Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:120517BB8SO6916B0
12.05.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. August 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

2

Der 1961 geborene Kläger beantragte anlässlich der Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe die Übernahme der Kosten zum Erhalt seiner Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten für den Zeitraum vom 1.10.2015 bis 15.3.2016. Dies lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 21.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 22.1.2016). Die Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.6.2016).

3

Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter, dem die Berufung übertragen worden war (Beschluss vom 13.7.2016), Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11.8.2016 um 12.15 Uhr bestimmt. Die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung hat er abgelehnt (Beschlüsse vom 2. und 8.8.2016). Mit Schreiben vom 10.8.2016, beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) per Telefax am 11.8.2016, 8.56 Uhr eingegangen und mit dem Hinweis "Sofort dem Richter vorlegen" versehen, hat der Kläger mitgeteilt, dass er "hinsichtlich seiner akuten Erkrankung (massive Rückenprobleme) nicht zum heutigen Termin erscheinen werde". Ein ärztliches Attest werde zeitnah nachgereicht. Der "ständig fortlaufende Arzt", bei dem er in Behandlung sei, befinde sich derzeit im Urlaub; er müsse deshalb einen anderen Arzt aufsuchen. Es dürfe um Anberaumung eines Ersatztermins gebeten werden. Diesem Schreiben war die erste Seite eines Bescheids über die Feststellung eines Grades der Behinderung von 30 beigefügt. Um 11.01 Uhr desselben Tages übermittelte der Kläger sein Schreiben erneut per Telefax mit dem handschriftlichen Hinweis "Anlage ärztliches Attest". Aus dem beigefügten ärztlichen Attest vom 11.8.2016 ergibt sich, dass der Kläger in regelmäßiger ärztlicher Behandlung stehe und sich zu einer Untersuchung in der Praxis vorgestellt habe. Es werde ärztlicherseits bestätigt, dass er aus gesundheitlichen Gründen den heutigen Termin vor Gericht nicht wahrnehmen könne. Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem der Kläger nicht erschienen ist, hat das Gericht ausweislich des Protokolls auf die vom Kläger zugesandten Telefaxe vom 11.8.2016 Bezug genommen und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 11.8.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter anderem ausgeführt, dass dem Antrag auf Verlegung des Termins nicht habe stattgegeben werden müssen.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, indem es seinen Antrag auf Terminverlegung nicht vor Verhandlungsbeginn beschieden habe. Das Gericht entscheide grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung. Diesem Grundsatz komme im Berufungsverfahren besondere Bedeutung zu, wenn - wie vorliegend - erstinstanzlich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden worden sei. Eine entsprechende Entscheidung sei möglich und zumutbar gewesen. Sie sei auch nicht entbehrlich gewesen, denn er - der Kläger - habe einen Antrag auf Terminsaufhebung ausdrücklich gestellt und hierfür gesundheitliche Gründe angegeben. Sofern das LSG in der Urteilsbegründung darauf abgestellt habe, dass er seine Verhandlungsunfähigkeit bzw Reiseunfähigkeit nicht glaubhaft gemacht habe, weil das von ihm vorgelegte Attest von einem Facharzt für Innere Medizin stamme, er aber wegen massiver Rückenprobleme nicht an der Verhandlung habe teilnehmen können, vermöge dies nicht zu überzeugen. Er habe einen Facharzt für Orthopädie nicht kurzfristig aufsuchen können. Die Verhandlungsunfähigkeit habe ihn zudem unvermittelt getroffen.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde, die sich nach entsprechender Prozesserklärung des Klägers nur noch gegen den beklagten Landkreis richtet, ist zulässig; sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, § 62 Sozialgerichtsgesetz, Art 103 Grundgesetz ) den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( vgl nur BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 mwN; SozR 3-1750 § 227 Nr 1 mwN; BSG, Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R) erübrigen sich bei diesem Verfahrensmangel regelmäßig Ausführungen dazu, welches inhaltliche Vorbringen im Einzelnen in Folge der Ablehnung des Verlegungsantrags durch das LSG verhindert worden ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Gründe, die ausnahmsweise die Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensmangels der Verletzung des rechtlichen Gehörs für das angefochtene Urteil ausschließen konnten (dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 56; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16d mwN), sind nicht ersichtlich.

6

Der gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.8.2016 dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (§ 62 1. Halbsatz SGG, Art 103 Abs 1 GG).

7

Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der aufgezeigten Vorschriften gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung und Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben oder nicht, Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Bestandteil des Anspruchs der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs in der Form der mündlichen Verhandlung ist daher auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung. Über einen entsprechenden Antrag des verhinderten Beteiligten hat der Vorsitzende (oder das Gericht) zu entscheiden (§ 202 SGG iVm § 227 Abs 4 Zivilprozessordnung). Ein ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend gemachten Terminverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (BSG: Urteile vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1; vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - RdNr 16 und vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - RdNr 11; Beschlüsse vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - RdNr 7 und vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B - RdNr 8 ff). Entsprechende Anforderungen an die Verhaltensweise des Gerichts ergeben sich auch aus dem aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl hierzu etwa BSG, Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B; BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6).

8

Vorliegend stellt schon allein die Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 11.8.2016 um 12.15 Uhr eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, die das Verfahren in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft macht (vgl BSG, Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B). Über einen Terminverlegungsantrag muss auch dann noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung entschieden werden, wenn er erst am Tage der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht; anderes gilt nur dann, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen wäre, dass das Verlegungsgesuch den Richter noch erreichte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59; BSG, Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Antrag ist rechtzeitig - nämlich mehr als drei Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung - gestellt worden und war dem Gericht ausweislich des Sitzungsprotokolls auch tatsächlich bekannt. Zu dieser Zeit war seine Bescheidung noch möglich; der Kläger hätte über seinen dem Gericht bekannten Telefaxanschluss erreicht werden können.

9

Auch der Sache nach durfte das LSG den Antrag auf Terminverlegung nicht übergehen. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe waren in der konkreten Situation als erhebliche iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Der Kläger hat schriftsätzlich vorgetragen, infolge eingetretener Erkrankung nicht am Termin teilnehmen zu können und überdies zum Ausdruck gebracht, dennoch an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen. Ebenfalls noch rechtzeitig (nämlich mehr als eine Stunde vor der mündlichen Verhandlung; vgl dazu nochmals BSG, Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B) hat er überdies von sich aus ein ärztliches Attest mit der Bescheinigung fehlender Fähigkeit zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nachgereicht. Sein Vortrag, aufgrund seiner Erkrankung nicht zum Termin erscheinen zu können, ist damit insgesamt als schlüssig anzusehen. Dies gilt umso mehr, als eine Erkrankung als Verlegungsgrund nicht schon bei Antragstellung zwingend durch Attest glaubhaft zu machen ist; nach § 202 SGG iVm § 227 Abs 2 ZPO hat dies erst auf Verlangen des Vorsitzenden zu erfolgen(vgl BSG, Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - RdNr 8). Dass die vom Kläger vorgetragene Erkrankung auch eine chronische ist, schließt die vorgetragene akute Einschränkung nicht aus.

10

Strengere Voraussetzungen bei der Prüfung kurzfristig gestellter Terminverlegungsgesuche hat die höchstrichterliche Rechtsprechung stets auf die Fälle beschränkt, in denen der Kläger anwaltlich vertreten war (so auch im vom LSG zitierten Beschluss des BSG vom 27.5.2014 - B 4 AS 459/13 B). Ist dies nicht der Fall, ist das Gericht auch bei kurzfristig gestellten Anträgen zu einem Hinweis oder zur Aufforderung an den Betroffenen, seinen Vortrag zu ergänzen, oder zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl zuletzt BSG: Beschlüsse vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - SozR 4-1500 § 110 Nr 1 - RdNr 13; vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - RdNr 17 und vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - RdNr 5; ebenso BFH, Beschluss vom 19.8.2003 - IX B 36/03 - DStRE 2004, 540, 541). Andernfalls hat das Gericht dem Vertagungsantrag, auch wenn er kurz vor dem Termin gestellt worden ist, nachzukommen.

11

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, das Urteil des LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG wegen des festgestellten Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

12

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B zitiert 7 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Beschluss, 27. Mai 2014 - B 4 AS 459/13 B

bei uns veröffentlicht am 27.05.2014

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 24. Okt. 2013 - B 13 R 230/13 B

bei uns veröffentlicht am 24.10.2013

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 2013 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 07. Juli 2011 - B 14 AS 35/11 B

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 wird das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur

Bundessozialgericht Beschluss, 13. Okt. 2010 - B 6 KA 2/10 B

bei uns veröffentlicht am 13.10.2010

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. November 2009 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 06. Okt. 2010 - B 12 KR 58/09 B

bei uns veröffentlicht am 06.10.2010

Tenor Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 2. und 3. gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2009 aufgehoben.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Beschluss, 12. Mai 2017 - B 8 SO 69/16 B.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2018 - 11 ZB 17.1696

bei uns veröffentlicht am 18.06.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt. Gründe

Bundessozialgericht Beschluss, 19. Juli 2018 - B 8 SO 6/18 B

bei uns veröffentlicht am 19.07.2018

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Feb. 2018 - L 7 SO 2541/17

bei uns veröffentlicht am 22.02.2018

Tenor Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Juni 2017 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand  1 Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um Sozial

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 2. und 3. gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Beigeladene zu 2. aufgrund ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 3. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

2

Gegen das für sie in der Sache negative Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 9.10.2007 hatten - neben der Klägerin - die Beigeladene zu 2. und der Beigeladene zu 3. Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 12.5.2009 hatte der Vorsitzende des 1. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.6.2009, 12.00 Uhr, verfügt. Mit Ausnahme des für die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. bestimmten Empfangsbekenntnisses waren die Empfangsbekenntnisse aller (übrigen) Beteiligten in der Folgezeit zur Gerichtsakte gelangt.

