.
145 
Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BPolG kann eine Person durchsucht werden, wenn sie nach dem Bundespolizeigesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann. Nach § 43 Abs. 3 BPolG kann, wie gezeigt, die Bundespolizei eine Person, deren Identität nach dem Bundespolizeigesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz des Beamten der Bundespolizei, der Person selbst oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
146 
Diese Vorschriften scheiden als Rechtsgrundlage schon dem Grunde nach aus, da die Beamten die Person des Klägers nicht durchsucht haben. Unter einer „Durchsuchung der Person“ ist die Suche nach Gegenständen am Körper oder in den Kleidungsstücken des Betroffenen zu verstehen, die sich auf ein Hineingreifen in und zwischen die am Körper getragenen Kleidungsstücke, ein Abtasten des bekleideten Körpers sowie erforderlichenfalls die Nachschau (Betrachtung) des unbekleideten Körpers erstreckt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 16.07.1998 - 24 ZB 98.850 - NVwZ-RR 1999, 310; W.-R. Schenke, a.a.O., § 32 BPolG Rn. 3; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 43 Rn. 2 m.w.N.). Hierbei handelt es sich um einen Realakt (Drewes/Malmberg/Walter ebd.), den nur die Polizei selbst vornehmen kann (Rachor, a.a.O., E Rn. 576). Zu einem solchen Realakt kam es hier nicht. Denn ihre Beamten haben den Kläger stattdessen aufgefordert, seine Hosentaschen selbst zu leeren, und die von ihm daraufhin vorgezeigten Gegenstände in Augenschein genommen. Rechtlich betrachtet haben die Beamten mit ihrer Aufforderung an den Kläger, den Inhalt seiner Hosentaschen selbst vorzuzeigen, dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Betroffenen selbst beim Vorliegen der Voraussetzungen einer „Durchsuchung der Person“ zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zunächst grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden muss, den Inhalt seiner Taschen auszuleeren und bei Bedarf Kleidungsstücke abzulegen (vgl. Rachor, a.a.O., E Rn. 574). Da es sich hierbei um ein deutlich milderes Mittel handelt (vgl. Rachor, a.a.O., E Rn. 172, 574), das die mit einer Durchsuchung der Person verbundenen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht - unter Umständen in die Intimsphäre - des Betroffenen gerade vermeidet, muss eine solche Aufforderung nicht den strengen Anforderungen genügen, die der Gesetzgeber für eine Durchsuchung der Person aufgestellt hat.
147 
2. Die Aufforderung, die Hosentaschen zum Zwecke der Eigensicherung der Polizeibeamten zu leeren, findet ihre Rechtsgrundlage stattdessen mangels abschließender Regelung in den Vorschriften über die Standardmaßnahmen in der polizeiliche Generalklausel aus §§ 1 bis 7 i.V.m. § 14 BPolG.
148 
Nach § 14 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 BPolG die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt. Eine Gefahr in diesem Sinne ist eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 BPolG obliegen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG), darunter der Grenzschutz (§ 2 Abs. 1 BPolG).
149 
a) Die Vorschriften über die polizeiliche Generalklausel sind wirksam. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannten Vorschriften bestehen entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht.
150 
Solche Bedenken ergeben sich insbesondere nicht aus dem sinngemäßen Einwand des Klägers, durch die Einführung der Vorschriften über die Schleierfahndung aus § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 44 Abs. 2 Satz 1 BPolG sei der frühere Bundesgrenzschutz unter Verstoß gegen formelles und materielles Verfassungsrecht zu einer „allgemeinen Polizei des Bundes praeter constitutio(nem)“ geworden. Die diesbezüglichen Einwände beziehen sich auf die Änderungsgesetze zur Schaffung der § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 44 Abs. 2 Satz 1 BPolG zur verdachtsunabhängigen - von konkreten Gefahren grundsätzlich abgelösten - Schleierfahndung. In Bezug auf Rechtsgrundlagen aus dem Bundespolizeigesetz, die - wie hier die polizeirechtliche Generalklausel - der Abwehr von konkreten Gefahren dienen, führen sie nicht weiter (vgl. unabhängig davon zur Vereinbarkeit der Vorschriften zur Schleierfahndung mit deutschem Verfassungsrecht W.-R. Schenke, a.a.O., § 23 BPolG Rn. 12 f. m.w.N.).
151 
Soweit der Kläger Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Bundespolizeigesetzes insgesamt mit seinem sinngemäßen Einwand vorträgt, die durch den Bundesgesetzgeber eingeführte Bezeichnung „Bundespolizei“ sei irreführend und verstoße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Sachlichkeitsgebot, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Der Gesetzgeber hat sich bei dem „Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei“ vom 21.06.2005 (BGBl. I S. 1818) von der Überlegung leiten lassen, dass der zuvor so bezeichnete Bundesgrenzschutz eine Polizei des Bundes ist, „deren Aufgabe sich längst nicht mehr auf den klassischen Schutz der Grenzen beschränkt. Die bestehende Bezeichnung ‚Bundesgrenzschutz‘ wird der tatsächlichen Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht“ (Gesetzesbegründung vom 07.04.2005, BT-Drs. 15/5217, S. 1). Weshalb diese Erwägung „irreführend“ oder sonst unter Verstoß gegen Verfassungsrecht unsachlich sein sollte, erschließt sich nicht.
152 
b) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel wird im vorliegenden Fall auch nicht, wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung in Betracht gezogen, durch die Vorschriften aus § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BPolG ausgeschlossen. Der rechtsmethodische Grundsatz, dass das spezielle Gesetz das allgemeinere verdrängt, ist nicht einschlägig, da § 43 BPolG, wie gezeigt, eine Durchsuchung der Person regelt, um die es hier nicht geht, und daher gegenüber Vorschriften, die andere Maßnahmen zur Inaugenscheinnahme eines Tascheninhalts gestatten, kein spezielleres Gesetz ist. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber § 43 BPolG als abschließende Regelung mit dem Inhalt normieren wollte, dass eine Aufforderung, den Tascheninhalt vorzuzeigen, generell ausgeschlossen sein sollte. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil das einem gesetzlichen Ausschluss von zum Zwecke der Eigensicherung in vielen Fällen gleich wirksamen, aber weniger beeinträchtigenden Maßnahmen gleichkäme, was mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 15 BPolG) nicht zu vereinbaren wäre.
153 
c) Der Anwendung der polizeilichen Generalklausel kann auch nicht entgegengehalten werden, die Beamten der Beklagten hätten auch insoweit - wie bei der Durchsuchung des Rucksacks - tatsächlich nicht zu Zwecken der Eigensicherung gehandelt, sondern sich noch im Bereich der sog. Schleierfahndung bewegt. In dem von der Beklagten erstellten, wie gezeigt differenzierten (s. oben IV.2.) Durchsuchungsprotokoll hatte die Beklagte angegeben, dass - anders als die Durchsuchung des Rucksacks - die Aufforderung zur Offenlegung des Inhalts der Hosentaschen „zur Eigensicherung während der Identitätsfeststellung“ durchgeführt wurde (vgl. Bl. 16 d. Verw.-Akte). An der Richtigkeit dieser Angabe zum Zweck der Maßnahme bestehen keine Zweifel. Sie stimmen mit den Angaben der handelnden Beamten und dem Vortrag des Klägers überein, dass eine der anwesenden Beamtinnen erläutert hatte, man wolle am Abend „sicher zu den Familien zurückkehren“. Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung des Senats erläutert, dass er im Zusammenhang mit der Aufforderung, seine Hosentaschen zu leeren, seitens der Beamten gefragt wurde, ob er Waffen oder gefährliche Gegenstände bei sich trage, und dass diese auf (ihres Erachtens sich durch die Hose abzeichnende) „spitze Gegenstände in der Tasche“ verwiesen hatten. Dass das Gebot, den Inhalt der Hosentaschen zu offenbaren, tatsächlich dem Zweck der Eigensicherung diente, steht daher außer Zweifel.
154 
d) Die Beamten der Beklagten sind bei dem Erlass des Verwaltungsakts mit dem Gebot an den Kläger, den Inhalt seiner Hosentaschen offen zu legen, formell rechtmäßig vorgegangen.
155 
aa) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, wie sämtliche angegriffenen Maßnahmen sei auch das Vorgehen der Beamten im Zusammenhang mit dem Inhalt seiner Hosentaschen bereits aus formellen Gründen nichtig.
156 
Er trägt vor, die Bundespolizeibeamten hätten ihn über die Behördeneigenschaft irregeführt, weil die ihm damals ausgehändigte Visitenkarte die Beamten als solche der „Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein“ ausgewiesen habe, obwohl die Bundespolizeiinspektion keine Behörde, sondern eine unselbständige Untergliederung sei. Diese „Irreführung“ habe dazu geführt, dass er seine Klage bei einem Gericht - dem Verwaltungsgericht Freiburg - eingelegt habe, das sich für nicht zuständig gehalten habe. Die „Irreführung“ führe analog § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG zur „Gesamtnichtigkeit“ der Maßnahmen.
157 
Der Einwand geht fehl. Das gilt unabhängig davon, dass ihm die Visitenkarte ohnehin nach dem Abschluss der Maßnahme betreffend seine Hosentasche ausgehändigt wurde. Nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt, der schriftlich oder elektronisch erlassen wurde, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt, nichtig. Es bedarf keiner Entscheidung, ob diese Vorschrift auf mündliche Verwaltungsakte analog anwendbar ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Rn. 35 m.w.N. zum Meinungsstand). Die Regelung kommt allenfalls dann zum Tragen, wenn für die Betroffenen auch aus den Umständen des Erlasses des Verwaltungsakts nicht mit hinreichender Sicherheit erkennbar ist, ob und ggf. welche Behörde die Regelung getroffen hat. Davon kann hier keine Rede sein. Die Angaben auf der dem Kläger ausgehändigten Visitenkarte waren in tatsächlicher Hinsicht zutreffend (vgl. die Kopie auf S. 141 der Berufungsbegründung = Bl. 675 d. VGH-Akte: „Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein, Revier Freiburg, […], Polizeioberkommissar, Gruppenleiter BPOLR FR - DGE, Hausanschrift: […]“). Dass der Kläger aus diesen zutreffenden Angaben rechtliche falsche Schlüsse in Bezug auf das für seine Klage zuständige Verwaltungsgericht (vgl. § 52 VwGO) gezogen hat, begründet keine „Irreführung“ und führt auch sonst nicht zur formellen Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit des mündlichen Verwaltungsakts.
158 
bb) Das an den Kläger ergangene Gebot, den Inhalt seiner Hosentaschen vorzuzeigen, war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sich nur einer der Beamten (mittels der Visitenkarte) ausgewiesen hat und nach Darstellung des Klägers auch dies erst nach dem Abschluss der Maßnahmen erfolgt ist. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine solche Ausweispflicht im April 2013 aus den hierfür allenfalls in Betracht kommenden innerdienstlichen Weisungen der Beklagten folgte und ob der Kläger daraus ggf. einen Anspruch auf Ausweisung abzuleiten vermochte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, handelte es sich dabei jedenfalls nicht um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass von Verwaltungsakten zur Gefahrenabwehr.
159 
cc) Ein formeller Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger hervorgehobenen und in § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG geregelten Umstand, dass mündlich erlassene Verwaltungsakte zu bestätigen sind, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Das Gebot, einen mündlichen Verwaltungsakt nachträglich zu bestätigen, stellt lediglich eine schlichthoheitliche Maßnahme dar, die Beweiszwecken dient (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 23 m.w.N.). Aus der Vorschrift ergibt sich jedoch keine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den - bereits erlassenen - mündlichen Verwaltungsakt. Unabhängig davon ist der Einwand des Klägers auch in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Denn die Beklagte hat die an den Kläger ergangene Aufforderung, den Inhalt seiner Hosentaschen vorzuzeigen, seit dem von ihm eingeleiteten Beschwerdeverfahren mehrfach bestätigt und erläutert.
160 
dd) Unerheblich für die formelle Rechtmäßigkeit der Aufforderung, den Inhalt der Hosentaschen vorzuzeigen, ist auch, ob § 44 Abs. 4 Satz 3 BPolG auf eine solche Fallkonstellation, wie der Kläger meint, entsprechend anzuwenden ist. Nach dieser unmittelbar bei der Durchsuchung von Sachen anwendbaren Vorschrift ist dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund zu erteilen. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob diese Bescheinigung unmittelbar nach der Durchsuchung ausgestellt werden muss oder - wie hier etwa in Bezug auf den Rucksack geschehen - auch im Wege einer nachgehenden Übersendung des Durchsuchungsprotokolls erfolgen kann. Denn das Gebot, eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund auszustellen, ist jedenfalls keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchsuchung (vgl. Drewes/Malm-berg/Walter, a.a.O., § 44 Rn. 22; W.-R. Schenke, a.a.O., § 44 Rn. 19; a.A. insoweit wohl Rachor, a.a.O., E Rn. 626, der aber auf eine Heilung nach § 46 VwVfG verweist).
161 
e) Der Verwaltungsakt mit dem Gebot an den Kläger, den Inhalt seiner Hosentaschen offen zu legen, war auch materiell rechtmäßig.
