Bundessozialgericht Urteil, 13. Okt. 2010 - B 6 KA 48/09 R

bei uns veröffentlicht am13.10.2010

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozial-gerichts vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

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Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regressbescheides wegen der Verordnung von zwei Arzneimitteln für Krebskranke.

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Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin (Arzt für Onkologie und für Pneumologie ), Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes eines Krankenhauses mit einem Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Er verordnete in den Quartalen II/2001, IV/2002 und I bis III/2003 bei Patienten, die bei der zu 1. beigeladenen Krankenkasse (KK) versichert waren, die Arzneimittel Megestat und Dronabinol. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger einen Regress von ca 1960 Euro fest; die beklagte Prüfungseinrichtung wies den Widerspruch des Klägers zurück (Bescheide vom 23.9.2004 und vom 5.1.2006) : Megestat sei nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen; die vom Kläger behandelten Patienten seien dagegen an Bronchialkrebs oder Karzinomen der Thoraxorgane erkrankt gewesen. Das Arzneimittel Dronabinol sei in Deutschland überhaupt nicht zugelassen.

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Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 30.4.2008; Urteil des LSG vom 6.10.2009, Parallelurteil veröffentlicht in NZS 2010, 394, und in einer Kurzfassung in MedR 2010, 256). Im Urteil des LSG ist unter anderem ausgeführt, der Kläger habe die Arzneimittel Megestat und Dronabinol nicht zu Lasten der gesetzlichen KK verordnen dürfen. Megestat sei nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen. Die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen bei anderen Tumorerkrankungen zur Behebung der Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) stellten keinen zulässigen Off-Label-Use dar. Ausreichende wissenschaftlich nachprüfbare Studien, die die Eignung und Unbedenklichkeit der Arzneimittel auch im Falle anderer Krebsarten, insbesondere bei Bronchialkrebs, belegen könnten, ergäben sich aus den vorliegenden und den vom Kläger angeführten Stellungnahmen nicht. Es fehle auch an der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der Risiken thromboembolischer und vaskulärer Komplikationen. Das vom Kläger verordnete Dronabinol sei in Deutschland überhaupt nicht zugelassen, es sei hier nur als Rezepturarzneimittel verkehrsfähig. So unterliege es nicht dem Zulassungsverfahren nach dem AMG; aber die damit durchgeführte pharmakologische Therapie erfordere eine empfehlende Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V oder, da eine solche nicht vorliege, sonstiger ausreichender Belege ihrer Eignung und Unbedenklichkeit. Solche Belege lägen aber für die bei den Patienten des Klägers in Rede stehenden Krebserkrankungen nicht vor; auch hier fehle es an der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der genannten Risiken. Die Zulässigkeit der Verordnungen von Megestat und/oder Dronabinol ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der abgeschwächten Anforderungen des BVerfG-Beschlusses vom 6.12.2005. Denn die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen dieser Arzneimittel seien nicht darauf angelegt, auf die lebensbedrohliche (Krebs-)Erkrankung selbst einzuwirken, sondern hätten sich allein gegen die im Endstadium dieser Erkrankung auftretende Kachexie gerichtet. Der Gesichtspunkt, dass dies die Lebensqualität des Erkrankten in seiner Endphase insgesamt deutlich verbessert habe, reiche nicht aus.

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Mit seiner Revision erhebt der Kläger sowohl inhaltliche als auch verfahrensbezogene Rügen. Das LSG habe verkannt, dass ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit der von ihm - dem Kläger- vorgenommenen Behandlungen vorgelegen hätten. Als Beleg dürften außerhalb des AMG-Zulassungsverfahrens keine sog Phase III-Studien gefordert werden, vielmehr reiche der Konsens in einschlägigen Fachkreisen über den voraussichtlichen Nutzen aus. Dieser Konsens werde durch die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Veröffentlichungen und Stellungnahmen, insbesondere auch die zusammenfassenden Metaanalysen, belegt. Das LSG habe die vorgelegten umfangreichen Studien nicht angemessen ausgewertet. Wenn das LSG diese nicht als ausreichend angesehen habe, hätte es ein Sachverständigengutachten einholen müssen; hierzu hätte es sich angesichts der Mängel des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) gedrängt fühlen müssen. Bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen des LSG hätte sich ergeben, dass schon im Zeitpunkt der von ihm - dem Kläger - durchgeführten Behandlungen ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit vorgelegen hätten und ein Konsens in Fachkreisen bestanden habe. Die Rechtswidrigkeit des Regresses ergebe sich ferner daraus, dass ein Anspruch der Versicherten auf die durchgeführten Behandlungen aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) bestanden habe. Außer einer - auch vom LSG anerkannten - lebensbedrohlichen Erkrankung und dem Fehlen einer Therapiealternative habe auch eine Aussicht auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden. Zwar seien die Behandlungen mit Megestat und Dronabinol nicht auf die Heilung des Tumors als solchen angelegt gewesen, aber sie seien gegen die mit diesem Grundleiden einhergehende - nicht eigenständige - (Begleit-)Erkrankung der (Tumor-)Kachexie gerichtet gewesen und durch die Bekämpfung der damit einhergehenden weiteren Krankheitsauswirkungen wie starke Abmagerung, allgemeiner Kräfteverfall, Appetitlosigkeit und Apathie geeignet gewesen, eine Gewichtszunahme, eine Stärkung des Organismus und eine Förderung des psychischen Wohlbefindens und des Lebenswillens zu bewirken und damit zu einer Verlängerung der lebenswerten Lebenszeit und auch zu einer - manchmal sogar signifikanten - Verlängerung des Lebens insgesamt zu führen. Die Annahme des LSG, er - der Kläger - habe die Verlängerung der Lebensdauer nicht als Behandlungsziel angegeben, sei unrichtig; wenn das LSG sein Vorbringen derart eingeschränkt gesehen habe, hätte es ihn zumindest darauf hinweisen müssen. Die Auffassung, die Anwendungen von Megestat und Dronabinol seien ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensqualität und nicht auf die Verlängerung der Lebensdauer gerichtet gewesen, verletze die Grenzen der freien Beweiswürdigung; sie sei auch weder als Erfahrungssatz noch medizinisch begründbar. Aber selbst wenn man die Lebensverlängerung außer Betracht lasse, sei nach den Vorgaben des BVerfG eine Leistungspflicht anzuerkennen. Der Entscheidung vom 6.12.2005 sei nicht zu entnehmen, dass sich die spürbare positive Auswirkung auf die lebensbedrohliche Krankheit selbst beziehen müsse. Der vorliegende Fall der Linderung von Krankheitsbeschwerden einer lebensbedrohlichen Erkrankung werde von den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG mitumfasst. Nicht tragfähig sei schließlich das Argument des LSG, durch Akzeptieren der Behandlung mit Megestat und/oder Dronabinol würde das Erfordernis der Arzneimittelzulassung und das Arzneimittelzulassungsverfahren entwertet. Bei schwerwiegenden Krebserkrankungen falle nach dem Grundsatz "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen", die Nutzen-Risiko-Analyse eindeutig positiv aus. Dabei sei eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Behandlung durch den Kläger als langjährigem Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes an dem einer Universität angeschlossenen Lehrkrankenhaus evident gewährleistet.

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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 2009, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2006 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das Urteil des LSG. Das LSG habe zu Recht verneint, dass die Eignung und Unbedenklichkeit der vom Kläger durchgeführten Behandlungen mit Megestat und/oder Dronabinol hinreichend belegt seien. Die Studien belegten auch keinen Konsens über eine Verbesserung der Lebensqualität durch solche Behandlungen, zumal nicht für den Zeitpunkt der durchgeführten Behandlung. Jedenfalls sei deren Einsatz nicht darauf ausgerichtet gewesen, auf die lebensbedrohliche Tumorerkrankung selbst einzuwirken. Zudem würden unkalkulierbare Risiken in Kauf genommen, sodass ein Heilversuch vorliege, der gesonderten Regelungen und Voraussetzungen unterliege. Es reiche nicht aus, dass der Kläger für seine Patienten angebe, diese hätten von der Arzneigabe kurzfristig profitiert. Auch hätte er die Entwicklung bei seinen Patienten umfassend dokumentieren müssen.

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Die Beigeladenen geben im Revisionsverfahren keine Stellungnahme ab.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

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A. Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die auch in den weiteren Jahren 2001 bis 2003 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V für Verordnungsregresse in Fallkonstellationen der vorliegenden Art vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 iVm 21 ff mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R - RdNr 16 iVm 25 f mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) . Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) , geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R - RdNr 16) . Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14) .

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Wie sich aus den Urteilen des Senats vom 5.5.2010 und vom 18.8.2010 ergibt, handelt es sich bei den vorliegenden Streitigkeiten über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von Arzneiverordnungen um einen Fall des § 106 SGB V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte(BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 20 bis 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, und BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R - RdNr 25 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) . Denn vorliegend steht ein Fehler der Verordnung selbst in Frage, wie dies bei Verstößen gegen die Arzneimittel-Richtlinie bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel und auch bei Verordnungen außerhalb der nach dem AMG erteilten Zulassung der Fall ist (vgl BSG vom 18.8.2010 aaO RdNr 25 am Ende) .

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B. Der Regressbescheid war rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 SGB V waren erfüllt. Der Kläger durfte die Arzneimittel Megestat und Dronabinol nicht zur Behandlung der Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) bei Bronchialkarzinomen und Tumoren der Thoraxorgane verordnen.

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Dies folgt für Megestat daraus, dass dessen Zulassung nach dem AMG nur für die Anwendung bei der Kachexie im Falle von Brust- und Gebärmutterkrebs erfolgt war, sodass die Verordnung von Megestat bei anderen Krebsarten einen Off-Label-Use darstellte. Dessen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, insbesondere waren die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes dieses Arzneimittels nicht ausreichend belegt (unten 1.). Für Dronabinol ergibt sich die Unzulässigkeit der Verordnungen des Klägers daraus, dass es in Deutschland nicht zugelassen, hier vielmehr nur als Rezepturarzneimittel verkehrsfähig war, ohne dass aber der G-BA für eine pharmakologische Therapie unter Einsatz dieses Medikaments eine empfehlende Richtlinie gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V erlassen hat. Es lagen auch keine sonstigen ausreichenden Belege seiner Eignung und Unbedenklichkeit vor (unten 2.). Schließlich können die Verordnungen von Megestat und Dronabil auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung und den dafür vom BVerfG herausgestellten abgeschwächten Anforderungen gerechtfertigt werden (unten 3.).

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1. Die Verordnungsfähigkeit eines Fertigarzneimittels wie Megestat ist in erster Linie danach zu beurteilen, mit welchen Maßgaben es im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG zugelassen wurde. In diesem Verfahren werden Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand vom Arzneimittelhersteller vorzulegender Studien überprüft (vgl §§ 21, 22, 24, 25 Abs 5 Satz 1 AMG) . Die Zulassung des Arzneimittels erfolgt nicht unbegrenzt, sondern nur nach Maßgabe der anhand der Studien ausgewiesenen und überprüften Anwendungsgebiete (vgl § 22 Abs 1 Nr 6 AMG und dazu BSGE 89, 184, 186 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30 f). So erfolgte die Zulassung von Megestat, wie im Urteil des LSG festgestellt worden ist, für die palliative Behandlung bei Brust- und Gebärmutterkrebs und hier für den Einsatz gegen die bei solchen Krebsbehandlungen auftretende Kachexie.

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Der Kläger setzte Megestat indessen nicht in diesem Anwendungsgebiet ein. Zwar waren die Verordnungen des Klägers auch gegen die bei Krebsbehandlungen auftretende Kachexie gerichtet, aber nicht im Zusammenhang mit Brust- und Gebärmutterkrebs von Frauen. Er verordnete Megestat vielmehr gegen die Kachexie insbesondere bei fortgeschrittenen Bronchialkarzinomen und Tumoren der Thoraxorgane. Mithin lag ein Off-Label-Use vor.

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Ein Off-Label-Use ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht das Verfahren nach dem AMG durchlaufen wurde, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Wie vom 1. Senat des BSG in langjähriger Rechtsprechung wiederholt herausgestellt und vom 6. Senat weitergeführt worden ist, müssen für einen zulässigen Off-Label-Use - zum einen - eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf - zum anderen - keine andere - zugelassene - Therapie verfügbar sein, und - zum dritten - aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (so zB BSG vom 28.2.2008, SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 21, 23, 26 mit Hinweis auf die stRspr; vgl auch Senatsurteile vom 5.5.2010, zB - B 6 KA 6/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 27 RdNr 51 f und - B 6 KA 20/09 R - in RdNr 46 f sowie - B 6 KA 24/09 R - in RdNr 18 ff). Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG vom 28.2.2008 aaO RdNr 21). Das Erfordernis der Aussicht auf einen Behandlungserfolg umfasst dabei nicht nur die Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels, sondern schließt auch ein, dass mit der Medikation keine unvertretbaren Nebenwirkungen und Risiken verbunden sein dürfen. Gerade die Notwendigkeit der Analyse und Gewichtung eventueller unzuträglicher Nebenwirkungen ist ein zentrales Element des Überprüfungsstandards, auf den die Neugestaltung des AMG vom 24.8.1976 ausgerichtet ist, deren Konzeption ihren Ursprung in den Erfahrungen der 1960er Jahre mit den nicht ausreichend analysierten Nebenwirkungen von Contergan hat (vgl hierzu BR-Drucks 552/74 S 43 und BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 21) . Soll die Verordnung eines Arzneimittels ausnahmsweise ohne derartige Gewähr der Arzneimittelsicherheit in Betracht kommen, so müssen für diesen Off-Label-Use anderweitig Qualitätsstandards, die dem Einsatz im Rahmen der Zulassungsindikation vergleichbar sind, gewährleistet und hinreichend belegt sein. Dabei muss auch gesichert sein, dass von der Off-Label-Medikation keine unzuträglichen Nebenwirkungen ausgehen; die Patienten sollen vor unkalkulierbaren Risiken geschützt werden (vgl BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22 RdNr 18 mwN; s auch zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 33).

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Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, sind nicht alle für einen Off-Label-Use bestehenden Regelvoraussetzungen erfüllt. Das LSG hat, ohne dass seine Ausführungen insoweit revisionsgerichtlich zu beanstanden wären (zu den vom Kläger dagegen erhobenen Verfahrensrügen siehe unten D.) , ausgeführt, dass es sich zwar bei fortgeschrittenen Bronchialkarzinomen und Tumoren der Thoraxorgane um schwerwiegende Erkrankungen handelt. Das LSG hat auch die weitere Voraussetzung, dass keine andere zugelassene Therapie zur Verfügung gestanden hat, tendenziell bejaht: Es hat dargelegt, die Ansicht der Beklagten sei unzutreffend, die Patienten könnten auf die Gabe hochkalorischer Kost verwiesen werden; denn dies stelle keine gleichwertige Alternative dar. Damit würde zwar die tumorinduzierte Kachexie behandelt, aber nicht - wie mit Megestat - erreicht, dass der Patient wieder mit Appetit natürliche Nahrung zu sich nehme. Ferner hat das LSG ins Feld geführt, dass die Gabe hochkalorischer Kost nicht selten zu Verdauungsproblemen führe (Diarrhoe). Das LSG hat über das Vorliegen dieser Voraussetzung (Fehlen einer anderen zugelassenen Therapie) allerdings nicht abschließend entschieden, dies vielmehr offengelassen, weil es jedenfalls an der dritten Voraussetzung fehle, nämlich an ausreichenden Belegen für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg: Das LSG hat hierzu ausgeführt, dass diese dritte Voraussetzung nur dann erfüllt wäre, wenn im Behandlungszeitpunkt entweder bereits eine klinische Prüfung mit Phase III-Studien veröffentlicht und ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt worden wäre oder wenn sonstwie zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorgelegen hätten, aufgrund derer sich in den einschlägigen Fachkreisen ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der angewendeten Methode gebildet hätte. Das LSG hat die dritte Voraussetzung für einen zulässigen Off-Label-Use in unbedenklicher Weise als nicht erfüllt angesehen.

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Im Einzelnen hat das LSG - unter anderem unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK vom 17.4.2003, das im Widerspruchsverfahren von der Beklagten eingeholt worden war - Folgendes ausgeführt: Bis 2003 gab es keine Phase III-Studien zum Einsatz von Megestat zur Bekämpfung der Kachexie bei anderen Krebsarten als Brust- und Gebärmutterkrebs. Die Studie, an der auch der Kläger selbst beteiligt war, betraf nur 33 Patienten; zudem wurde darin konzediert, dass noch eine Reihe von Fragen offen geblieben war und noch eine Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie erforderlich sei. Andere Studien kamen zwar zum Ergebnis einer Verbesserung der Kachexie, aber vielfach mit der Einschränkung, dass dies nicht mit einer Verbesserung der Lebensqualität einhergehe. Es wurden auch erhebliche Nebenwirkungen beschrieben wie Übelkeit/Erbrechen, Diarrhoe, Sodbrennen, Muskelkrämpfe, Müdigkeit, Kopfschmerzen und, wie das LSG weiterhin hervorgehoben hat, auch Thrombose und Embolie, womit tödliche Komplikationen und Lebensverkürzungen verbunden sein könnten.

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Das LSG hat weiter rechtsfehlerfrei aufgezeigt, dass sich nichts anderes aus der Zusammenfassung (dem sog abstract) einer Metaanalyse von Berenstein und Ortiz aus dem Jahr 2005 ergibt. Abgesehen davon, dass diese schon nicht ohne Weiteres für den früher gelegenen Verordnungs- und Regresszeitraum (bis 2003) maßgeblich sein kann, ergibt sie, dass auch im Jahr 2005 noch keine ausreichenden Belege für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit Megestat bei Bronchialkarzinom vorlagen. Auch sie erfüllten nicht die Voraussetzungen einer Phase III-Studie an einem größeren Patientenkollektiv. Zwar bezogen sie auch andere Studien - und damit insgesamt 4000 Patienten ein -, die aber teilweise andere Erkrankungen als Krebs betrafen; zudem bestätigten sie zwar, dass Megestat den Appetit verbessere und zur Gewichtszunahme führe, ergaben aber nicht den Schluss auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Auch die Zusammenfassung (das sog abstract) einer Metaanalyse von Lesniak/Bala/Jaeschke/Krzakowski aus dem Jahr 2008 ergab, wie im Urteil des LSG festgestellt, keine vorteilhaften Auswirkungen der Behandlung mit Megestat auf die gesamte Lebensqualität. Für eine valide Beurteilung wurde eine neue Studie für erforderlich gehalten.

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Gegen die Eignung und Unbedenklichkeit von Megestat für die Behandlung von Kachexie in Fällen von Bronchialkarzinomen und Karzinomen der Thoraxorgane spricht auch die aktualisierte Fachinformation mit Stand vom Januar 2009: In ihr sind, wie das LSG dargestellt hat, als Indikation nur die palliative Behandlung von Mammakarzinomen und Endometriumkarzinomen (Innenhaut der Gebärmutter) genannt, und die Anwendung von Megestat zur Behandlung anderer neoplastischer Erkrankungen wird ausdrücklich nicht empfohlen.

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Demnach fehlte es bei den vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von Megestat an einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Wie dargelegt, erfordert dies ausreichende Belege für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (oben RdNr 16) . Dies haben die im Verfahren eingeholten und die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen nicht ausreichend belegt. Wie das LSG ausgeführt hat, war der Kläger an einer der Studien zu Megestat sogar selbst beteiligt und diese ergab zusammengefasst, dass noch eine Reihe von Fragen offen war, sodass noch weiterer Überprüfungsbedarf gesehen wurde. Mithin war unter eigener Beteiligung des Klägers klargestellt, dass die Überprüfungen noch nicht zu einem abschließenden positiven Ergebnis gelangt waren, die Erprobungsphase vielmehr noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden konnte. Dabei ist auch von Bedeutung, dass die zahlreichen Studien keine Abwägung mit eventuell zu befürchtenden Nebenwirkungen im Falle anderer Krebsarten als Brust- und Gebärmutterkrebs enthielten, solche aber im Zusammenhang mit dem Einsatz von Megestat in vielfältiger und schwerwiegender Gestalt diskutiert wurden, bis hin zu lebensgefährdenden Komplikationen wie Thrombose und Embolie (zur Ausrichtung des AMG auf Arzneimittelsicherheit vgl oben RdNr 16) .

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Demgegenüber greift keine der vom Kläger erhobenen Einwendungen durch. Weder die von ihm gegen die Verfahrensweise des LSG vorgebrachten Rügen (hierzu im Einzelnen s unten D.) noch seine Einwände gegen die vom LSG zugrunde gelegten inhaltlichen Maßstäbe haben Erfolg. Der Senat folgt schon nicht seiner Ansicht, die vom LSG gestellten Anforderungen an die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse für einen zulässigen Off-Label-Use seien überzogen. Der Kläger meint, es werde mehr gefordert, als an wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt möglich und ethisch vertretbar sei. Für Krankheitsfälle der hier vorliegenden Art lasse sich kein Patientenkollektiv finden, das für eine Phase III-Studie ausreichend groß sei, das weiterhin einheitlich vorbehandelt werde und bei dem die Parameter zur Lebensqualität und Toxizität standardisiert erfasst werden könnten. Es müsse ausreichen, dass in den einschlägigen Fachkreisen aufgrund einer Vielzahl der veröffentlichten Erkenntnisse mit positiven Ergebnissen zur Appetitsteigerung und Gewichtszunahme sowie zum Allgemeinbefinden ein Konsens über den Nutzen einer Verabreichung von Megestat bestanden habe, wogegen etwaige Nachteile durch Nebenwirkungen und Risiken nicht ins Gewicht fallen könnten und zu vernachlässigen seien. Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen des LSG für den Off-Label-Use von Megestat keine Phase III-Studien vorliegen, konnten auch den anderen - weniger validen - Studien keine ausreichenden Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes von Megestat entnommen werden. Insbesondere ergab die Studie, an der der Kläger selbst teilnahm, dass - wie schon erwähnt - die Erprobungsphase noch nicht als abgeschlossen angesehen werden konnte. Das LSG hat auch keinen Konsens über die Eignung und Unbedenklichkeit der Anwendung von Megestat feststellen können, es hat vielmehr formuliert, dass für das Vorliegen eines Konsenses keine Anhaltspunkte vorlagen. Dieser Feststellung hat der Kläger mit seinem Einwand, schon im Zeitpunkt seiner Medikation habe in den Fachkreisen Konsens über Qualität und Wirksamkeit von Megestat bei Tumor-Kachexie bestanden, lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegengesetzt. Den vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen, die vom Revisionsgericht grundsätzlich als verbindlich zugrunde zu legen sind (§ 163 SGG) , lediglich die Behauptung anderer Tatsachen entgegenzusetzen, reicht revisionsrechtlich nicht aus (vgl BSGE 89, 250, 252 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24 S 123 mwN; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 1/09 R - RdNr 25, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .

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Die "Regel"voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use bei den vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von Megestat sind damit nicht erfüllt. Aber auch die vom BVerfG herausgestellten Anforderungen greifen nicht ein, wie noch unter 3. darzulegen ist.

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2. Für Dronabinol gilt im Ergebnis nichts anderes. Dronabinol ist allerdings anders als Megestat kein Fertigarzneimittel, für das eine Zulassung nach dem AMG erforderlich ist, sodass dementsprechend auch nicht die Maßstäbe des Off-Label-Use anwendbar sind. Dronabinol ist ein sog Rezepturarzneimittel und als solches nach dem AMG aufgrund der erteilten Herstellungserlaubnis (§ 13 AMG) auch verkehrsfähig, ohne dass eine Überprüfung seiner Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach dem AMG stattfinden musste oder stattgefunden hat (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbsatz 2 iVm § 47 AMG; s dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 30) . Mit der Verkehrsfähigkeit sind Rezepturarzneimittel zugleich auch verordnungsfähig, es sei denn, nach anderen Regelungen ist ein Anerkennungsverfahren erforderlich. Dies ist gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V der Fall, wenn der Einsatz des Arzneimittels Gegenstand einer neuen Arzneitherapie im Sinne dieser Regelung ist, für die dann entsprechend den Vorgaben dieser Vorschrift eine empfehlende Richtlinie erforderlich ist(zu diesen Zusammenhängen s ausführlich BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 26 ff; - zur Anwendung des § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V auch auf Behandlungen unter Anwendung von Hilfsmitteln: BSG - 3. Senat - vom 12.8.2009, BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 17 ff) .

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Dementsprechend bedurfte es für den Einsatz von Dronabinol grundsätzlich einer anerkennenden Richtlinie gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V. Denn es handelte sich um eine neue Arzneitherapie. Die Einordnung als Arzneitherapie ergibt sich aus dem Urteil des 1. Senats vom 27.3.2007 (USK 2007- 36 ); auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen, in denen der 1. Senat sich mit Behandlungen mit cannabinolhaltigen Arzneimitteln befasst hat und diese als eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung qualifiziert hat (vgl BSG USK aaO S 236 f; zur "Methode" iS des § 135 Abs 1 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 31 mwN).

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Eine unter Einsatz von Dronabinol durchgeführte Arzneitherapie ist auch "neu" iS des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Neu ist eine Behandlungsmethode zunächst dann, wenn sie erst nach Inkrafttreten des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V - also erst in der Zeit seit dem 1.1.1989 - als kassen- bzw vertragsärztliche Behandlungsmethode praktiziert worden ist. Neu ist auch eine Behandlungsmethode, für die eine entsprechende Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zunächst nicht bestand, diese vielmehr erst später - nach dem 1.1.1989 - in das Leistungsverzeichnis des EBM-Ä aufgenommen wurde (vgl BSG vom 22.3.2005, BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG vom 26.9.2006, SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 17-19; s auch BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f) . Nach diesen Abgrenzungen ist bei Arzneitherapien - bei Arzneimitteln ist kein Raum für die Schaffung einer Leistungsposition im EBM-Ä - darauf abzustellen, ob sie schon vor dem 1.1.1989 oder erst nach dem 1.1.1989 praktiziert wurden. Wurden sie schon vorher praktiziert, so sind sie nicht neu; dann käme nur eine Überprüfung durch den § 135 Abs 1 Satz 2 SGB V in Betracht, wonach die Verordnungsfähigkeit erst ausgeschlossen wäre, wenn der G-BA die Methode ausdrücklich für unvereinbar mit den Erfordernissen des § 135 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V erklärt hatte(§ 135 Abs 1 Satz 3 SGB V). Im vorliegenden Fall der Verordnung von Dronabinol wird weder vom LSG noch vom Kläger erwogen, es könnte sich um eine schon vor dem 1.1.1989 praktizierte Arzneitherapie handeln; vielmehr haben sowohl das LSG als auch der Kläger ihren Ausführungen zugrunde gelegt, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt.

27

Liegt eine neue Behandlungsmethode vor, ohne dass aber eine empfehlende Richtlinie des G-BA ergangen ist, so ist die Anwendung dieser Methode - dh hier eine Therapie unter Einsatz von Dronabinol - grundsätzlich unzulässig, es sei denn, ein Ausnahmetatbestand wäre erfüllt. Als Ausnahmetatbestand kommt vorliegend ein sog Seltenheitsfall, der ausnahmsweise zu einem Einzelimport oder zu einer Einzelanwendung berechtigen würde, nicht in Betracht; denn die Krankheitsbeschwerden, derentwegen der Kläger Dronabinol einsetzte, sind nicht so selten, dass sie sich systematischer Erforschung und Behandlung entzögen (zu diesen Voraussetzungen vgl zB BSG vom 27.3.2007, USK 2007-36 S 237; BSG vom 8.9.2009, BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22, RdNr 20) . Auch die besondere Situation, dass als Folge des Fehlens einer durch Richtlinie anerkannten Behandlungsmethode eine Versorgungslücke entsteht und ein Bedarf nach ihrem Einsatz auch ohne empfehlende Richtlinie des GBA besteht, war nicht gegeben. Ein solcher Bedarf würde voraussetzen, dass ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit der Methode vorliegen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 32 mwN) . Solche lagen indessen für Dronabinol ebenso wenig wie für Megestat vor; hierzu wird auf obige Ausführungen unter 1. (RdNr 17 ff) verwiesen.

28

3. Schließlich lagen auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BVerfG der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das AMG und durch § 135 Abs 1 SGB V zulässig sein kann, nicht vor. Allerdings hat das BVerfG in Erkrankungsfällen, die als hoffnungslos erscheinen, aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der daraus abzuleitenden Schutzpflicht entnommen, dass Therapiemethoden, die nach dem AMG oder dem SGB V an sich nicht angewendet werden dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen doch zulässig sind. Das BVerfG hat insoweit dem Versicherten einen erweiterten Behandlungsanspruch gemäß §§ 27 ff SGB V eingeräumt, was reziprok bedeutet, dass dann in entsprechender Weise der Arzt zur Gewährung der Behandlung bzw zur Verordnung des Arzneimittels berechtigt und verpflichtet ist.

29

a) Das BVerfG hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) . Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (BVerfG vom 30.6.2008, NJW 2008, 3556 RdNr 10; an die verfassungsrechtliche Rechtsprechung anknüpfend BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 35; BSG vom 14.12.2006, SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 20; BSG vom 27.3.2007, USK 2007-36 S 238; BSG vom 28.2.2008, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32; BSG vom 16.12.2008, USK 2008-73 S 575) . Das BVerfG hat in einer speziellen Situation - Apheresebehandlung in einem besonderen Fall - ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt (BVerfG vom 6.2.2007 - 1 BvR 3101/06 - RdNr 22, in Juris dokumentiert) .

30

Diese Grundsätze haben das BVerfG und das BSG auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine im vorgenannten Sinne lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder - wie das BSG es formuliert - eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl dazu BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 am Ende; BSG vom 14.12.2006, USK 2006-111 S 767/768; BSG vom 27.3.2007, USK 2007-36 S 237 unter 2.; BSG vom 28.2.2008, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9 RdNr 32 am Ende) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, erstreckt sich der Versorgungsanspruch des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus - dh sowohl bei Fehlen jeglicher Arzneimittelzulassung als auch bei Einsatz außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs - auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s hierzu BVerfG vom 30.6.2008 aaO; ebenso zB BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 19; BSG vom 28.2.2008, SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 30 mwN) . Dies bedeutet, verglichen mit den "Regel"voraussetzungen für einen Off-Label-Use bzw für eine gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftige, aber nicht anerkannte Behandlungsmethode, dass - über eine schwerwiegende Erkrankung hinausgehend - eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegen muss: Nur unter dieser Voraussetzung ist das Erfordernis ausreichender Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes des Arzneimittels bzw der Behandlungsmethode dahin abzuschwächen, dass eine nicht ganz fern liegende Aussicht positiver Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht.

31

Hat der erkrankte Versicherte nach diesen rechtlichen Maßstäben Anspruch auf die Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel, so darf nicht wegen der Verordnung dieses Medikaments ein Regress gegen den verordnenden Arzt festgesetzt werden.

32

b) Dabei ist stets der Ausgangspunkt des BVerfG zu beachten, nämlich dass nur insoweit, als eine lebensbedrohliche Erkrankung und deren Heilung in Frage steht, die erweiternde Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V geboten ist. Dementsprechend gilt der Maßstab, dass eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht, nur insoweit, als eine Aussicht auf Heilung der Grunderkrankung selbst oder auf positive Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung als solcher besteht. Nur in einer solchen Situation ist die dargelegte verfassungskonforme Erweiterung des Leistungsanspruchs des Versicherten gemäß §§ 27 ff SGB V veranlasst und gerechtfertigt. Diese (str)enge Sicht ist nicht etwa, wie gelegentlich geltend gemacht wird, durch die Entscheidung des BVerfG vom 6.2.2007 in Frage gestellt worden (BVerfG - 1 BvR 3101/06 -, in Juris dokumentiert) . Hierin hat das BVerfG lediglich klargestellt, dass bei der Frage, ob eine Behandlung auf eine lebensbedrohliche Erkrankung einwirkt, das sog Gesamtrisikoprofil mitzuberücksichtigen ist in dem Sinne, dass die Einwirkung auf einen Faktor im Gesamtrisikoprofil ausreicht. Damit ist aber nicht in Zweifel gezogen, dass es sich auch in solchen Fällen um die Einwirkung auf die lebensbedrohliche Erkrankung selbst handeln muss.

33

Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat auch das LSG zugrunde gelegt. Dementsprechend hat es das Erfordernis einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf als nicht erfüllt angesehen, denn die vom Kläger praktizierte Anwendung von Megestat und Dronabinol bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Bronchialkarzinom oder einem Karzinom der Thoraxorgane war nicht darauf gerichtet, die lebensbedrohliche Erkrankung als solche zu heilen oder positiv auf ihren Verlauf einzuwirken, sondern der Einsatz von Megestat und Dronabinol zielte "nur" auf die Verbesserung der Lebensqualität in dem Sinne, dass der Erkrankte wieder mit Appetit natürliche Nahrung zu sich nimmt und dadurch der tumorinduzierten Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) entgegengewirkt wird. Der Kläger wollte mit der Anwendung von Megestat und Dronabinol also nicht auf die lebensbedrohliche Erkrankung als solche einwirken, sondern nur deren weitere Auswirkungen abmildern. Dementsprechend hat das LSG zu Recht für den vorliegenden Fall die Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 als nicht einschlägig erachtet.

34

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es hier nicht darauf an, ob durch den Einsatz von Megestat und Dronabinol der Appetit von Patienten, die er wegen eines Bronchialkarzinoms oder eines Karzinoms der Thoraxorgane behandelte, wiederhergestellt und ob dadurch eine günstigere Prognose hinsichtlich der diesen noch verbleibenden Lebenszeit erreicht werden konnte. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33) soll dem Patienten - bildlich gesprochen - der Strohhalm der Hoffnung auf Heilung, an den er sich klammert, nicht wegen Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigert werden. Hoffnungen in diesem Sinne kann ein Patient aber nur mit Behandlungsmethoden verbinden, die darauf gerichtet sind, auf seine mutmaßlich tödlich verlaufende Grunderkrankung als solche einzuwirken. Für Behandlungsverfahren, die dies nach ihrem eigenen methodischen Ansatz nicht leisten, gelten die reduzierten Wirksamkeitsanforderungen der Rechtsprechung des BVerfG von vornherein nicht. Soweit mit dem in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Behandlungsziel "Krankheitsbeschwerden zu lindern" jede Verbesserung der Lebensqualität eines schwerkranken Patienten verbunden wird, ist dieses Ziel nicht von der Ausweitung der Leistungsansprüche der Versicherten gemäß dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 erfasst. Allein die Hoffnung einer - unter Umständen ganz geringen - Chance auf Heilung der Krankheit oder auf nachhaltige, nicht nur wenige Tage oder Wochen umfassende, Lebensverlängerung rechtfertigt es, die Voraussetzungen an den Nachweis der Wirksamkeit von Behandlungsmethoden so weit zu reduzieren, wie das in dem Beschluss des BVerfG erfolgt ist.

35

Dem wird die Ansicht des Klägers nicht gerecht, jede Verbesserung des Appetits des Patienten könne dessen subjektive Lebensqualität verbessern und so mittelbar - ungeachtet des dadurch nicht beeinflussten Wachstums des Tumors - eine (geringfügige) Lebensverlängerung bewirken. Nicht jede Verbesserung der Lebensqualität - zumal wenn diese in der Gesamtschau mit den möglichen vielfältigen und schwerwiegenden Nebenwirkungen zweifelhaft erscheint -, sondern nur die Erfüllung der Hoffnung des Patienten auf eine rettende Behandlung in einer aussichtslosen gesundheitlichen Situation indiziert die vom BVerfG beschriebene notstandsähnliche Lage, in der (nahezu) jeder Behandlungsansatz auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sein soll.

36

Sind demnach die vom BVerfG herausgestellten Voraussetzungen für erweiterte Behandlungsmöglichkeiten ohne die Beschränkungen durch das AMG und durch § 135 Abs 1 SGB V für den Einsatz von Megestat und Dronabinol nicht erfüllt, so kommt es auf die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG nicht an. Das BVerfG und das BSG haben in ihren Entscheidungen insbesondere klargestellt, dass in Fällen, in denen die genannte Rechtsprechung des BVerfG einschlägig ist, immer auch die Voraussetzung erfüllt sein muss, dass keine Alternative einer allgemein anerkannten - dh nach dem AMG und SGB V zulässigen -, dem medizinischem Standard entsprechenden Behandlung besteht. Hierauf einzugehen, erübrigt sich, weil es schon an den "Grund"voraussetzungen für eine Anwendung der BVerfG-Rechtsprechung fehlt.

37

C. Bei allem ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der Kläger das Risiko eines Regresses, wie er ihm gegenüber festgesetzt worden ist, hätte vermeiden können: Er hätte - worauf der Senat in ständiger Rechtsprechung hinweist -, für den Versicherten ein Privatrezept ausstellen und es diesem überlassen können, sich bei seiner KK um Erstattung der Kosten zu bemühen. Ermöglicht der Vertragsarzt indessen nicht auf diese Weise eine Vorab-Prüfung durch die KK, sondern stellt er ohne vorherige Rückfrage bei dieser eine vertragsärztliche Verordnung aus und löst der Patient diese in der Apotheke ein, so sind damit die Arzneikosten angefallen und die KK kann nur noch im Regressweg geltend machen, ihre Leistungspflicht habe nicht bestanden. Verhindert der Vertragsarzt durch diesen Weg der vertragsärztlichen Verordnung bei einem medizinisch umstrittenen Arzneieinsatz ohne dementsprechende Zulassung eine Vorab-Prüfung durch die KK und übernimmt er damit das Risiko, dass später die Leistungspflicht der KK verneint wird, so kann ein entsprechender Regress nicht beanstandet werden (stRspr, zB BSG vom 31.5.2006, MedR 2007, 557, 560, und - ausführlich - BSG vom 5.5.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 27 RdNr 43 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) .

