Sozialgericht München Gerichtsbescheid, 10. Aug. 2016 - S 13 AS 2433/14

10.08.2016

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.6.2014 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zur Feststellung einer Minderung und eines damit in Zusammenhang stehenden Aufhebungsbescheides.

Der 1983 geborene Kläger bezog nach einem Umzug seit dem 1.9.2013 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) (Arbeitslosengeld II - Alg II). Der Kläger verfügt über einen Hauptschulabschluss, eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Mit Bescheid vom 10.9.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II für den Zeitraum 1.9.2013 bis 28.2.2014 sowie mit Bescheid vom 17.2.2014 für den Zeitraum 1.3.2014 bis 31.8.2014 unter Berücksichtigung des jeweils geltenden Regelbedarfs sowie der Unterkunftskosten. Mit Bescheid vom 24.2.2014 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger eine erste Pflichtverletzung in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs für den Zeitraum 1.3.2014 bis 31.5.2014 fest. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger nicht die in einer Eingliederungsvereinbarung vom 15.10.2013 vereinbarten Bewerbungsbemühungen nachgewiesen habe. Der Bescheid ist bestandskräftig.

Am 11.2.2014 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung mit Gültigkeit bis zum 10.8.2014 ab. Darin war vorgesehen, dass der Beklagte dem Kläger Vermittlungsvorschläge unterbreitet, soweit geeignete Stellenangebote vorlägen. Er verpflichtete sich zur Unterstützung von Bewerbungsbemühungen in Form von Übernahme von Bewerbungskosten und Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen. Der Kläger verpflichtete sich zur Vorlage von Nachweisen über Bewerbungsbemühungen in einem festgelegten Turnus von 2 Monaten. Ferner verpflichtete er sich, sich auf Vermittlungsvorschläge zeitnah zu bewerben und festgelegte Nachweise vorzulegen. Die Eingliederungsvereinbarung enthält eine Rechtsfolgenbelehrung.

Mit Vermittlungsvorschlag vom 21.3.2014 bot der Beklagte dem Kläger einen Ausbildungsplatz für eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann an. Eintrittstermin sei der 1.9.2014. Der Kläger sollte sich umgehend schriftlich oder per E-Mail bei dem im Vorschlag genannten Ansprechpartner bewerben und das Ergebnis der Bemühungen dem Beklagten gegenüber schriftlich oder telefonisch mitteilen. Am Ende des Vermittlungsvorschlags bat der Beklagte um Beachtung der beigefügten Rechtsfolgenbelehrung. Diese befand sich auf demselben Blatt in einem eingerahmten Kasten. Die Schriftgröße der Rechtsfolgenbelehrung ist gegenüber der Schriftgröße im Anschreiben erheblich herabgesetzt, inhaltlich enthält sie keine Absätze. Auf den Vermittlungsvorschlag wird Bezug genommen (Blatt 215 der Beklagtenakte). Eine Rückmeldung auf den Vermittlungsvorschlag erfolgte nicht. Nach ergebnisloser Anhörung hierzu vom 24.4.2014 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 8.5.2014 gegenüber dem Kläger eine wiederholte Pflichtverletzung und eine Minderung des Alg II monatlich in Höhe von 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs für den Zeitraum 1.6.2014 bis 31.8.2014 fest. Zugleich ob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17.2.2014 in Höhe der Minderung auf. Zur Begründung führt er aus, dass der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen durch sein Verhalten das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses aus dem Vermittlungsvorschlag vom 21.3.2014 von vornherein verhindert habe. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 5.6.2014 Widerspruch ein und trug hierzu unter anderem vor, dass seine Unterschrift unter der Eingliederungsvereinbarung nichtig sei. Ferner sei ihm ein Bewerbungskurs verwehrt worden. Aufgrund einer Gefängnisstrafe und mehrerer Zeiten der Obdachlosigkeit sei er nicht geübt darin, die üblichen Bewerbungsmappen zu erstellen, was nicht bedeute, dass er arbeitsunwillig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück (W 150/14). Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den gesamten Minderungszeitraum auf Antrag hin ergänzende Sachleistungen (Bescheide vom 6.6.2014, 8.7.2014 und 19.8.2014) und erbrachte ihm im Übrigen die geminderten Leistungen.

Am 24.9.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf den Widerspruch vom 5.6.2014, im Übrigen sei die Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2014 nicht anzuerkennen. Hierzu beruft er sich auf sein Schreiben vom 13.3.2014 an seinen Sachbearbeiter.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine Entscheidung unter Berufung auf den Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014. Insbesondere habe der Vermittlungsvorschlag dem Wunsch des Klägers entsprochen, eine Qualifikation zum Sport- und Fitnesskaufmann zu erlangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist. Die Beteiligten sind vor Erlass angehört worden (§ 105 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und haben ihr Einverständnis erklärt.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Streitgegenständlich ist die mit Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2014 festgestellte Minderung des Alg II sowie die zugleich erfolgte teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.2.2014 für den Zeitraum 1.6.2014 bis 31.8.2014 in Höhe von monatlich 234,60 EUR. Statthafte Klageart ist daher die Anfechtungsklage, § 54 Abs. 1 SGG, denn der Kläger kann allein durch die Aufhebung der belastenden Verwaltungsakte sein Klageziel erreichen (vgl. zum Streitgegenstand BSG v. 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - SozR 4-4200 § 31a Nr. 1, juris Rn. 13 ff.).

Klagegegenstand ist der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014. Der Beklagte stützt seine Entscheidung darin auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Im Rahmen der Anfechtungsklage hat das Gericht daher zu überprüfen, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorlagen. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16 d SGB II oder ein nach § 16e SGB II gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II gilt dies nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II regelt unter anderem das Vorliegen einer Pflichtverletzung wegen eines Nichtbefolgens von Vermittlungsvorschlägen unabhängig von der Verletzung von Vereinbarungen aus einer Eingliederungsvereinbarung. Letztere können wiederum eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II begründen. Auf einen darauf zu stützenden Sachverhalt bezieht sich der Beklagte in seiner Entscheidung jedoch nicht, ein solcher ist daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Daher kommt es auch auf die Ausführungen des Klägers zur Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2014 nicht an.

Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.8.2014 begegnet zwar keinen formellen Bedenken, insbesondere wurde der Kläger zuvor angehört, § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Allerdings ist die Entscheidung materiell rechtswidrig, denn die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II lagen nicht vor. Zum einen ist nach Aktenlage bereits fraglich, ob dem Vermittlungsvorschlage eine zumutbare Ausbildung zugrunde lag. Unabhängig davon fehlt es jedoch zum Anderen an einer rechtmäßigen Rechtsfolgenbelehrung, die auch nicht durch eine positive Rechtsfolgenkenntnis des Klägers aufgehoben wird. Schließlich enthält der Bescheid keine Entscheidung darüber, ob der Beklagte eine Direktüberweisung der Unterkunftskosten vornehmen werde.

Die angebotene Ausbildungsstelle musste zumutbar sein. Der Begriff der Zumutbarkeit bestimmt sich danach § 10 SGB II. Danach ist einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person im Grundsatz jede Arbeit zumutbar, § 10 Abs. 1 SGB II. Dies gilt unter anderem jedoch nicht, wenn die Person zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist, § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Nach Aktenlage reichte der Kläger am 30.10.2014 beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seit 6.12.2013 wegen eines Kniescheibenbruchs vor. Ob dies zu einer körperlichen Unzumutbarkeit des Ausbildungsangebotes zum Sport- und Fitnesskaufmann nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II führt, kann jedoch dahinstehen, denn die Minderung und Leistungsaufhebung ist jedenfalls aus anderen Gründen rechtswidrig.

Eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II setzt eine Rechtsfolgenbelehrung oder eine entsprechende positive Kenntnis beim Leistungsberechtigten voraus. Der Rechtsfolgenbelehrung kommt eine Warnfunktion zu, sie soll dem Leistungsberechtigten in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen eine Pflichtverletzung auf seinen Leistungsanspruch haben werde (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 61). Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände des SGB III entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung konkret, richtig, vollständig und verständlich sein muss und zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot ergehen muss (BSG v. 10.12.1981 - 7 Rar 24/81 - BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr. 18). In Fortführung dieser Rechtsprechung haben die für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG betont, dass der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung im Bereich des SGB II eine noch größere Bedeutung zukomme als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größer Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts. Dies ist auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12) abzuleiten (vgl. nur BSG v. 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, juris Rn. 36; BSG v. 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4-200 § 31 Nr. 5, juris Rn. 20; BSG v. 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - juris Rn. 24). Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Rechtsfolgenbelehrung hat das BVerfG wiederholt betont (vgl. BVerfG v. 6.5.2016 - 1 BvL 7/15 - juris). Im Hinblick auf diese Funktion und Bedeutung der Rechtsfolgenbelehrung muss sie die Anforderungen insbesondere einzelfallbezogen erfüllen.

Die dem Vermittlungsvorschlag vom 21.3.2014 angefügte Rechtsfolgenbelehrung wird dieser Warnfunktion nicht gerecht. Worüber zu belehren ist, ergibt sich aus § 31a SGB II. Zwar ist die Rechtsfolgenbelehrung inhaltlich noch an den Anforderungen des BSG ausgerichtet. So zeigt sie dem Kläger einzelfallbezogen konkret auf, dass unter Nennung der ersten Pflichtverletzung vom 24.2.2014 eine weitere Pflichtverletzung zu einer Kürzung um 60 Prozent führen werde (§ 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II). Sie ist vollständig, weil sie auf die ergänzenden Sachleistungen ebenso hinweist wie auf die regelmäßige Direktüberweisung der Miete an den Vermieter (§ 31a Abs. 3 Satz 1, 3 SGB II). Allerdings ist sie formal nicht ausreichend verständlich. Diese Anforderung umfasst nach dem Sinn der Rechtsfolgenbelehrung, den Leistungsberechtigten die Rechtsfolgen warnend vor Augen zu führen, nicht nur inhaltliche Aspekte, sondern auch formale. Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben auf den Kreis der Leistungsbezieher abzustellen und muss hierbei berücksichtigen, dass diese in Verwaltungsangelegenheiten keine ihm gegenüber vergleichbare Übung besitzen. Dies gilt insbesondere für Leistungsbezieher wie den Kläger, dem es an einer Berufsausbildung und Berufstätigkeit fehlt. Daher muss der Leistungsträger dafür Sorge tragen, dass Warnhinweise, die er zu erteilen hat, von einem Leistungsberechtigten üblicherweise auch wahrgenommen werden. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Durch die deutlich kleinere Schrift ist bereits das Lesen der Rechtsfolgenbelehrung erheblich erschwert, so verschwimmen auf den ersten Blick die einzelnen Zeilen. Ohne Absätze ist die inhaltliche Strukturierung für den Lesenden und die Realisierung des Inhaltes zudem deutlich erschwert. Insgesamt führt die formale Ausgestaltung der Rechtsfolgenbelehrung eher dazu, sie unbeachtet zu lassen anstatt die darin enthaltenen Warnungen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen.

Die ungenügende Rechtsfolgenbelehrung wird nicht durch eine positive Rechtsfolgenkenntnis des Klägers obsolet. Zwar erhielt die Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2014 ebenfalls eine Rechtsfolgenbelehrung. Allerdings bezieht sich diese nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur auf Folgen bei Verstößen gegen die Eingliederungsvereinbarung, somit kann sie keine positive Kenntnis bezogen auf Verstöße gegen Vermittlungsvorschläge vermitteln.

Schließlich ist der Minderungsbescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2014 rechtswidrig, weil er keine Entscheidung darüber enthält, ob der Beklagte die Unterkunftskosten an den Vermieter direkt überweist oder nicht. Gemäß § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II soll bei einer Minderung des Alg II um mindestens 60 Prozent des für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs das Alg II, soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Obdachlosigkeit zu vermeiden. Es soll sichergestellt werden, dass der Anteil der Leistungen, der für die Unterkunft und Heizung gedacht ist, auch tatsächlich bei Vermietern und anderen Empfangsberechtigten (zum Beispiel Energieversorgungsunternehmen) ankommt. Ferner trägt die Regelung dem Grundrecht der Leistungsberechtigten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung, welches verfassungskonform eingeschränkt wird (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 112). Zwar hat der Beklagte den Kläger inhaltlich über die Rechtsfolge nach § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II belehrt. Er hätte jedoch im Zusammenhang mit der Minderung auch hierüber entscheiden müssen. Denn nur so kann der mit § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II verbundene Zweck erreicht werden. Der Leistungsempfänger muss Gewissheit darüber erhalten, ob die Unterkunftskosten für den Minderungszeitraum direkt an den Vermieter überwiesen werden oder nicht. Im letzteren Fall muss der Leistungsempfänger wissen, dass er für die Erbringung an den Vermieter weiterhin verpflichtet ist. Trifft der Leistungsträger hierüber keine Entscheidung, vermittelt er den Eindruck, die Miete - wie in der Rechtsfolgenbelehrung angekündigt - direkt an der Vermieter zu überweisen. Damit tritt jedoch die Lage ein, die § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II verhindern will, nämlich die Gefahr der Entstehung von Mietrückständen. Sie ist dann allerdings veranlasst durch die fehlende Entscheidung hierüber im Minderungsbescheid dahin, dass eine Direktüberweisung unterbleibt. Eine Entscheidung über die Vornahme oder das Unterbleiben der Direktüberweisung im Zusammenhang mit der Feststellung der Minderung ist daher erforderlich. Dies gilt auch für den Fall, dass der Leistungsberechtigte, wie vorliegend, nach Erlass des Minderungsescheides die Erbringung von ergänzenden Sachleistungen beantragt und diese gewährt werden. Ergeht die Entscheidung im Sinne des Regelfalls nach § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II und erfolgt eine Direktüberweisung, muss dieser Regelfall nicht gesondert begründet werden. Trifft der Leistungsträger dagegen die Entscheidung, keine Direktüberweisung vorzunehmen, hat er dies gesondert zu begründen, weil es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt, die vom Regelermessen das § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II abweicht, § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Das Fehlen einer Begründung führe in diesem Fall zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 21a). Vorliegend hat der Beklagte jedoch gar keine Entscheidung getroffen.