162 
Die von der polizeilichen Generalklausel vorausgesetzte Gefahr für die öffentliche Sicherheit lag vor. Denn die Beamten der Beklagten durften bei einer Zusammenschau des ungewöhnlichen Verhaltens des Klägers - dem auch von ihm eingeräumten Erheben der Stimme, seinem nervösen Auftreten, seiner Reaktion auf die Aufforderung Abstand zu halten und seinem reflexartigen Fassen an oder in die gefüllten Hosentaschen -, das sich als deutliche Überreaktion auf einen vergleichsweise nichtigen Anlass darstellte, und des Umstands, dass in seinen Hosentaschen auch nach seiner Darstellung Gegenstände erkennbar waren, bei verständiger Würdigung der Lage davon ausgehen, dass es in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an Individualrechtsgütern, hier namentlich zu einer Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit kommen würde (vgl. zu den Begriffen der konkreten Gefahr und der öffentlichen Sicherheit nur W.-R. Schenke, a.a.O., § 14 Rn. 10 f.; 19; Drewes/Malm-berg/Walter, a.a.O., § 14 Rn. 25, 29). Das gilt umso mehr, als bei einer zum Zwecke der Eigensicherung verfügten Aufforderung, den Inhalt von Hosentaschen offenzulegen, angesichts der hohen Bedeutung der hier gefährdeten Rechtsgüter - Leib und Leben der Beamten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) - keine übersteigerten Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen sind. Unabhängig davon ergäbe sich selbst dann nichts anderes, wenn man davon ausginge, dass die den Beamten bekannten Tatsachen lediglich einen Gefahrenverdacht begründeten. Sie waren dann jedenfalls zu Gefahrerforschungsmaßnahmen befugt, um den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.03.1994 - 10 S 1415/92 - VBlBW 1995, 64; zur Zulässigkeit von Gefahrerforschungseingriffen auf der Grundlage der bundespolizeilichen Generalklausel Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 14 Rn. 57). Das Leeren der Taschen des Klägers diente dem Zweck, durch weitere Ermittlungen auszuschließen, dass er gefährliche Gegenstände bei sich trug und ggf. einsetzen würde.
163 
Der Kläger kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, eine Gefahr habe deshalb nicht vorgelegen, weil zum Zeitpunkt dieser Aufforderung sechs Beamten anwesend gewesen seien. Dieser Umstand hätte möglicherweise bei drohender Realisierung der Gefahr eine Schadensabwehr oder -minderung erleichtert, er schloss das Vorliegen einer Gefahr oder eines dahingehenden Verdachts aber nicht aus.
164 
Unerheblich ist auch, ob die Aufforderung der Beamten, den Inhalt der Hosentaschen vorzuzeigen, - wie die Beklagte vorträgt - während oder - wie der Kläger behauptet - nach Abschluss der Identitätsfeststellung und des Datenabgleichs erfolgte. Ohne Belang sind auch die zwischen den Beteiligten im Einzelnen umstrittenen Fragen, ob jene Maßnahme während oder nach der Durchsuchung des Rucksacks stattfand oder sich damit (nur) teilweise zeitlich überschnitt. Unerheblich ist ferner, ob die Identitätsfeststellung und die Durchsuchung des Rucksacks ihrerseits rechtmäßig waren. Besteht die Gefahr, dass eine - zu Recht oder zu Unrecht - noch oder bis kurz zuvor angehaltene Person Beamte am Körper verletzen könnte, sind diese berechtigt, Maßnahmen zur Eigensicherung zu treffen. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren außerhalb des Bereichs der sog. Schleierfahndung. Schon deshalb besteht der vom Kläger behauptete, alle Maßnahmen übergreifende „Rechtmäßigkeitszusammenhang“ nicht.
165 
Die Aufforderung der Beamten an den Kläger, die Hosentaschen zu leeren, war auch im Übrigen materiell rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei, namentlich verhältnismäßig. Die Beamten haben das in der konkreten Situation mildeste Mittel zur Erreichung des Eigensicherungszwecks (vgl. dazu das Durchsuchungsprotokoll, Bl. 16 d. Verw.-Akte: „Eigensicherung“) gewählt, das zur Erreichung dieses Ziels - des Schutzes von Leib und Leben der Beamten - erforderlich war und angesichts des hohen Rangs der geschützten Rechtsgüter (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einerseits und des vergleichsweise geringfügigen Eingriffs in die Rechte des Klägers andererseits nicht unangemessen (unverhältnismäßig i.e.S.) war.
166 
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, ein materieller „Rechtswidrigkeitsgrund“ ergebe sich daraus, dass die Beklagte mit der gesamten, auch noch während der Kontrolle seiner Hosentascheninhalts (und des Rucksacks) erfolgten, von ihm so bezeichnete „Bewegungseinschränkung“ gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG verstoßen habe. Ein solcher Verstoß liegt nicht vor. Eine „Freiheitsentziehung“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG haben die Beamten der Beklagten entgegen den Andeutungen des Klägers nicht durchgeführt, da der Zweck der Maßnahme - die Kontrolle des Inhalts der Hosentaschen - nicht die Einschränkung der Bewegungsfreiheit - sondern die Eigensicherung - war und diese auch nicht länger andauerte, als dies für diesen Zweck und eine Maßnahme dieser Art typischerweise zu veranschlagen ist (s. näher zur Abgrenzung Rachor, a.a.O., E Rn. 496). Dass der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung sinngemäß ausgeführt hat, die Maßnahme auch angesichts der Zahl der bis dahin anwesenden Beamten subjektiv als „freiheitsentziehend“ empfunden haben mag, ändert daran nichts. Die mit dem kurzzeitigen Anhalten verbundene Freiheitsbeschränkung begegnet auch im Lichte des Art. 104 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere war die gebotene gesetzliche Grundlage vorhanden (vgl. oben a).
167 
3. Selbst wenn die Aufforderung zur Offenlegung des Hosentascheninhalts an dem die „Durchsuchung von Personen“ regelnden § 43 BPolG gemessen würde, ist die Maßnahme rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage dann in dessen Absatz 1 Nr. 2 BPolG. Nach dieser Vorschrift kann, wie gezeigt, die Bundespolizei eine Person durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen, wobei die Bundespolizei eine Sache sicherstellen kann, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 47 Nr. 1 BPolG). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Denn aus den oben (unter 2.) genannten Gründen rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass der Kläger Gegenstände mit sich führen könnte, die eine gegenwärtige - d.h. zeitlich besonders naheliegende und mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit bestehende (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 47 BPolG Rn. 8) - Gefahr für die Beamten der Beklagten begründen. Angesichts der hohen Bedeutung der hier gefährdeten Rechtsgüter sind insoweit auch bei einer zum Zwecke der Eigensicherung durchgeführten Durchsuchung von Sachen keine übersteigerten Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen. Die wenige Minuten dauernde Durchsuchung erfolgte auch ermessensfehlerfrei, insbesondere verhältnismäßig.
168 
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
169 
D. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Fragen, ob die § 28 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 44 Abs. 2 BPolG im April 2013 mit Unionsrecht unvereinbar und deshalb unanwendbar waren, sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da die „BRAS 120“ in der damals geltenden Fassung nicht mehr anwendbar sind und durch andere innerdienstliche Vorgaben ersetzt wurden. Die genannten Fragen sind zudem nicht entscheidungserheblich, da die fraglichen Maßnahmen selbst bei Anwendung des damals geltenden nationalen Rechts aus den oben (unter B.) genannten Gründen rechtswidrig waren.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2015 - 1 K 5060/13 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch die Bundespolizei vorgenommenen Identitätsfeststellung und des anschließenden Datenabgleichs.
Der 1985 in Kabul geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger afghanischer Abstammung. Am 19.11.2013 befand er sich im Rahmen einer Geschäftsreise in der 1. Klasse des ICE 377 von Berlin nach Freiburg. Im Waggon befanden sich weitere sechs bis sieben Personen. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Baden-Baden und Offenburg wurde der Kläger gegen 22:30 Uhr von drei Beamten der Bundespolizei angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Der Kläger zeigte seinen deutschen Personalausweis vor und händigte diesen Polizeikommissar H. aus. Sodann äußerte er gegenüber den Beamten, dass die Personalienfeststellung in dieser Form rechtswidrig sei, und forderte die Beamten zur Herausgabe ihrer Namen bzw. Dienstnummern auf. Polizeikommissar H. führte anhand des Personalausweises des Klägers einen Datenabgleich durch und teilte dem Kläger anschließend die Dienststellen und -nummern der drei Polizeibeamten mit. Weitere Personen wurden in dem Waggon nicht kontrolliert. Die Beamten verließen nach der Feststellung der Personalien des Klägers den Bereich der 1. Klasse.
Der Kläger erhob am 18.12.2013 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung und des Datenabgleichs. Er trug vor, die Personalienfeststellung sei materiell rechtswidrig erfolgt. Die von der Beklagten angeführte Ermächtigungsgrundlage des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG verstoße gegen Europarecht. Sie sei nicht mit den Art. 20, 21 der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex) vereinbar. Die einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG sei den gleichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Zudem lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG nicht vor. Hinweise auf eine migrationsrechtswidrige Nutzung des kontrollierten ICE 377 hätten nicht vorgelegen. Zudem habe die Beklagte die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten. Eine Identitätsfeststellung, die sich am Kriterium der Hautfarbe orientiere, verstoße gegen Art. 3 Abs. 3 GG und auch gegen völkerrechtliche Grundsätze, insbesondere gegen Art. 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und gegen Art. 14, Art. 8 Abs. 1 Var. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die beim Kläger durchgeführte Personalienfeststellung sei nicht rechtswidrig gewesen. Der Bundespolizei obliege gemäß § 2 Abs. 1 BPolG der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebiets. Der Grenzschutz umfasse u.a. gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern die Abwehr von Gefahren, welche die Sicherheit der Grenze beeinträchtigten. Die Norm knüpfe nicht an die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG an und ermögliche somit polizeiliche Eingriffsmaßnahmen, die nicht unmittelbar aus Anlass des Grenzübertritts erfolgten. Sie setze hierbei keine konkrete Polizeigefahr voraus, sondern trage insoweit einem Vorsorgekonzept Rechnung und erlaube eine erhebliche polizeiliche Kontrolldichte im Grenzgebiet, was durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Speicherung „kompensiert“ werden könne. Der Zug habe sich auf der Fahrt von Baden-Baden nach Offenburg und damit im 30 km-Grenzbereich befunden. Da in der Vergangenheit immer wieder unerlaubt eingereiste Personen in den Zügen festgestellt worden seien, sei eine Personenkontrolle aufgrund der Lageerkenntnisse angebracht und erforderlich gewesen. Die Bundespolizeiinspektion Offenburg stelle im Grenzgebiet zu Frankreich monatlich durchschnittlich 70 unerlaubt eingereiste Personen fest. Im ICE 377 seien am 19.11.2013 zehn bis 15 Personen - sowohl europäischer als auch nicht europäischer Herkunft - fahndungsmäßig überprüft worden. Der Abgleich der personenbezogenen Daten des Klägers sei rechtmäßig gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG erfolgt. Für die Auswahl der kontrollierten Reisenden seien mehrere Kriterien maßgeblich. Zunächst sei das Lagebild der Bundespolizeiinspektion Offenburg zu berücksichtigen. Ferner seien polizeiliche Erfahrungen sowie das Gesamterscheinungsbild (Alter, mitgeführte Gegenstände, Kleidung, Verhalten) miteinzubeziehen. Die ethnische Erscheinung stelle kein Auswahlkriterium dar.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 22.10.2015 die Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung und des Datenabgleichs festgestellt. Die hinsichtlich der Identitätsfeststellung als Fortsetzungsfeststellungsklage und hinsichtlich des Datenabgleichs als allgemeine Feststellungsklage statthafte Klage sei zulässig und begründet. Die Identitätsfeststellung durch Beamte der Bundespolizei sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe die Maßnahme der Personalienfeststellung bereits deswegen nicht wirksam auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stützen können, weil diese nicht unionsrechtskonform sei und auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Sie verstoße gegen Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006. Die Ermächtigungsgrundlage enthalte nicht die vom Europäischen Gerichtshof geforderten normativen Einschränkungen, die gewährleisteten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben könne. Daher könne offen bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im Zeitpunkt der Kontrolle vorgelegen hätten und ob die Beklagte ihr Ermessen bei der Identitätsfeststellung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG ausgeübt habe. Die sich an die Identitätsfeststellung anschließende Maßnahme des Datenabgleichs sei ebenfalls rechtswidrig erfolgt (vgl. ausf. VG Stuttgart, Urt. v. 22.10.2015 - 1 K 5060/13 - juris).
Mit der vom Verwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Senat hat das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 07.04.2016 bis zur Entscheidung über das beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren C-9/16 ausgesetzt und - im Anschluss an das Urteil des EuGH in dieser Sache vom 21.06.2017 - am 29.06.2017 wieder aufgenommen.
Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, die Identitätsfeststellung sei rechtmäßig gewesen. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG sei insbesondere unionsrechtskonform. Der EuGH verlange einen Rechtsrahmen, der gewährleiste, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben könne. Die vom EuGH geforderten Konkretisierungen und Einschränkungen müssten nicht notwendigerweise gesetzlicher Natur und erst recht nicht in § 23 BPolG selbst statuiert sein. Vielmehr kämen hierfür auch Verwaltungsvorschriften in Betracht. Im maßgeblichen Zeitpunkt der hier streitbefangenen Kontrolle vom 19.11.2013 sei eine ausreichende Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen durch die „BRAS 120“, Band I, Abschnitt II, mit den darin enthaltenen Angaben zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung („Best Grepo“) mit dem damaligen Stand vom 01.03.2008 bewirkt worden. Bei den „BRAS 120“ handele es sich um Verwaltungsvorschriften. Darin werde klargestellt, dass es unzulässig sei, an den Binnengrenzen Personenkontrollen unabhängig von jedem Anlass ausschließlich aufgrund eines vorangegangenen Grenzübertritts vorzunehmen. Außerdem seien darin nähere, den Vorgaben des EuGH genügende Vorgaben für Maßnahmen der Bundespolizei zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung im Binnengrenzraum enthalten. Dort werde u.a. klargestellt, dass Kontrollen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG nur „im Einzel- bzw. Ausnahmefall“ in Betracht kämen und das Vorliegen „hinreichender Anhaltspunkte für eine illegale Einreise oder eine Schleusung“ voraussetzten. Die Verwaltungsvorschrift präzisiere darüber hinaus, wann solche Anhaltspunkte vorlägen. Die von § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erlaubten Identitätsfeststellungen beruhten daher auf Lageerkenntnissen und/oder polizeilichen Erfahrungen und hingen zudem auch vom Verhalten der betroffenen Person bzw. sonstigen Umständen ab, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergebe. Praktische Erfahrungen belegten zudem, dass die Vorgaben der „BRAS 120“ tatsächlich wirksam gewesen seien und nicht unter Rückgriff auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG unzulässige systematische Personenkontrollen durchgeführt würden. Die dort vorgesehenen Kontrollen würden in der Praxis lediglich stichprobenartig und in einer Art und Weise durchgeführt, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterschieden.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Identitätskontrolle des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG hätten am 19.11.2013 auch unter Berücksichtigung der BRAS 120 vorgelegen. Damals habe ein besonderes Lagebild für die Bundespolizeiinspektion Offenburg vorgelegen, in dem u.a. konstatiert worden sei, dass sich der fortwährende Anstieg der unerlaubten Einreisen im Bereich dieser Bundespolizeiinspektion seit dem zweiten Halbjahr 2012 auch im Jahre 2013 ununterbrochen fortgesetzt habe. Mit einem der größten Grenzübergänge entlang der deutsch-französischen Grenze (Europabrücke) im Bereich Straßburg - Kehl spiele der Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Offenburg auch in naher Zukunft eine entscheidende Rolle für unerlaubte Einreisen nach Deutschland. Wegen der Einzelheiten werde auf das Dokument „Polizeiinspektion Offenburg: Lagebild ‚Irreguläre Migration und Schleuserkriminalität‘, IV. Quartal 2013“ (Anlage B1 = Bl. 145 ff. der VGH-Akte) verwiesen. Die Bestreifung auch des ICE 377 habe hiernach auf Erkenntnissen über in der Vergangenheit bereits tatsächlich erfolgte und auch zukünftig zu erwartende unerlaubte Einreisen und Schleusungen und zwar unter Nutzung von Zügen beruht. Die ca. zehn bis 15 durchgeführten Identitätsfeststellungen in dem betreffenden ICE 377 hätten gerade nicht alle Reisenden in dem Zug betroffen. Sie seien mithin zahlenmäßig begrenzt gewesen und selektiv erfolgt. Dass sich die Beamten spontan entschlossen hätten, die Identität des Klägers feststellen zu wollen, habe sich aus der konkret vorgefundenen Kontrollsituation ergeben. Der Kläger habe ungefähr in der Mitte eines 1. Klasse-Waggons in einem Einzelsitz und zwar entgegen der Fahrtrichtung gesessen, wie auch die Beamten durch den Zug entgegen der Fahrtrichtung gegangen seien. Da der Kläger in seinen Sitz versunken und mit dem Rücken zu den durch den Zug gehenden Beamten gesessen sei, hätten weder der Kläger die herannahenden Beamten noch die Beamten den Kläger sehen können, bevor sie sich auf der Höhe seines Sitzes befunden hätten. Der Kläger habe einen Kopfhörer getragen und die Augen geschlossen gehabt. In einer derartigen Situation - in den Sitz versunken, Kopfhörer, geschlossene Augen - sei keineswegs klar, ob sich die betreffende Person tatsächlich ausruhen wolle oder ob sie sich etwa schlafen stelle und ihr Verhalten möglicherweise gerade darauf abziele, von etwaigen Kontrollen verschont zu bleiben. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stehe auch mit deutschem Verfassungsrecht in Einklang, sei insbesondere verhältnismäßig. Die Identitätsfeststellung sei auch im Übrigen fehlerfrei durchgeführt worden.
Auch der Datenabgleich sei rechtmäßig erfolgt. Insbesondere sei § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG verfassungsgemäß. Der in der Literatur teils erhobene Vorwurf der Unbestimmtheit der Norm sei nicht berechtigt, da die Norm auslegbar sei. Auch Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit des mit einem Abgleich verbundenen Eingriffs bestünden nicht.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2015 - 1 K 5060/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Mit Schriftsatz vom 09.11.2017 hat das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. beantragt, gemäß dem klägerischen Wunsch nach § 67 Abs. 7 Satz 1 und 3 VwGO als Beistand zugelassen zu werden. Hilfsweise hat xxx-xxx xxx, der den Schriftsatz des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. unter anderem unterschrieben hat, angezeigt, persönlich als Beistand nach § 67 Abs. 7 Satz 2 VwGO auftreten zu wollen. Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. macht geltend, die BRAS 120 könnten den Anforderungen des EuGH, dass es eines Rechtsrahmens bedürfe, der die Intensität, die Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen lenke, nicht erfüllen. Sie seien zum Zeitpunkt der hier durchgeführten Kontrolle nicht veröffentlicht gewesen. Auch noch heute weigere sich die Beklagte, die BRAS 120 aus dem Jahr 2008 ohne weiteres herauszugeben. Die mangelnde Publizität führe dazu, dass es an der notwendigen Vorhersehbarkeit staatlichen Verhaltens ebenso mangele wie an der Möglichkeit einer angemessenen gerichtlichen Kontrolle. Zudem fehle es den BRAS 120 an der erforderlichen praktischen Wirksamkeit. Dass Kontrollen nur aufgrund eines Gefahrenverdachts und lagebilderabhängig vorgenommen würden, stehe im Widerspruch zu den erstinstanzlichen Einlassungen und vermutlich sogar zum Gesetz. Zudem fehle es den BRAS 120 an der nötigen Bestimmtheit. Sie enthielten keinerlei Vorgaben zur Häufigkeit der Kontrollen. Schließlich liege eine fehlerhafte Ermessensausübung vor, die insbesondere unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG erfolgt sei.
15 
Der Kläger hat sich mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2017 die Ausführungen des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. zu Eigen gemacht.
16 
Der Senat hat mit Beschluss vom 15.01.2018 den Antrag auf Zulassung des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. als Beistand des Klägers abgelehnt.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist zurückzuweisen. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
19 
A. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
20 
B. Die Berufung ist nicht begründet. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Identitätsfeststellung und Datenabgleich gerichtete Klage ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entscheiden hat - zulässig und begründet. Die von Beamten der Beklagten am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg beim Kläger durchgeführte Identitätsfeststellung (-I.-) und der anschließend erfolgte Datenabgleich (-II.-) waren rechtswidrig.
21 
I. Die am 19.11.2013 durchgeführte Identitätsfeststellung war rechtswidrig.
22 
Als Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. jeweils W.-R. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 23 BPolG Rn. 3) bedurfte die Identitätsfeststellung einer gesetzlichen Grundlage. Daran fehlte es. Der von der Beklagten angeführte und einzig in Betracht kommende § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war jedenfalls in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Kontrolle selbst, am 19.11.2013, aus Gründen des Unionsrechts unanwendbar (-1.-). Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - materiell rechtswidrig, weil sie unter Zugrundelegung der von der Beklagten angeführten ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ermessensfehlerhaft durchgeführt wurde (-2.-). Mangels Entscheidungserheblichkeit kann daher offen bleiben, ob die Ermessensausübung der Polizeibeamten gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstieß.
23 
1. Die streitbefangene Identitätsfeststellung findet in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG keine gesetzliche Grundlage. Die Vorschrift (-a-) war im November 2013 nicht anwendbar (-b-).
24 
a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG kann die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG die Identität einer Person feststellen. Straftaten im Sinne dieser Vorschrift sind Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB), die (Nr. 1) gegen die Sicherheit der Grenze oder die Durchführung der Aufgaben der Bundespolizei nach § 2 BPolG - d.h. der Aufgaben des Grenzschutzes - gerichtet sind, oder die (Nr. 2) nach den Vorschriften des Paßgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes zu verfolgen sind, soweit sie durch den Grenzübertritt oder in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem begangen wurden, oder die (Nr. 3) einen Grenzübertritt mittels Täuschung, Drohung, Gewalt oder auf sonst rechtswidrige Weise ermöglichen sollen, soweit sie bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs festgestellt werden, oder die (Nr. 4) das Verbringen einer Sache über die Grenze ohne behördliche Erlaubnis als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der Strafvorschrift verwirklichen, sofern der Bundespolizei durch oder auf Grund eines Gesetzes die Aufgabe der Überwachung des Verbringungsverbotes zugewiesen ist (wie dies z.B. im Bereich des Betäubungsmittelrechts der Fall ist, vgl. § 21 Abs. 2 BtMG).
25 
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erfüllt, kann die Bundespolizei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BPolG zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, dass er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, dass der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 23 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BPolG).
26 
Die genannten Bestimmungen zur Identitätsfeststellung sind Teil der Vorschriften über die sog. Schleierfahndung im Grenzgebiet (näher zur Genese der diesbezüglichen Vorschriften Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 355 f.; 385 ff.; Gnüchtel, NVwZ 2013, 980 f.). § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG zeichnet sich wie andere Vorschriften aus diesem Bereich insbesondere dadurch aus, dass der Tatbestand der Vorschrift das polizeiliche Eingreifen - hier die Identitätsfeststellung - nicht vom Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne abhängig macht (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 23 BPolG Rn. 12; Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 4. Aufl., § 23 Rn. 14). Anknüpfungspunkt für eine Identitätsfeststellung ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vielmehr allein der Umstand, dass sich eine Person an einem bestimmten Ort - im Grenzgebiet im Sinne der o.g. Vorschriften - aufhält. Hinweise darauf, dass von der zu überprüfenden Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder dass sie eine Straftat begangen hat, müssen nach dem Wortlaut der Norm hingegen nicht vorliegen (auch daher sog. anlass-, verdachts- oder ereignisunabhängige Personenkontrolle, vgl. Rachor, a.a.O., Rn. 357).
27 
b) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war im November 2013 keine taugliche Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung des Klägers. Sie war auch unter Berücksichtigung der ergänzend erlassenen Verwaltungsvorschriften der Beklagten mit Unionsrecht (-aa-) nicht vereinbar (-bb-) und daher unanwendbar (-cc-).
28 
aa) Gemäß Art. 67 Abs. 2 AEUV stellt die Union u.a. sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. Die vor diesem Hintergrund erlassene - im November 2013 noch maßgebliche - Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 105 vom 13.04.2006, S. 1 - Schengener Grenzkodex ) definiert dazu in Art. 2 Nr. 9 bis 11 verschiedene Begriffe. Danach sind „Grenzkontrollen“ die an einer Grenze nach Maßgabe und für die Zwecke dieser Verordnung unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen, die aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung bestehen. „Grenzübertrittskontrollen“ sind die Kontrollen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen, um festzustellen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen. Als „Grenzüberwachung“ gilt die Überwachung der Grenzen zwischen den Grenzübergangsstellen und die Überwachung der Grenzübergangsstellen außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden, um zu vermeiden, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen.
29 
Auf diesen Begriffsbestimmungen aufbauend bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen. Gemäß Art. 21 SGK berührt die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen allerdings nicht:
30 
„a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
31 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
32 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
33 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
34 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
35 
(…)
36 
c) die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, in ihren Rechtsvorschriften die Verpflichtung zum Besitz oder Mitführen von Urkunden und Bescheinigungen vorzusehen; (…).“
37 
Zur Auslegung dieser Vorschriften und der Frage, ob sie nationalen Regelungen entgegenstehen, die verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzraum ermöglichen, hat sich der EuGH in drei Entscheidungen zum - für unionsrechtswidrig befundenen - französischen Recht (Urt. v. 22.06.2010 - C-188/10 - Slg. 2010, I-5667 ), zum - als unionsrechtskonform gebilligten - niederländischen Recht (Urt. v. 19.07.2012 - C-278/12 - juris ) sowie zuletzt zum deutschen Recht, namentlich zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, geäußert (Urt. v. 21.06.2017 - C-9/16 - EUGRZ 2017, 360; s. zum Vorlagebeschluss AG Kehl, Beschl. v. 21.12.2015 - 3 Ds Js 7262/14 - juris).