3

Mit Telefax vom 9.6.2009, beim LSG eingegangen um 11.40 Uhr, beantragte die sachbearbeitende Rechtsanwältin der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. die Verlegung des Termins. Sie wies darauf hin, dass sie die Ladung nicht erhalten habe, und zählte mehrere Gerichtstermine am 10.6.2009 bei anderen Gerichten in der Zeit von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr auf. In der Folgezeit kam es zu einem Telefonat einer Kanzleimitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten mit dem Richter am LSG , in dem über den Antrag auf Terminsverlegung gesprochen wurde. Mit Telefax vom 9.6.2009, beim LSG eingegangen um 15.59 Uhr, lehnte die Sachbearbeiterin der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. den Richter am LSG wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete ihr Gesuch und wies außerdem darauf hin, dass weder sie noch ihre Sozietätskollegen den Termin zur mündlichen Verhandlung am Folgetag wahrnehmen könnten. In diesem Zusammenhang legte sie einige bei den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. auch schon vor dem 12.5.2009 eingegangene Terminsladungen anderer Gerichte vor. Am 10.6.2009 wurde der sachbearbeitenden Rechtsanwältin die dienstliche Erklärung des Richters über die gegen ihn vorgebrachten Ablehnungsgründe übermittelt und eine Stellungnahmefrist bis spätestens um 11.30 Uhr eingeräumt. Mit Telefax vom 10.6.2009, beim LSG eingegangen um 11.20 Uhr, äußerte sich diese zu der dienstlichen Erklärung und wies noch einmal darauf hin, dass bis zu jenem Zeitpunkt über das Terminverlegungsgesuch nicht entschieden worden sei.

4

Am 10.6.2009 um 12.30 Uhr wiesen die Berufsrichter des 1. Senats des LSG das Befangenheitsgesuch außerhalb der mündlichen Verhandlung im Beschlusswege ohne Beteiligung des abgelehnten Richters zurück. Im Anschluss führte das LSG die mündliche Verhandlung (Beginn 12.30 Uhr) in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2. und 3. und ihrer Prozessbevollmächtigten durch und wies deren Berufung zurück. Der Vorsitzende hatte die mündliche Verhandlung eröffnet, ua darauf hingewiesen, dass noch über einen "Vertagungsantrag" zu entscheiden sei, und sodann die mündliche Verhandlung zwecks Zwischenberatung über den Antrag wieder geschlossen. Im Anschluss war der "Vertagungsantrag" in der mündlichen Verhandlung abgelehnt worden, ohne die Beigeladenen zu 2. und 3. bzw deren Prozessbevollmächtigte verhandelt und zu ihrem Nachteil entschieden worden.

5

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 10.6.2009 rügen die Beigeladenen zu 2. und 3. als Verfahrensfehler ua eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und ihres Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren.

6

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beigeladenen zu 2. und 3. machen zu Recht einen Verfahrensmangel geltend, auf dem das angefochtene Urteil auch beruht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat gegen den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG), ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) schon deshalb verstoßen, weil es den am 9.6.2009 gestellten Antrag auf Verlegung des Termins bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 10.6.2009 nicht beschieden hat.

7

Der auch für das sozialgerichtliche Verfahren geltende Mündlichkeitsgrundsatz (§ 124 Abs 1 SGG) gewährt den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich ein Recht darauf, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (grundlegend BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG). Die Möglichkeit des Vortrags in der mündlichen Verhandlung ist die umfassendste Form der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Bestandteil des Anspruchs der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) in der Form einer mündlichen Verhandlung ist auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten (oder auf Vertagung eines bereits begonnenen) Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn dies aus erheblichen Gründen notwendig ist (§ 227 ZPO iVm § 202 SGG; BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag (oder Vertagungsantrag) des verhinderten Beteiligten hat der Vorsitzende (oder das Gericht) zu entscheiden (§ 227 Abs 4 ZPO iVm § 202 SGG). Entsprechende Anforderungen an die Verhaltensweise des Gerichts ergeben sich auch aus dem aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl hierzu etwa BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6, mwN aus der Rechtsprechung, auch des BVerfG).

8

Allein die Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum avisierten (12.00 Uhr) und auch tatsächlichen (12.30 Uhr) Beginn der mündlichen Verhandlung am 10.6.2009 stellt eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, die das Verfahren in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft macht (vgl BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG; zur Nichtbescheidung auch Urteil vom 13.5.1980, 12 RK 74/79, USK 8086). Der Antrag war vor Beginn der mündlichen Verhandlung als Antrag auf Verlegung, jedenfalls Aufhebung des Termins gestellt worden. Die Entscheidung über einen solchen Antrag trifft der Vorsitzende durch prozessleitende Verfügung (§ 227 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Der Verlegungs- bzw Aufhebungsantrag war - in dem Antrag selbst und auch in dem sich anschließenden Befangenheitsgesuch - mit einer Begründung versehen und damit entscheidungsreif oder hätte, zumal er nicht "erst in letzter Minute", sondern einen Tag vor der mündlichen Verhandlung beim LSG eingegangen war, durch weitere mögliche und zumutbare Ermittlungen entscheidungsreif gemacht werden können mit der Folge, dass eine Vorsitzendenentscheidung vor Beginn der mündlichen Verhandlung möglich war. Tatsächlich hat der Vorsitzende, der entscheiden konnte, weil nicht er, sondern der beisitzende Richter am LSG als befangen abgelehnt worden war, über die Terminsverlegung bzw -aufhebung vor Beginn der mündlichen Verhandlung nicht entschieden, sondern hat das LSG diesen Antrag nach Beginn der mündlichen Verhandlung als Antrag der Beigeladenen zu 2. und 3. auf Vertagung der mündlichen Verhandlung behandelt und ihn dann in der hierfür erforderlichen Besetzung (§ 227 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 ZPO iVm § 202 SGG) abgelehnt. Indem das LSG den Verlegungs- bzw Aufhebungsantrag übergangen und erst in der mündlichen Verhandlung als Vertagungsantrag abgelehnt hat, wurde den Beigeladenen zu 2. und 3., die auch ihren Willen zum Ausdruck gebracht hatten, durch ihre Prozessbevollmächtigten verhandeln zu wollen, die Möglichkeit genommen, ihre Auffassung in der mündlichen Verhandlung über ihre Prozessbevollmächtigten vorzutragen. Das Übergehen dieses Antrags hat vor allem ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt. Zwar hätten ihre Prozessbevollmächtigten ihrerseits, solange sie keine Antwort des Vorsitzenden auf ihre Bitte um Terminsverlegung bzw -aufhebung erhalten hatten, nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht ihrer Bitte entsprechen und den Termin aufheben würde. Denn solange der Termin nicht aufgehoben war, mussten sie mit seiner Durchführung rechnen und vorsorglich zum Termin erscheinen, um die Rechte der Beigeladenen zu 2. und 3. vertreten zu können. Mögliche Versäumnisse der Prozessbevollmächtigten in dieser Hinsicht ließen indessen die Pflicht des LSG unberührt, den mit einer Begründung versehenen, am Vortag gestellten Antrag auf Terminsverlegung bzw -aufhebung noch vor Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden zu entscheiden.

9

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bei zunehmender Verfahrensdauer sich die mit dem Justizgewährleistungsanspruch verbundene Pflicht des Gerichts verdichtet, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.12.2004, 1 BvR 1977/04, NJW 2005, 739). Dies kann jedenfalls nicht demjenigen entgegengehalten werden, zu dessen Gunsten im sozialgerichtlichen Verfahren der Justizgewährleistungsanspruch besteht, im vorliegenden Fall also den Beigeladenen zu 2. und 3.

10

Obwohl die Verletzung des rechtlichen Gehörs in sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist doch wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten - wie hier die Beigeladenen zu 2. und 3. bzw deren Prozessbevollmächtigte - daran gehindert hat, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (vgl BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2, mwN). Näherer Darlegungen dazu, inwiefern das Urteil auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann, sind daher nicht erforderlich. Insoweit braucht auch nicht geprüft zu werden, inwieweit solche den Begründungsanforderungen genügen.

11

Nach 160a Abs 5 SGG kann das Revisionsgericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen. Hiervon hat der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen Gebrauch gemacht.

12

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Sache dagegen, dass die Beklagte rückständige Beitragsforderungen gegen seine Altersrente aufrechnet.

2

Der im Jahre 1938 geborene Kläger (GdB von 90, Merkzeichen G, B; Bescheid des Versorgungsamtes vom 17.9.2012) ist als Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte errechnete rückständige Pflichtbeiträge aufgrund versicherter selbständiger Tätigkeit des Klägers (iHv 48 677,60 €), mit denen sie ab November 2009 gegen seine laufende Altersrente mit einem Betrag iHv 800 € monatlich aufrechnete (Bescheid vom 10.9.2009; Widerspruchsbescheid vom 4.2.2010). Das SG Frankfurt am Main hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2011 abgewiesen. Das Hessische LSG hat auf die mündliche Verhandlung vom 14.5.2013 die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen.