Da die Feststellung der Minderung wegen einer Pflichtverletzung nach §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II rechtswidrig erfolgte, lag auch keine zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.2.1014 berechtigende wesentliche Änderung nach § 48 Abs. 1 SGB X vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Gerichtsbescheid kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen ist und vom Sozialgericht nicht zugelassen wurde.

Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids kann beim Sozialgericht München, Richelstraße 11, 80634 München, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht München in elektronischer Form mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen.

Anstelle des Antrags auf mündliche Verhandlung kann die Nichtzulassung der Berufung durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen.

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der „Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG“ an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts (Nichtzulassungsbeschwerde) oder des Sozialgerichts München (Antrag auf mündliche Verhandlung) zu übermitteln ist. Über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www...de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

Die Beschwerde soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.

Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn

a) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

b) der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

c) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


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(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass1.sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,2.die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen übe

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(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebe

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(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 167/12, L 16 AS 199/12, L 16 AS 389/12 - geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Februar 2012 - S 11 AS 1294/11 - wird zurückgewiesen, soweit dieses den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2012 - W 366/11 - aufgehoben hat.

Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2012 - S 11 AS 114/12 - wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 und der Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2012 aufgehoben.

Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Mai 2012 - S 11 AS 209/12 - wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2012 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist nur noch die Rechtmäßigkeit von sieben Bescheiden über Meldeversäumnisse und Minderungen von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld II (Alg II) in sich teilweise überschneidenden Zeiträumen.

2

Die im Jahr 1981 geborene Klägerin, die mit ihrem Ehemann zusammenlebt, bezieht vom beklagten Jobcenter seit dem Jahr 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Im Laufe der Zeit war die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zwischen den Beteiligten umstritten, und die Klägerin übersandte einen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 17.7.2009, in dem abgelehnt wurde, einen Grad der Behinderung (GdB) festzustellen; eine seitens des Beklagten beabsichtigte ärztliche Untersuchung der Klägerin kam nicht zustande. Im Laufe des Jahres 2011 erfolgten wiederholte Absenkungen der Leistungen wegen Meldeversäumnissen der Klägerin. Zuletzt bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen vom 1.9.2011 bis zum 29.2.2012 in nicht geminderter Höhe, aber unter zeitweiser Berücksichtigung eines Einkommens (Bescheid vom 21.7.2011, Änderungsbescheid vom 16.9.2011).

3

Nachdem die Klägerin zu einem Termin am 10.10.2011 bei dem Beklagten nicht gekommen war, lud der Beklagte sie durch ein Schreiben mit Rechtsfolgenbelehrung für den 24.10.2011 erneut zu einer Besprechung ihres "Bewerberangebots bzw ihrer beruflichen Situation" in seine Dienststelle. Aufgrund des Nichterscheinens der Klägerin hörte der Beklagte sie an und stellte ein Meldeversäumnis sowie eine Minderung ihres Alg II-Anspruchs um 10 vH ihres Regelbedarfs vom 1.12.2011 bis zum 29.2.2012 nach §§ 32, 31b Abs 1 SGB II mit Bescheid fest. In sechs weiteren solchen Schreiben wurde die Klägerin zu sechs weiteren Terminen vom 4.11. bis zum 12.12.2011 eingeladen, denen sie nicht nachkam. Anschließend erfolgten jeweils eine Anhörung sowie ein Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und eine Minderung des Alg II-Anspruchs für Zeiträume vom 1.12.2011 bis zum 30.4.2012. Gegen alle Bescheide wurden Widersprüche eingelegt und nach deren Zurückweisung wurden Klagen erhoben, die vom Sozialgericht (SG) zu drei Verfahren verbunden wurden, in denen zum Teil noch weitere Punkte umstritten waren und der Ehemann der Klägerin beteiligt war (Meldetermin vom 24.10.2011, Bescheid vom 17.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 7.12.2011, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 4.11.2011, Bescheid vom 29.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 2.1.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 32/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 11.11.2011, Bescheid vom 9.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012 - W 365/11, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 53/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 21.11.2011, Bescheid vom 14.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 26.1.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 209/12; Meldetermin vom 25.11.2011, Bescheid vom 15.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012 - W 366/11, SG-Verfahren ebenfalls mit dem Aktenzeichen S 11 AS 53/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 7.12.2011, Bescheid vom 2.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 7.2.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 114/12; Meldetermin vom 12.12.2011, Bescheid vom 3.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 9.2.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 122/12, verbunden zu S 11 AS 114/12).

4

In dem Verfahren S 11 AS 1294/11 hat das SG durch Urteil vom 13.2.2012 die Bescheide vom 29.11.2011, 9.12.2011 und 15.12.2011 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides aufgehoben und im Übrigen wegen des Bescheides vom 17.11.2011 die Klage abgewiesen, weil die Klägerin hinsichtlich der aufgehobenen Bescheide vor dem jeweiligen Meldetermin nicht den erforderlichen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung erhalten habe. In den beiden anderen Verfahren hat das SG durch Urteile vom 27.2.2012 - S 11 AS 114/12 - und vom 9.5.2012 - S 11 AS 209/12 - die Klagen der Klägerin abgewiesen, weil die Klägerin vor dem jeweiligen Meldetermin den erforderlichen Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung erhalten habe.

5

Auf die Berufungen der Klägerin gegen alle drei Urteile und der des Beklagten gegen das Urteil vom 13.2.2012 hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteile vom 24.10.2012 - L 16 AS 167/12, L 16 AS 199/12, L 16 AS 389/12 - die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 13.2.2012 geändert und die Klagen insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die angeführten Bescheide über die Feststellung von Meldeversäumnissen und Minderungen seien rechtmäßig. Die Klägerin sei zu allen Terminen ordnungsgemäß eingeladen worden, aber ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Die Meldetermine hätten einen zulässigen Zweck gehabt, und die "Einladungsdichte" sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Die Addition von Minderungen aufgrund von Meldeversäumnissen sehe § 32 SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung ausdrücklich vor. Nach dieser Rechtslage müsse vor Eintritt eines zweiten Meldeversäumnisses kein erstes Meldeversäumnis durch Bescheid festgestellt worden sein. Wegen der Höhe der Minderungen habe der Beklagte die Klägerin auf die Möglichkeit hingewiesen, ergänzende sach- oder geldwerte Leistungen zu beantragen.

6

In ihren vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen und zu einem Verfahren verbundenen Revisionen rügt die Klägerin eine Verletzung von §§ 31b, 32 SGB II. Nach wie vor setze eine zweite Sanktion innerhalb eines Sanktionszeitraums voraus, dass die erste Sanktion bereits vor dem zweiten Meldeversäumnis durch Bescheid festgestellt worden sei.

7

Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 167/12 - zu ändern, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Februar 2012 - S 11 AS 1294/11 - zurückzuweisen, dieses Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2011 aufzuheben,
2. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 199/12 - und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2012 - S 11 AS 114/12 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 und den Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2012 aufzuheben,
3. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 389/12 - und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Mai 2012 - S 11 AS 209/12 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er meint, § 32 SGB II schreibe beim Vorliegen seiner Voraussetzungen die Verhängung einer Sanktion zwingend vor, zudem führe nun jedes Meldeversäumnis zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs, sodass eine Addition während überlappender Zeiten erfolge.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Revision der Klägerin ist zum Teil begründet (§ 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz), und die Urteile des LSG vom 24.10.2012 sind zu ändern. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 13.2.2012 ist zurückzuweisen, soweit dieses den Bescheid des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 - W 366/11 - wegen des Meldetermins am 25.11.2011 aufgehoben hat. Auf die Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG vom 27.2.2012 zu ändern und sind der Bescheid des Beklagten vom 2.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.2.2012 wegen des Meldetermins am 7.12.2011 und der Bescheid des Beklagten vom 3.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.2012 wegen des Meldetermins am 12.12.2011 aufzuheben. Auf die weitere Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG vom 9.5.2012 zu ändern und der Bescheid des Beklagten vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2012 wegen des Meldetermins am 21.11.2011 aufzuheben.

11

Im Übrigen ist die Revision unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG zu Recht das Urteil des SG vom 13.2.2012 geändert und die Klagen gegen den Bescheid des Beklagten vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.1.2012 wegen des Meldetermins vom 4.11.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 9.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 - W 365/11 - wegen des Meldetermins am 11.11.2011 abgewiesen sowie die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Klageabweisung hinsichtlich des Bescheides vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.12.2011 wegen des Meldetermins am 24.10.2011 gewandt hat.

12

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des LSG und SG nur noch hinsichtlich der genannten Bescheide in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides, soweit der Beklagte in ihnen jeweils ein Meldeversäumnis der Klägerin und (allgemein) den Eintritt einer Minderung ihres Alg II-Anspruchs um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate, die sich zum Teil überlappen, nach §§ 32, 31b Abs 1 Satz 1, 3 SGB II idF der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850) festgestellt hat, nicht aber mangels einer entsprechenden Regelung des Beklagten in den genannten Bescheiden (dazu sogleich unter 3.) die konkrete Höhe des Alg II-Anspruchs der Klägerin für die strittige Zeit vom 1.12.2011 bis zum 30.4.2012.

13

3. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Berufungen der Beteiligten sind zulässig gewesen (§§ 143 f SGG), weil das SG sie in den Urteilen vom 13.2.2012 und 27.2.2012 zugelassen hat und die Berufung gegen das Urteil vom 9.5.2012 die Berufungssumme erreichte, da ursprünglich nicht nur die Feststellung der Meldeversäumnisse und der Minderung umstritten war (vgl zum Zeitpunkt für die Beurteilung der Statthaftigkeit der Berufung § 202 Satz 1 SGG iVm § 4 Abs 1 Zivilprozessordnung). Richtige Klageart ist die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG.

14

a) Regelungsgegenstand der streitbefangenen Bescheide ist allein die Feststellung von Meldeversäumnissen und der sich daraus ergebenden prozentualen Alg II-Minderungen, nicht aber die Höhe des Leistungsanspruchs für Zeiten, für die der Klägerin bereits existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zuerkannt worden waren. Aufgegriffen mit der Formulierung "Sie sind trotz Kenntnis ... zu dem Meldetermin am … ohne wichtigen Grund nicht erschienen" und "für die Zeit vom … bis … wird eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs … festgestellt" ist allein der Wortlaut des § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II, mit dem nach der Begründung des Gesetzentwurfs(BT-Drucks 17/3404 S 112) "klargestellt" werden soll, "dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert". In der Sache beinhaltet das die Feststellungen, dass ein Meldeversäumnis vorliegt und dieses eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin in Höhe von 10 vH für eine bestimmte Zeit nach sich zieht.

15

Nicht bestimmt ist hierdurch indes die Höhe des von der Klägerin im betroffenen Zeitraum konkret zu beanspruchenden Alg II. Schon im Ansatz ist das nicht möglich für die Zeit, die über den hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitt vom 1.9.2011 bis 29.2.2012 hinausreicht. Ändernde Wirkungen entfalten die Feststellungsbescheide aber auch nicht im Hinblick auf die mit Bescheid vom 21.7.2011 sowie Änderungsbescheid vom 16.9.2011 zuerkannten Leistungen für diesen Bewilligungsabschnitt selbst. Solche Wirkungen kamen entsprechenden Bescheiden schon zur alten Rechtslage nicht zu (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14 zu § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Hieran hat sich weiterhin nichts geändert. Soweit nunmehr gilt "Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt" (§ 31b Abs 1 Satz 1 iVm § 32 Abs 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung) berührt das die Geltung bereits erlassener Bewilligungen nicht unmittelbar. Wie bis dahin ist damit vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, ab welchem Zeitpunkt und um welchen Minderungsbetrag der Anspruch auf Leistungen ua bei Meldeversäumnissen abgesenkt ist. Nicht bestimmt ist hierdurch aber, dass es zu ihrer Umsetzung abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) einer förmlichen Änderung bereits ergangener Bewilligungen nicht bedarf.