38

D. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

39

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens steht im Ermessen des Gerichts. Eine Pflicht zur Einholung besteht nur dann, wenn sich dem Gericht dessen Einholung aufdrängen muss (stRspr, vgl zB BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R -, Juris RdNr 49, und - B 6 KA 24/09 R -, Juris RdNr 20 - jeweils mwN; vgl auch BSG vom 3.2.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 37) . Das war hier nicht der Fall. Nach der für die Beurteilung der Notwendigkeit (weiterer) Beweiserhebung maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG hat dieses kein Gutachten einholen müssen. Das LSG hat als maßgeblich erachtet, dass es im maßgeblichen Zeitraum der Jahre 2001 bis 2003 keinen fachwissenschaftlichen Konsens zum Einsatz von Megestat und Dronabinol auch bei Bronchialkarzinomen und Karzinomen der Thoraxorgane gegeben hat. Die Anregungen des Klägers zur Einholung eines Gutachtens sind darauf gerichtet gewesen, Belege dafür zu gewinnen, dass dieser Einsatz auch Befürworter hatte. Dem hat das LSG nicht ohne Weiteres nachgehen müssen, weil das zur Feststellung eines allgemeinen Konsenses, den das LSG aus Rechtsgründen für erforderlich gehalten hat, nichts Entscheidendes hätte beitragen können.

40

Die Rüge des Klägers, das LSG habe die von ihm im Berufungsverfahren eingereichten Studien nicht ausgewertet, scheitert daran, dass grundsätzlich die Vermutung besteht, dass das Gericht alles Eingereichte zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat (stRspr des BVerfG und des BSG, vgl zB BSG vom 2.9.2009, SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 20 mit zahlreichen BVerfG- und BSG-Angaben) . Gegenteiliges bedürfte besonderer Anhaltspunkte, die der Kläger nicht aufgezeigt hat und auch nicht ersichtlich sind.

41

Ebenso wenig dringt der Kläger mit seiner Rüge durch, das LSG habe das Vorliegen eines Konsenses in Fachkreisen nicht erkannt. Hierin liegt lediglich die Rüge, das LSG sei von einem falschen Ausgangspunkt ausgegangen. Dem lediglich die abweichende Sicht eines anderen Ausgangspunktes entgegenzusetzen, reicht für eine Verfahrensrüge nicht aus (vgl oben RdNr 22 am Ende) .

42

Schließlich greift auch seine Rüge der Verkennung der Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht durch. Er bringt dazu vor, die Feststellungen des LSG, dass die Anwendung von Megestat und Dronabinol ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensqualität und nicht auf die Verlängerung der Lebensdauer gerichtet sei, seien weder als Erfahrungssatz noch medizinisch begründbar. Dies ist schon nicht entscheidungserheblich, wie aus obigen Ausführungen zu C. folgt, wonach eine nur geringfügige Lebensverlängerung bei einem Behandlungsansatz, der von vornherein nicht auf eine Beeinflussung des Grundleidens zielt, nicht der vom BVerfG herausgearbeiteten Ausnahme von den Verordnungsvoraussetzungen gemäß dem AMG bzw gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V entspricht(vgl RdNr 36) . Vor allem ist nicht ersichtlich, dass das LSG insoweit einen Erfahrungssatz hätte aufstellen wollen. Vielmehr setzt auch hier der Kläger nur seine eigene Auffassung derjenigen des LSG entgegen.

43

E. Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen des AMG und der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger nicht unverhältnismäßig (vgl BSG vom 3.2.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 46 iVm 48) .

44

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zu 1. beigeladene KK bei Nichtverordnung von Megestat und Dronabinol Kosten für andere Behandlungsarten hätte tragen müssen - sog Vorteilsausgleichung - (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 101, 252 = SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 47) .

45

F. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 iVm § 162 Abs 3 VwGO. Der Kläger trägt als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 154 Abs 2 VwGO) . Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) .

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3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen der Verordnung eines Arzneimittels.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde des Kreiskrankenhauses H. und war im fraglichen Zeitraum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Am 18.12.2000 verordnete er zugunsten eines bei der Beigeladenen zu 8. versicherten Patienten Wobe Mugos E-Tabletten. Am 22.10.2001 stellte die Beigeladene zu 8. bei der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) einen Antrag auf Prüfung dieser Verordnung und Festsetzung eines Regresses in Höhe von 260,27 DM (= 133,07 Euro). Mit Schreiben vom 27.12.2001 setzte die Bezirksstelle Hannover der Klägerin den Beigeladenen zu 1. über den Prüfantrag in Kenntnis. Zugleich teilte sie diesem sowie der Beigeladenen zu 8. mit, dass sie den Antrag bis zur Klärung der Rechtslage ruhen lassen werde; die Verordnungsfähigkeit des Präparats sei unsicher, da für Wobe Mugos E-Tabletten nur eine fiktive Zulassung vorliege.

3

Nachdem das BSG mit Urteil vom 27.9.2005 (B 1 KR 6/04 R - BSGE 95, 132 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3)entschieden hatte, dass Wobe Mugos E-Tabletten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 10.8.2006 gegen den Beigeladenen zu 1. einen Regress in Höhe von 133,07 Euro fest. Der vom Beigeladenen zu 1. unter Hinweis auf zwischenzeitlich eingetretene Verjährung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Ablauf der hier maßgeblichen Verjährungsfrist von vier Jahren sei dadurch unterbrochen (bzw gehemmt) worden, dass der betroffene Vertragsarzt von der Prüfungseinrichtung über die Antragstellung der Krankenkasse informiert und ihm rechtliches Gehör eingeräumt worden sei.

4

Auch die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Auffassung vertreten, die vierjährige Ausschlussfrist sei im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung für Honorarkürzungen entwickelt worden; durch die hier festgesetzten Regresse werde jedoch unmittelbar keine Honorarkürzung bewirkt. Eine Ausschlussfrist sei auch nicht zur Wahrung der Rechtssicherheit erforderlich, weil die Prüfvereinbarung vorsehe, dass Krankenkassen Anträge auf Festsetzung eines sonstigen Schadens innerhalb von vier Jahren nach der Pflichtverletzung stellen müssten. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung sei ohne Rechtswirkung, weil das hier fragliche verfahrensrechtliche Gestaltungsrecht grundsätzlich nicht der Verjährung unterliegen könne (Urteil vom 10.10.2007).

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei der Beigeladene zu 1. dem Grunde nach verpflichtet, der betroffenen Krankenkasse den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unzulässige Verordnung von Wobe Mugos E entstanden sei. Jedoch sei der Beklagte durch Fristablauf an der Festsetzung eines Regresses gehindert gewesen. Allerdings greife nicht die von der BSG-Rechtsprechung entwickelte Ausschlussfrist ein, denn für diese sei von vornherein kein Raum, wenn sich - wie hier - die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung folge. Der Schadensersatzanspruch der Beigeladenen zu 8. sei verjährt, denn ausgehend von der Einlösung der umstrittenen Verordnung im Jahre 2001 sei der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2005 - und damit vor Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 10.8.2006 - vollendet gewesen. Die Verjährung sei auch nicht dadurch gehemmt worden, dass die Beigeladene zu 8. die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs bei der Klägerin beantragt und die Klägerin dies dem Beigeladenen zu 1. mitgeteilt habe. § 45 Abs 3 SGB I sei nicht einschlägig, da die darin liegende Privilegierung des Anspruchsinhabers auf Sozialleistungen beschränkt sei(Urteil vom 28.1.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Er teile zwar die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einem Arzneimittelverordnungsregress im Einzelfall wegen der Nähe zum klassischen Schadensersatzrecht keine Ausschlussfrist eingreife, sondern Regressansprüche der Krankenkassen der Verjährung unterlägen, gehe jedoch von einer wirksamen Hemmung der Verjährungsfrist aus. Bei den gesetzlichen Verjährungsregelungen gehe es jeweils um ein Zweierverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, während im komplizierten Kompetenzgeflecht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung immer Verhältnisse mit mehr als zwei Beteiligten zu beurteilen seien. Zudem sei er - der Beklagte - nie Gläubiger der Regressforderung, die er festsetze. Als Konsequenz aus diesen Besonderheiten dürften etwaige Hemmungsvorschriften nur entsprechend und nicht direkt zur Anwendung kommen. In diesem Sinne seien "Verhandlungen" iS des § 203 BGB nF (in der seit dem 1.1.2002 gültigen Fassung) in Form der Rechtsverfolgung bzw eines alle Instanzen durchlaufenden Gerichtsverfahrens erfolgt. Auch eine Anwendung des § 206 BGB sei nicht ausgeschlossen, denn er - der Beklagte - habe die höchstrichterliche Entscheidung zu dem Problemkomplex um das Präparat Wobe Mugos E abwarten müssen, um ggf nicht sehenden Auges rechtswidrige Bescheide zu erlassen. Die vom LSG angeführte Entscheidung des BVerwG sei auf den vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit nicht übertragbar; sie benachteilige auch diejenigen, die auf ein zweistufiges Verwaltungsverfahren verwiesen würden. Schließlich sei der Grundsatz nicht beachtet worden, dass die Verjährung nicht gegen denjenigen laufe, welcher den Eintritt der Verjährung nicht - klageweise - verhindern könne. Die Beigeladene zu 8. habe keine Möglichkeit gehabt, das laufende Verfahren zu beeinflussen, sondern sei zur Untätigkeit gezwungen gewesen. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 28.8.1996 sei eine Hemmung der Verjährungsfrist dann gegeben, wenn die Beteiligten über den Hemmungsgrund "offiziell" Kenntnis erlangt hätten, dieser Hemmungsgrund zweckmäßig sei und nicht eine sittenwidrige Verzögerung bedinge, und der Hemmungszeitraum angemessen sei und nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.

7

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 zurückzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Prüfbefugnis der Gremien nach § 106 SGB V unterliege als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht allein einer vierjährigen Ausschlussfrist. Die Prüfgremien seien in jedem Einzelfall verpflichtet, zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Prüfbefugnis gegeben oder aufgrund des Ablaufs der Ausschlussfrist entfallen sei. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit dürften die Verfahren hinsichtlich der Fristenregelung nicht unterschiedlich beurteilt werden. Es müsse den Prüfgremien von vornherein klar sein, ob Fristenregelungen von Amts wegen vor Beginn der Prüfung (Ausschlussfrist) oder erst im Rahmen der Durchführung der materiellen rechtlichen Prüfung auf Einrede (Verjährung) zu beachten seien. Im vorliegenden Fall sei die Ausschlussfrist nicht wirksam gehemmt worden. Dies erfordere zwingend den Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Betroffenen; die bloße Kenntnisnahme einer solchen Möglichkeit vor Ablauf der Ausschlussfrist genüge nicht. Bei dem Schreiben ihrer Bezirksstelle vom 27.12.2001 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine bloße Information. Eine Hemmung durch Rechtshandlungen der antragstellenden Krankenkasse komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn es darum gehe, einer Vereitelung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Prüfgremien entgegenzutreten. Der Beigeladenen zu 8. habe die Möglichkeit offengestanden, eine Hemmung der Frist durch Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zu bewirken. Es hätten weder Verhandlungen in Form der Rechtsverfolgung stattgefunden, noch stelle das Zuwarten auf eine höchstrichterliche Entscheidung höhere Gewalt dar, die eine Rechtsverfolgung verhindert habe.

10

Die Beigeladenen zu 6. und zu 8. haben sich - ohne Anträge zu stellen - den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses verjährt ist. Er ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen.

12

1. Die KÄV ist durch den Bescheid, mit dem der Beklagte einen Arzneikostenregress gegen den Beigeladenen zu 1. festgesetzt hat, rechtlich beschwert (BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3 f; BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21). Eine Betroffenheit der KÄV in eigenen Rechten hat der Senat aus der Gesamtverantwortung der KÄVen für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V)abgeleitet, in die durch die Entscheidung der Prüfgremien eingegriffen wird (BSGE 79 aaO S 99 f = SozR aaO S 4; BSGE 92 aaO = SozR aaO, RdNr 22). Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung unabhängig vom Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall geltend zu machen (BSGE 79 aaO S 100 = SozR aaO S 4 mwN).

13

2. Für die vom Beigeladenen zu 1. im Quartal IV/2000 vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E haben die Prüfgremien zu Recht einen Regress festgesetzt. Dieser ist - wie auch nicht im Streit steht - in der Sache nicht zu beanstanden. Der Festsetzung eines Regresses stehen auch weder ein Verjährungseintritt noch ein Verstreichen der Ausschlussfrist von vier Jahren entgegen.

14

a) Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Quartal IV/2000 galt; - zur Zugrundelegung des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 und BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung von Richtgrößen nach § 84 SGB V106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN). Diese waren auch in der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vom 24.6.1996 vorgesehen, wie sich aus dem Urteil des SG ergibt, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht (auch) zuständig ist (s § 162 SGG und dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig - wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR § 106 Nr 21 RdNr 14). Dem Beschluss des Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

15

b) Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlage durchgeführte Einzelfallprüfung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit wie auch die Höhe des festgesetzten Regresses sind nicht zu beanstanden.

16

Wie der Senat bereits mit Urteilen vom 5.11.2008 (B 6 KA 63/07 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und B 6 KA 64/07 R) sowie vom 6.5.2009 (B 6 KA 3/08 R = USK 2009-14 = MedR 2010, 276) entschieden hat, war die vom Beigeladenen zu 1. vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E im Quartal IV/2000 nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten. Jedenfalls seit der Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9.6.1998 war Wobe Mugos E nicht mehr verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 25). Fehlte die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (BSG aaO unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 281 f und BSG MedR 2007, 557).

17

c) Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.

18

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Prüfbescheiden nicht der Verjährung. Dies hat das BSG - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.1.1991 - BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4, und vom 31.7.1991 - BSGE 69, 147 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7) bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91- BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19; bestätigt durch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 16; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 20)entschieden.

19

(1) Wie der Senat dargelegt hat, unterliegt nach § 194 Abs 1 BGB der Verjährung nur das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch); Rechte, die keine Ansprüche sind, unterliegen nicht der Verjährung (BSGE 72, 271, 273 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 107). Das gilt insbesondere für Gestaltungsrechte (BSGE aaO = SozR aaO mwN; s auch Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 194 RdNr 3). Das Prüfverfahren ist nach dem Gesetz auf die endgültige Feststellung des Honoraranspruchs in Ersetzung des Honorarbescheides und auf die Festsetzung eines etwaigen Regresses wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgerichtet (BSG aaO). Das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, ist nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Vertragsarztes gerichtet (BSG aaO). Es ist jedenfalls kein Anspruch, sondern einem Gestaltungsrecht vergleichbar (BSG aaO; s auch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4).

20

(2) Etwas anderes gilt lediglich für das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" (s BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4). Zur Begründung hat der Senat (aaO) auf die Unterschiede verwiesen, die zwischen der Überprüfung des dem Vertragsarzt gegen die KÄV zustehenden Honoraranspruchs unter den Gesichtspunkten der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auf der einen und der Feststellung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs auf der anderen Seite bestehen. Anders als die auf Prüfung und ggf Kürzung der eingereichten Honorarforderung gerichtete Prüfungsbefugnis der Prüfgremien, die - wie dargelegt - als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht nicht der Verjährung unterliegt, bildet das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach bundesmantelvertraglichen Vorschriften (jetzt § 48 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/§ 44 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen sowie § 23 Abs 1 Satz 2 Bundesmangelvertrag-Zahnärzte) die Grundlage für die Geltendmachung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs, der wie jeder Anspruch verjähren kann (BSG aaO). In diesem Fall wird dem Interesse des betroffenen Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen aus einer abgeschlossenen Behandlung ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährungsvorschriften Rechnung getragen.

21

(3) Bei Arzneikostenregressen, die auf der Verordnung eines nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Arzneimittels beruhen, handelt es sich jedoch nicht um einen Fall des "sonstigen Schadens" im Sinne der BSG-Rechtsprechung. Der gegenteiligen Auffassung des LSG kann nicht gefolgt werden.

22

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG, Urteile vom 14.3.2001 = SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 sowie B 6 KA 18/00 R, vom 30.1.2002, B 6 KA 9/01 R = USK 2002-110 sowie vom 20.10.2004 = SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12)sind Schadens- und Verordnungsregresse wegen eines Verstoßes gegen die Arzneimittelrichtlinien bzw generell wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht als Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften anzusehen. Der durch fehlerhaftes Verordnungsverhalten des Arztes einer Krankenkasse entstandene Schaden unterscheidet sich grundlegend von dem - verschuldensabhängigen (s hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 und BSG USK 2002-110) - "sonstigen Schaden".

23

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12). Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben entsprochen hätte (Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 28 RdNr 3). Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht somit demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise im Sinne von § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V verursacht worden ist(BSG aaO).

24

Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Krankenkasse in anderen Leistungsbereichen ausgelöst hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; in diesem Sinne auch Wenner aaO RdNr 3; vgl ferner BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26).

25

Aber auch außerhalb dieser typischen Konstellationen kann es Verordnungsregresse geben, die dem Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Hierfür kommen insbesondere Fallgestaltungen in Betracht, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben. Dies kann zB in Betracht kommen, wenn ein Vertragsarzt für einen Patienten eine Verordnung ausstellt, obgleich er ihn nicht selbst in Behandlung hat, dieser sich zur Zeit der Ausstellung der Verordnung in der Behandlung eines Krankenhauses befindet, in dem umfassend Therapien einschließlich aller Arzneimittel zu gewähren sind. Gleiches gilt, wenn ein ermächtigter Krankenhausarzt Arzneiverordnungen im Rahmen seiner Ermächtigungstätigkeit durch einen insoweit nicht vertretungsbefugten anderen Krankenhausarzt unterzeichnen lässt. In solchen Fällen ist im Wege des Schadensregresses vorzugehen, dessen Rechtmäßigkeit ein Verschulden und die Einhaltung der vierjährigen Verjährungsfrist voraussetzt.

26

Kein Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften, sondern ein Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V liegt indessen zB dann vor, wenn eine Krankenkasse gegenüber einem Vertragsarzt geltend macht, dieser habe die Verteilung des Sprechstundenbedarfs zwischen Primär- und Ersatzkassen fehlerhaft vorgenommen(s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7). Ein Fall des § 106 SGB V ist auch dann gegeben, wenn ein Regress deshalb erfolgt, weil die Grenzen der gesetzlichen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten wurden. Auch dieser Regress entspricht der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder einer Kürzung vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung. Diese Maßnahmen knüpfen an die inhaltliche Ausrichtung der Verordnung an, die sich als unzulässig bzw unwirtschaftlich darstellt. Diese Zuordnung wird durch § 106 Abs 5b SGB V bekräftigt, der klarstellt, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Einhaltung der Arzneimittel-Richtlinien zu prüfen ist. In solchen Fällen kommt es auf ein Verschulden nicht an.

27

bb) Dass ein Prüfanspruch nicht der Verjährung unterliegt, bedeutet jedoch nicht, dass ein Regressbescheid wegen unzulässiger - und damit unwirtschaftlicher - Arzneiverordnungen zeitlich unbegrenzt ergehen könnte.

28

(1) Wie das BSG bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91 - BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19)entschieden hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens bereits aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG); greifen die Verjährungsvorschriften nicht ein, so muss der Gefahr eines "ewigen Prüfverfahrens" auf andere Weise Rechnung getragen werden (BSGE aaO S 275 = SozR aaO S 109 f). Daher hat es das BSG als sachgerecht angesehen, die in den Büchern des SGB für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist von vier Jahren im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur endgültigen Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare zu übertragen (BSGE aaO S 277 = SozR aaO S 112). Diese Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid ergehen muss, gilt für sachlich-rechnerische Richtigstellungen (s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16)und für Bescheide zur Umsetzung degressionsbedingter Honorarminderungen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 15 ff, und BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 15 ff)gleichermaßen wie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (s hierzu BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 111 f; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62).

29

(2) Diese Ausschlussfrist gilt auch für Regresse wegen solcher Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten haben, da sie - wie dargelegt - der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots entsprechen. Soweit das LSG die Auffassung vertritt, dass für eine Ausschlussfrist von vornherein dann kein Raum sei, wenn sich die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung erfolge, trägt es der Argumentation des 14a Senats zur Ausschlussfrist nicht hinreichend Rechnung. Dieser hat seine Entscheidung, dass das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Honorarkürzungsbescheiden nicht der Verjährung unterliegt, damit begründet, dass dieses Recht keinen Anspruch im Sinne des § 194 BGB darstellt, sondern vielmehr einem Gestaltungsrecht vergleichbar ist. Zwar unterliegen Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche als solche der Verjährung; damit kann aber eine Verjährung des Prüfrechts nicht begründet werden (BSGE 72, 271, 274 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 108 f).

30

cc) Der Bescheid vom 10.8.2006 ist allerdings nicht innerhalb der hier maßgeblichen Ausschlussfrist von vier Jahren ergangen.

31

Der die Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Prüfung der sachlich-rechnerischen Berichtigung abschließende Bescheid muss nach der zitierten Senatsrechtsprechung innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergehen. Dabei kann offen bleiben, wann diese Ausschlussfrist in den Fällen zu laufen beginnt, in denen - wie hier - ein Regress wegen einzelner Arzneimittelverordnungen im Streit steht. Wie der Senat mit Urteil vom 28.3.2007 (B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35; ebenso die weiteren Urteile vom 28.3.2007, MedR 2008, 100 und B 6 KA 28/06 R) entschieden hat, beginnt die Ausschlussfrist "in allen Fällen der Berichtigung von Honorarbescheiden" mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 18). Ob dies - im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung - auch bei Arzneikostenregressen entsprechend gilt (zu weiteren möglichen Anknüpfungspunkten s SG Berlin, Urteil vom 27.8.2008 - S 83 KA 653/07, juris), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn unabhängig davon, ob die Ausschlussfrist noch im Laufe des Jahres 2000 oder - äußerstenfalls - mit Ablauf des Jahres 2001 zu laufen begonnen hatte, war sie spätestens mit Ende des Jahres 2005, also vor Erlass des Regressbescheides, abgelaufen.

32

Später ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12). Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beigeladene zu 1. "bösgläubig" im Sinne des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X war.

33

dd) Der Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ist jedoch unbeachtlich, weil die Ausschlussfrist vorliegend unterbrochen bzw gehemmt worden ist.

34

(1) Die Möglichkeit einer Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist für den Erlass von Prüf- und Richtigstellungsbescheiden folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des § 45 SGB I über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung(s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; s auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28, und BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62). Die Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere der über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung, auf Ausschlussfristen ist trotz der Unterschiede zwischen Verjährung und Ausschlussfrist nicht ausgeschlossen und auch im bürgerlichen Recht anerkannt (BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 15 mwN).

35

Dabei sind die Änderungen des § 45 SGB I wie auch der entsprechend anwendbaren BGB-Vorschriften durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Ergebnis ohne Bedeutung. Insbesondere für die ohnehin nur entsprechende Heranziehung der Hemmungs- bzw Unterbrechungstatbestände des BGB auf die Ausschlussfrist kommt es nicht darauf an, in welcher Weise sich die zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Neuregelungen des BGB auf bereits laufende Verjährungsvorschriften auswirkten. Denn für die Wahrung der genannten Ausschlussfrist ist es ohne Belang, ob die Frist vor dem 1.1.2002 unterbrochen, die Unterbrechungswirkung danach fortdauerte oder ob sie nach diesem Zeitpunkt gehemmt wurde. Für § 45 SGB I gilt nichts anderes. Die Rechtswirkungen von Unterbrechung und Hemmung bleiben insoweit gleich (s schon BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14). Nach § 205 BGB aF wie nach § 209 BGB nF bewirkt die Hemmung, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird; die Unterbrechung der Verjährung bewirkte nach § 217 BGB aF, dass die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt.

36

(2) Eine Hemmung der Verjährung bzw des Ablaufs der Ausschlussfrist bei höherer Gewalt nach § 206 BGB nF bzw § 203 BGB aF kommt hier entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings nicht in Betracht. Dem steht entgegen, dass höhere Gewalt - zu der auch der Stillstand der Rechtspflege gehört (s Ellenberger in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 206 RdNr 1; vgl § 203 Abs 1 BGB aF) - nur dann vorliegt, wenn der Berechtigte auch bei äußerster, nach den Umständen vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist (Lakkis in: JurisPK-BGB, 4. Aufl 2008, § 206 RdNr 2; vgl auch BSGE 101, 235 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 31). Die Beigeladene zu 8. war aber nicht in diesem Sinne an der Rechtsverfolgung gehindert, denn ihr stand die rechtliche Möglichkeit offen, im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG eine Entscheidung der Prüfgremien herbeizuführen.

37

Der Senat hat wiederholt auf die Möglichkeit verwiesen, zur Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist Untätigkeitsklage gegen das zuständige Prüfgremium zu erheben. Bereits mit Urteil vom 8.12.1993 (BSGE 73, 244 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1)hatte der 14a Senat betont, dass Antragsteller gegenüber den Prüfgremien einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Prüfbescheides haben und ihre Interessen nicht nur durch den Inhalt der Entscheidungen der Prüfgremien berührt werden, sondern auch durch ihren Zeitpunkt (BSGE aaO = SozR aaO S 5). Diesen Anspruch können sie ggf mit der Untätigkeitsklage durchsetzen (BSGE aaO = SozR aaO; s hierzu auch BSG, Urteil vom 20.9.1995 - BSGE 76, 285, 287 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 167, 168; BSG, Urteil vom 14.5.1997 - SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215; zuletzt Urteil vom 6.9.2006 - BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17). Deren Erhebung unterbricht bzw hemmt auch - in entsprechender Anwendung des § 209 Abs 1 BGB aF (in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung) bzw § 204 BGB nF - die vierjährige Ausschlussfrist(BSGE 76, 285, 289 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; s auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215). Ungeachtet des Umstandes, dass eine Verjährungsunterbrechung bzw -hemmung im Regelfall nur eintritt, wenn die Klage gegen den Schuldner gerichtet wird (s BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7), wird eine analoge Anwendung jedenfalls dann bejaht, wenn dem betroffenen Vertragsarzt vor Ablauf der Frist der Beschluss über seine Beiladung zu diesem Verfahren zugestellt wird und er damit förmlich Kenntnis nimmt (BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17).

38

Sofern die Ausführungen des 14a Senats in seiner Entscheidung vom 16.6.1993 (BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19), die Deutung des Prüfungsrechts als ein der Verjährung unterliegender Anspruch sei auch deshalb abzulehnen, weil diejenigen Beteiligten, die die Folgen der Verjährung letztlich wirtschaftlich träfe, nämlich Krankenkassen und KÄVen, nicht in der Lage seien, "den Eintritt der Verjährung zu verhindern" (BSGE aaO S 274 = SozR aaO S 109), im gegenteiligen Sinne verstanden werden könnten, wird hieran nicht festgehalten.

39

(3) Zu Recht hat das LSG auch eine Ablaufhemmung in entsprechender Anwendung des § 203 BGB nF(bzw § 852 Abs 2 BGB aF analog) verneint, denn es fanden gerade keine Verhandlungen zwischen dem Schuldner - also dem Beigeladenen zu 1. - und dem Gläubiger - der Beigeladenen zu 8. - statt. Abgesehen davon, dass ein dem Vertragsarzt "aufgezwungenes" Verfahren vor den Prüfgremien schon wegen fehlender Freiwilligkeit nicht einer Verhandlung im Sinne des § 203 BGB nF gleichgestellt werden kann, beschränkten sich die Handlungen der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Wiederaufnahme auf die Geltendmachung einer entsprechenden (Regress-)Forderung auf der einen und deren Zurückweisung auf der anderen Seite.

40

(4) Eine Unterbrechung bzw Hemmung des Ablaufs der Ausschlussfrist ist jedoch durch die Stellung des Prüfantrages seitens der Beigeladenen zu 8. eingetreten. Diese Wirkung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF)wie auch des § 45 Abs 3 SGB I.

41

(a) Nach § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF) wird die Verjährung durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gehemmt, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird. Eine "Vorabentscheidung" einer Behörde stellen auch die Entscheidungen der Prüfstellen (bzw der früheren Prüfungsausschüsse) nach § 106 SGB V dar.

42

Dem steht nicht entgegen, dass nach ganz herrschender Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur diejenigen Anträge verjährungshemmende Wirkung haben, die unmittelbar, also ohne weitere Verfahrensschritte, Voraussetzung für die Klageerhebung sind (so grundlegend BVerwGE 57, 306, 309 f; bestätigt durch BVerwGE 102, 33; ohne nähere Begründung auch BVerwG, Urteile vom 15.6.2006 - 2 C 17/05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr 13 und - 2 C 15/05 - IÖD 2007, 7; die verwaltungsgerichtliche Instanzrechtsprechung ist dem gefolgt: vgl Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 19.6.2007 - 1 E 520/05 - juris RdNr 7; VG Magdeburg, Urteil vom 21.3.2006 - 5 A 104/05 - juris RdNr 15; Thüringer Oberverwaltungsgericht , Urteil vom 29.10.2009 - 2 KO 893/07 - juris RdNr 40). Zur Begründung wird darauf verwiesen (BVerwGE 57, 306, 309 f), aus der Gleichstellung des Gesuchs an eine Behörde mit den Wirkungen einer die Verjährung unterbrechenden Klageerhebung ergebe sich, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Schritte als ausreichend anzusehen seien, die den eindeutigen Willen zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner erkennen ließen. Diesem Zweck diene die erstmalige Geltendmachung eines Anspruchs noch nicht, sondern zunächst nur der Konkretisierung eines sich aus dem Gesetz lediglich abstrakt ergebenden Anspruchs. Es sei dem Betroffenen zuzumuten, seinen Anspruch so rechtzeitig bei der Behörde einzureichen, dass gegen den daraufhin erlassenen Verwaltungsakt noch vor Ablauf der Verjährungsfrist Widerspruch eingelegt werden könne.

43

Diese einschränkende Auslegung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB kann jedoch auf die lediglich entsprechende Anwendung der Norm im Vertragsarztrecht wegen der dort bestehenden Besonderheiten nicht übertragen werden. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 28.8.1996 (BSGE 79, 97 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1) dargelegt, dass ein Antrag auf Schadensfeststellung im Prinzip geeignet ist, eine Verjährungsunterbrechung zu bewirken, und eine Anwendung des § 210 BGB (aF) in Betracht käme (BSGE aaO S 101 f = SozR aaO S 6). Es hat ausgeführt, dass diese Norm den Interessen des Anspruchstellers Rechnung tragen solle, der seine Forderung nicht unmittelbar durch Klageerhebung geltend machen könne, weil das Gesetz die Zulässigkeit der Klage von einer vorherigen Überprüfung des Anspruchs in einem Verwaltungsverfahren abhängig mache. Der Rechtsgedanke des § 210 BGB (aF) sei grundsätzlich auf sozialrechtliche Ansprüche übertragbar.

44

Diesen Gedanken fortführend hält der Senat eine Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB nF im Vertragsarztrecht deswegen für geboten, weil nur so den hier bestehenden Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Im Verwaltungsrecht stehen sich üblicherweise Gläubiger und Schuldner in Zweierbeziehungen unmittelbar gegenüber. So lag der oben angeführten Entscheidung des BVerwG ein Antrag eines Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Gewährung beamtenrechtlicher Besoldungszahlungen zugrunde. Demgegenüber bestehen im Vertragsarztrecht wegen der hier maßgeblichen Trennung der Rechtskreise keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem "Gläubiger" (der Krankenkasse) und dem "Schuldner" (dem Vertragsarzt). Die Krankenkasse hat im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar "in Regress" zu nehmen. Vielmehr ist nach den gesetzlichen Vorgaben die Festsetzung eines Regresses ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zugewiesen (vgl § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 5 Satz 1 SGB V). Eine Krankenkasse, die einen Regressanspruch gegen einen Vertragsarzt durchsetzen möchte, ist daher auf ein Tätigwerden der Prüfgremien angewiesen.

45

Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, dass die Beigeladene zu 8. die Möglichkeit gehabt hätte, eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG zu erheben. Zum einen wäre die rechtliche Wirkung einer derartigen Klage nicht sicher zu beurteilen, da die „verjährungsunterbrechende“ Wirkung der Untätigkeitsklage von einer (einfachen) Beiladung des betroffenen Vertragsarztes abhängig ist (vgl BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 174; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7 f; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17), die wiederum im Ermessen des Gerichts steht. Zum anderen entspricht das Vorgehen, bei einer strittigen und schwierig zu beurteilenden Frage wie der Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E eine höchstrichterliche Klärung abzuwarten, dem gesetzlich angelegten partnerschaftlichen System der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen. Dieses würde empfindlich gestört, wenn Krankenkassen wegen des Fehlens einer den Ablauf der Ausschlussfrist hemmenden Wirkung ihres Prüfantrages gezwungen wären, die Prüfungsstellen regelhaft durch Erhebung von Untätigkeitsklagen zu einer vorzeitigen Entscheidung zu nötigen.

46

Somit reicht es im Vertragsarztrecht aus, dass die vom Tätigwerden eines Dritten abhängige Krankenkasse ihr Recht geltend macht. Um allerdings die Rechte des ebenfalls von einer Entscheidung der Prüfgremien abhängigen Vertragsarztes zu wahren, ist der Eintritt einer die Ausschlussfrist unterbrechenden bzw hemmenden Wirkung des Prüfantrags zudem davon abhängig, dass der Anspruchsgegner - der Vertragsarzt - von der Stellung des Prüfantrages Kenntnis erlangt. Dies war vorliegend der Fall. Darüber hinaus war der Beigeladene zu 1. auch über die Gründe informiert, die einer zügigen Entscheidung über den von der Krankenkasse gestellten Prüfantrag entgegenstanden, so dass sich bei ihm kein Vertrauen dahingehend bilden konnte, dass sich der Antrag zwischenzeitlich erledigt haben könnte.

47

(b) Zum selben Ergebnis führt eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I. Danach wird die Verjährung neben den im BGB genannten - nach § 45 Abs 2 SGB I entsprechend anwendbaren - Fällen auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt(in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: "unterbrochen"). Dementsprechend hat der Antrag der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses den Ablauf der Ausschlussfrist bis zu der Entscheidung der Prüfungsstelle gehemmt.

48

§ 45 SGB I gilt zwar unmittelbar nur für Sozialleistungen, findet aber nach der Rechtsprechung des Senats bezüglich der im Vertragsarztrecht geltenden Ausschlussfristen entsprechende Anwendung(BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28; BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f). Auch wenn sich die genannten Entscheidungen des Senats allein auf § 45 Abs 2 SGB I beziehen, ist eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I jedenfalls in den Fällen zu bejahen, in denen der Arzt - wie hier - von dem Prüfantrag der Krankenkasse unterrichtet ist und über den Grund informiert wird, weshalb mit einer zügigen Entscheidung nicht gerechnet werden kann.

49

(c) Die das Verstreichen der Ausschlussfrist unterbrechende bzw hemmende Wirkung des Prüfantrags ist schließlich nicht dadurch entfallen, dass das Verfahren infolge des angeordneten "Ruhens" nicht "betrieben" wurde. Nach § 204 Abs 2 BGB nF endet die Hemmung nach Absatz 1 der Norm ("Hemmung durch Rechtsverfolgung") sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens(Satz 1). Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle (§ 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF, § 211 Abs 2 Satz 1 BGB aF). Die letzte Verfahrenshandlung in diesem Sinne wäre die Mitteilung des Ruhens durch die KÄV gewesen.

50

Es entspricht jedoch herrschender Auffassung, dass § 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF bzw § 211 Abs 2 BGB aF in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nicht entsprechend anzuwenden ist(BSGE 92, 159 = SozR 4-6580 Art 19 Nr 1, RdNr 12; LSG Hamburg, Urteil vom 24.2.2005 - L 6 RJ 122/03 - juris RdNr 27; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 RdNr 26 mwN; aA noch Kretschmer in: GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 45 RdNr 24). Denn das "Betreiben" ist ein spezifisches Erfordernis des vom Beibringungsgrundsatz beherrschten zivilrechtlichen Verfahrens; die Vorschrift passt daher nicht auf das sozialrechtliche Verfahren (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 13; LSG Hamburg aaO).

51

Auch außerhalb des Sozialrechts führt eine Untätigkeit des Gläubigers nicht zur Beendigung der Unterbrechung bzw Hemmung, wenn die Behörde von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen hat (BGH VersR 77, 647; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - 4 N 77.07 - juris RdNr 9; Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 204 RdNr 27; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, 2009, § 204 RdNr 125, 140; Mansel/Budzikiewicz in: Anwaltkommentar BGB, Band 1, 2005, § 204 RdNr 125; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl 2009, § 204 RdNr 19, 21). Diese Voraussetzungen sind angesichts des Umstandes, dass die Beigeladene zu 8. - abgesehen von der "irregulären" Option einer Untätigkeitsklage - keine Möglichkeit hatte, auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen, auch in diesem Fall gegeben.

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Sprechstundenbedarf.

2

Der als Praktischer Arzt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger bezog im Jahr 2001 in erheblichem Umfang "Hydroxyäthylstärke (HAES) steril 6 %" im Wege der Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB). HAES-Infusionslösungen werden zB bei Hörsturz und Tinnitus eingesetzt.

