Bundessozialgericht Beschluss, 19. Juli 2018 - B 8 SO 6/18 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:190718BB8SO618B0
bei uns veröffentlicht am19.07.2018

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Erstattung von Kosten der Unterkunft für die Zeit der Inhaftierung des Klägers.

2

Der Kläger war in der Zeit vom 17.9.2015 bis zum 15.3.2016 zur Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft. Seinen Antrag auf Übernahme des Mietzinses zum Erhalt seiner Wohnung während seiner Abwesenheit lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 21.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.2.2016). Seine hiergegen gerichtete Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.6.2016). Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter, dem die Berufung übertragen worden war, die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgelehnt und einen Verlegungsantrag vor der mündlichen Verhandlung nicht beschieden. Einen Befangenheitsantrag des Klägers vom 8.8.2016 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) als unzulässig behandelt und mit dem abgelehnten Richter darüber im Rahmen seiner die Berufung des Klägers zurückweisenden Entscheidung befunden (Urteil des LSG vom 11.8.2016). Auf die gegen dieses Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat wegen der vom Kläger gerügten Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Beschluss vom 12.5.2017 - B 8 SO 69/16 B).

3

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das LSG - nach durchgeführter nichtöffentlicher Beweisaufnahme - unter Mitwirkung des abgelehnten Richters die Berufung des Klägers mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2017). Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten der Unterkunft während des Haftaufenthalts lägen nicht vor. Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden vom 8.8.2016 sei unzulässig.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 15.12.2017 wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er rügt eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts, weil sein Ablehnungsgesuch nicht unzulässig gewesen sei (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ; § 202 Sozialgerichtsgesetz iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung).

5

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.

6

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Diesen Anforderungen genügt das Vorbingen des Klägers zur Entziehung des gesetzlichen Richters gemäß Art 101 Abs 1 Satz 2 GG infolge Verstoßes gegen die Vorschriften zum Befangenheitsgesuch (§ 60 Abs 1 SGG, § 45 Abs 2 ZPO) nicht. Zur hinreichenden Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels hätte der Kläger - wofür auch Anlass bestanden hätte - schlüssig aufzeigen müssen, dass sich sein Befangenheitsgesuch durch sein eigenes Verhalten nicht erledigt bzw er sein Ablehnungsrecht nicht verloren hat. Hieran fehlt es.

7

Erfolgt die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht durch Zwischenentscheidung (dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f), sondern - wie hier - in den Urteilsgründen unter Mitwirkung des abgelehnten Richters, kann zwar ein Verfahrensfehler vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4; BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3). Der abgelehnte Richter darf über ein Ablehnungsgesuch nur selbst entscheiden, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig ist (vgl zB BVerfG vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771 f). Dies gilt jedoch nur, wenn das Ablehnungsrecht nicht nach § 60 SGG iVm § 43 ZPO verloren gegangen ist. Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in die Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG erledigt sich ein Ablehnungsgesuch nach § 60 Abs 1 SGG iVm §§ 43, 47 ZPO, wenn der Kläger einen Befangenheitsantrag gestellt, jedoch der zur mündlichen Verhandlung erschienene Prozessbevollmächtigte des Klägers sich in Kenntnis des Ablehnungsgesuchs in die Verhandlung eingelassen und ausschließlich Sachantrag gestellt hat(vgl BSG Beschluss vom 20.1.2016 - B 14 AS 193/15 B - juris RdNr 9 ff; anders aber BGH Beschluss vom 26.4.2016 - VIII ZB 47/15 - juris RdNr 14 ff).

8

Ausführungen hierzu fehlen. Gerade im wiedereröffneten Berufungsverfahren, in welchem Prozessbevollmächtigter und Kläger an einer durch den abgelehnten Richter geführten nichtöffentlichen Sitzung zur Beweisaufnahme und Erörterung des Sachverhalts teilgenommen und anschließend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) zugestimmt haben, hätte es aber der Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung bedurft. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der vom Kläger abgelehnte Richter an der Verfahrensweise, mit der der Kläger sein Ablehnungsgesuch sachlich begründet hatte (Ablehnung von PKH und eines Reisekostenvorschusses für den Besuch der mündlichen Verhandlung), nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens nicht festgehalten hat, er vielmehr PKH bewilligt und das persönliche Erscheinen zum Termin (§ 111 Abs 1 SGG) angeordnet hat. Daher zeigt auch der Verweis auf die fehlende dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters und auf einen Verstoß gegen § 47 ZPO einen Verfahrensfehler nicht schlüssig auf.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

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(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. (2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung b

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(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. (2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Verta

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(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 43 Verlust des Ablehnungsrechts


Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

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(1) Der Vorsitzende kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anordnen sowie Zeugen und Sachverständige laden. Auf die Folgen des Ausbleibens ist dabei hinzuweisen. (2) Die Ladung von Zeugen und Sachverständigen

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

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Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. August 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

2

Der 1961 geborene Kläger beantragte anlässlich der Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe die Übernahme der Kosten zum Erhalt seiner Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten für den Zeitraum vom 1.10.2015 bis 15.3.2016. Dies lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 21.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 22.1.2016). Die Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.6.2016).