16

Daran ändert nichts, dass durch die Regelung nach den Materialien "klargestellt" werden soll, "dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert" (BT-Drucks 17/3404 S 112). Soweit dadurch zum Ausdruck gebracht sein sollte, dass die Durchbrechung der Bindungswirkung bereits ergangener Bewilligungen (vgl § 77 SGG) ausnahmsweise nicht eine förmliche Änderungsentscheidung nach § 48 SGB X, erfordert, sondern unmittelbar durch Gesetz angeordnet ist, findet das in dem Gesetzeswortlaut(vgl zur bis dahin geltenden Rechtslage BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14) keine Stütze. Mindert sich kraft Gesetzes der "Auszahlungsanspruch" einer zuerkannten Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt, so bedeutet das nicht, dass die zugrunde liegende Bewilligung selbst abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X ohne ausdrückliche (Teil-)Aufhebung partiell ihre Regelungswirkung verlieren könnte. Solche Wirkungen könnten nur einer Vorschrift beigemessen werden, die die Geltung von § 48 SGB X, ungeachtet des erheblichen Interesses insbesondere leistungsberechtigter Personen, "einfach"(vgl § 9 SGB X) erkennen zu können, in welcher Höhe (noch) Ansprüche nach dem SGB II zuerkannt sind, ausdrücklich ausschließt und die Absenkung zuerkannter Ansprüche nach dem SGB II einem abweichenden Sonderregime (vgl § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil) unterstellt, woran es hier fehlt (ebenso Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31b RdNr 7 f mwN; Valgolio in: Hauck/Noftz, Stand: März 2015, K § 31b SGB II, RdNr 13; Treichel, SGb 2014, 664 ff; aA Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, § 13 RdNr 421; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, K § 31b SGB II RdNr 2; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31b RdNr 4).

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b) Hat der Beklagte in unzutreffender Einschätzung dieser Rechtslage oder aus anderem Grund von einer formellen Umsetzung der Feststellungsbescheide über die Minderung abgesehen, kann sich die Klägerin ohne Verstoß gegen Rechtsprechung des BSG hiergegen mit der isolierten Anfechtungsklage wenden (zur prozessualen Lage bei jeweils am gleichen Tag erlassenem Feststellungs- und Änderungsbescheid vgl dagegen BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9).

18

Dies folgt aus dem Wortlaut und der darin deutlich werdenden Regelungskonzeption des SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung, nach dessen § 31b Abs 1 Satz 1 ausdrücklich von einem eigenständigen Verwaltungsakt ausgegangen wird, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung feststellt, sowie § 39 Nr 1 SGB II, der die sofortige Vollziehbarkeit dieses Verwaltungsaktes anordnet(in diesem Sinne auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 114 zu § 39). Entsprechend kommt den in den angefochtenen Bescheiden gebrauchten Wendungen "für die Zeit vom … bis … wird eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs … festgestellt" und "Sie sind trotz Kenntnis ... zu dem Meldetermin am … ohne wichtigen Grund nicht erschienen" durch gesonderte Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X die Feststellung zu, dass ein Meldeversäumnis vorliegt und dieses eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin in bestimmter Höhe für eine bestimmte Zeit nach sich zieht.

19

Jedenfalls solange es an der Umsetzung dieser Verwaltungsakte durch Änderung vorher ergangener Bewilligungen nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X im dargelegten Sinne oder durch Berücksichtigung bei der Bewilligung für einen neuen Bewilligungsabschnitt fehlt, steht ihrer isolierten Anfechtung die zur vorherigen Rechtslage ergangenen Aussage des Senats nicht entgegen, ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II aF stelle keinen abtrennbaren Streitgegenstand dar, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden könne(BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 13; ähnlich der 4. Senat des BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14 f). Bereits zur Feststellung von Meldeversäumnissen mit dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) hat das BSG es als gerechtfertigt angesehen, die Überprüfung auf die Minderung als solche zu beschränken, wenn eine solche Beschränkung vom Kläger ausdrücklich gewollt ist und keinerlei Zweifel an einer Klagebeschränkung oder Klagerücknahme bestehen (BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 8; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R - RdNr 12). Umso mehr muss diese Möglichkeit offenstehen, wenn ein Jobcenter ausschließlich über das Meldeversäumnis und den Eintritt der Minderung entscheidet und nicht zugleich oder in engem zeitlichen Zusammenhang damit auch über die Änderung einer zuvor ergangenen Leistungsbewilligung (zur prozessualen Lage in einer solchen Konstellation vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9).

20

Ergeht der vom SGB II nun vorgesehene eigenständige Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung sowie der Umsetzungsverwaltungsakt in getrennten Bescheiden - was nicht zwingend ist - und wird ggf nur der zeitlich spätere Umsetzungsverwaltungsakt angefochten, während der zeitlich frühere Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung bestandskräftig wird, ist zu beachten, dass für einen möglichen Antrag nach § 44 SGB X hinsichtlich dieses Feststellungsverwaltungsakts mangels Streit um die rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen die Rückwirkungsregelung in dessen Abs 4 unbeachtlich ist(vgl BSG Urteil vom 21.3.2002 - B 7 AL 44/01 R - SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119). Wird umgekehrt nur die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung angefochten und nicht ein nachfolgender Umsetzungsbescheid, so steht dessen nachträglicher Korrektur bei einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X die Zeitgrenze des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 44 Abs 4 SGB X sowie § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Feststellung der Obliegenheitsverletzung und die Änderung der Leistungsbewilligung sind materiell so aufeinander bezogen, dass die rechtzeitige Anfechtung des Minderungsbescheides ein Aufhebungsbegehren im Hinblick auf den Umsetzungsverwaltungsakt einschließt, um einer effektiven Rechtsschutzgewährung im Lichte des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) Rechnung zu tragen (vgl insoweit zur Rechtslage nach dem SGB III: BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 9; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 5 ff).

21

4. Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind § 32 SGB II über Meldeversäumnisse sowie § 31a Abs 3 und § 31b SGB II über Rechtsfolgen, Beginn und Dauer der Minderung, die gemäß § 32 Abs 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten.

22

Keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die angefochtenen Bescheide ist vorliegend § 48 SGB X iVm § 40 Abs 1 SGB II, auf die das LSG ua abgestellt hat, weil die angefochtenen Bescheide nur die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung enthalten, nicht hingegen Regelungen über Änderungen der erfolgten Bewilligungsbescheide hinsichtlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerin(zur Unterscheidung zwischen dem Verwaltungsakt über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung sowie dem Umsetzungsverwaltungsakt hinsichtlich ggf notwendiger Änderungen einer schon erfolgten Bewilligung und der Herabsetzung des Alg II-Anspruches siehe zuvor unter 3.).

23

Die Voraussetzungen für die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, insbesondere das Vorliegen einer Anhörung nach § 24 SGB X, sind erfüllt.

24

Die materielle Rechtmäßigkeit ist nur hinsichtlich der Bescheide vom 17.11.2011, 29.11.2011 und 9.12.2011 erfüllt, denen die Meldeversäumnisse vom 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 zugrunde lagen, nicht aber hinsichtlich der Bescheide vom 14.12.2011, 15.12.2011, 2.1.2012 und 3.1.2012, die sich auf die Meldeversäumnisse vom 21.11.2011, 25.11.2011, 7.12.2011 und 12.12.2011 bezogen.

25

Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses sind zumindest hinsichtlich der Meldetermine am 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 gegeben (dazu 5.), nicht jedoch angesichts der Abfolge der zugrunde liegenden sieben Meldeaufforderungen innerhalb von acht Wochen für den vierten und die weiteren Meldetermine (dazu 6.). Soweit der Beklagte rechtmäßigerweise ein Meldeversäumnis festgestellt hat, führt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 32 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 2, § 31b Abs 1 Satz 1, 3 SGB II jeweils als Rechtsfolge zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate kraft Gesetzes(so auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 112). Eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge Minderung oder gar die "Verhängung einer Sanktion" ähnlich dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht seitens des zuständigen Jobcenters sieht das Gesetz nicht vor. Einer Erörterung des im Wortlaut des § 31b SGB II verwandten Begriffs "Auszahlungsanspruch" bedarf es nicht, weil durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Minderung der Anspruch selbst ua auf Alg II sich entsprechend verringert(vgl zum Begriff "Anspruch" nur § 194 Abs 1 BGB). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Minderungen bestehen nicht (dazu 7.).

26

5. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses nach § 32 Abs 1 SGB II sind: Eine leistungsberechtigte Person muss eine Aufforderung des zuständigen Jobcenters, sich bei ihm zu melden oder bei einem Untersuchungstermin zu erscheinen, erhalten haben (Meldeaufforderung), mit der ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde(§ 59 SGB II, § 309 Abs 2 SGB III); die Person muss eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erhalten oder von diesen Kenntnis haben und ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen sein.

27

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), hinsichtlich deren insbesondere die Klägerin keine Rügen erhoben hat, sind für die Bescheide vom 17.11.2011, 29.11.2011 und 9.12.2011 wegen der Meldetermine am 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 diese aufgeführten Voraussetzungen, einschließlich einer rechtmäßigen Meldeaufforderung (dazu a) und des Fehlens eines wichtigen Grundes (dazu b), erfüllt. Die Klägerin war eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II, wie sich aus ihrem Alter von 29 bzw 30 Jahren in der strittigen Zeit, ihrer Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit sowie gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und dem Fehlen von Ausschlusstatbeständen(vgl zB § 7 Abs 4 SGB II)ergibt. Ihre Erwerbsfähigkeit war im Laufe des Leistungsbezugs zwar zwischen den Beteiligten strittig, aufgrund der Feststellungen des LSG ist aber von der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auszugehen, wie sich insbesondere aus dem vorgelegten Bescheid über die Ablehnung der Feststellung eines GdB und dem Fehlen anderer Feststellung hinsichtlich gesundheitlicher Einschränkungen sowie entsprechender Rügen der Klägerin ergibt. Die Klägerin hat jeweils eine Meldeaufforderung mit Datum und Uhrzeit und Ort erhalten, die mit einer schriftlichen und ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war und der sie ohne wichtigen Grund schuldhaft nicht nachgekommen ist.

28

Zudem muss der Verwaltungsakt über die Feststellung des Meldeversäumnisses und der Minderung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Meldeversäumnisses ergangen sein (§ 32 Abs 2 iVm § 31b Abs 1 Satz 5 SGB II). Die Wahrung dieser Fristen folgt aus den mitgeteilten Daten. Keine Voraussetzung aufgrund der neuen Rechtslage ist, dass ein Verwaltungsakt über die erste Feststellung eines Meldeversäumnisses und der eingetretenen Minderung ergangen ist, ehe ein zweites Meldeversäumnis eintreten konnte (dazu c).

29

a) Die Meldeaufforderungen zum 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 waren im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten Meldezwecke (dazu aa) und die erforderliche Ermessensausübung (dazu bb) rechtmäßig.

30

Eine Meldeaufforderung ist nach weitgehend einhelliger Meinung ein Verwaltungsakt (vgl nur BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B - juris - mit zahlreichen weiteren Nachweisen) und die Verfügung einer solchen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten (vgl nur Siefert in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand: Januar 2015, § 309 RdNr 18; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 309 RdNr 27; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, § 309 SGB III RdNr 25), wie sich zudem aus der Entstehungsgeschichte und dem heutigen Zweck der Meldepflicht ergibt (BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 11 AL 8/13 R - SozR 4-4300 § 309 Nr 2 RdNr 21 f; Winkler, aaO, RdNr 1, 4 ff). Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl zur Sperrzeit nach § 159 SGB III: Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 159 RdNr 372; zu § 31 SGB II aF: BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 25 f).

31

aa) Den Meldeaufforderungen lagen rechtmäßige Meldezwecke zugrunde, die auch in ihnen zutreffend benannt wurden.

32

Dass eine rechtmäßige Meldeaufforderung einen Meldezweck voraussetzt, folgt aus § 59 SGB II, der ua die Vorschrift über die allgemeine Meldepflicht in § 309 SGB III für entsprechend anwendbar erklärt. Nach dessen Absatz 2 kann die Aufforderung zur Meldung "zum Zwecke der 1. Berufsberatung, 2. Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, 3. Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen, 4. Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und 5. Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch erfolgen". Diese Aufzählung der Meldezwecke ist abschließend und orientiert sich an den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zur aktiven Arbeitsförderung in §§ 29 ff SGB III. Mit jedem der Zwecke verbinden sich zahlreiche Beratungsgegenstände (vgl nur die Darstellung von Siefert in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand: Januar 2015, § 309 RdNr 24 ff; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 309 RdNr 28 ff; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, § 309 SGB III RdNr 14 ff). Wie konkret der Meldezweck benannt werden muss, kann nicht für alle Einzelfälle generell festgelegt werden, weil dafür die jeweilige Beratungssituation maßgebend ist; eine stichwortartige Konkretisierung ist aber im Regelfall ausreichend (vgl Siefert, aaO, RdNr 20; Winkler, aaO, RdNr 12). Dementsprechend ist die Angabe "Gespräch über das Bewerberangebot/die berufliche Situation" eine grundsätzlich zulässige und ausreichende Konkretisierung des Meldezwecks (ebenso BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 25).

