Bundesverfassungsgericht Beschluss, 06. Mai 2016 - 1 BvL 7/15

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2016:lk20160506.1bvl000715
bei uns veröffentlicht am06.05.2016

Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

I.

1

Das Vorlageverfahren betrifft die Minderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) aufgrund von Pflichtverletzungen der leistungsberechtigten Person. Zum 1. April 2011 wurden die zugrunde liegenden Vorschriften neu geordnet (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I S. 453) und zum 1. April 2012 geändert (Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl I S. 2854). § 31 SGB II regelt die Tatbestände von Pflichtverletzungen; § 31a SGB II enthält die leistungsmindernden Rechtsfolgen und § 31b SGB II deren Beginn und Dauer.

2

Tatbestandlich setzt eine Leistungsabsenkung nach § 31a SGB II voraus, dass die leistungsberechtigte Person eine Pflicht aus dem gesetzlichen Katalog des § 31 SGB II oder nach § 32 SGB II verletzt, sie zuvor über die Rechtsfolgen dieser Pflichtverletzung entweder schriftlich belehrt wurde oder sie Kenntnis dieser Rechtsfolgen hat (§ 31 Abs. 1 Satz 1 und § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II), und die leistungsberechtigte Person für die Pflichtverletzung keinen wichtigen Grund geltend machen kann (§ 31 Abs. 1 Satz 2 und § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Eine Pflichtverletzung liegt unter anderem in der Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), und in der Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II oder ein nach § 16e SGB II gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch eigenes Verhalten zu verhindern (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Was zumutbar ist, regelt § 10 SGB II.

3

Rechtsfolge einer vorwerfbaren Pflichtverletzung ist eine prozentuale Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II, die sich bei mehreren Pflichtverstößen summiert. Der Auszahlungsanspruch mindert sich grundsätzlich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt (§ 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II), und grundsätzlich für den Zeitraum von drei Monaten (§ 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II). Bei wiederholter Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres nach einem Minderungszeitraum werden die Leistungen bei Leistungsberechtigten ab Vollendung des 25. Lebensjahres um 60 % gemindert (§ 31a Abs. 1 SGB II), bei weiteren Pflichtverletzungen in diesem Zeitraum entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig (§ 31a Abs. 1 Sätze 2 bis 5 SGB II). Im Falle der Minderung um mehr als 30 % können in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (§ 31a Abs. 3 SGB II).

4

1. Im Ausgangsverfahren wendet sich der 1982 geborene Kläger gegen zwei Bescheide über Leistungsminderungen. Für die Zeiträume vom 1. März 2014 bis 31. August 2014 sowie vom 1. September 2014 bis 28. Februar 2015 wurden ihm Grundsicherungsleistungen bewilligt.

5

Durch Bescheid vom 4. Juni 2014 minderte das Jobcenter als Beklagte für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. September 2014 das Arbeitslosengeld II um 30 % des maßgebenden Regelbedarfes (117,30 € monatlich) und hob die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 teilweise auf. Es habe dem Kläger ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis als Lager- und Transportarbeiter angeboten. Er habe verhindert, dass ein Beschäftigungsverhältnis zustande kam, obwohl er über die Rechtsfolgen einer solchen Pflichtverletzung schriftlich belehrt worden sei.

6

Dagegen erhob der Kläger des Ausgangsverfahrens Widerspruch, den das Jobcenter mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 als unbegründet zurückwies. Anwendung finde § 31 Abs. 1 SGB II. Der Kläger habe sich geweigert, die angebotene Beschäftigung anzunehmen. Das Angebot als Lagermitarbeiter sei aufgrund der Ausbildung des Klägers im Bereich Lager/Logistik zumutbar gewesen. Vorrangiges Interesse an einem anderen Beschäftigungsverhältnis sei kein wichtiger Grund, eine Arbeitsaufnahme abzulehnen, denn ein solcher Grund müsse im Verhältnis zu den Interessen der Allgemeinheit besonderes Gewicht haben. Angesichts der Zumutbarkeitsregelungen des § 10 SGB II sei bei der Prüfung des wichtigen Grundes ein strenger Maßstab anzulegen. Der Kläger müsse alle Möglichkeiten ausschöpfen, um seine Hilfebedürftigkeit zu verringern und auch Tätigkeiten ausüben, die nicht seinen persönlichen Vorlieben entsprächen. Er sei mit Schreiben vom 25. Februar 2014 über die Folgen einer Pflichtverletzung belehrt worden.

7

Mit einem weiteren Bescheid vom 19. September 2014 minderte das Jobcenter wegen wiederholter Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014 um monatlich 60 % des maßgeblichen Regelbedarfes und hob den Bewilligungsbescheid für diesen Zeitraum teilweise auf. Mit einer Eingliederungsvereinbarung sei durch Verwaltungsakt vom 21. Juli 2014 verfügt worden, dass der Kläger bei einem Arbeitgeber einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein einzulösen habe, um eine praktische Erprobung zu ermöglichen. Dem sei der Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen der Vereinbarung nicht nachgekommen. Wegen wiederholter Pflichtverletzung führe dies zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um monatlich 60 % des maßgeblichen Regelbedarfes. Der Bewilligungsbescheid für den Sanktionszeitraum wurde teilweise aufgehoben.

8

Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2014 wiederum als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe sich ohne Grund geweigert, die im Verwaltungsakt festgelegten Pflichten zu erfüllen. Der Kläger müsse alles tun, um seine Hilfebedürftigkeit zu verringern. Er habe den Gutschein nicht eingelöst und somit innerhalb eines Jahres wiederholt Pflichten verletzt. Daher mindere sich das Arbeitslosengeld II um 60 % des Regelbedarfs. Auf Antrag könnten in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden, was hier nicht genutzt wurde.

9

Mit Schriftsatz vom 13. November 2014 erhob der Kläger Anfechtungsklage gegen die Widerspruchsbescheide vom 15. Oktober 2014 und 23. Oktober 2014. § 31a SGB II sei verfassungswidrig. Der Rechtsstreit müsse ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eingeholt werden.

10

2. Das Sozialgericht hat am 26. Mai 2015 aufgrund mündlicher Verhandlung beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht folgende Fragen zur Entscheidung vorzulegen:

"2.1. Ist § 31a i.V.m. § 31 und § 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011, gültig ab 01.04.2011, Bundesgesetzblatt I vom 13. Mai 2011 insoweit mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als sich das für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums maßgebliche Arbeitslosengeld II auf Grund von Pflichtverletzungen um 30 bzw. 60% des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs mindert bzw. bei weiteren Pflichtverletzungen vollständig entfällt?

2.2. Ist § 31a i.V.m. § 31 und § 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011, gültig ab 01.04.2011, Bundesgesetzblatt I vom 13. Mai 2011 insoweit mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar, als Sanktionen, wenn sie zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führen, gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verstoßen?

2.3. Ist § 31a i.V.m. § 31 und § 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011, gültig ab 01.04.2011, Bundesgesetzblatt I vom 13. Mai 2011 insoweit mit Art. 12 GG vereinbar, als Sanktionen gegen die Berufsfreiheit verstoßen?"

11

Die Kammer sei überzeugt, dass § 31a in Verbindung mit § 31 und 31b SGB II verfassungswidrig seien, weil die Regelung gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art.12 Abs.1 sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße.

12

Die Entscheidung über die Anfechtungsklage hänge von der Verfassungsmäßigkeit von § 31a in Verbindung mit § 31 und § 31b SGB II ab. Die zulässige Anfechtungsklage wäre in der Sache unbegründet, wenn die vorgelegten Regelungen verfassungskonform wären. Die angefochtenen Sanktionsbescheide seien dann rechtmäßig. Auf die streitgegenständlichen Widerspruchsbescheide, die den Sachverhalt jeweils im Wesentlichen vollständig und richtig darstellten, werde Bezug genommen; der Sachverhalt und die rechtliche Bewertung durch den Beklagten seien vom Kläger insoweit nicht bestritten worden.

II.

13

Die Vorlage ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt.

14

1. Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Es muss zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft haben (vgl. BVerfGE 127, 335 <355>). Das vorlegende Gericht muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und umfassend darlegen (vgl. BVerfGE 88, 70 <74>; BVerfGK 14, 429 <432>). Zudem muss das vorlegende Gericht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erörtern (vgl. BVerfGE 85, 329 <333 f.>; 124, 251 <262>) und vertretbar begründen, dass sie diese nicht für möglich hält (BVerfGE 121, 108 <117> m.w.N.).

15

Das Gericht muss in der Begründung der Vorlage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG insbesondere hinreichend deutlich machen, dass und aus welchen Gründen es im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Normen zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 107, 59 <85>; stRspr). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich, die jedoch zumindest nachvollziehbar sein muss (vgl. BVerfGE 126, 77 <97>; 127, 224 <244>; 131, 1 <15>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13 -, juris, Rn. 41). Dazu gehört es, sich eingehend mit der einfachrechtlichen Rechtslage anhand der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen auseinanderzusetzen und zu unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten Stellung zu nehmen, soweit sie für die Entscheidungserheblichkeit maßgeblich sein können (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 105, 61 <67>; 121, 233 <238>; 124, 251 <260>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2014 - 2 BvL 25/09, 2 BvL 32 BvL 3/11 -, juris, Rn. 28 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Dezember 2015 - 1 BvL 4/11 - juris, Rn. 14). Desgleichen muss das vorlegende Gericht unter Ausschöpfung der ihm verfügbaren prozessualen Mittel auch alle tatsächlichen Umstände aufklären, die für die Vorlage Bedeutung erlangen können. Die ungeprüfte Übernahme von Parteivorbringen reicht dafür grundsätzlich nicht aus (vgl. BVerfGE 87, 341 <346>). Es bedarf vielmehr hinreichender Feststellungen, die seine fach- und verfassungsrechtliche Beurteilung tragen können (vgl. BVerfGE 37, 328 <333>; 48, 396 <400>; 86, 52 <57>; 86, 71 <78>; 88, 198 <201>). Das Bundesverfassungsgericht kann die fehlende Begründung der Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Entscheidungserheblichkeit der Vorlage nicht durch eigene Erwägungen ersetzen, denn diese Prüfung muss Aufgabe des sie verantwortenden Fachgerichts bleiben (vgl. BVerfGE 97, 49 <62>).

16

2. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nur zum Teil gerecht. Zwar wirft der Vorlagebeschluss durchaus gewichtige verfassungsrechtliche Fragen auf (a). Das vorlegende Gericht hat jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass diese hier auch entscheidungserheblich sind (b).

17

a) Zwar genügen die Darlegungen des Sozialgerichts zu seiner Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der §§ 31 ff. SGB II jedenfalls hinsichtlich Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG den Anforderungen. Das vorlegende Gericht hat sich mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsicherung (vgl. BVerfGE 125, 175; 132, 134; 137, 34 sowie BVerfGK 5, 237; 17, 375) ausführlich auseinandergesetzt. Dagegen spricht auch nicht, dass das vorlegende Gericht seine eigene Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit dahingehend zuspitzt, die §§ 31 ff. SGB II seien bereits verfassungswidrig, weil der Minderung kein veränderter Bedarf zugrunde liege und das Grundgesetz keine Selbsthilfeobliegenheit kenne. Das Gericht befasst sich daneben auch mit weiteren verfassungsrechtlichen Zweifeln sowie den seiner Ansicht entgegenstehenden Interpretationen der bisherigen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Auch setzt es sich mit den in Literatur und sozialgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Ansichten zur verfassungskonformen Auslegung der zur Prüfung vorgelegten Regelungen auseinander und verwirft diese vertretbar.

18

b) Es fehlt jedoch an einer hinreichenden Begründung, warum die Verfassungswidrigkeit der §§ 31 ff. SGB II in diesem Verfahren entscheidungserheblich sein soll. Dem Vorlagebeschluss ist nicht hinreichend nachvollziehbar zu entnehmen, ob die Rechtsfolgenbelehrungen zu den hier in Rede stehenden Sanktionsbescheiden den gesetzlichen Anforderungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II genügen, obwohl Ausführungen hierzu geboten sind. Fehlte es bereits an dieser Tatbestandsvoraussetzung für eine Sanktion, wären die angegriffenen Bescheide rechtswidrig und es käme auf die Verfassungsgemäßheit der ihnen zugrunde liegenden Normen entscheidungserheblich nicht mehr an.

19

aa) Hinsichtlich des ersten Sanktionsbescheids vom 4. Juni 2014 trifft das vorlegende Gericht keine eigenen Feststellungen zu einer der sanktionierten Pflichtverletzung vorausgegangenen Rechtsfolgenbelehrung, ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit. Das vorlegende Gericht gibt in der Darlegung des Sachverhalts lediglich im Konjunktiv die schlichte Feststellung des Jobcenters aus dem Widerspruchsbescheid wieder, der Kläger des Ausgangsverfahrens sei über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung mit dem Vermittlungsvorschlag vom 25. Februar 2014 belehrt worden, ohne dass der Widerspruchsbescheid seinerseits nähere Feststellungen zur Belehrung enthält. Die Entscheidungsgründe des Vorlagebeschlusses gehen auf das Erfordernis einer Rechtsfolgenbelehrung und deren inhaltliche Anforderungen ebenfalls nicht ein, sondern verweisen in ganz allgemeiner Weise zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a in Verbindung mit § 31 SGB II auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Weder anhand der Vorlage selbst noch anhand des in Bezug genommenen Widerspruchbescheides lässt sich feststellen, welchen Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte und ob sie den einfachrechtlichen Anforderungen genügt.

20

Das Sozialgericht durfte auch nicht etwa auf eigene Ausführungen verzichten, weil die Beteiligten die Frage der ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung nicht thematisieren. Wenngleich für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich ist, muss diese zumindest nachvollziehbar sein. Dies setzt ein Mindestmaß an Begründung voraus, dem die Vorlage nicht gerecht wird. Das gilt hier insbesondere, weil die fachgerichtliche Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Art und Weise der Rechtsfolgenbelehrung stellt. Die Belehrung muss - bezogen auf die Pflichtverletzung - konkret, richtig, vollständig und verständlich sein, und im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zeitnah und zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf den Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann; nicht hinreichend konkret ist eine Belehrung, wenn sie nur den Gesetzestext wiedergibt oder ohne Bezug zu den konkreten Pflichten der Betroffenen eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten nennt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 53/08 R -, BSGE 105, 297 <302 f. Rn. 20 f.> m.w.N.). Aus dem Vorlagebeschluss ist nicht zu entnehmen, ob das vorlegende Gericht diesen Anforderungen gefolgt ist oder etwa eigene Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Art und Weise der Rechtsfolgenbelehrung und ihr Inhalt für die verfassungsrechtliche Bewertung der Sanktionsvorschriften von Bedeutung sind, weil die Verhältnismäßigkeit einer Sanktion mit davon abhängen kann, in welchem Maße Betroffene darüber informiert sind, was aus ihrem Verhalten folgt.