3

Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter, dem die Berufung übertragen worden war (Beschluss vom 13.7.2016), Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11.8.2016 um 12.15 Uhr bestimmt. Die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung hat er abgelehnt (Beschlüsse vom 2. und 8.8.2016). Mit Schreiben vom 10.8.2016, beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) per Telefax am 11.8.2016, 8.56 Uhr eingegangen und mit dem Hinweis "Sofort dem Richter vorlegen" versehen, hat der Kläger mitgeteilt, dass er "hinsichtlich seiner akuten Erkrankung (massive Rückenprobleme) nicht zum heutigen Termin erscheinen werde". Ein ärztliches Attest werde zeitnah nachgereicht. Der "ständig fortlaufende Arzt", bei dem er in Behandlung sei, befinde sich derzeit im Urlaub; er müsse deshalb einen anderen Arzt aufsuchen. Es dürfe um Anberaumung eines Ersatztermins gebeten werden. Diesem Schreiben war die erste Seite eines Bescheids über die Feststellung eines Grades der Behinderung von 30 beigefügt. Um 11.01 Uhr desselben Tages übermittelte der Kläger sein Schreiben erneut per Telefax mit dem handschriftlichen Hinweis "Anlage ärztliches Attest". Aus dem beigefügten ärztlichen Attest vom 11.8.2016 ergibt sich, dass der Kläger in regelmäßiger ärztlicher Behandlung stehe und sich zu einer Untersuchung in der Praxis vorgestellt habe. Es werde ärztlicherseits bestätigt, dass er aus gesundheitlichen Gründen den heutigen Termin vor Gericht nicht wahrnehmen könne. Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem der Kläger nicht erschienen ist, hat das Gericht ausweislich des Protokolls auf die vom Kläger zugesandten Telefaxe vom 11.8.2016 Bezug genommen und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 11.8.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter anderem ausgeführt, dass dem Antrag auf Verlegung des Termins nicht habe stattgegeben werden müssen.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, indem es seinen Antrag auf Terminverlegung nicht vor Verhandlungsbeginn beschieden habe. Das Gericht entscheide grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung. Diesem Grundsatz komme im Berufungsverfahren besondere Bedeutung zu, wenn - wie vorliegend - erstinstanzlich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden worden sei. Eine entsprechende Entscheidung sei möglich und zumutbar gewesen. Sie sei auch nicht entbehrlich gewesen, denn er - der Kläger - habe einen Antrag auf Terminsaufhebung ausdrücklich gestellt und hierfür gesundheitliche Gründe angegeben. Sofern das LSG in der Urteilsbegründung darauf abgestellt habe, dass er seine Verhandlungsunfähigkeit bzw Reiseunfähigkeit nicht glaubhaft gemacht habe, weil das von ihm vorgelegte Attest von einem Facharzt für Innere Medizin stamme, er aber wegen massiver Rückenprobleme nicht an der Verhandlung habe teilnehmen können, vermöge dies nicht zu überzeugen. Er habe einen Facharzt für Orthopädie nicht kurzfristig aufsuchen können. Die Verhandlungsunfähigkeit habe ihn zudem unvermittelt getroffen.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde, die sich nach entsprechender Prozesserklärung des Klägers nur noch gegen den beklagten Landkreis richtet, ist zulässig; sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, § 62 Sozialgerichtsgesetz, Art 103 Grundgesetz ) den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( vgl nur BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 mwN; SozR 3-1750 § 227 Nr 1 mwN; BSG, Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R) erübrigen sich bei diesem Verfahrensmangel regelmäßig Ausführungen dazu, welches inhaltliche Vorbringen im Einzelnen in Folge der Ablehnung des Verlegungsantrags durch das LSG verhindert worden ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Gründe, die ausnahmsweise die Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensmangels der Verletzung des rechtlichen Gehörs für das angefochtene Urteil ausschließen konnten (dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 56; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16d mwN), sind nicht ersichtlich.

6

Der gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.8.2016 dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (§ 62 1. Halbsatz SGG, Art 103 Abs 1 GG).

7

Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der aufgezeigten Vorschriften gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung und Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben oder nicht, Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Bestandteil des Anspruchs der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs in der Form der mündlichen Verhandlung ist daher auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung. Über einen entsprechenden Antrag des verhinderten Beteiligten hat der Vorsitzende (oder das Gericht) zu entscheiden (§ 202 SGG iVm § 227 Abs 4 Zivilprozessordnung). Ein ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend gemachten Terminverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (BSG: Urteile vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1; vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - RdNr 16 und vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - RdNr 11; Beschlüsse vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - RdNr 7 und vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B - RdNr 8 ff). Entsprechende Anforderungen an die Verhaltensweise des Gerichts ergeben sich auch aus dem aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl hierzu etwa BSG, Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B; BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6).

8

Vorliegend stellt schon allein die Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 11.8.2016 um 12.15 Uhr eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, die das Verfahren in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft macht (vgl BSG, Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B). Über einen Terminverlegungsantrag muss auch dann noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung entschieden werden, wenn er erst am Tage der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht; anderes gilt nur dann, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen wäre, dass das Verlegungsgesuch den Richter noch erreichte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59; BSG, Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Antrag ist rechtzeitig - nämlich mehr als drei Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung - gestellt worden und war dem Gericht ausweislich des Sitzungsprotokolls auch tatsächlich bekannt. Zu dieser Zeit war seine Bescheidung noch möglich; der Kläger hätte über seinen dem Gericht bekannten Telefaxanschluss erreicht werden können.

9

Auch der Sache nach durfte das LSG den Antrag auf Terminverlegung nicht übergehen. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe waren in der konkreten Situation als erhebliche iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Der Kläger hat schriftsätzlich vorgetragen, infolge eingetretener Erkrankung nicht am Termin teilnehmen zu können und überdies zum Ausdruck gebracht, dennoch an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen. Ebenfalls noch rechtzeitig (nämlich mehr als eine Stunde vor der mündlichen Verhandlung; vgl dazu nochmals BSG, Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B) hat er überdies von sich aus ein ärztliches Attest mit der Bescheinigung fehlender Fähigkeit zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nachgereicht. Sein Vortrag, aufgrund seiner Erkrankung nicht zum Termin erscheinen zu können, ist damit insgesamt als schlüssig anzusehen. Dies gilt umso mehr, als eine Erkrankung als Verlegungsgrund nicht schon bei Antragstellung zwingend durch Attest glaubhaft zu machen ist; nach § 202 SGG iVm § 227 Abs 2 ZPO hat dies erst auf Verlangen des Vorsitzenden zu erfolgen(vgl BSG, Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - RdNr 8). Dass die vom Kläger vorgetragene Erkrankung auch eine chronische ist, schließt die vorgetragene akute Einschränkung nicht aus.