38 
Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, die Einhaltung des Unionsrechts und insbesondere der Art. 20 und 21 SGK durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ zu sichern, der gewährleistet, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 37; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 68). Sie haben insbesondere dann, wenn „Indizien“ darauf hindeuten, dass eine gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen besteht, die Konformität der Identitätskontrollen mit Art. 21 Buchst. a SGK durch „Konkretisierungen und Einschränkungen“ sicherzustellen, die die praktische Ausübung der den Mitgliedstaaten zustehenden polizeilichen Befugnisse so einfassen, dass eine solche gleiche Wirkung vermieden wird (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 38; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 70 m.w.N.). Eine nationale Regelung, die den Polizeibehörden eine Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen einräumt, die zum einen auf das Gebiet an der Grenze des Mitgliedstaats zu anderen Mitgliedstaaten beschränkt und zum anderen unabhängig vom Verhalten der kontrollierten Person und vom Vorliegen besonderer Umstände ist, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, muss insbesondere das Ermessen lenken, über das diese Behörden bei der praktischen Handhabung der besagten Befugnis verfügen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 39; Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 74). Je zahlreicher die Indizien für eine mögliche gleiche Wirkung im Sinne von Art. 21 Buchst. a SGK sind, die sich aus dem mit Kontrollen in einem Grenzgebiet verfolgten Ziel, aus deren räumlichem Anwendungsbereich und aus dem Bestehen unterschiedlicher Grundlagen für diese Kontrollen und die Kontrollen im übrigen Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ergeben, umso strenger müssen außerdem die Konkretisierungen und Einschränkungen sein und eingehalten werden, die für die Ausübung der ihnen zustehenden polizeilichen Befugnisse durch die Mitgliedstaaten in einem Grenzgebiet gelten, um die Verwirklichung des Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht zu gefährden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 75). Schließlich muss der erforderliche Rahmen „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76).
39 
bb) Diesen Vorgaben genügt § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch in Verbindung mit den im November 2013 geltenden Verwaltungsvorschriften der Beklagten nicht.
40 
Kontrollen, wie sie in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vorgesehen sind, finden nicht „an einer Grenze“ oder beim „Grenzübertritt“, sondern im Innern des deutschen Hoheitsgebiets statt. Es handelt sich daher weder um verbotene „Grenzkontrollen“ noch um „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne der o.g. Legaldefinitionen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 42 ff.). Es bestehen allerdings mehrere „Indizien“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, die darauf hindeuten, dass eine im Sinne des Art. 21 SGK „gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen“ besteht. Solche Indizien ergeben sich zum einen aus dem Umstand, dass für die Kontrollen hinsichtlich ihres räumlichen Anwendungsbereichs Sonderregeln mit Bezug zum Grenzraum gelten (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 53; ferner Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 72). Die gleiche Wirkung wird zum anderen dadurch indiziert, dass die Kontrollen nach dem Wortlaut der Norm unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person und von Umständen, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, gestattet sind (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40, 55). Die Beklagte hat deshalb durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ mit hinreichend genauen und detaillierten Konkretisierungen oder Einschränkungen zur Lenkung der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität der Kontrollen zu gewährleisten, dass die praktische Ausübung der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG eingeräumten Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57 ff., 59, 63 zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG).
41 
An einem solchen beschränkenden „Rechtsrahmen“ fehlte es im November 2013. Weder § 23 BPolG selbst (1) noch die im November 2013 darüber hinaus in Betracht kommenden rechtlichen Vorgaben (2) boten einen solchen Rahmen.
42 
(1) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst enthält insbesondere hinsichtlich der Intensität und der Häufigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage möglichen Kontrollen weder Konkretisierungen noch Einschränkungen der mit ihm eingeräumten Befugnis, die verhindern sollen, dass die Anwendung und die praktische Ausübung dieser Befugnis durch die zuständigen Behörden zu Kontrollen führen, die im Sinne von Art. 21 Buchst. a der Verordnung Nr. 562/2006 die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Die Vorschrift selbst bietet den vom Unionsrecht geforderten Rechtsrahmen daher, wie der EuGH insoweit bereits selbst entschieden hat, nicht (vgl. zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, dort u.H. auf die entsprechenden Überlegungen im Urt. v. 22.06.2010, a.a.O. Rn. 73; ebenso - teils bereits zuvor - Groh, NVwZ 2016, 1678; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, DÖV 2012, 216 <221 ff.>; Albrecht/Halder, jurisPR-ITR 4/2016 Anm. 6). Daran ändert der von der Beklagten hervorgehobene Umstand, dass sich in den Gesetzesmaterialien Hinweise darauf finden, dass der Bundesgesetzgeber möglicherweise nicht beabsichtigte, „flächendeckende“ Kontrollen im Grenzgebiet einzuführen (vgl. zu § 22 Abs. 1a BGSG a.F. BT-Drs. 13/11159, S. 6; Gnüchtel, a.a.O., S. 981), nichts.
43 
(2) Ob das deutsche nationale Recht außerhalb dieser Vorschrift einen beschränkenden Rechtsrahmen im o.g. Sinn enthält, hat der EuGH in dem auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG bezogenen Vorlageverfahren C-9/16 nicht weiter geprüft und ausgeführt, diese Prüfung sei Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Ls. 1 und Rn. 60 ff., 63). Diese Prüfung ergibt, dass das deutsche nationale Recht jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt - im November 2013 - keinen den o.g. Anforderungen genügenden „Rechtsrahmen“ zum Ausschluss von Identitätskontrollen mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen bot (im Ergebnis ebenso Groh, a.a.O., S. 1678; Kugelmann, a.a.O., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, a.a.O, 222 f.>; Albrecht/Halder, a.a.O., Anm. 6).
44 
(a) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich nicht aus dem - von der Beklagten im Vorlageverfahren C-9/16 genannten - § 15 BPolG. Diese Vorschrift normiert im Allgemeinen Teil des Abschnitts 2 („Befugnisse“) des Bundespolizeigesetzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Maßnahmen der Bundespolizei. Dieser Grundsatz schützt den Adressaten einer Maßnahme vor unverhältnismäßigen Eingriffen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bezieht sich aber auf das polizeiliche Handeln im jeweils konkreten Einzelfall und ist nicht dazu geeignet zu verhindern, dass die polizeiliche Praxis bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG generell die Wirkung von Grenzübertrittskontrollen erhält. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzt die einzelne Maßnahme nicht in Bezug zu anderen Maßnahmen, erreicht mithin keine effektive Steuerung der Frage, wie oft verdachtsunabhängige Personenfeststellungen im Grenzraum durchgeführt werden. Er kann also insbesondere keine „Summierungseffekte“ verhindern (so zu Recht Michl, DÖV 2018, 50 <57>). Einen Rechtsrahmen zur Lenkung der „Häufigkeit und Selektivität“ (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, 59) von anlassunabhängigen Kontrollen im Grenzraum bietet § 15 BPolG selbst nicht.
45 
(b) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im November 2013 auch nicht aus den von der Beklagten ergänzend angeführten innerdienstlichen Vorgaben zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG.
46 
Die Beklagte verweist insoweit auf die „BRAS 120“, Band I, Abschnitt II, mit den darin enthaltenen Angaben zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung („Best Grepo“) und dem im November 2013 noch maßgeblichen Stand vom 01.03.2008, bei denen es sich ihres Erachtens um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt. Die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 waren jedoch weder ihrer Form (-aa-) noch ihrem Inhalt (-bb-) nach dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
47 
(aa) Im vorliegenden Verfahren bedarf es keiner Entscheidung, ob der unionsrechtlich geforderte „Rechtsrahmen“ stets durch Vorschriften des Außenrechts (Gesetze im formellen Sinn, Rechtsverordnungen) gesetzt werden muss oder ob dafür grundsätzlich auch Verwaltungsvorschriften als Innenrecht in Betracht kommen (vgl. zum Meinungsstand einerseits - abl. - Trennt, a.a.O., S. 222 f.; Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682 f.>, ders., NVwZ 2017, 1608 <1609 f.>, sowie andererseits - bejahend - Graf Vitzthum, ELR 2010, 236 <240 f.>; Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>; insoweit tendenziell auch Michl, a.a.O., S. 57 f.). Erforderlich ist jedenfalls, dass die konkret in Rede stehende innerdienstliche Vorgabe die Mindestanforderungen an das Vorliegen einer rechtliche Regelung erfüllt. Denn das Unionsrecht erfordert zur Steuerung von verdachtsunabhängigen grenzpolizeilichen Befugnissen eine „nationale Regelung“ (vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., 74 f., und die Sprachfassung der damaligen Verfahrenssprache: „législation nationale“), die den Erfordernissen der Rechtssicherheit („sécurité juridique“, vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 75) dienen soll, hinreichend bestimmt ist und effektiven Rechtsschutz ermöglicht („Kontrolle der Kontrolle“, vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Als „Rechtsrahmen“ kommen daher - jedenfalls - nur solche innerbehördlichen Vorgaben in Betracht, die wenigstens veröffentlicht und daher für den Normunterworfenen zugänglich sowie vorhersehbar sind (vgl. Michl, a.a.O., S. 57; allg. zu den Anforderungen für die Qualifizierung einer Vorschrift als „law“ bzw. „loi“ EGMR, Urt. v. 24.04.1990 - 11105/84 - : „accessibility“ und „foreseeability“; ebenso EuGH, Urt. v. 15.03.2017 - C-528/15 - NVwZ 2017, 777). Innerdienstliche Vorgaben, die nicht veröffentlicht werden, genügen den Mindestanforderungen an einen „Rechtsrahmen“ hingegen grundsätzlich nicht. Sind sie auch auf andere Weise nicht zugänglich, ist die Rechtsanwendung für die Normunterworfenen nicht vorhersehbar. Diese wären zudem zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz „ins Blaue hinein“ gezwungen, was mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist (vgl. zum nationalen Gebot effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG BVerfG, Beschl. v. 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178). Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass sich aus dem nationalen deutschen Recht keine generelle Pflicht ergibt, Verwaltungsvorschriften allgemein bekannt zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 - 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220). Denn Prüfungsmaßstab ist im vorliegenden Zusammenhang allein das Unionsrecht, das insoweit einen „Rechtsrahmen“ erfordert, der den oben genannten Mindestanforderungen genügt.
48 
Daran gemessen scheiden die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 schon deshalb als „Rechtsrahmen“ aus, weil sie von der Beklagten als „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ (VS NfD) eingestuft wurden. Denn das hat zur Folge, dass die Beklagte die Angaben in den „BRAS 120“ als geheimhaltungsbedürftige Tatsachen und Erkenntnisse einordnet (vgl. § 4 Abs. 1 SÜG), von denen nur Personen Kenntnis erhalten dürfen und durften, die auf Grund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen, wobei diese Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und die Angaben grundsätzlich nicht an nichtöffentliche Stellen weitergeben dürfen (vgl. § 4 Abs. 1a, 3 und 4 SÜG). Diese Einschränkungen hat die Beklagte auch in der Praxis umgesetzt. Die „BRAS 120“ waren 2013 - und sind weiterhin - nicht veröffentlicht. Die Beklagte hat auch im vorliegenden Einzelfall den Kläger zunächst nicht von deren Existenz in Kenntnis gesetzt, selbst in der erstinstanzlichen Klageerwiderung noch nichts dazu vorgetragen und erst im Berufungsverfahren Auszüge daraus mit dem Vermerk „NfD“ vorgelegt. Auch außergerichtliche Ersuchen, den Text der „BRAS 120“ für rechtswissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) noch 2017 abgelehnt (vgl. Michl, a.a.O., S. 57, dort auch zu dem unter dem Eindruck eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren ergänzend verfassten und veröffentlichten - 2013 aber noch nicht existenten - Erlass des BMI zur Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vom 07.03.2016, GMBl. 2016, S. 203).
49 
(bb) Unabhängig davon waren die „BRAS 120“ auch ihrem Inhalt nach nicht dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
50 
Die „BRAS 120“ enthielten in der 2013 geltenden Fassung, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage B 1 (Bl. 955-971 d. VGH-Akte) verwiesen wird, im Abschnitt „Best Grepo“ unter der Überschrift „Der Einsatz der Bundespolizei im Binnengrenzraum“ u.a. folgende Hinweise (Hervorh. im Original):
51 
„1 Die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG
52 
Nach Inkraftsetzung [des Schengener Grenzkodex] darf die Bundespolizei gem. Art. 20 des Schengener Grenzkodex an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsparteien (Binnengrenze) keine Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen mehr durchführen. Jede Person kann - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit - die Binnengrenze an jeder Stelle ungehindert und ohne Formalitäten überschreiten. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG tritt hinter die Regelungen des Schengener Grenzkodex zurück. Dies gilt auch für Personenkontrollen im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt, wenn diese im Rahmen der polizeilichen Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 des BPolG räumlich abgesetzt von der Grenzlinie Im Grenzgebiet (30 Kilometer) erfolgen. Derartige Ersatzgrenzkontrollen stehen ebenso nicht in Einklang mit der der Regelungsabsicht des Schengener Grenzkodex und sind damit unzulässig. (…)
53 
2 Die polizeiliche Überwachung der Grenze gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BPolG
54 
Die polizeiliche Überwachung der Grenze ist eine allgemeine grenzpolizeiliche Aufgabe der Gefahrenvorsorge.
55 
(…) Nicht in Einklang mit dem Schengener Regelwerk stehen die im Rahmen der polizeilichen Überwachung der Binnengrenzen vorgenommenen Personenkontrollen, die unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund eines vorangegangenen Grenzübertritts erfolgen. Auch in derartigen Fällen würde es sich um eine Form von Verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen handeln, die als Ersatzgrenzkontrollen gegen Art. 20 des Schengener Grenzkodex verstoßen.