33

Dem wird der vorliegend als Meldezweck seitens des Beklagten in den Meldeaufforderungen jeweils angegebene Grund "Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation" bezogen auf die einzelnen Meldeaufforderungen gerecht, zumal es keine weiteren Feststellungen des LSG oder Rügen der Klägerin gibt, die Zweifel an einer ausreichenden Konkretisierung wecken.

34

bb) Die als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Meldeaufforderungen zum 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 notwendige Ermessensausübung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.

35

Zu deren Überprüfung ist von Folgendem auszugehen: Soweit ein Leistungsträger ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln, ist sein Handeln nur rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG sowie § 39 Abs 1 Satz 1 SGB I zu Ermessensleistungen). Umgekehrt hat der Versicherte Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I), nicht hingegen einen Rechtsanspruch auf einen bestimmten Betrag zB bei einem Leistungsbegehren, sofern nicht eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Abgesehen von einer solchen Ermessensreduzierung auf Null hat der Gesetzgeber dem Leistungsträger mit der Einräumung von Ermessen eine Auswahlbefugnis hinsichtlich mehrerer gleichermaßen rechtmäßiger Entscheidungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite eröffnet. Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt ("Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle"). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG; vgl auch zum Nachfolgenden jeweils mwN nur: BSG Urteil vom 18.3.2008 - B 2 U 1/07 R - BSGE 100, 124 = SozR 4-2700 § 101 Nr 1, RdNr 13 ff und BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 2 U 10/10 R - SozR 4-2700 § 76 Nr 2 RdNr 12 ff).

36

Ein Ermessensnichtgebrauch, bei dem überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, ist nicht festzustellen, weil der Beklagte nach den Feststellungen des LSG die Meldeaufforderung ausgesprochen hatte, um die berufliche Situation der Klägerin mit ihr zu erörtern, was angesichts der Länge ihres Leistungsbezugs naheliegend war. Eine Ermessensüberschreitung, bei der eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, scheidet aus. Denn die vom Beklagten ausgesprochene Meldeaufforderung ist ein vom Gesetz vorgesehenes Ergebnis seiner Ermessensausübung.

37

Die Voraussetzungen für eine Ermessensunterschreitung oder einen Ermessensmangel, bei denen zwar Ermessenserwägungen angestellt werden, diese indes unzureichend sind, weil sie zB nur aus formelhaften Wendungen bestehen oder relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt werden, oder für einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmissbrauch, bei denen sachfremde Erwägungen angestellt werden, sind für die drei ersten Meldeaufforderungen ebenfalls nicht erfüllt. Denn ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten über ihre Bewerbungssituation bzw berufliche Situation war angesichts ihrer Arbeitslosigkeit praktisch geboten. Zudem waren nach den Feststellungen des LSG Vermittlungshemmnisse und gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin zu besprechen und zu klären, welche Tätigkeiten sie noch ausüben konnte und ob zunächst Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durchzuführen waren. Ob es geboten war, diese weiteren Zwecke ausdrücklich zu benennen, zB zur Klärung der gesundheitlichen Situation der Klägerin, die zwischen den Beteiligten zumindest zeitweise umstritten war, kann angesichts der genannten zulässigen Zwecke - bezogen auf die einzelne Meldeaufforderung - dahingestellt bleiben. Die in den Meldeaufforderungen genannten Zwecke dienten dem zentralen Ziel des SGB II, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und im Zusammenwirken mit ihr Wege zu entwickeln und ihr aufzuzeigen, wie sie eine solche Erwerbstätigkeit erlangen kann (vgl § 1 Abs 2 SGB II).

38

Dass der Beklagte sich von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen, hat das LSG nicht festgestellt, die Klägerin hat insofern keine Rügen erhoben und bezogen auf die drei Meldeaufforderungen ist Derartiges aus den vom LSG festgestellten Tatsachen auch nicht ableitbar.

39

b) Umstände, die für einen wichtigen Grund bei nur einem der drei Meldeversäumnisse sprechen, so zB dass die Klägerin krankheitsbedingt verhindert war, einen der Termine wahrzunehmen, sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.

40

c) Entgegen der Ansicht des SG musste die Klägerin nicht vor einem weiteren Meldeversäumnis einen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung als Warnung erhalten, damit der zweite Bescheid über dieses weitere Meldeversäumnis und die Minderung in rechtmäßiger Weise ergehen durfte.

41

Die dahingehende frühere Rechtsprechung (zB BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 22 f)ist durch die Neufassung der §§ 31 ff SGB II ab 1.4.2011, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, überholt. § 32 SGB II über Meldeversäumnisse verweist in seinem Absatz 2 lediglich auf die Vorschriften des § 31a Abs 3 und § 31b SGB II. Die Vorschrift des § 31a Abs 1 Satz 4 SGB II, nach der eine wiederholte Pflichtverletzung nur "vorliegt", wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde, ist ausdrücklich nicht in Bezug genommen. Stattdessen heißt es in § 32 Abs 1 Satz 1 SGB II, dass sich das Alg II jeweils um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs mindert. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einerseits entsprechend dem genannten Urteil vom 9.11.2010 das Erfordernis der vorherigen bescheidmäßigen Feststellung der vorangegangenen Pflichtverletzung vor dem Eintritt der nächsten Pflichtverletzung in das Gesetz übernommen. Andererseits hat er durch seine differenzierende Verweisungsvorschrift zum Ausdruck gebracht, dass dies nicht bei Meldeversäumnissen gelten soll. Er hat damit die Möglichkeit nebeneinander stehender Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung für identische Zeiträume, die im Ergebnis zu einer Addition der Minderungsbeträge führen, geschaffen, ohne dass es eines ersten Bescheides über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung bedarf (vgl dazu Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drucks 17/3404 S 112 zu § 32; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 32 RdNr 11; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 32 RdNr 30; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 32 RdNr 46).

42

6. Aufgrund der Abfolge der den Meldeversäumnissen zugrunde liegenden sieben Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II, § 309 SGB III innerhalb von acht Wochen sind die Bescheide vom 14.12.2011, 15.12.2011, 2.1.2012 und 3.1.2012 rechtswidrig, die auf der vierten und den weiteren Meldeaufforderungen und den Meldeversäumnissen am 21.11.2011, 25.11.2011, 7.12.2011 und 12.12.2011 beruhen.

43

Die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide folgt nicht aus der "Einladungsdichte" als solche (dazu a), sondern aus der als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu prüfenden (vgl dazu 5. a) und vorliegend fehlerhaften Ermessensausübung des Beklagten in der Abfolge und Ausgestaltung der Meldeaufforderungen (dazu b).

44

a) Die "Einladungsdichte" selbst von nahezu einer Meldeaufforderung pro Woche ist nicht zu beanstanden, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, weil es Gründe für einen solchen engmaschigen Kontakt zwischen der leistungsberechtigten Person und dem Jobcenter geben kann und eine Meldeaufforderung ferner - die meldepflichtige Person begünstigend - zu einem Anspruch auf Übernahme der Reisekosten (vgl § 59 SGB II, § 309 Abs 4 SGB III) und zu Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum und vom Jobcenter (§ 2 Abs 1 Nr 14a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung) führt.

45

b) Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken in nahezu wöchentlichem Abstand an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind (zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Überprüfung von Ermessen vgl 5. a) bb).

46

Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

47

Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des "Förderns und Forderns" im SGB II und nach § 1 Abs 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift "Sanktionen" vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen "verhängt" werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung zB einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf.

48

Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken "Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation" drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf (vgl § 309 Abs 2 Nr 4, 5 SGB III). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II).

49

In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen.

50

7. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin nach §§ 32, 31a Abs 3, § 31b SGB II bestehen nicht. Obwohl der Senat sich der mit einer Minderung des Alg II-Anspruchs einhergehenden Auswirkungen, bei einer Minderung um 10 vH waren es damals 33,70 Euro pro Monat, bewusst ist, kann er sich die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen nicht bilden (vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur zB Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88 RdNr 90 f mwN).

51

a) Das durch Art 1 Abs 1 GG begründete und nach dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet den Staat dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen zur Verfügung stehen, wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 134). Das bedingt jedoch nicht, dass diese Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten (ebenso zur Berücksichtigung von Einkommen BVerfG Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33 = BVerfGK 17, 375 RdNr 13; Berlit, Sanktionen im SGB II - nur problematisch oder verfassungswidrig?, info also 2013, 195, 200 ff; Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584 ff). Bei der Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Gesetzgeber vielmehr ein Gestaltungsspielraum zugewiesen, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 138 ff).

52

Dass der Gesetzgeber dabei von Verfassungs wegen schlechterdings gehindert wäre, die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II an (Mitwirkungs-)Obliegenheiten zu knüpfen und bei deren Verletzung leistungsrechtliche Minderungen vorzusehen, vermag der Senat nicht zu erkennen (so aber Neskovic/Erdem, Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV, SGb 2012, 134 ff; ähnlich Drohsel, Sanktionen nach dem SGB II und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, NZS 2014, 96 ff; wie hier dagegen etwa: Berlit, Sanktionen im SGB II - nur problematisch oder verfassungswidrig?, info also 2013, 195 ff; ders in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31 RdNr 13 f; Burkiczak, Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV, SGb 2012, 324 ff; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31 RdNr 7; Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584 ff; ders in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, K § 31 SGB II RdNr 2; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, 2. Aufl, Stand: März 2015, § 31 RdNr 39; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Sanktionen im Arbeitsförderungsrecht: BVerfG Beschluss vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Zudem ist zu bedenken, dass es sich bei den sog "Sanktionen" grundrechtsdogmatisch nicht um einen Eingriff, sondern um eine abgesenkte Form der Leistungsgewährung handelt (vgl Berlit, info also 2013, 195 ff; Burkiczak, SGb 2012, 324 ff).

53

Eine andere Auslegung würde mittels des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums die Grundsicherung für Arbeitsuchende in Richtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen weiterentwickeln (vgl dazu zB Eicker-Wolf, Money for nothing? - Das bedingungslose Grundeinkommen, SF 2013, 172 ff; Opielka, Grundeinkommensversicherung, SF 2004, 114 ff); eine solche Entscheidung muss jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

54

Hat der Gesetzgeber von einer solchen Wertung abgesehen, darf er sich bei der Ausgestaltung der Leistungen nach dem SGB II vor diesem Hintergrund von der Erwartung leiten lassen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 SGB II) und demzufolge die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel womöglich ua durch zumutbare Erwerbsarbeit selbst erwirtschaften (ebenso Berlit, info also 2013, 195, 201 ff). Soweit der Gesetzgeber als Folge dessen negative Konsequenzen an die fehlende Bereitschaft knüpft, mit den für die Leistungsgewährung zuständigen Stellen (auch nur) in Gespräche über Möglichkeiten zur Überwindung von Erwerbslosigkeit einzutreten, ist ihm das verfassungsrechtlich jedenfalls solange nicht verwehrt, wie sichergestellt ist, dass den Betroffenen die auch in dieser Lage unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (vgl Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand: Dezember 2014, § 31 RdNr 15).

55

b) Dass diese Grenze nicht eingehalten ist, vermag der Senat jedenfalls vorliegend nicht zu erkennen.

56

Überschreitet die Minderung infolge mehrerer Meldeversäumnisse den Wert von 30 vH, hat das Jobcenter gemäß § 32 Abs 2 Satz 2 iVm § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und inwieweit in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind(vgl dazu Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31a RdNr 36 ff; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31a RdNr 40 ff). Soweit auf dieser Grundlage Sachleistungen erbracht werden, genügt das den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedenfalls grundsätzlich (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), ohne dass über Voraussetzungen und etwaige Grenzen eines solchen Ausgleichs im Einzelnen hier abschließend zu entscheiden wäre.

57

Erreicht die Minderung diesen Wert nicht, ist ausgehend von den in die Ermittlung des Regelbedarfs gemäß § 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz eingeflossenen Abteilungen der Verbrauchsausgaben zu beachten, dass nicht dem physischen Existenzminimum, sondern der sozialen Teilhabe zuzuordnen sind etwa die Abteilungen 7(Verkehr mit 22,78 Euro), 8 (Nachrichtenübermittlung mit 31,96 Euro), 9 (Freizeit usw mit 39,96 Euro) und 11 (Beherbergung ua 7,16 Euro). Zudem beziehen sich die Abteilungen 3 (Bekleidung, Schuhe mit 30,40 Euro) oder 5 (Innenausstattung usw mit 27,41 Euro) auf Bedarfe, die aktuell nicht jeden Monat anfallen, sondern von der sog Anschaffungsrücklage nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II umfasst sind(vgl Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 12 RdNr 34; Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 73). Die im Regelbedarf enthaltenen Beträge für soziokulturelle Bedarfe sind zwar - obwohl dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Grundrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, soweit es um Art und Umfang der Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 152; BVerfG Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 67) - keine freiverfügbare Ausgleichsmasse (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - NJW 2014, 3425, RdNr 117 f). Deshalb mag nicht auszuschließen sein, dass sich der Verweis auf Einsparungen in diesem Bereich in besonders gelagerten Fällen als verfassungsrechtlich bedenklich erweist. Eine solche Lage ist indes zumindest hier nicht erkennbar.