10

Strengere Voraussetzungen bei der Prüfung kurzfristig gestellter Terminverlegungsgesuche hat die höchstrichterliche Rechtsprechung stets auf die Fälle beschränkt, in denen der Kläger anwaltlich vertreten war (so auch im vom LSG zitierten Beschluss des BSG vom 27.5.2014 - B 4 AS 459/13 B). Ist dies nicht der Fall, ist das Gericht auch bei kurzfristig gestellten Anträgen zu einem Hinweis oder zur Aufforderung an den Betroffenen, seinen Vortrag zu ergänzen, oder zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl zuletzt BSG: Beschlüsse vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - SozR 4-1500 § 110 Nr 1 - RdNr 13; vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - RdNr 17 und vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - RdNr 5; ebenso BFH, Beschluss vom 19.8.2003 - IX B 36/03 - DStRE 2004, 540, 541). Andernfalls hat das Gericht dem Vertagungsantrag, auch wenn er kurz vor dem Termin gestellt worden ist, nachzukommen.

11

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, das Urteil des LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG wegen des festgestellten Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

12

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt T F, F, beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Umstritten ist in der Sache die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsakts nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). In dem Bescheid wurde ein Geltungszeitraum vom 13.6. bis zum 12.12.2012 genannt, in dem der Kläger "monatlich mindestens vier Bewerbungen" vorzunehmen habe. Die dagegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Berufung zum Hessischen Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger sein Begehren, den Eingliederungsverwaltungsakt als rechtswidrig aufzuheben, weiterverfolgt.

2

Mit Ladung vom 25.2.2015 wurde ein Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.5.2015 bestimmt. Mit am 19.5.2015 bei dem LSG eingegangenen Schriftsatz teilte der Klägervertreter mit, der Kläger wolle von seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör in einer mündlichen Verhandlung Gebrauch machen, dies sei aber am Freitag, den 22.5.2015 nicht möglich. Mit Schreiben vom 20.5.2015 wurde durch den Vertreter des Vorsitzenden mitgeteilt, dass es bei dem Verhandlungstermin vom 22.5.2015 verbleibe. Am selben Tage, nämlich am 20.5.2015, wies der Kläger in einem privatschriftlichen Schreiben, das um 23.09 Uhr beim LSG einging, auf seine verfahrensrechtlichen Grundrechte hin. Mit einem weiteren privatschriftlichen Schreiben vom 21.5.2015, das um 23.59 Uhr bei dem LSG per Telefax einging, lehnte der Kläger die Richter des zuständigen 7. Senats des Hessischen LSG, namentlich die Richter E, R und Prof. Dr. J. B wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da die Richter ihm sein grundrechtgleiches Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art 103 Grundgesetz (GG) verweigerten.

3

Am Terminstag hat der Vorsitzende des Senats des LSG die Sache aufgerufen und die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt, für den Kläger war sein Prozessbevollmächtigter erschienen. Der Vorsitzende hat die mündliche Verhandlung eröffnet und dem Prozessbevollmächtigten den Schriftsatz des Klägers vom 21.5.2015 zur Kenntnisnahme überreicht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat diesen Schriftsatz laut Protokoll ohne weitere Erklärung wieder zu den Gerichtsakten zurückgereicht. Der Sachverhalt wurde vorgetragen, die Beteiligten haben das Wort erhalten und der Sach- und Streitstand ist mit ihnen erörtert worden. Sodann sind die Anträge gestellt, vorgelesen und genehmigt worden.

4

In dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündeten Urteil hat das LSG ausgeführt, der Senat habe in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung eine Entscheidung treffen können, nachdem der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Ablehnungsantrag nicht erneuert und statt dessen in der Sache verhandelt und damit zu erkennen gegeben habe, dass er an seinem Ablehnungsgesuch nicht mehr festhalte. Unabhängig davon sei das vom Kläger selbst verfasste Ablehnungsgesuch auch als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig zurückzuweisen, worüber die abgelehnten Richter selbst hätten entscheiden dürfen. In der Sache hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 15.2.2013 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) und beantragt zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht in erster Linie Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz) geltend. Das LSG habe zum einen das rechtliche Gehör gemäß Art 103 GG und § 62 SGG im Hinblick auf die "Berücksichtigungs- und Erwägungspflicht" verletzt, weil es sich nicht mit seiner Rechtsansicht, das SGB II werde den Anforderungen des Art 19 Abs 1 Satz 2 GG nicht gerecht und sei bereits aus diesem Grunde grundgesetzwidrig, auseinandergesetzt habe. Weiterhin rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs im Hinblick darauf, dass die von ihm als befangen abgelehnten Richter E, R und Prof. Dr. J. B an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätten, ohne sich zuvor gemäß § 44 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) zu dem Antrag dienstlich zu äußern. Im Übrigen macht der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG)und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

6

II. Die Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen, weil die erhobenen Rügen zum Teil unbegründet und zum Teil unzulässig sind.

7

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordern diese Vorschriften, dass der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47, 58; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 177 ff mwN). Anderenfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.

8

1. Soweit der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) im Hinblick auf den Befangenheitsantrag rügt, ist die Beschwerde unbegründet.