3

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse (KK, hier: AOK) beantragte, nachdem sie am 24.7.2002 die Kostenstatistiken für das letzte Quartal des Jahres 2001 erhalten hatte, beim Prüfungsausschuss (PA), dass dieser gegen den Kläger wegen Überschreitung des durchschnittlichen Aufwands der Fachgruppe beim SSB um mehr als das Doppelte einen Regress festsetze (Antrag vom 24.9.2002; Begründung vom 16.12.2002). Antrag und Begründung wurden dem Kläger zugeleitet mit dem Hinweis, dass die beantragte Prüfung nach Durchschnittswerten nur durchgeführt werde, wenn für den Prüfzeitraum keine Prüfung nach Richtgrößen stattfinde. Nachdem diese nicht stattgefunden hatte, nahm der PA eine Überprüfung anhand von Durchschnittswerten vor mit dem Ergebnis, dass eine Maßnahme gegen den Kläger nicht veranlasst sei (Bescheid vom 22.12.2005): Zwar lägen seine Aufwendungen für den SSB, die durch die HAES-Infusionen im Umfang von 3975 DM verursacht seien, deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Ihm seien aber Einsparungen durch den Bezug der Infusionen in Großgebinden und bei den allgemeinen Arzneikosten zugute zu halten.

4

Die Beigeladene zu 2. legte Widerspruch ein. Sowohl dieser als auch die nachgereichte Widerspruchsbegründung wurden dem Kläger zugeleitet. Der beklagte Beschwerdeausschuss setzte - unter Aufhebung des Bescheids des PA - einen Regress von 3799,75 Euro fest (Bescheid vom 27.11.2006): Dem Kläger sei im SSB-Bereich eine Überschreitung des durchschnittlichen Verordnungsaufwandes der Fachgruppe um 211,6 % anzulasten. Dabei werde eine Berechnung über das gesamte Jahr zugrunde gelegt, weil nur dies sachgerecht sei, da in den vier Quartalen eines Jahres sehr unterschiedliche Materialanforderungen festzustellen seien. Eine Rechtfertigung der Überschreitungen durch medizinische Besonderheiten sei nicht ersichtlich. SSB-Verordnungen seien nur für die Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt, für die weiteren Infusionen müsse der Arzt Einzelverordnungen für den konkreten Patienten ausstellen. Teilweise habe der Kläger HAES-Infusionslösungen auch bei anderen Krankheiten verordnet, bei denen dies nicht indiziert sei. Die Überschreitung der Durchschnittsverordnungskosten liege eindeutig im Bereich des sog offensichtlichen Missverhältnisses. Minderkosten bei den Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln könnten mangels kausalen Zusammenhangs mit den Mehrkosten beim SSB nicht als kompensierende Einsparungen anerkannt werden. Von den HAES-Verordnungen sei nur ein Anteil von 14 % = ca 1291 DM für Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt. Demnach belaufe sich der unwirtschaftliche Anteil auf ca 7931 DM. Ausgehend von dem SSB-Gesamtverordnungsvolumen des Klägers von 14 677,06 DM, das den Fachgruppendurchschnitt pro Fall um mehr als das Doppelte überschreite, ergebe sich - bei Zubilligung einer Überschreitung um 45 % und nach Abzug des Apothekenrabatts von 5 % - ein Regress in Höhe von 7431,66 DM = 3799,75 Euro.

5

Das vom Kläger angerufene SG hat den Regressbescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid sei teilweise rechtswidrig. Allerdings habe der Beklagte die Bestimmung der Prüfvereinbarung eingehalten, wonach die Prüfung längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorlägen, beantragt werden könne (§ 14 Abs 3 Prüfvereinbarung). Diese Frist sei durch den Prüfantrag vom 25.9.2002 gewahrt worden; der KK hätten die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen. Die Vier-Jahres-Frist für den Erlass des Prüfbescheids sei dagegen nur teilweise eingehalten worden. Diese beginne im Falle von Verordnung(sregress)en mit Erlass des Honorarbescheids für dasjenige Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausgestellt habe. Hiernach sei diese Frist durch den Bescheid vom 22.12.2005 bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt worden, allerdings nicht hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil der Erlass der Honorarbescheide für diese bereits mehr als vier Jahre zurückgelegen habe. Der gesonderten Betrachtung jedes einzelnen Quartals stehe nicht entgegen, dass bei SSB-Verordnungen alle vier Quartale eines Jahres zusammen überprüft würden; denn auch in diesem Fall bleibe der Zusammenhang jeder Verordnung mit dem konkreten Quartal ihrer Ausstellung bestehen. Deshalb sei für einen Regress hinsichtlich der Quartale I und II/2001 kein Raum mehr, sodass der Beklagte zur Neubescheidung, beschränkt auf die Quartale III und IV/2001, verpflichtet sei.

6

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, das SG habe zu Unrecht angenommen, die Vier-Jahres-Frist beginne für jedes einzelne Quartal gesondert. Die Frist habe vielmehr auch für die Quartale I und II/2001 erst nach dem Quartal IV/2001 zu laufen begonnen, sodass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 sie noch gewahrt habe. Dies folge daraus, dass gemäß der SSB-Vereinbarung die Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen nur insgesamt für vier aufeinanderfolgende Quartale geprüft werde. Offenbleiben könne, ob die Vier-Jahres-Frist schon sogleich nach Ablauf des vierten Quartals oder erst ab dem Erlass des Honorarbescheids für dieses Quartal oder gar erst ab Eingang der Kostenstatistiken für dieses Quartal beginne; denn in jedem dieser Fälle sei sie durch den Prüfbescheid vom 22.12.2005 gewahrt worden. Dieser habe nicht früher erlassen werden können, weil zunächst habe abgewartet werden müssen, ob Richtgrößenprüfungen durchgeführt würden, was die Möglichkeit einer Prüfung anhand von Durchschnittswerten gehindert hätte.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil des SG. Es habe mit der Annahme, die Vier-Jahres-Frist sei, bezogen auf die Quartale I und II/2001, abgelaufen, die Rechtsprechung des BSG konsequent fortgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Prüfung von SSB die Frist wegen der Gesamtüberprüfung mehrerer Quartale erst nach Ablauf des letzten Quartals beginne, seien nicht normativ vorgegeben und auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG vorgezeichnet. Diese Auffassung laufe auch der Intention der SSB-Vereinbarung zuwider, die mit der Vorgabe jahresbezogener Prüfungen die Ärzte begünstigen wolle. Im Übrigen habe die Regelung über die jahresbezogene Prüfung nur den Rang von Landesrecht, was den aus Bundesrecht abzuleitenden, für jedes Quartal gesonderten Fristbeginn nicht ändern könne.

10

Die Beigeladene zu 2. schließt sich, ohne selbst einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten an. Sie führt ergänzend aus, nach ihrer Ansicht sei für die Vier-Jahres-Frist im Verordnungsbereich die Verjährungsregelung des § 45 Abs 1 SGB I maßgebend. Die Frist beginne erst ab Zugang der Verordnungsstatistiken und bei jahresbezogenen Prüfungen auch nur einheitlich für alle Quartale mit Vorliegen der Statistiken für das letzte Quartal des Jahres. Daher habe der Bescheid des Prüfungsausschusses die Frist noch gewahrt.

11

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Erfolg. Die Revision ist ungeachtet der Mängel der Entscheidung des SG über die Zulassung der Sprungrevision zulässig (unten 1.). Sie betrifft vom Streitgegenstand her nur die Quartale I und II/2001, denn nur insoweit hat das SG einen Ablauf der Vier-Jahres-Frist angenommen und nur insoweit ist dessen Urteil mit der Revision angefochten worden (unten 2.). Die Revision des Beklagten ist erfolgreich, denn das angefochtene Urteil ist fehlerhaft. Das SG hat zu Recht die Rechtsgrundlage für den Bescheid in § 106 SGB V gesehen(unten 3.), aber zu Unrecht angenommen, die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist sei im Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheids vom 22.12.2005, bezogen auf die Quartale I und II/2001, bereits verstrichen gewesen (unten 4.). Für die abschließende Beurteilung, ob der Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es allerdings noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückverwiesen wird (unten 5.).

13

1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl BSG BSGE 51, 23, 26 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27 S 54 ff; BSGE 64, 296, 297 f = SozR 1500 § 161 Nr 33 S 69 f; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 13/06 R - Juris RdNr 9).

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.11.2006, der gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 3799,75 Euro festsetzte und den Prüfbescheid des Zulassungsausschusses vom 22.12.2005 aufhob, der von Maßnahmen gegen den Kläger abgesehen hatte (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Allerdings ist der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 nur insoweit Gegenstand, als die im Urteil des SG enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des SG ist nur unter diesem Aspekt angefochten worden; nur der Beklagte hat Revision eingelegt.

15

Soweit die Vorgaben nachteilig für den Kläger sind, sind diese mangels Revisionseinlegung durch ihn nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Sie sind vielmehr bestandskräftig und damit bindend geworden (zu Differenzierungen hinsichtlich der Bestandskraft und Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen siehe eingehend BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN; vgl auch zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 4; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 4/09 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 85 vorgesehen). Dementsprechend ist Gegenstand des hier anhängigen Revisionsverfahrens die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten vom 27.11.2006 ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob mit ihm ein Regress wegen SSB-Verordnungen auch noch bezogen auf die Quartale I und II/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist entgegenstand.

16

3. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Jahr 2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17 und BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese PrüfVen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (vgl BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14 mwN).

17

Die PrüfVen enthalten regelmäßig auch Bestimmungen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von SSB. Auch in der hier einschlägigen PrüfV von 1993 (die bis Oktober 2005 weitergalt) waren Regelungen speziell für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen getroffen worden (siehe zB § 10, § 14 Abs 3, § 15 Abs 3 PrüfV; vgl dazu § 162 SGG betr Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung des Inhalts von Landesrecht, hierzu zB - betr PrüfV - BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - RdNr 30 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zur Frage, welche Arzneimittel im Wege der Verordnung als SSB bezogen werden dürfen, enthalten die SSB-Vereinbarungen nähere Regelungen; auch dies sind landesrechtliche Vorschriften, deren Anwendung und Auslegung den LSGen vorbehalten ist (§ 162 SGG, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 13).

18

4. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von SSB gelten, sind gewahrt worden. Dem Regress kann weder der Ablauf der (a) Frist für die Stellung des Prüfantrags noch der Ablauf der (b) Frist für den Erlass des Prüfbescheids entgegengehalten werden.

19

a) Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, scheitert die Regressfestsetzung nicht daran, dass die zu 2. beigeladene KK die Überprüfung der SSB-Verordnungen des Klägers zu spät beantragt hätte.

20

Zum einen ist die Frist, die in der PrüfV für Prüfanträge bei SSB-Verordnungen normiert ist, eingehalten worden: Anträge auf Überprüfung von SSB-Verordnungen können gemäß § 14 Abs 3 PrüfV "längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorliegen, gestellt werden". Der zu 2. beigeladenen KK haben die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen, wie im Urteil des SG zugrunde gelegt und von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 163 SGG; vgl vorliegend auch § 161 Abs 4 SGG). Im Urteil des SG ist dazu festgestellt, dass es sich im Zeitpunkt des Antrags der Beigeladenen zu 2. - am 24./25.9.2002 - bei den Quartalen I bis IV/2001 um die letzten vier handelte, für die statistische Unterlagen vorlagen. Auf dieser Grundlage hat das SG folgerichtig den Schluss gezogen, dass die in § 14 Abs 3 PrüfV für die Prüfung normierte Frist eingehalten war.

21

Zum anderen kommt es auf die Einhaltung der Frist des § 14 Abs 3 PrüfV ohnehin nicht an. Wie der Senat in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 19 bis 22) klargestellt hat, dient die Prüfantragsfrist (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist (hierzu siehe unten b; - diese Rspr fortsetzend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - Juris RdNr 29 bis 31). Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser - hier ohnehin eingehaltenen - Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu.

22

b) Dem Regressbescheid kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die für Regressfestsetzungen geltende Vier-Jahres-Frist sei nicht gewahrt worden.

23

Das SG vertritt die Auffassung, der Prüfbescheid vom 22.12.2005 habe die Vier-Jahres-Frist lediglich bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt, nicht aber hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil seit deren Ende - bzw seit dem Erlass der Honorarbescheide für diese Quartale - bereits mehr als vier Jahre verstrichen waren, als der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 erließ. Die Frist habe für diese Quartale nicht etwa deshalb erst später begonnen, weil die Überprüfung von SSB-Verordnungen in Frage stehe und diese sich grundsätzlich auf alle vier Quartale eines Jahres zusammen erstrecke. Auch bei SSB-Verordnungen bleibe der Zusammenhang der Verordnungen mit jeweils einem konkreten Quartal bestehen, sodass die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal beginne.

24

Diesen Ausführungen des SG kann nur teilweise gefolgt werden. Die Auffassung des SG, dass für den hier streitbefangenen SSB-Regress eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt, trifft zu (unten aa und bb). Unzutreffend ist hingegen dessen Ansicht, die Frist beginne gesondert für jedes einzelne Quartal mit Erlass des Quartalshonorarbescheids und sei deshalb für die Quartale I und II/2001 bereits abgelaufen. Bei SSB-Verordnungen sind grundsätzlich vier aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, und die Vier-Jahres-Frist beginnt einheitlich nach Ablauf des letzten dieser Quartale (unten cc). Der Fristlauf war im Übrigen auch schon gehemmt (unten dd).

25

aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - klargestellt hat, unterliegt die Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die der Arzt nicht verordnen durfte, keiner Verjährung, sondern einer Ausschlussfrist (BSG aaO RdNr 18 ff - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit Zusammenfassung seiner Rspr). Eine Verjährung gilt nur für Festsetzungen eines sog sonstigen Schadens, dem nur solche Regresse wegen Fehlverordnungen zuzuordnen sind, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Verordnung ergeben (Urteil aaO RdNr 22 bis 26). Handelt es sich dagegen um Fehler, die sich speziell aus der Verordnung selbst ergeben, wie zB bei Verordnungen unter Verstoß gegen die Arzneimittel-Richtlinie bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, so liegen Fälle des § 106 SGB V vor, für die keine Verjährungs-, sondern nur eine Ausschlussfrist in Betracht kommt(aaO RdNr 22 f, 26, 27 ff).

26

Für die Verordnung von Arzneimitteln, die nicht patienten-, sondern praxisbezogen als SSB erfolgt, gilt nichts anderes. In der Rechtsprechung des Senats ist seit langem geklärt, dass den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle der Zulässigkeit von SSB-Verordnungen - im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen SSB-Vereinbarung - wie auch die ihrer Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne - im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit den durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe - übertragen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 14). Auch der Umstand, dass Regresse wegen vereinbarungswidriger oder unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12), weist auf die Zuordnung der gesamten SSB-Prüfung zur allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung iS des § 106 SGB V und nicht zur Sonderkonstellation der Verantwortung des Vertragsarztes für die Verursachung eines "sonstigen Schadens" bei den KKn hin(so jüngst auch BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mit Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 5 ff betr fehlerhafte Aufteilung des SSB zwischen Primär- und Ersatzkassen).

27

bb) Die Ausschlussfrist für Regressbescheide auf der Grundlage des § 106 SGB V beträgt nach der Rechtsprechung des BSG - in Anlehnung an die sonstigen ebenfalls vierjährigen Fristen zB in den Büchern des SGB und auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen - vier Jahre. Mit dieser Festlegung hat das BSG der Notwendigkeit zeitlicher Begrenzung von Prüfverfahren aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit Rechnung getragen (vgl oben RdNr 21 und zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 28 mwN).

28

cc) Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, ist dahin zu beantworten, dass diese Frist für Verordnungsregresse im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Die kostenmäßige Zuordnung von Verordnungen kann unterschiedlich gestaltet sein. Erfolgt die Zuordnung zu dem Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausstellte, so ist der Ablauf dieses Quartals auch für den Beginn der Vier-Jahres-Frist maßgebend. Erfolgt die kostenmäßige Zuordnung der Verordnung danach, in welchem Quartal die Verordnung eingelöst wurde - dh danach, wann die Kosten entstanden -, so ist der Ablauf dieses Quartals maßgebend. Welche dieser beiden Varianten bei Auseinanderfallen des Verordnungs- und des Einlösezeitpunkts einschlägig ist, kann in einer allgemein-abstrakten normativen Regelung, zB in der PrüfV, bestimmt werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 23; zu insoweit differenzierenden Regelungen vgl BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8; vgl auch unten RdNr 35). Besteht keine normative Festlegung, kann die Zuordnung sich aus der Verwaltungspraxis der Prüfgremien ergeben.

29

Das Ergebnis ist durch die Regelung des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V gesetzlich vorgezeichnet. Zwar betrifft diese Bestimmung als solche nur die Richtgrößenprüfung - und normiert insoweit eine kürzere, zweijährige Frist -, hat aber mit dem Kriterium "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" generelle Bedeutung. Bei dem "Verordnungszeitraum" kann es sich - so der Regelfall - um ein Quartal handeln, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf dieses Quartals beginnt (unten RdNr 33 und 37), oder - in besonderen Fällen eines sachlich-veranlasst längeren Prüfzeitraums - um einen Zeitraum mehrerer Quartale, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals beginnt (unten RdNr 34). Im Fall von SSB-Verordnungen liegt in aller Regel eine solche besondere Konstellation vor (unten RdNr 35 iVm 38).

30

Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird, ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit, als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (siehe zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 31 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit umfangreichen Rspr-Nachweisen). In gleicher Weise im Verordnungsbereich für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, wäre verfehlt. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise betreffen zwei unterschiedliche Bereiche; eine "Gesamtprüfung" findet nicht statt. Ein Sachgrund, durch Abstellen auf den Erlass des Honorarbescheids einen "Gleichklang" des Fristlaufs im Honorar- und im Verordnungsbereich zu erreichen, besteht nicht. Dafür reicht nicht aus, dass in seltenen Fällen Anlass zur Prüfung bestehen kann, ob ein Verordnungsmehraufwand durch einen Minderaufwand im Honorarbereich kompensiert wird, was erst ab Erlass des Honorarbescheids fundiert beurteilt werden kann (zu dieser abweichenden Ansicht vgl Clemens in jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 153, und in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 105; ebenso im Ergebnis: Peikert in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 20 RdNr 17 aE; - zur Rechtsfigur kompensierender Einsparun gen vgl Clemens in Laufs/Kern aaO § 36 RdNr 71 bis 73 mwN; siehe auch RdNr 100 und RdNr 122 f). Zudem gibt es Fälle, in denen das Abstellen auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist. Denn für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, ergeht nicht stets auch ein Honorarbescheid: Wenn zB ein Arzt eine Verordnung am 20.6. ausstellt, diese aber erst am 2.7. in der Apotheke eingelöst wird, wird die Verordnung in der Regel kostenmäßig diesem dritten Quartal zugeordnet. In diesem sucht aber möglicherweise der Patient den Arzt nicht wieder auf, oder der Arzt führt seine vertragsärztliche Tätigkeit jetzt nicht mehr weiter. Dann ergeht für dieses Quartal, jedenfalls bezogen auf Leistungen des Arztes gegenüber diesem Patienten, kein Honorarbescheid.

31

Überzeugend ist auch nicht die Ansicht, bei Verordnungsregressen sei für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem den KKn alle Unterlagen und Daten vorliegen, die für die fundierte Beurteilung erforderlich sind, ob ein Regressantrag sinnvoll ist. Hiernach begänne die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der Arzneikostenstatistiken. Bei diesem Ausgangspunkt würde der Arzt, der durch den Lauf der Vier-Jahres-Frist geschützt werden und Rechtssicherheit erhalten soll (hierzu vgl oben RdNr 21, 27), mit Risiken belastet, die dem Verantwortungsbereich der vertragsärztlichen Institutionen zuzurechnen sind. Zu deren Aufgaben gehört die Organisation und die Bewältigung der verwaltungstechnischen Abläufe und damit auch die kürzere oder längere Dauer der Unterlagen- und Datenbeschaffung (vgl dazu Clemens in jurisPraxisKommentar aaO RdNr 154). Durchgreifend ist auch nicht der Gesichtspunkt, dass Richtgrößenprüfungen grundsätzlich vorrangig sind und deshalb erst nach Klärung von deren Durchführbarkeit - was uU schwierige Fragen wie zB diejenige der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung implizieren kann - die Durchschnittsprüfung in Angriff genommen werden kann. Auch bei kumulativer Berücksichtigung aller denkbaren Schwierigkeiten bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Gesamtfrist von vier Jahren in einer erheblichen Zahl der Fälle die verbleibende Zeit zu knapp sein könnte für eine fundierte, dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragende Prüfung und dass deshalb die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der maßgeblichen Unterlagen und Daten bei den KKn beginnen dürfe.

32

Abzulehnen ist auch die Erwägung, die Vier-Jahres-Frist beginne für die einzelnen Quartale eines Jahres jeweils erst mit dem Anfang des nächstfolgenden Kalenderjahrs, so wie dies im Zivilrecht in weitem Umfang geregelt ist (vgl § 199 Abs 1 BGB). Die Heranziehung von Verjährungsgrundsätzen, wie die Beigeladene zu 2. dies befürwortet, ist damit nicht vereinbar, dass es sich bei der Vier-Jahres-Frist gerade um eine Ausschluss- und nicht um eine Verjährungsfrist handelt (vgl oben RdNr 25). Das BSG hat es auch in anderen Fällen abgelehnt, für den Beginn von Ausschlussfristen auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen (vgl - aus dem Honorarbereich - BSG MedR 2008, 100, RdNr 21 und 23, sowie BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 21 und 23).

33

Nach alledem beginnt die Vier-Jahres-Frist für Verordnungsregresse stets am "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" (vgl § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V), dh in dem (Normal-)Fall, dass die Arzneimittelverordnungen eines Quartals auf ihre Sachgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden, unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Dies entspricht einer schon bisher in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Ansicht (so zB SG Berlin vom 27.8.2008 - S 83 KA 74/07 - Juris RdNr 18 ff = GesR 2009, 255 f; Hartmannsgruber, ZMGR 2008, 124, 128; Dahm/Hofmayer in Rieger/Dahm/Steinhilper , Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Beitrag Nr 5560 "Wirtschaftlichkeitsprüfung", RdNr 231, Stand Einzelkommentierung August 2010; Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 106 RdNr 26).

34

Liegen indessen besondere Umstände vor, die Anlass geben, mehrere aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, so bilden diese den "geprüften Verordnungszeitraum". Der Beginn der Vier-Jahres-Frist "nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums" bedeutet in einer solchen Konstellation, dass die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des Gesamtzeitraums beginnt, also erst nach dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals.

35

Die Voraussetzung, dass besondere Sachgründe Veranlassung zur Gesamtprüfung mehrerer aufeinander folgender Quartale geben, ist in aller Regel bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen erfüllt. Denn bei SSB-Verordnungen sind erhebliche Schwankungen von Quartal zu Quartal typisch; diese Verordnungen erfolgen en bloc für einen Vorrat von ca einem Quartal. Hat der Arzt in einem Quartal den dafür angelegten Vorrat nicht verbraucht, so werden seine SSB-Verordnungen im nachfolgenden Quartal geringer ausfallen. Ist sein Vorrat vorzeitig aufgebraucht, so muss er ggf ein weiteres Mal im selben Quartal SSB-Verordnungen vornehmen. Durch solche Schwankungen sind uU in einzelnen Quartalen besonders hohe, in anderen Quartalen dagegen besonders geringe oder gar keine SSB-Verordnungen zu verzeichnen, ohne dass dies als sachwidrig angesehen werden kann. In solchen Fällen wäre eine auf nur einzelne Quartale beschränkte Prüfung problematisch. Solchen Besonderheiten wird nur eine Prüfung gerecht, die mehrere Quartale zusammenfasst, und zwar im Falle des SSB möglichst vier aufeinanderfolgende Quartale (so schon BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8 - hier mit Hinweis auf teilweise normierte weitere Differenzierungen für die Zuordnung der Fälle bei Auseinanderfallen von Verordnungs- und Einlösequartal; - vgl dazu Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 133). Eine Gesamtprüfung von vier aufeinander folgenden Quartalen ist im Übrigen auch ausdrücklich in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen SSB-Vereinbarung vorgeschrieben (siehe deren Abschnitt V).

36

Der Senat hat bereits zu anderen Prüfungsbereichen ausgeführt, dass es notwendig sein kann, vier aufeinander folgende Quartale zu einer Einheit zusammenzufassen und dass dann die Vier-Jahres-Frist erst ab Ablauf des letzten zu dieser Einheit gehörenden Quartals beginnt. So hat er - im Honorarbereich - für degressionsbedingte Honorarminderungen (§ 85 Abs 4b ff SGB V), die jahresbezogen zu berechnen sind (§ 85 Abs 4b ff SGB V), in seinen Urteilen vom 28.3.2007 entschieden, dass ein Regressbescheid die vierjährige Ausschlussfrist noch "wahrt …, wenn er innerhalb von vier Jahren nach Erlass des letzten Honorarbescheids für den Degressionszeitraum bekannt gegeben worden ist" (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18 aE; ebenso - zur Änderung eines Degressionsbescheids - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35 RdNr 18 aE).

37

Kein in dieser Weise besonderer Fall, in dem die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des letzten von mehreren Quartalen beginnt, ist dagegen dann gegeben, wenn die Rechtmäßigkeit von Verordnungen zB bei umstrittenem Off-Label-Use zusammengefasst für mehrere Quartale überprüft wird. In diesem Fall die gleichliegende Problematik mehrerer Quartale in einem Verfahren zusammenzufassen, mag der Verwaltungsvereinfachung dienen und auch im Interesse des betroffenen Arztes liegen. In einer derartigen Konstellation ist aber im Regelfall die Voraussetzung, dass nur bei Zusammenfassung mehrerer Quartale die Verordnungsweise sachgerecht beurteilt werden kann, nicht erfüllt. Deshalb beginnt in solchen Fällen, ungeachtet der zusammenfassenden Prüfung, die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal nach dessen Ablauf, so wie dies dem Normalfall entspricht (hierzu vgl oben RdNr 33).

38

Da vorliegend Gegenstand der Verordnungsprüfung die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von SSB waren und die SSB-Überprüfung hier, wie es sachlich veranlasst ist (vgl oben RdNr 35) und auch der Sollvorgabe in der SSB-Vereinbarung entsprach (Abschnitt V Satz 2), auf alle vier Quartale des Jahres 2001 erstreckt wurde (vgl oben RdNr 35), war das Ende des "geprüften Verordnungszeitraums" der 31.12.2001. Mithin begann die Vier-Jahres-Frist für alle vier Quartale des Jahres 2001 am 1.1.2002, sodass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Frist wahrte.

39

dd) Die Vier-Jahres-Frist wurde im Fall des Klägers für den gesamten Verordnungszeitraum der Quartale I bis IV/2001 aber nicht nur dadurch gewahrt, dass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 noch vor Ablauf von vier Jahren seit dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals erlassen wurde, sondern der Lauf der Frist war zudem durch den Antrag der KK vom 24.9.2002 an den Prüfungsausschuss auf Festsetzung eines Regresses gehemmt worden (siehe den Prüfantrag der Beigeladenen zu 2. vom 24.9.2002): Der Senat erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch einen Prüfantrag der KKn gehemmt werden, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (vgl zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R -, RdNr 33-35 iVm 40, 46, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das war hier der Fall.

40

Unschädlich ist, dass nach dem Prüfantrag, dessen Begründung und der Stellungnahme des Klägers vom 13.1.2003 zunächst während zweieinhalb Jahren das Verwaltungsverfahren nicht erkennbar weiter betrieben wurde (der Prüfungsausschuss trat erst am 30.11.2005 zu seiner Sitzung zusammen). Ein Erfordernis derart, dass die hemmende Wirkung entfällt, wenn das Verfahren mehr als sechs Monate lang nicht weiterbetrieben wird, besteht in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht, wie der Senat ausgeführt hat (BSG aaO RdNr 49 ff). Im Übrigen hatte der Prüfungsausschuss den Kläger bei der Zuleitung sowohl des Prüfantrags der KK als auch der Antragsbegründung jeweils darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Prüfverfahrens zurückgestellt werde bis zur Klärung, ob nicht eine Richtgrößenprüfung, die vorrangig wäre, durchgeführt werde. Das hierdurch eingetretene faktische Ruhen des Verfahrens war auch nicht unangemessen lang.

41

ee) Nach alledem wurde zum einen durch den Prüfantrag der KK vom 24.9.2002 der Lauf der Vier-Jahres-Frist gehemmt, und zum anderen erließ der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 innerhalb der ursprünglichen Vier-Jahres-Frist: Aus beiden Gründen durfte das Verfahren auf Festsetzung eines Regresses gegen den Kläger wegen nicht sachgerechter bzw unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen weiterhin durchgeführt werden. Dies galt einheitlich für alle vier Quartale I bis IV/2001; für eine getrennte Beurteilung einerseits der Quartale I und II/2001 und andererseits der Quartale III und IV/2001, wie das SG sie vorgenommen hat, ist - da es sich um eine einheitliche SSB-Gesamtüberprüfung handelte - kein Raum.

42

Der rechtlichen Wertung, dass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Vier-Jahres-Frist wahrte, steht nicht entgegen, dass seine Entscheidung "negativ" dahin lautete, gegen den Kläger seien keine Maßnahmen veranlasst. Für die Fristwahrung kommt es allein darauf an, dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn "freisprechenden" Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch "verbösernde" Entscheidungen treffen dürfen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN; vgl auch zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 am Ende; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 44 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung konnte der weitere Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 noch Wirksamkeit entfalten. Er durfte auch die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 "verbösern"; das Verbot der reformatio in peius stand dem nicht entgegen, weil der Beschwerdeausschuss im selben Verwaltungsverfahren als weitere Instanz entschied, nachdem die KK den ihr als Antragstellerin zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte.

43

5. Waren mithin die Vier-Jahres-Frist gewahrt und der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 zulässigerweise ergangen, so ist zu überprüfen, ob der Bescheid auch in sonstiger - formeller und materieller - Hinsicht rechtmäßig ist. Diese Beurteilung kann revisionsgerichtlich allerdings nur teilweise erfolgen (unten a und b). Für die abschließende Entscheidung, ob der Bescheid in materieller Hinsicht rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückzuverweisen ist (unten b).

44

a) Der Regressbescheid vom 27.11.2006 ist formell rechtmäßig. Die vom Kläger erhobene Beanstandung, gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verstoßen worden, greift nicht durch. Die Ansicht des Klägers, es hätte kein Regress, sondern - jedenfalls zunächst - nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft nicht zu.

45

Wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat, ist für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sog offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23 mwN). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Rede stehen, wenn zB dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss in der Arzneimittel-Richtlinie oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird. Zu solchen Fällen, die durch einen sogenannten Basismangel gekennzeichnet sind (vgl BSG aaO RdNr 23), gehört auch die Konstellation, dass ein Regress festgesetzt wird, weil ein verordnetes Arzneimittel nicht in der SSB-Vereinbarung zur Verordnung als SSB vorgesehen ist. Deshalb war im vorliegenden Fall - unabhängig davon, ob es sich um einen Regress aufgrund einer Vergleichsprüfung wegen gravierender Überschreitung des durchschnittlichen Aufwandes der Fachgruppe, und/oder, ob es sich um einen Regress wegen Verstoßes gegen die SSB-Vereinbarung handelte - keine vorgängige Beratung erforderlich.

46

Daran ändert der Hinweis auf § 22 Abs 2 bis 4 PrüfV nichts. Gemäß Abs 2 aaO "soll" zwar vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 "in der Regel" eine Beratung vorausgehen. Aber zum einen handelt es sich nur um eine "Soll"-Vorschrift, und zum anderen enthält Abs 4 ausdrücklich eine Ausnahme dahingehend, dass bei "Unwirtschaftlichkeit in besonders gravierendem Ausmaß" von einer vorrangigen Beratung abgesehen werden kann. Entweder war ein solcher Fall gegeben oder - was dem wertungsmäßig gleich steht (vgl RdNr 45) - ein Verstoß gegen die SSB-Vereinbarung.

47

b) Ob der Regressbescheid auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig ist, vermag der Senat indessen nicht abschließend zu beurteilen.

48

Die vom Beklagten getroffene Wahl der sog statistischen Vergleichsprüfung anhand der Durchschnittswerte der Fachgruppe ist nicht zu beanstanden. Die Wahl dieser Prüfmethode (zur insoweit bestehenden Auswahlfreiheit vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13 mwN) hat der Beklagte in seinem Bescheid mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (siehe die Formulierung "Grundlage der statistischen Vergleichsprüfung …" und die am Schluss des Bescheids befindliche "Vergleichsberechnung"). Nur der ergänzenden Erläuterung - um die Berechtigung der Regresshöhe von 7432 DM = 3800 Euro zu verdeutlichen - dienen seine Ausführungen zu SSB-Verordnungen außerhalb von Akutbehandlungen und deren Summierung auf 7931 DM.

49

Eine abschließende revisionsgerichtliche Würdigung ist allerdings nicht möglich. Dem Regress liegt die Annahme zugrunde, Anlässe, HAES-Infusionslösungen im Wege von SSB-Verordnungen zur Akut- und Notfallbehandlung zu beziehen (vgl Abschnitt I Nr 1 iVm Anlage 1 Nr 6 der SSB-Vereinbarung), hätten beim Kläger in keinem weitergehenden Umfang bestanden als beim Durchschnitt der Fachgruppe bzw als im Umfang von ca 14 % der HAES-Verordnungen (so sinngemäß der Bescheid S 4 f). Der Kläger hat hierzu allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, die Quote der ihm zugebilligten HAES-Akutbehandlungen sei zu gering; bei seiner Patientenschaft habe es Indikationen für HAES-Akutbehandlungen über die Fälle von Hörsturz und Tinnitus hinaus noch in weiteren Krankheitsfällen gegeben (vgl auch seine Klagebegründung vom 27.10.2008 S 7). Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat insbesondere hervorgehoben, dass die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht in Betracht komme, weil keine greifbaren Anhaltspunkte für einen speziellen Zuschnitt der Patientenschaft des Klägers erkennbar seien. Das SG hat - von seinem Rechtsstandpunkt her folgerichtig - zu diesem Fragenkreis keine näheren Feststellungen getroffen, sodass der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist.

50

Für die weitere Würdigung durch das SG weist der Senat auf Folgendes hin:

51
o
Erfolglos ist der Einwand des Klägers, bei einem Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnungen von HAES-Infusionslösungen müsse im Wege der Gegenrechnung berücksichtigt werden, in welcher Höhe im Falle des Verzichts auf SSB-Verordnungen stattdessen Kosten bei Einzelverordnungen für bestimmte Patienten angefallen wären. Diese Argumentation greift nicht durch. Die Zuerkennung der Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (vgl dazu zuletzt BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - RdNr 67 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Gegenrechnung der Kosten, die im Falle rechtmäßiger Einzelverordnungen angefallen wären, ist zudem deshalb ausgeschlossen, weil SSB-Verordnungen und Einzelverordnungen wegen der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede nicht austauschbar sind: SSB-Verordnungen erfolgen zu Lasten aller KKn, während Einzelverordnungen allein die KK belasten, bei der der Patient versichert ist. Bei SSB-Verordnungen entstehen Kosten in voller Höhe des Arzneimittels, während bei Einzelverordnungen die Patientenzuzahlungen kostenmindernd wirken (zur Nicht-Austauschbarkeit vgl zB BSG vom 8.5.1985, SozR 2200 § 368n Nr 36 S 117; BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 10/06 B - Juris RdNr 11; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 6/10 B - RdNr 7 aE). Dementsprechend können insoweit auch keine sog kompensierenden Einsparungen anerkannt werden (zu dieser Rechtsfigur vgl Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 71 bis 73, 100).
52
o
Zurückzuweisen ist der von Seiten der KKn erhobene Einwand, die Kosten für die Verordnung von HAES-Infusionslösungen bei akutem Hörsturz und Tinnitus seien deshalb nicht akzeptabel, weil ein Nutzen solcher Behandlungsmaßnahmen nicht durch Studien wissenschaftlich belegt sei; solchen Behandlungen liege nur die vermeintliche Erfahrung zugrunde, sie trügen zur Linderung bzw Heilung bei (vgl Widerspruchsbegründung der AOK vom 12.6.2006). Dieser Argumentation steht das Wesen der Prüfmethodik des Vergleichs mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe entgegen: Eine Behandlungs- bzw Verordnungsweise, die - wie die Durchführung von Infusionen zB bei Hörsturz - in der Fachgruppe grundsätzlich akzeptiert und tatsächlich Verbreitung gefunden hatte, darf bei dem Vergleich mit dem Aufwand der Fachgruppe nicht bei dem geprüften Arzt - also nur auf einer Seite - als unzulässig beanstandet werden. Dies kann auch nicht unter Rückgriff auf die sog Randzuständigkeit der Prüfgremien (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 13; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 12) gerechtfertigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats dürfen sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei medizinisch umstrittenen Behandlungen nur erfolgen, wenn deren Erbringung durch normative Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist - zB Fehlen einer gemäß § 135 SGB V erforderlichen Methodenanerkennung oder einer gemäß dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Arzneimittelzulassung -, und sonst nur dann, wenn die Leistungserbringung in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft steht oder ohne Weiteres erkennbar keinerlei Nutzen hat(BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1 S 3 ff; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1 RdNr 11, 13-15; BSG SozR 4-5533 Nr 653 Nr 1 RdNr 7 aE). Die hier in Rede stehende Behandlungsweise, die Durchführung von Infusionen bei Hörsturz uÄ, hat indessen Verbreitung gefunden und kann nicht als offenkundig im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft angesehen werden.
53

6. Das SG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Sprechstundenbedarf.

2

Der als Praktischer Arzt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger bezog im Jahr 2001 in erheblichem Umfang "Hydroxyäthylstärke (HAES) steril 6 %" im Wege der Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB). HAES-Infusionslösungen werden zB bei Hörsturz und Tinnitus eingesetzt.