3

Der Kläger ist mit Schreiben der Berichterstatterin des LSG vom 26.3.2013 vom Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.5.2013 benachrichtigt worden. Mit Schriftsatz vom 26.3.2013 hat er Akteneinsicht in seinen Kanzleiräumen beantragt mit der Begründung, dass sein Gesundheitszustand, insbesondere seine Sehbehinderung, die ihm zuvor eingeräumte Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle ausschließe. Mit Schreiben vom 10.5.2013, das vorab per Telefax am 11.5.2013 beim LSG eingegangen ist, hat der Kläger beantragt, den Termin aufzuheben. Er hat darauf hingewiesen, dass seine am 23.4.2013 durchgeführte Augenoperation nicht den erhofften Erfolg gehabt habe. Beim Lesen und Erfassen von Texten sei er auf den Einsatz einer Lupe angewiesen. Seine "nochmals anwaltlich versicherte Sehbehinderung" lasse derzeit keine Terminswahrnehmung zu, auch mangels ausreichender Vorbereitungszeit. Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 13.5.2013 wurde der Kläger gebeten, glaubhaft zu machen (§ 227 Abs 2 ZPO), dass er seit der Terminsmitteilung gesundheitlich gehindert sei, den Termin ausreichend vorzubereiten. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Berichterstatterin mit zwei ehrenamtlichen Richtern vom 14.5.2013 ist festgehalten, dass der Kläger trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht erschienen sei. Zudem ist dort vermerkt, dass die Sitzung am 14.5.2013 um 11.40 Uhr begann und um 11.50 Uhr endete. Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.5.2013, das am selben Tag um 11.04 Uhr per Telefax beim LSG eingegangen ist, eine ärztliche Bescheinigung vom 13.5.2013 eingereicht, wonach er vom 13.5.2013 bis einschließlich 24.5.2013 nicht arbeitsfähig sei. Mit Schreiben vom 16.5.2013 hat die Berichterstatterin dem Kläger mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 14.5.2013 die zuständige Serviceeinheit an diesem Tag erst um 13.00 Uhr erreicht habe.

4

Mit der gegen das seine Berufung zurückweisende Urteil des LSG vom 14.5.2013 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ua die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Das LSG habe seinen Verlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt. Das LSG habe den Rechtsstreit entschieden, ohne ihn anzuhören.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

6

Der Kläger hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügt.

7

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Denn das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.5.2013 den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt.

8

Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der aufgezeigten Vorschriften gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 5 mwN). Ferner ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 S 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 16).

9

Grundsätzlich stellt zwar allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung dar (vgl Senatsbeschluss vom 24.9.2002 - B 13 RJ 55/02 B - Juris RdNr 9; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden kann (vgl dazu § 110 Abs 1 S 2 SGG).

10

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und ggf muss - jedoch gemäß § 202 SGG iVm dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs 1 S 1 ZPO bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden, auch wenn - wie vorliegend - das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden ist(vgl Senatsbeschlüsse vom 29.3.2006 - B 13 RJ 199/05 B; vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 15 mwN). Ein iS des § 227 Abs 1 S 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggf glaubhaft gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung(BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat dabei der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 58).

11

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unabhängig von einem Verschulden des Gerichts (BVerfGE 62, 347, 352), insbesondere auch davon, wen innerhalb des Gerichts ggf ein Verschulden trifft (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59 f; BVerwG vom 29.11.1985 - 9 C 49/85 - NJW 1986, 1125; BFH vom 7.2.1995 - VIII R 48/92 - Juris RdNr 20). Vielmehr ist das Gericht insgesamt dafür verantwortlich, dass dem Gebot des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59 f; BSG SozR 1500 § 62 Nr 17 S 17 mwN). Im Übrigen gilt, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren verbietet, dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableitet (vgl BVerfGE 60, 1, 6 f; 69, 381, 386; 75, 183, 190; BVerfG vom 2.6.2010 - 1 BvR 448/06 - NZS 2011, 133; Senatsbeschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 165/12 B - Juris RdNr 15). Wenn daher ein Terminsverlegungsantrag unberücksichtigt bleibt, der erst am Tage der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht und dem Richter bis zur Urteilsverkündung nicht mehr vorgelegt wird, ist das rechtliche Gehör verletzt (vgl BSG SozR 1500 § 62 Nr 17 S 17; vgl auch BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG zu einem am Tag vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen, aber unberücksichtigt gebliebenen Verlegungsantrag).

12

Der Kläger hat seinen mit Schriftsatz vom 10.5.2013 gestellten Antrag auf Terminsaufhebung mit dem Hinweis auf seine Augenerkrankung begründet, die eine Terminswahrnehmung nicht zulasse. Seine seit 13.5.2013 bestehende Arbeitsunfähigkeit hat er durch ärztliches Attest belegt. Obwohl das Attest noch vor der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangen ist, hat es das LSG bei seiner Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht berücksichtigt. Im Ergebnis unerheblich ist, dass das Attest erst ca eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn beim LSG eingegangen ist (Eingang des Faxes um 11.04 Uhr; Terminierung 11.15 Uhr, tatsächlicher Sitzungsbeginn 11.40 Uhr) und die zuständige Serviceeinheit erst nach Sitzungsende um 13.00 Uhr erreicht hat.

13

Das rechtliche Gehör des Klägers wäre nur dann nicht verletzt, wenn das Attest des Klägers so kurzfristig beim LSG eingegangen wäre, dass es nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen gewesen wäre, dass es die zuständige Richterin noch erreicht hätte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59). Eine solche Situation lag hier nicht vor. Der Kläger hat auf die Dringlichkeit in seinem Schreiben vom 14.5.2013 deutlich hingewiesen, indem er es mit dem Zusatz "Eilt! Sofort vorlegen! Termin: Heute!" versehen hatte. Die verbleibende Zeit von ca 30 Minuten bis zum Sitzungsbeginn war nicht unangemessen zu kurz, weil diese Zeitspanne innerhalb der ortsüblichen Geschäftszeiten eines Gerichts lag (hier vor 12.00 Uhr), in der die Posteingangsstelle des Gerichts regelmäßig besetzt ist. Im Übrigen wäre es ausreichend gewesen, wenn das Telefax des Klägers die zuständige Richterin bis zur Urteilsverkündung erreicht hätte.

14

Da die Richterin den Kläger am Vortag der mündlichen Verhandlung selbst zur Vorlage eines Nachweises seiner Verhinderung aufgefordert hatte, hätte nahegelegen, die Posteingangsstelle zu bitten, evtl eingehende Post sofort vorzulegen oder jedenfalls unmittelbar vor Sitzungsbeginn nachzufragen, ob ein Schreiben des Klägers eingegangen ist. Denn üblicherweise sind der Posteingangsstelle die am selben Tag stattfindenden Sitzungen bekannt und dazugehörige Posteingänge werden entsprechend sorgfältig behandelt. Die Ungewissheit, aus welchem Grund das Attest des Klägers den Senat nicht rechtzeitig vor der Urteilsverkündung erreicht hat, kann aber aus den dargelegten Gründen nicht zu Lasten des Klägers gehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei sofortiger Weiterleitung des Schriftverkehrs das Attest den Senat noch rechtzeitig erreicht hätte. Hindernisse in der Gerichtsorganisation, die einer sofortigen Weitergabe des Faxes entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich.

15

Die unterbliebene Verlegung oder Vertagung des Termins stellt sich als Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren dar (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und ist damit ein wesentlicher Verfahrensmangel. Die angefochtene Entscheidung kann darauf auch beruhen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die darauf ergangene Entscheidung beeinflusst hat; einer Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden ist, bedarf es nicht (BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 13; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62; Senatsbeschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 18).

16

Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

17

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 2. und 3. gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Beigeladene zu 2. aufgrund ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 3. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

2

Gegen das für sie in der Sache negative Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 9.10.2007 hatten - neben der Klägerin - die Beigeladene zu 2. und der Beigeladene zu 3. Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 12.5.2009 hatte der Vorsitzende des 1. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.6.2009, 12.00 Uhr, verfügt. Mit Ausnahme des für die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. bestimmten Empfangsbekenntnisses waren die Empfangsbekenntnisse aller (übrigen) Beteiligten in der Folgezeit zur Gerichtsakte gelangt.

3

Mit Telefax vom 9.6.2009, beim LSG eingegangen um 11.40 Uhr, beantragte die sachbearbeitende Rechtsanwältin der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. die Verlegung des Termins. Sie wies darauf hin, dass sie die Ladung nicht erhalten habe, und zählte mehrere Gerichtstermine am 10.6.2009 bei anderen Gerichten in der Zeit von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr auf. In der Folgezeit kam es zu einem Telefonat einer Kanzleimitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten mit dem Richter am LSG , in dem über den Antrag auf Terminsverlegung gesprochen wurde. Mit Telefax vom 9.6.2009, beim LSG eingegangen um 15.59 Uhr, lehnte die Sachbearbeiterin der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. den Richter am LSG wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete ihr Gesuch und wies außerdem darauf hin, dass weder sie noch ihre Sozietätskollegen den Termin zur mündlichen Verhandlung am Folgetag wahrnehmen könnten. In diesem Zusammenhang legte sie einige bei den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. und 3. auch schon vor dem 12.5.2009 eingegangene Terminsladungen anderer Gerichte vor. Am 10.6.2009 wurde der sachbearbeitenden Rechtsanwältin die dienstliche Erklärung des Richters über die gegen ihn vorgebrachten Ablehnungsgründe übermittelt und eine Stellungnahmefrist bis spätestens um 11.30 Uhr eingeräumt. Mit Telefax vom 10.6.2009, beim LSG eingegangen um 11.20 Uhr, äußerte sich diese zu der dienstlichen Erklärung und wies noch einmal darauf hin, dass bis zu jenem Zeitpunkt über das Terminverlegungsgesuch nicht entschieden worden sei.