9

Der Senat des LSG hat zu Recht in der geschäftsplanmäßigen Besetzung mit den Richtern E, R und Prof. Dr. J. B entschieden, obwohl der Kläger persönlich diese mit seinem Telefax, das um 23.59 Uhr am Tag vor der Sitzung beim LSG eingegangen ist, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Dieses Befangenheitsgesuch des Klägers hatte sich durch das Verhalten seines Rechtsanwalts erledigt, der sich in Kenntnis des Gesuchs in eine Verhandlung eingelassen und ausschließlich einen Sachantrag gestellt hat.

10

a) Aufgrund dieser Erledigung des Ablehnungsgesuchs kann eine Entscheidung über die weitere Begründung des LSG, das vom Kläger persönlich gestellte Ablehnungsgesuch sei rechtsmissbräuchlich und im Rahmen einer Selbstentscheidung der abgelehnten Richter als unzulässig zurückzuweisen, dahingestellt bleiben, auch wenn gegen diese Ausführungen Bedenken bestehen mögen, weil ein Selbstentscheidungsrecht der abgelehnten Richter nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur zulässig ist, wenn es sich um eine echte Formalentscheidung handelt oder ein offensichtlicher Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindert werden soll (BVerfG Kammerbeschluss vom 15.6.2015 - 1 BvR 1288/14 - juris RdNr 17).

11

b) Die Erledigung des Ablehnungsgesuchs des Klägers folgt aus § 60 Abs 1 SGG iVm §§ 43, 47 ZPO. Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Die Vorschrift ist ein gegenüber § 295 ZPO speziellerer Heilungstatbestand und trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Beteiligter nicht verpflichtet ist, ein Ablehnungsgesuch zu stellen, wenn ein aus seiner Sicht (ggf) bestehender Befangenheitsgrund vorliegt. Auf der anderen Seite soll der Beteiligte mit der Geltendmachung seines Grundes nicht bis zu der (für ihn ggf negativen) Entscheidung des Gerichts warten können (vgl nur Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 43 RdNr 8).

12

Nach § 47 Abs 1 ZPO hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub dulden. Der durch das erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004 (BGBl I 2198) eingeführte Abs 2 lautet: "Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen." Zweck dieser Regelung ist es, nur der Verzögerung dienenden Ablehnungsgesuchen vorzubeugen und eine Vertagung bei letztlich unbegründeter Ablehnung zu vermeiden (vgl Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drucks 15/1508 S 16).

13

Die übereinstimmenden, aber in sich widerstreitenden Ziele beider genannten Regelungen sind einerseits die Vermeidung von unnötigen Verfahrensverzögerungen zur Gewährleistung eines effektiven und zeitnahen Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 GG und andererseits die Garantie eines unparteilichen Richters nach Art 101 Abs 1 Satz 1 GG (siehe BVerfG Beschluss vom 15.6.2015, aaO - juris RdNr 14 f). Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den gesetzlichen Richter kann die Erledigung eines zuvor vom Kläger persönlich erhobenen Ablehnungsgesuchs aufgrund des nachfolgenden Verhaltens seines Rechtsanwalts nur in eng begrenzten Fallgestaltungen wie der vorliegenden angenommen werden.

14

Grundsätzlich muss über ein Befangenheitsgesuch, das vor einer Sitzung bei Gericht eingeht, vor Eintritt in die mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Vermeidung einer Terminsverlegung bei einem Ablehnungsgesuch, das kurze Zeit vor der mündlichen Verhandlung eingeht und nicht rechtsmissbräuchlich, formelhaft oder nicht begründet ist und eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters erfordert (§ 44 Abs 3 ZPO; vgl zu Ausnahmen Vollkommer, aaO, § 44 RdNr 4), zu der zumindest der ablehnenden Partei rechtliches Gehör zu gewähren ist (vgl Vollkommer, aaO, § 46 RdNr 3), ist oftmals praktisch nicht möglich. Zu erreichen ist die Vermeidung einer Terminsverlegung nur unter Einbeziehung des Umstands, dass die Beteiligten zur Durchführung der mündlichen Verhandlung am Sitz des Gerichts erschienen sind und ihnen die entsprechenden Schreiben ausgehändigt werden.

15

Angesichts dessen kann es nicht beanstandet werden, dass der Vorsitzende des Senats des LSG zur Vermeidung der sonst wohl notwendigen Terminsverlegung die Sache aufgerufen und dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers das Telefax seines Mandanten aus der Nacht zuvor mit dem Ablehnungsgesuch ausgehändigt und damit zur Kenntnis gebracht hat. Erst nach Rückgabe des Telefaxes seitens des Rechtsanwalts an das Gericht ist, wie sich aus der Niederschrift über die Sitzung des Senats des LSG ergibt, dieses in die mündliche Verhandlung mit dem Vortrag des Sachverhalts und der Erörterung des Sach- und Streitstands eingetreten, die schließlich zur Stellung von Sachanträgen seitens der Beteiligten führte. Der Rechtsanwalt des Klägers hat demgemäß in Kenntnis des Ablehnungsgesuchs und des darin geltend gemachten Grundes zur Sache verhandelt, was nicht zwingend gewesen wäre. Indem er es aber getan hat, muss sich der Kläger die Erledigung seines Ablehnungsgesuchs entgegenhalten lassen. Seitens des LSG ist kein inkorrektes Verhalten feststellbar, das dem Kläger sein Ablehnungsrecht beschneiden will, sondern das Bemühen, den Rechtsstreit im Hinblick auf die erfolgte Terminierung an diesem Tag und in Wahrung der Rechte der Beteiligten einschließlich des rechtlichen Gehörs des anwaltlich vertretenen Klägers ohne Verfahrensverzögerung zu Ende zu führen.