3

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse (KK, hier: AOK) beantragte, nachdem sie am 24.7.2002 die Kostenstatistiken für das letzte Quartal des Jahres 2001 erhalten hatte, beim Prüfungsausschuss (PA), dass dieser gegen den Kläger wegen Überschreitung des durchschnittlichen Aufwands der Fachgruppe beim SSB um mehr als das Doppelte einen Regress festsetze (Antrag vom 24.9.2002; Begründung vom 16.12.2002). Antrag und Begründung wurden dem Kläger zugeleitet mit dem Hinweis, dass die beantragte Prüfung nach Durchschnittswerten nur durchgeführt werde, wenn für den Prüfzeitraum keine Prüfung nach Richtgrößen stattfinde. Nachdem diese nicht stattgefunden hatte, nahm der PA eine Überprüfung anhand von Durchschnittswerten vor mit dem Ergebnis, dass eine Maßnahme gegen den Kläger nicht veranlasst sei (Bescheid vom 22.12.2005): Zwar lägen seine Aufwendungen für den SSB, die durch die HAES-Infusionen im Umfang von 3975 DM verursacht seien, deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Ihm seien aber Einsparungen durch den Bezug der Infusionen in Großgebinden und bei den allgemeinen Arzneikosten zugute zu halten.

4

Die Beigeladene zu 2. legte Widerspruch ein. Sowohl dieser als auch die nachgereichte Widerspruchsbegründung wurden dem Kläger zugeleitet. Der beklagte Beschwerdeausschuss setzte - unter Aufhebung des Bescheids des PA - einen Regress von 3799,75 Euro fest (Bescheid vom 27.11.2006): Dem Kläger sei im SSB-Bereich eine Überschreitung des durchschnittlichen Verordnungsaufwandes der Fachgruppe um 211,6 % anzulasten. Dabei werde eine Berechnung über das gesamte Jahr zugrunde gelegt, weil nur dies sachgerecht sei, da in den vier Quartalen eines Jahres sehr unterschiedliche Materialanforderungen festzustellen seien. Eine Rechtfertigung der Überschreitungen durch medizinische Besonderheiten sei nicht ersichtlich. SSB-Verordnungen seien nur für die Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt, für die weiteren Infusionen müsse der Arzt Einzelverordnungen für den konkreten Patienten ausstellen. Teilweise habe der Kläger HAES-Infusionslösungen auch bei anderen Krankheiten verordnet, bei denen dies nicht indiziert sei. Die Überschreitung der Durchschnittsverordnungskosten liege eindeutig im Bereich des sog offensichtlichen Missverhältnisses. Minderkosten bei den Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln könnten mangels kausalen Zusammenhangs mit den Mehrkosten beim SSB nicht als kompensierende Einsparungen anerkannt werden. Von den HAES-Verordnungen sei nur ein Anteil von 14 % = ca 1291 DM für Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt. Demnach belaufe sich der unwirtschaftliche Anteil auf ca 7931 DM. Ausgehend von dem SSB-Gesamtverordnungsvolumen des Klägers von 14 677,06 DM, das den Fachgruppendurchschnitt pro Fall um mehr als das Doppelte überschreite, ergebe sich - bei Zubilligung einer Überschreitung um 45 % und nach Abzug des Apothekenrabatts von 5 % - ein Regress in Höhe von 7431,66 DM = 3799,75 Euro.

5

Das vom Kläger angerufene SG hat den Regressbescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid sei teilweise rechtswidrig. Allerdings habe der Beklagte die Bestimmung der Prüfvereinbarung eingehalten, wonach die Prüfung längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorlägen, beantragt werden könne (§ 14 Abs 3 Prüfvereinbarung). Diese Frist sei durch den Prüfantrag vom 25.9.2002 gewahrt worden; der KK hätten die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen. Die Vier-Jahres-Frist für den Erlass des Prüfbescheids sei dagegen nur teilweise eingehalten worden. Diese beginne im Falle von Verordnung(sregress)en mit Erlass des Honorarbescheids für dasjenige Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausgestellt habe. Hiernach sei diese Frist durch den Bescheid vom 22.12.2005 bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt worden, allerdings nicht hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil der Erlass der Honorarbescheide für diese bereits mehr als vier Jahre zurückgelegen habe. Der gesonderten Betrachtung jedes einzelnen Quartals stehe nicht entgegen, dass bei SSB-Verordnungen alle vier Quartale eines Jahres zusammen überprüft würden; denn auch in diesem Fall bleibe der Zusammenhang jeder Verordnung mit dem konkreten Quartal ihrer Ausstellung bestehen. Deshalb sei für einen Regress hinsichtlich der Quartale I und II/2001 kein Raum mehr, sodass der Beklagte zur Neubescheidung, beschränkt auf die Quartale III und IV/2001, verpflichtet sei.

6

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, das SG habe zu Unrecht angenommen, die Vier-Jahres-Frist beginne für jedes einzelne Quartal gesondert. Die Frist habe vielmehr auch für die Quartale I und II/2001 erst nach dem Quartal IV/2001 zu laufen begonnen, sodass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 sie noch gewahrt habe. Dies folge daraus, dass gemäß der SSB-Vereinbarung die Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen nur insgesamt für vier aufeinanderfolgende Quartale geprüft werde. Offenbleiben könne, ob die Vier-Jahres-Frist schon sogleich nach Ablauf des vierten Quartals oder erst ab dem Erlass des Honorarbescheids für dieses Quartal oder gar erst ab Eingang der Kostenstatistiken für dieses Quartal beginne; denn in jedem dieser Fälle sei sie durch den Prüfbescheid vom 22.12.2005 gewahrt worden. Dieser habe nicht früher erlassen werden können, weil zunächst habe abgewartet werden müssen, ob Richtgrößenprüfungen durchgeführt würden, was die Möglichkeit einer Prüfung anhand von Durchschnittswerten gehindert hätte.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil des SG. Es habe mit der Annahme, die Vier-Jahres-Frist sei, bezogen auf die Quartale I und II/2001, abgelaufen, die Rechtsprechung des BSG konsequent fortgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Prüfung von SSB die Frist wegen der Gesamtüberprüfung mehrerer Quartale erst nach Ablauf des letzten Quartals beginne, seien nicht normativ vorgegeben und auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG vorgezeichnet. Diese Auffassung laufe auch der Intention der SSB-Vereinbarung zuwider, die mit der Vorgabe jahresbezogener Prüfungen die Ärzte begünstigen wolle. Im Übrigen habe die Regelung über die jahresbezogene Prüfung nur den Rang von Landesrecht, was den aus Bundesrecht abzuleitenden, für jedes Quartal gesonderten Fristbeginn nicht ändern könne.

10

Die Beigeladene zu 2. schließt sich, ohne selbst einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten an. Sie führt ergänzend aus, nach ihrer Ansicht sei für die Vier-Jahres-Frist im Verordnungsbereich die Verjährungsregelung des § 45 Abs 1 SGB I maßgebend. Die Frist beginne erst ab Zugang der Verordnungsstatistiken und bei jahresbezogenen Prüfungen auch nur einheitlich für alle Quartale mit Vorliegen der Statistiken für das letzte Quartal des Jahres. Daher habe der Bescheid des Prüfungsausschusses die Frist noch gewahrt.

11

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Erfolg. Die Revision ist ungeachtet der Mängel der Entscheidung des SG über die Zulassung der Sprungrevision zulässig (unten 1.). Sie betrifft vom Streitgegenstand her nur die Quartale I und II/2001, denn nur insoweit hat das SG einen Ablauf der Vier-Jahres-Frist angenommen und nur insoweit ist dessen Urteil mit der Revision angefochten worden (unten 2.). Die Revision des Beklagten ist erfolgreich, denn das angefochtene Urteil ist fehlerhaft. Das SG hat zu Recht die Rechtsgrundlage für den Bescheid in § 106 SGB V gesehen(unten 3.), aber zu Unrecht angenommen, die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist sei im Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheids vom 22.12.2005, bezogen auf die Quartale I und II/2001, bereits verstrichen gewesen (unten 4.). Für die abschließende Beurteilung, ob der Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es allerdings noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückverwiesen wird (unten 5.).

13

1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl BSG BSGE 51, 23, 26 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27 S 54 ff; BSGE 64, 296, 297 f = SozR 1500 § 161 Nr 33 S 69 f; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 13/06 R - Juris RdNr 9).

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.11.2006, der gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 3799,75 Euro festsetzte und den Prüfbescheid des Zulassungsausschusses vom 22.12.2005 aufhob, der von Maßnahmen gegen den Kläger abgesehen hatte (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Allerdings ist der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 nur insoweit Gegenstand, als die im Urteil des SG enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des SG ist nur unter diesem Aspekt angefochten worden; nur der Beklagte hat Revision eingelegt.

15

Soweit die Vorgaben nachteilig für den Kläger sind, sind diese mangels Revisionseinlegung durch ihn nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Sie sind vielmehr bestandskräftig und damit bindend geworden (zu Differenzierungen hinsichtlich der Bestandskraft und Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen siehe eingehend BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN; vgl auch zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 4; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 4/09 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 85 vorgesehen). Dementsprechend ist Gegenstand des hier anhängigen Revisionsverfahrens die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten vom 27.11.2006 ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob mit ihm ein Regress wegen SSB-Verordnungen auch noch bezogen auf die Quartale I und II/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist entgegenstand.

16

3. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Jahr 2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17 und BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese PrüfVen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (vgl BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14 mwN).

17

Die PrüfVen enthalten regelmäßig auch Bestimmungen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von SSB. Auch in der hier einschlägigen PrüfV von 1993 (die bis Oktober 2005 weitergalt) waren Regelungen speziell für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen getroffen worden (siehe zB § 10, § 14 Abs 3, § 15 Abs 3 PrüfV; vgl dazu § 162 SGG betr Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung des Inhalts von Landesrecht, hierzu zB - betr PrüfV - BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - RdNr 30 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zur Frage, welche Arzneimittel im Wege der Verordnung als SSB bezogen werden dürfen, enthalten die SSB-Vereinbarungen nähere Regelungen; auch dies sind landesrechtliche Vorschriften, deren Anwendung und Auslegung den LSGen vorbehalten ist (§ 162 SGG, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 13).

18

4. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von SSB gelten, sind gewahrt worden. Dem Regress kann weder der Ablauf der (a) Frist für die Stellung des Prüfantrags noch der Ablauf der (b) Frist für den Erlass des Prüfbescheids entgegengehalten werden.

19

a) Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, scheitert die Regressfestsetzung nicht daran, dass die zu 2. beigeladene KK die Überprüfung der SSB-Verordnungen des Klägers zu spät beantragt hätte.

20

Zum einen ist die Frist, die in der PrüfV für Prüfanträge bei SSB-Verordnungen normiert ist, eingehalten worden: Anträge auf Überprüfung von SSB-Verordnungen können gemäß § 14 Abs 3 PrüfV "längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorliegen, gestellt werden". Der zu 2. beigeladenen KK haben die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen, wie im Urteil des SG zugrunde gelegt und von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 163 SGG; vgl vorliegend auch § 161 Abs 4 SGG). Im Urteil des SG ist dazu festgestellt, dass es sich im Zeitpunkt des Antrags der Beigeladenen zu 2. - am 24./25.9.2002 - bei den Quartalen I bis IV/2001 um die letzten vier handelte, für die statistische Unterlagen vorlagen. Auf dieser Grundlage hat das SG folgerichtig den Schluss gezogen, dass die in § 14 Abs 3 PrüfV für die Prüfung normierte Frist eingehalten war.

21

Zum anderen kommt es auf die Einhaltung der Frist des § 14 Abs 3 PrüfV ohnehin nicht an. Wie der Senat in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 19 bis 22) klargestellt hat, dient die Prüfantragsfrist (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist (hierzu siehe unten b; - diese Rspr fortsetzend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - Juris RdNr 29 bis 31). Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser - hier ohnehin eingehaltenen - Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu.

22

b) Dem Regressbescheid kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die für Regressfestsetzungen geltende Vier-Jahres-Frist sei nicht gewahrt worden.

23

Das SG vertritt die Auffassung, der Prüfbescheid vom 22.12.2005 habe die Vier-Jahres-Frist lediglich bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt, nicht aber hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil seit deren Ende - bzw seit dem Erlass der Honorarbescheide für diese Quartale - bereits mehr als vier Jahre verstrichen waren, als der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 erließ. Die Frist habe für diese Quartale nicht etwa deshalb erst später begonnen, weil die Überprüfung von SSB-Verordnungen in Frage stehe und diese sich grundsätzlich auf alle vier Quartale eines Jahres zusammen erstrecke. Auch bei SSB-Verordnungen bleibe der Zusammenhang der Verordnungen mit jeweils einem konkreten Quartal bestehen, sodass die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal beginne.

24

Diesen Ausführungen des SG kann nur teilweise gefolgt werden. Die Auffassung des SG, dass für den hier streitbefangenen SSB-Regress eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt, trifft zu (unten aa und bb). Unzutreffend ist hingegen dessen Ansicht, die Frist beginne gesondert für jedes einzelne Quartal mit Erlass des Quartalshonorarbescheids und sei deshalb für die Quartale I und II/2001 bereits abgelaufen. Bei SSB-Verordnungen sind grundsätzlich vier aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, und die Vier-Jahres-Frist beginnt einheitlich nach Ablauf des letzten dieser Quartale (unten cc). Der Fristlauf war im Übrigen auch schon gehemmt (unten dd).

25

aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - klargestellt hat, unterliegt die Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die der Arzt nicht verordnen durfte, keiner Verjährung, sondern einer Ausschlussfrist (BSG aaO RdNr 18 ff - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit Zusammenfassung seiner Rspr). Eine Verjährung gilt nur für Festsetzungen eines sog sonstigen Schadens, dem nur solche Regresse wegen Fehlverordnungen zuzuordnen sind, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Verordnung ergeben (Urteil aaO RdNr 22 bis 26). Handelt es sich dagegen um Fehler, die sich speziell aus der Verordnung selbst ergeben, wie zB bei Verordnungen unter Verstoß gegen die Arzneimittel-Richtlinie bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, so liegen Fälle des § 106 SGB V vor, für die keine Verjährungs-, sondern nur eine Ausschlussfrist in Betracht kommt(aaO RdNr 22 f, 26, 27 ff).

26

Für die Verordnung von Arzneimitteln, die nicht patienten-, sondern praxisbezogen als SSB erfolgt, gilt nichts anderes. In der Rechtsprechung des Senats ist seit langem geklärt, dass den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle der Zulässigkeit von SSB-Verordnungen - im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen SSB-Vereinbarung - wie auch die ihrer Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne - im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit den durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe - übertragen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 14). Auch der Umstand, dass Regresse wegen vereinbarungswidriger oder unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12), weist auf die Zuordnung der gesamten SSB-Prüfung zur allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung iS des § 106 SGB V und nicht zur Sonderkonstellation der Verantwortung des Vertragsarztes für die Verursachung eines "sonstigen Schadens" bei den KKn hin(so jüngst auch BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mit Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 5 ff betr fehlerhafte Aufteilung des SSB zwischen Primär- und Ersatzkassen).

27

bb) Die Ausschlussfrist für Regressbescheide auf der Grundlage des § 106 SGB V beträgt nach der Rechtsprechung des BSG - in Anlehnung an die sonstigen ebenfalls vierjährigen Fristen zB in den Büchern des SGB und auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen - vier Jahre. Mit dieser Festlegung hat das BSG der Notwendigkeit zeitlicher Begrenzung von Prüfverfahren aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit Rechnung getragen (vgl oben RdNr 21 und zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 28 mwN).

28

cc) Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, ist dahin zu beantworten, dass diese Frist für Verordnungsregresse im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Die kostenmäßige Zuordnung von Verordnungen kann unterschiedlich gestaltet sein. Erfolgt die Zuordnung zu dem Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausstellte, so ist der Ablauf dieses Quartals auch für den Beginn der Vier-Jahres-Frist maßgebend. Erfolgt die kostenmäßige Zuordnung der Verordnung danach, in welchem Quartal die Verordnung eingelöst wurde - dh danach, wann die Kosten entstanden -, so ist der Ablauf dieses Quartals maßgebend. Welche dieser beiden Varianten bei Auseinanderfallen des Verordnungs- und des Einlösezeitpunkts einschlägig ist, kann in einer allgemein-abstrakten normativen Regelung, zB in der PrüfV, bestimmt werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 23; zu insoweit differenzierenden Regelungen vgl BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8; vgl auch unten RdNr 35). Besteht keine normative Festlegung, kann die Zuordnung sich aus der Verwaltungspraxis der Prüfgremien ergeben.

29

Das Ergebnis ist durch die Regelung des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V gesetzlich vorgezeichnet. Zwar betrifft diese Bestimmung als solche nur die Richtgrößenprüfung - und normiert insoweit eine kürzere, zweijährige Frist -, hat aber mit dem Kriterium "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" generelle Bedeutung. Bei dem "Verordnungszeitraum" kann es sich - so der Regelfall - um ein Quartal handeln, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf dieses Quartals beginnt (unten RdNr 33 und 37), oder - in besonderen Fällen eines sachlich-veranlasst längeren Prüfzeitraums - um einen Zeitraum mehrerer Quartale, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals beginnt (unten RdNr 34). Im Fall von SSB-Verordnungen liegt in aller Regel eine solche besondere Konstellation vor (unten RdNr 35 iVm 38).

30

Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird, ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit, als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (siehe zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 31 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit umfangreichen Rspr-Nachweisen). In gleicher Weise im Verordnungsbereich für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, wäre verfehlt. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise betreffen zwei unterschiedliche Bereiche; eine "Gesamtprüfung" findet nicht statt. Ein Sachgrund, durch Abstellen auf den Erlass des Honorarbescheids einen "Gleichklang" des Fristlaufs im Honorar- und im Verordnungsbereich zu erreichen, besteht nicht. Dafür reicht nicht aus, dass in seltenen Fällen Anlass zur Prüfung bestehen kann, ob ein Verordnungsmehraufwand durch einen Minderaufwand im Honorarbereich kompensiert wird, was erst ab Erlass des Honorarbescheids fundiert beurteilt werden kann (zu dieser abweichenden Ansicht vgl Clemens in jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 153, und in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 105; ebenso im Ergebnis: Peikert in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 20 RdNr 17 aE; - zur Rechtsfigur kompensierender Einsparun gen vgl Clemens in Laufs/Kern aaO § 36 RdNr 71 bis 73 mwN; siehe auch RdNr 100 und RdNr 122 f). Zudem gibt es Fälle, in denen das Abstellen auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist. Denn für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, ergeht nicht stets auch ein Honorarbescheid: Wenn zB ein Arzt eine Verordnung am 20.6. ausstellt, diese aber erst am 2.7. in der Apotheke eingelöst wird, wird die Verordnung in der Regel kostenmäßig diesem dritten Quartal zugeordnet. In diesem sucht aber möglicherweise der Patient den Arzt nicht wieder auf, oder der Arzt führt seine vertragsärztliche Tätigkeit jetzt nicht mehr weiter. Dann ergeht für dieses Quartal, jedenfalls bezogen auf Leistungen des Arztes gegenüber diesem Patienten, kein Honorarbescheid.

31

Überzeugend ist auch nicht die Ansicht, bei Verordnungsregressen sei für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem den KKn alle Unterlagen und Daten vorliegen, die für die fundierte Beurteilung erforderlich sind, ob ein Regressantrag sinnvoll ist. Hiernach begänne die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der Arzneikostenstatistiken. Bei diesem Ausgangspunkt würde der Arzt, der durch den Lauf der Vier-Jahres-Frist geschützt werden und Rechtssicherheit erhalten soll (hierzu vgl oben RdNr 21, 27), mit Risiken belastet, die dem Verantwortungsbereich der vertragsärztlichen Institutionen zuzurechnen sind. Zu deren Aufgaben gehört die Organisation und die Bewältigung der verwaltungstechnischen Abläufe und damit auch die kürzere oder längere Dauer der Unterlagen- und Datenbeschaffung (vgl dazu Clemens in jurisPraxisKommentar aaO RdNr 154). Durchgreifend ist auch nicht der Gesichtspunkt, dass Richtgrößenprüfungen grundsätzlich vorrangig sind und deshalb erst nach Klärung von deren Durchführbarkeit - was uU schwierige Fragen wie zB diejenige der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung implizieren kann - die Durchschnittsprüfung in Angriff genommen werden kann. Auch bei kumulativer Berücksichtigung aller denkbaren Schwierigkeiten bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Gesamtfrist von vier Jahren in einer erheblichen Zahl der Fälle die verbleibende Zeit zu knapp sein könnte für eine fundierte, dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragende Prüfung und dass deshalb die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der maßgeblichen Unterlagen und Daten bei den KKn beginnen dürfe.

32

Abzulehnen ist auch die Erwägung, die Vier-Jahres-Frist beginne für die einzelnen Quartale eines Jahres jeweils erst mit dem Anfang des nächstfolgenden Kalenderjahrs, so wie dies im Zivilrecht in weitem Umfang geregelt ist (vgl § 199 Abs 1 BGB). Die Heranziehung von Verjährungsgrundsätzen, wie die Beigeladene zu 2. dies befürwortet, ist damit nicht vereinbar, dass es sich bei der Vier-Jahres-Frist gerade um eine Ausschluss- und nicht um eine Verjährungsfrist handelt (vgl oben RdNr 25). Das BSG hat es auch in anderen Fällen abgelehnt, für den Beginn von Ausschlussfristen auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen (vgl - aus dem Honorarbereich - BSG MedR 2008, 100, RdNr 21 und 23, sowie BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 21 und 23).

33

Nach alledem beginnt die Vier-Jahres-Frist für Verordnungsregresse stets am "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" (vgl § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V), dh in dem (Normal-)Fall, dass die Arzneimittelverordnungen eines Quartals auf ihre Sachgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden, unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Dies entspricht einer schon bisher in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Ansicht (so zB SG Berlin vom 27.8.2008 - S 83 KA 74/07 - Juris RdNr 18 ff = GesR 2009, 255 f; Hartmannsgruber, ZMGR 2008, 124, 128; Dahm/Hofmayer in Rieger/Dahm/Steinhilper , Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Beitrag Nr 5560 "Wirtschaftlichkeitsprüfung", RdNr 231, Stand Einzelkommentierung August 2010; Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 106 RdNr 26).

34

Liegen indessen besondere Umstände vor, die Anlass geben, mehrere aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, so bilden diese den "geprüften Verordnungszeitraum". Der Beginn der Vier-Jahres-Frist "nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums" bedeutet in einer solchen Konstellation, dass die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des Gesamtzeitraums beginnt, also erst nach dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals.

35

Die Voraussetzung, dass besondere Sachgründe Veranlassung zur Gesamtprüfung mehrerer aufeinander folgender Quartale geben, ist in aller Regel bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen erfüllt. Denn bei SSB-Verordnungen sind erhebliche Schwankungen von Quartal zu Quartal typisch; diese Verordnungen erfolgen en bloc für einen Vorrat von ca einem Quartal. Hat der Arzt in einem Quartal den dafür angelegten Vorrat nicht verbraucht, so werden seine SSB-Verordnungen im nachfolgenden Quartal geringer ausfallen. Ist sein Vorrat vorzeitig aufgebraucht, so muss er ggf ein weiteres Mal im selben Quartal SSB-Verordnungen vornehmen. Durch solche Schwankungen sind uU in einzelnen Quartalen besonders hohe, in anderen Quartalen dagegen besonders geringe oder gar keine SSB-Verordnungen zu verzeichnen, ohne dass dies als sachwidrig angesehen werden kann. In solchen Fällen wäre eine auf nur einzelne Quartale beschränkte Prüfung problematisch. Solchen Besonderheiten wird nur eine Prüfung gerecht, die mehrere Quartale zusammenfasst, und zwar im Falle des SSB möglichst vier aufeinanderfolgende Quartale (so schon BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8 - hier mit Hinweis auf teilweise normierte weitere Differenzierungen für die Zuordnung der Fälle bei Auseinanderfallen von Verordnungs- und Einlösequartal; - vgl dazu Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 133). Eine Gesamtprüfung von vier aufeinander folgenden Quartalen ist im Übrigen auch ausdrücklich in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen SSB-Vereinbarung vorgeschrieben (siehe deren Abschnitt V).

36

Der Senat hat bereits zu anderen Prüfungsbereichen ausgeführt, dass es notwendig sein kann, vier aufeinander folgende Quartale zu einer Einheit zusammenzufassen und dass dann die Vier-Jahres-Frist erst ab Ablauf des letzten zu dieser Einheit gehörenden Quartals beginnt. So hat er - im Honorarbereich - für degressionsbedingte Honorarminderungen (§ 85 Abs 4b ff SGB V), die jahresbezogen zu berechnen sind (§ 85 Abs 4b ff SGB V), in seinen Urteilen vom 28.3.2007 entschieden, dass ein Regressbescheid die vierjährige Ausschlussfrist noch "wahrt …, wenn er innerhalb von vier Jahren nach Erlass des letzten Honorarbescheids für den Degressionszeitraum bekannt gegeben worden ist" (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18 aE; ebenso - zur Änderung eines Degressionsbescheids - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35 RdNr 18 aE).

37

Kein in dieser Weise besonderer Fall, in dem die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des letzten von mehreren Quartalen beginnt, ist dagegen dann gegeben, wenn die Rechtmäßigkeit von Verordnungen zB bei umstrittenem Off-Label-Use zusammengefasst für mehrere Quartale überprüft wird. In diesem Fall die gleichliegende Problematik mehrerer Quartale in einem Verfahren zusammenzufassen, mag der Verwaltungsvereinfachung dienen und auch im Interesse des betroffenen Arztes liegen. In einer derartigen Konstellation ist aber im Regelfall die Voraussetzung, dass nur bei Zusammenfassung mehrerer Quartale die Verordnungsweise sachgerecht beurteilt werden kann, nicht erfüllt. Deshalb beginnt in solchen Fällen, ungeachtet der zusammenfassenden Prüfung, die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal nach dessen Ablauf, so wie dies dem Normalfall entspricht (hierzu vgl oben RdNr 33).

38

Da vorliegend Gegenstand der Verordnungsprüfung die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von SSB waren und die SSB-Überprüfung hier, wie es sachlich veranlasst ist (vgl oben RdNr 35) und auch der Sollvorgabe in der SSB-Vereinbarung entsprach (Abschnitt V Satz 2), auf alle vier Quartale des Jahres 2001 erstreckt wurde (vgl oben RdNr 35), war das Ende des "geprüften Verordnungszeitraums" der 31.12.2001. Mithin begann die Vier-Jahres-Frist für alle vier Quartale des Jahres 2001 am 1.1.2002, sodass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Frist wahrte.

39

dd) Die Vier-Jahres-Frist wurde im Fall des Klägers für den gesamten Verordnungszeitraum der Quartale I bis IV/2001 aber nicht nur dadurch gewahrt, dass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 noch vor Ablauf von vier Jahren seit dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals erlassen wurde, sondern der Lauf der Frist war zudem durch den Antrag der KK vom 24.9.2002 an den Prüfungsausschuss auf Festsetzung eines Regresses gehemmt worden (siehe den Prüfantrag der Beigeladenen zu 2. vom 24.9.2002): Der Senat erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch einen Prüfantrag der KKn gehemmt werden, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (vgl zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R -, RdNr 33-35 iVm 40, 46, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das war hier der Fall.

40

Unschädlich ist, dass nach dem Prüfantrag, dessen Begründung und der Stellungnahme des Klägers vom 13.1.2003 zunächst während zweieinhalb Jahren das Verwaltungsverfahren nicht erkennbar weiter betrieben wurde (der Prüfungsausschuss trat erst am 30.11.2005 zu seiner Sitzung zusammen). Ein Erfordernis derart, dass die hemmende Wirkung entfällt, wenn das Verfahren mehr als sechs Monate lang nicht weiterbetrieben wird, besteht in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht, wie der Senat ausgeführt hat (BSG aaO RdNr 49 ff). Im Übrigen hatte der Prüfungsausschuss den Kläger bei der Zuleitung sowohl des Prüfantrags der KK als auch der Antragsbegründung jeweils darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Prüfverfahrens zurückgestellt werde bis zur Klärung, ob nicht eine Richtgrößenprüfung, die vorrangig wäre, durchgeführt werde. Das hierdurch eingetretene faktische Ruhen des Verfahrens war auch nicht unangemessen lang.

41

ee) Nach alledem wurde zum einen durch den Prüfantrag der KK vom 24.9.2002 der Lauf der Vier-Jahres-Frist gehemmt, und zum anderen erließ der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 innerhalb der ursprünglichen Vier-Jahres-Frist: Aus beiden Gründen durfte das Verfahren auf Festsetzung eines Regresses gegen den Kläger wegen nicht sachgerechter bzw unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen weiterhin durchgeführt werden. Dies galt einheitlich für alle vier Quartale I bis IV/2001; für eine getrennte Beurteilung einerseits der Quartale I und II/2001 und andererseits der Quartale III und IV/2001, wie das SG sie vorgenommen hat, ist - da es sich um eine einheitliche SSB-Gesamtüberprüfung handelte - kein Raum.

42

Der rechtlichen Wertung, dass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Vier-Jahres-Frist wahrte, steht nicht entgegen, dass seine Entscheidung "negativ" dahin lautete, gegen den Kläger seien keine Maßnahmen veranlasst. Für die Fristwahrung kommt es allein darauf an, dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn "freisprechenden" Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch "verbösernde" Entscheidungen treffen dürfen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN; vgl auch zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 am Ende; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 44 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung konnte der weitere Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 noch Wirksamkeit entfalten. Er durfte auch die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 "verbösern"; das Verbot der reformatio in peius stand dem nicht entgegen, weil der Beschwerdeausschuss im selben Verwaltungsverfahren als weitere Instanz entschied, nachdem die KK den ihr als Antragstellerin zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte.

43

5. Waren mithin die Vier-Jahres-Frist gewahrt und der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 zulässigerweise ergangen, so ist zu überprüfen, ob der Bescheid auch in sonstiger - formeller und materieller - Hinsicht rechtmäßig ist. Diese Beurteilung kann revisionsgerichtlich allerdings nur teilweise erfolgen (unten a und b). Für die abschließende Entscheidung, ob der Bescheid in materieller Hinsicht rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückzuverweisen ist (unten b).

44

a) Der Regressbescheid vom 27.11.2006 ist formell rechtmäßig. Die vom Kläger erhobene Beanstandung, gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verstoßen worden, greift nicht durch. Die Ansicht des Klägers, es hätte kein Regress, sondern - jedenfalls zunächst - nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft nicht zu.

45

Wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat, ist für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sog offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23 mwN). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Rede stehen, wenn zB dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss in der Arzneimittel-Richtlinie oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird. Zu solchen Fällen, die durch einen sogenannten Basismangel gekennzeichnet sind (vgl BSG aaO RdNr 23), gehört auch die Konstellation, dass ein Regress festgesetzt wird, weil ein verordnetes Arzneimittel nicht in der SSB-Vereinbarung zur Verordnung als SSB vorgesehen ist. Deshalb war im vorliegenden Fall - unabhängig davon, ob es sich um einen Regress aufgrund einer Vergleichsprüfung wegen gravierender Überschreitung des durchschnittlichen Aufwandes der Fachgruppe, und/oder, ob es sich um einen Regress wegen Verstoßes gegen die SSB-Vereinbarung handelte - keine vorgängige Beratung erforderlich.

46

Daran ändert der Hinweis auf § 22 Abs 2 bis 4 PrüfV nichts. Gemäß Abs 2 aaO "soll" zwar vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 "in der Regel" eine Beratung vorausgehen. Aber zum einen handelt es sich nur um eine "Soll"-Vorschrift, und zum anderen enthält Abs 4 ausdrücklich eine Ausnahme dahingehend, dass bei "Unwirtschaftlichkeit in besonders gravierendem Ausmaß" von einer vorrangigen Beratung abgesehen werden kann. Entweder war ein solcher Fall gegeben oder - was dem wertungsmäßig gleich steht (vgl RdNr 45) - ein Verstoß gegen die SSB-Vereinbarung.

47

b) Ob der Regressbescheid auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig ist, vermag der Senat indessen nicht abschließend zu beurteilen.

48

Die vom Beklagten getroffene Wahl der sog statistischen Vergleichsprüfung anhand der Durchschnittswerte der Fachgruppe ist nicht zu beanstanden. Die Wahl dieser Prüfmethode (zur insoweit bestehenden Auswahlfreiheit vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13 mwN) hat der Beklagte in seinem Bescheid mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (siehe die Formulierung "Grundlage der statistischen Vergleichsprüfung …" und die am Schluss des Bescheids befindliche "Vergleichsberechnung"). Nur der ergänzenden Erläuterung - um die Berechtigung der Regresshöhe von 7432 DM = 3800 Euro zu verdeutlichen - dienen seine Ausführungen zu SSB-Verordnungen außerhalb von Akutbehandlungen und deren Summierung auf 7931 DM.

49

Eine abschließende revisionsgerichtliche Würdigung ist allerdings nicht möglich. Dem Regress liegt die Annahme zugrunde, Anlässe, HAES-Infusionslösungen im Wege von SSB-Verordnungen zur Akut- und Notfallbehandlung zu beziehen (vgl Abschnitt I Nr 1 iVm Anlage 1 Nr 6 der SSB-Vereinbarung), hätten beim Kläger in keinem weitergehenden Umfang bestanden als beim Durchschnitt der Fachgruppe bzw als im Umfang von ca 14 % der HAES-Verordnungen (so sinngemäß der Bescheid S 4 f). Der Kläger hat hierzu allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, die Quote der ihm zugebilligten HAES-Akutbehandlungen sei zu gering; bei seiner Patientenschaft habe es Indikationen für HAES-Akutbehandlungen über die Fälle von Hörsturz und Tinnitus hinaus noch in weiteren Krankheitsfällen gegeben (vgl auch seine Klagebegründung vom 27.10.2008 S 7). Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat insbesondere hervorgehoben, dass die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht in Betracht komme, weil keine greifbaren Anhaltspunkte für einen speziellen Zuschnitt der Patientenschaft des Klägers erkennbar seien. Das SG hat - von seinem Rechtsstandpunkt her folgerichtig - zu diesem Fragenkreis keine näheren Feststellungen getroffen, sodass der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist.

50

Für die weitere Würdigung durch das SG weist der Senat auf Folgendes hin:

51
o
Erfolglos ist der Einwand des Klägers, bei einem Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnungen von HAES-Infusionslösungen müsse im Wege der Gegenrechnung berücksichtigt werden, in welcher Höhe im Falle des Verzichts auf SSB-Verordnungen stattdessen Kosten bei Einzelverordnungen für bestimmte Patienten angefallen wären. Diese Argumentation greift nicht durch. Die Zuerkennung der Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (vgl dazu zuletzt BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - RdNr 67 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Gegenrechnung der Kosten, die im Falle rechtmäßiger Einzelverordnungen angefallen wären, ist zudem deshalb ausgeschlossen, weil SSB-Verordnungen und Einzelverordnungen wegen der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede nicht austauschbar sind: SSB-Verordnungen erfolgen zu Lasten aller KKn, während Einzelverordnungen allein die KK belasten, bei der der Patient versichert ist. Bei SSB-Verordnungen entstehen Kosten in voller Höhe des Arzneimittels, während bei Einzelverordnungen die Patientenzuzahlungen kostenmindernd wirken (zur Nicht-Austauschbarkeit vgl zB BSG vom 8.5.1985, SozR 2200 § 368n Nr 36 S 117; BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 10/06 B - Juris RdNr 11; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 6/10 B - RdNr 7 aE). Dementsprechend können insoweit auch keine sog kompensierenden Einsparungen anerkannt werden (zu dieser Rechtsfigur vgl Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 71 bis 73, 100).
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o
Zurückzuweisen ist der von Seiten der KKn erhobene Einwand, die Kosten für die Verordnung von HAES-Infusionslösungen bei akutem Hörsturz und Tinnitus seien deshalb nicht akzeptabel, weil ein Nutzen solcher Behandlungsmaßnahmen nicht durch Studien wissenschaftlich belegt sei; solchen Behandlungen liege nur die vermeintliche Erfahrung zugrunde, sie trügen zur Linderung bzw Heilung bei (vgl Widerspruchsbegründung der AOK vom 12.6.2006). Dieser Argumentation steht das Wesen der Prüfmethodik des Vergleichs mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe entgegen: Eine Behandlungs- bzw Verordnungsweise, die - wie die Durchführung von Infusionen zB bei Hörsturz - in der Fachgruppe grundsätzlich akzeptiert und tatsächlich Verbreitung gefunden hatte, darf bei dem Vergleich mit dem Aufwand der Fachgruppe nicht bei dem geprüften Arzt - also nur auf einer Seite - als unzulässig beanstandet werden. Dies kann auch nicht unter Rückgriff auf die sog Randzuständigkeit der Prüfgremien (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 13; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 12) gerechtfertigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats dürfen sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei medizinisch umstrittenen Behandlungen nur erfolgen, wenn deren Erbringung durch normative Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist - zB Fehlen einer gemäß § 135 SGB V erforderlichen Methodenanerkennung oder einer gemäß dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Arzneimittelzulassung -, und sonst nur dann, wenn die Leistungserbringung in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft steht oder ohne Weiteres erkennbar keinerlei Nutzen hat(BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1 S 3 ff; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1 RdNr 11, 13-15; BSG SozR 4-5533 Nr 653 Nr 1 RdNr 7 aE). Die hier in Rede stehende Behandlungsweise, die Durchführung von Infusionen bei Hörsturz uÄ, hat indessen Verbreitung gefunden und kann nicht als offenkundig im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft angesehen werden.
53

6. Das SG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen der Verordnung eines Arzneimittels.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde des Kreiskrankenhauses H. und war im fraglichen Zeitraum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Am 18.12.2000 verordnete er zugunsten eines bei der Beigeladenen zu 8. versicherten Patienten Wobe Mugos E-Tabletten. Am 22.10.2001 stellte die Beigeladene zu 8. bei der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) einen Antrag auf Prüfung dieser Verordnung und Festsetzung eines Regresses in Höhe von 260,27 DM (= 133,07 Euro). Mit Schreiben vom 27.12.2001 setzte die Bezirksstelle Hannover der Klägerin den Beigeladenen zu 1. über den Prüfantrag in Kenntnis. Zugleich teilte sie diesem sowie der Beigeladenen zu 8. mit, dass sie den Antrag bis zur Klärung der Rechtslage ruhen lassen werde; die Verordnungsfähigkeit des Präparats sei unsicher, da für Wobe Mugos E-Tabletten nur eine fiktive Zulassung vorliege.