4

Am 10.6.2009 um 12.30 Uhr wiesen die Berufsrichter des 1. Senats des LSG das Befangenheitsgesuch außerhalb der mündlichen Verhandlung im Beschlusswege ohne Beteiligung des abgelehnten Richters zurück. Im Anschluss führte das LSG die mündliche Verhandlung (Beginn 12.30 Uhr) in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2. und 3. und ihrer Prozessbevollmächtigten durch und wies deren Berufung zurück. Der Vorsitzende hatte die mündliche Verhandlung eröffnet, ua darauf hingewiesen, dass noch über einen "Vertagungsantrag" zu entscheiden sei, und sodann die mündliche Verhandlung zwecks Zwischenberatung über den Antrag wieder geschlossen. Im Anschluss war der "Vertagungsantrag" in der mündlichen Verhandlung abgelehnt worden, ohne die Beigeladenen zu 2. und 3. bzw deren Prozessbevollmächtigte verhandelt und zu ihrem Nachteil entschieden worden.

5

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 10.6.2009 rügen die Beigeladenen zu 2. und 3. als Verfahrensfehler ua eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und ihres Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren.

6

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beigeladenen zu 2. und 3. machen zu Recht einen Verfahrensmangel geltend, auf dem das angefochtene Urteil auch beruht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat gegen den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 124 Abs 1 SGG), ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) schon deshalb verstoßen, weil es den am 9.6.2009 gestellten Antrag auf Verlegung des Termins bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 10.6.2009 nicht beschieden hat.

7

Der auch für das sozialgerichtliche Verfahren geltende Mündlichkeitsgrundsatz (§ 124 Abs 1 SGG) gewährt den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich ein Recht darauf, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (grundlegend BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG). Die Möglichkeit des Vortrags in der mündlichen Verhandlung ist die umfassendste Form der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Bestandteil des Anspruchs der Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) in der Form einer mündlichen Verhandlung ist auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten (oder auf Vertagung eines bereits begonnenen) Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn dies aus erheblichen Gründen notwendig ist (§ 227 ZPO iVm § 202 SGG; BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag (oder Vertagungsantrag) des verhinderten Beteiligten hat der Vorsitzende (oder das Gericht) zu entscheiden (§ 227 Abs 4 ZPO iVm § 202 SGG). Entsprechende Anforderungen an die Verhaltensweise des Gerichts ergeben sich auch aus dem aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl hierzu etwa BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6, mwN aus der Rechtsprechung, auch des BVerfG).

8

Allein die Nichtbescheidung des Verlegungsgesuchs bis zum avisierten (12.00 Uhr) und auch tatsächlichen (12.30 Uhr) Beginn der mündlichen Verhandlung am 10.6.2009 stellt eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, die das Verfahren in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft macht (vgl BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG; zur Nichtbescheidung auch Urteil vom 13.5.1980, 12 RK 74/79, USK 8086). Der Antrag war vor Beginn der mündlichen Verhandlung als Antrag auf Verlegung, jedenfalls Aufhebung des Termins gestellt worden. Die Entscheidung über einen solchen Antrag trifft der Vorsitzende durch prozessleitende Verfügung (§ 227 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Der Verlegungs- bzw Aufhebungsantrag war - in dem Antrag selbst und auch in dem sich anschließenden Befangenheitsgesuch - mit einer Begründung versehen und damit entscheidungsreif oder hätte, zumal er nicht "erst in letzter Minute", sondern einen Tag vor der mündlichen Verhandlung beim LSG eingegangen war, durch weitere mögliche und zumutbare Ermittlungen entscheidungsreif gemacht werden können mit der Folge, dass eine Vorsitzendenentscheidung vor Beginn der mündlichen Verhandlung möglich war. Tatsächlich hat der Vorsitzende, der entscheiden konnte, weil nicht er, sondern der beisitzende Richter am LSG als befangen abgelehnt worden war, über die Terminsverlegung bzw -aufhebung vor Beginn der mündlichen Verhandlung nicht entschieden, sondern hat das LSG diesen Antrag nach Beginn der mündlichen Verhandlung als Antrag der Beigeladenen zu 2. und 3. auf Vertagung der mündlichen Verhandlung behandelt und ihn dann in der hierfür erforderlichen Besetzung (§ 227 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 ZPO iVm § 202 SGG) abgelehnt. Indem das LSG den Verlegungs- bzw Aufhebungsantrag übergangen und erst in der mündlichen Verhandlung als Vertagungsantrag abgelehnt hat, wurde den Beigeladenen zu 2. und 3., die auch ihren Willen zum Ausdruck gebracht hatten, durch ihre Prozessbevollmächtigten verhandeln zu wollen, die Möglichkeit genommen, ihre Auffassung in der mündlichen Verhandlung über ihre Prozessbevollmächtigten vorzutragen. Das Übergehen dieses Antrags hat vor allem ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt. Zwar hätten ihre Prozessbevollmächtigten ihrerseits, solange sie keine Antwort des Vorsitzenden auf ihre Bitte um Terminsverlegung bzw -aufhebung erhalten hatten, nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht ihrer Bitte entsprechen und den Termin aufheben würde. Denn solange der Termin nicht aufgehoben war, mussten sie mit seiner Durchführung rechnen und vorsorglich zum Termin erscheinen, um die Rechte der Beigeladenen zu 2. und 3. vertreten zu können. Mögliche Versäumnisse der Prozessbevollmächtigten in dieser Hinsicht ließen indessen die Pflicht des LSG unberührt, den mit einer Begründung versehenen, am Vortag gestellten Antrag auf Terminsverlegung bzw -aufhebung noch vor Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden zu entscheiden.

9

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass bei zunehmender Verfahrensdauer sich die mit dem Justizgewährleistungsanspruch verbundene Pflicht des Gerichts verdichtet, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.12.2004, 1 BvR 1977/04, NJW 2005, 739). Dies kann jedenfalls nicht demjenigen entgegengehalten werden, zu dessen Gunsten im sozialgerichtlichen Verfahren der Justizgewährleistungsanspruch besteht, im vorliegenden Fall also den Beigeladenen zu 2. und 3.

10

Obwohl die Verletzung des rechtlichen Gehörs in sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist doch wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten - wie hier die Beigeladenen zu 2. und 3. bzw deren Prozessbevollmächtigte - daran gehindert hat, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (vgl BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2, mwN). Näherer Darlegungen dazu, inwiefern das Urteil auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann, sind daher nicht erforderlich. Insoweit braucht auch nicht geprüft zu werden, inwieweit solche den Begründungsanforderungen genügen.

11

Nach 160a Abs 5 SGG kann das Revisionsgericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen. Hiervon hat der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen Gebrauch gemacht.

12

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Sache dagegen, dass die Beklagte rückständige Beitragsforderungen gegen seine Altersrente aufrechnet.

2

Der im Jahre 1938 geborene Kläger (GdB von 90, Merkzeichen G, B; Bescheid des Versorgungsamtes vom 17.9.2012) ist als Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte errechnete rückständige Pflichtbeiträge aufgrund versicherter selbständiger Tätigkeit des Klägers (iHv 48 677,60 €), mit denen sie ab November 2009 gegen seine laufende Altersrente mit einem Betrag iHv 800 € monatlich aufrechnete (Bescheid vom 10.9.2009; Widerspruchsbescheid vom 4.2.2010). Das SG Frankfurt am Main hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2011 abgewiesen. Das Hessische LSG hat auf die mündliche Verhandlung vom 14.5.2013 die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen.

3

Der Kläger ist mit Schreiben der Berichterstatterin des LSG vom 26.3.2013 vom Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.5.2013 benachrichtigt worden. Mit Schriftsatz vom 26.3.2013 hat er Akteneinsicht in seinen Kanzleiräumen beantragt mit der Begründung, dass sein Gesundheitszustand, insbesondere seine Sehbehinderung, die ihm zuvor eingeräumte Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle ausschließe. Mit Schreiben vom 10.5.2013, das vorab per Telefax am 11.5.2013 beim LSG eingegangen ist, hat der Kläger beantragt, den Termin aufzuheben. Er hat darauf hingewiesen, dass seine am 23.4.2013 durchgeführte Augenoperation nicht den erhofften Erfolg gehabt habe. Beim Lesen und Erfassen von Texten sei er auf den Einsatz einer Lupe angewiesen. Seine "nochmals anwaltlich versicherte Sehbehinderung" lasse derzeit keine Terminswahrnehmung zu, auch mangels ausreichender Vorbereitungszeit. Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 13.5.2013 wurde der Kläger gebeten, glaubhaft zu machen (§ 227 Abs 2 ZPO), dass er seit der Terminsmitteilung gesundheitlich gehindert sei, den Termin ausreichend vorzubereiten. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Berichterstatterin mit zwei ehrenamtlichen Richtern vom 14.5.2013 ist festgehalten, dass der Kläger trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht erschienen sei. Zudem ist dort vermerkt, dass die Sitzung am 14.5.2013 um 11.40 Uhr begann und um 11.50 Uhr endete. Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.5.2013, das am selben Tag um 11.04 Uhr per Telefax beim LSG eingegangen ist, eine ärztliche Bescheinigung vom 13.5.2013 eingereicht, wonach er vom 13.5.2013 bis einschließlich 24.5.2013 nicht arbeitsfähig sei. Mit Schreiben vom 16.5.2013 hat die Berichterstatterin dem Kläger mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 14.5.2013 die zuständige Serviceeinheit an diesem Tag erst um 13.00 Uhr erreicht habe.

4

Mit der gegen das seine Berufung zurückweisende Urteil des LSG vom 14.5.2013 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ua die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Das LSG habe seinen Verlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt. Das LSG habe den Rechtsstreit entschieden, ohne ihn anzuhören.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

6

Der Kläger hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügt.

7

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Denn das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.5.2013 den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt.