16

2. Soweit der Kläger eine Gehörsverletzung wegen einer mangelnden Befassung des LSG mit seiner - des Klägers - Rechtsansicht rügt, das SGB II werde als grundrechtseinschränkendes Gesetz den sich aus Art 19 Abs 1 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen an das Zitiergebot nicht gerecht und sei bereits aus diesem Grunde grundgesetzwidrig, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ausreichend dargelegt.

17

Aus dem Vortrag des Klägers selbst ergibt sich, dass er seine Rechtsansicht in verschiedenen Schriftsätzen verdeutlicht hat, er sich also ausreichend äußern konnte. Soweit der Kläger diesbezüglich beanstandet, das Gericht habe seine Ausführungen nicht in Erwägung gezogen, hat er sich nicht mit der Rechtsprechung des BVerfG auseinandergesetzt, wonach das Gericht sich nicht mit jedem Vorbringen oder jeder Rechtsauffassung befassen muss. Es braucht vielmehr nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen einzugehen und darf dabei auch rechtliche Ausführungen unerwähnt lassen, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich sind (vgl BVerfGE 69, 141, 144; 79, 51, 61; 96, 205, 216).

18

3. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrunds der Divergenz sind ebenfalls nicht ausreichend dargelegt, insofern ist die Beschwerde bereits unzulässig (§ 160a Abs 2 und Abs 4 Satz 1 Halbs 2 SGG).

19

Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht(BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen und andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 196 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 29).

20

Es fehlt vorliegend bereits an der Herausarbeitung eines Rechtssatzes, dem das LSG widersprochen haben soll. Der Kläger hat ausgeführt, das BSG habe in seinem Urteil vom 26.10.1989 (9 RV 7/89 - SozR 3100 § 81c Nr 1) die Auffassung vertreten, dass für die Teilrechtswidrigkeit § 40 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch heranzuziehen sei. Dagegen führe das LSG in seinem Urteil vom 22.5.2015 auf Seite 6 aus, soweit der Kläger rüge, der Eingliederungsverwaltungsakt enthalte nur pauschal Rechtsfolgenbelehrungen, verkenne er, dass eine nicht ausreichende oder nicht hinreichend konkrete Rechtsfolgenbelehrung allenfalls Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit eines nachfolgenden Sanktionsbescheids haben könne, nicht jedoch die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts selbst berühre. Insoweit bleibt offen, inwiefern das LSG sich bei der Beurteilung des vorliegenden konkreten Sachverhalts ausdrücklich von der zitierten Entscheidung des BSG abgewandt haben und welche sich widersprechenden Maßstäbe es damit aufgestellt haben soll.

21

Soweit der Kläger weiterhin Divergenz in Bezug auf die Frage der Geltungsdauer eines Eingliederungsverwaltungsakts geltend macht, fehlt es an der genauen Bezeichnung eines Rechtssatzes in dem in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 14.2.2013 (B 14 AS 195/11 R - BSGE 113, 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr 2) und die wiederum mangelnde Bezeichnung eines Rechtssatzes in dem Urteil des LSG. Dieses hat in seinem Urteil lediglich auf Seite 17 Ausführungen zum Geltungsbeginn gemacht, zur Geltungsdauer dagegen nicht Stellung genommen.

22

4. Die Beschwerdebegründung des Klägers wird auch den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht gerecht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen erwarten lässt(vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 63 ff).

23

Der Kläger hat folgende Rechtsfragen formuliert:
1. "Ob das SGB II im Hinblick auf die Einschränkung von Grundrechten mit dem Grundgesetz vereinbar ist, insbesondere, ob durch dieses das Zitiergebot des Art 19 Abs 1 Satz 2 GG gewahrt wird."
2. "Ob ein erwerbsfähiger Arbeitslosengeld II-Bezieher im Rahmen von Eingliederungsvereinbarung oder Eingliederungsverwaltungsakt dazu verpflichtet werden kann, einerseits Bewerbungsbemühungen zu entfalten und andererseits an einer Arbeitsgelegenheit teilzunehmen."

24

Zu der ersten Frage hat der Kläger zwar eine Reihe von Gerichtsentscheidungen zitiert, aber nicht dargelegt, dass die von ihm vertretene Rechtsauffassung, das SGB II sei im Hinblick auf die Einschränkung von Grundrechten mit dem Grundgesetz unvereinbar, in Rechtsprechung und Literatur ernsthaft vertreten wird. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit des SGB II reicht für die Begründung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht aus, vielmehr hätte unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden müssen (s Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 132 ff mwN).

25

Bezüglich der zweiten Rechtsfrage fehlt es an der Darlegung der grundsätzlichen Klärungsfähigkeit angesichts der zur Beantwortung der Frage notwendigen Einzelfallprüfung sowohl hinsichtlich des Umfangs der Bewerbungsbemühungen als auch der Art und des Umfangs der Arbeitsgelegenheit.