58

Dabei ist zunächst zu beachten, dass wegen Deckungslücken im Bereich einmaliger, nicht dauerhafter bzw laufender Bedarfe die Erbringung von Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II in Betracht kommt(vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 23 zur Vorläuferbestimmung; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R - RdNr 17). Soweit darüber hinaus weitere, von Verfassungs wegen nicht hinnehmbare Deckungslücken bestünden, müsste das nicht notwendig die Minderungsbestimmung des § 32 Abs 1 Satz 1 SGB II selbst betreffen. Zu fragen wäre aufgrund der gesetzlichen Konzeption von Minderungsregel und Ausgleichsmechanismus nach § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II vielmehr zuerst, ob der uneingeschränkte Ausschluss von Sachleistungen bei Minderungsbeträgen von bis zu 30 vH des Regelbedarfs ohne Ausnahme bei besonderen Härtefällen verfassungsrechtlich unbedenklich ist(vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 34 f). Zu einer solchen Prüfung besteht indes hier kein Anlass, weil weder erkennbar noch von der Klägerin im Rahmen einer Rüge vorgetragen worden ist, dass sie sich erfolglos um die Gewährung von Sachleistungen bemüht habe.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Arbeitgeber können für die nicht nur geringfügige Beschäftigung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die trotz vermittlerischer Unterstützung nach § 16 Absatz 1 Satz 1 unter Einbeziehung der übrigen Eingliederungsleistungen nach diesem Buch seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind, durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt gefördert werden, wenn sie mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von mindestens zwei Jahren begründen. Für die Berechnung der Dauer der Arbeitslosigkeit nach Satz 1 findet § 18 des Dritten Buches entsprechende Anwendung.

(2) Der Zuschuss nach Absatz 1 wird in den ersten beiden Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geleistet. Er beträgt im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses 75 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und im zweiten Jahr des Arbeitsverhältnisses 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts. Für das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt findet § 91 Absatz 1 des Dritten Buches mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass nur der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung zu berücksichtigen ist. § 22 Absatz 4 Satz 1 des Mindestlohngesetzes gilt nicht für Arbeitsverhältnisse, für die der Arbeitgeber einen Zuschuss nach Absatz 1 erhält.

(3) § 92 Absatz 1 des Dritten Buches findet entsprechende Anwendung. § 92 Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, Satz 2 und 3 des Dritten Buches ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass abweichend von § 92 Absatz 2 Satz 3 zweiter Halbsatz des Dritten Buches der für die letzten sechs Monate bewilligte Förderbetrag zurückzuzahlen ist.

(4) Während einer Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 soll eine erforderliche ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung durch die Agentur für Arbeit oder einen durch diese beauftragten Dritten erbracht werden. In den ersten sechs Monaten der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer in angemessenem Umfang für eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung nach Satz 1 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freizustellen.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides und eines damit in Zusammenhang stehenden Aufhebungsbescheides.

2

Die am 1986 geborene Klägerin stand seit Juni 2005 im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II (Alg II) bei der Beklagten. Für die Zeit von Januar bis April 2007 wurden ihr mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 Leistungen in Höhe von monatlich 401,52 Euro bewilligt. Am 13. Oktober 2006 schlossen Klägerin und Beklagte eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung. Inhalt der Vereinbarung war das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Rahmen des Projekts "Job for Junior" der D in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007. Die Klägerin verpflichtete sich ua, regelmäßig und zuverlässig an dem Projekt teilzunehmen. Die Vereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgendem Inhalt:

3

"Rechtsfolgenbelehrung:
Mir ist bekannt, dass ich nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwar eine Förderung beanspruchen kann, daneben aber in erster Linie selbst gefordert bin, konkrete Schritte zur Beseitigung meiner Hilfebedürftigkeit zu unternehmen. Ich bin verpflichtet, mich selbständig zu bemühen, meine Erwerbslosigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die dieses Ziel unterstützen.

Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. Die Leistung kann danach - auch mehrfach nacheinander oder überschneidend - gekürzt werden oder ganz entfallen.

Grundpflichten

1.   

Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern,

        

 eine Ihnen angebotene Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II abzuschließen,
 die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
 eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen
oder
 Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.

2.   

Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung.

3.   

Haben Sie das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird das Arbeitslosengeld II im Fall der in Punkt 1 genannten Pflichtverletzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) beschränkt. Diese sollen direkt an den Vermieter oder sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt werden.

Meldepflicht

4.   

Eine Verletzung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Trägers der Grundsicherung, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen.

5.   

Bei einer Verletzung der Meldepflicht wird das Arbeitslosengeld II um 10 % der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung.

6.   

Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Punkt 4 von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II um den Prozentsatz der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemindert, der sich aus der Summe des im vorliegenden Fall relevanten Prozentsatzes und des Prozentsatzes der vorangegangenen Absenkung ergibt.

Gemeinsame Vorschriften

7.   

Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zustellung des entsprechenden Bescheides über die Sanktionen. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können Absenkung und Wegfall der Regelleistung im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden.

8.   

Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II und der Wegfall des Zuschlags treten nicht ein, wenn Sie für die Pflichtverletzung einen wichtigen Grund nachweisen können.

9.   

Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30% können Ihnen ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.

Hinweis: Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften können Sie bei Ihrem Träger der Grundsicherung einsehen."

4

Die Klägerin nahm die ihr angebotene Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Projekts "Job for Junior" bei der D zunächst auf, kündigte aber gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 an, bis zur Klärung ihrer Urlaubsansprüche nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Daraufhin wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2007 darauf hin, dass sie auf Grund der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei, die ihr zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen. Weiter hieß es: "Eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste hier als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung Ihres Leistungsanspruchs führen."

5

Nachdem die Klägerin vom 8. Januar 2007 bis zum 15. Januar 2007 sowie vom 18. Januar bis zum 31. Januar 2007 bei der D unentschuldigt gefehlt hatte, beschränkte die Beklagte zum einen mit Bescheid vom 21. Februar 2007 unter Anrechnung ihres vorhandenen Einkommens und unter Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung das Alg II der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. Mai 2007 auf die Kosten der Unterkunft. Zum anderen bewilligte sie mit einem weiteren Bescheid vom 21. Februar 2007 unter Aufhebung der "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen insoweit" für die Monate März und April 2007 nur noch Leistungen in Höhe von 56,52 Euro. Die Widersprüche hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 18. und 19. Juni 2007 zurück.

6

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 14. April 2008). Die Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die Klägerin nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise über die Rechtsfolgen informiert habe, die aus der Weigerung folgten, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Verpflichtungen zu erfüllen. Eine solche Rechtsfolgenbelehrung müsse, um ihrer Warn- und Erziehungsfunktion zu genügen, konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und zutreffend sein. Abzustellen sei auf die zuletzt vor dem Eintritt der potentiellen Pflichtverletzung erteilte Rechtsfolgenbelehrung. Die Belehrung im Schreiben vom 4. Januar 2007 sei zwar einzelfallbezogen, weise aber insoweit nicht die erforderliche Eindeutigkeit auf, als weder der genaue Absenkungszeitraum, noch die Höhe der drohenden Leistungsabsenkung benannt worden sei. Die (frühere) Belehrung, die die Beklagte der Klägerin in der Eingliederungsvereinbarung erteilt habe, erschöpfe sich dagegen in einer abstrakten und formelhaften Wiedergabe des Gesetzeswortlauts.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 31 SGB II. Die im Zusammenhang mit der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung sei zwar pauschal, für die Klägerin jedoch nachvollziehbar gewesen.

8

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das SG hat zu Recht die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben.

12

1. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

13

a) Das SG hat die Sprungrevision gemäß § 161 Abs 1 Satz 1 SGG im Urteil zugelassen. Die Beklagte hat ihrer Revisionsschrift die Zustimmungserklärung der Klägerin in Kopie beigefügt. Dies reicht zur Wahrung der Anforderungen des § 161 Abs 1 Satz 3 SGG aus (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 1997 - 6 RKa 36/95 - SozR 3-1500 § 161 Nr 12 S 27; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 10a, 4a mwN).

14

b) Die Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Den Ausführungen kann noch entnommen werden, dass die Beklagte die Beurteilung der Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II durch das SG angreift. Da das prozessuale Ziel der Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils erkennbar ist, ist dem Erfordernis des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG hier in gerade noch ausreichender Weise Rechnung getragen, obwohl weder die Revisionsschrift noch die Revisionsbegründungsschrift einen förmlichen Antrag enthalten (vgl BSG, Urteil vom 4. Juli 1995 - 2 RU 33/94 - SozR 3-2200 § 571 Nr 3 S 8).

15

c) Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 2007 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. und 19. Juni 2007. Mit dem einen Bescheid hat die Beklagte die Leistungen der Klägerin wegen eines in § 31 SGB II geregelten Sanktionstatbestandes für die Monate März bis Mai 2007 auf die Leistungen für die Unterkunft beschränkt (Sanktionsbescheid), mit dem anderen hat sie die sich aus dieser Leistungsbeschränkung für die bestehenden Bewilligungsentscheidungen ergebenden Änderungen leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkrete Leistungshöhe festgesetzt (Änderungsbescheid).

16

2. Das SG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es kann offen bleiben, ob es bei der Absenkung des Alg II nach § 31 SGB II eines gesonderten Bescheides über die Feststellung der Sanktion bedarf oder ob der Erlass eines Aufhebungsbescheides ausreicht (so BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 14, 15). Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2006 nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz (SGB X) wegen der Verwirklichung eines Sanktionstatbestandes nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II liegen jedenfalls nicht vor. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, ist nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II nicht erfüllt waren. Sowohl der Sanktionsbescheid als auch der Änderungsbescheid sind rechtswidrig.

17

a) Der Bescheid über die Absenkung des Alg II wegen des Eintritts einer Sanktion ist rechtswidrig, weil es an einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 ) fehlt. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn entweder (Nr 1) der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (lit a), in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (lit b), eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen (lit c) oder zumutbare Arbeit nach § 16 Abs 3 Satz 2 auszuführen (lit d), oder (Nr 2) der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat. Dies gilt nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach § 31 Abs 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Alg II ua unter den in Abs 1 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 beschränkt. Die nach § 22 Abs 1 angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.

18

aa) Es kann offen bleiben, welche Anforderungen an die Eingliederungsvereinbarung und das Angebot einer Arbeitsgelegenheit zu stellen sind (vgl hierzu BSGE 102, 201, 209 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 31 ff). Ebenso kann dahinstehen, ob als Rechtsgrundlage für eine Sanktion hier die im Bescheid vom 21. Februar 2007 genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB II (Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen) oder die im Widerspruchsbescheid genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst c SGB II (Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit … oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen) in Betracht kommt. In beiden Fällen werden jedenfalls Verstöße gegen in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten erfasst (vgl Spellbrink in Kreikebohm/ Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht 2009, § 31 SGB II RdNr 13). Die Klägerin hat sich in der Eingliederungsvereinbarung zur regelmäßigen Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 SGB II ausdrücklich verpflichtet. Ob sie für ihr pflichtwidriges Verhalten einen wichtigen Grund iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB II hatte, ist hier ebenso wenig entscheidungserheblich wie das Verhältnis der Sanktionstatbestände des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b und c SGB II zueinander. Der Sanktionsbescheid ist jedenfalls ungeachtet der Pflichtverletzung deshalb rechtswidrig, weil der Klägerin keine Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den gesetzlichen Anforderungen genügt.

19

bb) Die in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Der 4. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass Rechtsfolgenbelehrungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II konkret, verständlich, richtig und vollständig sein müssen (BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22). Das entspricht der ganz überwiegend vertretenen Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juli 2009 - L 5 AS 131/08; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juni 2009 - L 5 AS 79/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2009 - L 19 B 68/09 AS) und in der Literatur (vgl Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 44; Berlit in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 68; A. Loose in Hohm, SGB II, Stand Januar 2010, § 31 RdNr 65; Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand Dezember 2009, § 31 RdNr 78; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand November 2009, § 31 RdNr 70; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 139; Lauterbach, NJ 2008, 241, 244; Spellbrink in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, aaO, § 31 RdNr 32). Auch der erkennende Senat schließt sich dem an. Zu fordern ist insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreicht (BSGE 102, 201, 211 = SozR, aaO, jeweils RdNr 36-37). Diese strengen Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen zu stellen (vgl BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22).

20

Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen (vgl BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 36-37; Spellbrink, aaO, RdNr 32 ff). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-Drucks 15/1516 S 61 ). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts.