8

Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der aufgezeigten Vorschriften gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 5 mwN). Ferner ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 S 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 16).

9

Grundsätzlich stellt zwar allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung dar (vgl Senatsbeschluss vom 24.9.2002 - B 13 RJ 55/02 B - Juris RdNr 9; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden kann (vgl dazu § 110 Abs 1 S 2 SGG).

10

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und ggf muss - jedoch gemäß § 202 SGG iVm dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs 1 S 1 ZPO bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden, auch wenn - wie vorliegend - das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden ist(vgl Senatsbeschlüsse vom 29.3.2006 - B 13 RJ 199/05 B; vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 15 mwN). Ein iS des § 227 Abs 1 S 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggf glaubhaft gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung(BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat dabei der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 58).

11

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unabhängig von einem Verschulden des Gerichts (BVerfGE 62, 347, 352), insbesondere auch davon, wen innerhalb des Gerichts ggf ein Verschulden trifft (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59 f; BVerwG vom 29.11.1985 - 9 C 49/85 - NJW 1986, 1125; BFH vom 7.2.1995 - VIII R 48/92 - Juris RdNr 20). Vielmehr ist das Gericht insgesamt dafür verantwortlich, dass dem Gebot des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59 f; BSG SozR 1500 § 62 Nr 17 S 17 mwN). Im Übrigen gilt, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren verbietet, dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableitet (vgl BVerfGE 60, 1, 6 f; 69, 381, 386; 75, 183, 190; BVerfG vom 2.6.2010 - 1 BvR 448/06 - NZS 2011, 133; Senatsbeschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 165/12 B - Juris RdNr 15). Wenn daher ein Terminsverlegungsantrag unberücksichtigt bleibt, der erst am Tage der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht und dem Richter bis zur Urteilsverkündung nicht mehr vorgelegt wird, ist das rechtliche Gehör verletzt (vgl BSG SozR 1500 § 62 Nr 17 S 17; vgl auch BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG zu einem am Tag vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen, aber unberücksichtigt gebliebenen Verlegungsantrag).

12

Der Kläger hat seinen mit Schriftsatz vom 10.5.2013 gestellten Antrag auf Terminsaufhebung mit dem Hinweis auf seine Augenerkrankung begründet, die eine Terminswahrnehmung nicht zulasse. Seine seit 13.5.2013 bestehende Arbeitsunfähigkeit hat er durch ärztliches Attest belegt. Obwohl das Attest noch vor der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangen ist, hat es das LSG bei seiner Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht berücksichtigt. Im Ergebnis unerheblich ist, dass das Attest erst ca eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn beim LSG eingegangen ist (Eingang des Faxes um 11.04 Uhr; Terminierung 11.15 Uhr, tatsächlicher Sitzungsbeginn 11.40 Uhr) und die zuständige Serviceeinheit erst nach Sitzungsende um 13.00 Uhr erreicht hat.

13

Das rechtliche Gehör des Klägers wäre nur dann nicht verletzt, wenn das Attest des Klägers so kurzfristig beim LSG eingegangen wäre, dass es nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen gewesen wäre, dass es die zuständige Richterin noch erreicht hätte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59). Eine solche Situation lag hier nicht vor. Der Kläger hat auf die Dringlichkeit in seinem Schreiben vom 14.5.2013 deutlich hingewiesen, indem er es mit dem Zusatz "Eilt! Sofort vorlegen! Termin: Heute!" versehen hatte. Die verbleibende Zeit von ca 30 Minuten bis zum Sitzungsbeginn war nicht unangemessen zu kurz, weil diese Zeitspanne innerhalb der ortsüblichen Geschäftszeiten eines Gerichts lag (hier vor 12.00 Uhr), in der die Posteingangsstelle des Gerichts regelmäßig besetzt ist. Im Übrigen wäre es ausreichend gewesen, wenn das Telefax des Klägers die zuständige Richterin bis zur Urteilsverkündung erreicht hätte.

14

Da die Richterin den Kläger am Vortag der mündlichen Verhandlung selbst zur Vorlage eines Nachweises seiner Verhinderung aufgefordert hatte, hätte nahegelegen, die Posteingangsstelle zu bitten, evtl eingehende Post sofort vorzulegen oder jedenfalls unmittelbar vor Sitzungsbeginn nachzufragen, ob ein Schreiben des Klägers eingegangen ist. Denn üblicherweise sind der Posteingangsstelle die am selben Tag stattfindenden Sitzungen bekannt und dazugehörige Posteingänge werden entsprechend sorgfältig behandelt. Die Ungewissheit, aus welchem Grund das Attest des Klägers den Senat nicht rechtzeitig vor der Urteilsverkündung erreicht hat, kann aber aus den dargelegten Gründen nicht zu Lasten des Klägers gehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei sofortiger Weiterleitung des Schriftverkehrs das Attest den Senat noch rechtzeitig erreicht hätte. Hindernisse in der Gerichtsorganisation, die einer sofortigen Weitergabe des Faxes entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich.

15

Die unterbliebene Verlegung oder Vertagung des Termins stellt sich als Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren dar (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und ist damit ein wesentlicher Verfahrensmangel. Die angefochtene Entscheidung kann darauf auch beruhen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die darauf ergangene Entscheidung beeinflusst hat; einer Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden ist, bedarf es nicht (BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 13; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62; Senatsbeschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 18).

16

Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

17

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Sache dagegen, dass die Beklagte rückständige Beitragsforderungen gegen seine Altersrente aufrechnet.

2

Der im Jahre 1938 geborene Kläger (GdB von 90, Merkzeichen G, B; Bescheid des Versorgungsamtes vom 17.9.2012) ist als Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte errechnete rückständige Pflichtbeiträge aufgrund versicherter selbständiger Tätigkeit des Klägers (iHv 48 677,60 €), mit denen sie ab November 2009 gegen seine laufende Altersrente mit einem Betrag iHv 800 € monatlich aufrechnete (Bescheid vom 10.9.2009; Widerspruchsbescheid vom 4.2.2010). Das SG Frankfurt am Main hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2011 abgewiesen. Das Hessische LSG hat auf die mündliche Verhandlung vom 14.5.2013 die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen.

3

Der Kläger ist mit Schreiben der Berichterstatterin des LSG vom 26.3.2013 vom Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.5.2013 benachrichtigt worden. Mit Schriftsatz vom 26.3.2013 hat er Akteneinsicht in seinen Kanzleiräumen beantragt mit der Begründung, dass sein Gesundheitszustand, insbesondere seine Sehbehinderung, die ihm zuvor eingeräumte Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle ausschließe. Mit Schreiben vom 10.5.2013, das vorab per Telefax am 11.5.2013 beim LSG eingegangen ist, hat der Kläger beantragt, den Termin aufzuheben. Er hat darauf hingewiesen, dass seine am 23.4.2013 durchgeführte Augenoperation nicht den erhofften Erfolg gehabt habe. Beim Lesen und Erfassen von Texten sei er auf den Einsatz einer Lupe angewiesen. Seine "nochmals anwaltlich versicherte Sehbehinderung" lasse derzeit keine Terminswahrnehmung zu, auch mangels ausreichender Vorbereitungszeit. Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 13.5.2013 wurde der Kläger gebeten, glaubhaft zu machen (§ 227 Abs 2 ZPO), dass er seit der Terminsmitteilung gesundheitlich gehindert sei, den Termin ausreichend vorzubereiten. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Berichterstatterin mit zwei ehrenamtlichen Richtern vom 14.5.2013 ist festgehalten, dass der Kläger trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht erschienen sei. Zudem ist dort vermerkt, dass die Sitzung am 14.5.2013 um 11.40 Uhr begann und um 11.50 Uhr endete. Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.5.2013, das am selben Tag um 11.04 Uhr per Telefax beim LSG eingegangen ist, eine ärztliche Bescheinigung vom 13.5.2013 eingereicht, wonach er vom 13.5.2013 bis einschließlich 24.5.2013 nicht arbeitsfähig sei. Mit Schreiben vom 16.5.2013 hat die Berichterstatterin dem Kläger mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 14.5.2013 die zuständige Serviceeinheit an diesem Tag erst um 13.00 Uhr erreicht habe.

4

Mit der gegen das seine Berufung zurückweisende Urteil des LSG vom 14.5.2013 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ua die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Das LSG habe seinen Verlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt. Das LSG habe den Rechtsstreit entschieden, ohne ihn anzuhören.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

6

Der Kläger hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügt.

7

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Denn das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.5.2013 den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt.

8

Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der aufgezeigten Vorschriften gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 5 mwN). Ferner ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 S 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 16).

9

Grundsätzlich stellt zwar allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung dar (vgl Senatsbeschluss vom 24.9.2002 - B 13 RJ 55/02 B - Juris RdNr 9; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden kann (vgl dazu § 110 Abs 1 S 2 SGG).

10

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und ggf muss - jedoch gemäß § 202 SGG iVm dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs 1 S 1 ZPO bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden, auch wenn - wie vorliegend - das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden ist(vgl Senatsbeschlüsse vom 29.3.2006 - B 13 RJ 199/05 B; vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 15 mwN). Ein iS des § 227 Abs 1 S 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggf glaubhaft gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung(BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat dabei der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 58).