26

5. PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO ist dem Kläger nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Da der Kläger keinen Anspruch auf PKH hat, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO)abzulehnen.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 47/15
vom
26. April 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Verlust des Ablehnungsrechts tritt nicht dadurch ein, dass sich eine Partei nach
Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit auf die weitere Verhandlung
einlässt.
BGH, Beschluss vom 26. April 2016 - VIII ZB 47/15 - LG Kleve
AG Kleve
ECLI:DE:BGH:2016:260416BVIIIZB47.15.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 22. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.665 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger erwarb von der Beklagten eine gebrauchte Pulverbeschichtungsanlage zum Preis von 2.618 €, die er noch vor Erhalt an die Firma D. für 4.165 € weiterverkaufte,die hierauf zunächst 1.500 € anzahlte. Nachdem der Kläger seinerseits den von ihm geschuldeten Kaufpreis an die Beklagte entrichtet hatte, erhielt die Firma D. von der Beklagten die Anlage und übergab an einen Mitarbeiter der Beklagten 2.665 € in bar.
2
Mit seiner Klage begehrt der Kläger diesen Betrag als "Schadensersatz" von der Beklagten. Nach einem der Beklagten vorgerichtlich übersandten Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der auch der Klage als Anlage beigefügt war, habe diese den Kaufpreis für die Anlage zweimal erhalten und sich "in Höhe des Betrages von 2.665 € (…) zu Unrecht bereichert", weswegen der Kläger "aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung" Zahlung von 2.665 € verlange. Die Beklagte hat die Forderung mit der Begründung abgelehnt, sie befürchte Rückforderungsansprüche der Firma D. . Sollte der Kläger aber einen Nachweis der Firma D. beibringen, wonach er zur Geltendmachung der Forderung berechtigt sei, werde die Beklagte den erhaltenen Betrag an ihn herausgeben.
3
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht darauf hingewiesen , dass es die Klage mit der vom Kläger vorgetragenen Begründung für unschlüssig halte. Eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung sei nicht ersichtlich, da sich die Maschine absprachegemäß im Besitz der Firma D. befinde. Falls der Kläger sich allerdings den Vortrag der Beklagten (hilfsweise) zu Eigen mache und überdies die Zahlung der Firma D. an die Beklagte nach § 185 BGB genehmige, ergäbe sich der Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB. In diesem Fall bestehe für die Beklagte auch keine Gefahr, danach erneut - und damit doppelt - von der Firma D. in Anspruch genommen zu werden.
4
Daraufhin hat die Beklagte den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Durch den Hinweis habe das Gericht dem Kläger "einen Tipp gegeben", wie er die bisher unschlüssige Klage schlüssig machen könne.
5
Anschließend haben beide Parteien zu Protokoll erklärt, mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden zu sein. Das Amtsgericht hat daraufhin den Beschluss verkündet, dass zunächst die Entscheidung über den Befangenheitsantrag abgewartet werden solle.
6
Das Amtsgericht hat das Ablehnungsgesuch als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtbeschwerde erstrebt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und verfolgt ihr Befangenheitsgesuch weiter.

II.