21

bb) Dies gilt ebenso für den zweiten Sanktionsbescheid vom 19. September 2014. Es ist nicht erkennbar, ob dem damit sanktionierten Verstoß eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung vorausging. Insoweit hat das Sozialgericht zwar selbst ausdrücklich festgestellt, der Kläger sei über die "Rechtsfolgen der Vereinbarung" belehrt worden. Es geht jedoch nicht darauf ein, wann und in welcher Form mit welchem Inhalt dies geschehen sein soll. Dazu aber besteht Anlass. Richtigkeit und Verständlichkeit der laut Verwaltungsakte dem Eingliederungsverwaltungsakt beigefügten Belehrung können in Zweifel gezogen werden, da sie primär über die Minderung in Höhe von 30 % bei erstmaligem Verstoß informiert und auf die Folgen eines wiederholten Verstoßes nur "vorsorglich" hinweist. Daraus ergibt sich nicht, dass das Jobcenter zu diesem Zeitpunkt bereits von einem ersten sanktionierten Pflichtenverstoß ausging und nun ein Verstoß gegen die Pflichten im Eingliederungsverwaltungsakt (als wiederholte Pflichtverletzung) eine Absenkung der Leistungen in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs zur Folge hat. Darüber hinaus werden allgemein "mit Ihnen vereinbarte" Pflichten erwähnt, obwohl es sich um einseitig durch Verwaltungsakt auferlegte Pflichten handelt. Auch insoweit fehlen Ausführungen des Gerichts, die hinreichend nachvollziehbar erkennen lassen, dass die Rechtsfolgenbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

22

cc) Ausführungen zum Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung liegen auch nahe, weil die Fehleranfälligkeit von Rechtsfolgenbelehrungen der Fachöffentlichkeit bekannt ist. Darauf hat der Gesetzgeber im Jahr 2011 mit einer Ergänzung von § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II reagiert. Danach steht eine unzureichende oder fehlende Belehrung bei Kenntnis der Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung einer Sanktion nicht entgegen. Das vorlegende Gericht hat jedoch auch zu dieser Tatbestandsalternative keinerlei Ausführungen gemacht.

23

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Bürgergeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) § 31a Absatz 2 bis 5 und § 31b Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Der Minderungszeitraum beträgt einen Monat.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Bürgergeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) § 31a Absatz 2 bis 5 und § 31b Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Der Minderungszeitraum beträgt einen Monat.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Bürgergeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) § 31a Absatz 2 bis 5 und § 31b Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Der Minderungszeitraum beträgt einen Monat.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. § 18d Satz 2 findet Anwendung.

(2) Arbeiten sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Arbeiten, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt würden. Ausgenommen sind Arbeiten zur Bewältigung von Naturkatastrophen und sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen.

(3) Arbeiten liegen im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Arbeiten, deren Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient, liegen nicht im öffentlichen Interesse. Das Vorliegen des öffentlichen Interesses wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das Arbeitsergebnis auch den in der Maßnahme beschäftigten Leistungsberechtigten zugute kommt, wenn sichergestellt ist, dass die Arbeiten nicht zu einer Bereicherung Einzelner führen.

(4) Arbeiten sind wettbewerbsneutral, wenn durch sie eine Beeinträchtigung der Wirtschaft infolge der Förderung nicht zu befürchten ist und Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder verdrängt noch in ihrer Entstehung verhindert wird.

(5) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach diesem Buch, mit denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unmittelbar unterstützt werden kann, haben Vorrang gegenüber der Zuweisung in Arbeitsgelegenheiten.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden. Der Zeitraum beginnt mit Eintritt in die erste Arbeitsgelegenheit. Abweichend von Satz 1 können erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Ablauf der 24 Monate bis zu zwölf weitere Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 und 5 weiterhin vorliegen.

(7) Den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist während einer Arbeitsgelegenheit zuzüglich zum Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 von der Agentur für Arbeit eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen. Die Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und auch kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Vierten Buches; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden. Für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(8) Auf Antrag werden die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verrichtung von Arbeiten nach Absatz 1 erforderlichen Kosten erstattet. Hierzu können auch Personalkosten gehören, die entstehen, wenn eine besondere Anleitung, eine tätigkeitsbezogene Unterweisung oder eine sozialpädagogische Betreuung notwendig ist.

(1) Arbeitgeber können für die nicht nur geringfügige Beschäftigung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die trotz vermittlerischer Unterstützung nach § 16 Absatz 1 Satz 1 unter Einbeziehung der übrigen Eingliederungsleistungen nach diesem Buch seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind, durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt gefördert werden, wenn sie mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von mindestens zwei Jahren begründen. Für die Berechnung der Dauer der Arbeitslosigkeit nach Satz 1 findet § 18 des Dritten Buches entsprechende Anwendung.

(2) Der Zuschuss nach Absatz 1 wird in den ersten beiden Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geleistet. Er beträgt im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses 75 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und im zweiten Jahr des Arbeitsverhältnisses 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts. Für das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt findet § 91 Absatz 1 des Dritten Buches mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass nur der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung zu berücksichtigen ist. § 22 Absatz 4 Satz 1 des Mindestlohngesetzes gilt nicht für Arbeitsverhältnisse, für die der Arbeitgeber einen Zuschuss nach Absatz 1 erhält.

(3) § 92 Absatz 1 des Dritten Buches findet entsprechende Anwendung. § 92 Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, Satz 2 und 3 des Dritten Buches ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass abweichend von § 92 Absatz 2 Satz 3 zweiter Halbsatz des Dritten Buches der für die letzten sechs Monate bewilligte Förderbetrag zurückzuzahlen ist.

(4) Während einer Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 soll eine erforderliche ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung durch die Agentur für Arbeit oder einen durch diese beauftragten Dritten erbracht werden. In den ersten sechs Monaten der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer in angemessenem Umfang für eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung nach Satz 1 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freizustellen.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Sind die Voraussetzungen des Artikels 100 Abs. 1 des Grundgesetzes gegeben, so holen die Gerichte unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein.

(2) Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Die Akten sind beizufügen.

(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch einen Prozeßbeteiligten.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Sind die Voraussetzungen des Artikels 100 Abs. 1 des Grundgesetzes gegeben, so holen die Gerichte unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein.

(2) Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Die Akten sind beizufügen.

(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch einen Prozeßbeteiligten.

Tenor

§ 23a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (GVBl S. 298), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze vom 19. Mai 2010 (GVBl S. 142), ist mit Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz unvereinbar und nichtig, soweit er die Schulnetzplanung für Grund- und Mittelschulen betrifft.

Gründe

A.

1

Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Dresden betrifft die in § 23a des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004, SächsGVBl Jg. 2004, Bl.-Nr. 15, S. 298 (SchulG) geregelte Schulnetzplanung. Sie wirft die Frage auf, ob die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden einer Übertragung der Standortplanung für allgemein bildende Schulen auf die Kreise entgegensteht und in welchem Umfang sie die Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an dieser Planung erfordert.

I.

2

1. Träger der allgemein bildenden Schulen im Freistaat Sachsen sind gemäß § 22 Abs. 1 SchulG grundsätzlich die Gemeinden. § 21 Abs. 2 SchulG berechtigt und verpflichtet die Schulträger, öffentliche Schulen einzurichten und fortzuführen, wenn dafür ein öffentliches Bedürfnis besteht; dieses richtet sich in erster Linie nach der in § 4a SchulG bestimmten Mindestschülerzahl für jede Schulart.

3

2. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung im Freistaat Sachsen schuf der Landesgesetzgeber mit Art. 6 des Gesetzes über Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Haushalte 2001 und 2002 im Freistaat Sachsen (Haushaltsbegleitgesetz 2001 und 2002) und zur Änderung der Vorläufigen Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen vom 14. Dezember 2000 (GVBl S. 513) § 23a SchulG, der den kreisfreien Städten und den Landkreisen die Aufgabe einer Schulnetzplanung für ihr Gebiet zuweist. Gegenstand der Schulnetzplanung ist die Ausweisung der Schulstandorte und des mittel- und langfristigen Schulbedarfs. Die Schulnetzpläne werden von den kreisfreien Städten und den Landkreisen "im Benehmen" mit den kreisangehörigen Gemeinden aufgestellt und sollen die Grundlage für ein alle Bildungsgänge umfassendes, regional ausgeglichenes und unter zumutbaren Bedingungen erreichbares Bildungsangebot schaffen. § 23a SchulG lautet:

(1) Die Landkreise und Kreisfreien Städte stellen Schulnetzpläne für ihr Gebiet auf. Die Schulnetzplanung soll die planerische Grundlage für ein alle Bildungsgänge umfassendes, regional ausgeglichenes und unter zumutbaren Bedingungen erreichbares Bildungsangebot schaffen. Dabei sind vorhandene Schulen in freier Trägerschaft sowie bei den berufsbildenden Schulen die Möglichkeit der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigen. Die Ziele der Raumordnung und der Landesplanung sind zu beachten.

(2) In den Plänen werden der mittelfristige und langfristige Schulbedarf sowie die Schulstandorte ausgewiesen. Für jeden Schulstandort ist anzugeben, welche Bildungsangebote dort vorhanden sind und für welche räumlichen Bereiche (Einzugsbereiche) sie gelten sollen. Es sind auch die Bildungsbedürfnisse zu berücksichtigen, die durch Schulen für das Gebiet nur eines Schulträgers nicht sinnvoll befriedigt werden können. Schulnetzpläne müssen die langfristige Zielplanung und die Ausführungsmaßnahmen unter Angabe der Rangfolge ihrer Verwirklichung enthalten.

(3) Die Schulnetzpläne sind im Benehmen mit den Gemeinden und den übrigen Trägern der Schulen des Gebietes aufzustellen. Die Pläne sind mit benachbarten Landkreisen und Kreisfreien Städten abzustimmen.

(4) Die Schulnetzpläne bedürfen der Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde. Diese überprüft die Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit der Pläne mit den schulpolitischen und den sich aus dem Staatshaushaltsplan ergebenden Maßnahmen, insbesondere um zu gewährleisten, dass die personelle Ausstattung der Schulen im Rahmen der Bedarfs- und Finanzplanung des Freistaates Sachsen möglich ist. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Schulnetzplanung mit den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Anforderungen nicht übereinstimmt oder einer den Maßgaben des Freistaates Sachsen entsprechenden ordnungsgemäßen Gestaltung des Unterrichts entgegensteht.

(5) Beschlüsse des Schulträgers und Entscheidungen des Staatsministeriums für Kultus nach § 24 erfolgen auf der Grundlage eines genehmigten Schulnetzplanes.

(6) Das Staatsministerium für Kultus wird ermächtigt, das Nähere zur Aufstellung, Fortschreibung und Genehmigung der Schulnetzpläne durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern zu regeln.

In § 24 SchulG ist bestimmt:

(1) Der Beschluss eines Schulträgers über die Einrichtung einer öffentlichen Schule bedarf der Zustimmung der obersten Schulaufsichtsbehörde.

(2) Stellt die oberste Schulaufsichtsbehörde fest, dass ein öffentliches Bedürfnis für die Einrichtung einer öffentlichen Schule besteht und erfüllt der Schulträger die ihm nach § 21 Abs. 2 obliegende Verpflichtung nicht, trifft die Rechtsaufsichtsbehörde die notwendigen Maßnahmen; der Schulträger ist vorher zu hören.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für die Aufhebung einer öffentlichen Schule. Stellt die oberste Schulaufsichtsbehörde fest, dass das öffentliche Bedürfnis für die Fortführung der Schule oder eines Teils derselben nicht mehr besteht, kann sie die Mitwirkung des Freistaates an der Unterhaltung der Schule widerrufen; der Schulträger ist vorher zu hören.

(4) Die Vorschriften über die Einrichtung und Aufhebung einer öffentlichen Schule gelten entsprechend für die Änderung einer öffentlichen Schule. (…)

4

Die Übertragung der Schulnetzplanung auf die Landkreise bedeutet nach Einschätzung des Gesetzgebers teilweise die Hochzonung einer bisher den kreisangehörigen Gemeinden zugewiesenen Aufgabe, teilweise aber auch die Kommunalisierung einer staatlichen Aufgabe. Die kreisangehörigen Gemeinden seien zu einer regional abgestimmten Schulstandortplanung überwiegend nicht in der Lage. Es habe sich gezeigt, dass die Gemeinden überwiegend keine Schulnetzpläne aufgestellt und von gebotenen Schulschließungen abgesehen hätten (LTDrucks 3/2401, S. 84).

II.

5

Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Stadt Seifhennersdorf, eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis Görlitz, die unter anderem Trägerin einer Grund- und einer Mittelschule ist. Sie wendet sich gegen einen Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus als der obersten Schulaufsichtsbehörde vom 20. Dezember 2010, mit dem der für die Jahre 2010 bis 2015 fortgeschriebene Schulnetzplan genehmigt wurde. In diesem ist die Schließung der von der Klägerin getragenen Mittelschule vorgesehen.

6

Die Klägerin sieht sich durch die Hochzonung der Schulnetzplanung auf die Kreisebene in ihrem Recht auf Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 82 Abs. 2 SächsVerf) verletzt, das auch das Recht beinhalte, Träger der allgemeinbildenden Schulen zu sein. Soweit § 23a SchulG Grund- und Mittelschulen betreffe, sei er verfassungswidrig. Durch die Verpflichtung von Landkreisen und Kreisfreien Städten, bei Aufstellung der Schulnetzplanung lediglich das Benehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden herzustellen, werde ihr Recht auf Selbstverwaltung nicht hinreichend gewahrt. Der angefochtene Bescheid vom 20. Dezember 2010 beruhe deshalb nicht auf einer wirksamen Ermächtigung.