56 
3 Handeln der Bundespolizei im Binnengrenzraum zur Abwehr konkreter Gefahren und zur Strafverfolgung
57 
Gefahrenabwehrende (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG) undstrafverfolgende Tätigkeiten bzw. Maßnahmen (§12 BPolG) der Bundespolizei im Binnengrenzraum (dies gilt an der Landgrenze wie im Binnenflugverkehr) beikonkretem Gefahrenverdacht oder im Falle der Strafverfolgung stehen nicht im Widerspruch zu Art. 20 des Schengener Grenzkodex. Sie sind vielmehr Anwendungsfälle von Art 21 des Schengener Grenzkodex.
58 
- Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG obliegt der Bundespolizei die Abwehr von Gefahren in seinem Zuständigkeitsbereich.
59 
Dazu zählt u. a. die illegale Einfuhr von Rauschgift, da die erst dadurch gegebene Möglichkeit seiner illegalen Verbreitung im Inland eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland darstellt, wie sich auch aus der Bewertung des Rauschgiftkriminellen in §§ 53 Nr. 2 und 54 Nr. 3 AufenthG durch den Gesetzgeber ergibt, insofern für diesen gerade „wegen besonderer Gefährlichkeit“ eine spezielle Ausweisungsregelung besteht. Insofern stellt die illegale Einfuhr von Rauschgift sowohl einen strafbewehrten Verstoß gegen das Verbot des Verbringen einer Sache i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BPolG als auch eine Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG dar. (…)
60 
4. Maßnahmen der Bundespolizei zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung im Binnengrenzraum bis zu einer Tiefe von 30km im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG
61 
Die Beseitigung der Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsstaaten verbietet Kontrollen, die lediglich aufgrund oder anlässlich eines Übertritts der Binnengrenze vorgenommen werden sowie damit zusammenhängende Formalitäten. Die Ausübung allgemein polizeilicher Befugnisse der zuständigen Behörden bleibt unberührt. Daher hat die Bundespolizei an den Binnengrenzen auch nach Inkraftsetzung des Schengener Grenzkodexes eine - wenn auch deutlich reduzierte - Befugnis zur Bekämpfung von illegalen Einreisen und Schleusungen. Sie darf auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolGKontrollen an den Binnengrenzen sowie im 30 km-Grenzgebiet im Einzel- bzw. Ausnahmefall durchführen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine illegale Einreise oder eine Schleusung bestehen.
62 
Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben, wenn - bezogen auf einen in Betracht kommenden Binnengrenzabschnitt -
63 
- durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
64 
und
65 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
66 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
67 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.
68 
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein Grenzbezug nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolG gegeben.
69 
Dabei erfolgt die Kontrolle in der Weise, dass Personen, die in die genannten Kategorien fallen könnten, angehalten und hinsichtlich ihrer Identität und ihres ausländerrechtlichen Status überprüft werden dürfen. (…)“
70 
Diese Erläuterungen aus den „BRAS 120“ gewährleisteten keine unionsrechtlich ausreichende Lenkung der „Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen“.
71 
Der Rechtsrahmen zur „Konkretisierung und Einschränkung“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen muss, wie gezeigt, „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Bereits daran fehlt es hier. Denn die zitierten Erläuterungen aus den „BRAS 120“ sind in einer Weise formuliert, die nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, welche Bedeutung ihnen für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG genau zukommen soll. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst findet in den zitierten Auszügen der „BRAS 120“ keine Erwähnung. Der einzige Tatbestand aus § 23 BPolG, der dort genannt wird, ist „§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG“. Eine solche Vorschrift gab es im November 2013 nicht mehr. Gemeint war wohl § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG in der Fassung vom 19.10.1994 (im Folgenden: BPolG 1994), die allerdings bereits mit Ablauf des 31.08.1998 außer Kraft getreten war. Eine Verwaltungsvorschrift, die sich auf außer Kraft getretenes Recht bezieht, ist jedoch nicht „hinreichend genau“ und auch in der Sache nicht geeignet, eine effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens zu bewirken.
72 
Das genannte Defizit kann auch nicht als unerheblicher Redaktionsfehler abgetan werden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG 1994 gestattete die Identitätsfeststellung „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern“. Demgegenüber gestattet § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der seit dem 01.07.2005 geltenden und daher auch im November 2013 maßgeblichen Fassung Identitätsfeststellungen „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 (BPolG)“. Der Tatbestand der neuen Fassung ist also weiter gefasst als derjenige der alten Fassung (näher zur Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesänderung Gnüchtel, a.a.O., S. 980 f.). Diese Gesetzesänderung haben die „BRAS 120“ in ihrer 2013 geltenden Fassung nicht nachvollzogen. Es ist daher nicht hinreichend klar, welche Vorgaben genau der Erlassgeber der „BRAS 120“ für welche Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG machen wollte. Ein „Rechtsrahmen“ für die zweite, 2005 aufgenommene Tatbestandsvariante (Identitätsfeststellung „zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt in den „BRAS 120“ jedenfalls zur Gänze.
73 
Dieses Regelungsdefizit kann auch nicht durch die von der Beklagten in Betracht gezogene „ergänzende Auslegung“ der „BRAS 120“ ausgeglichen werden. Dem steht bereits entgegen, dass keine Maßstäbe niedergelegt oder sonst hinreichend deutlich erkennbar sind, anhand derer eine solche Auslegung der „BRAS 120“ vorgenommen werden könnte. Unabhängig davon würde eine gleichsam „ungeschriebene Verwaltungsvorschrift“, die sich jeder einzelne Beamte allenfalls durch eine „fortschreibende Auslegung“ erschließen könnte, den Anforderungen an einen „hinreichend genauen“ und für effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens geeigneten „Rechtsrahmen“ nicht genügen.
74 
Die „BRAS 120“ genügen den unionsrechtlichen Vorgaben zudem auch deshalb inhaltlich nicht, weil das Unionsrecht einen Rechtsrahmen verlangt, der seinem Inhalt nach eine Lenkung „der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität“ der Kontrollen gewährleistet (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 59). Auch daran fehlt es. Konkrete Vorgaben für die Durchführung von Identitätsfeststellungen enthalten die „BRAS 120“ allenfalls in der zitierten Nummer 4, die sich - bei wohlwollender Auslegung - auf die „Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise“ beziehen (Alt. 1 des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG). Selbst diese Vorgaben beziehen sich aber nur auf die Anforderungen an eine Kontrolle im Einzelfall. Sie sind, da sie - anders als etwa die vom EuGH gebilligten niederländischen Regelungen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff., 80) - keine Beziehung zu der Gesamtheit aller Kontrollen enthalten und auch keine Beschränkung beispielsweise auf Stichproben vorsehen, nicht geeignet, die „Häufigkeit“ der Kontrollen im Grenzgebiet insgesamt effektiv zu beschränken (im Ergebnis ebenso Michl, a.a.O., S. 58 zu dem Erlass des BMI vom 07.03.2016). Für die zweite Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG („Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt es, wie gezeigt, noch weitergehend an jeglichen präzierenden und beschränkenden Vorgaben.
75 
(c) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im November 2013 schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass sie § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der Verwaltungspraxis - schon wegen der Zahl der zur Verfügung stehenden Beamten - nicht flächendeckend, sondern nur für stichprobenartige Kontrollen anwende. Eine - ohnehin jederzeit änderbare - Verwaltungspraxis stellt weder der Form noch dem Inhalt nach einen „Rechtsrahmen“ im oben genannten Sinne dar und wäre erst recht nicht dazu geeignet, die vom Unionsrecht geforderten - ihrerseits kontrollierbaren - „Konkretisierungen und Einschränkungen“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen zu gewährleisten (vgl. Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682>; Michl, a.aO., S. 55 ff.; insoweit selbst die Verwaltungsvorschriften in Betracht ziehenden Stimmen aus dem Schrifttum, die zumindest „Rechtsvorschriften des positiven Rechts“ verlangen, vgl. Graf Vitzthum, a.a.O., S. 241; Kempfler, a.a.O., S. 11).
76 
cc) Fehlte es nach alledem jedenfalls im November 2013 an dem unionsrechtlich gebotenen Rechtsrahmen zur Konkretisierung und Einschränkung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, war diese Norm im damaligen Zeitpunkt unanwendbar (vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.1964 - 6/64 - Slg. 10, 1251; BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422; BVerwG, Urt. v. 07.07.2011 - 10 C 26.10 - BVerwGE 140, 114; zum Anwendungsvorrang im Polizeirecht auch Lindner, JuS 2005, 302 <303>). Die zu Lasten des Klägers durchgeführte Identitätsfeststellung war daher mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig.
77 
2. Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - jedenfalls materiell rechtswidrig. Denn sie wurde unter Zugrundelegung der „BRAS 120“, die aus Sicht der Beklagten als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift fungieren sollte, ermessensfehlerhaft durchgeführt.
78 
§ 23 Abs. 1 BPolG räumt der Beklagten Ermessen ein („kann“). Nach ihrem Vortrag sollten die „BRAS 120“ dieses Ermessen steuern. Nummer 4 des oben zitierten Abschnitts der „BRAS 120“ nimmt bei wohlwollender Auslegung, wie gezeigt, auf die erste Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG Bezug (Identitätsfeststellung zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet, im Sprachgebrauch von Nummer 4 der „BRAS 120“ „illegale Einreise oder Schleusung“). Nach den diesbezüglichen Erläuterungen der „BRAS 120“ soll eine Identitätsfeststellung erfolgen, wenn Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben sind, was der Fall sein soll, wenn
79 
„durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
80 
und
81 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
82 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
83 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.“
84 
Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Dass - im Sinne der ersten der beiden kumulativen Voraussetzung - Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen unter Nutzung von Zügen im Bereich der Bundespolizeiinspektion Offenburg bestanden, hat die Beklagte zwar mit dem auch für den November 2013 ergiebigen „Lagebild“ dargelegt (vgl. a.a.O., S. 10 f. = Bl. 163 f. d. VGH-Akte). Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - im Sinne der zweiten Voraussetzung - aufgrund seines „äußeren Anscheins“ oder „sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse“ unerlaubt eingereist sein oder gar andere bei einer illegalen Einreise unterstützt haben könnte, hat die Beklagte hingegen nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei der am 19.11.2013 durchgeführten Kontrolle selbst haben die Beamten dem Kläger keine dahingehenden Anhaltspunkte benannt. In der erstinstanzlichen Klageerwiderung vom 22.01.2014 (Bl. 21 der VG-Akte) und in der Berufungsbegründung vom 11.02.2016 (Bl. 41 der VGH-Akte) erläuterte die Beklagte, der Kläger sei vom Polizeikommissar H. mit den Worten angesprochen worden „Guten Abend, die Bundespolizei aus Offenburg, Personenkontrolle“; der Kläger habe einen Kopfhörer getragen und die Augen geschlossen gehabt; da er nicht reagiert habe, sei er erneut angesprochen worden; er habe erst auf diese zweite Ansprache hin seine Augen geöffnet, sich weggedreht und die Augen wieder geschlossen. Mit dem Hinweis auf die geschlossenen Augen des Klägers und das Tragen eines Kopfhörers sind keine Anhaltspunkte für eine unerlaubte Einreise dargelegt. Ob sich solche Anhaltspunkte aus der Reaktion des Klägers auf die Polizeibeamten - nicht zu reagieren, erst beim zweiten Mal die Augen zu öffnen und sich wegzudrehen - ergeben, kann bereits deswegen offen bleiben, da diese Reaktion für den Entschluss der Polizeibeamten, den Kläger zu kontrollieren, nicht maßgeblich war. Ihr Auswahlermessen, den Kläger zu kontrollieren, übten sie nach dem Beklagtenvorbringen bereits zuvor anhand der Kriterien „geschlossene Augen“ und „Tragen eines Kopfhörers“ aus. Wie der Fall zeigt, kann eine Reaktion wie die des Klägers zudem bloßer Ausdruck des Unwillens über eine Kontrolle sein und muss nicht auf unerlaubte Einreise hindeuten.
85 
Die Beklagte kann dem auch nicht mit Erfolg ihren zuletzt sinngemäß erhobenen Einwand entgegenhalten, die zweite der beiden kumulativen Voraussetzungen erfordere nur, dass die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins unerlaubt eingereist sein „könne“, wodurch zwar beispielsweise Angestellte einer Bäckerei in einem Bahnhof als Adressaten einer Personenkontrolle ausgeschlossen seien, womit aber grundsätzlich jeder Reisende dafür in Betracht komme. Der Senat vermag dieser von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der oben zitierten Nummer 4 der „BRAS 120“ schon in der Sache nicht zu folgen. Denn damit würde der Wortlaut der Vorschrift, der „verdachtsbegründende“ Erkenntnisse verlangt, überdehnt. Die Auslegung liefe zudem der von der „BRAS 120“ ansatzweise bezweckten Beschränkung der Kontrollen zuwider. Unabhängig davon wäre die Klage bei Zugrundelegung der von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der Nr. 4 - gemessen an dem oben (unter 1.) Gesagten - erst recht begründet. Denn bei dieser weiten Auslegung, nach der praktisch jeder Reisende in einem Zug im Grenzgebiet als Adressat einer Maßnahme der Schleierfahndung in Betracht kommt, böten die „BRAS 120“ erst recht keinen Rahmen, der die unionsrechtlich geforderte Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen gewährleistet. Hinzu kommt, dass die „BRAS 120“ bei diesem weiten Begriffsverständnis auch dem oben genannten unionsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht genügen würden.