11

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unabhängig von einem Verschulden des Gerichts (BVerfGE 62, 347, 352), insbesondere auch davon, wen innerhalb des Gerichts ggf ein Verschulden trifft (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59 f; BVerwG vom 29.11.1985 - 9 C 49/85 - NJW 1986, 1125; BFH vom 7.2.1995 - VIII R 48/92 - Juris RdNr 20). Vielmehr ist das Gericht insgesamt dafür verantwortlich, dass dem Gebot des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59 f; BSG SozR 1500 § 62 Nr 17 S 17 mwN). Im Übrigen gilt, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren verbietet, dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableitet (vgl BVerfGE 60, 1, 6 f; 69, 381, 386; 75, 183, 190; BVerfG vom 2.6.2010 - 1 BvR 448/06 - NZS 2011, 133; Senatsbeschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 165/12 B - Juris RdNr 15). Wenn daher ein Terminsverlegungsantrag unberücksichtigt bleibt, der erst am Tage der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht und dem Richter bis zur Urteilsverkündung nicht mehr vorgelegt wird, ist das rechtliche Gehör verletzt (vgl BSG SozR 1500 § 62 Nr 17 S 17; vgl auch BSG SozR Nr 16 zu § 62 SGG zu einem am Tag vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen, aber unberücksichtigt gebliebenen Verlegungsantrag).

12

Der Kläger hat seinen mit Schriftsatz vom 10.5.2013 gestellten Antrag auf Terminsaufhebung mit dem Hinweis auf seine Augenerkrankung begründet, die eine Terminswahrnehmung nicht zulasse. Seine seit 13.5.2013 bestehende Arbeitsunfähigkeit hat er durch ärztliches Attest belegt. Obwohl das Attest noch vor der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangen ist, hat es das LSG bei seiner Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht berücksichtigt. Im Ergebnis unerheblich ist, dass das Attest erst ca eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn beim LSG eingegangen ist (Eingang des Faxes um 11.04 Uhr; Terminierung 11.15 Uhr, tatsächlicher Sitzungsbeginn 11.40 Uhr) und die zuständige Serviceeinheit erst nach Sitzungsende um 13.00 Uhr erreicht hat.

13

Das rechtliche Gehör des Klägers wäre nur dann nicht verletzt, wenn das Attest des Klägers so kurzfristig beim LSG eingegangen wäre, dass es nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen gewesen wäre, dass es die zuständige Richterin noch erreicht hätte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 59). Eine solche Situation lag hier nicht vor. Der Kläger hat auf die Dringlichkeit in seinem Schreiben vom 14.5.2013 deutlich hingewiesen, indem er es mit dem Zusatz "Eilt! Sofort vorlegen! Termin: Heute!" versehen hatte. Die verbleibende Zeit von ca 30 Minuten bis zum Sitzungsbeginn war nicht unangemessen zu kurz, weil diese Zeitspanne innerhalb der ortsüblichen Geschäftszeiten eines Gerichts lag (hier vor 12.00 Uhr), in der die Posteingangsstelle des Gerichts regelmäßig besetzt ist. Im Übrigen wäre es ausreichend gewesen, wenn das Telefax des Klägers die zuständige Richterin bis zur Urteilsverkündung erreicht hätte.

14

Da die Richterin den Kläger am Vortag der mündlichen Verhandlung selbst zur Vorlage eines Nachweises seiner Verhinderung aufgefordert hatte, hätte nahegelegen, die Posteingangsstelle zu bitten, evtl eingehende Post sofort vorzulegen oder jedenfalls unmittelbar vor Sitzungsbeginn nachzufragen, ob ein Schreiben des Klägers eingegangen ist. Denn üblicherweise sind der Posteingangsstelle die am selben Tag stattfindenden Sitzungen bekannt und dazugehörige Posteingänge werden entsprechend sorgfältig behandelt. Die Ungewissheit, aus welchem Grund das Attest des Klägers den Senat nicht rechtzeitig vor der Urteilsverkündung erreicht hat, kann aber aus den dargelegten Gründen nicht zu Lasten des Klägers gehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei sofortiger Weiterleitung des Schriftverkehrs das Attest den Senat noch rechtzeitig erreicht hätte. Hindernisse in der Gerichtsorganisation, die einer sofortigen Weitergabe des Faxes entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich.

15

Die unterbliebene Verlegung oder Vertagung des Termins stellt sich als Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren dar (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und ist damit ein wesentlicher Verfahrensmangel. Die angefochtene Entscheidung kann darauf auch beruhen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die darauf ergangene Entscheidung beeinflusst hat; einer Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden ist, bedarf es nicht (BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 13; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62; Senatsbeschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 18).

16

Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

17

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 wird das Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der am 30.3.1960 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten seit Juni 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Am 13.10.2008 erhob er eine Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er sich gegen Sanktionen sowie die Untätigkeit und verzögerte Bearbeitung seiner Angelegenheiten durch den Beklagten wandte. Die Klage wies das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2009 ab. Gegen den Gerichtsbescheid legte der Kläger Berufung ein und machte geltend, dass der Tatbestand im Gerichtsbescheid teilweise fehlerhaft sei. Eine umfassende Begründung reiche er im Laufe der Folgewoche nach. Im Februar 2010 telefonierte er mit der Geschäftsstelle und teilte mit, er habe eine schwere Erkrankung und bitte um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. In der Folge entschuldigte er sich aus Krankheitsgründen erneut und legte ein Attest des behandelnden Arztes Dr. J. K vom 29.3.2010 vor, wonach er wegen einer Lungenentzündung und eines Wirbelsäulensyndroms voraussichtlich bis 9.4.2010 arbeitsunfähig sei und auch keinen Gerichtstermin wahrnehmen könne. Am 12.5.2010 teilte der Kläger mit, er fühle sich nicht imstande das Haus zu verlassen, um sich weitere Unterlagen zur Begründung der Berufung zu verschaffen. Daraufhin wurde ihm fernmündlich erneut Verlängerung zur Begründung der Berufung bis zum 1.6.2010 gewährt.

2

Am 18.6.2010 bestimmte der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 14.7.2010, 9:00 Uhr. Mit Schreiben vom 10.7.2010, das bei Gericht am 13.7.2010 einging, beantragte der Kläger Terminverlegung um eine Woche. Er trug vor, es sei ihm momentan wieder nicht möglich selbstständig das Bett zu verlassen und an der Verhandlung teilzunehmen. Es seien zustehende Leistungen nicht ausgezahlt worden, sodass er weder die notwendigen Medikamente noch die Fahrkosten zahlen könne. Am 13.7.2010 versuchte der Berichterstatter den Kläger zweimal telefonisch zu erreichen, um ihn unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Bundsfinanzhofes (BFH) vom 7.4.2004 (Az: I B 111/03) darauf hinzuweisen, dass die Verlegungsgründe in verschiedener Hinsicht (vor allem durch Vorlage eines nachvollziehbaren Attests) glaubhaft zu machen seien. Er erreichte den Kläger nicht. In einem Schreiben vom 12.7.2010, das bei Gericht ebenfalls am 13.7.2010 einging, nahm der Kläger Bezug auf ein Telefongespräch mit der Geschäftsstelle am Morgen des 12.7. und teilte mit, dass nunmehr sein Telefonanschluss gesperrt sei und er nur noch über ein fremdes Fax kommunizieren könne.

3

Am 14.7.2010 erschien zum Termin zur mündlichen Verhandlung für den Kläger niemand. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung mit Urteil vom selben Tage ab. Dem Vertagungsgesuch habe der Senat nicht nachkommen müssen. Auch in der Sache habe die Berufung keinen Erfolg, weil das SG die Klage zutreffend als unzulässig angesehen habe.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht die Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil das LSG seinem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung wegen seiner Erkrankung und seiner fehlenden Möglichkeit, die Fahrkosten zum Termin zu bestreiten, nicht nachgekommen ist. Zudem macht er die Verletzung von § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend und hält die Klage insgesamt für zulässig. Insbesondere seien LSG und SG fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Klageerweiterung nach § 99 SGG nicht zulässig gewesen sei.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Auf die Beschwerde des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (vgl § 160a Abs 5 SGG).

6

Der Kläger hat formgerecht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG)gerügt, vom LSG nicht ausreichend rechtlich gehört worden zu sein (§ 62 SGG) . Er hat die Verletzung des § 62 SGG hinreichend bezeichnet; die Rüge trifft auch zu. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 110 RdNr 11; BVerwG NVwZ-RR 1995, 549).

7

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung oder -vertagung vorliegen (Leitherer, aaO, § 110 RdNr 4b) und diese beantragt wird bzw ein unvertretener Beteiligter wenigstens seinen Willen zum Ausdruck bringt, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen (vgl BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Ein iS des § 227 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ordnungsgemäß gestellter Vertagungsantrag mit einem hinreichend substanziiert geltend gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung(BSG vom 10.8.1995, SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 16 und vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat dabei der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (vgl hierzu BSG vom 16.11.2000, SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 58), insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine mündliche Verhandlung vor dem SG nicht stattgefunden hat. Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Rüge ist jedoch, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1).

8

Der Kläger hat in seinem Gesuch auf Terminsverlegung um eine Woche darauf hingewiesen, dass er wegen Krankheit zum Termin nicht erscheinen könne, er aber unbedingt an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wolle (zur Anerkennung von Krankheit als erheblicher Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO: BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R; BSG vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R; BSG vom 21.7.2005 - B 11a/11 AL 261/04 B; alle veröffentlicht in Juris; vgl auch BSG vom 6.12.1983, SozR 1750 § 227 Nr 2). Ob daneben die fehlende Möglichkeit die Fahrkosten aufzubringen, einen erheblichen Grund zur Verlegung des Termins darstellt, ist jedenfalls für den Fall eines so kurzfristig gestellten Gesuchs zweifelhaft, braucht vorliegend aber nicht entschieden zu werden. Dabei hat der Kläger vorgetragen, das Bett aufgrund seiner Erkrankung nicht verlassen zu können, sodass die Auswirkung der Erkrankung - nicht zum Termin erscheinen zu können - schlüssig vorgetragen ist. Zwar hat der Kläger seine Erkrankung nicht durch Atteste der behandelnden Ärzte belegt. Eine Erkrankung als Verlegungsgrund ist aber nicht zwingend bei Antragstellung durch Attest glaubhaft zu machen, denn nach § 202 SGG iVm § 227 Abs 2 ZPO sind die erheblichen Gründe erst auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen. Der Kläger hat im Übrigen seinerseits alles ihm Obliegende getan, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Er hat offenbar am 12.7.2010 (mithin zwei Tage vor dem Termin) mit der Geschäftsstelle des Gerichts telefoniert, um Klarheit über sein Vertagungsgesuch zu gewinnen. Er musste als unvertretener Beteiligter nicht allein aufgrund der Kürze der noch verbleibenden Zeit davon ausgehen, dass dem Vertagungsgesuch zwingend ein Attest beizufügen gewesen wäre.