III.

7

Das Verwaltungsgericht Dresden hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 23a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist.

8

1. Die Verfassungsmäßigkeit von § 23a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG sei entscheidungserheblich. Wäre die Vorschrift verfassungsgemäß, sei die Klage mangels Klagebefugnis abzuweisen. Zur Begründung von subjektiven Rechten der Klägerin könne nicht auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG abgestellt werden, weil § 23a SchulG den Gewährleistungsbereich der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Selbstverwaltungsgarantie auf die in der Bestimmung zugewiesenen Rechtspositionen begrenze. Auch aus der Benehmensregelung des § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vermöge die Klägerin keine Klagebefugnis herzuleiten. Materielle Rechte könne sie nur insoweit im Wege der Benehmensregelung geltend machen, wie ihr außerhalb derselben subjektive Rechte zustünden. Wäre § 23a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG dagegen verfassungswidrig, sei der Klage stattzugeben. Denn das Recht aus Art. 28 Abs. 2 GG, das als Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung die Schulträgerschaft jedenfalls hinsichtlich der Grundschule umfasse, wäre in diesem Fall nicht durch § 23a SchulG eingeschränkt und durch den angegriffenen Genehmigungsbescheid verletzt, weil er ohne gesetzliche Grundlage oder ohne verfassungsgemäße Beteiligung der Klägerin ergangen wäre.

9

2. Das Verwaltungsgericht ist von der Verfassungswidrigkeit des § 23a Abs. 1 und Abs. 3 SchulG überzeugt.

10

a) Die Zuweisung der Schulnetzplanung durch § 23a Abs. 1 SchulG an die Landkreise bedeute eine unzulässige Hochzonung einer kommunalen Aufgabe. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 26, 228 ff.) ergebe sich, dass die Schulträgerschaft der Volksschulen, worunter heute jedenfalls die Grundschulen fielen, prinzipiell den Gemeinden zustehe. Selbst wenn einzelne Gemeinden nicht in der Lage seien, Träger einer Volksschule zu sein, dürfe der Staat in deren Schulträgerschaft nur eingreifen, wenn sie keine geeignete Lösung fänden, etwa durch Zusammenschluss zu einem leistungsfähigen Schulträger mit anderen Gemeinden im Wege der kommunalen Zusammenarbeit.

11

Die Zuständigkeit der kreisangehörigen Gemeinden für die Schulträgerschaft werde dadurch beeinträchtigt, dass § 23a SchulG ihnen die Schulnetzplanung entziehe und den Landkreisen übertrage. Der Schulnetzplan schaffe die Grundlage für den Entzug der staatlichen Mitwirkung an der Unterhaltung einer Schule (§ 24 SchulG). Durch den Schulnetzplan und die später darauf aufbauende Entziehung der staatlichen Mitwirkung werde es den Gemeinden faktisch unmöglich gemacht, ihrer Schulträgerschaft auch für Grundschulen nachzukommen. Das verletze Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Jedenfalls die Schulnetzplanung für Grundschulen sei wegen des starken Bezugs zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ein wesentlicher Teil der gemeindlichen Selbstverwaltung.

12

Der vollständige, sich auch auf die Grundschulen erstreckende Entzug der Schulnetzplanung werde durch die Erwägungen des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt. Dieser berufe sich auf die demographische Entwicklung, die eine bessere Koordinierung der Schulstandorte erfordere. Insofern handele es sich jedoch um reine Wirtschaftlichkeitserwägungen ohne rechtlichen Gehalt, die das Recht der Gemeinden missachteten, alle im Zusammenleben vor Ort wurzelnden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln. Soweit sich der Gesetzgeber darauf beziehe, dass einzelne Gemeinden erforderliche Schulschließungen nicht vorgenommenen hätten, könne dem mit den Mitteln der Aufsicht begegnet werden. Die Zuständigkeit der Gemeinden für die Errichtung und Unterhaltung der Schulen werde bereits aus vielfältigen Gründen durch die staatliche Schulhoheit (Art. 7 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Umso wichtiger sei es, die Zuständigkeit für die örtliche Schulnetzplanung bei den Gemeinden zu belassen. Sie betreffe in erheblichem Maße das Zusammenleben der Menschen in ihrer Gemeinde. Zudem habe der Juristische Dienst des Sächsischen Landtags im Jahre 2002 festgestellt, dass das örtliche Schüleraufkommen aus kreisangehörigen Gemeinden oder freiwillig gebildeten Verwaltungsgemeinschaften im Regelfall ausreiche, um eine Grundschule zu betreiben. Vor diesem Hintergrund greife die Verlagerung der Schulnetzplanung für Grundschulen auf die Landkreise in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ein.

13

Die Regelung sei auch unverhältnismäßig, weil sie nicht danach unterscheide, ob eine Gemeinde in der Lage sei, eine Schulnetzplanung selbst durchzuführen, ob sie bereit sei, die Schulnetzplanung freiwillig abzugeben, oder ob sie sich entschließe, die Schulnetzplanung in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen.

14

b) Die Benehmensregel des § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG verstoße sowohl für die Grundschulen als auch für die Mittelschulen gegen Art. 28 Abs. 2 GG.

15

Zwar habe die Schulnetzplanung hinsichtlich der Mittelschulen nicht den gleichen örtlichen Bezug wie hinsichtlich der Grundschulen. Weiterführende Schulen beträfen nicht unbedingt das Zusammenleben und -wohnen vor Ort, da sich die Schüler einer Gemeinde auf verschiedene weiterführende Schulen aufteilten. Ein erheblicher Teil besuche das Gymnasium, das schon zur Erreichung des notwendigen Angebotsstandards auf die Bildung von Zentren angewiesen und somit auf Überörtlichkeit angelegt sei. Hinsichtlich der weiterführenden Schulen sei die durch § 23a SchulG eingeführte Beschränkung der Selbstverwaltung daher auch gerechtfertigt.

16

Hinsichtlich der Mittelschulen sei der Gesetzgeber jedoch weniger frei, da diese auch den Hauptschulbildungsgang umfassten und damit die ehemalige weiterführende Volksschule, deren Trägerschaft zu den örtlichen Angelegenheiten rechne. Den Gemeinden müsse daher auch bei der Schulnetzplanung für Mittelschulen eine stärkere Mitwirkungsmöglichkeit eingeräumt werden, als dies bei einer Benehmensherstellung der Fall sei.

17

Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs gälten die gleichen Erwägungen wie im Rahmen von § 23a Abs. 1 SchulG. Die vorgesehene Begrenzung der Mitwirkung für kreisangehörige Gemeinden sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil sie allen kreisangehörigen Gemeinden, unabhängig von Größe und Leistungsfähigkeit, eine rechtlich verbindliche Einwirkung auf die Schulnetzplanung versage.

18

3. Eine verfassungskonforme Auslegung hält das Verwaltungsgericht nicht für möglich. Aus der gesetzlichen Formulierung in § 23a Abs. 1 SchulG ergebe sich ausdrücklich, dass die kreisangehörigen Gemeinden von der Schulnetzplanung ausgeschlossen seien. Auch der Begriff des "Benehmens" in § 23a Abs. 3 SchulG sei ein klar konturierter Rechtsbegriff, der eine stärkere Beteiligung als eine "bessere Anhörung" nicht zulasse.

IV.

19

Die Klägerin und der Landkreis als Beigeladener des Ausgangsverfahrens sowie für den beklagten Freistaat Sachsen das Staatsministerium der Justiz und für Europa haben zu dem Vorlagebeschluss Stellung genommen. Weitere Stellungnahmen von Äußerungsberechtigten sind nicht eingegangen.

20

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Vorlage des Verwaltungsgerichts für begründet. Die Schulnetzplanung auf der Grundlage von § 23a SchulG bedeute für die kreisangehörigen Gemeinden eine verbindliche Festlegung der Schulstandorte durch die Landkreise. Diese Hochzonung eines Teils ihrer planerischen Kompetenzen verletze das Recht der kreisangehörigen Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

21

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiere den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gemeinden hätten daher das Recht, die Aufgabe des Schulträgers im Rahmen der Gesetze in alleiniger Entscheidungskompetenz ungestört und unbeeinflusst auszuüben. Zu dieser Aufgabe gehörten unter anderem die planerischen Entscheidungen im Zusammenhang mit Standortwahl, Betrieb, Einrichtung, Aufrechterhaltung, Art und Umfang der Schule, die Wahl des Schulgebäudes, Zügigkeit und Klassenbildung, und damit auch die Schulnetzplanung. Bei einer durch Hochzonung erfolgten Aufgabenverlagerung müsse die Zuständigkeit der Gemeinden zumindest durch ein angemessenes Beteiligungsrecht kompensiert werden.

22

§ 23a SchulG greife in die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG ein, weil den Gemeinden durch die Hochzonung der Schulnetzplanung auf die Ebene der Landkreise eine Aufgabe entzogen worden sei. § 23a Abs. 1 und Abs. 3 SchulG beeinträchtigten auch die von Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Zwar blieben die Gemeinden Schulträger; sie könnten aber nicht mehr über Schulstandort, Schulart, Zügigkeit, Klassenstärke oder das angebotene Leistungsspektrum wie etwa Ganztagsschulen entscheiden, da dies durch den Schulnetzplan verbindlich vorgegeben werde.

23

Das Benehmenserfordernis genüge dem aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Beteiligungsanspruch bei der Hochzonung einer kommunalen Aufgabe nicht. Schulnetzpläne dürften von den Landkreisen allenfalls im Einvernehmen mit den kreisangehörigen Gemeinden aufgestellt werden. Dabei erforderten die Interessen der Gemeinden eine umso stärkere verfahrensrechtliche Einbindung, je enger die jeweilige Aufgabe an die örtliche Gemeinde gebunden sei.

24

2. Die Sächsische Staatsregierung hält die Vorlage für unzulässig (a), jedenfalls für unbegründet (b).

25

a) Das Verwaltungsgericht erfülle die Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht. Die Ausführungen des Gerichts seien sowohl unzureichend als auch inhaltlich unzutreffend und daher nicht geeignet, die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Normen zu begründen.

26

aa) Das Verwaltungsgericht habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Schulnetzplanung eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sei. Es hätte insofern zwischen Schulträgerschaft und Schulnetzplanung unterscheiden müssen. Eine Schulnetzplanung im Sinne von § 23a SchulG könne mit Blick auf das landesweit anzustrebende regional ausgewogene Bildungsprogramm nur sinnvoll gelingen, wenn die Planungsaufgaben oberhalb der Ebene kreisangehöriger Gemeinden wahrgenommen würden. Der Gesetzgeber habe mit § 23a SchulG die aus der staatlichen Schulhoheit abzuleitenden staatlichen Planungsaufgaben auf die Landkreise und Kreisfreien Städte übertragen. Auch die demographische Entwicklung spreche dagegen, die Schulnetzplanung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft einzustufen. Diese auch der Gesetzesbegründung zugrunde liegenden Erwägungen seien im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts keine reinen Wirtschaftlichkeitserwägungen. Vielmehr könne, wenn die Schülerzahlen im ländlichen Raum zurückgingen und andere Maßnahmen nicht gleich effektiv seien, der Staat ein regional ausgewogenes Bildungsangebot nur durch die Reduzierung der Anzahl von Schulen aufrechterhalten.

27

bb) Das Verwaltungsgericht habe auch einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht nicht ausreichend begründet.

28

(1) Die Schulnetzplanung könne als vorgelagerte Fachplanung nicht in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreifen. Der Schulnetzplan lege nur fest, über welche Schulen die Schulträger "Beschlüsse fassen sollen". Diese Entscheidungen orientierten sich an den tatsächlichen Anmeldezahlen eines Schuljahres, seien also unabhängig von den in einem Schulnetzplan enthaltenen mehrjährigen Prognosen. Eine Aussage im Schulnetzplan sei zwar Voraussetzung für einen Entzug der staatlichen Mitwirkung an einer Schule. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe eine Planaussage aber keine unmittelbare Wirkung auf die Schulträgerschaft. Erst deren Umsetzung durch eine am öffentlichen Bedürfnis orientierte Maßnahme der Schulaufsichtsbehörde nach § 24 SchulG könne zur Schließung einer Schule führen.

29

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würden den Gemeinden auch keine selbständigen Lösungen bei einem Rückgang der Schülerzahlen verwehrt. Es bleibe dem Schulträger überlassen, wie er auf eine sich abzeichnende unzureichende Auslastung einer Schule reagiere. Neben der Schulschließung sei eine Änderung des Schulbezirks oder des Schuleinzugsbereichs denkbar.

30

cc) Schließlich hätte das Verwaltungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung prüfen müssen. Es sei nämlich nichts dafür ersichtlich, dass die in § 23a Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 SchulG näher konkretisierte Schulnetzplanung einer örtlichen Schulentwicklungsplanung entgegenstehe.

31

b) Die Vorlage sei auch unbegründet. Die Schulnetzplanung nach § 23a Abs. 1 SchulG greife nicht in das Selbstverwaltungsrecht der klagenden Gemeinde ein (aa); ein Eingriff wäre jedenfalls aber gerechtfertigt (bb). Auch § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG sei nicht zu beanstanden (cc).

32

aa) Die Schulnetzplanung habe das Ziel, eine dem öffentlichen Bedürfnis entsprechende ausgeglichene Verteilung von Lehrerressourcen und sächlichen und finanziellen Mitteln des Freistaates Sachsen und der Schulträger zu ermöglichen (§ 1 SchulnetzVO). Das zeige, dass es allein um die überörtliche Planung und Koordinierung gehe, die sinnvoll nicht durch kreisangehörige Gemeinden erfolgen könne. Um ein regional ausgewogenes Bildungsangebot sicherzustellen, müsse angesichts der demographischen Entwicklung der Schülerzahlen bereits auf der Grundschulebene überörtlich geplant werden. Demgegenüber falle die "örtliche Schulnetzplanung" im Sinne der Entscheidung über den konkreten Standort einer Schule innerhalb der Gemeinde in den Schutzbereich von Art. 28 Abs. 2 GG und sei den Gemeinden auch verblieben.