21

(1) Die der Klägerin bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Rechtsfolgenbelehrung erfolgte zwar nicht lediglich mittels eines gesondert ausgehändigten Merkblatts, sondern war Bestandteil der Vereinbarung. Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung wurden jedoch nicht hinreichend konkret aufgezeigt. Die Belehrung erschöpfte sich vielmehr im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes. Damit nannte sie eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu den konkreten Pflichten der Klägerin aufwiesen. So hatte sich die Klägerin weder geweigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, noch bezog sie einen Zuschlag nach § 24 SGB II. Meldepflichten waren nicht Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung. Infolge der undifferenzierten Auflistung - fast - aller Sanktionstatbestände und einer Vielzahl der möglichen Rechtsfolgen war die Rechtsfolgenbelehrung nicht nur unübersichtlich, sondern in keiner Weise individualisiert. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid und in der Revisionsbegründung selbst eingeräumt, dass in der Rechtsfolgenbelehrung pauschaliert alle Möglichkeiten der Pflichtverletzungen sowie die daraus resultierenden Konsequenzen aufgeführt seien. Sie war damit nicht geeignet, der Klägerin in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus einem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeitsgelegenheit bei der D ergeben würden.

22

Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es gewesen, wenn die Beklagte darauf hingewiesen hätte, dass bei einem Verstoß gegen die in Punkt 2 der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Teilnahmepflicht ohne einen wichtigen Grund das Alg II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs 5 Satz 1 SGB II beschränkt wird und dass diese Leistungen im Regelfall an den Vermieter gezahlt werden. Der Benennung eines konkreten Betrages, um den die Leistung abgesenkt wird, hätte es entgegen der Auffassung des SG an dieser Stelle grundsätzlich noch nicht bedurft, zumal die Höhe der Regelleistung zweifelsfrei aus dem Bewilligungsbescheid zu ersehen ist und weitere Rechenschritte im Fall des § 31 Abs 5 Satz 1 SGB II nicht erforderlich sind. Erforderlich war aber weiter der Hinweis auf den Beginn und die Dauer der Leistungsbeschränkung sowie die mögliche Verkürzung des Zeitraums nach § 31 Abs 6 Satz 3 SGB II. Schließlich musste der Klägerin mitgeteilt werden, dass sie während der Leistungsbeschränkung keinen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfeleistungen haben würde, die Beklagte aber in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erbringen könnte, § 31 Abs 6 Satz 4 und Abs 3 Satz 6 SGB II.

23

Der Senat folgt der Rechtsprechung des 4. Senats auch darin, dass maßgeblich für eine hinreichende Belehrung nicht das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen ist, sondern dass es allein auf den objektiven Erklärungswert ankommt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 24). Entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten ist es daher unerheblich, ob gerade die Klägerin unter Zuhilfenahme der bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung abstrakt erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte erkennen können, dass ihr Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt und welche Rechtsfolgen diese Pflichtverletzung bezogen auf ihre Person auslöst. Die ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung ist in jedem Einzelfall zwingende Voraussetzung für die Absenkung des Alg II nach § 31 Abs 1 SGB II. Entsprechend dem formalen Ordnungscharakter der Rechtsfolgenbelehrung kommt es nicht auf das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen beim Leistungsberechtigten an, sondern nur auf das formell ordnungsgemäße Handeln der Behörde (BSGE 53, 13, 16 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 88 f).

24

(2) Auch im Schreiben vom 4. Januar 2007 findet sich keine diesen Anforderungen genügende Rechtsfolgenbelehrung. Zu diesem Zeitpunkt hätte noch nachträglich eine den Anforderungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erfolgen können, weil die Klägerin ihr zukünftiges pflichtwidriges Verhalten angekündigt hat und eine Belehrung zu diesem Zeitpunkt ihr noch die Möglichkeit gegeben hätte, ihr Verhalten danach einzurichten. Neben dem erneuten Hinweis auf ihre Pflicht, die zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen, enthält das Schreiben aber lediglich eine undifferenzierte Ankündigung einer Leistungskürzung. Bereits die Formulierung im Konjunktiv - eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung des Leistungsanspruchs führen - verweist die Rechtsfolge lediglich in den Bereich des Möglichen. Die Rechtsfolge wird darüber hinaus aber auch nicht so konkret benannt, wie das erforderlich gewesen wäre. Insbesondere wurde der Klägerin nicht konkret vor Augen geführt, in welchem Umfang eine Leistungsabsenkung erfolgen würde.

25

(3) Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass es auf eine etwaige mündliche Rechtsfolgenbelehrung vor Abschluss der Eingliederungsvereinbarung hier nicht ankommt. Zwar stimmt der Senat insofern mit der Rechtsprechung des 4. Senats überein, dass grundsätzlich auch eine mündliche Belehrung in Betracht kommt. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die mündliche Belehrung in engem zeitlichen Zusammenhang vor dem sanktionsbewehrten Verhalten erfolgt ist (vgl BSGE 102, 201, 210 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 35). Davon kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn eine - mündliche - Belehrung vor dem Beginn der Maßnahme erfolgt und das die Sanktion auslösende Verhalten drei Monate später eintritt.

26

b) Auch der Änderungsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2007, mit dem die Beklagte die in dem Sanktionsbescheid verfügte Absenkung leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkret verbleibende Leistung festgesetzt hat, ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Da die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II für die Absenkung des Alg II nicht vorgelegen haben und damit auch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, bestand kein Raum für eine vom Bescheid vom 13. Dezember 2006 abweichende Leistungsbewilligung.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheids für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2006 und die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für diesen Zeitraum.

2

Der im Jahre 1969 geborene Kläger arbeitete nach seinen eigenen Angaben zunächst als Fernsehredakteur. Er lebt mit seinem im Dezember 2003 geborenen Sohn in einem Haushalt. Seit 2005 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 29.3.2006 (Änderungsbescheid vom 7.4.2006) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2006, dabei für die Monate September und Oktober 2006 in Höhe von 966 Euro, wobei der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro (100 vH) monatlich bezog. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten überreichte dem Kläger am 6.7.2006 im Rahmen eines "ausführlichen Beratungsgesprächs" zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Zukunftswerkstatt K Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten hin antwortete der Kläger am 21.7.2006, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.

3

Der Beklagte erließ am 26.7.2006 einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengelds II (Alg II) gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1.9.2006 bis 30.11.2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1.9.2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben." Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die ihm am 6.7.2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Zukunftswerkstatt K trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen, indem er sich nicht beworben habe.

4

Mit Bescheid vom 1.11.2006 (Änderungsbescheid vom 24.11.2006) bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis April 2007. Ausweislich der Berechnungsbögen wurde dabei durch den Änderungsbescheid vom 24.11.2006 für den Monat November 2006 von einem Minderungsbetrag von 104 Euro ausgegangen. Bewilligt wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von 841,40 Euro.

5

Bereits am 17.8.2006 hatte der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 eingelegt. Diesen wies der Beklagte durch Bescheid vom 24.11.2006 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz eines zuvor geführten intensiven Gesprächs hinsichtlich der Bewerbungsstrategie und einer Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich nicht bei der Zukunftswerkstatt beworben. Er habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufnahme der angebotenen Tätigkeit verweigere. Einen wichtigen Grund hierfür habe er nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei angesichts seiner beruflichen Laufbahn auch angemessen und zumutbar gewesen. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Alg II um 30 % der maßgebenden Regelleistung seien daher erfüllt. Für den Kläger betrage die Regelleistung 345 Euro, woraus sich ein Absenkungsbetrag in Höhe von gerundet 104 Euro ergebe. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate September bis November 2006. Für diesen Zeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung teilweise aufzuheben gewesen.

6

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen. Es müsse aus dem Sanktionsbescheid von vornherein klar werden, in welcher Höhe eine Absenkung erfolgen werde. Der Umfang der Kürzung müsse deshalb konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen sein. Durch die Formulierung in dem Bescheid vom 26.7.2006 "30 % höchstens in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages und Absenkung von maximal 104,00 Euro monatlich" sei dem Kläger lediglich eine Obergrenze mitgeteilt worden. Es fehle an einem konkreten und unmissverständlichen Minderungsbetrag. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes könne auch nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, denn es handele sich hierbei nicht um einen Formmangel. Eine hinreichende Bestimmtheit sei vorliegend auch nicht durch andere Bescheide hergestellt worden. Allein aus der durch den Änderungsbescheid vom 21.8.2006 festgesetzten Änderung für den Monat Oktober 2006 habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, dass der Minderungsbetrag 104 Euro betrage. Es könne dahinstehen, inwieweit nicht die Wertung des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II für eine Unzumutbarkeit der angebotenen Vollzeittätigkeit spreche. Aus dieser Vorschrift folge, dass ein Hilfebedürftiger, der ein unter dreijähriges Kind betreue und erziehe, nicht zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet werden könne.

7

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Ausgangsbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls sei diese mangelnde Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren durch den Erlass des Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X geheilt worden. Des Weiteren liege auch ein Sachverhalt vor, der den Eintritt einer Sanktion zur Folge habe. Der Kläger sei durch den Vermittlungsvorschlag über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung ausreichend belehrt gewesen. Er habe sich auch geweigert, eine Arbeit aufzunehmen. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit für den Kläger unzumutbar gewesen wäre. Gemäß § 10 Abs 1 SGB II sei dem Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Auch der Umstand, dass der Kläger allein seinen damals noch nicht dreijährigen Sohn erzogen habe, führe nicht zur Unzumutbarkeit der angebotenen Stelle. Die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet habe, sei in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege sichergestellt sei. Vorliegend sei eine solche Gefährdung der Kindeserziehung nicht ersichtlich. Der Kläger selbst habe diesen Einwand erstmals im Klageverfahren vorgebracht. Dies überzeuge bereits deshalb nicht, weil der Kläger in seinen früheren Stellungnahmen und Widersprüchen besonders betont habe, wie sehr er sich um eine Arbeit bemühe, ohne seine angeblich eingeschränkte Vermittelbarkeit auch nur anzudeuten. Auch die vom Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung enthalte keinerlei einschränkende Bedingungen.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung der §§ 33, 41 SGB X und des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c, § 31 Abs 6, § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er geht zunächst mit dem SG davon aus, dass der Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 nicht hinreichend inhaltlich bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X gewesen sei. Die mangelnde Bestimmtheit des Sanktionsbescheids sei auch nicht durch andere oder spätere Bescheide geheilt worden. Er habe sich auch nicht geweigert, eine ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Er habe lediglich die Arbeitsangebote in seine Mappe gelegt und dort vergessen. Die angebotene Tätigkeit als voll ausgebildeter Erzieher sei ihm nicht zumutbar gewesen, zumal dieses Angebot seine Eingliederung nicht gefördert hätte. Zwar spreche das Vermittlungsangebot nur von einem Erzieher. Da dieser jedoch Andere anleiten habe sollen, habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um einen ausgebildeten Erzieher handeln sollte. Das LSG überspanne die Anforderungen an die Hilfebedürftigen, wenn es trotzdem verlange, dass er sich zunächst einmal auf die angebotene Stelle als Erzieher hätte bewerben müssen. Schließlich sei auch die Erziehung seines unter dreijährigen Kindes gefährdet gewesen. Das LSG habe an dieser Stelle den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, denn es sei die Betreuung seines Sohnes nur für maximal sechs Stunden täglich sichergestellt gewesen. Bei der angebotenen Stelle habe es sich zudem um eine Vollzeitstelle in K gehandelt. Von seinem Wohnort aus in R benötige er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eineinhalb Stunden für eine Fahrtstrecke bis nach K Darüber hinaus habe der Sanktionszeitraum auch nicht auf den November 2006 ausgedehnt werden dürfen, weil zum Zeitpunkt der Festsetzung des Sanktionszeitraums eine Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum noch nicht vorgelegen habe.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich bereits aus dem Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 hinreichend bestimmt die ausgesprochene Rechtsfolge ergebe.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Absenkung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 zu Recht erfolgt ist (hierzu unter 3.), bzw ob dem Kläger aus anderen Gründen für diesen Zeitraum höhere Leistungen zustanden (sodann unter 4.). Zu Recht hat das LSG allerdings entschieden, dass der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X aufzuheben war(siehe unter 2.).

13

1.a) Streitgegenstand sind die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006. Das BSG hat insofern bereits entschieden, dass ein Sanktionsereignis bzw ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann(BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 12). Ob dem Kläger für den streitigen Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 höhere als die abgesenkten Leistungen zustanden, kann nicht abschließend entschieden werden. Zum einen kann nicht beurteilt werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006) den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG insbesondere an das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung genügte (sogleich unter 3.). Zum anderen könnte selbst bei einer Rechtmäßigkeit der hier bislang ausschließlich geprüften Sanktionsbescheide die Revision des Klägers dennoch begründet sein, wenn ihm aus einem anderen Grund höhere Leistungen als die abgesenkten für den streitigen Zeitraum zustanden (siehe unter 4.).

14

b) Die Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs 1 SGG(hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - RdNr 12) richtet sich darauf, für den streitigen Zeitraum ungekürzte bzw nicht abgesenkte Leistungen zu erhalten. Hierbei ist hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wegen der vorherigen Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2006 zwischen diesen beiden Monaten einerseits und dem Monat November 2006 andererseits zu unterscheiden.