9

Anderes kann gelten, wenn offenkundig Prozessverschleppungsabsicht besteht. Hiervon konnte das LSG jedoch nach dem bisherigen Stand des Berufungsverfahrens nicht ohne Weiteres ausgehen. Der Kläger hatte zwar zweimal um Verlängerung der vom Gericht gesetzten Frist zur Begründung der Berufung gebeten und die Berufung auch bis zum Termin nicht begründet. Er hatte diesen Vortrag im März 2010 jedoch mit ärztlichen Unterlagen belegt, die das Gericht nicht (für ihn erkennbar) in Zweifel gezogen hat. Soweit beim Gericht bereits im Laufe des schriftlichen Verfahrens der Eindruck entstanden sein sollte, die Gründe für die verzögerten Stellungnahmen des Klägers seien aus prozesstaktischen Motiven vorgeschoben, hätte es seiner Pflicht entsprochen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass weiterer Aufschub und ggf eine Verlegung des Termins nur nach entsprechender Glaubhaftmachung durch im einzelnen nachvollziehbare Atteste in Betracht komme. Ohne dass es dem unvertretenen Kläger zuvor Hinweise dahin gegeben hatte, dass sein bisheriger Vortrag im Hinblick auf seine Erkrankungen künftig nicht mehr als ausreichend angesehen werde, durfte es auch den kurzfristig gestellten Vertagungsantrag nicht übergehen.

10

Aus der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BFH, der sich das Bundessozialgericht (BSG) insoweit bereits angeschlossen hat, folgt kein anderes Ergebnis. BFH und BSG haben die strengeren Voraussetzungen bei der Prüfung kurzfristig gestellter Terminverlegungsgesuche auf die Fälle beschränkt, in denen der Kläger anwaltlich vertreten ist. Wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist, ist das Gericht auch bei kurzfristig gestellten Anträgen zu einem Hinweis oder zur Aufforderung an den Betroffenen, seinen Vortrag zu ergänzen, oder zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl zuletzt BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - Juris RdNr 13 unter Hinweis auf BSG vom 28.4.1999, USK 99111 S 650 f = Juris RdNr 17; BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 17; BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - Juris RdNr 5; ebenso BFH vom 19.8.2003, DStRE 2004, 540, 541 = Juris RdNr 21 iVm 25). Andernfalls hat es dem Vertagungsantrag nachzukommen. Der Berichterstatter am LSG hat zwar versucht, den Kläger zu erreichen, aber erfolglos, sodass die aufgezeigten Voraussetzungen nicht vorlagen.

11

Die angefochtene Entscheidung kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der anberaumten mündlichen Verhandlung in der Tat verhandlungsunfähig war. Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Entscheidung beeinflusst hat; einer Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden ist, bedarf es nicht (vgl nur BSG vom 16.11.2000, SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62).

12

Der Senat kann offen lassen, ob die gerügten weiteren (Verfahrens)Fehler vorliegen.

13

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin Z., G., beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig sind die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seinem Sohn für den streitigen Zeitraum anstelle der geltend gemachten tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 652,85 Euro, KdU in Höhe von 372 Euro. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 29.10.2010 gewandt, das davon ausgegangen ist, dass er tatsächlich keinen Mietzinsforderungen ausgesetzt war. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bat der Berichterstatter um Mitteilung zu den Einzelheiten einer Eigentumsübertragung (Schreiben vom 19.9.2013). Mit Fax vom 24.9.2013 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Verhandlungstermin am 25.9.2013 wahrzunehmen. Diesen Antrag hat des LSG mit Fax vom gleichen Tag abgelehnt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 25.9.2013).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers, für deren Durchführung er die Bewilligung von PKH begehrt. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil dem Antrag seiner Bevollmächtigten auf Vertagung nicht stattgegeben worden sei. Das Berufungsgericht habe nicht verlangt, dass deren gesundheitsbedingte Verhinderung glaubhaft gemacht werde. Eine Entscheidung ohne seine Anhörung habe nicht ergehen dürfen, zumal noch sechs Tage vor dem mündlichen Verhandlungstermin mit Verfügung vom 19.9.2013 um Mitteilung der näheren Umstände zu einer Eigentumsübertragung gebeten worden sei. Aufgrund der kurzen Zeitspanne bis zum mündlichen Verhandlungstermin habe er diese Anfrage nicht mehr schriftlich, sondern hätte diese erst im Termin beantworten können. Die angefochtene Entscheidung könne hierauf beruhen.

4

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

5

Die Prozessbevollmächtigte hat den Terminsverlegungsantrag hier erst am 24.9.2013 gestellt und ihre Erkrankung weder durch Attest nachgewiesen noch weitere Erläuterungen gegeben oder Nachweise angeboten. Gleiches gilt für den (wiederholten) Verlegungsantrag vom 25.9.2013. Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 mwN; BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B -, Juris RdNr 12). Bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (sa BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 7; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 6).

6

Jedenfalls - wie hier - bei einem anwaltlich vertretenen Kläger ist das Gericht bei einem erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw Verlegungsantrags im Regelfall weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12 f mwN). Nach den Gesamtumständen lagen hier keine Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise gegebene Nachfragepflicht des LSG vor. Das Berufungsgericht hat unverzüglich auf den Verlegungsantrag der Bevollmächtigten reagiert und durch Faxmitteilung vom 24.9.2013 klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass es dem Verlegungsantrag in der gestellten Form nicht stattgeben werde. Vor diesem Hintergrund hätte diese erkennen können und müssen, dass eine ggf kurzfristig eingetretene Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist.

7

Die Bewilligung von PKH war abzulehnen, weil die Beschwerde aus den zuvor dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. November 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9264 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise, wobei der Kläger die Verfahrensweise des Beschwerdeausschusses für grundsätzlich klärungsbedürftig hält.

2

Der Kläger war seit 1990 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die Abrechnungswerte je Fall lagen bei ihm - bei weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen - in den geprüften Quartalen um 61 %, 63 % und 49 % über den Durchschnittswerten der Gruppe der Allgemeinzahnärzte. Der Prüfungsausschuss beließ dem Kläger das 1,4-fache der durchschnittlichen Gesamtfallwerte; die darüber hinausgehenden Beträge reduzierte er mit Rücksicht darauf, dass das Honorar ohnehin aufgrund von Honorarverteilungsbemessungsgrenzen gekappt worden war. Es verblieb eine Honorarkürzung von ca 9260 Euro.

3

Der Kläger erhob Widerspruch. Nach Erhalt der Ladung des beklagten Beschwerdeausschusses zur Sitzung am 8.12.2004 - 13 Uhr - bejahten seine Bevollmächtigten zunächst mit Empfangsbekenntnis vom 17.11.2004 die Teilnahme der Klägerseite. Dann beantragten sie aber die Verlegung des Termins wegen einer bereits langfristig geplanten Verpflichtung des Klägers (Telefax am 23.11.2004). Die Reaktion des Beklagten, dass diese Angabe zum Verhinderungsgrund nicht ausreichend substantiiert sei, um eine Terminverlegung zu rechtfertigen, blieb unbeantwortet. Die bevollmächtigte Rechtsanwältin gab in einem Telefongespräch am Vortag des Sitzungstermins, in dem sie noch um Übersendung der PAR- und ZE-Statistiken bat, ausweislich eines Aktenvermerks der Sachbearbeiterin des Beklagten auf deren Nachfrage nach der Terminwahrnehmung an, der Kläger habe gesundheitliche Probleme und sie - die Bevollmächtigte - werde daher den Termin möglicherweise allein wahrnehmen oder es werde niemand erscheinen. Am selben Tag - mit Telefax vom 7.12.2004, 11:21 Uhr - beantragte sie wiederum die Verlegung des Termins, nunmehr mit der Begründung, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen an der Sitzung nicht teilnehmen könne, aber eine persönliche Anhörung begehre, weswegen auch sie nicht teilnehmen werde. Dem war eine ärztliche Bescheinigung vom 6.12.2004 beigefügt, die von einer allgemeinärztlichen Gemeinschaftspraxis ausgestellt war und dem Kläger attestierte, aus medizinischen Gründen derzeit nicht in der Lage zu sein, sich psychischen Stresssituationen auszusetzen - dies würde sich negativ auf den Verlauf einer Krankheit, deren Diagnostik zur Zeit noch weitergeführt werde, auswirken -; er sei außer Stande, einer aufregenden psychischen Situation adäquat gegenüberzustehen.

4

An der Sitzung des Beklagten am 8.12.2004 nahmen weder der Kläger noch ein Bevollmächtigter teil. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 26.4.2005). Das vom Kläger angerufene SG hat die Klage abgewiesen, unter anderem mit Hinweis darauf, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, am 8.12.2004 in seiner Praxis gearbeitet zu haben (Urteil des SG vom 7.12.2005). Das LSG hat seine Berufung zurückgewiesen (Beschluss des LSG vom 23.11.2009).