33

bb) Ein etwaiger Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie sei jedenfalls gerechtfertigt. Die staatliche Schulhoheit beinhalte die Befugnis zur Organisation, Leitung und Planung des gesamten Schulwesens mit dem Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern Bildungsmöglichkeiten entsprechend ihren Fähigkeiten eröffne. Das Spannungsverhältnis zwischen der Selbstverwaltungsgarantie und der staatlichen Schulhoheit sei so aufzulösen, dass den Gemeinden das Recht der Schulträgerschaft zustehe, soweit dieses mit den staatlich allgemein festgelegten Zielen für die Ausgestaltung des Schulwesens vereinbar sei. Ein ausgewogenes Bildungssystem setze gewisse Mindestschülerzahlen voraus. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich anerkannt, dass die kommunale Schulträgerschaft an der Leistungsfähigkeit oder der Größe einer Schule scheitern könne. An diese Maßstäbe knüpfe das sächsische Schulrecht an.

34

cc) Für die Schulart Mittelschule sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine stärkere Beteiligung der Gemeinden an der Schulnetzplanung nicht geboten. Das Verwaltungsgericht lege seiner Auffassung einen Begriff der Volksschule zugrunde, den es seit Jahrzehnten nicht mehr gebe und in Sachsen auch nie gegeben habe. Eine bis zur Klassenstufe 10 gehende Schule, die keine für alle Schüler gemeinsame Schulbildung vorsehe, sei keine Volksschule im Sinne von Art. 7 Abs. 5 GG. Die sächsische Mittelschule habe keinen der Grundschule vergleichbaren örtlichen Bezug.

35

3. Der Landkreis Görlitz hält die Schulnetzplanung auf Landkreisebene angesichts der demographischen Entwicklung für geboten. In seinem Gebiet habe sich die Schülerzahl von 61.198 im Schuljahr 1995/1996 auf 27.766 im Schuljahr 2012/2013 vermindert. Es hätten bereits mehr als 100 Schulen aller Schularten aufgehoben werden müssen, da die erforderliche Mindestschülerzahl nach § 4a SchulG nicht erreicht worden sei. Die Zahl der Schulen in öffentlicher Trägerschaft sei in diesem Zeitraum von 210 auf 99 zurückgegangen. Von den 54 öffentlichen Grundschulen im Landkreis verteilten sich 28 Grundschulen auf die neun Städte und Gemeinden, die aus Zusammenschlüssen entstanden seien. Für die übrigen 45 Kommunen verblieben nur 26 Grundschulen, die dementsprechend gemeindegebietsübergreifend, aber zugleich möglichst wohnortnah errichtet seien.

V.

36

Einen Antrag der Stadt Seifhennersdorf auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der darauf abzielte, entgegen der Festsetzung im Schulnetzplan die Einrichtung einer 9. Klasse der Mittelschule im Schuljahr 2014/2015 zu ermöglichen, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2014 zurückgewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvL 2/13 -, NVwZ-RR 2014, S. 369 f.).

B.

37

Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Dresden ist zulässig. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle der Ungültigkeit. Das Gericht muss sich dabei mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 58, 300 <318>; 105, 61 <67>; 122, 151 <173>). Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Diesem Begründungserfordernis genügt der Vorlagebeschluss.

I.

38

Der Vorlagebeschluss lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass das Verwaltungsgericht bei Gültigkeit der vorgelegten Normen anders entscheiden würde als bei deren Ungültigkeit.

39

Falls § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG nichtig ist, wäre der im Ausgangsverfahren angegriffene Verwaltungsakt ohne Rechtsgrundlage und unter Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ergangen und damit rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Schulnetzplanung für die Grund- und Mittelschulen eine unter den Schutz von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallende Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft ist. Ihre Hochzonung auf die Ebene der Landkreise stelle einen Aufgabenentzug zu Lasten der Gemeinden dar, der den Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verletze. Auch die Beschränkung der gemeindlichen Beteiligung auf ein bloßes Benehmenserfordernis durch § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG sei unzureichend. Die Nichtigkeit dieser Bestimmung habe zur Folge, dass der in der Hochzonung der Schulnetzplanung liegende Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ebenfalls einen Verfassungsverstoß darstelle. Auf dem Boden dieser Auffassung verletzt der angegriffene Genehmigungsbescheid die Klägerin des Ausgangsverfahrens in ihrer subjektiven Rechtsstellungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG, so dass der Klage stattzugeben wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

40

Ist § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG hingegen verfassungsgemäß, so wäre die Klage nach Ansicht des vorlegenden Gerichts als unzulässig abzuweisen. Fiele die Schulnetzplanung nicht in den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung, so könnte der Gesetzgeber den Gemeinden diese Aufgabe ohne weiteres entziehen und auch frei darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang er die Gemeinden an der Aufgabe des Staates oder der Gemeindeverbände beteiligt; das Benehmenserfordernis in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG stellte dann eine bloße Ordnungsvorschrift dar, die einer sachgerechten Entscheidungsfindung diene, nicht jedoch der Wahrung individueller Rechte. Auf der Basis dieser - an die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfenden (vgl. z.B. BVerfGE 22, 180 <205>; 23, 353 <365 f.>; 26, 172 <180>; 52, 95 <116>) - Rechtsauffassung könnte die Klägerin nicht geltend machen, dass der angegriffene Bescheid wegen Verletzung des in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG verankerten Benehmenserfordernisses rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

41

Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f., 193>; 88, 187 <194>; 105, 61 <67>, 129, 186 <203>). Letzteres ist hier nicht der Fall, auch wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip entnimmt, das der Gesetzgeber zu beachten hat und aus dem sich ein prinzipieller Vorrang der Gemeindeebene vor der Kreisebene ableiten lässt, der auch bei der Auslegung kommunalrechtlicher Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen Berücksichtigung verlangt (vgl. BVerfGE 79, 127 <150 ff.>; 107, 1 <12>; 110, 370 <399 ff.>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris, Rn. 114). Die - für die Auslegung von § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG - stattdessen auf die Zuordnung einer Aufgabe zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie abstellende Auffassung des Verwaltungsgerichts ist jedenfalls nicht unvertretbar und auch in höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2006 - 6 P 4/05 -, SächsVBl 2007, S. 10) und Literatur (z.B. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 933) noch anzutreffen.

II.

42

Das Verwaltungsgericht hat ferner seine für die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar dargelegt (vgl. BVerfGE 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 187 <194>). Es setzt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Spannungsverhältnis von kommunaler Schulträgerschaft und staatlicher Schulaufsicht (vgl. BVerfGE 26, 228 ff.) eingehend auseinander und hat die - soweit ersichtlich - bislang einzige landesverfassungsgerichtliche Entscheidung zur Übertragung der Schulnetzplanung auf die Kreisebene (Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 1/97 -, LVerfGE 7, 74 ff.) herangezogen. Auf die für Hochzonung kommunaler Aufgaben maßgebliche, allerdings das Abfallrecht betreffende Rastede-Entscheidung (BVerfGE 79, 127 ff.) geht es zumindest am Rande ein.

C.

43

§ 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG ist mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar.

I.

44

1. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich (a) sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte (b).

45

a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solche Aufgaben, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen oder einen spezifischen Bezug darauf haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 110, 370 <400>). Eine inhaltlich umrissene Aufgabengarantie enthält Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG allerdings nicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <12>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 46, Rn. 114).

46

Die örtlichen Bezüge einer Aufgabe und deren Gewicht für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung lassen sich nicht an scharf konturierten Merkmalen messen. Vielmehr muss bei ihrer Bestimmung der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 59, 216 <226>; 91, 228 <238>; 125, 141 <167>). Es kommt insoweit darauf an, ob eine Aufgabe für das Bild der typischen Gemeinde charakteristisch ist.

47

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält jedoch keine Garantie des Status quo im Sinne eines einmal erreichten Aufgabenbestands (BVerfGE 78, 331<340>). Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis, weil sich die örtlichen Bezüge einer Angelegenheit mit ihren sozialen, wirtschaftlichen oder technischen Rahmenbedingungen wandeln (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - VerfGH 16/02 -, DÖV 2004, 662 <663>; Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, S. 54; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 51 - November 2012 -; Röhl, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, S. 27 f.).

48

Um in den Schutzbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zu fallen, muss eine Aufgabe allerdings nicht hinsichtlich aller ihrer Teilaspekte eine örtliche Angelegenheit darstellen; sie kann auch nur teilweise als eine solche der örtlichen Gemeinschaft anzusehen, im Übrigen jedoch überörtlicher Natur sein (vgl. BVerfGE 110, 370 <401>). Weist eine Aufgabe örtliche und überörtliche Aspekte auf, muss der Gesetzgeber diese bei der Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie angemessen berücksichtigen.

49

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden nicht nur die Allzuständigkeit hinsichtlich aller örtlichen Angelegenheiten. Im Bereich der ihnen vom Staat übertragenen Aufgaben vermittelt er auch die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte. Eine umfassende staatliche Steuerung der kommunalen Organisation wäre mit dieser verfassungsrechtlich garantierten Eigenverantwortlichkeit unvereinbar (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 47, Rn. 117). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden insbesondere die Organisationshoheit als das Recht, über die innere Verwaltungsorganisation einschließlich der bei der Aufgabenwahrnehmung notwendigen Abläufe und Zuständigkeiten eigenverantwortlich zu entscheiden. Dies schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird (sog. Kooperationshoheit, vgl. BVerfGE 119, 331 <362>).

50

2. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert die kommunale Selbstverwaltung "im Rahmen der Gesetze". Bei der somit gebotenen gesetzlichen Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber jedoch keine ungebundene Gestaltungsfreiheit zu (vgl. BVerfGE 110, 370 <400>). Die Bedeutung der Gemeinden für den demokratischen Staatsaufbau (a) bedingt einen grundsätzlichen Vorrang der kommunalen Aufgabenzuständigkeit (b).

51

a) Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist Ausdruck der grundgesetzlichen Entscheidung für eine dezentral organisierte und bürgerschaftlich getragene Verwaltung.

52

aa) Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 GG konstituieren die Gemeinden als einen wesentlichen Bestandteil der staatlichen Gesamtorganisation; sie sind ein Teil des Staates, in dessen Aufbau sie integriert und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (vgl. BVerfGE 79, 127 <148 f.>; 83, 37 <54>). Indem der Verfassungsgeber die gemeindliche Selbstverwaltung in den Aufbau des politisch-demokratischen Gemeinwesens des Grundgesetzes eingefügt und - anders als die Reichsverfassung von 1849 (§ 184), die Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Art. 127) oder die Bayerische Verfassung (Art. 11) - nicht als Grundrecht, sondern als institutionelle Garantie ausgestaltet hat, hat er ihr eine spezifisch demokratische Funktion beigemessen (vgl. BVerfGE 47, 253 <275 ff.>; 91, 228 <244>). Das Bild der Selbstverwaltung, wie sie der Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG zugrunde liegt, wird daher maßgeblich durch das Prinzip der Partizipation geprägt. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die örtliche Gemeinschaft zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und örtliche Eigenart zu wahren (vgl. BVerfGE 11, 266 <275 f.>). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fordert für die örtliche Ebene insofern eine mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestattete Einrichtung der Selbstverwaltung, die den Bürgern eine effektive Mitwirkung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ermöglicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <150>; 91, 228 <238>; 107, 1 <12>). Hierfür gewährleistet die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung den Gemeinden einen eigenen Aufgabenbereich sowie die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung und sichert so die notwendigen Bedingungen einer wirksamen Selbstverwaltung.

53

bb) Dem Wesen der institutionellen Garantie entsprechend bezieht sich der Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf die individuelle Gemeinde, sondern ist abstrakt-generell zu verstehen. Vor diesem Hintergrund kommt es bei der Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht darauf an, ob die Verwaltungskraft einer Gemeinde für die Bewältigung der Aufgabe tatsächlich ausreicht (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 110, 370 <400>). Entscheidend ist, ob eine Aufgabe in gemeindlicher Trägerschaft bei typisierender Betrachtung eine sachangemessene, für die spezifischen Interessen der Einwohner förderliche und auch für die Wahrnehmung anderer Gemeindeaufgaben notwendige Erfüllung finden kann. Auch die Finanzkraft einzelner Gemeinden hat auf die Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft grundsätzlich keinen Einfluss; vielmehr muss der Staat gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG den Gemeinden gegebenenfalls die Mittel zur Verfügung stellen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 665 <666 f.>).

54

b) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden (vgl. dazu BVerfGE 79, 127 <150 f.>; 83, 363 <383>; 91, 228 <236>; 110, 370 <400>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 47, Rn. 114). Der Entzug einer solchen Angelegenheit unterliegt strengen Rechtfertigungsanforderungen (aa) und findet seine Grenze in einem unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie (bb).

55

aa) Eingriffe in den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Aufgabenbestand unterliegen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 76, 256 <359>; 80, 109 <119 f.>; 108, 129 <136>) auch im Staatsorganisationsrecht dort Bedeutung erlangen kann, wo Träger öffentlicher Gewalt mit Rechten gegenüber dem Staat ausgestattet sind. Das ist bei der Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie durch den Gesetzgeber der Fall (vgl. BVerfGE 79, 127 <143 ff., 154>; 103, 332 <367>; 119, 331 <363>; 125, 141 <167 f.>; siehe auch BbgVerfG, LVerfGE 11, 99 <111>; VerfGH NRW, OVGE 46, 295 <310>; VerfG LSA, LVerfGE 17, 437 <446>; NdsStGH, OVGE 50, 497 <506 f.>).

56

(1) Steht der Entzug einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Raum, wandelt sich die für institutionelle Garantien typische Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers praktisch zum Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerfGE 79, 127 <143>; 107, 1 <12>; 110, 370 <402>). Gesetzliche Regelungen, die den Gemeinden Aufgaben entziehen, sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem grundsätzlichen Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Kommunen zu prüfen, wenn sie Bezüge zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufweisen. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist dabei umso enger und die verfassungsgerichtliche Kontrolle umso intensiver, je mehr die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden als Folge der gesetzlichen Regelung an Substanz verliert (vgl. BVerfGE 79, 127 <154>).