7
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Landgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat das Beschwerdegericht das Ablehnungsgesuch rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt , im Ergebnis jedoch richtig entschieden (§ 577 Abs. 3 ZPO), weil der Ablehnungsantrag unbegründet ist.
8
1. Das Beschwerdegericht hat das Ablehnungsgesuch der Beklagten bereits als unzulässig angesehen. Die Beklagte habe ihr Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO verloren, weil sie einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt habe, nachdem sie ihr Ablehnungsgesuch angebracht gehabt habe. Das Ablehnungsrecht entfalle grundsätzlich auch dann, wenn sich eine Partei nach Anbringen des Gesuchs der weiteren Verhandlung nicht verweigere. Entscheidend sei bei § 43 ZPO, dass ein Einverständnis der Partei mit der Person des Richters unwiderleglich vermutet werde, wenn sie sich in Kenntnis des Ablehnungsgrundes auf die Verhandlung einlasse. Die Beklagte habe nach Anbringen ihres Ablehnungsgesuchs im Sinne des § 43 ZPO weiterverhandelt, indem sie einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt habe. Die Einverständniserklärung nach § 128 Abs. 2 ZPO sei eine Antragstellung im Sinne von § 43 ZPO, weil sie die Grundlage dafür schaffe, dass das Gericht den Rechtsstreit ohne weitere mündliche Verhandlung entscheide. Die Beklagte hätte ihr Ablehnungsrecht nur ausnahmsweise dann nicht verloren, wenn der abgelehnte Richter sie zum Weiterverhandeln in unzulässiger Weise gezwungen hätte, etwa durch die Drohung, ein Versäumnisurteil zu erlassen. Ein derartiger Ausnahmefall liege aber nicht vor. Die vom Amtsgericht noch durchgeführten Handlungen seien durch § 47 Abs. 2 ZPO gestattet, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen vorlägen. Die Beklagte führe sogar selbst aus, der Richter habe erklärt, nach Anbringen des Befangenheitsgesuches dürfe nicht weiterverhandelt werden.
9
2. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts hält rechtlicher Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
10
a) Das Ablehnungsgesuch ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Beklagte nicht nach § 43 ZPO gehindert, ihr Ablehnungsgesuch auf den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweis des Richters zu stützen.
11
aa) Die Frage, ob eine Prozesspartei ein Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO verliert, wenn sie sich auf eine mündliche Verhandlung einlässt oder Anträge stellt, nachdem sie ein den Anforderungen des § 44 ZPO entsprechendes Ablehnungsgesuch angebracht hat, ist umstritten.
12
Nach einem Teil der Rechtsprechung und Literatur entfällt das Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO grundsätzlich auch dann, wenn sich eine Partei nach Anbringen des Gesuchs der weiteren Verhandlung nicht verweigert (OLG München, MDR 1954, 552; OLG Düsseldorf, OLGR 2001, 373; Münch- KommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 43 Rn. 7; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 43 Rn. 3). Es sei nicht einzusehen, dass der Verlust des Ablehnungsrechts nur deshalb nicht eintreten solle, weil ein Ablehnungsgesuch schon angebracht worden sei. § 43 ZPO stelle die unwiderlegliche Vermutung auf, dass die Partei, die sich trotz bekannten Ablehnungsgrundes auf die Verhandlung einlasse, mit der Person des Richters einverstanden sei. Die Norm wolle verhindern, dass das Gericht weitere prozessuale Arbeit vornehme, die im Fall der erfolgreichen Ablehnung nutzlos werde. Eine Ausnahme sei nur in Fällen zuzulassen, in denen sich eine Partei gezwungen sehe, weiter zu verhandeln, um prozessuale Nachteile zu verhindern (OLG Düsseldorf, aaO).
13
Die Gegenansicht hält es demgegenüber grundsätzlich für unschädlich, wenn sich eine Partei auf eine mündliche Verhandlung einlässt, nachdem sie den Befangenheitsgrund durch die Anbringung eines entsprechenden Antrags geltend gemacht hat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - 8 W 52/15, juris Rn. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 43 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 43 Rn. 13; Prütting/Gehrlein/ Mannebeck, ZPO, 7. Aufl., § 43 Rn. 6; Vossler, MDR 2007, 992, 993). Zur Begründung wird vor allem auf den Wortlaut und den Regelungsgehalt des § 43 ZPO verwiesen.
14
bb) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. Ein Verlust des Ablehnungsrechts tritt nicht ein, wenn sich die Partei nach Ablehnung des Richters auf die weitere Verhandlung einlässt. Dies entspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Zweck des § 43 ZPO und berücksichtigt insbesondere auch den Regelungsgehalt des im Rahmen des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198 - 1. Justizmodernisierungsgesetz) geschaffenen § 47 Abs. 2 ZPO.
15
(1) Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Gesetzeswortlaut regelt ausdrücklich nur den Fall, in dem die Partei trotz Kenntnis des Ablehnungsgrundes - zunächst - darauf verzichtet, diesen geltend zu machen und sich auf die weitere Verhandlung einlässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 - XII ZR 94/03, BGHZ 165, 223, 226; Beschlüsse vom 24. April 2013 - RiZ 4/12, juris Rn. 18; vom 5. Februar 2008 - VIII ZB 56/07, NJW-RR 2008, 800 Rn. 5).
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(2) Dies entspricht dem Zweck der Norm, eine Partei, die an der Unbefangenheit des Richters zweifelt, anzuhalten, dies alsbald kund zu tun; dadurch soll ihr unter anderem die Möglichkeit genommen werden, einen Rechtsstreit willkürlich zu verzögern und bereits geleistete prozessuale Arbeit nutzlos zu machen (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2008 - VIII ZB 56/07, aaO; vom 1. Juni 2006 - V ZB 193/05, NJW 2006, 2776, Rn. 13 mwN). Soweit das Beschwerdegericht und die erstgenannte Ansicht diesen Gedanken fruchtbar machen wollen, um den Anwendungsbereich der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch auf Fälle zu erstrecken, in denen die Partei nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs weiterverhandelt, sich mithin der weiteren Verhandlung nicht verweigert, ist dies nicht überzeugend. Dem Gericht ist es nach Anbringung eines Ablehnungsgesuches ohne weiteres möglich, den Termin zu beenden , um nicht Arbeit auf die Sache zu verwenden, die sich später als überflüssig herausstellen könnte, wenn das Gesuch Erfolg haben sollte. Zwar eröffnet § 47 Abs. 2 ZPO dem Gericht die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen den Termin auch nach einem Ablehnungsgesuch fortzusetzen, wenn ansonsten eine Vertagung der Verhandlung erforderlich würde. Im Unterschied zu der durch § 43 ZPO geregelten Situation, in der die Partei den Ablehnungsgrund zunächst nicht geltend macht, ist sich der Richter hier aber der Tatsache be- wusst, dass gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 ZPO der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung wiederholt werden muss, falls die Ablehnung für begründet erklärt wird. Insofern gebieten es auch die Gedanken der Rechtssicherheit und Prozessökonomie, die in der Regelung des § 43 ZPO zum Ausdruck kommen, nicht, die Norm über ihren Wortlaut hinaus anzuwenden. Insbesondere ist es auch nicht Aufgabe des § 43 ZPO, jedwede Gefahr überflüssiger richterlicher Arbeit im Zusammenhang mit Ablehnungsgesuchen auszuschließen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 - XII ZB 377/12, NJW-RR 2014, 382, Rn. 21).