3

Nachdem das BSG mit Urteil vom 27.9.2005 (B 1 KR 6/04 R - BSGE 95, 132 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3)entschieden hatte, dass Wobe Mugos E-Tabletten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 10.8.2006 gegen den Beigeladenen zu 1. einen Regress in Höhe von 133,07 Euro fest. Der vom Beigeladenen zu 1. unter Hinweis auf zwischenzeitlich eingetretene Verjährung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Ablauf der hier maßgeblichen Verjährungsfrist von vier Jahren sei dadurch unterbrochen (bzw gehemmt) worden, dass der betroffene Vertragsarzt von der Prüfungseinrichtung über die Antragstellung der Krankenkasse informiert und ihm rechtliches Gehör eingeräumt worden sei.

4

Auch die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Auffassung vertreten, die vierjährige Ausschlussfrist sei im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung für Honorarkürzungen entwickelt worden; durch die hier festgesetzten Regresse werde jedoch unmittelbar keine Honorarkürzung bewirkt. Eine Ausschlussfrist sei auch nicht zur Wahrung der Rechtssicherheit erforderlich, weil die Prüfvereinbarung vorsehe, dass Krankenkassen Anträge auf Festsetzung eines sonstigen Schadens innerhalb von vier Jahren nach der Pflichtverletzung stellen müssten. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung sei ohne Rechtswirkung, weil das hier fragliche verfahrensrechtliche Gestaltungsrecht grundsätzlich nicht der Verjährung unterliegen könne (Urteil vom 10.10.2007).

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei der Beigeladene zu 1. dem Grunde nach verpflichtet, der betroffenen Krankenkasse den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unzulässige Verordnung von Wobe Mugos E entstanden sei. Jedoch sei der Beklagte durch Fristablauf an der Festsetzung eines Regresses gehindert gewesen. Allerdings greife nicht die von der BSG-Rechtsprechung entwickelte Ausschlussfrist ein, denn für diese sei von vornherein kein Raum, wenn sich - wie hier - die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung folge. Der Schadensersatzanspruch der Beigeladenen zu 8. sei verjährt, denn ausgehend von der Einlösung der umstrittenen Verordnung im Jahre 2001 sei der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2005 - und damit vor Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 10.8.2006 - vollendet gewesen. Die Verjährung sei auch nicht dadurch gehemmt worden, dass die Beigeladene zu 8. die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs bei der Klägerin beantragt und die Klägerin dies dem Beigeladenen zu 1. mitgeteilt habe. § 45 Abs 3 SGB I sei nicht einschlägig, da die darin liegende Privilegierung des Anspruchsinhabers auf Sozialleistungen beschränkt sei(Urteil vom 28.1.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Er teile zwar die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einem Arzneimittelverordnungsregress im Einzelfall wegen der Nähe zum klassischen Schadensersatzrecht keine Ausschlussfrist eingreife, sondern Regressansprüche der Krankenkassen der Verjährung unterlägen, gehe jedoch von einer wirksamen Hemmung der Verjährungsfrist aus. Bei den gesetzlichen Verjährungsregelungen gehe es jeweils um ein Zweierverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, während im komplizierten Kompetenzgeflecht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung immer Verhältnisse mit mehr als zwei Beteiligten zu beurteilen seien. Zudem sei er - der Beklagte - nie Gläubiger der Regressforderung, die er festsetze. Als Konsequenz aus diesen Besonderheiten dürften etwaige Hemmungsvorschriften nur entsprechend und nicht direkt zur Anwendung kommen. In diesem Sinne seien "Verhandlungen" iS des § 203 BGB nF (in der seit dem 1.1.2002 gültigen Fassung) in Form der Rechtsverfolgung bzw eines alle Instanzen durchlaufenden Gerichtsverfahrens erfolgt. Auch eine Anwendung des § 206 BGB sei nicht ausgeschlossen, denn er - der Beklagte - habe die höchstrichterliche Entscheidung zu dem Problemkomplex um das Präparat Wobe Mugos E abwarten müssen, um ggf nicht sehenden Auges rechtswidrige Bescheide zu erlassen. Die vom LSG angeführte Entscheidung des BVerwG sei auf den vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit nicht übertragbar; sie benachteilige auch diejenigen, die auf ein zweistufiges Verwaltungsverfahren verwiesen würden. Schließlich sei der Grundsatz nicht beachtet worden, dass die Verjährung nicht gegen denjenigen laufe, welcher den Eintritt der Verjährung nicht - klageweise - verhindern könne. Die Beigeladene zu 8. habe keine Möglichkeit gehabt, das laufende Verfahren zu beeinflussen, sondern sei zur Untätigkeit gezwungen gewesen. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 28.8.1996 sei eine Hemmung der Verjährungsfrist dann gegeben, wenn die Beteiligten über den Hemmungsgrund "offiziell" Kenntnis erlangt hätten, dieser Hemmungsgrund zweckmäßig sei und nicht eine sittenwidrige Verzögerung bedinge, und der Hemmungszeitraum angemessen sei und nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.

7

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 zurückzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Prüfbefugnis der Gremien nach § 106 SGB V unterliege als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht allein einer vierjährigen Ausschlussfrist. Die Prüfgremien seien in jedem Einzelfall verpflichtet, zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Prüfbefugnis gegeben oder aufgrund des Ablaufs der Ausschlussfrist entfallen sei. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit dürften die Verfahren hinsichtlich der Fristenregelung nicht unterschiedlich beurteilt werden. Es müsse den Prüfgremien von vornherein klar sein, ob Fristenregelungen von Amts wegen vor Beginn der Prüfung (Ausschlussfrist) oder erst im Rahmen der Durchführung der materiellen rechtlichen Prüfung auf Einrede (Verjährung) zu beachten seien. Im vorliegenden Fall sei die Ausschlussfrist nicht wirksam gehemmt worden. Dies erfordere zwingend den Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Betroffenen; die bloße Kenntnisnahme einer solchen Möglichkeit vor Ablauf der Ausschlussfrist genüge nicht. Bei dem Schreiben ihrer Bezirksstelle vom 27.12.2001 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine bloße Information. Eine Hemmung durch Rechtshandlungen der antragstellenden Krankenkasse komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn es darum gehe, einer Vereitelung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Prüfgremien entgegenzutreten. Der Beigeladenen zu 8. habe die Möglichkeit offengestanden, eine Hemmung der Frist durch Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zu bewirken. Es hätten weder Verhandlungen in Form der Rechtsverfolgung stattgefunden, noch stelle das Zuwarten auf eine höchstrichterliche Entscheidung höhere Gewalt dar, die eine Rechtsverfolgung verhindert habe.

10

Die Beigeladenen zu 6. und zu 8. haben sich - ohne Anträge zu stellen - den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses verjährt ist. Er ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen.

12

1. Die KÄV ist durch den Bescheid, mit dem der Beklagte einen Arzneikostenregress gegen den Beigeladenen zu 1. festgesetzt hat, rechtlich beschwert (BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3 f; BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21). Eine Betroffenheit der KÄV in eigenen Rechten hat der Senat aus der Gesamtverantwortung der KÄVen für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V)abgeleitet, in die durch die Entscheidung der Prüfgremien eingegriffen wird (BSGE 79 aaO S 99 f = SozR aaO S 4; BSGE 92 aaO = SozR aaO, RdNr 22). Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung unabhängig vom Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall geltend zu machen (BSGE 79 aaO S 100 = SozR aaO S 4 mwN).

13

2. Für die vom Beigeladenen zu 1. im Quartal IV/2000 vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E haben die Prüfgremien zu Recht einen Regress festgesetzt. Dieser ist - wie auch nicht im Streit steht - in der Sache nicht zu beanstanden. Der Festsetzung eines Regresses stehen auch weder ein Verjährungseintritt noch ein Verstreichen der Ausschlussfrist von vier Jahren entgegen.

14

a) Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Quartal IV/2000 galt; - zur Zugrundelegung des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 und BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung von Richtgrößen nach § 84 SGB V106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN). Diese waren auch in der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vom 24.6.1996 vorgesehen, wie sich aus dem Urteil des SG ergibt, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht (auch) zuständig ist (s § 162 SGG und dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig - wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR § 106 Nr 21 RdNr 14). Dem Beschluss des Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

15

b) Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlage durchgeführte Einzelfallprüfung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit wie auch die Höhe des festgesetzten Regresses sind nicht zu beanstanden.

16

Wie der Senat bereits mit Urteilen vom 5.11.2008 (B 6 KA 63/07 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und B 6 KA 64/07 R) sowie vom 6.5.2009 (B 6 KA 3/08 R = USK 2009-14 = MedR 2010, 276) entschieden hat, war die vom Beigeladenen zu 1. vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E im Quartal IV/2000 nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten. Jedenfalls seit der Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9.6.1998 war Wobe Mugos E nicht mehr verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 25). Fehlte die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (BSG aaO unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 281 f und BSG MedR 2007, 557).

17

c) Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.

18

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Prüfbescheiden nicht der Verjährung. Dies hat das BSG - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.1.1991 - BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4, und vom 31.7.1991 - BSGE 69, 147 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7) bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91- BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19; bestätigt durch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 16; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 20)entschieden.

19

(1) Wie der Senat dargelegt hat, unterliegt nach § 194 Abs 1 BGB der Verjährung nur das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch); Rechte, die keine Ansprüche sind, unterliegen nicht der Verjährung (BSGE 72, 271, 273 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 107). Das gilt insbesondere für Gestaltungsrechte (BSGE aaO = SozR aaO mwN; s auch Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 194 RdNr 3). Das Prüfverfahren ist nach dem Gesetz auf die endgültige Feststellung des Honoraranspruchs in Ersetzung des Honorarbescheides und auf die Festsetzung eines etwaigen Regresses wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgerichtet (BSG aaO). Das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, ist nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Vertragsarztes gerichtet (BSG aaO). Es ist jedenfalls kein Anspruch, sondern einem Gestaltungsrecht vergleichbar (BSG aaO; s auch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4).

20

(2) Etwas anderes gilt lediglich für das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" (s BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4). Zur Begründung hat der Senat (aaO) auf die Unterschiede verwiesen, die zwischen der Überprüfung des dem Vertragsarzt gegen die KÄV zustehenden Honoraranspruchs unter den Gesichtspunkten der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auf der einen und der Feststellung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs auf der anderen Seite bestehen. Anders als die auf Prüfung und ggf Kürzung der eingereichten Honorarforderung gerichtete Prüfungsbefugnis der Prüfgremien, die - wie dargelegt - als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht nicht der Verjährung unterliegt, bildet das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach bundesmantelvertraglichen Vorschriften (jetzt § 48 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/§ 44 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen sowie § 23 Abs 1 Satz 2 Bundesmangelvertrag-Zahnärzte) die Grundlage für die Geltendmachung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs, der wie jeder Anspruch verjähren kann (BSG aaO). In diesem Fall wird dem Interesse des betroffenen Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen aus einer abgeschlossenen Behandlung ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährungsvorschriften Rechnung getragen.

21

(3) Bei Arzneikostenregressen, die auf der Verordnung eines nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Arzneimittels beruhen, handelt es sich jedoch nicht um einen Fall des "sonstigen Schadens" im Sinne der BSG-Rechtsprechung. Der gegenteiligen Auffassung des LSG kann nicht gefolgt werden.

22

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG, Urteile vom 14.3.2001 = SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 sowie B 6 KA 18/00 R, vom 30.1.2002, B 6 KA 9/01 R = USK 2002-110 sowie vom 20.10.2004 = SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12)sind Schadens- und Verordnungsregresse wegen eines Verstoßes gegen die Arzneimittelrichtlinien bzw generell wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht als Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften anzusehen. Der durch fehlerhaftes Verordnungsverhalten des Arztes einer Krankenkasse entstandene Schaden unterscheidet sich grundlegend von dem - verschuldensabhängigen (s hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 und BSG USK 2002-110) - "sonstigen Schaden".

23

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12). Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben entsprochen hätte (Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 28 RdNr 3). Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht somit demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise im Sinne von § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V verursacht worden ist(BSG aaO).

24

Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Krankenkasse in anderen Leistungsbereichen ausgelöst hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; in diesem Sinne auch Wenner aaO RdNr 3; vgl ferner BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26).

25

Aber auch außerhalb dieser typischen Konstellationen kann es Verordnungsregresse geben, die dem Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Hierfür kommen insbesondere Fallgestaltungen in Betracht, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben. Dies kann zB in Betracht kommen, wenn ein Vertragsarzt für einen Patienten eine Verordnung ausstellt, obgleich er ihn nicht selbst in Behandlung hat, dieser sich zur Zeit der Ausstellung der Verordnung in der Behandlung eines Krankenhauses befindet, in dem umfassend Therapien einschließlich aller Arzneimittel zu gewähren sind. Gleiches gilt, wenn ein ermächtigter Krankenhausarzt Arzneiverordnungen im Rahmen seiner Ermächtigungstätigkeit durch einen insoweit nicht vertretungsbefugten anderen Krankenhausarzt unterzeichnen lässt. In solchen Fällen ist im Wege des Schadensregresses vorzugehen, dessen Rechtmäßigkeit ein Verschulden und die Einhaltung der vierjährigen Verjährungsfrist voraussetzt.

26

Kein Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften, sondern ein Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V liegt indessen zB dann vor, wenn eine Krankenkasse gegenüber einem Vertragsarzt geltend macht, dieser habe die Verteilung des Sprechstundenbedarfs zwischen Primär- und Ersatzkassen fehlerhaft vorgenommen(s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7). Ein Fall des § 106 SGB V ist auch dann gegeben, wenn ein Regress deshalb erfolgt, weil die Grenzen der gesetzlichen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten wurden. Auch dieser Regress entspricht der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder einer Kürzung vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung. Diese Maßnahmen knüpfen an die inhaltliche Ausrichtung der Verordnung an, die sich als unzulässig bzw unwirtschaftlich darstellt. Diese Zuordnung wird durch § 106 Abs 5b SGB V bekräftigt, der klarstellt, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Einhaltung der Arzneimittel-Richtlinien zu prüfen ist. In solchen Fällen kommt es auf ein Verschulden nicht an.

27

bb) Dass ein Prüfanspruch nicht der Verjährung unterliegt, bedeutet jedoch nicht, dass ein Regressbescheid wegen unzulässiger - und damit unwirtschaftlicher - Arzneiverordnungen zeitlich unbegrenzt ergehen könnte.

28

(1) Wie das BSG bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91 - BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19)entschieden hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens bereits aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG); greifen die Verjährungsvorschriften nicht ein, so muss der Gefahr eines "ewigen Prüfverfahrens" auf andere Weise Rechnung getragen werden (BSGE aaO S 275 = SozR aaO S 109 f). Daher hat es das BSG als sachgerecht angesehen, die in den Büchern des SGB für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist von vier Jahren im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur endgültigen Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare zu übertragen (BSGE aaO S 277 = SozR aaO S 112). Diese Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid ergehen muss, gilt für sachlich-rechnerische Richtigstellungen (s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16)und für Bescheide zur Umsetzung degressionsbedingter Honorarminderungen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 15 ff, und BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 15 ff)gleichermaßen wie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (s hierzu BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 111 f; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62).

29

(2) Diese Ausschlussfrist gilt auch für Regresse wegen solcher Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten haben, da sie - wie dargelegt - der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots entsprechen. Soweit das LSG die Auffassung vertritt, dass für eine Ausschlussfrist von vornherein dann kein Raum sei, wenn sich die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung erfolge, trägt es der Argumentation des 14a Senats zur Ausschlussfrist nicht hinreichend Rechnung. Dieser hat seine Entscheidung, dass das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Honorarkürzungsbescheiden nicht der Verjährung unterliegt, damit begründet, dass dieses Recht keinen Anspruch im Sinne des § 194 BGB darstellt, sondern vielmehr einem Gestaltungsrecht vergleichbar ist. Zwar unterliegen Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche als solche der Verjährung; damit kann aber eine Verjährung des Prüfrechts nicht begründet werden (BSGE 72, 271, 274 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 108 f).

30

cc) Der Bescheid vom 10.8.2006 ist allerdings nicht innerhalb der hier maßgeblichen Ausschlussfrist von vier Jahren ergangen.

31

Der die Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Prüfung der sachlich-rechnerischen Berichtigung abschließende Bescheid muss nach der zitierten Senatsrechtsprechung innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergehen. Dabei kann offen bleiben, wann diese Ausschlussfrist in den Fällen zu laufen beginnt, in denen - wie hier - ein Regress wegen einzelner Arzneimittelverordnungen im Streit steht. Wie der Senat mit Urteil vom 28.3.2007 (B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35; ebenso die weiteren Urteile vom 28.3.2007, MedR 2008, 100 und B 6 KA 28/06 R) entschieden hat, beginnt die Ausschlussfrist "in allen Fällen der Berichtigung von Honorarbescheiden" mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 18). Ob dies - im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung - auch bei Arzneikostenregressen entsprechend gilt (zu weiteren möglichen Anknüpfungspunkten s SG Berlin, Urteil vom 27.8.2008 - S 83 KA 653/07, juris), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn unabhängig davon, ob die Ausschlussfrist noch im Laufe des Jahres 2000 oder - äußerstenfalls - mit Ablauf des Jahres 2001 zu laufen begonnen hatte, war sie spätestens mit Ende des Jahres 2005, also vor Erlass des Regressbescheides, abgelaufen.

32

Später ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12). Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beigeladene zu 1. "bösgläubig" im Sinne des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X war.

33

dd) Der Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ist jedoch unbeachtlich, weil die Ausschlussfrist vorliegend unterbrochen bzw gehemmt worden ist.

34

(1) Die Möglichkeit einer Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist für den Erlass von Prüf- und Richtigstellungsbescheiden folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des § 45 SGB I über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung(s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; s auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28, und BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62). Die Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere der über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung, auf Ausschlussfristen ist trotz der Unterschiede zwischen Verjährung und Ausschlussfrist nicht ausgeschlossen und auch im bürgerlichen Recht anerkannt (BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 15 mwN).

35

Dabei sind die Änderungen des § 45 SGB I wie auch der entsprechend anwendbaren BGB-Vorschriften durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Ergebnis ohne Bedeutung. Insbesondere für die ohnehin nur entsprechende Heranziehung der Hemmungs- bzw Unterbrechungstatbestände des BGB auf die Ausschlussfrist kommt es nicht darauf an, in welcher Weise sich die zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Neuregelungen des BGB auf bereits laufende Verjährungsvorschriften auswirkten. Denn für die Wahrung der genannten Ausschlussfrist ist es ohne Belang, ob die Frist vor dem 1.1.2002 unterbrochen, die Unterbrechungswirkung danach fortdauerte oder ob sie nach diesem Zeitpunkt gehemmt wurde. Für § 45 SGB I gilt nichts anderes. Die Rechtswirkungen von Unterbrechung und Hemmung bleiben insoweit gleich (s schon BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14). Nach § 205 BGB aF wie nach § 209 BGB nF bewirkt die Hemmung, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird; die Unterbrechung der Verjährung bewirkte nach § 217 BGB aF, dass die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt.

36

(2) Eine Hemmung der Verjährung bzw des Ablaufs der Ausschlussfrist bei höherer Gewalt nach § 206 BGB nF bzw § 203 BGB aF kommt hier entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings nicht in Betracht. Dem steht entgegen, dass höhere Gewalt - zu der auch der Stillstand der Rechtspflege gehört (s Ellenberger in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 206 RdNr 1; vgl § 203 Abs 1 BGB aF) - nur dann vorliegt, wenn der Berechtigte auch bei äußerster, nach den Umständen vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist (Lakkis in: JurisPK-BGB, 4. Aufl 2008, § 206 RdNr 2; vgl auch BSGE 101, 235 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 31). Die Beigeladene zu 8. war aber nicht in diesem Sinne an der Rechtsverfolgung gehindert, denn ihr stand die rechtliche Möglichkeit offen, im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG eine Entscheidung der Prüfgremien herbeizuführen.

37

Der Senat hat wiederholt auf die Möglichkeit verwiesen, zur Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist Untätigkeitsklage gegen das zuständige Prüfgremium zu erheben. Bereits mit Urteil vom 8.12.1993 (BSGE 73, 244 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1)hatte der 14a Senat betont, dass Antragsteller gegenüber den Prüfgremien einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Prüfbescheides haben und ihre Interessen nicht nur durch den Inhalt der Entscheidungen der Prüfgremien berührt werden, sondern auch durch ihren Zeitpunkt (BSGE aaO = SozR aaO S 5). Diesen Anspruch können sie ggf mit der Untätigkeitsklage durchsetzen (BSGE aaO = SozR aaO; s hierzu auch BSG, Urteil vom 20.9.1995 - BSGE 76, 285, 287 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 167, 168; BSG, Urteil vom 14.5.1997 - SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215; zuletzt Urteil vom 6.9.2006 - BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17). Deren Erhebung unterbricht bzw hemmt auch - in entsprechender Anwendung des § 209 Abs 1 BGB aF (in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung) bzw § 204 BGB nF - die vierjährige Ausschlussfrist(BSGE 76, 285, 289 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; s auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215). Ungeachtet des Umstandes, dass eine Verjährungsunterbrechung bzw -hemmung im Regelfall nur eintritt, wenn die Klage gegen den Schuldner gerichtet wird (s BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7), wird eine analoge Anwendung jedenfalls dann bejaht, wenn dem betroffenen Vertragsarzt vor Ablauf der Frist der Beschluss über seine Beiladung zu diesem Verfahren zugestellt wird und er damit förmlich Kenntnis nimmt (BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17).

38

Sofern die Ausführungen des 14a Senats in seiner Entscheidung vom 16.6.1993 (BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19), die Deutung des Prüfungsrechts als ein der Verjährung unterliegender Anspruch sei auch deshalb abzulehnen, weil diejenigen Beteiligten, die die Folgen der Verjährung letztlich wirtschaftlich träfe, nämlich Krankenkassen und KÄVen, nicht in der Lage seien, "den Eintritt der Verjährung zu verhindern" (BSGE aaO S 274 = SozR aaO S 109), im gegenteiligen Sinne verstanden werden könnten, wird hieran nicht festgehalten.

39

(3) Zu Recht hat das LSG auch eine Ablaufhemmung in entsprechender Anwendung des § 203 BGB nF(bzw § 852 Abs 2 BGB aF analog) verneint, denn es fanden gerade keine Verhandlungen zwischen dem Schuldner - also dem Beigeladenen zu 1. - und dem Gläubiger - der Beigeladenen zu 8. - statt. Abgesehen davon, dass ein dem Vertragsarzt "aufgezwungenes" Verfahren vor den Prüfgremien schon wegen fehlender Freiwilligkeit nicht einer Verhandlung im Sinne des § 203 BGB nF gleichgestellt werden kann, beschränkten sich die Handlungen der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Wiederaufnahme auf die Geltendmachung einer entsprechenden (Regress-)Forderung auf der einen und deren Zurückweisung auf der anderen Seite.

40

(4) Eine Unterbrechung bzw Hemmung des Ablaufs der Ausschlussfrist ist jedoch durch die Stellung des Prüfantrages seitens der Beigeladenen zu 8. eingetreten. Diese Wirkung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF)wie auch des § 45 Abs 3 SGB I.

41

(a) Nach § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF) wird die Verjährung durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gehemmt, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird. Eine "Vorabentscheidung" einer Behörde stellen auch die Entscheidungen der Prüfstellen (bzw der früheren Prüfungsausschüsse) nach § 106 SGB V dar.

42

Dem steht nicht entgegen, dass nach ganz herrschender Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur diejenigen Anträge verjährungshemmende Wirkung haben, die unmittelbar, also ohne weitere Verfahrensschritte, Voraussetzung für die Klageerhebung sind (so grundlegend BVerwGE 57, 306, 309 f; bestätigt durch BVerwGE 102, 33; ohne nähere Begründung auch BVerwG, Urteile vom 15.6.2006 - 2 C 17/05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr 13 und - 2 C 15/05 - IÖD 2007, 7; die verwaltungsgerichtliche Instanzrechtsprechung ist dem gefolgt: vgl Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 19.6.2007 - 1 E 520/05 - juris RdNr 7; VG Magdeburg, Urteil vom 21.3.2006 - 5 A 104/05 - juris RdNr 15; Thüringer Oberverwaltungsgericht , Urteil vom 29.10.2009 - 2 KO 893/07 - juris RdNr 40). Zur Begründung wird darauf verwiesen (BVerwGE 57, 306, 309 f), aus der Gleichstellung des Gesuchs an eine Behörde mit den Wirkungen einer die Verjährung unterbrechenden Klageerhebung ergebe sich, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Schritte als ausreichend anzusehen seien, die den eindeutigen Willen zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner erkennen ließen. Diesem Zweck diene die erstmalige Geltendmachung eines Anspruchs noch nicht, sondern zunächst nur der Konkretisierung eines sich aus dem Gesetz lediglich abstrakt ergebenden Anspruchs. Es sei dem Betroffenen zuzumuten, seinen Anspruch so rechtzeitig bei der Behörde einzureichen, dass gegen den daraufhin erlassenen Verwaltungsakt noch vor Ablauf der Verjährungsfrist Widerspruch eingelegt werden könne.

43

Diese einschränkende Auslegung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB kann jedoch auf die lediglich entsprechende Anwendung der Norm im Vertragsarztrecht wegen der dort bestehenden Besonderheiten nicht übertragen werden. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 28.8.1996 (BSGE 79, 97 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1) dargelegt, dass ein Antrag auf Schadensfeststellung im Prinzip geeignet ist, eine Verjährungsunterbrechung zu bewirken, und eine Anwendung des § 210 BGB (aF) in Betracht käme (BSGE aaO S 101 f = SozR aaO S 6). Es hat ausgeführt, dass diese Norm den Interessen des Anspruchstellers Rechnung tragen solle, der seine Forderung nicht unmittelbar durch Klageerhebung geltend machen könne, weil das Gesetz die Zulässigkeit der Klage von einer vorherigen Überprüfung des Anspruchs in einem Verwaltungsverfahren abhängig mache. Der Rechtsgedanke des § 210 BGB (aF) sei grundsätzlich auf sozialrechtliche Ansprüche übertragbar.

44

Diesen Gedanken fortführend hält der Senat eine Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB nF im Vertragsarztrecht deswegen für geboten, weil nur so den hier bestehenden Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Im Verwaltungsrecht stehen sich üblicherweise Gläubiger und Schuldner in Zweierbeziehungen unmittelbar gegenüber. So lag der oben angeführten Entscheidung des BVerwG ein Antrag eines Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Gewährung beamtenrechtlicher Besoldungszahlungen zugrunde. Demgegenüber bestehen im Vertragsarztrecht wegen der hier maßgeblichen Trennung der Rechtskreise keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem "Gläubiger" (der Krankenkasse) und dem "Schuldner" (dem Vertragsarzt). Die Krankenkasse hat im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar "in Regress" zu nehmen. Vielmehr ist nach den gesetzlichen Vorgaben die Festsetzung eines Regresses ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zugewiesen (vgl § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 5 Satz 1 SGB V). Eine Krankenkasse, die einen Regressanspruch gegen einen Vertragsarzt durchsetzen möchte, ist daher auf ein Tätigwerden der Prüfgremien angewiesen.

45

Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, dass die Beigeladene zu 8. die Möglichkeit gehabt hätte, eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG zu erheben. Zum einen wäre die rechtliche Wirkung einer derartigen Klage nicht sicher zu beurteilen, da die „verjährungsunterbrechende“ Wirkung der Untätigkeitsklage von einer (einfachen) Beiladung des betroffenen Vertragsarztes abhängig ist (vgl BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 174; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7 f; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17), die wiederum im Ermessen des Gerichts steht. Zum anderen entspricht das Vorgehen, bei einer strittigen und schwierig zu beurteilenden Frage wie der Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E eine höchstrichterliche Klärung abzuwarten, dem gesetzlich angelegten partnerschaftlichen System der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen. Dieses würde empfindlich gestört, wenn Krankenkassen wegen des Fehlens einer den Ablauf der Ausschlussfrist hemmenden Wirkung ihres Prüfantrages gezwungen wären, die Prüfungsstellen regelhaft durch Erhebung von Untätigkeitsklagen zu einer vorzeitigen Entscheidung zu nötigen.

46

Somit reicht es im Vertragsarztrecht aus, dass die vom Tätigwerden eines Dritten abhängige Krankenkasse ihr Recht geltend macht. Um allerdings die Rechte des ebenfalls von einer Entscheidung der Prüfgremien abhängigen Vertragsarztes zu wahren, ist der Eintritt einer die Ausschlussfrist unterbrechenden bzw hemmenden Wirkung des Prüfantrags zudem davon abhängig, dass der Anspruchsgegner - der Vertragsarzt - von der Stellung des Prüfantrages Kenntnis erlangt. Dies war vorliegend der Fall. Darüber hinaus war der Beigeladene zu 1. auch über die Gründe informiert, die einer zügigen Entscheidung über den von der Krankenkasse gestellten Prüfantrag entgegenstanden, so dass sich bei ihm kein Vertrauen dahingehend bilden konnte, dass sich der Antrag zwischenzeitlich erledigt haben könnte.

47

(b) Zum selben Ergebnis führt eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I. Danach wird die Verjährung neben den im BGB genannten - nach § 45 Abs 2 SGB I entsprechend anwendbaren - Fällen auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt(in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: "unterbrochen"). Dementsprechend hat der Antrag der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses den Ablauf der Ausschlussfrist bis zu der Entscheidung der Prüfungsstelle gehemmt.

48

§ 45 SGB I gilt zwar unmittelbar nur für Sozialleistungen, findet aber nach der Rechtsprechung des Senats bezüglich der im Vertragsarztrecht geltenden Ausschlussfristen entsprechende Anwendung(BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28; BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f). Auch wenn sich die genannten Entscheidungen des Senats allein auf § 45 Abs 2 SGB I beziehen, ist eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I jedenfalls in den Fällen zu bejahen, in denen der Arzt - wie hier - von dem Prüfantrag der Krankenkasse unterrichtet ist und über den Grund informiert wird, weshalb mit einer zügigen Entscheidung nicht gerechnet werden kann.

49

(c) Die das Verstreichen der Ausschlussfrist unterbrechende bzw hemmende Wirkung des Prüfantrags ist schließlich nicht dadurch entfallen, dass das Verfahren infolge des angeordneten "Ruhens" nicht "betrieben" wurde. Nach § 204 Abs 2 BGB nF endet die Hemmung nach Absatz 1 der Norm ("Hemmung durch Rechtsverfolgung") sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens(Satz 1). Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle (§ 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF, § 211 Abs 2 Satz 1 BGB aF). Die letzte Verfahrenshandlung in diesem Sinne wäre die Mitteilung des Ruhens durch die KÄV gewesen.

50

Es entspricht jedoch herrschender Auffassung, dass § 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF bzw § 211 Abs 2 BGB aF in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nicht entsprechend anzuwenden ist(BSGE 92, 159 = SozR 4-6580 Art 19 Nr 1, RdNr 12; LSG Hamburg, Urteil vom 24.2.2005 - L 6 RJ 122/03 - juris RdNr 27; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 RdNr 26 mwN; aA noch Kretschmer in: GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 45 RdNr 24). Denn das "Betreiben" ist ein spezifisches Erfordernis des vom Beibringungsgrundsatz beherrschten zivilrechtlichen Verfahrens; die Vorschrift passt daher nicht auf das sozialrechtliche Verfahren (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 13; LSG Hamburg aaO).

51

Auch außerhalb des Sozialrechts führt eine Untätigkeit des Gläubigers nicht zur Beendigung der Unterbrechung bzw Hemmung, wenn die Behörde von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen hat (BGH VersR 77, 647; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - 4 N 77.07 - juris RdNr 9; Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 204 RdNr 27; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, 2009, § 204 RdNr 125, 140; Mansel/Budzikiewicz in: Anwaltkommentar BGB, Band 1, 2005, § 204 RdNr 125; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl 2009, § 204 RdNr 19, 21). Diese Voraussetzungen sind angesichts des Umstandes, dass die Beigeladene zu 8. - abgesehen von der "irregulären" Option einer Untätigkeitsklage - keine Möglichkeit hatte, auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen, auch in diesem Fall gegeben.

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Sprechstundenbedarf.

2

Der als Praktischer Arzt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger bezog im Jahr 2001 in erheblichem Umfang "Hydroxyäthylstärke (HAES) steril 6 %" im Wege der Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB). HAES-Infusionslösungen werden zB bei Hörsturz und Tinnitus eingesetzt.

3

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse (KK, hier: AOK) beantragte, nachdem sie am 24.7.2002 die Kostenstatistiken für das letzte Quartal des Jahres 2001 erhalten hatte, beim Prüfungsausschuss (PA), dass dieser gegen den Kläger wegen Überschreitung des durchschnittlichen Aufwands der Fachgruppe beim SSB um mehr als das Doppelte einen Regress festsetze (Antrag vom 24.9.2002; Begründung vom 16.12.2002). Antrag und Begründung wurden dem Kläger zugeleitet mit dem Hinweis, dass die beantragte Prüfung nach Durchschnittswerten nur durchgeführt werde, wenn für den Prüfzeitraum keine Prüfung nach Richtgrößen stattfinde. Nachdem diese nicht stattgefunden hatte, nahm der PA eine Überprüfung anhand von Durchschnittswerten vor mit dem Ergebnis, dass eine Maßnahme gegen den Kläger nicht veranlasst sei (Bescheid vom 22.12.2005): Zwar lägen seine Aufwendungen für den SSB, die durch die HAES-Infusionen im Umfang von 3975 DM verursacht seien, deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Ihm seien aber Einsparungen durch den Bezug der Infusionen in Großgebinden und bei den allgemeinen Arzneikosten zugute zu halten.

4

Die Beigeladene zu 2. legte Widerspruch ein. Sowohl dieser als auch die nachgereichte Widerspruchsbegründung wurden dem Kläger zugeleitet. Der beklagte Beschwerdeausschuss setzte - unter Aufhebung des Bescheids des PA - einen Regress von 3799,75 Euro fest (Bescheid vom 27.11.2006): Dem Kläger sei im SSB-Bereich eine Überschreitung des durchschnittlichen Verordnungsaufwandes der Fachgruppe um 211,6 % anzulasten. Dabei werde eine Berechnung über das gesamte Jahr zugrunde gelegt, weil nur dies sachgerecht sei, da in den vier Quartalen eines Jahres sehr unterschiedliche Materialanforderungen festzustellen seien. Eine Rechtfertigung der Überschreitungen durch medizinische Besonderheiten sei nicht ersichtlich. SSB-Verordnungen seien nur für die Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt, für die weiteren Infusionen müsse der Arzt Einzelverordnungen für den konkreten Patienten ausstellen. Teilweise habe der Kläger HAES-Infusionslösungen auch bei anderen Krankheiten verordnet, bei denen dies nicht indiziert sei. Die Überschreitung der Durchschnittsverordnungskosten liege eindeutig im Bereich des sog offensichtlichen Missverhältnisses. Minderkosten bei den Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln könnten mangels kausalen Zusammenhangs mit den Mehrkosten beim SSB nicht als kompensierende Einsparungen anerkannt werden. Von den HAES-Verordnungen sei nur ein Anteil von 14 % = ca 1291 DM für Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt. Demnach belaufe sich der unwirtschaftliche Anteil auf ca 7931 DM. Ausgehend von dem SSB-Gesamtverordnungsvolumen des Klägers von 14 677,06 DM, das den Fachgruppendurchschnitt pro Fall um mehr als das Doppelte überschreite, ergebe sich - bei Zubilligung einer Überschreitung um 45 % und nach Abzug des Apothekenrabatts von 5 % - ein Regress in Höhe von 7431,66 DM = 3799,75 Euro.