5

Das LSG hat in seinem Beschluss auf die Urteilsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, ein Anspruch auf Terminverlegung bestehe nur bei erheblichen Gründen bzw bei ausreichender Entschuldigung. Der im Falle kurzfristiger Verlegungsanträge erhöhten Darlegungs- und Nachweispflicht trage das vorgelegte Attest nicht ausreichend Rechnung. Praktische Ärzte und Fachärzte für Allgemeinmedizin seien in der Regel nicht qualifiziert, die Verhandlungsfähigkeit fachgerecht zu beurteilen, zumal wenn - wie hier - die psychische Fähigkeit zur Sitzungsteilnahme in anwaltlicher Begleitung bei bestehender Arbeitsfähigkeit als Zahnarzt zu beurteilen sei. Der Beklagte habe nicht fernmündlich ergänzende Informationen bei den Ärzten, die die Verhandlungsunfähigkeit attestiert hätten, einholen müssen. Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keine Unterschiede der Struktur seiner Praxis im Vergleich zu einer durchschnittlichen allgemeinzahnärztlichen Praxis dargelegt, die die Kürzung des Honoraranspruchs als rechtswidrig erscheinen lassen könnten.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen. Die von ihm erhobene Rüge grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat keinen Erfolg.

8

Der Senat lässt offen, ob das Vorbringen des Klägers, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entspricht oder ob er nicht Ausführungen dazu hätte machen müssen, inwiefern die von ihm vermisste Vertagung der Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuss zu einem anderen inhaltlichen Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung hätte führen können. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, denn nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung sind erfüllt.

9

Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage durch die vorliegende Rechtsprechung bereits geklärt ist (siehe zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3 mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f).

10

           

Den vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen,

        

ob praktische Ärzte und Fachärzte für Allgemeinmedizin fachlich qualifiziert sind, die Verhandlungsfähigkeit eines Patienten fachgerecht zu beurteilen, insbesondere, Stellung zur psychischen Fähigkeit zur Teilnahme an einer Sitzung des Beschwerdeausschusses zu nehmen,
und,
ob ein Ausschuss bei Vorliegen eines ärztlichen Attestes weitere Nachforschungen zur Verhandlungsunfähigkeit einer Prozesspartei anzustellen hat, soweit es die Darlegungen des Arztes für nicht ausreichend hält,

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die meisten für den Fall des Klägers einschlägigen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt (unten 1.). Soweit noch keine Klärung erfolgt ist, ist das für den Fall des Klägers irrelevant (unten 2.).

11

1. Höchstrichterliche Entscheidungen haben die zentralen Fragen im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Verlegung eines Verhandlungstermins bereits geklärt:

12

Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht bzw das Entscheidungsgremium ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw Reiseunfähigkeit besteht (vgl BFH vom 1.4.2009, ZSteu 2009, R674 = Juris RdNr 5 iVm 7 mwN; BFH vom 27.1.2010 - VIII B 221/09 - Juris RdNr 5 iVm 7; siehe auch BFH vom 7.4.2004, BFH/NV 2004, 1282, 1283 f = Juris RdNr 17; BFH vom 5.7.2004, BFH/NV 2005, 64, 66 = Juris RdNr 12; BFH vom 10.4.2006, BFH/NV 2006, 1332, 1333 f = Juris RdNr 17 iVm 20; BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 3). Dies erfordert, dass das Gericht bzw das Gremium aus der Bescheinigung Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann (vgl BFH vom 5.7.2004, BFH/NV 2005, 64, 66 = Juris RdNr 12; siehe auch BFH vom 10.4.2006, BFH/NV 2006, 1332, 1333 f = Juris RdNr 17 iVm 21; BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 3; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 4). Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 7; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 6).

13

Ist diesen Anforderungen nicht Genüge getan, so ist die Reise- bzw Verhandlungsunfähigkeit nicht dargetan. Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Verlegungsantrags ist das Gericht bzw das Gremium weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern, noch, selbst Nachforschungen anzustellen zB durch Nachfrage bei dem Betroffenen und/oder bei dem Arzt, der die Bescheinigung ausstellte (vgl BFH vom 1.4.2009, ZSteu 2009, R674 = Juris RdNr 6; siehe auch BFH vom 7.4.2004, BFH/NV 2004, 1282, 1283 f = Juris RdNr 17; BFH vom 5.7.2004, BFH/NV 2005, 64, 66 = Juris RdNr 13; aA - vereinzelt in jeweils besonderen Fallgestaltungen - zB LSG Berlin vom 10.6.2004 - L 3 B 14/04 U - Juris RdNr 11, möglicherweise im Falle eines anwaltlich nicht vertretenen Klägers; aA ebenso zur Sonderkonstellation eines Rechtsstreits wegen der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer BVerwG vom 8.11.1989 - 6 C 42/87 - NVwZ-RR 1990, 257 = Juris RdNr 16). Nur, wenn der Verlegungsantrag früher gestellt worden wäre, wäre das Gericht bzw das Gremium zu einem Hinweis oder zur Aufforderung an den Betroffenen, seinen Vortrag zu ergänzen, oder zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl hierzu zB BFH vom 19.8.2003, DStRE 2004, 540, 541 = Juris RdNr 21 iVm 25). Dies würde weiterhin dann gelten, wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist (zu solchen Fällen siehe zB BSG vom 28.4.1999, USK 99111 S 650 f = Juris RdNr 17 iVm 18; BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 17; BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - Juris RdNr 5; ebenso BFH vom 19.8.2003, DStRE 2004, 540, 541 = Juris RdNr 21 iVm 25). Eine solche Fallkonstellation liegt hier indessen nicht vor, weil der Kläger im Verfahren vor dem Beklagten anwaltlich vertreten war.

14

Diese höchstrichterlich geklärten Grundsätze stellen eine abgesicherte Grundlage dafür dar, dass das LSG hat entscheiden können, dass der Beklagte den Antrag des Klägers, der die Terminverlegung wegen angeblicher Verhandlungsunfähigkeit erst 26 Stunden vor dem Beginn der Sitzung beantragt hatte, ablehnen durfte und nicht zuvor noch nähere Nachforschungen - sei es bei dem Kläger, sei es bei den Ärzten, die die Bescheinigung ausgestellt hatten - hätte anstellen müssen.

15

2. Ein weiterer Aspekt, der noch grundsätzlicher Klärung bedürfen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere bedarf es nicht mehr der Klärung der vom Kläger aufgeführten Rechtsfrage, ob praktische Ärzte und Fachärzte für Allgemeinmedizin fachlich qualifiziert sind, die Verhandlungsfähigkeit eines Patienten hinreichend zu beurteilen und insbesondere Stellung zur psychischen Fähigkeit zur Teilnahme an einer Sitzung des Beschwerdeausschusses zu nehmen (vgl dazu, dass die lediglich pauschale Angabe von Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt für Allgemeinmedizin nicht ausreicht: BFH vom 10.10.2001, BFH/NV 2002, 365, 366 = Juris RdNr 16 am Ende). Denn auf diese Frage kommt es nicht an, sodass es insoweit an der Entscheidungserheblichkeit und damit an der sog Klärungsfähigkeit fehlt.

16

Die vorliegend eingereichte ärztliche Bescheinigung wäre nämlich selbst dann unzureichend, wenn ein Facharzt sie ausgestellt hätte. Denn wenn ein Beteiligter anwaltlich vertreten ist und die Terminverlegung erst einen Tag vor der Sitzung beantragt, muss er nach den oben dargestellten Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung eine substantiierte ärztliche Bescheinigung vorlegen, aus der sich Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung in einer Weise entnehmen lassen, dass das Gericht bzw das Gremium auf ihrer Grundlage die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Diesen Anforderungen genügte die vom Kläger eingereichte ärztliche Bescheinigung erkennbar nicht. Dementsprechend durfte das LSG die geltend gemachte Verhandlungsunfähigkeit als nicht hinreichend glaubhaft gemacht ansehen.

17

Zweifel an der Glaubhaftigkeit der angeblichen krankheitsbedingten Verhinderung des Klägers drängten sich zusätzlich angesichts des wiederholt wechselnden Vortrags auf: Die Bevollmächtigten des Klägers hatten zunächst mit Empfangsbekenntnis vom 17.11.2004 eine Teilnahme an der Sitzung am 8.12.2004 angekündigt, dann aber die Verlegung des Termins unter Berufung auf eine bereits langfristig geplante Verpflichtung des Klägers beantragt, dies allerdings trotz der Beanstandung des Beklagten nicht näher substantiiert, und schließlich hatte der Kläger an dem Sitzungstag in seiner Zahnarztpraxis gearbeitet.

18

3. Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen besonderen Umstände liegt im Übrigen eine so deutliche Prägung durch den konkreten Fall vor, dass etwaige grundsätzliche Rechtsfragen überlagert wären und deshalb keine Aussicht auf eine grundsätzliche Klärung "über den Einzelfall hinaus" bestünde (vgl hierzu zB BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11; BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 39 f).

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16).

20

Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt entsprechend den im Berufungsurteil zugrunde gelegten Honorarkürzungsbeträgen, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind (vgl LSG-Beschluss S 3, aber ohne die vom LSG aaO S 13 vorgenommene Halbierung; hiergegen siehe BSG vom 23.2.2005 - B 6 KA 72/03 R - Juris RdNr 33 = Die Leistungen - Beilage Rechtsprechung - 2006, 273, 284, und Wenner/Bernard, NZS 2001, 57, 64; 2003, 568, 572; 2006, 1, 7).

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.