86 
Aus den vorstehenden Bedenken folgt nicht, dass der nationale Gesetzgeber die vom Unionsrecht geforderten Beschränkungen zwingend durch Vorschriften normieren muss, die Kontrollen vom Vorliegen konkreter Gefahren oder auch sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse abhängig machen. Dieser in den „BRAS 120“ - wenn auch defizitär - verfolgte Ansatz ist ein möglicher, aber nicht der einzige Weg, die erforderlichen Einschränkungen vorzunehmen. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht schließen die Durchführung von verdachtsunabhängigen Kontrollen grundsätzlich aus. Wenn solche Kontrollen im nationalen Recht ermöglicht werden sollen, müssen aber auf andere Weise geeignete Einschränkungen im nationalen Rechtsrahmen verankert werden, die sich beispielsweise aus hinreichend konkreten Vorgaben zur Quantität der (verdachtsunabhängigen) Kontrollen ergeben können (vgl. zu dem dahingehenden „Stichprobenansatz“ im niederländischen Recht EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff.).
87 
II. Der im Anschluss an die Identitätsfeststellung durchgeführte Datenabgleich war ebenfalls rechtswidrig.
88 
Als Rechtsgrundlage für diese Maßnahme kommt einzig der auch von der Beklagten ins Feld geführte § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen (sog. Fahndungsabgleich). Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BPolG). Die Vorschrift setzt voraus, dass der Bundespolizei die personenbezogenen Daten, die abgeglichen werden sollen, auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind (Arzt, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 34 Rn. 7; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 34 Rn. 12 m.w.N.). Daran fehlt es hier aus den oben genannten unions- und bundesrechtlichen Gründen.
89 
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
90 
D. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Fragen, ob § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im November 2013 mit Unionsrecht unvereinbar und deshalb unanwendbar war, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da die „BRAS 120“ in der damals geltenden Fassung nicht mehr anwendbar sind und durch andere innerdienstliche Vorgaben ersetzt wurden. Die genannte Frage ist zudem nicht entscheidungserheblich, da die fragliche Maßnahme selbst bei Anwendung des damals geltenden nationalen Rechts aus den oben genannten Gründen rechtswidrig war.
91 
Beschluss
vom 13. Februar 2018
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs 2013). Die Identitätsfeststellung und der Datenabgleich sind zwei selbständige polizeiliche Maßnahmen mit eigenem Regelungsgehalt. Für jede der Maßnahmen ist daher der Auffangstreitwert von 5.000,-- EUR festzusetzen. Die Streitwerte sind zu addieren, § 39 Abs. 1 GKG.
93 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist zurückzuweisen. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
19 
A. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
20 
B. Die Berufung ist nicht begründet. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Identitätsfeststellung und Datenabgleich gerichtete Klage ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entscheiden hat - zulässig und begründet. Die von Beamten der Beklagten am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg beim Kläger durchgeführte Identitätsfeststellung (-I.-) und der anschließend erfolgte Datenabgleich (-II.-) waren rechtswidrig.
21 
I. Die am 19.11.2013 durchgeführte Identitätsfeststellung war rechtswidrig.
22 
Als Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. jeweils W.-R. Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 23 BPolG Rn. 3) bedurfte die Identitätsfeststellung einer gesetzlichen Grundlage. Daran fehlte es. Der von der Beklagten angeführte und einzig in Betracht kommende § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war jedenfalls in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Kontrolle selbst, am 19.11.2013, aus Gründen des Unionsrechts unanwendbar (-1.-). Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - materiell rechtswidrig, weil sie unter Zugrundelegung der von der Beklagten angeführten ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ermessensfehlerhaft durchgeführt wurde (-2.-). Mangels Entscheidungserheblichkeit kann daher offen bleiben, ob die Ermessensausübung der Polizeibeamten gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstieß.
23 
1. Die streitbefangene Identitätsfeststellung findet in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG keine gesetzliche Grundlage. Die Vorschrift (-a-) war im November 2013 nicht anwendbar (-b-).
24 
a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG kann die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG die Identität einer Person feststellen. Straftaten im Sinne dieser Vorschrift sind Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB), die (Nr. 1) gegen die Sicherheit der Grenze oder die Durchführung der Aufgaben der Bundespolizei nach § 2 BPolG - d.h. der Aufgaben des Grenzschutzes - gerichtet sind, oder die (Nr. 2) nach den Vorschriften des Paßgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes zu verfolgen sind, soweit sie durch den Grenzübertritt oder in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem begangen wurden, oder die (Nr. 3) einen Grenzübertritt mittels Täuschung, Drohung, Gewalt oder auf sonst rechtswidrige Weise ermöglichen sollen, soweit sie bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs festgestellt werden, oder die (Nr. 4) das Verbringen einer Sache über die Grenze ohne behördliche Erlaubnis als gesetzliches Tatbestandsmerkmal der Strafvorschrift verwirklichen, sofern der Bundespolizei durch oder auf Grund eines Gesetzes die Aufgabe der Überwachung des Verbringungsverbotes zugewiesen ist (wie dies z.B. im Bereich des Betäubungsmittelrechts der Fall ist, vgl. § 21 Abs. 2 BtMG).
25 
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erfüllt, kann die Bundespolizei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BPolG zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, dass er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, dass der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 23 Abs. 3 Satz 2 bis 4 BPolG).
26 
Die genannten Bestimmungen zur Identitätsfeststellung sind Teil der Vorschriften über die sog. Schleierfahndung im Grenzgebiet (näher zur Genese der diesbezüglichen Vorschriften Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 355 f.; 385 ff.; Gnüchtel, NVwZ 2013, 980 f.). § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG zeichnet sich wie andere Vorschriften aus diesem Bereich insbesondere dadurch aus, dass der Tatbestand der Vorschrift das polizeiliche Eingreifen - hier die Identitätsfeststellung - nicht vom Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne abhängig macht (vgl. W.-R. Schenke, a.a.O., § 23 BPolG Rn. 12; Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 4. Aufl., § 23 Rn. 14). Anknüpfungspunkt für eine Identitätsfeststellung ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vielmehr allein der Umstand, dass sich eine Person an einem bestimmten Ort - im Grenzgebiet im Sinne der o.g. Vorschriften - aufhält. Hinweise darauf, dass von der zu überprüfenden Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder dass sie eine Straftat begangen hat, müssen nach dem Wortlaut der Norm hingegen nicht vorliegen (auch daher sog. anlass-, verdachts- oder ereignisunabhängige Personenkontrolle, vgl. Rachor, a.a.O., Rn. 357).
27 
b) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG war im November 2013 keine taugliche Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung des Klägers. Sie war auch unter Berücksichtigung der ergänzend erlassenen Verwaltungsvorschriften der Beklagten mit Unionsrecht (-aa-) nicht vereinbar (-bb-) und daher unanwendbar (-cc-).
28 
aa) Gemäß Art. 67 Abs. 2 AEUV stellt die Union u.a. sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. Die vor diesem Hintergrund erlassene - im November 2013 noch maßgebliche - Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 105 vom 13.04.2006, S. 1 - Schengener Grenzkodex ) definiert dazu in Art. 2 Nr. 9 bis 11 verschiedene Begriffe. Danach sind „Grenzkontrollen“ die an einer Grenze nach Maßgabe und für die Zwecke dieser Verordnung unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen, die aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung bestehen. „Grenzübertrittskontrollen“ sind die Kontrollen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen, um festzustellen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen. Als „Grenzüberwachung“ gilt die Überwachung der Grenzen zwischen den Grenzübergangsstellen und die Überwachung der Grenzübergangsstellen außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden, um zu vermeiden, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen.
29 
Auf diesen Begriffsbestimmungen aufbauend bestimmt Art. 20 SGK, dass die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen. Gemäß Art. 21 SGK berührt die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen allerdings nicht:
30 
„a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
31 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
32 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
33 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
34 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
35 
(…)
36 
c) die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, in ihren Rechtsvorschriften die Verpflichtung zum Besitz oder Mitführen von Urkunden und Bescheinigungen vorzusehen; (…).“
37 
Zur Auslegung dieser Vorschriften und der Frage, ob sie nationalen Regelungen entgegenstehen, die verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzraum ermöglichen, hat sich der EuGH in drei Entscheidungen zum - für unionsrechtswidrig befundenen - französischen Recht (Urt. v. 22.06.2010 - C-188/10 - Slg. 2010, I-5667 ), zum - als unionsrechtskonform gebilligten - niederländischen Recht (Urt. v. 19.07.2012 - C-278/12 - juris ) sowie zuletzt zum deutschen Recht, namentlich zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, geäußert (Urt. v. 21.06.2017 - C-9/16 - EUGRZ 2017, 360; s. zum Vorlagebeschluss AG Kehl, Beschl. v. 21.12.2015 - 3 Ds Js 7262/14 - juris).
38 
Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, die Einhaltung des Unionsrechts und insbesondere der Art. 20 und 21 SGK durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ zu sichern, der gewährleistet, dass die praktische Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 37; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 68). Sie haben insbesondere dann, wenn „Indizien“ darauf hindeuten, dass eine gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen besteht, die Konformität der Identitätskontrollen mit Art. 21 Buchst. a SGK durch „Konkretisierungen und Einschränkungen“ sicherzustellen, die die praktische Ausübung der den Mitgliedstaaten zustehenden polizeilichen Befugnisse so einfassen, dass eine solche gleiche Wirkung vermieden wird (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 38; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 70 m.w.N.). Eine nationale Regelung, die den Polizeibehörden eine Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen einräumt, die zum einen auf das Gebiet an der Grenze des Mitgliedstaats zu anderen Mitgliedstaaten beschränkt und zum anderen unabhängig vom Verhalten der kontrollierten Person und vom Vorliegen besonderer Umstände ist, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, muss insbesondere das Ermessen lenken, über das diese Behörden bei der praktischen Handhabung der besagten Befugnis verfügen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 39; Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 74). Je zahlreicher die Indizien für eine mögliche gleiche Wirkung im Sinne von Art. 21 Buchst. a SGK sind, die sich aus dem mit Kontrollen in einem Grenzgebiet verfolgten Ziel, aus deren räumlichem Anwendungsbereich und aus dem Bestehen unterschiedlicher Grundlagen für diese Kontrollen und die Kontrollen im übrigen Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ergeben, umso strenger müssen außerdem die Konkretisierungen und Einschränkungen sein und eingehalten werden, die für die Ausübung der ihnen zustehenden polizeilichen Befugnisse durch die Mitgliedstaaten in einem Grenzgebiet gelten, um die Verwirklichung des Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht zu gefährden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 75). Schließlich muss der erforderliche Rahmen „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76).
39 
bb) Diesen Vorgaben genügt § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch in Verbindung mit den im November 2013 geltenden Verwaltungsvorschriften der Beklagten nicht.
40 
Kontrollen, wie sie in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vorgesehen sind, finden nicht „an einer Grenze“ oder beim „Grenzübertritt“, sondern im Innern des deutschen Hoheitsgebiets statt. Es handelt sich daher weder um verbotene „Grenzkontrollen“ noch um „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne der o.g. Legaldefinitionen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 42 ff.). Es bestehen allerdings mehrere „Indizien“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, die darauf hindeuten, dass eine im Sinne des Art. 21 SGK „gleiche Wirkung wie bei Grenzübertrittskontrollen“ besteht. Solche Indizien ergeben sich zum einen aus dem Umstand, dass für die Kontrollen hinsichtlich ihres räumlichen Anwendungsbereichs Sonderregeln mit Bezug zum Grenzraum gelten (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 53; ferner Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 72). Die gleiche Wirkung wird zum anderen dadurch indiziert, dass die Kontrollen nach dem Wortlaut der Norm unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person und von Umständen, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergibt, gestattet sind (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40, 55). Die Beklagte hat deshalb durch die Schaffung und Wahrung eines „Rechtsrahmens“ mit hinreichend genauen und detaillierten Konkretisierungen oder Einschränkungen zur Lenkung der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität der Kontrollen zu gewährleisten, dass die praktische Ausübung der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG eingeräumten Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57 ff., 59, 63 zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG).
41 
An einem solchen beschränkenden „Rechtsrahmen“ fehlte es im November 2013. Weder § 23 BPolG selbst (1) noch die im November 2013 darüber hinaus in Betracht kommenden rechtlichen Vorgaben (2) boten einen solchen Rahmen.
42 
(1) § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst enthält insbesondere hinsichtlich der Intensität und der Häufigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage möglichen Kontrollen weder Konkretisierungen noch Einschränkungen der mit ihm eingeräumten Befugnis, die verhindern sollen, dass die Anwendung und die praktische Ausübung dieser Befugnis durch die zuständigen Behörden zu Kontrollen führen, die im Sinne von Art. 21 Buchst. a der Verordnung Nr. 562/2006 die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Die Vorschrift selbst bietet den vom Unionsrecht geforderten Rechtsrahmen daher, wie der EuGH insoweit bereits selbst entschieden hat, nicht (vgl. zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, dort u.H. auf die entsprechenden Überlegungen im Urt. v. 22.06.2010, a.a.O. Rn. 73; ebenso - teils bereits zuvor - Groh, NVwZ 2016, 1678; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, DÖV 2012, 216 <221 ff.>; Albrecht/Halder, jurisPR-ITR 4/2016 Anm. 6). Daran ändert der von der Beklagten hervorgehobene Umstand, dass sich in den Gesetzesmaterialien Hinweise darauf finden, dass der Bundesgesetzgeber möglicherweise nicht beabsichtigte, „flächendeckende“ Kontrollen im Grenzgebiet einzuführen (vgl. zu § 22 Abs. 1a BGSG a.F. BT-Drs. 13/11159, S. 6; Gnüchtel, a.a.O., S. 981), nichts.