57

(2) Der Gesetzgeber hat die widerstreitenden Belange der Verwaltungseffizienz und Bürgernähe in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen. Dabei muss er nicht jeder einzelnen Gemeinde, auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden, Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>). Auch wenn die Verwaltungskraft der einzelnen Gemeinde grundsätzlich ohne Bedeutung für die Bestimmung der örtlichen Angelegenheiten ist, können die Aufgaben nicht für alle Gemeinden unabhängig von ihrer Einwohnerzahl, Ausdehnung und Struktur gleich sein (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>). Die Gemeinden sind Teil der staatlichen Verwaltung und dem Gemeinwohl verpflichtet. Unbedingten Vorrang vor den Interessen des Gesamtstaats kann ihr Interesse an einer möglichst weit gehenden Zuständigkeitszuweisung nicht beanspruchen (vgl. BVerfGE 110, 370 <401>). Trotz örtlicher Bezüge ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass eine Aufgabe, die einzelne größere Gemeinden in einem Landkreis auf örtlicher Ebene zu erfüllen vermögen, für andere Teile des Landkreises nur überörtlich erfüllbar ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 7 C 11935/97 -, juris, Rn. 56; Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 40 f.).

58

(3) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG konstituiert ein Regel-Ausnahmeverhältnis, wonach der Gesetzgeber den Gemeinden örtliche Aufgaben nur aus Gründen des Gemeinwohls entziehen darf, vor allem, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre. Das bloße Ziel der Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration - etwa im Interesse der Übersichtlichkeit der öffentlichen Verwaltung - scheidet als Rechtfertigung eines Aufgabenentzugs aus; denn dies zielte ausschließlich auf die Beseitigung eines Umstandes, der gerade durch die vom Grundgesetz gewollte dezentrale Aufgabenansiedlung bedingt wird (vgl. BVerfGE 79, 127 <153>). Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung rechtfertigen eine "Hochzonung" erst, wenn ein Belassen der Aufgabe bei den Gemeinden zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führen würde. Auch wenn eine zentralistisch organisierte Verwaltung rationeller und billiger arbeiten könnte, setzt die Verfassung diesen ökonomischen Erwägungen den politisch-demokratischen Gesichtspunkt der Teilnahme der örtlichen Bürgerschaft an der Erledigung ihrer öffentlichen Aufgaben entgegen und gibt ihm den Vorzug. Der Staat ist daher zunächst darauf beschränkt sicherzustellen, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfüllen; dass andere Aufgabenträger in größeren Erledigungsräumen dieselbe Aufgabe insgesamt wirtschaftlicher erledigen könnten, gestattet - jedenfalls grundsätzlich - keinen Aufgabenentzug (vgl. BVerfGE 79, 127 <153 f.>).

59

bb) Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers findet seine Grenze im Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Mit Blick auf die Aufgabengarantie zählt zum Kernbereich allerdings kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Allzuständigkeit als die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, die nicht anderen Verwaltungsträgern zugeordnet sind (vgl. BVerfGE 79, 127 <146>; 107, 1 <11 f.>). Im Hinblick auf die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung zählen vor allem die gemeindlichen Hoheitsrechte (Gebiets-, Planungs-, Personal-, Organisations- und Finanzhoheit), die der Staat den Gemeinden im Interesse einer funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung garantieren muss, zu dem durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten Kernbereich (vgl. BVerfGE 52, 95 <117>; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 73). Das gilt jedoch nur in ihrem Grundbestand (vgl. BVerfGE 103, 332 <366>). Insofern verbietet der Schutz des Kernbereichs von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen ersticken würden (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>).

60

3. Werden Aufgaben mit relevanter kommunaler Bedeutung auf eine andere staatliche Ebene verlagert, kann sich aus dem - auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG übertragbaren - Gedanken des Rechtsgüterschutzes durch Verfahren (vgl. BVerfGE 56, 298 <319 ff.>; 76, 107 <122>; 86, 90 <107 f.>; 107, 1 <24 f.>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 47, Rn. 112) - ein Mitwirkungsrecht der betroffenen Kommunen ergeben. Das gilt insbesondere, wenn und soweit eine aus dem Selbstverwaltungsrecht abgeleitete Rechtsposition durch die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben gegenwärtig oder künftig betroffen werden kann (vgl. BVerwGE 87, 228 <232 ff.>). So ist etwa bei fachplanerischen Entscheidungen, die bedeutsame Auswirkungen auf eine Gemeinde haben, deren vorherige Beteiligung zwingend (vgl. BVerwGE 90, 96 <100>; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rn. 60 - November 2012). Die Beteiligung ist umso wirksamer auszugestalten, je gewichtiger das berührte Gemeindeinteresse ist. Je nach Regelungsgegenstand reicht das Mitwirkungsrecht von einem Anhörungs-, Mitberatungs- oder Vorschlagsrecht bis zur kondominialen Verwaltung (vgl. Lange, Kommunalrecht, 2013, S. 42 f.).

II.

61

Nach diesen Maßstäben ist § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG verfassungswidrig, da er das Selbstverwaltungsrecht der kreisangehörigen Gemeinden nicht hinreichend berücksichtigt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden grundsätzlich das Recht, Träger der Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), zu sein, und damit auch ein eigenständiges Recht der Standortplanung (1.). In dieses Recht greift die Zuweisung der Schulnetzplanung an die Landkreise ein (2.), ohne dass ein hinreichender Rechtfertigungsgrund zu erkennen ist (3.). Jedenfalls fehlt eine ausreichende verfahrensrechtliche Absicherung der gemeindlichen Zuständigkeit (4.).

62

1. Die Schulträgerschaft für die Schulen, die einen der allgemeinen Schulpflicht entsprechenden Bildungsgang anbieten und in der Vergangenheit regelmäßig als eigenständige "Volksschulen" organisiert waren, ist als historisch gewachsene Gemeindeaufgabe eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (a). Sie umfasst Grund- und Hauptschulen, auch wenn diese in andere Schulformen integriert sind (b). Soweit eine Gemeinde diese Aufgabe nicht selbständig wahrnehmen kann oder will, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch die Möglichkeit, sie in interkommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen (c).

63

a) Die Trägerschaft der Gemeinden für die Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), entspricht der überkommenen Zuständigkeitsverteilung im Schulwesen und wird von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt (aa). Sie erstreckt sich auf die äußeren Schulangelegenheiten (bb). Das gilt auch für den Freistaat Sachsen (cc).

64

aa) Die Schulträgerschaft zählt zum historisch gewachsenen Aufgabenbestand der Kommunen. Schon nach §§ 29 und 34 des Zwölften Titels des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794 oblag die Unterhaltung der Schulgebäude und der Lehrer der gemeindlichen Schulen "sämtlichen Hausvätern" beziehungsweise "Einwohnern" "jedes Ortes". Daran anknüpfend wies § 179 Buchstabe b der Preußischen Städteordnung von 1808 die äußeren Schulangelegenheiten ausdrücklich den Kommunen zu (vgl. Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <332 ff.>; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 52). Die Weimarer Reichsverfassung enthielt zwar keine ausdrückliche Zuweisung der äußeren Schulangelegenheiten. Damit war aber keine Abkehr von der überkommenen Aufgabenverteilung im Schulwesen verbunden (vgl. Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <838>). Auch unter dem Grundgesetz hat sich daran nichts geändert.

65

Die Trägerschaft von Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienen (Grund- und Hauptschulen), den früheren Volksschulen, zählt zu den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 24. April 2002 - 1 D 71/00 -, LKV 2003, S. 85 <86>; Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <341>; Luthe, Bildungsrecht, 2003, S. 128). Sie ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, weil die grundsätzlich für alle Kinder vorgeschriebene Schulpflicht jedenfalls den Besuch der Grund- und Hauptschule verlangt und Grund- und Hauptschule deshalb zu denjenigen Bedürfnissen und Interessen zählen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>), die also den Gemeindeeinwohnern als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>; zuletzt BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, Umdruck S. 63, Rn. 163). Die kommunale Trägerschaft für die äußeren Schulangelegenheiten der Volksschulen ist daher auch der Regelfall (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Abs. 1 Rn. 51 - Juni 2006 -; Boysen, in: von Münch/Kunig, GG, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 50; Luthe, Bildungsrecht, 2003, S. 128; s. auch Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <339 ff.>).

66

bb) Die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Schulträgerschaft der Gemeinden für die Grund- und Hauptschulen erstreckt sich auf die äußeren Schulangelegenheiten. Im Gegensatz zu den dem Staat zugewiesenen inneren Schulangelegenheiten, die sämtliche Bildungs- und Erziehungsfragen betreffen, also die Fragen, "was und wie durch welche Lehrkräfte von wem gelernt werden soll" (Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <838>), erfassen die äußeren Schulangelegenheiten die räumlich-sächlichen Voraussetzungen der Beschulung einschließlich Errichtung, Änderung und Aufhebung von Schulen, deren Verwaltung sowie die Beschaffung und Bereitstellung der Lernmittel (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 51 - Juni 2006 -; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 48; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <837 f.>).

67

Zu den mit der Schulträgerschaft verbundenen Aufgaben gehört namentlich die - in der Regel unter Mitwirkung des Staates (§ 21 Abs. 3 und § 24 SchulG; zu anderen Ländern Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <341>) zu treffende - Entscheidung, ob eine Schule eingerichtet oder geschlossen werden soll. Diese Entscheidung geht über die bloße Bestimmung eines konkreten Standorts innerhalb des Gemeindegebiets weit hinaus. Der Schulträger hat auch darüber zu befinden, ob ein öffentliches Bedürfnis für den Betrieb einer Schule auf seinem Gebiet besteht, und eine Schule einzurichten, fortzuführen oder zu schließen ist (vgl. § 21 Abs. 2 SchulG; vgl. auch § 27 Abs. 2 SchulG BW; § 99 Abs. 2 Satz 1 BbgSchulG; § 137 HSchulG; § 13 Abs. 2 Satz 1 ThürSchulG). Er muss dazu unter anderem Daten zur Bevölkerungsstruktur erheben, den Bestand geeigneter Schulgebäude sichten, die örtlichen Gegebenheiten bewerten, möglichst gefahrenfreie Schulwege bestimmen und die konkreten Standorte innerhalb der Gemeinde festlegen (vgl. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 964; Winkler, DÖV 2011, S. 686 <687>).

68

cc) Das gilt auch für den Freistaat Sachsen (§ 21 Abs. 1 SchulG). Unter die Schulträgerschaft fallen hier die Errichtung und Erhaltung der Schulgebäude und Schulräume sowie ihre Ausstattung mit den erforderlichen Lehr- und Lernmitteln. Der Schulträger trägt die sächlichen Schulkosten (§ 23 Abs. 2 SchulG) und muss eine Schule einrichten, wenn ein öffentliches Bedürfnis dafür besteht (§ 21 Abs. 2 SchulG).

69

b) Die Zuständigkeit der Gemeinden für die äußeren Schulangelegenheiten der "Volksschulen" erfasst die Schulen, die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht von in der Regel neun Schuljahren dienen. Dies gilt neben der Grundschule insbesondere auch für die Hauptschule (aa). Schulorganisatorische Entscheidungen wie die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen zu Regel- oder Gesamtschulen lösen die Hauptschule aus der "Volksschule" in diesem Sinne nicht heraus (bb).

70

aa) Mit dem in Art. 7 Abs. 5 GG verwendeten, heute kaum noch gebräuchlichen Begriff der Volksschule knüpft das Grundgesetz an die Schulbestimmungen der Art. 145 ff. WRV an (vgl. BVerfGE 88, 40 <49 f.>), die die grundsätzlich der allgemeinen Schulpflicht dienende Volksschule mit mindestens acht Schuljahren und die anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr unterschieden. Die Weimarer Reichsverfassung etablierte die Volksschule als Einheitsschule und beseitigte die bei ihrem Erlass anzutreffende Vielfalt der sogenannten niederen Schulformen, die sich in Bezeichnungen wie Bezirksschule, Bürgerschule, höhere Bürgerschule und anderen widerspiegelte und hinsichtlich der sozialen Herkunft der Schulkinder und der Leistungsziele erhebliche Unterschiede aufwies (vgl. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 1946, S. 330 f.). Im Gegensatz zur Reichsverfassung von 1849 (§ 153 RV 1849) statuierte Art. 145 Satz 1 WRV eine allgemeine Schulpflicht, die nicht mehr durch häuslichen Unterricht, sondern nur durch Anwesenheit in der Schule erfüllt werden konnte. Auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baute das mittlere und höhere Schulwesen auf (Art. 146 Abs. 1 Satz 2 WRV). Dabei stand die Volksschule als Teil des dreigliedrigen Schulaufbaus den weiterführenden mittleren und höheren Schulen gegenüber. In heutiger Terminologie umfasst sie sowohl die Grundschule als auch die ausschließlich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienende Hauptschule (vgl. BVerfGK 18, 469 <473>; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 122 - Juni 2007 -; Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 7 Rn. 227).

71

bb) Die Zuordnung der Hauptschule zur Volksschule im Sinne von Art. 7 Abs. 5 GG wie auch die Zuordnung der äußeren Schulangelegenheiten zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Landesgesetzgeber die "Volksschule" mit anderen Schularten, insbesondere der Realschule, zu einer Mittel-, Regel-, Regional- oder Oberschule oder einer ähnlich bezeichneten Schulform zusammenlegt. Zwar überlässt das Grundgesetz dem Gesetzgeber weitgehend die Entscheidung darüber, welche Schulformen er einführen will (vgl. BVerfGE 41, 29 <44 ff.>). Die in Art. 7 Abs. 5 GG enthaltene Wertentscheidung für eine grundsätzlich alle Schüler umfassende Volksschule hat er jedoch ebenso zu beachten wie die verfassungsrechtliche Rolle der Gemeinden bei der Schulträgerschaft (vgl. auch BVerfGE 34, 165 <183>; 41, 29 <46 f.>).

72

Der Landesgesetzgeber hat diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass die Hauptschule innerhalb der genannten Schularten ein eigenständiger Ausbildungsgang geblieben ist, der in der Regel nach einer gemeinsamen Orientierungsphase in einem abschlussbezogenen differenzierten Unterrichtsangebot mündet (vgl. etwa § 6 Abs. 1 und 2 SchulG; siehe auch § 6 Abs. 1 ThürSchulG; § 16 Abs. 2 SchulG MV).