5

Das vom Kläger angerufene SG hat den Regressbescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid sei teilweise rechtswidrig. Allerdings habe der Beklagte die Bestimmung der Prüfvereinbarung eingehalten, wonach die Prüfung längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorlägen, beantragt werden könne (§ 14 Abs 3 Prüfvereinbarung). Diese Frist sei durch den Prüfantrag vom 25.9.2002 gewahrt worden; der KK hätten die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen. Die Vier-Jahres-Frist für den Erlass des Prüfbescheids sei dagegen nur teilweise eingehalten worden. Diese beginne im Falle von Verordnung(sregress)en mit Erlass des Honorarbescheids für dasjenige Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausgestellt habe. Hiernach sei diese Frist durch den Bescheid vom 22.12.2005 bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt worden, allerdings nicht hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil der Erlass der Honorarbescheide für diese bereits mehr als vier Jahre zurückgelegen habe. Der gesonderten Betrachtung jedes einzelnen Quartals stehe nicht entgegen, dass bei SSB-Verordnungen alle vier Quartale eines Jahres zusammen überprüft würden; denn auch in diesem Fall bleibe der Zusammenhang jeder Verordnung mit dem konkreten Quartal ihrer Ausstellung bestehen. Deshalb sei für einen Regress hinsichtlich der Quartale I und II/2001 kein Raum mehr, sodass der Beklagte zur Neubescheidung, beschränkt auf die Quartale III und IV/2001, verpflichtet sei.

6

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, das SG habe zu Unrecht angenommen, die Vier-Jahres-Frist beginne für jedes einzelne Quartal gesondert. Die Frist habe vielmehr auch für die Quartale I und II/2001 erst nach dem Quartal IV/2001 zu laufen begonnen, sodass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 sie noch gewahrt habe. Dies folge daraus, dass gemäß der SSB-Vereinbarung die Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen nur insgesamt für vier aufeinanderfolgende Quartale geprüft werde. Offenbleiben könne, ob die Vier-Jahres-Frist schon sogleich nach Ablauf des vierten Quartals oder erst ab dem Erlass des Honorarbescheids für dieses Quartal oder gar erst ab Eingang der Kostenstatistiken für dieses Quartal beginne; denn in jedem dieser Fälle sei sie durch den Prüfbescheid vom 22.12.2005 gewahrt worden. Dieser habe nicht früher erlassen werden können, weil zunächst habe abgewartet werden müssen, ob Richtgrößenprüfungen durchgeführt würden, was die Möglichkeit einer Prüfung anhand von Durchschnittswerten gehindert hätte.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil des SG. Es habe mit der Annahme, die Vier-Jahres-Frist sei, bezogen auf die Quartale I und II/2001, abgelaufen, die Rechtsprechung des BSG konsequent fortgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Prüfung von SSB die Frist wegen der Gesamtüberprüfung mehrerer Quartale erst nach Ablauf des letzten Quartals beginne, seien nicht normativ vorgegeben und auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG vorgezeichnet. Diese Auffassung laufe auch der Intention der SSB-Vereinbarung zuwider, die mit der Vorgabe jahresbezogener Prüfungen die Ärzte begünstigen wolle. Im Übrigen habe die Regelung über die jahresbezogene Prüfung nur den Rang von Landesrecht, was den aus Bundesrecht abzuleitenden, für jedes Quartal gesonderten Fristbeginn nicht ändern könne.

10

Die Beigeladene zu 2. schließt sich, ohne selbst einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten an. Sie führt ergänzend aus, nach ihrer Ansicht sei für die Vier-Jahres-Frist im Verordnungsbereich die Verjährungsregelung des § 45 Abs 1 SGB I maßgebend. Die Frist beginne erst ab Zugang der Verordnungsstatistiken und bei jahresbezogenen Prüfungen auch nur einheitlich für alle Quartale mit Vorliegen der Statistiken für das letzte Quartal des Jahres. Daher habe der Bescheid des Prüfungsausschusses die Frist noch gewahrt.

11

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Erfolg. Die Revision ist ungeachtet der Mängel der Entscheidung des SG über die Zulassung der Sprungrevision zulässig (unten 1.). Sie betrifft vom Streitgegenstand her nur die Quartale I und II/2001, denn nur insoweit hat das SG einen Ablauf der Vier-Jahres-Frist angenommen und nur insoweit ist dessen Urteil mit der Revision angefochten worden (unten 2.). Die Revision des Beklagten ist erfolgreich, denn das angefochtene Urteil ist fehlerhaft. Das SG hat zu Recht die Rechtsgrundlage für den Bescheid in § 106 SGB V gesehen(unten 3.), aber zu Unrecht angenommen, die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist sei im Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheids vom 22.12.2005, bezogen auf die Quartale I und II/2001, bereits verstrichen gewesen (unten 4.). Für die abschließende Beurteilung, ob der Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es allerdings noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückverwiesen wird (unten 5.).

13

1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl BSG BSGE 51, 23, 26 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27 S 54 ff; BSGE 64, 296, 297 f = SozR 1500 § 161 Nr 33 S 69 f; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 13/06 R - Juris RdNr 9).

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.11.2006, der gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 3799,75 Euro festsetzte und den Prüfbescheid des Zulassungsausschusses vom 22.12.2005 aufhob, der von Maßnahmen gegen den Kläger abgesehen hatte (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Allerdings ist der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 nur insoweit Gegenstand, als die im Urteil des SG enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des SG ist nur unter diesem Aspekt angefochten worden; nur der Beklagte hat Revision eingelegt.

15

Soweit die Vorgaben nachteilig für den Kläger sind, sind diese mangels Revisionseinlegung durch ihn nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Sie sind vielmehr bestandskräftig und damit bindend geworden (zu Differenzierungen hinsichtlich der Bestandskraft und Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen siehe eingehend BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN; vgl auch zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 4; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 4/09 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 85 vorgesehen). Dementsprechend ist Gegenstand des hier anhängigen Revisionsverfahrens die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten vom 27.11.2006 ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob mit ihm ein Regress wegen SSB-Verordnungen auch noch bezogen auf die Quartale I und II/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist entgegenstand.

16

3. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Jahr 2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17 und BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese PrüfVen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (vgl BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14 mwN).

17

Die PrüfVen enthalten regelmäßig auch Bestimmungen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von SSB. Auch in der hier einschlägigen PrüfV von 1993 (die bis Oktober 2005 weitergalt) waren Regelungen speziell für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen getroffen worden (siehe zB § 10, § 14 Abs 3, § 15 Abs 3 PrüfV; vgl dazu § 162 SGG betr Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung des Inhalts von Landesrecht, hierzu zB - betr PrüfV - BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - RdNr 30 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zur Frage, welche Arzneimittel im Wege der Verordnung als SSB bezogen werden dürfen, enthalten die SSB-Vereinbarungen nähere Regelungen; auch dies sind landesrechtliche Vorschriften, deren Anwendung und Auslegung den LSGen vorbehalten ist (§ 162 SGG, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 13).

18

4. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von SSB gelten, sind gewahrt worden. Dem Regress kann weder der Ablauf der (a) Frist für die Stellung des Prüfantrags noch der Ablauf der (b) Frist für den Erlass des Prüfbescheids entgegengehalten werden.

19

a) Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, scheitert die Regressfestsetzung nicht daran, dass die zu 2. beigeladene KK die Überprüfung der SSB-Verordnungen des Klägers zu spät beantragt hätte.

20

Zum einen ist die Frist, die in der PrüfV für Prüfanträge bei SSB-Verordnungen normiert ist, eingehalten worden: Anträge auf Überprüfung von SSB-Verordnungen können gemäß § 14 Abs 3 PrüfV "längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorliegen, gestellt werden". Der zu 2. beigeladenen KK haben die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen, wie im Urteil des SG zugrunde gelegt und von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 163 SGG; vgl vorliegend auch § 161 Abs 4 SGG). Im Urteil des SG ist dazu festgestellt, dass es sich im Zeitpunkt des Antrags der Beigeladenen zu 2. - am 24./25.9.2002 - bei den Quartalen I bis IV/2001 um die letzten vier handelte, für die statistische Unterlagen vorlagen. Auf dieser Grundlage hat das SG folgerichtig den Schluss gezogen, dass die in § 14 Abs 3 PrüfV für die Prüfung normierte Frist eingehalten war.

21

Zum anderen kommt es auf die Einhaltung der Frist des § 14 Abs 3 PrüfV ohnehin nicht an. Wie der Senat in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 19 bis 22) klargestellt hat, dient die Prüfantragsfrist (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist (hierzu siehe unten b; - diese Rspr fortsetzend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - Juris RdNr 29 bis 31). Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser - hier ohnehin eingehaltenen - Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu.

22

b) Dem Regressbescheid kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die für Regressfestsetzungen geltende Vier-Jahres-Frist sei nicht gewahrt worden.

23

Das SG vertritt die Auffassung, der Prüfbescheid vom 22.12.2005 habe die Vier-Jahres-Frist lediglich bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt, nicht aber hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil seit deren Ende - bzw seit dem Erlass der Honorarbescheide für diese Quartale - bereits mehr als vier Jahre verstrichen waren, als der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 erließ. Die Frist habe für diese Quartale nicht etwa deshalb erst später begonnen, weil die Überprüfung von SSB-Verordnungen in Frage stehe und diese sich grundsätzlich auf alle vier Quartale eines Jahres zusammen erstrecke. Auch bei SSB-Verordnungen bleibe der Zusammenhang der Verordnungen mit jeweils einem konkreten Quartal bestehen, sodass die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal beginne.

24

Diesen Ausführungen des SG kann nur teilweise gefolgt werden. Die Auffassung des SG, dass für den hier streitbefangenen SSB-Regress eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt, trifft zu (unten aa und bb). Unzutreffend ist hingegen dessen Ansicht, die Frist beginne gesondert für jedes einzelne Quartal mit Erlass des Quartalshonorarbescheids und sei deshalb für die Quartale I und II/2001 bereits abgelaufen. Bei SSB-Verordnungen sind grundsätzlich vier aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, und die Vier-Jahres-Frist beginnt einheitlich nach Ablauf des letzten dieser Quartale (unten cc). Der Fristlauf war im Übrigen auch schon gehemmt (unten dd).

25

aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - klargestellt hat, unterliegt die Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die der Arzt nicht verordnen durfte, keiner Verjährung, sondern einer Ausschlussfrist (BSG aaO RdNr 18 ff - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit Zusammenfassung seiner Rspr). Eine Verjährung gilt nur für Festsetzungen eines sog sonstigen Schadens, dem nur solche Regresse wegen Fehlverordnungen zuzuordnen sind, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Verordnung ergeben (Urteil aaO RdNr 22 bis 26). Handelt es sich dagegen um Fehler, die sich speziell aus der Verordnung selbst ergeben, wie zB bei Verordnungen unter Verstoß gegen die Arzneimittel-Richtlinie bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, so liegen Fälle des § 106 SGB V vor, für die keine Verjährungs-, sondern nur eine Ausschlussfrist in Betracht kommt(aaO RdNr 22 f, 26, 27 ff).

26

Für die Verordnung von Arzneimitteln, die nicht patienten-, sondern praxisbezogen als SSB erfolgt, gilt nichts anderes. In der Rechtsprechung des Senats ist seit langem geklärt, dass den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle der Zulässigkeit von SSB-Verordnungen - im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen SSB-Vereinbarung - wie auch die ihrer Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne - im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit den durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe - übertragen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 14). Auch der Umstand, dass Regresse wegen vereinbarungswidriger oder unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12), weist auf die Zuordnung der gesamten SSB-Prüfung zur allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung iS des § 106 SGB V und nicht zur Sonderkonstellation der Verantwortung des Vertragsarztes für die Verursachung eines "sonstigen Schadens" bei den KKn hin(so jüngst auch BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mit Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 5 ff betr fehlerhafte Aufteilung des SSB zwischen Primär- und Ersatzkassen).

27

bb) Die Ausschlussfrist für Regressbescheide auf der Grundlage des § 106 SGB V beträgt nach der Rechtsprechung des BSG - in Anlehnung an die sonstigen ebenfalls vierjährigen Fristen zB in den Büchern des SGB und auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen - vier Jahre. Mit dieser Festlegung hat das BSG der Notwendigkeit zeitlicher Begrenzung von Prüfverfahren aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit Rechnung getragen (vgl oben RdNr 21 und zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 28 mwN).

28

cc) Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, ist dahin zu beantworten, dass diese Frist für Verordnungsregresse im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Die kostenmäßige Zuordnung von Verordnungen kann unterschiedlich gestaltet sein. Erfolgt die Zuordnung zu dem Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausstellte, so ist der Ablauf dieses Quartals auch für den Beginn der Vier-Jahres-Frist maßgebend. Erfolgt die kostenmäßige Zuordnung der Verordnung danach, in welchem Quartal die Verordnung eingelöst wurde - dh danach, wann die Kosten entstanden -, so ist der Ablauf dieses Quartals maßgebend. Welche dieser beiden Varianten bei Auseinanderfallen des Verordnungs- und des Einlösezeitpunkts einschlägig ist, kann in einer allgemein-abstrakten normativen Regelung, zB in der PrüfV, bestimmt werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 23; zu insoweit differenzierenden Regelungen vgl BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8; vgl auch unten RdNr 35). Besteht keine normative Festlegung, kann die Zuordnung sich aus der Verwaltungspraxis der Prüfgremien ergeben.

29

Das Ergebnis ist durch die Regelung des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V gesetzlich vorgezeichnet. Zwar betrifft diese Bestimmung als solche nur die Richtgrößenprüfung - und normiert insoweit eine kürzere, zweijährige Frist -, hat aber mit dem Kriterium "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" generelle Bedeutung. Bei dem "Verordnungszeitraum" kann es sich - so der Regelfall - um ein Quartal handeln, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf dieses Quartals beginnt (unten RdNr 33 und 37), oder - in besonderen Fällen eines sachlich-veranlasst längeren Prüfzeitraums - um einen Zeitraum mehrerer Quartale, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals beginnt (unten RdNr 34). Im Fall von SSB-Verordnungen liegt in aller Regel eine solche besondere Konstellation vor (unten RdNr 35 iVm 38).

30

Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird, ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit, als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (siehe zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 31 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit umfangreichen Rspr-Nachweisen). In gleicher Weise im Verordnungsbereich für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, wäre verfehlt. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise betreffen zwei unterschiedliche Bereiche; eine "Gesamtprüfung" findet nicht statt. Ein Sachgrund, durch Abstellen auf den Erlass des Honorarbescheids einen "Gleichklang" des Fristlaufs im Honorar- und im Verordnungsbereich zu erreichen, besteht nicht. Dafür reicht nicht aus, dass in seltenen Fällen Anlass zur Prüfung bestehen kann, ob ein Verordnungsmehraufwand durch einen Minderaufwand im Honorarbereich kompensiert wird, was erst ab Erlass des Honorarbescheids fundiert beurteilt werden kann (zu dieser abweichenden Ansicht vgl Clemens in jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 153, und in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 105; ebenso im Ergebnis: Peikert in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 20 RdNr 17 aE; - zur Rechtsfigur kompensierender Einsparun gen vgl Clemens in Laufs/Kern aaO § 36 RdNr 71 bis 73 mwN; siehe auch RdNr 100 und RdNr 122 f). Zudem gibt es Fälle, in denen das Abstellen auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist. Denn für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, ergeht nicht stets auch ein Honorarbescheid: Wenn zB ein Arzt eine Verordnung am 20.6. ausstellt, diese aber erst am 2.7. in der Apotheke eingelöst wird, wird die Verordnung in der Regel kostenmäßig diesem dritten Quartal zugeordnet. In diesem sucht aber möglicherweise der Patient den Arzt nicht wieder auf, oder der Arzt führt seine vertragsärztliche Tätigkeit jetzt nicht mehr weiter. Dann ergeht für dieses Quartal, jedenfalls bezogen auf Leistungen des Arztes gegenüber diesem Patienten, kein Honorarbescheid.

31

Überzeugend ist auch nicht die Ansicht, bei Verordnungsregressen sei für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem den KKn alle Unterlagen und Daten vorliegen, die für die fundierte Beurteilung erforderlich sind, ob ein Regressantrag sinnvoll ist. Hiernach begänne die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der Arzneikostenstatistiken. Bei diesem Ausgangspunkt würde der Arzt, der durch den Lauf der Vier-Jahres-Frist geschützt werden und Rechtssicherheit erhalten soll (hierzu vgl oben RdNr 21, 27), mit Risiken belastet, die dem Verantwortungsbereich der vertragsärztlichen Institutionen zuzurechnen sind. Zu deren Aufgaben gehört die Organisation und die Bewältigung der verwaltungstechnischen Abläufe und damit auch die kürzere oder längere Dauer der Unterlagen- und Datenbeschaffung (vgl dazu Clemens in jurisPraxisKommentar aaO RdNr 154). Durchgreifend ist auch nicht der Gesichtspunkt, dass Richtgrößenprüfungen grundsätzlich vorrangig sind und deshalb erst nach Klärung von deren Durchführbarkeit - was uU schwierige Fragen wie zB diejenige der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung implizieren kann - die Durchschnittsprüfung in Angriff genommen werden kann. Auch bei kumulativer Berücksichtigung aller denkbaren Schwierigkeiten bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Gesamtfrist von vier Jahren in einer erheblichen Zahl der Fälle die verbleibende Zeit zu knapp sein könnte für eine fundierte, dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragende Prüfung und dass deshalb die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der maßgeblichen Unterlagen und Daten bei den KKn beginnen dürfe.

32

Abzulehnen ist auch die Erwägung, die Vier-Jahres-Frist beginne für die einzelnen Quartale eines Jahres jeweils erst mit dem Anfang des nächstfolgenden Kalenderjahrs, so wie dies im Zivilrecht in weitem Umfang geregelt ist (vgl § 199 Abs 1 BGB). Die Heranziehung von Verjährungsgrundsätzen, wie die Beigeladene zu 2. dies befürwortet, ist damit nicht vereinbar, dass es sich bei der Vier-Jahres-Frist gerade um eine Ausschluss- und nicht um eine Verjährungsfrist handelt (vgl oben RdNr 25). Das BSG hat es auch in anderen Fällen abgelehnt, für den Beginn von Ausschlussfristen auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen (vgl - aus dem Honorarbereich - BSG MedR 2008, 100, RdNr 21 und 23, sowie BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 21 und 23).

33

Nach alledem beginnt die Vier-Jahres-Frist für Verordnungsregresse stets am "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" (vgl § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V), dh in dem (Normal-)Fall, dass die Arzneimittelverordnungen eines Quartals auf ihre Sachgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden, unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Dies entspricht einer schon bisher in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Ansicht (so zB SG Berlin vom 27.8.2008 - S 83 KA 74/07 - Juris RdNr 18 ff = GesR 2009, 255 f; Hartmannsgruber, ZMGR 2008, 124, 128; Dahm/Hofmayer in Rieger/Dahm/Steinhilper , Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Beitrag Nr 5560 "Wirtschaftlichkeitsprüfung", RdNr 231, Stand Einzelkommentierung August 2010; Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 106 RdNr 26).

34

Liegen indessen besondere Umstände vor, die Anlass geben, mehrere aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, so bilden diese den "geprüften Verordnungszeitraum". Der Beginn der Vier-Jahres-Frist "nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums" bedeutet in einer solchen Konstellation, dass die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des Gesamtzeitraums beginnt, also erst nach dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals.

35

Die Voraussetzung, dass besondere Sachgründe Veranlassung zur Gesamtprüfung mehrerer aufeinander folgender Quartale geben, ist in aller Regel bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen erfüllt. Denn bei SSB-Verordnungen sind erhebliche Schwankungen von Quartal zu Quartal typisch; diese Verordnungen erfolgen en bloc für einen Vorrat von ca einem Quartal. Hat der Arzt in einem Quartal den dafür angelegten Vorrat nicht verbraucht, so werden seine SSB-Verordnungen im nachfolgenden Quartal geringer ausfallen. Ist sein Vorrat vorzeitig aufgebraucht, so muss er ggf ein weiteres Mal im selben Quartal SSB-Verordnungen vornehmen. Durch solche Schwankungen sind uU in einzelnen Quartalen besonders hohe, in anderen Quartalen dagegen besonders geringe oder gar keine SSB-Verordnungen zu verzeichnen, ohne dass dies als sachwidrig angesehen werden kann. In solchen Fällen wäre eine auf nur einzelne Quartale beschränkte Prüfung problematisch. Solchen Besonderheiten wird nur eine Prüfung gerecht, die mehrere Quartale zusammenfasst, und zwar im Falle des SSB möglichst vier aufeinanderfolgende Quartale (so schon BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8 - hier mit Hinweis auf teilweise normierte weitere Differenzierungen für die Zuordnung der Fälle bei Auseinanderfallen von Verordnungs- und Einlösequartal; - vgl dazu Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 133). Eine Gesamtprüfung von vier aufeinander folgenden Quartalen ist im Übrigen auch ausdrücklich in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen SSB-Vereinbarung vorgeschrieben (siehe deren Abschnitt V).

36

Der Senat hat bereits zu anderen Prüfungsbereichen ausgeführt, dass es notwendig sein kann, vier aufeinander folgende Quartale zu einer Einheit zusammenzufassen und dass dann die Vier-Jahres-Frist erst ab Ablauf des letzten zu dieser Einheit gehörenden Quartals beginnt. So hat er - im Honorarbereich - für degressionsbedingte Honorarminderungen (§ 85 Abs 4b ff SGB V), die jahresbezogen zu berechnen sind (§ 85 Abs 4b ff SGB V), in seinen Urteilen vom 28.3.2007 entschieden, dass ein Regressbescheid die vierjährige Ausschlussfrist noch "wahrt …, wenn er innerhalb von vier Jahren nach Erlass des letzten Honorarbescheids für den Degressionszeitraum bekannt gegeben worden ist" (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18 aE; ebenso - zur Änderung eines Degressionsbescheids - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35 RdNr 18 aE).

37

Kein in dieser Weise besonderer Fall, in dem die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des letzten von mehreren Quartalen beginnt, ist dagegen dann gegeben, wenn die Rechtmäßigkeit von Verordnungen zB bei umstrittenem Off-Label-Use zusammengefasst für mehrere Quartale überprüft wird. In diesem Fall die gleichliegende Problematik mehrerer Quartale in einem Verfahren zusammenzufassen, mag der Verwaltungsvereinfachung dienen und auch im Interesse des betroffenen Arztes liegen. In einer derartigen Konstellation ist aber im Regelfall die Voraussetzung, dass nur bei Zusammenfassung mehrerer Quartale die Verordnungsweise sachgerecht beurteilt werden kann, nicht erfüllt. Deshalb beginnt in solchen Fällen, ungeachtet der zusammenfassenden Prüfung, die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal nach dessen Ablauf, so wie dies dem Normalfall entspricht (hierzu vgl oben RdNr 33).

38

Da vorliegend Gegenstand der Verordnungsprüfung die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von SSB waren und die SSB-Überprüfung hier, wie es sachlich veranlasst ist (vgl oben RdNr 35) und auch der Sollvorgabe in der SSB-Vereinbarung entsprach (Abschnitt V Satz 2), auf alle vier Quartale des Jahres 2001 erstreckt wurde (vgl oben RdNr 35), war das Ende des "geprüften Verordnungszeitraums" der 31.12.2001. Mithin begann die Vier-Jahres-Frist für alle vier Quartale des Jahres 2001 am 1.1.2002, sodass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Frist wahrte.

39

dd) Die Vier-Jahres-Frist wurde im Fall des Klägers für den gesamten Verordnungszeitraum der Quartale I bis IV/2001 aber nicht nur dadurch gewahrt, dass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 noch vor Ablauf von vier Jahren seit dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals erlassen wurde, sondern der Lauf der Frist war zudem durch den Antrag der KK vom 24.9.2002 an den Prüfungsausschuss auf Festsetzung eines Regresses gehemmt worden (siehe den Prüfantrag der Beigeladenen zu 2. vom 24.9.2002): Der Senat erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch einen Prüfantrag der KKn gehemmt werden, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (vgl zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R -, RdNr 33-35 iVm 40, 46, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das war hier der Fall.

40

Unschädlich ist, dass nach dem Prüfantrag, dessen Begründung und der Stellungnahme des Klägers vom 13.1.2003 zunächst während zweieinhalb Jahren das Verwaltungsverfahren nicht erkennbar weiter betrieben wurde (der Prüfungsausschuss trat erst am 30.11.2005 zu seiner Sitzung zusammen). Ein Erfordernis derart, dass die hemmende Wirkung entfällt, wenn das Verfahren mehr als sechs Monate lang nicht weiterbetrieben wird, besteht in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht, wie der Senat ausgeführt hat (BSG aaO RdNr 49 ff). Im Übrigen hatte der Prüfungsausschuss den Kläger bei der Zuleitung sowohl des Prüfantrags der KK als auch der Antragsbegründung jeweils darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Prüfverfahrens zurückgestellt werde bis zur Klärung, ob nicht eine Richtgrößenprüfung, die vorrangig wäre, durchgeführt werde. Das hierdurch eingetretene faktische Ruhen des Verfahrens war auch nicht unangemessen lang.

41

ee) Nach alledem wurde zum einen durch den Prüfantrag der KK vom 24.9.2002 der Lauf der Vier-Jahres-Frist gehemmt, und zum anderen erließ der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 innerhalb der ursprünglichen Vier-Jahres-Frist: Aus beiden Gründen durfte das Verfahren auf Festsetzung eines Regresses gegen den Kläger wegen nicht sachgerechter bzw unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen weiterhin durchgeführt werden. Dies galt einheitlich für alle vier Quartale I bis IV/2001; für eine getrennte Beurteilung einerseits der Quartale I und II/2001 und andererseits der Quartale III und IV/2001, wie das SG sie vorgenommen hat, ist - da es sich um eine einheitliche SSB-Gesamtüberprüfung handelte - kein Raum.

42

Der rechtlichen Wertung, dass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Vier-Jahres-Frist wahrte, steht nicht entgegen, dass seine Entscheidung "negativ" dahin lautete, gegen den Kläger seien keine Maßnahmen veranlasst. Für die Fristwahrung kommt es allein darauf an, dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn "freisprechenden" Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch "verbösernde" Entscheidungen treffen dürfen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN; vgl auch zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 am Ende; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 44 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung konnte der weitere Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 noch Wirksamkeit entfalten. Er durfte auch die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 "verbösern"; das Verbot der reformatio in peius stand dem nicht entgegen, weil der Beschwerdeausschuss im selben Verwaltungsverfahren als weitere Instanz entschied, nachdem die KK den ihr als Antragstellerin zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte.

43

5. Waren mithin die Vier-Jahres-Frist gewahrt und der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 zulässigerweise ergangen, so ist zu überprüfen, ob der Bescheid auch in sonstiger - formeller und materieller - Hinsicht rechtmäßig ist. Diese Beurteilung kann revisionsgerichtlich allerdings nur teilweise erfolgen (unten a und b). Für die abschließende Entscheidung, ob der Bescheid in materieller Hinsicht rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückzuverweisen ist (unten b).

44

a) Der Regressbescheid vom 27.11.2006 ist formell rechtmäßig. Die vom Kläger erhobene Beanstandung, gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verstoßen worden, greift nicht durch. Die Ansicht des Klägers, es hätte kein Regress, sondern - jedenfalls zunächst - nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft nicht zu.

45

Wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat, ist für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sog offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23 mwN). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Rede stehen, wenn zB dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss in der Arzneimittel-Richtlinie oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird. Zu solchen Fällen, die durch einen sogenannten Basismangel gekennzeichnet sind (vgl BSG aaO RdNr 23), gehört auch die Konstellation, dass ein Regress festgesetzt wird, weil ein verordnetes Arzneimittel nicht in der SSB-Vereinbarung zur Verordnung als SSB vorgesehen ist. Deshalb war im vorliegenden Fall - unabhängig davon, ob es sich um einen Regress aufgrund einer Vergleichsprüfung wegen gravierender Überschreitung des durchschnittlichen Aufwandes der Fachgruppe, und/oder, ob es sich um einen Regress wegen Verstoßes gegen die SSB-Vereinbarung handelte - keine vorgängige Beratung erforderlich.

46

Daran ändert der Hinweis auf § 22 Abs 2 bis 4 PrüfV nichts. Gemäß Abs 2 aaO "soll" zwar vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 "in der Regel" eine Beratung vorausgehen. Aber zum einen handelt es sich nur um eine "Soll"-Vorschrift, und zum anderen enthält Abs 4 ausdrücklich eine Ausnahme dahingehend, dass bei "Unwirtschaftlichkeit in besonders gravierendem Ausmaß" von einer vorrangigen Beratung abgesehen werden kann. Entweder war ein solcher Fall gegeben oder - was dem wertungsmäßig gleich steht (vgl RdNr 45) - ein Verstoß gegen die SSB-Vereinbarung.

47

b) Ob der Regressbescheid auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig ist, vermag der Senat indessen nicht abschließend zu beurteilen.

48

Die vom Beklagten getroffene Wahl der sog statistischen Vergleichsprüfung anhand der Durchschnittswerte der Fachgruppe ist nicht zu beanstanden. Die Wahl dieser Prüfmethode (zur insoweit bestehenden Auswahlfreiheit vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13 mwN) hat der Beklagte in seinem Bescheid mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (siehe die Formulierung "Grundlage der statistischen Vergleichsprüfung …" und die am Schluss des Bescheids befindliche "Vergleichsberechnung"). Nur der ergänzenden Erläuterung - um die Berechtigung der Regresshöhe von 7432 DM = 3800 Euro zu verdeutlichen - dienen seine Ausführungen zu SSB-Verordnungen außerhalb von Akutbehandlungen und deren Summierung auf 7931 DM.

49

Eine abschließende revisionsgerichtliche Würdigung ist allerdings nicht möglich. Dem Regress liegt die Annahme zugrunde, Anlässe, HAES-Infusionslösungen im Wege von SSB-Verordnungen zur Akut- und Notfallbehandlung zu beziehen (vgl Abschnitt I Nr 1 iVm Anlage 1 Nr 6 der SSB-Vereinbarung), hätten beim Kläger in keinem weitergehenden Umfang bestanden als beim Durchschnitt der Fachgruppe bzw als im Umfang von ca 14 % der HAES-Verordnungen (so sinngemäß der Bescheid S 4 f). Der Kläger hat hierzu allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, die Quote der ihm zugebilligten HAES-Akutbehandlungen sei zu gering; bei seiner Patientenschaft habe es Indikationen für HAES-Akutbehandlungen über die Fälle von Hörsturz und Tinnitus hinaus noch in weiteren Krankheitsfällen gegeben (vgl auch seine Klagebegründung vom 27.10.2008 S 7). Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat insbesondere hervorgehoben, dass die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht in Betracht komme, weil keine greifbaren Anhaltspunkte für einen speziellen Zuschnitt der Patientenschaft des Klägers erkennbar seien. Das SG hat - von seinem Rechtsstandpunkt her folgerichtig - zu diesem Fragenkreis keine näheren Feststellungen getroffen, sodass der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist.

50

Für die weitere Würdigung durch das SG weist der Senat auf Folgendes hin:

51
o
Erfolglos ist der Einwand des Klägers, bei einem Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnungen von HAES-Infusionslösungen müsse im Wege der Gegenrechnung berücksichtigt werden, in welcher Höhe im Falle des Verzichts auf SSB-Verordnungen stattdessen Kosten bei Einzelverordnungen für bestimmte Patienten angefallen wären. Diese Argumentation greift nicht durch. Die Zuerkennung der Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (vgl dazu zuletzt BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - RdNr 67 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Gegenrechnung der Kosten, die im Falle rechtmäßiger Einzelverordnungen angefallen wären, ist zudem deshalb ausgeschlossen, weil SSB-Verordnungen und Einzelverordnungen wegen der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede nicht austauschbar sind: SSB-Verordnungen erfolgen zu Lasten aller KKn, während Einzelverordnungen allein die KK belasten, bei der der Patient versichert ist. Bei SSB-Verordnungen entstehen Kosten in voller Höhe des Arzneimittels, während bei Einzelverordnungen die Patientenzuzahlungen kostenmindernd wirken (zur Nicht-Austauschbarkeit vgl zB BSG vom 8.5.1985, SozR 2200 § 368n Nr 36 S 117; BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 10/06 B - Juris RdNr 11; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 6/10 B - RdNr 7 aE). Dementsprechend können insoweit auch keine sog kompensierenden Einsparungen anerkannt werden (zu dieser Rechtsfigur vgl Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 71 bis 73, 100).
52
o
Zurückzuweisen ist der von Seiten der KKn erhobene Einwand, die Kosten für die Verordnung von HAES-Infusionslösungen bei akutem Hörsturz und Tinnitus seien deshalb nicht akzeptabel, weil ein Nutzen solcher Behandlungsmaßnahmen nicht durch Studien wissenschaftlich belegt sei; solchen Behandlungen liege nur die vermeintliche Erfahrung zugrunde, sie trügen zur Linderung bzw Heilung bei (vgl Widerspruchsbegründung der AOK vom 12.6.2006). Dieser Argumentation steht das Wesen der Prüfmethodik des Vergleichs mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe entgegen: Eine Behandlungs- bzw Verordnungsweise, die - wie die Durchführung von Infusionen zB bei Hörsturz - in der Fachgruppe grundsätzlich akzeptiert und tatsächlich Verbreitung gefunden hatte, darf bei dem Vergleich mit dem Aufwand der Fachgruppe nicht bei dem geprüften Arzt - also nur auf einer Seite - als unzulässig beanstandet werden. Dies kann auch nicht unter Rückgriff auf die sog Randzuständigkeit der Prüfgremien (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 13; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 12) gerechtfertigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats dürfen sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei medizinisch umstrittenen Behandlungen nur erfolgen, wenn deren Erbringung durch normative Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist - zB Fehlen einer gemäß § 135 SGB V erforderlichen Methodenanerkennung oder einer gemäß dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Arzneimittelzulassung -, und sonst nur dann, wenn die Leistungserbringung in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft steht oder ohne Weiteres erkennbar keinerlei Nutzen hat(BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1 S 3 ff; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1 RdNr 11, 13-15; BSG SozR 4-5533 Nr 653 Nr 1 RdNr 7 aE). Die hier in Rede stehende Behandlungsweise, die Durchführung von Infusionen bei Hörsturz uÄ, hat indessen Verbreitung gefunden und kann nicht als offenkundig im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft angesehen werden.
53

6. Das SG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die

1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind,
1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4,
1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder
b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder
c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt,
1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen,
1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind,
1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden,
1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden,
2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder
3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.

(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.

(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:

1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers,
2.
die Bezeichnung des Arzneimittels,
3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung,
4.
die Darreichungsform,
5.
die Wirkungen,
6.
die Anwendungsgebiete,
7.
die Gegenanzeigen,
8.
die Nebenwirkungen,
9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln,
10.
die Dosierung,
11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels,
12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung,
13.
die Packungsgrößen,
14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen,
15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).

(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.

(2) Es sind ferner vorzulegen:

1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung),
2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche,
3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung,
4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind,
5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss:
a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person,
b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und
c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung,
6.
(weggefallen)
7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist,
8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
Die Ergebnisse nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfungen hervorgehen. Dem Antrag sind alle für die Bewertung des Arzneimittels zweckdienlichen Angaben und Unterlagen, ob günstig oder ungünstig, beizufügen. Dies gilt auch für unvollständige oder abgebrochene toxikologische oder pharmakologische Versuche oder klinische Prüfungen zu dem Arzneimittel.

(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar

1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind,
2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist,
3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
Zu berücksichtigen sind ferner die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen.

(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.

(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.

(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.

(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.

(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.

(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.

(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.

(1) Den nach § 22 Absatz 1 Nummer 15, Absatz 2 und 3 erforderlichen Unterlagen sind Gutachten von Sachverständigen beizufügen, in denen die Kontrollmethoden und die Prüfungsergebnisse zusammengefasst und bewertet werden. Im Einzelnen muss aus den Gutachten insbesondere hervorgehen:

1.
aus dem analytischen Gutachten, ob das Arzneimittel die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweist, ob die vorgeschlagenen Kontrollmethoden dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und zur Beurteilung der Qualität geeignet sind,
2.
aus dem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten, welche toxischen Wirkungen und welche pharmakologischen Eigenschaften das Arzneimittel hat,
3.
aus dem klinischen Gutachten, ob das Arzneimittel bei den angegebenen Anwendungsgebieten angemessen wirksam ist, ob es verträglich ist, ob die vorgesehene Dosierung zweckmäßig ist und welche Gegenanzeigen und Nebenwirkungen bestehen.

(2) Soweit wissenschaftliches Erkenntnismaterial nach § 22 Absatz 3 vorgelegt wird, muss aus den Gutachten hervorgehen, dass das wissenschaftliche Erkenntnismaterial in sinngemäßer Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien erarbeitet wurde.

(3) Den Gutachten müssen Angaben über den Namen, die Ausbildung und die Berufstätigkeit der Sachverständigen sowie seine berufliche Beziehung zum Antragsteller beigefügt werden. Die Sachverständigen haben mit Unterschrift unter Angabe des Datums zu bestätigen, dass das Gutachten von ihnen erstellt worden ist.

(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.

(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn

1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind,
2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht,
3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist,
4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist,
5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist,
5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind,
6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
Die Zulassung darf nach Satz 1 Nr. 4 nicht deshalb versagt werden, weil therapeutische Ergebnisse nur in einer beschränkten Zahl von Fällen erzielt worden sind. Die therapeutische Wirksamkeit fehlt, wenn der Antragsteller nicht entsprechend dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nachweist, dass sich mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielen lassen. Die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtung sind zu berücksichtigen.