15

Hinsichtlich der Monate September und Oktober 2006 hatte der Beklagte dem Kläger mit den Bescheiden vom 29.3.2006 /Änderungsbescheid vom 7.4.2006 bereits Leistungen in Höhe von zuletzt 966 Euro monatlich bewilligt. Insofern zutreffend hat der Beklagte die vom Kläger ausschließlich angefochtenen Bescheide vom 26.7.2006 und 24.11.2006, mit denen er die bewilligte Leistung absenkte, auf § 48 SGB X gestützt. Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II vorgelegen haben.

16

Für den Zeitraum ab 1.11. bis 30.11.2006 hatte der Beklagte Leistungen lediglich unter Berücksichtigung einer um 104 Euro gekürzten Regelleistung bewilligt (Bescheid vom 1.11.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2006). Für den Monat November 2006 stehen dem Kläger die Leistungen ohne Kürzung eines Betrags von 104 Euro zu, wenn er dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 7, 19 SGB II für einen Anspruch auf Alg II erfüllt hat und die Regelleistung nicht nach § 31 Abs 1 SGB II abgesenkt ist. Damit der Kläger dieses Ziel erreichen kann, müssten (im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG) die Bescheide vom 1.11. bzw 24.11.2006 insofern geändert werden, was das SG unterlassen hat. Auch hierüber wird das LSG abschließend zu befinden haben.

17

Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im Urteil des LSG kann noch mit hinreichender Klarheit entnommen werden, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II erfüllt.

18

2. Entgegen der Rechtsansicht des SG war bereits der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Es kommt mithin nicht darauf an, ob dieser Bescheid noch durch den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006 "geheilt" worden ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass Sanktionsbescheide mit dem hier angefochtenen Inhalt den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs 1 SGB X genügen(vgl insbesondere Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 ff). Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwzN). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9). Nach diesen Maßstäben lässt sich hier die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides vom 26.7.2006 nicht feststellen. Zwar verfügte der Beklagte in diesem Bescheid, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 auf 30 % der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden. Damit hat der Beklagte zunächst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger ab dem 1.9.2006 Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Allerdings ist angesichts der teilweise umfangreichen Bewilligungsbescheide nicht in jedem Falle (so etwa, wenn Nebeneinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen ist) unschwer ersichtlich, um welchen Betrag das Alg II abgesenkt werden soll. Hier lag hingegen ein unproblematischer Fall vor, weil der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 100vH (damals 345 Euro) erhielt und sonst kein Nebeneinkommen vorlag. Insofern konnte der Kläger dem Verfügungssatz des Absenkungsbescheides unter Hinzuziehung seines Bewilligungsbescheids durch einfache Rechenoperation auch ohne weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Jedenfalls für den Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1.9.2006 erfolgen sollten. Schließlich machte der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 insofern auch deutlich, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide insoweit gemäß § 48 SGB X aufgehoben würden (vgl hierzu BSG Urteile vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 - und - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3). Da bereits der Ausgangsbescheid mithin nicht wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig war, kommt es auf die weitere Frage, ob eine eventuell fehlende Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren bzw durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X heilbar wäre, nicht mehr an.

19

3. Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 gemäß § 31 SGB II rechtmäßig war und damit gemäß § 48 Abs 1 SGB X die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 29.3.2006/7.4.2006 gemäß § 48 Abs 1 SGB X geändert werden bzw bei dem anschließenden Bewilligungszeitraum ab 1.11.2006 eine um 104 Euro gekürzte Regelleistung zu Grunde gelegt werden durfte (Bescheide vom 1.11.2006/24.11.2006).

20

Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II wird das Arbeitslosengeld unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die von ihm selbst aufgestellten Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II im vorliegenden Fall erfüllt wurden (vgl grundlegend Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5).

21

a) Es bestehen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass der Kläger sich geweigert hat, eine Arbeit anzunehmen. Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin auch durch konkludentes Verhalten verweigert werden (statt vieler Berlit in Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 35 mwN). Insofern zutreffend hat das LSG aus den Angaben des Klägers, er habe das Angebot schlichtweg vergessen, den Schluss gezogen, er habe die konkrete Arbeit nicht antreten bzw ausführen wollen.

22

b) Das LSG wird allerdings nach der Zurückverweisung der Sache nochmals darüber zu entscheiden haben, ob die Arbeit dem Kläger tatsächlich zumutbar iS des § 10 SGB II iVm § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II war. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist die Ausübung der Arbeit auch dann zumutbar, wenn die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes nicht gefährdet ist. Dies ist dann der Fall, soweit dessen Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Insofern ist rechtlicher Maßstab für die Zumutbarkeit einer Arbeit ausschließlich, ob die Erziehung eines Kindes tatsächlich iS des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sichergestellt ist. Mit der vom LSG angestellten Hilfserwägung, der Kläger habe erst im Klageverfahren auf die fehlende Sicherstellung der Betreuung seines Kindes hingewiesen, zuvor aber stets sein Bemühen um Erlangung einer Arbeitsstelle betont, kann das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung nicht nachgewiesen werden. Maßgeblich ist insofern ausschließlich die objektive Betreuungssituation, die von Amts wegen zu ermitteln ist (§ 20 SGB X iVm § 103 SGG). Eine Präklusion von Vorbringen, wovon das LSG offenbar ausgeht, ist insoweit nur in den engen Grenzen des § 106a SGG möglich, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Zumutbarkeit vorgetragen hat, eine Arbeitsstelle als Erzieher sei ihm als vormaligem Fernsehredakteur generell unzumutbar, verkennt er die Tragweite des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist.

23

c) Letztlich kann dies aber dahinstehen, solange nicht ausreichend festgestellt ist, welche Rechtsfolgenbelehrung dem Kläger wann überreicht worden ist. Das LSG hat insofern lediglich festgestellt: "Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit". Aufgrund dieser Feststellung gelangt das LSG zur Subsumtion: "Der Kläger ist über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung durch den Vermittlungsvorschlag ausreichend belehrt gewesen". Der erkennende Senat ist zu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung der rechtlichen Grundlagen dieser Wertung nicht in der Lage, zumal der Vermittlungsvorschlag auch nicht Gegenstand der in Bezug genommenen Akten ist. Auch in den Sanktionsbescheiden des Beklagten findet sich keine inhaltliche Beschreibung bzw Wiedergabe der dem Kläger am 6.7.2006 erteilten Rechtsfolgenbelehrung. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, welche Anforderungen das LSG seiner rechtlichen Würdigung der Rechtsfolgenbelehrung zugrunde gelegt hat. Es hätte festgestellt werden müssen, welchen konkreten Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte, die dem Kläger am 6.7.2006 ausgehändigt bzw mündlich übermittelt worden ist. Der Inhalt dieser Rechtsfolgenbelehrung ist auch nicht aus den Akten ersichtlich.

24

Der erkennende Senat hat hierzu im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 19) durch Urteil vom 18.2.2010 (B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 17 ff) im Einzelnen dargelegt, dass die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II voraussetzt, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an. Sämtliche in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Diese in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und in der sozialrechtlichen Literatur weitgehend geteilte Auffassung (vgl die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 19) ist insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich dabei an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen. Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf verweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen. Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG auch den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Dies leitet der Senat nicht zuletzt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ab, in der das BVerfG betont hat, dass das SGB II insgesamt der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums iS des Art 1 Abs 1 iVm Art 210 Abs 1 Grundgesetz (GG) diene. Entsprechende Feststellungen zum Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung und eine nachfolgende Subsumtion wird das LSG noch vorzunehmen haben.

25

d) Schließlich wird das LSG auch zu überprüfen haben, wann der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II treten Absenkungen und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Gemäß § 39 Abs 1 SGB X iVm § 37 Abs 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wurde. Nach § 37 Abs 2 SGB II gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Da der 26.7.2006 ein Mittwoch war, besteht zumindest Veranlassung zu überprüfen, ob der Bescheid nicht bereits im Juli 2006 bekannt gegeben wurde. Nach der zwingenden Rechtsfolge des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II hätten möglicherweise Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten müssen, der auf das Wirksamwerden folgte, was hier der August 2006 gewesen wäre. Da der Bescheid nach § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II für das Eintreten der Sanktion konstitutiv ist, könnte sich hieraus ergeben, dass jedenfalls die dann für den Monat August 2006 zwingend erforderliche Sanktion nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann, ggf könnte auch eine Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Sanktionszeitraums insgesamt zu erwägen sein.

26

4. Ergeben die Ermittlungen und weiteren rechtlichen Würdigungen des LSG, dass der Absenkungsbescheid vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006 rechtmäßig war und dass insofern das LSG auf die Berufung des Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen hat, so wird im Einzelnen noch zu prüfen sein, ob dem Kläger nicht aus anderen Gründen eine höhere Regelleistung zustand. Insofern wären sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19, 22 SGB II zu überprüfen und auch zu ermitteln, inwieweit die dem Kläger bewilligten Kosten der Unterkunft und ggf auch die Leistungen für den minderjährigen Sohn des Klägers richtig berechnet worden sind. Da der Kläger insofern gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat, ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen, ob der Kläger sein Klageziel - ungekürzte Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe - nicht auf andere Weise erreichen kann.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

I.

1

Das Vorlageverfahren betrifft die Minderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) aufgrund von Pflichtverletzungen der leistungsberechtigten Person. Zum 1. April 2011 wurden die zugrunde liegenden Vorschriften neu geordnet (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I S. 453) und zum 1. April 2012 geändert (Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl I S. 2854). § 31 SGB II regelt die Tatbestände von Pflichtverletzungen; § 31a SGB II enthält die leistungsmindernden Rechtsfolgen und § 31b SGB II deren Beginn und Dauer.

2

Tatbestandlich setzt eine Leistungsabsenkung nach § 31a SGB II voraus, dass die leistungsberechtigte Person eine Pflicht aus dem gesetzlichen Katalog des § 31 SGB II oder nach § 32 SGB II verletzt, sie zuvor über die Rechtsfolgen dieser Pflichtverletzung entweder schriftlich belehrt wurde oder sie Kenntnis dieser Rechtsfolgen hat (§ 31 Abs. 1 Satz 1 und § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II), und die leistungsberechtigte Person für die Pflichtverletzung keinen wichtigen Grund geltend machen kann (§ 31 Abs. 1 Satz 2 und § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Eine Pflichtverletzung liegt unter anderem in der Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), und in der Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II oder ein nach § 16e SGB II gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch eigenes Verhalten zu verhindern (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Was zumutbar ist, regelt § 10 SGB II.

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Rechtsfolge einer vorwerfbaren Pflichtverletzung ist eine prozentuale Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II, die sich bei mehreren Pflichtverstößen summiert. Der Auszahlungsanspruch mindert sich grundsätzlich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt (§ 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II), und grundsätzlich für den Zeitraum von drei Monaten (§ 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II). Bei wiederholter Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres nach einem Minderungszeitraum werden die Leistungen bei Leistungsberechtigten ab Vollendung des 25. Lebensjahres um 60 % gemindert (§ 31a Abs. 1 SGB II), bei weiteren Pflichtverletzungen in diesem Zeitraum entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig (§ 31a Abs. 1 Sätze 2 bis 5 SGB II). Im Falle der Minderung um mehr als 30 % können in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (§ 31a Abs. 3 SGB II).

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1. Im Ausgangsverfahren wendet sich der 1982 geborene Kläger gegen zwei Bescheide über Leistungsminderungen. Für die Zeiträume vom 1. März 2014 bis 31. August 2014 sowie vom 1. September 2014 bis 28. Februar 2015 wurden ihm Grundsicherungsleistungen bewilligt.

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Durch Bescheid vom 4. Juni 2014 minderte das Jobcenter als Beklagte für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. September 2014 das Arbeitslosengeld II um 30 % des maßgebenden Regelbedarfes (117,30 € monatlich) und hob die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 teilweise auf. Es habe dem Kläger ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis als Lager- und Transportarbeiter angeboten. Er habe verhindert, dass ein Beschäftigungsverhältnis zustande kam, obwohl er über die Rechtsfolgen einer solchen Pflichtverletzung schriftlich belehrt worden sei.

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Dagegen erhob der Kläger des Ausgangsverfahrens Widerspruch, den das Jobcenter mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 als unbegründet zurückwies. Anwendung finde § 31 Abs. 1 SGB II. Der Kläger habe sich geweigert, die angebotene Beschäftigung anzunehmen. Das Angebot als Lagermitarbeiter sei aufgrund der Ausbildung des Klägers im Bereich Lager/Logistik zumutbar gewesen. Vorrangiges Interesse an einem anderen Beschäftigungsverhältnis sei kein wichtiger Grund, eine Arbeitsaufnahme abzulehnen, denn ein solcher Grund müsse im Verhältnis zu den Interessen der Allgemeinheit besonderes Gewicht haben. Angesichts der Zumutbarkeitsregelungen des § 10 SGB II sei bei der Prüfung des wichtigen Grundes ein strenger Maßstab anzulegen. Der Kläger müsse alle Möglichkeiten ausschöpfen, um seine Hilfebedürftigkeit zu verringern und auch Tätigkeiten ausüben, die nicht seinen persönlichen Vorlieben entsprächen. Er sei mit Schreiben vom 25. Februar 2014 über die Folgen einer Pflichtverletzung belehrt worden.