43 
(2) Ob das deutsche nationale Recht außerhalb dieser Vorschrift einen beschränkenden Rechtsrahmen im o.g. Sinn enthält, hat der EuGH in dem auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG bezogenen Vorlageverfahren C-9/16 nicht weiter geprüft und ausgeführt, diese Prüfung sei Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Ls. 1 und Rn. 60 ff., 63). Diese Prüfung ergibt, dass das deutsche nationale Recht jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt - im November 2013 - keinen den o.g. Anforderungen genügenden „Rechtsrahmen“ zum Ausschluss von Identitätskontrollen mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen bot (im Ergebnis ebenso Groh, a.a.O., S. 1678; Kugelmann, a.a.O., 7. Kap. Rn. 90; Trennt, a.a.O, 222 f.>; Albrecht/Halder, a.a.O., Anm. 6).
44 
(a) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich nicht aus dem - von der Beklagten im Vorlageverfahren C-9/16 genannten - § 15 BPolG. Diese Vorschrift normiert im Allgemeinen Teil des Abschnitts 2 („Befugnisse“) des Bundespolizeigesetzes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Maßnahmen der Bundespolizei. Dieser Grundsatz schützt den Adressaten einer Maßnahme vor unverhältnismäßigen Eingriffen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bezieht sich aber auf das polizeiliche Handeln im jeweils konkreten Einzelfall und ist nicht dazu geeignet zu verhindern, dass die polizeiliche Praxis bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG generell die Wirkung von Grenzübertrittskontrollen erhält. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzt die einzelne Maßnahme nicht in Bezug zu anderen Maßnahmen, erreicht mithin keine effektive Steuerung der Frage, wie oft verdachtsunabhängige Personenfeststellungen im Grenzraum durchgeführt werden. Er kann also insbesondere keine „Summierungseffekte“ verhindern (so zu Recht Michl, DÖV 2018, 50 <57>). Einen Rechtsrahmen zur Lenkung der „Häufigkeit und Selektivität“ (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 57, 59) von anlassunabhängigen Kontrollen im Grenzraum bietet § 15 BPolG selbst nicht.
45 
(b) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im November 2013 auch nicht aus den von der Beklagten ergänzend angeführten innerdienstlichen Vorgaben zu § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG.
46 
Die Beklagte verweist insoweit auf die „BRAS 120“, Band I, Abschnitt II, mit den darin enthaltenen Angaben zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung („Best Grepo“) und dem im November 2013 noch maßgeblichen Stand vom 01.03.2008, bei denen es sich ihres Erachtens um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften handelt. Die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 waren jedoch weder ihrer Form (-aa-) noch ihrem Inhalt (-bb-) nach dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
47 
(aa) Im vorliegenden Verfahren bedarf es keiner Entscheidung, ob der unionsrechtlich geforderte „Rechtsrahmen“ stets durch Vorschriften des Außenrechts (Gesetze im formellen Sinn, Rechtsverordnungen) gesetzt werden muss oder ob dafür grundsätzlich auch Verwaltungsvorschriften als Innenrecht in Betracht kommen (vgl. zum Meinungsstand einerseits - abl. - Trennt, a.a.O., S. 222 f.; Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682 f.>, ders., NVwZ 2017, 1608 <1609 f.>, sowie andererseits - bejahend - Graf Vitzthum, ELR 2010, 236 <240 f.>; Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>; insoweit tendenziell auch Michl, a.a.O., S. 57 f.). Erforderlich ist jedenfalls, dass die konkret in Rede stehende innerdienstliche Vorgabe die Mindestanforderungen an das Vorliegen einer rechtliche Regelung erfüllt. Denn das Unionsrecht erfordert zur Steuerung von verdachtsunabhängigen grenzpolizeilichen Befugnissen eine „nationale Regelung“ (vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., 74 f., und die Sprachfassung der damaligen Verfahrenssprache: „législation nationale“), die den Erfordernissen der Rechtssicherheit („sécurité juridique“, vgl. EuGH, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., Rn. 75) dienen soll, hinreichend bestimmt ist und effektiven Rechtsschutz ermöglicht („Kontrolle der Kontrolle“, vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Als „Rechtsrahmen“ kommen daher - jedenfalls - nur solche innerbehördlichen Vorgaben in Betracht, die wenigstens veröffentlicht und daher für den Normunterworfenen zugänglich sowie vorhersehbar sind (vgl. Michl, a.a.O., S. 57; allg. zu den Anforderungen für die Qualifizierung einer Vorschrift als „law“ bzw. „loi“ EGMR, Urt. v. 24.04.1990 - 11105/84 - : „accessibility“ und „foreseeability“; ebenso EuGH, Urt. v. 15.03.2017 - C-528/15 - NVwZ 2017, 777). Innerdienstliche Vorgaben, die nicht veröffentlicht werden, genügen den Mindestanforderungen an einen „Rechtsrahmen“ hingegen grundsätzlich nicht. Sind sie auch auf andere Weise nicht zugänglich, ist die Rechtsanwendung für die Normunterworfenen nicht vorhersehbar. Diese wären zudem zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz „ins Blaue hinein“ gezwungen, was mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist (vgl. zum nationalen Gebot effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG BVerfG, Beschl. v. 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178). Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass sich aus dem nationalen deutschen Recht keine generelle Pflicht ergibt, Verwaltungsvorschriften allgemein bekannt zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 - 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220). Denn Prüfungsmaßstab ist im vorliegenden Zusammenhang allein das Unionsrecht, das insoweit einen „Rechtsrahmen“ erfordert, der den oben genannten Mindestanforderungen genügt.
48 
Daran gemessen scheiden die „BRAS 120“ in der Fassung vom 01.03.2008 schon deshalb als „Rechtsrahmen“ aus, weil sie von der Beklagten als „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ (VS NfD) eingestuft wurden. Denn das hat zur Folge, dass die Beklagte die Angaben in den „BRAS 120“ als geheimhaltungsbedürftige Tatsachen und Erkenntnisse einordnet (vgl. § 4 Abs. 1 SÜG), von denen nur Personen Kenntnis erhalten dürfen und durften, die auf Grund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen, wobei diese Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und die Angaben grundsätzlich nicht an nichtöffentliche Stellen weitergeben dürfen (vgl. § 4 Abs. 1a, 3 und 4 SÜG). Diese Einschränkungen hat die Beklagte auch in der Praxis umgesetzt. Die „BRAS 120“ waren 2013 - und sind weiterhin - nicht veröffentlicht. Die Beklagte hat auch im vorliegenden Einzelfall den Kläger zunächst nicht von deren Existenz in Kenntnis gesetzt, selbst in der erstinstanzlichen Klageerwiderung noch nichts dazu vorgetragen und erst im Berufungsverfahren Auszüge daraus mit dem Vermerk „NfD“ vorgelegt. Auch außergerichtliche Ersuchen, den Text der „BRAS 120“ für rechtswissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat das Bundesministerium des Innern (BMI) noch 2017 abgelehnt (vgl. Michl, a.a.O., S. 57, dort auch zu dem unter dem Eindruck eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren ergänzend verfassten und veröffentlichten - 2013 aber noch nicht existenten - Erlass des BMI zur Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG vom 07.03.2016, GMBl. 2016, S. 203).
49 
(bb) Unabhängig davon waren die „BRAS 120“ auch ihrem Inhalt nach nicht dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten.
50 
Die „BRAS 120“ enthielten in der 2013 geltenden Fassung, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage B 1 (Bl. 955-971 d. VGH-Akte) verwiesen wird, im Abschnitt „Best Grepo“ unter der Überschrift „Der Einsatz der Bundespolizei im Binnengrenzraum“ u.a. folgende Hinweise (Hervorh. im Original):
51 
„1 Die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG
52 
Nach Inkraftsetzung [des Schengener Grenzkodex] darf die Bundespolizei gem. Art. 20 des Schengener Grenzkodex an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsparteien (Binnengrenze) keine Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen mehr durchführen. Jede Person kann - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit - die Binnengrenze an jeder Stelle ungehindert und ohne Formalitäten überschreiten. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG tritt hinter die Regelungen des Schengener Grenzkodex zurück. Dies gilt auch für Personenkontrollen im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt, wenn diese im Rahmen der polizeilichen Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 des BPolG räumlich abgesetzt von der Grenzlinie Im Grenzgebiet (30 Kilometer) erfolgen. Derartige Ersatzgrenzkontrollen stehen ebenso nicht in Einklang mit der der Regelungsabsicht des Schengener Grenzkodex und sind damit unzulässig. (…)
53 
2 Die polizeiliche Überwachung der Grenze gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BPolG
54 
Die polizeiliche Überwachung der Grenze ist eine allgemeine grenzpolizeiliche Aufgabe der Gefahrenvorsorge.
55 
(…) Nicht in Einklang mit dem Schengener Regelwerk stehen die im Rahmen der polizeilichen Überwachung der Binnengrenzen vorgenommenen Personenkontrollen, die unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund eines vorangegangenen Grenzübertritts erfolgen. Auch in derartigen Fällen würde es sich um eine Form von Verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen handeln, die als Ersatzgrenzkontrollen gegen Art. 20 des Schengener Grenzkodex verstoßen.
56 
3 Handeln der Bundespolizei im Binnengrenzraum zur Abwehr konkreter Gefahren und zur Strafverfolgung
57 
Gefahrenabwehrende (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG) undstrafverfolgende Tätigkeiten bzw. Maßnahmen (§12 BPolG) der Bundespolizei im Binnengrenzraum (dies gilt an der Landgrenze wie im Binnenflugverkehr) beikonkretem Gefahrenverdacht oder im Falle der Strafverfolgung stehen nicht im Widerspruch zu Art. 20 des Schengener Grenzkodex. Sie sind vielmehr Anwendungsfälle von Art 21 des Schengener Grenzkodex.
58 
- Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG obliegt der Bundespolizei die Abwehr von Gefahren in seinem Zuständigkeitsbereich.
59 
Dazu zählt u. a. die illegale Einfuhr von Rauschgift, da die erst dadurch gegebene Möglichkeit seiner illegalen Verbreitung im Inland eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland darstellt, wie sich auch aus der Bewertung des Rauschgiftkriminellen in §§ 53 Nr. 2 und 54 Nr. 3 AufenthG durch den Gesetzgeber ergibt, insofern für diesen gerade „wegen besonderer Gefährlichkeit“ eine spezielle Ausweisungsregelung besteht. Insofern stellt die illegale Einfuhr von Rauschgift sowohl einen strafbewehrten Verstoß gegen das Verbot des Verbringen einer Sache i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 4 BPolG als auch eine Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG dar. (…)
60 
4. Maßnahmen der Bundespolizei zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung im Binnengrenzraum bis zu einer Tiefe von 30km im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG
61 
Die Beseitigung der Verdachts- und ereignisunabhängigen Grenzkontrollen an den gemeinsamen Grenzen der Schengener Vertragsstaaten verbietet Kontrollen, die lediglich aufgrund oder anlässlich eines Übertritts der Binnengrenze vorgenommen werden sowie damit zusammenhängende Formalitäten. Die Ausübung allgemein polizeilicher Befugnisse der zuständigen Behörden bleibt unberührt. Daher hat die Bundespolizei an den Binnengrenzen auch nach Inkraftsetzung des Schengener Grenzkodexes eine - wenn auch deutlich reduzierte - Befugnis zur Bekämpfung von illegalen Einreisen und Schleusungen. Sie darf auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolGKontrollen an den Binnengrenzen sowie im 30 km-Grenzgebiet im Einzel- bzw. Ausnahmefall durchführen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine illegale Einreise oder eine Schleusung bestehen.
62 
Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben, wenn - bezogen auf einen in Betracht kommenden Binnengrenzabschnitt -
63 
- durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
64 
und
65 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
66 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
67 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.
68 
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein Grenzbezug nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst c BPolG gegeben.
69 
Dabei erfolgt die Kontrolle in der Weise, dass Personen, die in die genannten Kategorien fallen könnten, angehalten und hinsichtlich ihrer Identität und ihres ausländerrechtlichen Status überprüft werden dürfen. (…)“
70 
Diese Erläuterungen aus den „BRAS 120“ gewährleisteten keine unionsrechtlich ausreichende Lenkung der „Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ermöglichten Kontrollen“.
71 
Der Rechtsrahmen zur „Konkretisierung und Einschränkung“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen muss, wie gezeigt, „hinreichend genau und detailliert“ sein, damit sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestatteten Kontrollmaßnahmen selbst Kontrollen unterzogen werden können (EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 40; Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 76). Bereits daran fehlt es hier. Denn die zitierten Erläuterungen aus den „BRAS 120“ sind in einer Weise formuliert, die nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, welche Bedeutung ihnen für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG genau zukommen soll. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG selbst findet in den zitierten Auszügen der „BRAS 120“ keine Erwähnung. Der einzige Tatbestand aus § 23 BPolG, der dort genannt wird, ist „§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG“. Eine solche Vorschrift gab es im November 2013 nicht mehr. Gemeint war wohl § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG in der Fassung vom 19.10.1994 (im Folgenden: BPolG 1994), die allerdings bereits mit Ablauf des 31.08.1998 außer Kraft getreten war. Eine Verwaltungsvorschrift, die sich auf außer Kraft getretenes Recht bezieht, ist jedoch nicht „hinreichend genau“ und auch in der Sache nicht geeignet, eine effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens zu bewirken.