(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.

(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.

(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.

(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.

(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.

(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.

(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.

(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.

(8a) (weggefallen)

(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.

(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.

(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:

1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers,
2.
die Bezeichnung des Arzneimittels,
3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung,
4.
die Darreichungsform,
5.
die Wirkungen,
6.
die Anwendungsgebiete,
7.
die Gegenanzeigen,
8.
die Nebenwirkungen,
9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln,
10.
die Dosierung,
11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels,
12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung,
13.
die Packungsgrößen,
14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen,
15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).

(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.

(2) Es sind ferner vorzulegen:

1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung),
2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche,
3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung,
4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind,
5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss:
a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person,
b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und
c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung,
6.
(weggefallen)
7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist,
8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
Die Ergebnisse nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfungen hervorgehen. Dem Antrag sind alle für die Bewertung des Arzneimittels zweckdienlichen Angaben und Unterlagen, ob günstig oder ungünstig, beizufügen. Dies gilt auch für unvollständige oder abgebrochene toxikologische oder pharmakologische Versuche oder klinische Prüfungen zu dem Arzneimittel.

(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar

1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind,
2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist,
3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
Zu berücksichtigen sind ferner die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen.

(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.

(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.

(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.

(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.

(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.

(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.

(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen II/1999 bis IV/1999.

2

Der in diesen Quartalen als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger verordnete insgesamt 17-mal "Polyglobin 5 %" für die 1932 geborene Versicherte H. Diese litt an einem metastasierenden Karzinom der Eileiter, das auch die Leber befallen hatte, und ist 2001 verstorben. Die Kosten je Verordnung beliefen sich auf 3209,02 DM. Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse vom 1.12.2000 setzte der Prüfungsausschuss auf der Grundlage des § 14 der für den Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltenden Prüfvereinbarung eine Schadensersatzpflicht des Klägers wegen der Verordnung von "Polyglobin" in Höhe von 51 553 DM fest. Dieser Betrag ergab sich auf der Grundlage der Bruttoverordnungskosten unter Abzug eines fünfprozentigen Apothekenrabatts und der von der Versicherten geleisteten Zuzahlungen. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen der Zulassungsindikationen verordnet worden, und für eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen - der Kläger hatte die Behandlung eines Antikörpermangels bei der Versicherten als Grund für die Verordnungen angeführt - habe keine rechtliche Grundlage bestanden.

3

Das SG hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit die Verordnungen im Quartal II/1999 ausgestellt worden sind, weil die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. die Antragsfrist versäumt habe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil für einen zulassungsüberschreitenden Einsatz von Polyglobin die rechtlichen Voraussetzungen, die inzwischen von der Rechtsprechung des BSG geklärt seien, nicht vorgelegen hätten.

4

Dieses Urteil haben der Kläger am 15.4.2005 mit der Berufung und die Beigeladene zu 2. am 28.11.2006 mit der Anschlussberufung angegriffen. Der Kläger hat geltend gemacht, die Verordnung von Polyglobin in den streitbefangenen Quartalen habe den Behandlungserfolg der Chemotherapie absichern sollen und sei damit zur erfolgreichen Behandlung des inoperablen metastasierenden Tubenkarzinoms notwendig gewesen. Nach der Entscheidung des BSG vom 5.7.1995 (Remedacen) habe er darauf vertrauen können, verschreibungspflichtige Medikamente auch außerhalb ihres Zulassungsbereichs verordnen zu dürfen. Der durch dieses höchstrichterliche Urteil ausgelöste Vertrauensschutz sei frühestens durch das Urteil des BSG vom 30.9.1999 (SKAT) eingeschränkt worden. Dieses Urteil habe er bei Ausstellung der hier betroffenen Verordnungen nicht kennen können; insoweit sei ihm zumindest Vertrauensschutz zuzubilligen. Im Übrigen seien die von ihm vorgenommenen Verordnungen auch nach den heute geltenden Maßstäben nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen für einen indikationsüberschreitenden Einsatz von Polyglobin nach den im Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 formulierten Maßstäben erfüllt seien.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. das Urteil des SG geändert und die Klage auch hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal II/1999 abgewiesen. Die Anschlussberufung sei zulässig, obwohl diese sich nicht auf den Teil des Streitgegenstandes beziehe, der Gegenstand der Berufung des Klägers sei (Quartale III und IV/1999). Soweit das BSG die Auffassung vertrete, eine Anschlussberufung müsse sich innerhalb des Streitgegenstandes der Hauptberufung bewegen, sei dem nicht zu folgen. Dem Gegner des Berufungsführers müsse es möglich sein, durch Anschließung an die Berufung des Hauptberufungsführers eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen, auch soweit ein Streitgegenstand betroffen sei, der von der Berufung des Klägers nicht erfasst werde.

6

Die Berufung der beigeladenen Krankenkasse sei aus denselben Gründen begründet wie diejenige des Klägers unbegründet. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, auf der Grundlage des § 14 der für Berlin geltenden Prüfvereinbarung Arzneikostenregresse gegen den Kläger wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel festzusetzen. Das setze nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Auch ein Antrag der jeweils betroffenen Krankenkasse sei nicht erforderlich gewesen; soweit die Prüfvereinbarung etwas anderes vorschreibe, sei das nach der Rechtsprechung des BSG mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und deshalb unwirksam. Aus diesem Grund habe das SG der Klage hinsichtlich des Quartals II/1999 zu Unrecht stattgegeben. Auf Vertrauensschutz könne der Kläger sich nicht berufen. Soweit der 8. Senat des BSG im Jahr 1999 ausgeführt habe, die Versicherten hätten im Anschluss an das Urteil des 1. Senats des BSG vom 15.7.1995 zumindest bis zur Veröffentlichung des Urteils aus dem Jahre 1999 darauf vertrauen dürfen, dass sie mit Arzneimitteln auch außerhalb des durch die Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bestimmten Indikationsbereichs versorgt werden dürften, könne dem nicht gefolgt werden. Schließlich führe auch der Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 nicht zu einer anderen Beurteilung, weil die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung der nach Auffassung des Klägers bei der Patientin H. vorhandenen Antikörperstörung nicht belegt sei (Urteil vom 26.11.2008).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Anschlussrevision der Beigeladenen zu 2. als zulässig anzusehen. Diese Berufung sei nach Ablauf der auch für diese Beigeladene geltenden Berufungsfrist von einem Monat nach Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils eingelegt worden. Als unselbstständige Anschlussberufung sei sie nicht zulässig, weil sie sich nicht auf den Gegenstand der von ihm - dem Kläger - eingelegten Hauptberufung beziehe. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe nach Ablauf der für die Beteiligten geltenden Berufungsfrist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nicht mehr erweitert werden. Seine - des Klägers - Verordnungen in den drei streitbefangenen Quartalen bildeten jeweils unterschiedliche Streitgegenstände, was das SG im Ausgangspunkt zutreffend dadurch zum Ausdruck gebracht habe, dass es den Regressbescheid hinsichtlich des Quartals II/1999 aufgehoben und hinsichtlich der in den beiden folgenden Quartalen ausgestellten Verordnungen für rechtmäßig gehalten habe. Deshalb sei der angefochtene Regressbescheid hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal II/1999 dem Berufungsgericht mit seiner - des Klägers - (Haupt)Berufung nicht angefallen und habe durch die zu 2. beigeladene Krankenkasse nach Ablauf der Berufungsfrist nicht mehr in das Berufungsverfahren einbezogen werden können.

8

Im Übrigen sei das Urteil des LSG fehlerhaft, soweit es die Regresse für rechtmäßig gehalten habe. Der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung sei schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die Prüfvereinbarung regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der Prüfvereinbarung zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden.

9

Weiterhin sei der angefochtene Bescheid fehlerhaft, weil im Prüfungsausschuss wie im Beschwerdeausschuss jeweils unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen entschieden worden sei. Die Krankenkassenvertreter hätten eine Vertagung der Entscheidung des Beklagten in einer Sitzung unter Vorsitz eines Vertreters der Ärzte herbeigeführt, um so zu erreichen, dass über die Widersprüche des Klägers gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen getroffen worden sei, erneut unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen entschieden werde. Das sei unzulässig. Die Vorschriften über den wechselnden Vorsitz im Prüfungs- und Beschwerdeausschuss nach § 106 SGB V aF könnten nur so verstanden werden, dass jedenfalls über Entscheidungen des Prüfungsausschusses, bei denen ein Vertreter der Krankenkassen den Vorsitz gehabt habe, in der Besetzung des Beschwerdeausschusses mit einem Vorsitzenden aus den Reihen der Vertragsärzte entschieden werden müsse.

10

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung der bei der Versicherten H. vorhandenen lebensbedrohlichen Karzinomerkrankung notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe die Versicherte unter einer Antikörperstörung gelitten, die eine Chemotherapie unmöglich gemacht habe, die ihrerseits zur Behandlung des Tumorgrundleidens erforderlich gewesen sei. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG im Mai 2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zu Remedacen habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use-Einsatz im regulären Verfahren durch Ausstellen von vertragsärztlichen Verordnungen zu praktizieren. Soweit das LSG bemängelt habe, das bei der Versicherten H. vorliegende Antikörpermangelsyndrom, das letztlich den Einsatz von Polyglobin erforderlich gemacht habe, sei nicht ausreichend belegt, könne dem nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung des LSG seien laborchemische Untersuchungen zum Nachweis dieses Antikörpermangelsyndroms verzichtbar.

11

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 und des Sozialgerichts Berlin vom 9.2.2005, soweit hier die Klage abgewiesen wurde, sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.12.2001 aufzuheben,

hilfsweise, die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 und des Sozialgerichts Berlin vom 9.2.2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.12.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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Der Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

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Zutreffend habe das Berufungsgericht entschieden, dass die Partner der Prüfvereinbarungen nicht einmal berechtigt gewesen wären, Arzneikostenregresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel vom Verschulden des Vertragsarztes abhängig zu machen. Entgegen der Auffassung des Klägers habe die maßgebliche Prüfvereinbarung aus dem Jahre 1994 nicht vorgeschrieben, dass eine unter dem Vorsitz eines Kassenvertreters getroffene Entscheidung vom Beschwerdeausschuss nur unter dem Vorsitz eines Vertreters der Ärzte überprüft werden dürfe. Eine solche Regelung wäre auch nicht praktikabel gewesen und hätte die Dauer der Prüfverfahren erheblich verlängert. Die Ausführungen des Klägers hinsichtlich seines Vertrauens auf bestimmte Entscheidungen des BSG seien irrelevant. Es sei lebensfremd, dass ein Vertragsarzt die einzelnen Entwicklungsschritte der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Kenntnis nehme und sein Verordnungsverhalten daran ausrichte. Eine Ausnahmelage im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG vom 6.12.2005 habe in den streitbefangenen Quartalen bei der Versicherten H. nicht bestanden.

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Die zu 2. beigeladene Krankenkasse hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend. Zu Recht habe das LSG ihre Anschlussberufung als zulässig angesehen. Folge man der Auffassung des Klägers, gebe es für die Anschlussberufung im sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt keinen Anwendungsbereich, weil die Hauptberufung regelmäßig nur insoweit erhoben werde, als der Rechtsmittelführer durch das sozialgerichtliche Urteil beschwert sei. Für eine Anschlussberufung sei dann kein Raum, weil im Rahmen der Beschwer des Klägers der Anschlussberufungsführer selbst mit dem angefochtenen Urteil einverstanden sei. Ein Grund für eine derart restriktive Handhabung entgegen der Rechtsprechung in den anderen Gerichtszweigen sei nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Zu Recht rügt er, dass das Berufungsgericht über den angefochtenen Bescheid des Beklagten hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal II/1999 in der Sache entschieden habe. Insoweit ist die zugunsten des Klägers ergangene Entscheidung des SG rechtskräftig geworden, weil die Beigeladene zu 2. innerhalb der Berufungsfrist keine Berufung eingelegt hat. Ihre Anschlussberufung war unzulässig (1). Keinen Erfolg hat die Revision dagegen hinsichtlich der Verordnungen in den Quartalen III und IV/1999. Insoweit hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das sozialgerichtliche Urteil zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig (2).

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1. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. vom 28.11.2006 war unzulässig. Das Berufungsgericht hätte auf diese Anschlussberufung hin nicht in eine Sachprüfung des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die Verordnungen des Klägers aus dem Quartal II/1999 eintreten dürfen. Insoweit war das der Klage stattgebende Urteil des SG nämlich bereits rechtskräftig geworden.

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a. Die Berufung der beigeladenen Krankenkasse hätte nur als Anschlussberufung iS des § 202 SGG iVm § 524 ZPO zulässig sein können. Eine eigenständige Berufung wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG unzulässig. Das Urteil des SG ist der Beigeladenen zu 2. am 16.3.2005 zugestellt worden; die Monatsfrist des § 151 Abs 1 SGG ist durch die Einlegung der Berufung am 28.11.2006 nicht gewahrt worden.

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Die Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG gilt nicht für die Anschlussberufung, die nach der Rechtsprechung des BSG auch in der Sozialgerichtsbarkeit statthaft ist(BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer (Hrsg), SGG 9. Aufl 2008, § 143 RdNr 5). Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. war hier aber unzulässig, weil sie nicht den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung des Klägers betroffen, sondern einen neuen Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt hat. Das ist nach der Rechtsprechung aller mit dieser Rechtsfrage bisher befassten Senate des BSG ausgeschlossen (zB Urteil des 9. Senats vom 8.7.1969 = SozR Nr 12 zu § 521 ZPO; 6. Senat vom 19.6.1996 - 6 RKa 24/95 - = USK 96131) Diese Entscheidungen sind zu Ansprüchen ergangen, die Gegenstand des Klageverfahrens, aber nicht der Hauptberufung waren. Das Urteil des 4. Senats vom 10.2.2005 - B 4 RA 48/04 R - betrifft einen mit der Anschlussberufung geltend gemachten Anspruch, der nicht einmal Gegenstand des Klageverfahrens gewesen ist. Die Rechtsauffassung des BSG zur Begrenzung der Anschlussberufung auf den Streitgegenstand der Hauptberufung wird in den Kommentaren zum SGG - soweit ersichtlich ohne Ausnahme - geteilt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 143 RdNr 5d; Eckertz in: Lüdtke, Handkommentar Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl 2009, § 143 RdNr 37; Behn in: Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 87. Ergänzungslieferung, Stand: Mai 2009 - Gesamtwerk, § 143 RdNr 68 f; Frehse in: Jansen, SGG, 3. Aufl 2009, § 143 RdNr 7; Waschull in: Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 6 RdNr 130). Nach Bernsdorff (in: Hennig, SGG, Stand Februar 2009 - Gesamtwerk - § 143 RdNr 27) liegt keine Anschlussberufung vor, wenn sich der Antrag des Berufungsbeklagten bei teilbarem Streitgegenstand gegen einen anderen als den mit der Berufung angegriffenen Teil des erstinstanzlichen Urteils richtet (ähnlich Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 143 RdNr 24).

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b. Bei Anwendung dieser Rechtsauffassung ist die Anschlussberufung unzulässig, wie das LSG zutreffend angenommen hat. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Hauptberufung, weil diese die Verordnungen des Klägers aus den Quartalen III/1999 und IV/1999, jene aber solche aus dem Quartal II/1999 erfasst. Vertragsärztliche Honorarbescheide sowie Bescheide der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung ergehen quartalsbezogen und enthalten, wenn Entscheidungen mehrere Quartale betreffen (vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 30/08 R - RdNr 24 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), verschiedene Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X. Selbst innerhalb eines Bescheides für ein Quartal können zahlreiche eigenständige "Regelungen" ergehen, die selbstständig anfechtbar sind. Das hat der Senat in einem Urteil vom 23.2.2005 (SozR 4-1500 § 92 Nr 2) für einen Honorarbescheid näher dargelegt; in dem schon zitierten Urteil vom 19.6.1996 (6 RKa 24/95) hat der Senat das in Bezug auf einen Bescheid zur Wirtschaftlichkeitsprüfung hinsichtlich von Kürzungen für bestimmte Leistungen bzw Leistungssparten als selbstverständlich vorausgesetzt und im Urteil vom 16.7.2008 ausdrücklich ausgesprochen (BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 25 am Ende).

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Diese Rechtsprechung kann allerdings nicht ohne Weiteres auf Kostenregresse wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel übertragen werden. Derartige Regressbescheide können quartalsbezogen ergehen, etwa wenn ein Arzt über einen längeren Zeitraum hinweg bestimmte Medikamente für zahlreiche Patienten verordnet. Zwingend ist die Bindung eines Kostenregresses ebenso wie eines Regresses wegen eines sog "sonstigen Schadens" an den Quartalsturnus indessen nicht und bietet sich gerade in Konstellationen nicht an, in denen es um die Behandlung eines Versicherten mit einem umstrittenen Medikament über mehrere Quartale geht. Ein solcher Fall ist hier zu beurteilen, und sowohl der Regressantrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. wie die Entscheidungen des Prüfungsausschusses und des Beklagten haben nicht nach den drei betroffenen Quartalen differenziert und mussten das auch nicht.

21

Ursprünglich bildete deshalb der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung der - Verordnungen aus drei Quartalen erfassenden - Entscheidung des Beklagten vom 12.12.2001 den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Das SG hat diesen einheitlichen Streitgegenstand jedoch getrennt und die Regressfestsetzung je nach Zuordnung der beanstandeten Verordnungen des Klägers zu den Quartalen II/1999 einerseits sowie III und IV 1999 andererseits unterschiedlich beurteilt. Anlass dazu hat dem SG die (mittelbar) quartalsbezogene Regelung über die Antragsfrist der Krankenkasse in § 14 Abs 2 der maßgeblichen Prüfvereinbarung gegeben. Weil offenbar die Krankenkassen die Verordnungen aus jedem Quartal zusammengefasst zu einem bestimmten Termin erhalten, der wiederum für den Beginn der Antragsfrist nach § 14 Abs 2 von Bedeutung ist, konnte nach Ansicht des SG die Prüfung der Einhaltung dieser Frist nur differenziert für jedes Quartal erfolgen. Das Urteil des SG hat inzident die angefochtene Entscheidung des Beklagten in zumindest zwei Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X aufgespalten, nämlich hinsichtlich der aus dem Quartal II/1999 und hinsichtlich der aus den Quartalen III/1999 sowie IV/1999 stammenden Verordnungen des Klägers. Bundesrecht ist dadurch nicht verletzt, und das SG hat durch den Tenor seines Urteils die Beteiligten über das gerichtliche Vorgehen hinreichend deutlich informiert.

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Damit bestand bei Zustellung des SG-Urteils eine Rechtslage, wie sie derjenigen bei Honorarfestsetzungen oder Kürzungs- bzw Regressbescheiden entspricht, die von vornherein mehrere Quartale erfassen. Für jedes dieser Quartale ist (mindestens) eine Regelung angefochten, deren prozessuales Schicksal von demjenigen für die anderen Quartale abweichen kann; die Regelung für jedes Quartal bildet einen eigenständigen Streitgegenstand. Als Folge der Hauptberufung des Klägers war der angefochtene Bescheid des Beklagten Gegenstand des Berufungsverfahrens nur hinsichtlich der aus den Quartalen III/1999 und IV/1999 stammenden Verordnungen; das ist dem Antrag des Klägers im LSG-Verfahren deutlich zu entnehmen. Die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 2. hat mit der Entscheidung des Beklagten über die aus dem Quartal II/1999 stammenden Verordnungen einen neuen Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt. Das ist nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht zulässig. Ein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, ist nicht ersichtlich.

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c. Kein durchgreifendes Bedenken ergibt sich aus dem Hinweis der Beigeladenen zu 2., auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BSG bleibe für die Anschlussberufung nur ein sehr begrenzter Anwendungsbereich. Wenn die Anschlussberufung nur innerhalb des prozessualen Anspruchs erhoben werden kann, der Gegenstand der Hauptberufung ist, kommt im vertragsärztlichen Bereich bei Honorarkürzungen bzw Arzneikostenregressen eine Anschlussberufung typischerweise nur dann in Betracht, wenn das SG auf die Klage die zuständige Behörde zur Neubescheidung nach bestimmten Maßgaben verurteilt und der Kläger mit seiner Berufung die endgültige Aufhebung der ihn belastenden Bescheide begehrt. Dieser Berufung können sich dann die KÄV, der Beschwerdeausschuss oder die beigeladenen Krankenkassen (bzw Krankenkassenverbände) mit dem Antrag anschließen, die Klage in vollem Umfang abzuweisen, auch nachdem die für sie laufende Berufungsfrist abgelaufen ist. Alle übrigen Regelungen der ursprünglich angefochtenen Entscheidung, über die das SG entschieden hat, ohne dass ein Beteiligter das mit der Berufung angefochten hat, die also etwa andere Leistungspositionen oder andere Quartale betreffen, werden dagegen bestandskräftig. Das ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vertragsärztlichen Bereich richtig und praktikabel.

24

Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bliebe dagegen möglicherweise während der gesamten Dauer eines Berufungsverfahrens offen, ob Regelungen in Kürzungs- oder Regressbescheiden, die nicht Gegenstand der Hauptberufung sind, bestandskräftig werden oder nicht. Soweit etwa in einer Entscheidung des Beschwerdeausschusses Honorarkürzungen oder Arzneikostenregresse für eine größere Zahl von Quartalen auf der Grundlage einer Vielzahl von Entscheidungen des Prüfungsausschusses (oder der Prüfungsstelle iS des § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007) zusammengefasst worden sind, bleibt deren Bestandskraft über Jahre hinweg offen, auch wenn nur eine Detailregelung hinsichtlich eines einzelnen Quartals Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Das ist sowohl für den beteiligten Vertragsarzt wie für die KÄV und die Krankenkassen als Kostenträger schwierig zu handhaben, weil ggf Rückstellungen gebildet werden müssten und Beträge nicht verbucht werden könnten.

25

Ein tatsächliches Bedürfnis, diese Rechtsfolgen in Kauf zu nehmen, um den Beteiligten bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Möglichkeit der Anschlussberufung auch außerhalb des prozessualen Anspruchs, der Gegenstand der Hauptberufung ist, offen zu halten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ob Honorarkürzungs- oder Regressbescheide, die verschiedene Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X zum Inhalt haben und häufig mehrere Quartale betreffen, einzeln angegriffen oder durch die Widerspruchsstelle zusammengefasst bzw im gerichtlichen Verfahren auf der Grundlage des § 113 Abs 1 SGG verbunden werden, ist eine Frage der Praktikabilität. Jeder Verfahrensbeteiligte hat nach Bekanntgabe des das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheides oder des erstinstanzlichen Urteils eine Frist von einem Monat, innerhalb der er prüfen und entscheiden kann, ob und ggf inwieweit er die Entscheidung der Behörde bzw des erstinstanzlichen Gerichts hinnehmen will oder nicht. Ein berechtigtes Interesse, Monate oder sogar Jahre nach Einlegung der Berufung des Gegners noch Regelungen der gerichtlichen Überprüfung des LSG zuführen zu können, zu denen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zunächst hingenommen worden ist, besteht nicht.

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d. Zudem kann die prozessuale Sicht des Berufungsgerichts die Entscheidungsreife der Berufung in Frage stellen, jedenfalls soweit keine Frist für die Anschlussberufung normiert ist. Während nach § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO die Anschließung nur bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift zugelassen wird, besteht keine ebensolche Bestimmung im SGG. Die VwGO-Vorschrift soll nach vorherrschender Auffassung auf das sozialgerichtliche Verfahren nicht übertragen werden können, weil dafür eine rechtliche Grundlage fehlt. Vergleichbares wird hinsichtlich der ähnlichen Frist des § 524 Abs 2 Satz 2 ZPO angenommen, die immerhin über § 202 SGG grundsätzlich im sozialgerichtlichen Verfahren angewandt werden könnte(vgl Leitherer, aaO, § 143 RdNr 5 f). Nach dieser Vorschrift ist die Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Eine dem § 521 Abs 1 ZPO entsprechende Vorschrift über die Zustellung der Berufungsschrift und der Berufungsbegründungsschrift an den Gegner kennt das SGG nicht. Die entsprechende Anwendung des § 524 Abs 2 Satz 2 ZPO über § 202 SGG setzt aber die Zustellung mindestens der Berufungsbegründung an den Gegner voraus, damit Klarheit über den Beginn der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung besteht. Die Anwendung von Ausschlussfristen im sozialgerichtlichen Verfahren ohne explizite normative Grundlage ist unter dem Gesichtspunkt der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1, Art 103 Abs 1 GG) problematisch, sodass ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, die auch in der Anordnung einer entsprechenden Geltung des § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO im SGG bestehen könnte, die Ausschlussfrist für die Anschlussberufung wohl nicht entsprechend angewandt werden kann. Das dürfte auch deshalb anzunehmen sein, weil im Berufungsverfahren der Sozialgerichtsbarkeit im Unterschied zu demjenigen in der Verwaltungs- und in der Zivilgerichtsbarkeit kein Vertretungszwang herrscht, und die Vorschriften über die Zustellung von Berufungs- und Berufungsbegründungsschriften sowie daran anknüpfende Fristen auf einen durch professionelle Bevollmächtigte geführten Prozess zugeschnitten sind.

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Würde - was das LSG nicht erwogen hat - auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO im sozialgerichtlichen Verfahren auf den Nachweis der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift verzichtet und der Nachweis ihrer tatsächlichen Kenntnis für ausreichend gehalten, wäre die Anschlussberufung der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hier ebenfalls unzulässig. Diese hat, wie sich aus ihrer Reaktion im Berufungsverfahren vom 4.4.2006 ergibt, Monate vor Einlegung der Anschlussberufung am 28.11.2006 Kenntnis von der Berufungsbegründung des Klägers gehabt. Die entsprechende Anwendung der Monatsfrist des § 127 Abs 2 Satz 2 VwGO würde dann ebenfalls zur Unzulässigkeit ihrer Berufung führen. Demgegenüber hätte die vom Berufungsgericht offenbar befürwortete unbefristete Zulassung der Anschlussberufung bis zur mündlichen Verhandlung zur Folge, dass das LSG trotz Entscheidungsreife der Hauptberufung den Rechtsstreit vertagen müsste, wenn zum Gegenstand der Anschlussberufung noch Sachaufklärungsbedarf besteht. Das könnte zu Verzögerungen der Entscheidung führen, die auch im Hinblick auf das Gebot der Gewährung von Rechtsschutz in angemessener Zeit (Art 6 Europäische Menschenrechtskonvention) möglichst zu vermeiden sind.

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Diese Erwägungen geben dem Senat Anlass, trotz der gewichtigen Einwände des Berufungsgerichts an der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Anschlussberufung festzuhalten und von einer andernfalls gebotenen Anrufung des Großen Senats nach § 41 Abs 2 SGG im Hinblick auf die Rechtsprechung anderer Senate zum Gegenstand der Anschlussberufung im sozialgerichtlichen Verfahren abzusehen.

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2. Im Übrigen erweist sich die Revision des Klägers aber als unbegründet.

30

a. Das Berufungsgericht hat angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden und für die Verordnungen des Klägers im Jahre 1999 noch anwendbaren Prüfvereinbarung für den Bezirk der zu 1. beigeladenen KÄV Berlin gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnet hat, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes sei insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger § 14 der Prüfvereinbarung anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die Prüfvereinbarung stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner Prüfvereinbarung aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt.

31

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 der Prüfvereinbarung zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

32

Soweit § 14 der Prüfvereinbarung in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den Prüfvereinbarungen Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger selbst nicht in Abrede.

33

b. Soweit der Kläger in formeller Hinsicht weiter rügt, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei fehlerhaft, weil er in einer Sitzung gefasst worden sei, in der ein Vertreter der Krankenkassen den Vorsitz innegehabt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Weder die Prüfvereinbarung im Bezirk der zu 1. beigeladenen KÄV noch Bundesrecht haben vorgeschrieben, dass in den Jahren, in denen Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse alternierend von einem Vertreter der Krankenkassen und der Vertragsärzte geleitet worden sind, Entscheidungen des Prüfungsausschusses, die unter ärztlichem Vorsitz getroffen worden sind, vom Beschwerdeausschuss nur unter Vorsitz eines Vertreters der Krankenkassen und umgekehrt überprüft werden dürfen.

34

Nach § 106 Abs 4 Satz 3 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 führte in den von Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl besetzten Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen jährlich wechselnd ein Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen den Vorsitz. Die Stimme des Vorsitzenden gab bei Stimmengleichheit den Ausschlag (aaO, Satz 4). Diese als defizitär bewertete Regelung war manipulationsanfällig (vgl näher BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5 auch zur Neuregelung im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung)und ist deshalb zum 1.1.2004 ohne Übergangsregelung in der Weise geändert worden, dass die Gremien nunmehr von einem neutralen Vorsitzenden geleitet werden. Für die Zeit bis zum 31.12.2003 galten aber die früheren Regelungen über den im Jahresturnus wechselnden Vorsitz fort, und diesen lag die Auffassung der Revision von einem notwendigen Wechsel im Vorsitz zwischen den beiden Verwaltungsinstanzen nicht zugrunde.

35

Der Kläger verweist selbst auf früher geltende Prüfvereinbarungen im Bezirk der KÄV Bayerns und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin, in denen bestimmt war, den Vorsitz im Beschwerdeausschuss führe ein Vertreter der Ärzte (Zahnärzte), wenn in dem zu entscheidenden Fall ein Vertreter der Krankenkassen den Vorsitz im Prüfungsausschuss inne hatte und umgekehrt. Dass eine solche Regelung im Bezirk der Beigeladenen zu 1. gegolten habe, macht der Kläger nicht geltend. Seine Auffassung, auch ohne ausdrückliche Regelung in der maßgeblichen Prüfvereinbarung ergebe sich dieser Grundsatz unmittelbar als Folge des § 106 Abs 4 Satz 3 SGB V aF über den turnusmäßigen Wechsel im Vorsitz von Prüfungs- und Beschwerdeausschuss, trifft nicht zu. Die Annahme einer solchen bundesrechtlichen Vorgabe hätte das Prüfverfahren verkompliziert und wäre ohne nähere Regelungen in den Prüfvereinbarungen kaum umsetzbar gewesen. Die Beschwerdeausschüsse hätten Beschlüsse über Entscheidungen der Prüfungsausschüsse möglicherweise zurückstellen müssen, weil im jeweiligen Jahr die "richtige" Besetzung nicht verfügbar gewesen wäre; alternativ hätte immer ein Vorsitzender der "Bank", die im jeweiligen Jahr im Beschwerdeausschuss nicht den Vorsitzenden stellt, zur Verfügung stehen müssen, um über Entscheidungen des Prüfungsausschusses zu beraten, die unter anderem Vorsitz getroffen worden sind. Ob die damit verbundenen formellen Erschwerungen des Prüfungsverfahrens bundesrechtlich unbedenklich gewesen wären, bleibt offen (zu den Grenzen des Gestaltungsspielraums der Gesamtvertragspartner bei Ausgestaltung der Prüfvereinbarung vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 290 f). Eine Verpflichtung der Prüfgremien, ohne explizite Regelung in der Prüfvereinbarung so zu verfahren, hat jedenfalls nicht bestanden.

36

c. Soweit der Kläger geltend macht, die Entscheidung durch den Beklagten am 12.12.2001 sei nur deshalb unter dem Vorsitz eines Krankenkassenvertreters gefallen, weil die Kassenvertreter die ursprünglich vorgesehene Sitzung am 24.9.2001 boykottiert hätten, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Da ein Arzt keinen Anspruch darauf hat, dass über seine Angelegenheit immer unter dem Vorsitz eines Arztes im Beschwerdeausschuss entschieden wird, wenn der Prüfungsausschuss unter dem Vorsitz eines Krankenkassenvertreters entschieden hat, stellt die Vertagung einer Sitzung auch dann grundsätzlich keinen Rechtsverstoß dar, wenn diese zur Folge haben sollte, dass der Vorsitz in der tatsächlich entscheidenden Sitzung wechselt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht iS des § 163 SGG festgestellt, dass die Vertagung der Entscheidung vom 24.9.2001 allein darauf beruht hat, dass die Krankenkassenvertreter erreichen wollten, dass über die Angelegenheit des Klägers in der Besetzung des Beschwerdeausschusses mit einem Vorsitzenden aus ihren Reihen entschieden wird. Schließlich ist im Hinblick auf die Rügen des Klägers zur Zusammensetzung des Beklagten bei der Beschlussfassung darauf hinzuweisen, dass die Krankenkassen nach der Rechtsprechung des Senats gegen Entscheidungen der Prüfgremien, mit denen ua Anträge auf Festsetzung von Honorarkürzungen oder Arzneikostenregressen abgelehnt werden, Rechtsmittel ergreifen können (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 und BSG MedR 2004, 577, jeweils zu unzureichenden Kürzungen vertragszahnärztlichen Honorars; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 zum Sprechstundenbedarfsregress). Da vorliegend Ermessens- und Beurteilungsspielräume allenfalls am Rande in Rede stehen, spricht wenig dafür, dass die zu 2. beigeladene Krankenkasse eine - unterstellt für den Kläger positive - Entscheidung des Beklagten unter anderem Vorsitz auf sich hätte beruhen lassen.

37

d. Der Kläger durfte über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Er hat dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

38

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG auf die Behandlung der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (Hautblutungen) beschränkt, und an dieser Erkrankung hat die Versicherte H. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

39

Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung seiner Verordnungen von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmetatbestände stützen, unter denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

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Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem AMG in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

41

e. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 1999 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 1999 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

42

f. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

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Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

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Der Beklagte hält dem Kläger - anders als dieser nahe legen will - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung ihrer Versicherten H. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil der Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben hat, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei der Versicherten H. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die Prüfvereinbarung im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger geltend macht, nach dem im Jahr 1999 geltenden Recht habe er zu Gunsten der H. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch 1997 und 1999 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Kläger im Sommer 1999 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätte, kann offen bleiben. Der Kläger macht selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

45

g. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress gegen den Kläger ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil der Versicherten H. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil der Kläger dazu keine zulässigen Revisionsrügen angebracht hat.

46

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass H. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 1999 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen den Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrekten Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten des Klägers.

47

h. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass die Versicherte H. an einer lebensbedrohlichen Erkrankung (metastasierendes Karzinom der Eileiter) gelitten hat. Zu dessen kausaler Behandlung hätte bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätten (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33). Das nimmt der Kläger selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Er geht vielmehr davon aus, dass die Versicherte H. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der überlebensnotwendigen Chemotherapie ausgeschlossen hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der lebensbedrohlichen Erkrankung an einer weiteren Gesundheitsstörung leidet, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

48

i. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das vom Kläger so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Der Kläger hat dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass die Patientin H. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen hat der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mag er - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Er hat damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes der Versicherten H. in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 beigetragen. Das geht zu seinen Lasten.

49

j. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das vom Kläger geltend gemachte Dilemma, die lebensbedrohliche Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Die Versicherte H. litt nach den Ausführungen des Klägers an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge sowohl des Karzinomleidens als auch der aggressiven Chemotherapien. Darauf habe sie mit wiederholten schweren bakteriellen und viralen Infektionen reagiert, die er - der Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet habe. Für keine dieser "wiederholten" Infektionen hat der Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch konkret und eingehend belegt, dass diesen durch anerkannte Behandlungsverfahren nicht hätten effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage der H. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt sind, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 1999 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätte der Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage der H. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde er die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielt. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich der Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage der H. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprach. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

50

k. Schließlich ist die positive Wirkung, die der Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreibt, nach den Feststellungen des LSG auch nicht hinreichend belegt.

51

Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen der Versicherten H. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ermittelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassener Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder vom Kläger benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

52

Soweit der Kläger die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinreichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen I und III/2000.

2

Die Klägerin zu 1. ist eine zwischen dem 1.7.2000 und dem 31.12.2004 bestehende Gemeinschaftspraxis, der der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. angehörten. Der Kläger zu 2. nimmt seit Jahren als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zum 1.7.2000 schloss er sich mit der Klägerin zu 3., einer Internistin, zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Der Kläger zu 2. (Quartal I/2000) und die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis (Quartal III/2000) verordneten zugunsten des M., der bei der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse versichert war, in 12 Fällen das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw 10 %. Der Versicherte litt an einem "embryonalem Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierung".

3

Wegen dieser Verordnungen beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. bei den Prüfgremien die Feststellung eines sonstigen Schadens. Der Prüfungsausschuss setzte nach Anhörung der Kläger wegen der Verordnung von Polyglobin einen Regress gegen die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von 17 821 Euro fest. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Kläger zu 2. und 3. mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet worden.

4

Das SG hat die von den Klägern zu 2. und 3. gegen diese Entscheidung des Beklagten erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, Polyglobin sei zur Behandlung eines Karzinomleidens außerhalb der Zulassung eingesetzt worden, und die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung auch eines metastasierenden Karzinomleidens sei nicht belegt.

5

Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger zu 2. geltend gemacht, der Einsatz von Polyglobin zur Behandlung des Versicherten M. sei medizinisch gerechtfertigt. Die Klägerin zu 3. hat vorgetragen, im Quartal I/2000 sei sie noch nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen, weshalb sie für Verordnungen aus diesem Quartal nicht in Regress genommen werden dürfe.