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Mit einem weiteren Bescheid vom 19. September 2014 minderte das Jobcenter wegen wiederholter Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014 um monatlich 60 % des maßgeblichen Regelbedarfes und hob den Bewilligungsbescheid für diesen Zeitraum teilweise auf. Mit einer Eingliederungsvereinbarung sei durch Verwaltungsakt vom 21. Juli 2014 verfügt worden, dass der Kläger bei einem Arbeitgeber einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein einzulösen habe, um eine praktische Erprobung zu ermöglichen. Dem sei der Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen der Vereinbarung nicht nachgekommen. Wegen wiederholter Pflichtverletzung führe dies zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um monatlich 60 % des maßgeblichen Regelbedarfes. Der Bewilligungsbescheid für den Sanktionszeitraum wurde teilweise aufgehoben.

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Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2014 wiederum als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe sich ohne Grund geweigert, die im Verwaltungsakt festgelegten Pflichten zu erfüllen. Der Kläger müsse alles tun, um seine Hilfebedürftigkeit zu verringern. Er habe den Gutschein nicht eingelöst und somit innerhalb eines Jahres wiederholt Pflichten verletzt. Daher mindere sich das Arbeitslosengeld II um 60 % des Regelbedarfs. Auf Antrag könnten in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden, was hier nicht genutzt wurde.

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Mit Schriftsatz vom 13. November 2014 erhob der Kläger Anfechtungsklage gegen die Widerspruchsbescheide vom 15. Oktober 2014 und 23. Oktober 2014. § 31a SGB II sei verfassungswidrig. Der Rechtsstreit müsse ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eingeholt werden.

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2. Das Sozialgericht hat am 26. Mai 2015 aufgrund mündlicher Verhandlung beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht folgende Fragen zur Entscheidung vorzulegen:

"2.1. Ist § 31a i.V.m. § 31 und § 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011, gültig ab 01.04.2011, Bundesgesetzblatt I vom 13. Mai 2011 insoweit mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als sich das für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums maßgebliche Arbeitslosengeld II auf Grund von Pflichtverletzungen um 30 bzw. 60% des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs mindert bzw. bei weiteren Pflichtverletzungen vollständig entfällt?

2.2. Ist § 31a i.V.m. § 31 und § 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011, gültig ab 01.04.2011, Bundesgesetzblatt I vom 13. Mai 2011 insoweit mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar, als Sanktionen, wenn sie zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führen, gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verstoßen?

2.3. Ist § 31a i.V.m. § 31 und § 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011, gültig ab 01.04.2011, Bundesgesetzblatt I vom 13. Mai 2011 insoweit mit Art. 12 GG vereinbar, als Sanktionen gegen die Berufsfreiheit verstoßen?"

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Die Kammer sei überzeugt, dass § 31a in Verbindung mit § 31 und 31b SGB II verfassungswidrig seien, weil die Regelung gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art.12 Abs.1 sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße.

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Die Entscheidung über die Anfechtungsklage hänge von der Verfassungsmäßigkeit von § 31a in Verbindung mit § 31 und § 31b SGB II ab. Die zulässige Anfechtungsklage wäre in der Sache unbegründet, wenn die vorgelegten Regelungen verfassungskonform wären. Die angefochtenen Sanktionsbescheide seien dann rechtmäßig. Auf die streitgegenständlichen Widerspruchsbescheide, die den Sachverhalt jeweils im Wesentlichen vollständig und richtig darstellten, werde Bezug genommen; der Sachverhalt und die rechtliche Bewertung durch den Beklagten seien vom Kläger insoweit nicht bestritten worden.

II.

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Die Vorlage ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt.

14

1. Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Es muss zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft haben (vgl. BVerfGE 127, 335 <355>). Das vorlegende Gericht muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und umfassend darlegen (vgl. BVerfGE 88, 70 <74>; BVerfGK 14, 429 <432>). Zudem muss das vorlegende Gericht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erörtern (vgl. BVerfGE 85, 329 <333 f.>; 124, 251 <262>) und vertretbar begründen, dass sie diese nicht für möglich hält (BVerfGE 121, 108 <117> m.w.N.).

15

Das Gericht muss in der Begründung der Vorlage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG insbesondere hinreichend deutlich machen, dass und aus welchen Gründen es im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Normen zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 107, 59 <85>; stRspr). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich, die jedoch zumindest nachvollziehbar sein muss (vgl. BVerfGE 126, 77 <97>; 127, 224 <244>; 131, 1 <15>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13 -, juris, Rn. 41). Dazu gehört es, sich eingehend mit der einfachrechtlichen Rechtslage anhand der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen auseinanderzusetzen und zu unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten Stellung zu nehmen, soweit sie für die Entscheidungserheblichkeit maßgeblich sein können (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 105, 61 <67>; 121, 233 <238>; 124, 251 <260>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2014 - 2 BvL 25/09, 2 BvL 32 BvL 3/11 -, juris, Rn. 28 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Dezember 2015 - 1 BvL 4/11 - juris, Rn. 14). Desgleichen muss das vorlegende Gericht unter Ausschöpfung der ihm verfügbaren prozessualen Mittel auch alle tatsächlichen Umstände aufklären, die für die Vorlage Bedeutung erlangen können. Die ungeprüfte Übernahme von Parteivorbringen reicht dafür grundsätzlich nicht aus (vgl. BVerfGE 87, 341 <346>). Es bedarf vielmehr hinreichender Feststellungen, die seine fach- und verfassungsrechtliche Beurteilung tragen können (vgl. BVerfGE 37, 328 <333>; 48, 396 <400>; 86, 52 <57>; 86, 71 <78>; 88, 198 <201>). Das Bundesverfassungsgericht kann die fehlende Begründung der Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Entscheidungserheblichkeit der Vorlage nicht durch eigene Erwägungen ersetzen, denn diese Prüfung muss Aufgabe des sie verantwortenden Fachgerichts bleiben (vgl. BVerfGE 97, 49 <62>).

16

2. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nur zum Teil gerecht. Zwar wirft der Vorlagebeschluss durchaus gewichtige verfassungsrechtliche Fragen auf (a). Das vorlegende Gericht hat jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass diese hier auch entscheidungserheblich sind (b).

17

a) Zwar genügen die Darlegungen des Sozialgerichts zu seiner Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der §§ 31 ff. SGB II jedenfalls hinsichtlich Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG den Anforderungen. Das vorlegende Gericht hat sich mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsicherung (vgl. BVerfGE 125, 175; 132, 134; 137, 34 sowie BVerfGK 5, 237; 17, 375) ausführlich auseinandergesetzt. Dagegen spricht auch nicht, dass das vorlegende Gericht seine eigene Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit dahingehend zuspitzt, die §§ 31 ff. SGB II seien bereits verfassungswidrig, weil der Minderung kein veränderter Bedarf zugrunde liege und das Grundgesetz keine Selbsthilfeobliegenheit kenne. Das Gericht befasst sich daneben auch mit weiteren verfassungsrechtlichen Zweifeln sowie den seiner Ansicht entgegenstehenden Interpretationen der bisherigen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Auch setzt es sich mit den in Literatur und sozialgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Ansichten zur verfassungskonformen Auslegung der zur Prüfung vorgelegten Regelungen auseinander und verwirft diese vertretbar.

18

b) Es fehlt jedoch an einer hinreichenden Begründung, warum die Verfassungswidrigkeit der §§ 31 ff. SGB II in diesem Verfahren entscheidungserheblich sein soll. Dem Vorlagebeschluss ist nicht hinreichend nachvollziehbar zu entnehmen, ob die Rechtsfolgenbelehrungen zu den hier in Rede stehenden Sanktionsbescheiden den gesetzlichen Anforderungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II genügen, obwohl Ausführungen hierzu geboten sind. Fehlte es bereits an dieser Tatbestandsvoraussetzung für eine Sanktion, wären die angegriffenen Bescheide rechtswidrig und es käme auf die Verfassungsgemäßheit der ihnen zugrunde liegenden Normen entscheidungserheblich nicht mehr an.

19

aa) Hinsichtlich des ersten Sanktionsbescheids vom 4. Juni 2014 trifft das vorlegende Gericht keine eigenen Feststellungen zu einer der sanktionierten Pflichtverletzung vorausgegangenen Rechtsfolgenbelehrung, ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit. Das vorlegende Gericht gibt in der Darlegung des Sachverhalts lediglich im Konjunktiv die schlichte Feststellung des Jobcenters aus dem Widerspruchsbescheid wieder, der Kläger des Ausgangsverfahrens sei über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung mit dem Vermittlungsvorschlag vom 25. Februar 2014 belehrt worden, ohne dass der Widerspruchsbescheid seinerseits nähere Feststellungen zur Belehrung enthält. Die Entscheidungsgründe des Vorlagebeschlusses gehen auf das Erfordernis einer Rechtsfolgenbelehrung und deren inhaltliche Anforderungen ebenfalls nicht ein, sondern verweisen in ganz allgemeiner Weise zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a in Verbindung mit § 31 SGB II auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Weder anhand der Vorlage selbst noch anhand des in Bezug genommenen Widerspruchbescheides lässt sich feststellen, welchen Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte und ob sie den einfachrechtlichen Anforderungen genügt.

20

Das Sozialgericht durfte auch nicht etwa auf eigene Ausführungen verzichten, weil die Beteiligten die Frage der ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung nicht thematisieren. Wenngleich für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich ist, muss diese zumindest nachvollziehbar sein. Dies setzt ein Mindestmaß an Begründung voraus, dem die Vorlage nicht gerecht wird. Das gilt hier insbesondere, weil die fachgerichtliche Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Art und Weise der Rechtsfolgenbelehrung stellt. Die Belehrung muss - bezogen auf die Pflichtverletzung - konkret, richtig, vollständig und verständlich sein, und im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zeitnah und zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf den Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann; nicht hinreichend konkret ist eine Belehrung, wenn sie nur den Gesetzestext wiedergibt oder ohne Bezug zu den konkreten Pflichten der Betroffenen eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten nennt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 53/08 R -, BSGE 105, 297 <302 f. Rn. 20 f.> m.w.N.). Aus dem Vorlagebeschluss ist nicht zu entnehmen, ob das vorlegende Gericht diesen Anforderungen gefolgt ist oder etwa eigene Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Art und Weise der Rechtsfolgenbelehrung und ihr Inhalt für die verfassungsrechtliche Bewertung der Sanktionsvorschriften von Bedeutung sind, weil die Verhältnismäßigkeit einer Sanktion mit davon abhängen kann, in welchem Maße Betroffene darüber informiert sind, was aus ihrem Verhalten folgt.

21

bb) Dies gilt ebenso für den zweiten Sanktionsbescheid vom 19. September 2014. Es ist nicht erkennbar, ob dem damit sanktionierten Verstoß eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung vorausging. Insoweit hat das Sozialgericht zwar selbst ausdrücklich festgestellt, der Kläger sei über die "Rechtsfolgen der Vereinbarung" belehrt worden. Es geht jedoch nicht darauf ein, wann und in welcher Form mit welchem Inhalt dies geschehen sein soll. Dazu aber besteht Anlass. Richtigkeit und Verständlichkeit der laut Verwaltungsakte dem Eingliederungsverwaltungsakt beigefügten Belehrung können in Zweifel gezogen werden, da sie primär über die Minderung in Höhe von 30 % bei erstmaligem Verstoß informiert und auf die Folgen eines wiederholten Verstoßes nur "vorsorglich" hinweist. Daraus ergibt sich nicht, dass das Jobcenter zu diesem Zeitpunkt bereits von einem ersten sanktionierten Pflichtenverstoß ausging und nun ein Verstoß gegen die Pflichten im Eingliederungsverwaltungsakt (als wiederholte Pflichtverletzung) eine Absenkung der Leistungen in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs zur Folge hat. Darüber hinaus werden allgemein "mit Ihnen vereinbarte" Pflichten erwähnt, obwohl es sich um einseitig durch Verwaltungsakt auferlegte Pflichten handelt. Auch insoweit fehlen Ausführungen des Gerichts, die hinreichend nachvollziehbar erkennen lassen, dass die Rechtsfolgenbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

22

cc) Ausführungen zum Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung liegen auch nahe, weil die Fehleranfälligkeit von Rechtsfolgenbelehrungen der Fachöffentlichkeit bekannt ist. Darauf hat der Gesetzgeber im Jahr 2011 mit einer Ergänzung von § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II reagiert. Danach steht eine unzureichende oder fehlende Belehrung bei Kenntnis der Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung einer Sanktion nicht entgegen. Das vorlegende Gericht hat jedoch auch zu dieser Tatbestandsalternative keinerlei Ausführungen gemacht.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.