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(3) Dass ein Verlust des Ablehnungsrechts nicht eintritt, wenn sich die Partei nach Ablehnung des Richters in eine weitere Verhandlung einlässt, steht überdies im Einklang mit der gesetzgeberischen Intention bei der Neufassung des § 47 ZPO im Rahmen des 1. Justizmodernisierungsgesetzes. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der Termin trotz des grundsätzlichen Handlungsverbotes nach § 47 Abs. 1 ZPO unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden, wenn ein Richter während der Verhandlung abgelehnt wurde und die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern würde. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen (§ 47 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
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Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1508, S. 16) überträgt diese Vorschrift den Rechtsgedanken des § 29 Abs. 2 StPO in die Zivilprozessordnung , um einen Verzögerungseffekt (rechtsmissbräuchlicher) Ablehnungsgesuche zu vermeiden. Durch diese Norm sieht das Gesetz nun eine umfängliche Einschränkung der Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO vor, so dass es sich - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht länger nur um besondere Ausnahmesituationen handelt, in denen sich eine Partei zur Vermei- dung prozessualer Nachteile gezwungen sehen kann, nach einem Ablehnungsgesuch an der Verhandlung weiter teilzunehmen.
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Vielmehr kann es der Partei, die bereits einen Ablehnungsantrag gestellt hat, nicht zugemutet werden, sich einer Fortsetzung der Verhandlung zu verweigern , um den Verlust des Ablehnungsrechts nach § 43 ZPO zu verhindern - gleichzeitig durch ihre Verweigerung aber das Risiko einzugehen, am Prozess , der nach § 47 Abs. 2 ZPO wirksam fortgesetzt wird, nicht mehr mitgewirkt zu haben. Würde nämlich der Ablehnungsantrag vom Gericht zurückgewiesen, blieben die vorgenommenen Prozesshandlungen wirksam. Dieses Risiko wird auch nicht dadurch beseitigt, dass das Gericht - wie im vorliegenden Fall - nach Anbringung des Befangenheitsgesuchs ausdrücklich erklärt, es dürfe nun nicht mehr weiterverhandelt werden, um im Anschluss daran aber - letztlich widersprüchlich - das Einverständnis der Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu protokollieren.
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b) Das Ablehnungsgesuch ist allerdings unbegründet. Hierüber entscheidet der Senat selbst, weil weitere Feststellungen in der Sache nicht zu erwarten sind (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
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Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03, BGHZ 156, 269, 270; vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10; vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 Rn. 9; BVerfGE 88, 17, 23; jeweils mwN). Kriterium für die Unparteilichkeit des Richters ist die Gleichbehandlung der Parteien, so dass er sich der Ablehnung aussetzt, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, die Äquidistanz zu den Parteien aufgibt und sich zum Berater einer Seite macht (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03, aaO). Er muss vielmehr im Rahmen der materiellen Prozessleitung, zu der die in § 139 ZPO vorgesehenen Erörterungen, Fragen und Hinweise zählen (vgl. auch §§ 273, 278 Abs. 2 Satz 2, § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das Verfügungsrecht der Parteien über das Streitverhältnis und deren alleinige Befugnis zur Beibringung des Prozessstoffes respektieren (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03, aaO). Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers, wonach es auch nach der Neufassung des § 139 ZPO im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887 - Zivilprozessreformgesetz) weiterhin bei dem Grundsatz bleibt, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, durch Fragen oder Hinweise neue Anspruchsgrundlagen, Einreden oder Anträge einzuführen, die in dem streitigen Vorbringen der Parteien nicht zumindest andeutungsweise bereits eine Grundlage haben (BT-Drucks. 14/4722, S. 77).
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdebegründung hat sich das Amtsgericht mit seinem Hinweis in der mündlichen Verhandlung aber im Rahmen seiner materiellen Prozessleitungspflicht gehalten. Bereits der Kläger hatte sich in der Klageschrift auf ein beigefügtes vorgerichtliches Schreiben an die Beklagte bezogen, in dem sein Prozessbevollmächtigter ausführt, dass der Beklagte den Kaufpreis "zweimal erhalten" habe und deshalb aus ungerechtfer- tiger Bereicherung zur Auskehrung des Betrages von 2.665 € verpflichtet sei. Der - wenn auch in der Formulierung etwas ungeschickt wie ein "Rat" an den Kläger - abgefasste Hinweis des Amtsgerichts ("sei die Klage schlüssig, wenn der Kläger sich den Vortrag der Beklagen zu eigen mache und die Zahlung der Firma D. nach § 185 Abs. 2 BGB genehmige"), begründet deshalb bei verständiger Wertung auch aus der Sicht der Beklagten nicht die Besorgnis einer Voreingenommenheit des Richters zugunsten des Klägers. Abgesehen davon, dass in der Regel ohnehin davon auszugehen ist, dass sich eine Partei ihr günstiges Vorbringen des Gegners zumindest hilfsweise zu Eigen macht (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2011 - II ZR 215/09, juris Rn. 23; vom 17. Januar 1995 - X ZR 88/93, NJW-RR 1995, 684 unter 2 c bb (1); BVerfG, NJW-RR 2009, 1141, 1142), und dass darüber hinaus auch in der Erhebung der Klage möglicherweise schon eine stillschweigende Genehmigung nach § 185 Abs. 2 BGB liegen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2012 - IX ZR 213/11, NJW-RR 2012, 1129 Rn. 16; vom 15. Januar 2009 - IX ZR 237/07, NJW-RR 2009, 705 Rn. 8), zielte der Hinweis des Richters ersichtlich auf eine den Interessen beider Parteien gerecht werdende Lösung ab.
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Denn die Beklagte hatte ein endgültiges Behaltendürfen des Betrages gar nicht beansprucht, sondern lediglich seine Auskehrung an den Kläger mit der Begründung abgelehnt, sie befürchte Rückforderungsansprüche der Firma D. und somit eine doppelte Inanspruchnahme. Genau auf eine Beseitigung dieser Unsicherheit zielte der Hinweis des Amtsgerichts danach ab, nämlich dass die Klage im Falle einer Genehmigung des Klägers gemäß § 185 Abs. 2 BGB aus § 816 Abs. 2 BGB begründet sei und in diesem Fall die einer Auskehrung entgegenstehende Gefahr einer nochmaligen Inanspruchnahme des Beklagten durch die Firma D. nicht mehr bestehe. Die Notwendigkeit pro- zessualer Maßnahmen (etwa gemäß § 67 ZPO) hatten die anwaltlich vertretenen Parteien insoweit selbst zu beurteilen. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Kleve, Entscheidung vom 17.06.2015 - 30 C 17/15 -
LG Kleve, Entscheidung vom 22.07.2015 - 4 T 168/15 -

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Vorsitzende kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anordnen sowie Zeugen und Sachverständige laden. Auf die Folgen des Ausbleibens ist dabei hinzuweisen.

(2) Die Ladung von Zeugen und Sachverständigen ist den Beteiligten bei der Mitteilung des Termins zur mündlichen Verhandlung bekanntzugeben.

(3) Das Gericht kann einem Beteiligten, der keine natürliche Person ist, aufgeben, zur mündlichen Verhandlung oder zu einem Termin nach § 106 Absatz 3 Nummer 7 einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, der mit einem schriftlichen Nachweis über die Vertretungsbefugnis versehen und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichtet ist.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.