73

c) Der Zuordnung der Schulträgerschaft für Grund- und Hauptschulen zu den Gemeinden steht nicht entgegen, dass manche nicht mehr über ein ausreichendes Schüleraufkommen für eine eigene Grund- oder Hauptschule verfügen. Die Verwaltungskraft einer einzelnen Gemeinde ist für Umfang und Reichweite des Gewährleistungsbereichs von Art. 28 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht entscheidend (vgl. oben Rn. 53). Andererseits hängt es durchaus von der Größe einer Gemeinde ab, ob sie die Aufgabe des Schulträgers tatsächlich erfüllen kann, schon weil sich ihre Zuständigkeit - ihrer Natur als Gebietskörperschaft entsprechend - in der Regel auf die eigenen Einwohner beschränkt. Es gehört dagegen nicht zu den durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Aufgaben der Gemeinde, schulische Angebote für Einwohner von Nachbarkommunen einzurichten und vorzuhalten (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 18. Juli 2013 - 12 K 780/13 -, juris, Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. August 2014 - 9 S 1722/13 -, juris, Rn. 67).

74

Genügen Leistungsfähigkeit und Verwaltungskraft einer Gemeinde nicht, um die mit der Schulträgerschaft einer Grund- oder Hauptschule verbundenen Aufgaben wahrzunehmen, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Kommunen jedoch das Recht, diese Aufgabe in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen, bevor der Staat sie an sich zieht (vgl. BVerfGE 26, 228 <239>; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 53; vgl. auch Geis, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2014, S. 41).

75

2. Die Zuweisung der Schulnetzplanung an die Kreisebene durch § 23a Abs. 1 Satz 1 SchulG greift in die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Befugnis der Gemeinden ein, die Schulträgerschaft der Grund- und Hauptschulen in eigener Verantwortung wahrzunehmen, weil sie wesentliche Aspekte der Schulträgerschaft betrifft und diese weitgehend aushöhlt.

76

Nach § 23a Abs. 5 SchulG können Statusentscheidungen über Schulen - wie die Aufhebung oder der Entzug der staatlichen Mitwirkung - nur auf der Grundlage eines staatlich genehmigten Schulnetzplans erfolgen. Damit ist die Wahrnehmung der mit der Schulträgerschaft für die Grund- und Hauptschulen verbundenen Aufgaben weitgehend von den Festsetzungen des Schulnetzplanes abhängig, so dass sie durch den jeweiligen Landkreis und den Freistaat Sachsen maßgeblich gesteuert werden können. Das grundlegende Recht des kommunalen Schulträgers, im Rahmen der allgemeinen schulrechtlichen Vorgaben über Bestand, Standort und inhaltliche Akzentsetzung einer solchen Schule selbst zu entscheiden, wird dadurch weitgehend entleert. Wesentliche Statusentscheidungen werden - wie im Fall von § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG - auf einer anderen Ebene getroffen, während dem Schulträger lediglich die Möglichkeit verbleibt, seine Vorstellungen in dem von anderer Stelle durchzuführenden Planungsverfahren geltend zu machen.

77

Das geht über die Schulaufsicht weit hinaus. Zwar bedürfen auch Statusentscheidungen des Schulträgers regelmäßig der Zustimmung des Landes. Die im Rahmen der Schulaufsicht ergehenden Maßnahmen sind - angesichts der Bedeutung der Grund- und Hauptschulen für die kommunale Selbstverwaltung - jedoch auf eine bloße Rechtsaufsicht beschränkt (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 51 f. - Juni 2006 -; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 44, 48 ff.).

78

3. Hinreichende Gründe für die Hochzonung der Schulnetzplanung auf die Kreisebene folgen weder aus der staatlichen Schulaufsicht (a), noch lassen sie sich der Gesetzesbegründung entnehmen (b).

79

a) Die in Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat zugewiesene Schulaufsicht (aa) vermittelt diesem gegenüber den Gemeinden kein umfassendes Bestimmungsrecht in allen schulischen Angelegenheiten (bb). § 23a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SchulG sind keine Ausprägung der staatlichen Schulaufsicht (cc).

80

aa) Zur Schulaufsicht im Sinne von Art. 7 Abs. 1 GG zählt die Befugnis zur zentralen Ordnung und Organisation des Schulwesens (vgl. BVerfGE 26, 228 <238>; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 49 - Juni 2006 -). Der Staat hat ein funktionierendes Schulsystem zu gewährleisten, das jedem Schüler entsprechend seiner Begabung eine Schulausbildung ermöglicht. Dem Staat stehen deshalb Möglichkeiten der Einwirkung auf Errichtung, Änderung oder Aufhebung der einzelnen öffentlichen Schule zu (vgl. BVerfGE 26, 228 <238>).

81

bb) Wie andere Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere des ersten Abschnitts (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG), schließt der in Art. 7 Abs. 1 GG verwendete Begriff des Staates die Kommunen ein. Die staatliche Schulhoheit ist insofern nicht als Gegensatz zwischen Staat und Gemeinden zu verstehen, sondern in Abgrenzung zur ursprünglich kirchlichen Vormachtstellung im Schulwesen (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 3 - Juni 2006 -; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 52; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <838 f.>). Die Reichsverfassung von 1849 stellte in § 153 klar, dass das Unterrichts- und Erziehungswesen unter der Oberaufsicht des Staates stehen und, abgesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichkeit entzogen sein sollten. Dementsprechend betraute auch Art. 144 Satz 2 WRV "fachmännisch vorgebildete Beamte" mit der Schulaufsicht und grenzte sich so von der vormals üblichen Beaufsichtigung durch Geistliche ab (vgl. Brosius-Gersdorf, in: Henneke, Stärkung kommunaler Bildungskompetenzen, 2011, S. 63 ff. <70>; Ennuschat, Die Verwaltung, 2012, S. 331 <332 ff.>; Thiel, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 7 Rn. 33; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <841>). Art. 144 Satz 1 WRV stellte das gesamte Schulwesen unter die Aufsicht des Staates, der die Gemeinden daran beteiligen konnte.

82

Auch wenn Art. 7 Abs. 1 GG im Gegensatz zu Art. 144 Satz 1 WRV die Gemeinden im Zusammenhang mit der Schulaufsicht nicht nennt, hat sich an dieser organisatorischen Ausgestaltung der Zuständigkeiten im Schulwesen insoweit nichts geändert (vgl. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 929). Das Grundgesetz hat die Gemeinden in den Staatsaufbau integriert und sie zugleich mit eigenen Rechten ausgestattet. Ein umfassender staatlicher Machtanspruch gegenüber den Kommunen im Bereich der Schulaufsicht ist damit nicht vereinbar. Länder und Gemeinden üben - jedenfalls bei den äußeren Schulangelegenheiten - die Schulaufsicht vielmehr gemeinsam aus und sind dabei zum Zusammenwirken verpflichtet (vgl. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 51 f.; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 7 Rn. 15 - Juni 2014 -; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 7 Rn. 4; Kloepfer, DÖV 1971, S. 837 <841>; a.A. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 929).

83

cc) Das Spannungsverhältnis zwischen dem aus Art. 7 Abs. 1 GG folgenden zentralen Bestimmungsrecht des Staates in schulischen Angelegenheiten und dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden im Bereich der Grund- und Hauptschulen ist dahin aufzulösen, dass den Gemeinden die Wahrnehmung der äußeren Schulangelegenheiten zusteht, soweit diese mit den vom Staat allgemein festgelegten Zielen für die Ausgestaltung des Schulwesens vereinbar ist (vgl. BVerfGE 26, 228 <239 f.>). Gesetzliche Anforderungen, etwa Vorgaben von Mindestzahlen (vgl. § 4a Abs. 1 SchulG), kann der Staat festsetzen und im Wege der Rechtsaufsicht ebenso durchsetzen wie die ordnungsgemäße Erledigung der mit der Schulträgerschaft verbundenen Aufgaben. Erfüllt eine Gemeinde jedoch die allgemeinen schulrechtlichen Vorgaben für den Betrieb einer Grund- oder Hauptschule, garantiert ihr Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG bei der Schulnetzplanung jedenfalls ein wirksames Mitentscheidungsrecht.

84

b) Andere Gründe, die eine Hochzonung der Schulnetzplanung für Grund- oder Hauptschulen rechtfertigen könnten, sind derzeit nicht ersichtlich. Der in der Gesetzesbegründung angeführte Befund, dass die Gemeinden überwiegend davon abgesehen hätten, Schulnetzpläne aufzustellen, belegt nur, dass sie diese Aufgabe nicht wahrgenommen haben, lässt aber nicht den Schluss zu, dass sie dazu nicht in der Lage wären (vgl. BbgVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 1/97 -, LKV 1997, S. 449 <453>). Insofern handelt es sich bei der behaupteten Überforderung der Gemeinden allenfalls um eine Effizienzüberlegung, die es für sich genommen jedenfalls nicht rechtfertigt, die Schulnetzplanung allen kreisangehörigen Gemeinden unterschiedslos zu entziehen. Ebenso wenig sind unterbliebene Entscheidungen über Schulschließungen ein Beleg dafür, dass die Gemeinden nicht in der Lage wären, für ihr jeweiliges Gebiet - oder abgestimmt mit Nachbargemeinden - eine Schulnetzplanung vorzunehmen, solange dem Freistaat Sachsen mit der Aufsicht ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen und gesetzeskonformen Schulbetriebs sicherzustellen.

85

4. Eine Schulnetzplanung auf Kreisebene für die Grund- und Mittelschulen ist mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nach alledem nur vereinbar, wenn sie den kreisangehörigen Gemeinden ein wirksames Mitentscheidungsrecht einräumt. Das in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vorgesehene Benehmenserfordernis genügt diesen Vorgaben nicht (a). Bei der Aufstellung von Schulnetzplänen durch die Landkreise ist jedenfalls die Herstellung eines Einvernehmens mit den betroffenen kreisangehörigen Gemeinden erforderlich (b).

86

a) Das in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vorgesehene Benehmenserfordernis gewährt den Gemeinden kein wirksames Mitentscheidungsrecht. Es steht für eine verfahrensrechtliche Beteiligung, in der der Mitwirkung nach dem Willen des Gesetzgebers keine materielle Rechtsposition des beteiligten Trägers öffentlicher Belange korrespondiert. Benehmenserfordernisse "sind im Regelfall ausschließlich dem objektiv-rechtlichen Ziel einer breiteren Beurteilungsgrundlage und damit einer besseren Entscheidungsfindung verpflichtet" (BVerwGE 92, 258 <261>; vgl. auch Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, S. 487 f.).

87

Die Herstellung des Benehmens erfordert nach dem gefestigten verwaltungsrechtlichen Verständnis daher zwar eine Anhörung des Trägers öffentlicher Belange durch die entscheidende Behörde und verpflichtet diese, die Stellungnahme zu erwägen und Möglichkeiten einer Berücksichtigung auszuloten. Der beteiligte Träger öffentlicher Belange soll seinen Standpunkt darlegen, Einwände im Hinblick auf die von ihm vertretenen Interessen erheben und auf das Ergebnis der Entscheidung auch Einfluss nehmen können (vgl. HessVGH, Urteil vom 12. Juni 2012 - 2 C 165/11.T -, juris, Rn. 36). Eine Benehmensherstellung erfordert allerdings keine Einigung der beteiligten Verwaltungsträger, sondern gestattet es der entscheidenden, das Benehmen herstellenden Behörde, sich über das Vorbringen des beteiligten Trägers öffentlicher Belange hinwegzusetzen (vgl. BVerwGE 92, 258 <262>; 114, 232 <235>; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem u.a., GVwR I, 2. Aufl. 2012, § 10 Rn. 24; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, S. 487). Anders als bei Einvernehmens- oder Zustimmungserfordernissen gewährt das Benehmenserfordernis somit kein echtes Mitentscheidungsrecht.

88

b) Im Falle der kommunalen Schulträgerschaft geht es hingegen nicht nur um öffentliche Belange, sondern um die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, die als subjektive Rechtstellungsgarantie auch ihre Geltendmachung im Einzelfall ermöglicht und in die die Schulnetzplanung der Landkreise nach § 23a Abs. 1 Satz 1 SchulG eingreift. Eine Schulnetzplanung für Grund- und Hauptschulen gegen den Willen der betroffenen Gemeinden ist grundsätzlich unzulässig. Mit der in § 23a Abs. 3 Satz 1 SchulG vorgesehenen Beschränkung auf ein bloßes Benehmenserfordernis kann die Verteidigung ihrer spezifischen Belange nicht wirksam gelingen. Vielmehr sind den Gemeinden für die Beteiligung an einer Schulnetzplanung auf Kreisebene zumindest Mitentscheidungsbefugnisse einzuräumen, wie sie etwa für das Einvernehmen kennzeichnend sind (vgl. dazu Groß, GVwR I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 106). Das schließt nicht aus, dass ihre Mitwirkung rechtlich, etwa durch Vorschriften über Mindestschülerzahlen (vgl. § 4a SchulG, Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Schulnetzplanung im Freistaat Sachsen vom 2. Oktober 2001, Anhang SächsGVBl 2001, S. 672) oder an die Feststellung eines öffentlichen Bedürfnisses für die Errichtung oder Fortführung einer öffentlichen Schule (§ 21 Abs. 2 SchulG), gebunden wird oder dass sie bei einer rechtswidrigen Verweigerung auch durch die Aufsichtsbehörde ersetzt werden kann.

Gründe

1

Die Vorlage des Sozialgerichts betrifft die durch § 434j Abs. 2 Satz 2 SGB III verkürzte Antragsfrist für die freiwillige Weiterversicherung von Selbständigen in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.

I.

2

1. Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2848) hat Selbständigen seit dem 1. Februar 2006 erstmals die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung eröffnet. Wer eine selbständige Tätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder ausübt, kann gemäß § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III (BGBl I S. 2848<2853 f.>) auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung begründen. § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III (in der so bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung) verlangt dafür, dass der Antragsteller innerhalb der letzten beiden Jahre vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war oder eine Entgeltersatzleistung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch bezogen hat. Gemäß § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III (in der so bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung) muss er unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch bezogen haben. Nach § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III (in der so bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) darf Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung nicht anderweitig bestehen. Die Begründung des Versicherungspflichtverhältnisses muss gemäß § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB III (in der so bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung) spätestens innerhalb eines Monats nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beantragt werden.