72 
Das genannte Defizit kann auch nicht als unerheblicher Redaktionsfehler abgetan werden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BPolG 1994 gestattete die Identitätsfeststellung „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern“. Demgegenüber gestattet § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der seit dem 01.07.2005 geltenden und daher auch im November 2013 maßgeblichen Fassung Identitätsfeststellungen „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 (BPolG)“. Der Tatbestand der neuen Fassung ist also weiter gefasst als derjenige der alten Fassung (näher zur Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesänderung Gnüchtel, a.a.O., S. 980 f.). Diese Gesetzesänderung haben die „BRAS 120“ in ihrer 2013 geltenden Fassung nicht nachvollzogen. Es ist daher nicht hinreichend klar, welche Vorgaben genau der Erlassgeber der „BRAS 120“ für welche Tatbestandsvariante des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG machen wollte. Ein „Rechtsrahmen“ für die zweite, 2005 aufgenommene Tatbestandsvariante (Identitätsfeststellung „zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt in den „BRAS 120“ jedenfalls zur Gänze.
73 
Dieses Regelungsdefizit kann auch nicht durch die von der Beklagten in Betracht gezogene „ergänzende Auslegung“ der „BRAS 120“ ausgeglichen werden. Dem steht bereits entgegen, dass keine Maßstäbe niedergelegt oder sonst hinreichend deutlich erkennbar sind, anhand derer eine solche Auslegung der „BRAS 120“ vorgenommen werden könnte. Unabhängig davon würde eine gleichsam „ungeschriebene Verwaltungsvorschrift“, die sich jeder einzelne Beamte allenfalls durch eine „fortschreibende Auslegung“ erschließen könnte, den Anforderungen an einen „hinreichend genauen“ und für effektive Steuerung des polizeilichen Verhaltens geeigneten „Rechtsrahmen“ nicht genügen.
74 
Die „BRAS 120“ genügen den unionsrechtlichen Vorgaben zudem auch deshalb inhaltlich nicht, weil das Unionsrecht einen Rechtsrahmen verlangt, der seinem Inhalt nach eine Lenkung „der Intensität, der Häufigkeit und der Selektivität“ der Kontrollen gewährleistet (vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2017, a.a.O., Rn. 59). Auch daran fehlt es. Konkrete Vorgaben für die Durchführung von Identitätsfeststellungen enthalten die „BRAS 120“ allenfalls in der zitierten Nummer 4, die sich - bei wohlwollender Auslegung - auf die „Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise“ beziehen (Alt. 1 des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG). Selbst diese Vorgaben beziehen sich aber nur auf die Anforderungen an eine Kontrolle im Einzelfall. Sie sind, da sie - anders als etwa die vom EuGH gebilligten niederländischen Regelungen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff., 80) - keine Beziehung zu der Gesamtheit aller Kontrollen enthalten und auch keine Beschränkung beispielsweise auf Stichproben vorsehen, nicht geeignet, die „Häufigkeit“ der Kontrollen im Grenzgebiet insgesamt effektiv zu beschränken (im Ergebnis ebenso Michl, a.a.O., S. 58 zu dem Erlass des BMI vom 07.03.2016). Für die zweite Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG („Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG“) fehlt es, wie gezeigt, noch weitergehend an jeglichen präzierenden und beschränkenden Vorgaben.
75 
(c) Ein den Vorgaben des EuGH genügender „Rechtsrahmen“ ergab sich im November 2013 schließlich auch nicht aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass sie § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in der Verwaltungspraxis - schon wegen der Zahl der zur Verfügung stehenden Beamten - nicht flächendeckend, sondern nur für stichprobenartige Kontrollen anwende. Eine - ohnehin jederzeit änderbare - Verwaltungspraxis stellt weder der Form noch dem Inhalt nach einen „Rechtsrahmen“ im oben genannten Sinne dar und wäre erst recht nicht dazu geeignet, die vom Unionsrecht geforderten - ihrerseits kontrollierbaren - „Konkretisierungen und Einschränkungen“ von grenzbezogenen verdachtsunabhängigen Kontrollen zu gewährleisten (vgl. Groh, NVwZ 2016, 1678 <1682>; Michl, a.aO., S. 55 ff.; insoweit selbst die Verwaltungsvorschriften in Betracht ziehenden Stimmen aus dem Schrifttum, die zumindest „Rechtsvorschriften des positiven Rechts“ verlangen, vgl. Graf Vitzthum, a.a.O., S. 241; Kempfler, a.a.O., S. 11).
76 
cc) Fehlte es nach alledem jedenfalls im November 2013 an dem unionsrechtlich gebotenen Rechtsrahmen zur Konkretisierung und Einschränkung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, war diese Norm im damaligen Zeitpunkt unanwendbar (vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.1964 - 6/64 - Slg. 10, 1251; BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422; BVerwG, Urt. v. 07.07.2011 - 10 C 26.10 - BVerwGE 140, 114; zum Anwendungsvorrang im Polizeirecht auch Lindner, JuS 2005, 302 <303>). Die zu Lasten des Klägers durchgeführte Identitätsfeststellung war daher mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig.
77 
2. Unabhängig davon wäre die Identitätsfeststellung auch gemessen am nationalen Recht - seine Anwendbarkeit unterstellt - jedenfalls materiell rechtswidrig. Denn sie wurde unter Zugrundelegung der „BRAS 120“, die aus Sicht der Beklagten als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift fungieren sollte, ermessensfehlerhaft durchgeführt.
78 
§ 23 Abs. 1 BPolG räumt der Beklagten Ermessen ein („kann“). Nach ihrem Vortrag sollten die „BRAS 120“ dieses Ermessen steuern. Nummer 4 des oben zitierten Abschnitts der „BRAS 120“ nimmt bei wohlwollender Auslegung, wie gezeigt, auf die erste Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG Bezug (Identitätsfeststellung zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet, im Sprachgebrauch von Nummer 4 der „BRAS 120“ „illegale Einreise oder Schleusung“). Nach den diesbezüglichen Erläuterungen der „BRAS 120“ soll eine Identitätsfeststellung erfolgen, wenn Anhaltspunkte für einen derartigen Verdacht sind gegeben sind, was der Fall sein soll, wenn
79 
„durch konkrete Tatsachen belegte Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen oder Schleusungen vorliegen (Fußnote: Zum Beispiel Erkenntnisse über tatsächlich erfolgte oder bevorstehende illegale Einreisen bzw. Schleusungen.)
80 
und
81 
- die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins
82 
- oder aufgrund sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse unerlaubt eingereist sein
83 
- oder anderen bei der illegalen Einreise Unterstützung geleistet haben kann.“
84 
Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Dass - im Sinne der ersten der beiden kumulativen Voraussetzung - Anhaltspunkte für unerlaubte Einreisen unter Nutzung von Zügen im Bereich der Bundespolizeiinspektion Offenburg bestanden, hat die Beklagte zwar mit dem auch für den November 2013 ergiebigen „Lagebild“ dargelegt (vgl. a.a.O., S. 10 f. = Bl. 163 f. d. VGH-Akte). Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - im Sinne der zweiten Voraussetzung - aufgrund seines „äußeren Anscheins“ oder „sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse“ unerlaubt eingereist sein oder gar andere bei einer illegalen Einreise unterstützt haben könnte, hat die Beklagte hingegen nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei der am 19.11.2013 durchgeführten Kontrolle selbst haben die Beamten dem Kläger keine dahingehenden Anhaltspunkte benannt. In der erstinstanzlichen Klageerwiderung vom 22.01.2014 (Bl. 21 der VG-Akte) und in der Berufungsbegründung vom 11.02.2016 (Bl. 41 der VGH-Akte) erläuterte die Beklagte, der Kläger sei vom Polizeikommissar H. mit den Worten angesprochen worden „Guten Abend, die Bundespolizei aus Offenburg, Personenkontrolle“; der Kläger habe einen Kopfhörer getragen und die Augen geschlossen gehabt; da er nicht reagiert habe, sei er erneut angesprochen worden; er habe erst auf diese zweite Ansprache hin seine Augen geöffnet, sich weggedreht und die Augen wieder geschlossen. Mit dem Hinweis auf die geschlossenen Augen des Klägers und das Tragen eines Kopfhörers sind keine Anhaltspunkte für eine unerlaubte Einreise dargelegt. Ob sich solche Anhaltspunkte aus der Reaktion des Klägers auf die Polizeibeamten - nicht zu reagieren, erst beim zweiten Mal die Augen zu öffnen und sich wegzudrehen - ergeben, kann bereits deswegen offen bleiben, da diese Reaktion für den Entschluss der Polizeibeamten, den Kläger zu kontrollieren, nicht maßgeblich war. Ihr Auswahlermessen, den Kläger zu kontrollieren, übten sie nach dem Beklagtenvorbringen bereits zuvor anhand der Kriterien „geschlossene Augen“ und „Tragen eines Kopfhörers“ aus. Wie der Fall zeigt, kann eine Reaktion wie die des Klägers zudem bloßer Ausdruck des Unwillens über eine Kontrolle sein und muss nicht auf unerlaubte Einreise hindeuten.
85 
Die Beklagte kann dem auch nicht mit Erfolg ihren zuletzt sinngemäß erhobenen Einwand entgegenhalten, die zweite der beiden kumulativen Voraussetzungen erfordere nur, dass die im Einzelfall zu kontrollierende Person aufgrund ihres äußeren Anscheins unerlaubt eingereist sein „könne“, wodurch zwar beispielsweise Angestellte einer Bäckerei in einem Bahnhof als Adressaten einer Personenkontrolle ausgeschlossen seien, womit aber grundsätzlich jeder Reisende dafür in Betracht komme. Der Senat vermag dieser von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der oben zitierten Nummer 4 der „BRAS 120“ schon in der Sache nicht zu folgen. Denn damit würde der Wortlaut der Vorschrift, der „verdachtsbegründende“ Erkenntnisse verlangt, überdehnt. Die Auslegung liefe zudem der von der „BRAS 120“ ansatzweise bezweckten Beschränkung der Kontrollen zuwider. Unabhängig davon wäre die Klage bei Zugrundelegung der von der Beklagten zuletzt angebotenen Auslegung der Nr. 4 - gemessen an dem oben (unter 1.) Gesagten - erst recht begründet. Denn bei dieser weiten Auslegung, nach der praktisch jeder Reisende in einem Zug im Grenzgebiet als Adressat einer Maßnahme der Schleierfahndung in Betracht kommt, böten die „BRAS 120“ erst recht keinen Rahmen, der die unionsrechtlich geforderte Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen gewährleistet. Hinzu kommt, dass die „BRAS 120“ bei diesem weiten Begriffsverständnis auch dem oben genannten unionsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht genügen würden.
86 
Aus den vorstehenden Bedenken folgt nicht, dass der nationale Gesetzgeber die vom Unionsrecht geforderten Beschränkungen zwingend durch Vorschriften normieren muss, die Kontrollen vom Vorliegen konkreter Gefahren oder auch sonstiger verdachtsbegründender Erkenntnisse abhängig machen. Dieser in den „BRAS 120“ - wenn auch defizitär - verfolgte Ansatz ist ein möglicher, aber nicht der einzige Weg, die erforderlichen Einschränkungen vorzunehmen. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht schließen die Durchführung von verdachtsunabhängigen Kontrollen grundsätzlich aus. Wenn solche Kontrollen im nationalen Recht ermöglicht werden sollen, müssen aber auf andere Weise geeignete Einschränkungen im nationalen Rechtsrahmen verankert werden, die sich beispielsweise aus hinreichend konkreten Vorgaben zur Quantität der (verdachtsunabhängigen) Kontrollen ergeben können (vgl. zu dem dahingehenden „Stichprobenansatz“ im niederländischen Recht EuGH, Urt. v. 19.07.2012, a.a.O., Rn. 14 ff.).
87 
II. Der im Anschluss an die Identitätsfeststellung durchgeführte Datenabgleich war ebenfalls rechtswidrig.
88 
Als Rechtsgrundlage für diese Maßnahme kommt einzig der auch von der Beklagten ins Feld geführte § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen (sog. Fahndungsabgleich). Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BPolG). Die Vorschrift setzt voraus, dass der Bundespolizei die personenbezogenen Daten, die abgeglichen werden sollen, auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind (Arzt, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 34 Rn. 7; Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 34 Rn. 12 m.w.N.). Daran fehlt es hier aus den oben genannten unions- und bundesrechtlichen Gründen.
89 
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
90 
D. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Fragen, ob § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im November 2013 mit Unionsrecht unvereinbar und deshalb unanwendbar war, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da die „BRAS 120“ in der damals geltenden Fassung nicht mehr anwendbar sind und durch andere innerdienstliche Vorgaben ersetzt wurden. Die genannte Frage ist zudem nicht entscheidungserheblich, da die fragliche Maßnahme selbst bei Anwendung des damals geltenden nationalen Rechts aus den oben genannten Gründen rechtswidrig war.
91 
Beschluss
vom 13. Februar 2018
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs 2013). Die Identitätsfeststellung und der Datenabgleich sind zwei selbständige polizeiliche Maßnahmen mit eigenem Regelungsgehalt. Für jede der Maßnahmen ist daher der Auffangstreitwert von 5.000,-- EUR festzusetzen. Die Streitwerte sind zu addieren, § 39 Abs. 1 GKG.
93 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.