3

Um "zunächst Erfahrungen im Hinblick auf die Inanspruchnahme und die damit verbundenen Risiken für die Arbeitslosenversicherung" zu sammeln (vgl. BTDrucks 15/1515, S. 78), befristete § 28a Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 SGB III die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige und Auslandsbeschäftigte bis zum 31. Dezember 2010. Diese zeitliche Begrenzung des Versicherungsverhältnisses ist durch Art. 1 Nr. 4 des Beschäftigungschancengesetzes vom 24. Oktober 2010 (BGBl I S. 1417 <1417 f.>) ersatzlos entfallen; der Gesetzgeber hat die Beendigungstatbestände nunmehr in § 28a Abs. 5 SGB III zusammengefasst, der eine vergleichbare Regelung nicht länger vorsieht.

4

Um die Versicherungspflicht auch Personen zu eröffnen, die schon vor Inkrafttreten des § 28a SGB III selbständig waren, wurde eine flankierende Übergangsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 15/1515, S. 78). § 434j Abs. 2 SGB III in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2848 <2885>) bestimmte, dass der Antrag auf freiwillige Weiterversicherung bis zum 31. Dezember 2006 gestellt werden kann. Die Vorschrift lautet:

"(2) § 28a Abs. 2 gilt mit der Maßgabe, dass ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ungeachtet der Voraussetzungen des Satzes 2 bis zum 31. Dezember 2006 gestellt werden kann."

Infolgedessen konnten auch Selbständige, die ihre Tätigkeit schon seit Jahrzehnten ausüben, die Versicherungsmöglichkeit wahrnehmen.

5

2. Die für das Vorlageverfahren maßgebliche Änderung der Rechtslage erfolgte durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II-Fortentwicklungsgesetz ) vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706 <1717>). Die bisherige Regelung des § 434j Abs. 2 SGB III wurde um einen Satz 2 ergänzt, der auf die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 31. Mai 2006 zurückgeht (vgl. BTDrucks 16/1696, S. 12). § 434j Abs. 2 SGB III lautet danach wie folgt:

"(2) § 28a Abs. 2 gilt mit der Maßgabe, dass ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ungeachtet der Voraussetzungen des Satzes 2 bis zum 31. Dezember 2006 gestellt werden kann. Stellt eine Person, deren Tätigkeit oder Beschäftigung gemäß § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, den Antrag nach dem 31. Mai 2006, gilt Satz 1 mit der Einschränkung, dass die Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem 31. Dezember 2003 aufgenommen worden sein muss."

6

Die Gesetzesänderung hat zur Konsequenz, dass Selbständige, die ihre Tätigkeit vor dem 1. Januar 2004 begonnen haben, die freiwillige Versicherung nur noch bis zum 31. Mai 2006 (und nicht mehr bis zum 31. Dezember 2006) beantragen konnten. Dies soll den engen "Zusammenhang zur bisherigen Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft" stärker betonen (vgl. BTDrucks 16/1696, S. 32).

7

§ 434j Abs. 2 Satz 2 SGB III ist gemäß Art. 16 Abs. 3 GSiFoG (BGBl I S. 1706<1720>) schon vor seiner Verkündung am 25. Juli 2006 (vgl. BGBl I S. 1706) zum 1. Juni 2006 (dem Tag der dritten Lesung und des Gesetzesbeschlusses im Bundestag, vgl. BT-Plenarprotokoll 16/37, S. 3333 A ff.) in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat dies für erforderlich gehalten, "um bei der Behandlung von Anträgen auf freiwillige Weiterversicherung für solche Personen Rechtssicherheit zu schaffen, die ihren Antrag zwischen dem Tag der dritten Lesung dieses Gesetzes und dem Inkrafttreten der übrigen Vorschriften stellen" (vgl. BTDrucks 16/1696, S. 33). Durch Art. 2 Nr. 100 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854 <2916>) ist die Übergangsregelung § 434j SGB III mit Wirkung vom 1. April 2012 aufgehoben worden.

8

3. In dem Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht begehrt der dortige Kläger die Feststellung, dass er ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung gemäß § 28a SGB III begründet hat. Der 1958 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens war von September 1991 bis einschließlich Juli 1997 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. August 1997 bis 30. Juni 1998 erhielt er Arbeitslosengeld. Seit dem 1. Juli 1998 ist er als selbständiger Industriedesigner mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden erwerbstätig und in der Künstlersozialkasse renten- und krankenversichert. Am 19. Dezember 2006 stellte er einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung; der Antrag ging am 22. Dezember 2006 bei der im Ausgangsverfahren beklagten Bundesagentur für Arbeit ein.

9

Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat zur Klagebegründung vorgetragen, ihm sei das Ende der "Antragsabgabefrist" nicht rechtzeitig bekannt gewesen. Die ihm vorliegenden Hinweisblätter hätten vielmehr alle ausdrücklich als "Abgabedatum" den 31. Dezember 2006 genannt. Ihm sei ausdrücklich und mehrfach eine solche "Abgabefrist" genannt worden. Dazu verweist er auf undatierte amtliche Hinweise der Künstlersozialkasse und der Bundesagentur für Arbeit für die ab dem 1. Februar 2006 geltende Rechtslage zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung. Von der Antragsmöglichkeit bis zum 31. Dezember 2006 habe er "damals über" die Künstlersozialkasse erfahren und sich bis zum 19. Dezember 2006 Zeit gelassen, da er in diesem Jahr insgesamt beruflich sehr stark belastet gewesen sei.

10

4. Das Sozialgericht hat das Verfahren durch Beschluss vom 10. Dezember 2010 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 434j Abs. 2 Satz 2 SGB III, eingefügt durch Art. 2 Nr. 9 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (GSiFoG) vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Juni 2006 (Art. 16 Abs. 3 GSiFoG), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, insoweit durch die vorgenannte Vorschrift die Antragsfrist für die freiwillige Weiterversicherung nach § 28a SGB III teilweise nachträglich geändert und unterschiedlich - abhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in der Vergangenheit - geregelt wurde.

II.

11

Die Vorlage ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Das Sozialgericht hat die Entscheidungserheblichkeit der Antragsfriständerung durch § 434j Abs. 2 Satz 2 SGB III nicht hinreichend dargelegt.

12

1. Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift, als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76>). Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht in den Gründen seines Beschlusses dazu ausführen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Das vorlegende Gericht muss die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Es muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist.

13

Im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Norm muss dem Vorlagebeschluss mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 105, 61 <67>; 125, 175 <219 f.>; 131, 88 <117>; 133, 1 <10 f. Rn. 34>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris Rn. 92). Damit fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit, solange die Möglichkeit besteht, dass das Gericht den Rechtsstreit entscheiden kann, ohne die von ihm für verfassungswidrig gehaltene Norm anwenden zu müssen (vgl. BVerfGE 58, 153 <157 f.>; 64, 251 <254>; 105, 48 <56>; Dollinger, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, § 80 Rn. 61; Lenz/Hansel, BVerfGG, § 80 Rn. 70). Das Fachgericht muss das Verfahren zunächst so weit wie möglich bis zur Entscheidungsreife fördern, um dann zu beurteilen, ob es für die Entscheidung auf die Verfassungsmäßigkeit einer hierfür maßgeblichen Norm ankommt oder nicht. In der Regel bedarf es dafür einer mündlichen Verhandlung (vgl. BVerfGE 79, 256 <264 f.>). Insbesondere muss der Sachverhalt so weit aufgeklärt werden, dass die Entscheidungserheblichkeit der zu prüfenden Vorschrift feststeht, bevor ein Gericht dem Bundesverfassungsgericht die Rechtsfrage der Gültigkeit eines Gesetzes vorlegt (vgl. BVerfGE 64, 251 <254>; BVerfGK 18, 222 <232 f.>). Dazu müssen auch die erforderlichen Beweise erhoben werden (vgl. BVerfGK 15, 447 <452 f.>).

14

Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich. Allerdings muss die Auffassung des Fachgerichts zumindest nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGE 126, 77 <97>; 127, 224 <244>; 131, 1 <15>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13 -, juris Rn. 41). Außerdem muss sich das Gericht eingehend mit der einfachrechtlichen Rechtslage anhand der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen auseinandergesetzt haben und zu unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten Stellung nehmen, soweit sie für die Entscheidungserheblichkeit maßgeblich sein können (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 105, 61 <67>; 121, 233 <238>; 124, 251 <260>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2014 - 2 BvL 25/09, 2 BvL 32 BvL 3/11 -, juris Rn. 28 ff.).

15

2. Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluss nicht. Ihm lässt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift des § 434j Abs. 2 Satz 2 SGB III zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit. Denn es hat nicht geprüft, ob hier im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine rechtzeitige Antragstellung zu bejahen sein könnte, so dass es auf die Gültigkeit der die Antragsfrist verkürzenden Norm nicht ankäme. Es hat sich insofern nicht mit der dafür zunächst heranzuziehenden einfachrechtlichen Rechtslage auseinandergesetzt (siehe a). Es ist für das Bundesverfassungsgericht auch nicht zu erkennen, ob das Sozialgericht den Rechtsstreit bis zur Entscheidungsreife gefördert und gegebenenfalls erforderliche Beweise erhoben hat (siehe b). Das Sozialgericht durfte auch nicht die fehlende Rechtserheblichkeit dieser Umstände unterstellen (siehe c).

16

a) Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat zur Klagebegründung und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2010 vorgetragen, ihm sei das Ende der "Antragsabgabefrist" nicht rechtzeitig bekannt gewesen, da die ihm vorliegenden Auskünfte der Künstlersozialkasse und Hinweisblätter der Bundesagentur für Arbeit zur Antragstellung eine Frist bis zum 31. Dezember 2006 genannt hätten. Ihm sei ausdrücklich und mehrfach eine solche "Abgabefrist" mitgeteilt worden. Diese Umstände selber hat das Sozialgericht in seiner Vorlage nicht gewürdigt, obgleich es sich offenbar nicht um Behauptungen "ins Blaue hinein" gehandelt hat und wiewohl sie für die Entscheidungsfindung von Bedeutung und Grund für weitere Sachverhaltsermittlungen und rechtliche Überlegungen sein könnten.

17

Es ist nicht auszuschließen, dass die näheren Umstände der Beratung und Antragstellung hier für die Entscheidungsfindung von rechtlicher Relevanz sein könnten. Das Sozialgericht hat die tatsächlichen Anknüpfungspunkte offenbar nicht zum Anlass genommen, um zu prüfen, ob hier eine "rechtzeitige" Antragstellung im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X, der grundsätzlich sowohl für Verfahrensfristen als auch für Fristen mit materiell-rechtlichem Charakter gilt, in Betracht kommen könnte und hat sich mit der dazu heranzuziehenden sozialverwaltungsrechtlichen Rechtslage nicht befasst. Ebenso wenig hat es die daneben anwendbaren (vgl. BSGE 96, 44 <48 Rn. 20 ff.>) Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, nach denen im Einzelfall einem Sozialversicherungsträger auch der Beratungsfehler eines anderen Sozialleistungsträgers zurechenbar sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 6/04 R -, juris Rn. 29), geprüft. Jedenfalls verhält sich die Vorlage zu den beiden Rechtsinstituten nicht.

18

b) So lässt sich für das Bundesverfassungsgericht auch nicht erkennen, ob das Sozialgericht den Rechtsstreit bis zur Entscheidungsreife gefördert hat. Das vorlegende Gericht hätte insbesondere feststellen und gegebenenfalls ermitteln müssen, wann und in welcher Form dem Kläger des Ausgangsverfahrens, wie er behauptet, "ausdrücklich und mehrfach" ein Fristlauf bis zum 31. Dezember 2006 genannt wurde; mit welcher Behörde eine konkrete Kontaktaufnahme erfolgte; ob eine sozialversicherungsrechtliche Beratung durch die Künstlersozialkasse erfolgte; was gegebenenfalls Ziel und Gegenstand der Beratung war und welches Beratungsbedürfnis dabei zu Tage trat; ob hierbei auch die tatsächlichen Voraussetzungen einer gesteigerten Hinweispflicht (vgl. BSGE 98, 108 <114 Rn. 21>) eingetreten sind und ob eine Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit und ihrer Formulare in die Beratung erfolgte. Ferner lässt sich nicht erkennen, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens behördlich über die rückwirkende Änderung der Rechtslage informiert wurde oder hiervon in anderer Weise erfuhr und wenn ja, wann dies geschah. Außerdem fehlen Einlassungen dazu, inwieweit er auf die Beständigkeit des Fristlaufs vertraute und inwiefern ein solches subjektives Vertrauen objektiv schutzwürdig war. Das Sozialgericht geht schließlich nicht darauf ein, in welcher Art und Weise die versäumte Handlung nachgeholt und ob dabei konkludent ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde oder zumindest Anlass für eine Wiedereinsetzungsprüfung von Amts wegen bestanden haben könnte. Die in einem kurzen Satz protokollierte Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung genügt hierfür nicht. Sie lässt nahezu alle relevanten Fragen offen, ohne dass der Sitzungsniederschrift entnommen werden könnte, dass dem Kläger nähere Angaben unmöglich waren oder von ihm verweigert worden wären.

19

c) Die fehlende Rechtserheblichkeit dieser Umstände durfte das Sozialgericht auch nicht ohne Weiteres unterstellen. Wenngleich für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit grundsätzlich seine Beurteilung maßgeblich ist, muss die Auffassung des Fachgerichts zumindest nachvollziehbar sein. Hierfür wäre sie auch insoweit zu begründen gewesen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Möglichkeit besteht, dass das Sozialgericht den Rechtsstreit entscheiden kann, ohne die von ihm für verfassungswidrig gehaltene Norm anwenden zu müssen.

20

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides und eines damit in Zusammenhang stehenden Aufhebungsbescheides.

2

Die am 1986 geborene Klägerin stand seit Juni 2005 im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II (Alg II) bei der Beklagten. Für die Zeit von Januar bis April 2007 wurden ihr mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 Leistungen in Höhe von monatlich 401,52 Euro bewilligt. Am 13. Oktober 2006 schlossen Klägerin und Beklagte eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung. Inhalt der Vereinbarung war das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Rahmen des Projekts "Job for Junior" der D in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007. Die Klägerin verpflichtete sich ua, regelmäßig und zuverlässig an dem Projekt teilzunehmen. Die Vereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgendem Inhalt:

3

"Rechtsfolgenbelehrung:
Mir ist bekannt, dass ich nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwar eine Förderung beanspruchen kann, daneben aber in erster Linie selbst gefordert bin, konkrete Schritte zur Beseitigung meiner Hilfebedürftigkeit zu unternehmen. Ich bin verpflichtet, mich selbständig zu bemühen, meine Erwerbslosigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die dieses Ziel unterstützen.

Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. Die Leistung kann danach - auch mehrfach nacheinander oder überschneidend - gekürzt werden oder ganz entfallen.

Grundpflichten

1.   

Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern,

        

 eine Ihnen angebotene Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II abzuschließen,
 die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
 eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen
oder
 Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.

2.   

Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung.

3.   

Haben Sie das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird das Arbeitslosengeld II im Fall der in Punkt 1 genannten Pflichtverletzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) beschränkt. Diese sollen direkt an den Vermieter oder sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt werden.

Meldepflicht

4.   

Eine Verletzung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Trägers der Grundsicherung, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen.

5.   

Bei einer Verletzung der Meldepflicht wird das Arbeitslosengeld II um 10 % der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung.

6.   

Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Punkt 4 von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II um den Prozentsatz der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemindert, der sich aus der Summe des im vorliegenden Fall relevanten Prozentsatzes und des Prozentsatzes der vorangegangenen Absenkung ergibt.

Gemeinsame Vorschriften

7.   

Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zustellung des entsprechenden Bescheides über die Sanktionen. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können Absenkung und Wegfall der Regelleistung im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden.

8.   

Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II und der Wegfall des Zuschlags treten nicht ein, wenn Sie für die Pflichtverletzung einen wichtigen Grund nachweisen können.

9.   

Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30% können Ihnen ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.

Hinweis: Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften können Sie bei Ihrem Träger der Grundsicherung einsehen."

4

Die Klägerin nahm die ihr angebotene Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Projekts "Job for Junior" bei der D zunächst auf, kündigte aber gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 an, bis zur Klärung ihrer Urlaubsansprüche nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Daraufhin wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2007 darauf hin, dass sie auf Grund der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei, die ihr zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen. Weiter hieß es: "Eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste hier als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung Ihres Leistungsanspruchs führen."

5

Nachdem die Klägerin vom 8. Januar 2007 bis zum 15. Januar 2007 sowie vom 18. Januar bis zum 31. Januar 2007 bei der D unentschuldigt gefehlt hatte, beschränkte die Beklagte zum einen mit Bescheid vom 21. Februar 2007 unter Anrechnung ihres vorhandenen Einkommens und unter Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung das Alg II der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. Mai 2007 auf die Kosten der Unterkunft. Zum anderen bewilligte sie mit einem weiteren Bescheid vom 21. Februar 2007 unter Aufhebung der "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen insoweit" für die Monate März und April 2007 nur noch Leistungen in Höhe von 56,52 Euro. Die Widersprüche hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 18. und 19. Juni 2007 zurück.

6

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 14. April 2008). Die Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die Klägerin nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise über die Rechtsfolgen informiert habe, die aus der Weigerung folgten, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Verpflichtungen zu erfüllen. Eine solche Rechtsfolgenbelehrung müsse, um ihrer Warn- und Erziehungsfunktion zu genügen, konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und zutreffend sein. Abzustellen sei auf die zuletzt vor dem Eintritt der potentiellen Pflichtverletzung erteilte Rechtsfolgenbelehrung. Die Belehrung im Schreiben vom 4. Januar 2007 sei zwar einzelfallbezogen, weise aber insoweit nicht die erforderliche Eindeutigkeit auf, als weder der genaue Absenkungszeitraum, noch die Höhe der drohenden Leistungsabsenkung benannt worden sei. Die (frühere) Belehrung, die die Beklagte der Klägerin in der Eingliederungsvereinbarung erteilt habe, erschöpfe sich dagegen in einer abstrakten und formelhaften Wiedergabe des Gesetzeswortlauts.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 31 SGB II. Die im Zusammenhang mit der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung sei zwar pauschal, für die Klägerin jedoch nachvollziehbar gewesen.

8

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das SG hat zu Recht die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben.

12

1. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

13

a) Das SG hat die Sprungrevision gemäß § 161 Abs 1 Satz 1 SGG im Urteil zugelassen. Die Beklagte hat ihrer Revisionsschrift die Zustimmungserklärung der Klägerin in Kopie beigefügt. Dies reicht zur Wahrung der Anforderungen des § 161 Abs 1 Satz 3 SGG aus (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 1997 - 6 RKa 36/95 - SozR 3-1500 § 161 Nr 12 S 27; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 10a, 4a mwN).

14

b) Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Den Ausführungen kann noch entnommen werden, dass die Beklagte die Beurteilung der Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II durch das SG angreift. Da das prozessuale Ziel der Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils erkennbar ist, ist dem Erfordernis des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG hier in gerade noch ausreichender Weise Rechnung getragen, obwohl weder die Revisionsschrift noch die Revisionsbegründungsschrift einen förmlichen Antrag enthalten (vgl BSG, Urteil vom 4. Juli 1995 - 2 RU 33/94 - SozR 3-2200 § 571 Nr 3 S 8).

15

c) Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 2007 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. und 19. Juni 2007. Mit dem einen Bescheid hat die Beklagte die Leistungen der Klägerin wegen eines in § 31 SGB II geregelten Sanktionstatbestandes für die Monate März bis Mai 2007 auf die Leistungen für die Unterkunft beschränkt (Sanktionsbescheid), mit dem anderen hat sie die sich aus dieser Leistungsbeschränkung für die bestehenden Bewilligungsentscheidungen ergebenden Änderungen leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkrete Leistungshöhe festgesetzt (Änderungsbescheid).

16

2. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es kann offen bleiben, ob es bei der Absenkung des Alg II nach § 31 SGB II eines gesonderten Bescheides über die Feststellung der Sanktion bedarf oder ob der Erlass eines Aufhebungsbescheides ausreicht (so BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 14, 15). Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2006 nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz (SGB X) wegen der Verwirklichung eines Sanktionstatbestandes nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II liegen jedenfalls nicht vor. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, ist nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II nicht erfüllt waren. Sowohl der Sanktionsbescheid als auch der Änderungsbescheid sind rechtswidrig.

17

a) Der Bescheid über die Absenkung des Alg II wegen des Eintritts einer Sanktion ist rechtswidrig, weil es an einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 ) fehlt. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn entweder (Nr 1) der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (lit a), in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (lit b), eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen (lit c) oder zumutbare Arbeit nach § 16 Abs 3 Satz 2 auszuführen (lit d), oder (Nr 2) der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat. Dies gilt nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach § 31 Abs 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Alg II ua unter den in Abs 1 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 beschränkt. Die nach § 22 Abs 1 angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.

18

aa) Es kann offen bleiben, welche Anforderungen an die Eingliederungsvereinbarung und das Angebot einer Arbeitsgelegenheit zu stellen sind (vgl hierzu BSGE 102, 201, 209 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 31 ff). Ebenso kann dahinstehen, ob als Rechtsgrundlage für eine Sanktion hier die im Bescheid vom 21. Februar 2007 genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB II (Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen) oder die im Widerspruchsbescheid genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst c SGB II (Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit … oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen) in Betracht kommt. In beiden Fällen werden jedenfalls Verstöße gegen in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten erfasst (vgl Spellbrink in Kreikebohm/ Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht 2009, § 31 SGB II RdNr 13). Die Klägerin hat sich in der Eingliederungsvereinbarung zur regelmäßigen Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 SGB II ausdrücklich verpflichtet. Ob sie für ihr pflichtwidriges Verhalten einen wichtigen Grund iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II hatte, ist hier ebenso wenig entscheidungserheblich wie das Verhältnis der Sanktionstatbestände des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b und c SGB II zueinander. Der Sanktionsbescheid ist jedenfalls ungeachtet der Pflichtverletzung deshalb rechtswidrig, weil der Klägerin keine Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den gesetzlichen Anforderungen genügt.

19

bb) Die in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Der 4. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass Rechtsfolgenbelehrungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II konkret, verständlich, richtig und vollständig sein müssen (BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Das entspricht der ganz überwiegend vertretenen Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juli 2009 - L 5 AS 131/08; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juni 2009 - L 5 AS 79/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2009 - L 19 B 68/09 AS) und in der Literatur (vgl Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 44; Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 68; A. Loose in Hohm, SGB II, Stand Januar 2010, § 31 RdNr 65; Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand Dezember 2009, § 31 RdNr 78; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand November 2009, § 31 RdNr 70; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 139; Lauterbach, NJ 2008, 241, 244; Spellbrink in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, aaO, § 31 RdNr 32). Auch der erkennende Senat schließt sich dem an. Zu fordern ist insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreicht (BSGE 102, 201, 211 = SozR, aaO, jeweils RdNr 36-37). Diese strengen Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen zu stellen (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22).

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Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen (vgl BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Spellbrink, aaO, RdNr 32 ff). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-Drucks 15/1516 S 61 ). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts.

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(1) Die der Klägerin bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Rechtsfolgenbelehrung erfolgte zwar nicht lediglich mittels eines gesondert ausgehändigten Merkblatts, sondern war Bestandteil der Vereinbarung. Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung wurden jedoch nicht hinreichend konkret aufgezeigt. Die Belehrung erschöpfte sich vielmehr im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes. Damit nannte sie eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu den konkreten Pflichten der Klägerin aufwiesen. So hatte sich die Klägerin weder geweigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, noch bezog sie einen Zuschlag nach § 24 SGB II. Meldepflichten waren nicht Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung. Infolge der undifferenzierten Auflistung - fast - aller Sanktionstatbestände und einer Vielzahl der möglichen Rechtsfolgen war die Rechtsfolgenbelehrung nicht nur unübersichtlich, sondern in keiner Weise individualisiert. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid und in der Revisionsbegründung selbst eingeräumt, dass in der Rechtsfolgenbelehrung pauschaliert alle Möglichkeiten der Pflichtverletzungen sowie die daraus resultierenden Konsequenzen aufgeführt seien. Sie war damit nicht geeignet, der Klägerin in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus einem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeitsgelegenheit bei der D ergeben würden.

22

Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es gewesen, wenn die Beklagte darauf hingewiesen hätte, dass bei einem Verstoß gegen die in Punkt 2 der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Teilnahmepflicht ohne einen wichtigen Grund das Alg II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs 5 Satz 1 SGB II beschränkt wird und dass diese Leistungen im Regelfall an den Vermieter gezahlt werden. Der Benennung eines konkreten Betrages, um den die Leistung abgesenkt wird, hätte es entgegen der Auffassung des SG an dieser Stelle grundsätzlich noch nicht bedurft, zumal die Höhe der Regelleistung zweifelsfrei aus dem Bewilligungsbescheid zu ersehen ist und weitere Rechenschritte im Fall des § 31 Abs 5 Satz 1 SGB II nicht erforderlich sind. Erforderlich war aber weiter der Hinweis auf den Beginn und die Dauer der Leistungsbeschränkung sowie die mögliche Verkürzung des Zeitraums nach § 31 Abs 6 Satz 3 SGB II. Schließlich musste der Klägerin mitgeteilt werden, dass sie während der Leistungsbeschränkung keinen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfeleistungen haben würde, die Beklagte aber in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erbringen könnte, § 31 Abs 6 Satz 4 und Abs 3 Satz 6 SGB II.

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Der Senat folgt der Rechtsprechung des 4. Senats auch darin, dass maßgeblich für eine hinreichende Belehrung nicht das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen ist, sondern dass es allein auf den objektiven Erklärungswert ankommt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 24). Entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten ist es daher unerheblich, ob gerade die Klägerin unter Zuhilfenahme der bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung abstrakt erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte erkennen können, dass ihr Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt und welche Rechtsfolgen diese Pflichtverletzung bezogen auf ihre Person auslöst. Die ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung ist in jedem Einzelfall zwingende Voraussetzung für die Absenkung des Alg II nach § 31 Abs 1 SGB II. Entsprechend dem formalen Ordnungscharakter der Rechtsfolgenbelehrung kommt es nicht auf das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen beim Leistungsberechtigten an, sondern nur auf das formell ordnungsgemäße Handeln der Behörde (BSGE 53, 13, 16 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 88 f).

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(2) Auch im Schreiben vom 4. Januar 2007 findet sich keine diesen Anforderungen genügende Rechtsfolgenbelehrung. Zu diesem Zeitpunkt hätte noch nachträglich eine den Anforderungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erfolgen können, weil die Klägerin ihr zukünftiges pflichtwidriges Verhalten angekündigt hat und eine Belehrung zu diesem Zeitpunkt ihr noch die Möglichkeit gegeben hätte, ihr Verhalten danach einzurichten. Neben dem erneuten Hinweis auf ihre Pflicht, die zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen, enthält das Schreiben aber lediglich eine undifferenzierte Ankündigung einer Leistungskürzung. Bereits die Formulierung im Konjunktiv - eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung des Leistungsanspruchs führen - verweist die Rechtsfolge lediglich in den Bereich des Möglichen. Die Rechtsfolge wird darüber hinaus aber auch nicht so konkret benannt, wie das erforderlich gewesen wäre. Insbesondere wurde der Klägerin nicht konkret vor Augen geführt, in welchem Umfang eine Leistungsabsenkung erfolgen würde.

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(3) Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass es auf eine etwaige mündliche Rechtsfolgenbelehrung vor Abschluss der Eingliederungsvereinbarung hier nicht ankommt. Zwar stimmt der Senat insofern mit der Rechtsprechung des 4. Senats überein, dass grundsätzlich auch eine mündliche Belehrung in Betracht kommt. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die mündliche Belehrung in engem zeitlichen Zusammenhang vor dem sanktionsbewehrten Verhalten erfolgt ist (vgl BSGE 102, 201, 210 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 35). Davon kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn eine - mündliche - Belehrung vor dem Beginn der Maßnahme erfolgt und das die Sanktion auslösende Verhalten drei Monate später eintritt.

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b) Auch der Änderungsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2007, mit dem die Beklagte die in dem Sanktionsbescheid verfügte Absenkung leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkret verbleibende Leistung festgesetzt hat, ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Da die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II für die Absenkung des Alg II nicht vorgelegen haben und damit auch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, bestand kein Raum für eine vom Bescheid vom 13. Dezember 2006 abweichende Leistungsbewilligung.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.