6

Das LSG hat zunächst durch eine Änderung des Rubrums klargestellt, dass die Klageerhebung durch die nunmehr als Klägerin zu 1. rubrizierende Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Es hat die Berufungen (nur) der Klägerin zu 2. und zu 3. gegen das sozialgerichtliche Urteil für zulässig gehalten, weil jeder Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft berechtigt sei, Forderungen der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Das LSG hat sodann das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit dieser die Regressfestsetzung für Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betrifft. Die Regressfestsetzung sei nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung des Beklagten gegen "die" Gemeinschaftspraxis gerichtet, die im Quartal I/2000 aber noch nicht bestanden habe. Allein aus diesem Grunde sei der Bescheid insoweit rechtswidrig. Hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal III/2000 hat es die Berufungen der Kläger zu 2. und zu 3. zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen (Urteil vom 18.3.2009).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 2., der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung (PV) ergebe schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die PV regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der PV zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden. Zudem habe ein fristgerechter Antrag nach § 14 Abs 1 PV für das Quartal III/2000 nicht vorgelegen. Das LSG habe zu Unrecht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG angenommen, soweit in der maßgeblichen Berliner PV ein Antragserfordernis normiert sei, stehe das mit höherrangigem Recht nicht in Einklang. Auch dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgegangen sei, die Frist zur Stellung des Prüfantrags beginne erst zu laufen, wenn den Krankenkassen die arztbezogen sortierten Rezepte abschließend vorgelegen hätten. Die Notwendigkeit eines fristgerechten Antrags der betroffenen Krankenkasse diene auch dem Schutz der von den Regressfestsetzung potenziell betroffenen Ärzte.

8

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung des Hodenkarzinoms bei dem Versicherten M. notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe der Versicherte als Folge der Chemotherapie unter einer Antikörperstörung gelitten, die dringend habe behandelt werden müssen. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG am 31.5.2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit dem Remedacen-Urteil des 1. Senats des BSG habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use im regulären Verfahren durch Ausstellen vertragsärztlicher Verordnungen zu praktizieren.

9

Schließlich hätte das LSG dem in der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 unter Bezugnahme auf den Schriftsatz zur Berufungsbegründung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen und zur Anwendung von Polyglobin ein entsprechendes Gutachten einholen müssen. Das habe es unter Verletzung des § 103 Satz 1 SGG fehlerhafterweise unterlassen.

10

Der Kläger zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009 abzuändern und die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen sowie die Revision des Klägers zu 2. zurückzuweisen.

12

Sie rügt vor allem die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig, soweit er Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betreffe. Der Beklagte habe nicht hinreichend beachtet, dass in diesem Quartal die Gemeinschaftspraxis noch nicht bestanden habe. Deshalb könne sich der Bescheid nur gegen den Kläger zu 2. richten, der die betroffenen Verordnungen ausgestellt habe. Nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die Kläger zu 2. und 3. seien im sozialgerichtlichen Verfahren als (einzige) Kläger aufgetreten. Damit sei immer klar gewesen, dass auch die Verordnungen des Klägers zu 2. betroffen gewesen seien.

13

Die Klägerin zu 3. schließt sich der Revision der Beigeladenen zu 2. an und beantragt,

1. die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen,

2. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

3. hilfsweise das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

4. weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

14

Sie verweist auf den Umstand, dass sie im Quartal I/2000 der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis nicht angehörte, und nimmt in der Sache auf die Ausführungen des Klägers zu 2. Bezug.

15

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

16

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat Erfolg. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil sowie den angefochtenen Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal I/2000 zu Unrecht aufgehoben (1.). Dagegen haben die Revisionen des zu 2. klagenden Arztes und der zu 3. klagenden Ärztin in der Sache keinen Erfolg (2.). Auch die Verfahrensrüge des Klägers zu 2. ist nicht begründet (3.).

18

1. Das LSG hat angenommen, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei hinsichtlich der aus dem Quartal I/2000 stammenden Verordnungen schon deshalb rechtswidrig, weil dieser Bescheid sich gegen eine Gemeinschaftspraxis - bestehend aus den Klägern zu 2. und 3. - richte, die im Quartal I/2000 nicht bestanden habe. Regressbescheide, die sich gegen eine Gemeinschaftspraxis richten, die zu dem Zeitpunkt, in dem die beanstandeten Verordnungen vorgenommen wurden, nicht bestand, sind rechtswidrig. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vertragsarztrechtlich gebotenen Unterscheidung von Gemeinschaftspraxis und Einzelpraxis stehen mit Bundesrecht im Einklang. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht jedoch insoweit, als es - zumindest inzident - ausgeschlossen hat, dass sich der Bescheid des Beklagten für das Quartal I/2000 (auch) gegen den Kläger zu 2. richtete.

19

a. Der Antrag der BKK Berlin (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2.) vom 22.5.2001 nennt als Betreff "Gemeinschaftspraxis Dres. med. Kindler und Dietzmann" und verweist zunächst auf die Arztnummer 7290241, die dem Kläger zu 2. zugeordnet war, und - später - auf die Arztnummer 7280821, die der Gemeinschaftspraxis, bestehend aus den Klägern zu 2. und 3., zugeordnet war. Die Fassung des Antrags rührt daher, dass der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. im Mai 2001 nicht bewusst war, dass ein Teil der Verordnungen auf einen Zeitraum entfiel, in dem sich hinter der Abrechnungsnummer 7290241 nur die Einzelpraxis des Klägers zu 2. und noch nicht die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis verbarg.

20

Dieser Umstand fiel, offenbar weil hier kein quartalsweise festzusetzender Regress wegen unwirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens, sondern ein Regress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen zu Gunsten eines einzelnen Patienten über mehrere Quartale hinweg betroffen war (zu den damit verbundenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen näher Senatsurteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R -; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), auch weder der antragstellenden Krankenkasse noch dem Prüfungsausschuss bzw dem beklagten Beschwerdeausschuss auf. In dessen Entscheidung vom 25.3.2003 wird im Rubrum die "Gemeinschaftspraxis" als Widerspruchsführer geführt.

21

Im Klageverfahren sind dagegen - ohne Beanstandung durch das Sozialgericht - lediglich die Kläger zu 2. und 3. als Kläger aufgetreten und durch die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers zu 2. vertreten worden. Die Vollmacht vom 27.11.2001 ist von den Klägern zu 2. und 3. unterschrieben und in Sachen dieser beiden Kläger ausgestellt worden. Bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens haben die Bevollmächtigten nicht auf den Umstand hingewiesen, dass die Gemeinschaftspraxis im Quartal I/2000 noch nicht bestand. Noch im Termin der mündlichen Verhandlung am 14.6.2006, also fast 1 1/2 Jahre nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis, ist Rechtsanwalt Dr. S. für beide Kläger aufgetreten, ohne darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 2. im Quartal I/2000 noch in Einzelpraxis tätig war.

22

Erst im Berufungsverfahren sind die Kläger zu 2. und 3. getrennt aufgetreten; der Kläger zu 2. ist durch die bisherigen Bevollmächtigten beider Kläger und die Klägerin zu 3. durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertreten worden. Die Klägerin zu 3. hat erstmals mit ihrer Berufung vom 30.8.2006 erläutert, dass sie ihre Tätigkeit in der Praxis des Klägers zu 2. erst zum Quartal III/2000 aufgenommen habe (vgl das ursprünglich unter dem Aktenzeichen L 7 KA 109/06 geführte Berufungsverfahren, das das LSG zum Verfahren L 7 KA 108/06 des Klägers zu 2. verbunden hat).

23

b. In dieser besonderen Konstellation stellt sich die Rubrizierung der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis im Rubrum des angefochtenen Bescheides des Beklagten als partielle, aber unschädliche Falschbezeichnung heraus (zur revisionsgerichtlichen Befugnis, Verwaltungsakte auszulegen, s BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 16 mwN). Der Bescheid des Beklagten sollte ersichtlich die unter der Arztnummer 7290241 (Kläger zu 2.) ausgestellten Verordnungen auch des Quartals I/2000 erfassen, und das ist weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren als fehlerhaft gerügt worden. Die Beigeladene zu 2. hat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, sie wolle aus dem Bescheid des Beklagten gegenüber der Klägerin zu 3. Rechte im Hinblick auf Verordnungen aus dem Quartal I/2000 herleiten. Bei verständiger Auslegung der angefochtenen Entscheidung des Beklagten und bei Würdigung des Verhaltens der zu 2. und 3. klagenden Ärzte sowie ihrer Bevollmächtigten im Widerspruchs- und Klageverfahren betrifft der Bescheid des Beklagten, soweit er sich auf das Quartal I/2000 bezieht, Verordnungen nur des Klägers zu 2. und setzt nur diesem gegenüber einen Regress fest. Diese selbstverständliche Rechtsfolge hat der Senat ausdrücklich zur Klarstellung in den Tenor seines Urteils aufgenommen.

24

2. Die Regressfestsetzungen des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2. hinsichtlich der Quartale I und III/2000 und gegenüber der Klägerin zu 3. hinsichtlich des Quartals III/2000 sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.

25

a. Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden PV, die für die Verordnungen der Kläger im Jahre 2000 noch galt, gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnete, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes seien insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger zu 2. § 14 PV anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die PV stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.

26

Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner PV aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt bzw gegolten hat.

27

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 PV zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger zu 2. rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

28

Soweit § 14 PV in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den PV Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger zu 2. selbst nicht in Abrede.

29

b. Soweit der Kläger zu 2. geltend macht, der Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse sei verspätet gestellt worden, muss dem ebenfalls nicht weiter nachgegangen werden. Es kann vielmehr offen bleiben, ob die Frist von "sechs Monaten nach Bekanntwerden des Sachverhalts" iS des § 14 Abs 2 PV hier eingehalten ist, wie das SG angenommen hat, oder ob die Normierung dieser Frist in der PV wegen Unvereinbarkeit mit § 106 SGB V unwirksam ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Selbst wenn eine Antragsfrist normiert werden durfte und diese von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. nicht eingehalten worden sein sollte, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Regressfestsetzung folgen. Aus einer evtl Versäumung der Antragsfrist durch die Krankenkasse kann nämlich nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden. Das hat der Senat mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R; - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden.

30

Der Senat hatte bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung und einer effektiven Verfahrensdurchführung dienen (s insbesondere BSG USK 9596, S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelung und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise zuwider (vgl BSG USK aaO und SozR aaO S 159).

31

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regessverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff, vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Sechs-Monats-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

32

c. Die Kläger durften über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Sie haben dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

33

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG - bei Vorliegen eines Immunmangelsyndroms - auf die Behandlung eines primären, ursächlichen Mangelsyndroms oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - auf die Behandlung von Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein multiples Myelom begrenzt. An solchen Erkrankungen hat der Versicherte M. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

34

Die Kläger können sich zur Rechtfertigung ihrer Verordnung von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmefälle stützen, in denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger zu 2. ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

35

Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

36

d. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger zu 2 - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 2000 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 2000 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

37

e. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger zu 2. beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

38

Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

39

Der Beklagte hält den Klägern - anders als diese nahe legen wollen - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung des M. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil die Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben haben, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei dem Versicherten M. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die PV im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger zu 1. geltend macht, nach dem im Jahr 2000 geltenden Recht habe er zu Gunsten des M. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch in den Jahren 1997 und 2000 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Kläger zu Beginn des Jahres 2000 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätten, kann offen bleiben. Die Kläger machen selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

40

f. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Versicherten M. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil die dazu vom Kläger zu 2. angebrachte Rüge nicht durchgreift (unten 3.).

41

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass M. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 2000 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen die Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrektem Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten der Kläger.

42

g. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass der Versicherte M. an einer schwerwiegenden Erkrankung (Hodenkarzinom) gelitten hat. Ob zu dessen kausaler Behandlung bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation hätte eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätte (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33), kann offen bleiben. Das nehmen die Kläger nämlich selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Sie gehen vielmehr davon aus, dass der Versicherte M. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der notwendigen Chemotherapie erschwert hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der besonders schwerwiegenden Erkrankung (Karzinom) an einer weiteren Gesundheitsstörung gelitten hat, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

43

h. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das von den Klägern so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Die Kläger haben dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass M. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen haben die Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mögen sie - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Sie haben damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes des Versicherten M. im Jahr 2000 beigetragen. Das geht zu ihren Lasten.

44

i. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das von den Klägern geltend gemachte Dilemma, die schwerwiegende Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger zu 2. setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Der Versicherte M. litt nach den Ausführungen des Klägers zu 2. an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge vor allem der aggressiven Chemotherapien. Einzelne Infektionen des Patienten hätten sie - die Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet. Für diese Infektionen haben die Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch nicht konkret und eingehend belegt, dass ihnen durch anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht hätte effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger zu 2. selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage des M. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt ist, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 2000 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätten die Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage des M. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde sie die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielten. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich die Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage des M. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprachen. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

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j. Schließlich ist die positive Wirkung, die die Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreiben, nach den Feststellungen des LSG nicht hinreichend belegt.

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Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen des Versicherten M. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG entwickelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassene Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder von den Klägern benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

47

Soweit der Kläger zu 2. die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinzureichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

48

3. Ohne Erfolg macht der Kläger zu 2. schließlich geltend, das LSG hätte einem Beweisantrag vom 12.3.2009, den er in der mündlichen Verhandlung explizit aufrechterhalten hat, nachkommen und ein Gutachten zur Wirkung von Polyglobin 5 % einholen müssen. Das LSG ist diesem Antrag mit hinreichender Begründung nicht gefolgt.

49

Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens nachkommt. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Sachverständigengutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichend eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorliegen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerfG NVwZ 2009, 320, RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Das LSG hat in seiner Entscheidung dargelegt, warum es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat. Dabei spielt eine Rolle, dass zur Wirksamkeit von Immunglobulinen im (auch) hier betroffenen Zeitraum zahlreiche Entscheidungen des BSG ergangen sind, wie oben (unter 2. j.) näher dargelegt worden ist.

50

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt die unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit der Kläger zu 2. und 3. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Alphaglobin in den Quartalen I, II und IV/1999.

2

Der als Arzt für Nervenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger behandelte ua im Jahr 1999 die im Jahr 1971 geborene Patientin O., die an Multipler Sklerose (MS) litt. Die Patientin hatte 1996 ein erstes Kind geboren und bei ihr bestand der Wunsch nach einem zweiten Kind. Für die Zeit vor und nach der Empfängnis verordnete der Kläger in den drei streitbefangenen Quartalen insgesamt fünfmal das intravenös zu verabreichende Arzneimittel Alphaglobin, das später den Handelsnamen "Flebogamma 5 %" trug. Der Kläger hielt die Verordnung eines Immunglobulinpräparates für geboten, weil andere Arzneimittel zur Behandlung einer schubförmig verlaufenden MS im zeitlichen Zusammenhang mit Empfängnis und Geburt kontraindiziert seien.

3

Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse der Versicherten O. vom 14.11.2000 setzte der Prüfungsausschuss im Juli 2001 eine Schadensersatzverpflichtung des Klägers für die Kosten von Alphaglobin in Höhe von insgesamt ca 19 100 DM fest. Der Prüfungsausschuss begründete seine Entscheidung damit, Alphaglobin sei zur Behandlung der MS nicht zugelassen. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, auch die Voraussetzungen für einen indikationsüberschreitenden Einsatz seien nicht erfüllt. Es bestehe kein Konsens in der medizinischen Wissenschaft und bei den einschlägigen Fachgesellschaften hinsichtlich einer Empfehlung für eine prophylaktische Therapie mit Immunglobulinen für Patientinnen in der Zeit unmittelbar vor oder nach der Geburt eines Kindes.

4

Das SG hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Es hat diese Entscheidung damit begründet, die für die Behandlung der schubförmig verlaufenden MS zugelassenen Arzneimittel seien während der Schwangerschaft und der Stillzeit einer Mutter nicht risikolos einsetzbar gewesen. Zur Anwendung eines Immunglobulins habe es daher keine therapeutisch gleichwertige und nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeit gegeben.

5

Auf die Berufungen des beklagten Beschwerdeausschusses und der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat das LSG das sozialgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es hat unter Hinweis auf Entscheidungen des BSG zum Anspruch von an MS erkrankten Versicherten auf die Versorgung mit Immunglobulinen ausgeführt, der Nachweis einer hinreichenden Wirksamkeit von Alphaglobin zur Behandlung der MS sei nicht geführt. Das gehe nach den anzuwendenden Grundsätzen zur Verteilung der Beweislast bei Arzneikostenregressen wegen unzulässiger Verordnungen zu Lasten des Vertragsarztes. Auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden folge kein anderes Ergebnis (Urteil vom 22.4.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger in erster Linie, das LSG habe den Sachverhalt entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 103 Satz 1 SGG nicht hinreichend aufgeklärt. Entscheidungserheblich sei, ob die schubförmige MS durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werde und ob das ggf bereits im Jahre 1999 bekannt gewesen sei. Rechne die MS zu diesen Erkrankungen, so sei der Einsatz von Alphaglobin im Jahr 1999 von der arzneimittelrechtlichen Zulassung dieses Präparates gedeckt gewesen; die Voraussetzung eines Off-Label-Use hätten deshalb gar nicht erörtert werden müssen. Das LSG hätte sich nicht mit der Einholung einer Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts zufrieden geben dürfen, sondern hätte ein Sachverständigengutachten zur Zuordnung der MS zu den Erkrankungen, die durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werden, einholen müssen. Die Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit den von den Verfahrensbeteiligten eingereichten medizinischen Stellungnahmen sei unzureichend. Deshalb habe er - der Kläger - von Herrn Prof. B., Institut für Neuropathologie der Georg-August-Universität G. ein Gutachten eingeholt, das seine Auffassung bestätige. Nach diesem Gutachten könne davon ausgegangen werden, dass die schubförmig verlaufende MS eine sog Autoimmunerkrankung sei, die durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werde, und dass das auch schon 1999 so zu beurteilen gewesen sei. Das LSG hätte zumindest die Beteiligten darauf hinweisen müssen, dass es seine eigene Sachkunde für ausreichend halte, den Ursachenzusammenhang hinsichtlich der MS zu beurteilen.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22.4.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückzuverweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

10

Nach ihrer Ansicht hat das LSG weder seine Amtsermittlungspflicht missachtet noch den Beteiligten unzureichend rechtliches Gehör gewährt. Die Feststellung des LSG, dass die Entstehungsbedingungen für MS in der medizinischen Wissenschaft noch ungeklärt seien, könne durch die Aussagen einzelner Sachverständiger nicht widerlegt werden. Deshalb habe das LSG von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen und den Rechtsstreit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast entscheiden dürfen. Dass die Beweislast in diesem Fall den Kläger treffe, habe das LSG zutreffend dargelegt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Klage gegen den angefochtenen Regressbescheid des beklagten Beschwerdeausschusses zu Recht abgewiesen.

12

Auf der Grundlage des § 14 der im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltenden Prüfvereinbarung iVm § 106 Abs 2 SGB V war der Beklagte berechtigt, wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnet werden dürfen, einen Kostenregress gegen den verordnenden Arzt festzusetzen. Die Festsetzung eines derartigen Kostenregresses hat allein die Unzulässigkeit der umstrittenen Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung zur Voraussetzung und setzt kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Das hat das LSG eingehend dargelegt und wird von den Beteiligten in diesem Verfahren nicht in Frage gestellt. Im Übrigen stimmt der Senat den Ausführungen des LSG zu, wie sich aus den Urteilen vom 5.5.2010 in den Verfahren B 6 KA 6/09 R (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und B 6 KA 20/09 R ergibt.

13

1. Zu Recht gehen sowohl das LSG wie der Kläger davon aus, dass der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress rechtswidrig wäre, wenn feststünde, dass O. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 1999 einen Anspruch auf Versorgung mit Alphaglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrekten Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zu der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom GBA (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben.

14

Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten des Klägers. Die Versicherte O. konnte die Versorgung mit Alphaglobin zur Behandlung ihrer MS nicht beanspruchen. Das Medikament war für die Behandlung der MS nicht zugelassen, und die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use haben - auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 - nicht vorgelegen.

15

a. Das LSG hat zunächst dargelegt, dass der Kläger das verordnete Immunglobulin außerhalb der Zulassung nach § 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) verordnet hat. Für das Krankheitsbild der MS ist nach der Auslegung der für die Zulassung maßgeblichen Unterlagen sowie der Fachinformation für "Alphaglobin" dieses Medikament nicht zugelassen. Dass eine ausdrückliche Zulassung von Alphaglobin zur Behandlung der MS erfolgt sei, macht auch der Kläger nicht geltend. Er ist aber der Auffassung, die MS gehöre zu den im zweiten einleitenden Absatz der Fachinformationen für Alphaglobin erwähnten Krankheitsbildern, die durch einen immunologischen Pathomechanismus induziert sind. Darauf kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auf der Grundlage der Feststellungen des LSG jedoch nicht entscheidend an.

16

Das LSG hat unter Auswertung der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 6.4.2009 dargestellt, dass die Fachinformationen zu Alphaglobin einerseits konkrete Indikationen im Sinne von klar umschriebenen Krankheiten aufführen (zB Leukämie, AIDS bei Kindern) und andererseits eine offene Formulierung enthalten. Danach "wird Immunglobulin von Menschen auch bei verschiedenen Krankheitsbildern angewandt, die durch einen immunologischen Pathomechanismus (zB Alloantikörper und/oder Metoantikörper) induziert werden, wie zB bei autoimmunen Thrombozytopenie (ITP)". Soweit mit dieser sehr weiten Wendung eine arzneimittelrechtliche Zulassung auch für Indikationen eröffnet wird, die nicht als Beispielsfälle konkret genannt werden oder solchen ähnlich sind, setzt ein zulassungskonformer Einsatz des Mittels voraus, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass die zu behandelnde Erkrankung durch einen immunologischen Pathomechanismus als zentral wirkende Ursache induziert wird. Wenn insoweit die Meinung des einzelnen Arztes oder einzelner Wissenschaftler ausschlaggebend wären, könnte die arzneimittelrechtliche Zulassung ihre Funktion nicht erfüllen, nämlich Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels indikationsbezogen zu garantieren (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 20). Daher erfolgt eine Verordnung von Alphaglobin immer dann außerhalb der zugelassenen Indikation, wenn eine Krankheit behandelt werden soll, von der gerade nicht im Sinne eines Konsenses der Fachwelt feststeht, dass sie primär durch einen "immunologischen Pathomechanismus" ausgelöst wird. Dasselbe gilt, wenn auf einer konkreteren Stufe für eine bestimmte Erkrankung durch Studien keine positiven Wirkungen des Einsatzes des betroffenen Arzneimittels belegt ist. Wenn Studien keinen Beleg dafür liefern, dass eine schubförmig verlaufene MS durch die Gabe von Immunglobulinen positiv beeinflussbar ist, kann die sehr viel abstraktere Frage, ob Immunsystemstörungen ursächlich für MS sind oder sein können, offen bleiben. Kein Vertragsarzt ist unter Hinweis auf einen (möglichen oder sogar wahrscheinlichen) Zusammenhang zwischen Störungen des Immunsystems und MS berechtigt, Immunglobuline zur Behandlung der MS zu verordnen, wenn Studien belegen, dass insoweit keine Wirkungen auf den Verlauf der MS erzielt werden können. Die ohnehin problematische Einbindung der in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor ungeklärten Frage der Verursachung von MS in die Indikation eines Arzneimittels durch die Formulierung der Fachinformationen zu Alphaglobin hat keine praktische Bedeutung mehr, wenn die Wirkungen gerade dieses Arzneimittels erforscht sind und keine positiven Wirkungen für die Behandlung der MS belegt sind. Das ist hier der Fall.

17

b. Die Studienlage zur positiven Beeinflussbarkeit der schubförmig verlaufenden MS durch die Verabreichung von Immunglobulinen hat das LSG zutreffend ausgewertet. Soweit der Kläger geltend macht, die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen habe das Berufungsgericht unter Verletzung der ihm obliegenden Sachaufklärungsverpflichtung (§ 103 SGG)getroffen, kann dem nicht gefolgt werden.

18

Das beruht im Wesentlichen darauf, dass nach der Rechtsprechung des für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen 1. Senats des BSG Versicherte, die an MS erkrankt waren, in den Jahren 1999 bis 2002 keinen Anspruch auf Versorgung mit Immunglobulin hatten. Das hat dieser Senat in seinem grundlegenden Urteil zum Off-label-Use vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), das ebenfalls zu Immunglobulinen ergangen ist, näher dargelegt und mit einem Urteil vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) zur Versorgung mit einem intravenös zu verabreichenden Immunglobulin zur Behandlung einer MS in einer sekundär-chronischen Form mit Schüben bekräftigt. Mit Urteil vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16) hat der 1. Senat in einem Fall, der dem hier zu beurteilenden sehr ähnlich ist, entschieden, dass auch versicherte Mütter, die an einer schweren, jedoch nicht tödlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leiden, auch unter Berücksichtigung der Wertung des Art 6 Abs 4 GG während der Stillphase ihres Kindes keinen Anspruch auf Versorgung mit einem nicht zugelassenem Arzneimittel haben, wenn die bekannten Forschungsergebnisse eine arzneimittelrechtliche Erweiterung des Indikationsgebietes für das konkrete Arzneimittel nicht erwarten lassen. Diese Entscheidung ist zur Verordnung eines intravenös zu verabreichenden Immunglobulins bei einer Schwangeren mit MS in den Jahren 2002/2003 ergangen und hat sich mit den zu diesem Zeitpunkt sowie den in der Zeit bis zum Erlass des Urteils im Jahre 2008 publizierten Forschungsergebnissen eingehend befasst. Der 1. Senat des BSG ist abschließend zu dem Ergebnis gelangt, für die Anwendung von Immunglobulinen während der Schwangerschaft und danach zur Prophylaxe postportaler Schübe einer MS gebe es keinen Konsens in der medizinischen Wissenschaft. Diese Aussage beruht nach Auffassung des 1. Senats auch darauf, dass in der Vergangenheit gefährliche Nebenwirkungen der Therapie mit intravenös verabreichten Immunglobulinen auftraten und es keine hinreichenden Studien zu den Nebenwirkungen dieser Therapie, ua in der Stillzeit, gibt.

19

Eine weitere Sachaufklärung hat das LSG nicht vornehmen müssen. Die Anforderungen an die Sachaufklärung nach § 103 SGG bei Fragen der generellen Eignung und Wirksamkeit eines bestimmten Arzneimittels bzw des Zusammenhangs zwischen einer bestimmten Gesundheitsstörung und der Beeinflussbarkeit durch ein insoweit arzneimittelrechtlich nicht zugelassenes Arzneimittel einer bestimmten Wirkstoffgruppe können nicht abstrakt bestimmt werden, sondern hängen davon ab, welche Feststellungen dazu bzw zu vergleichbaren Konstellationen in der Vergangenheit getroffen worden sind. Da sich das BSG in drei Entscheidungen, davon in zwei Entscheidungen aus jüngerer bzw jüngster Zeit, eingehend mit der krankenversicherungsrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei MS und speziell auch des Anspruchs von an MS erkrankten Müttern oder Frauen mit Kinderwunsch auf Versorgung mit Immunglobulinen in der Phase kurz vor oder kurz nach der Geburt befasst hatte, hat sich das LSG auch auf die Ergebnisse dieser Entscheidungen und die darin ausgewerteten Informationen beziehen dürfen. Da das LSG im Sommer 2009 seinerseits eine aktuelle Stellungnahme des PEI eingeholt und ausgewertet hat, war gewährleistet, dass die Frage der generellen Eignung von Immunglobulinen zur Behandlung der MS in den Jahren 1999 bis 2001 umfassend geklärt war. Dass der Kläger nunmehr Stellungnahmen von Ärzten eingeholt und dem Senat zugänglich gemacht hat, die sich mit der Einordnung der MS als einer Autoimmunerkrankung befassen und diese Zuordnung sowohl gegenwärtig wie auch schon bezogen auf die Jahre 1999 und 2000 für richtig halten, ändert nichts daran, dass das LSG der konkret entscheidungserheblichen tatsächlichen Frage einer wissenschaftlich belegten Eignung von Immunglobulinen zur Behandlung der MS hinreichend und mit einem schlüssigen Ergebnis nachgegangen ist.

20

Deshalb hat das Berufungsgericht ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens ablehnen dürfen. Ob ein Gericht ein Gutachten oder ein weiteres Gutachten einholt, liegt in seinem Ermessen. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Gutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichende eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorlägen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerwG NVwZ 2009, 320 RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat angesichts der geschilderten Situation, insbesondere auch der im Sommer 2009 eingeholten Stellungnahme des PEI, nicht vorgelegen.

21

Im Hinblick auf den nicht belegten positiven Einfluss der Verabreichung eines Immunglobulin-Präparates auf den Verlauf der MS war die Verordnung von Polyglobin für die Versicherte O. auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Off-Label-Use gerechtfertigt. Das hat das LSG näher dargelegt und ist vom Kläger, wie ausgeführt, weder im Berufungs- noch im Revisionsverfahren durchgreifend in Frage gestellt worden. Im Übrigen hat sich der Senat zur Verordnung von Immunglobulinen im Jahr 1999 zur unterstützenden Behandlung von Krebsleiden unter dem Aspekt des Off-Label-Use und auch im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 15) in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - eingehend geäußert.

22

c. Ob der Kläger im Hinblick auf die auch in der Stellungnahme des PEI näher dargestellten abweichenden Stellungnahmen fachkundiger Ärzte im Jahr 1999 subjektiv davon überzeugt sein durfte, der Versicherten O. im zeitlichen Zusammenhang mit der Empfängnis und Geburt ihres zweiten Kindes durch die Verordnung von Alphaglobin zu helfen, ist nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hält dem Kläger nicht wie in einem Disziplinarverfahren die Verletzung vertragsärztlicher Pflichten, sondern die Verordnung eines Arzneimittels vor, das nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört hat. Das ist nach objektiv-rechtlichen Maßstäben zu klären, wie das LSG zutreffend erkannt hat.

23

3. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung ihrer Versicherten O. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat.

24

Weil der Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben hatte, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei der Versicherten O. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, war die Krankenkasse darauf verwiesen, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die Prüfvereinbarung im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557, 560) zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahre 1997 darauf hingewiesen, dass der Vertragsarzt bei von ihm als gerechtfertigt angesehenen Verordnungen außerhalb der Zulassungsindikation ein Privatrezept ausstellen darf. Das verstieß auch 1999 nicht gegen den Bundesmantelvertrag-Ärzte. Dessen § 29 Abs 1 Satz 2 enthält zwar das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen.

25

Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Kläger zu Beginn des Jahres 1999 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätte, kann offen bleiben. Der Kläger macht selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, einen Lohnkostenzuschuss (LKZ) in Höhe von 1032 Euro zurückzuzahlen.

2

Mit Vertrag vom 22.8.2003 stellte die Klägerin den am 18.9.1979 geborenen Arbeitslosen R. ab 1.12.2002 mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 2150 Euro unbefristet ein. Am 13.9.2002 beantragte sie bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (damals Bundesanstalt für Arbeit, ) die Gewährung eines LKZ für 24 Monate in Höhe von 40 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts nach den Richtlinien zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (Sofortprogramm-Richtlinien ).

3

           

Mit Bescheid vom 11.10.2002 bewilligte die Beklagte LKZ ab 1.12.2002 bis 30.11.2004 in Höhe von 1032 Euro monatlich. Unter "Bestandteil des Bewilligungsbescheides" (Nebenbestimmungen) war ua ausgeführt:
… 3) Der LKZ kann teilweise zurückgefordert werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis während der Förderzeit oder der Weiterbeschäftigungszeit beendet wird. Dies gilt nicht, wenn, … die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers hin erfolgt, ohne dass der Arbeitgeber den Grund hierfür vertreten hat.
Bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während der Förderzeit ist die Rückzahlung auf die Hälfte des gewährten Förderbetrages begrenzt. …

4

Am 25.9.2003 kündigte R. das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2003. Hiervon erfuhr die Beklagte erst am 10.2.2004 durch eine telefonische Mitteilung der Tochter des Vorstandsvorsitzenden der Klägerin. In Unkenntnis dieses Sachverhaltes hatte die Beklagte der Klägerin auch für den Monat Januar 2004 den LKZ in Höhe von 1032 Euro ausgezahlt. Daraufhin hob die Beklagte ihre Entscheidung über die Bewilligung von LKZ rückwirkend ab 1.1.2004 ganz auf und verlangte von der Klägerin Erstattung des für Januar 2004 gezahlten LKZ in Höhe von 1032 Euro. Sie stützte sich dabei auf § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sowie im Widerspruchsverfahren auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 50 SGB X, weil die Klägerin das Ausscheiden des Arbeitnehmers R. verspätet angezeigt habe (Bescheid vom 2.3.2004, Widerspruchsbescheid vom 9.6.2004).

5

Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 26.7.2007). Das SG hat ausgeführt, Rechtsgrundlage der Aufhebung sei § 48 Abs 1 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Danach habe die Beklagte die Leistungsbewilligung ab 1.1.2004 aufheben müssen, weil der Anspruch auf Förderung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2003 weggefallen sei und die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig ihrer nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) obliegenden Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei. Sie habe eine unverzügliche Mitteilung über das Ende des Arbeitsverhältnisses des R. zum 31.12.2003 unterlassen. Über diese Verpflichtung sei die Klägerin in den Erläuterungen bzw den Nebenbestimmungen zum Leistungsbescheid aufgeklärt worden, und es sei ihr auch ohne weiteres möglich gewesen, dieser Mitteilungspflicht zeitnah nachzukommen.

6

Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht die Leistungsbewilligung ab 1.1.2004 aufgehoben und den für den Monat Januar gezahlten LKZ zurückgefordert. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 47 SGB X gegeben seien. Denn jedenfalls könne der angefochtene Bescheid der Beklagten auf § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X gestützt werden. Insoweit werde auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertige keine andere Entscheidung. Das Kündigungsschreiben des R. vom 25.9.2003 sei der Beklagten erst am 10.2.2004 vorgelegt worden. Eine frühere Information über die ausgesprochene Kündigung sei nicht aktenkundig. Im Übrigen werde eine solche von der Klägerin auch nicht explizit behauptet. Die Klägerin habe selbst nur vorgetragen, "sie gehe davon aus", dass sie die Beklagte telefonisch rechtzeitig innerhalb der Vierwochenfrist informiert habe. Tatsächlich sei dies aber nicht erfolgt, sodass die Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X nachgewiesen habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei nicht zu prüfen, ob ggf eine höhere Förderung hätte ausgesprochen werden müssen, wenn sie von vornherein nur die Förderung für ein Jahr beantragt hätte. Zum einen sei dies nicht erfolgt, zum anderen sei der Bewilligungsbescheid vom 11.10.2002 bestandskräftig. Schließlich sei die Aufhebung und Rückforderung auch nicht in das Ermessen der Beklagten gestellt, sondern sei diese nach § 48 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III zur Aufhebung und Rückforderung der Leistung verpflichtet gewesen. Dies gelte ungeachtet dessen, dass der LKZ nicht auf Grund eines förmlichen Gesetzes erbracht worden sei, sondern Rechtsgrundlage der Bewilligung nur die SPR gewesen seien (Urteil vom 30.10.2008).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X und von § 47 Abs 2 SGB X. Sie macht ua geltend, sie habe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Beklagten rechtzeitig gemeldet. Diese habe ihr jedoch erst am 10.2.2004 das entsprechende Formular zur Änderungsmeldung zugesandt, das sie sofort ausgefüllt und bereits am 11.2.2004 per Telefax zurückgesandt habe. Die Beklagte habe insoweit bereits vorher Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehabt, denn anderenfalls sei nicht erklärlich, aus welchem Anlass diese ihr am 10.2.2004 das Formular zur schriftlichen Meldung der Kündigung zugesandt haben sollte. Es sei letztlich Sache der Beklagten, Notizen über erfolgte Telefongespräche anzufertigen, und wenn eine solche Notiz nicht mehr auffindbar sei, könne dies nicht zu ihren - der Klägerin - Lasten gehen. Auch die Voraussetzungen für einen Widerruf der Leistungsbewilligung seien nicht gegeben. Insoweit greife zu ihren Gunsten der Vertrauensschutz. Sie habe durch den Abschluss des Arbeitsvertrages mit R. zunächst erhebliche Aufwendungen erbracht (Führerscheinkosten, Einarbeitungskosten) und nicht unerhebliche Nachteile erlitten, da sie für die erste Zeit des Arbeitsverhältnisses für die Vergütung keine adäquate Gegenleistung erhalten habe. Sie habe deshalb den von der Beklagten gewährten LKZ für den Gesamtleistungszeitraum eingeplant, um die eingetretenen Nachteile der Anfangszeit auszugleichen. Im Übrigen sei der Widerruf auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht habe.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.10.2008 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 26.7.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.6.2004 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Soweit die Klägerin nunmehr behaupte, sie habe die Beklagte bereits vor dem 10.2.2004 über die Kündigung des Arbeitnehmers R. informiert, genüge ihr Vortrag schon nicht den Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge. Dies gelte auch, soweit die Klägerin die Feststellungen des LSG zum Vorliegen der groben Fahrlässigkeit angreifen wolle. Denn insoweit sei von der Klägerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das LSG den revisionsrechtlich überprüfbaren Entscheidungsspielraum bei der Feststellung der groben Fahrlässigkeit überschritten habe.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Zutreffend haben die Vorinstanzen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 2.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.6.2004 bestätigt.

12

1. Rechtsgrundlage für die - allein streitgegenständliche - Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 1.1.2004 und Rückforderung des für Januar 2004 überzahlten Betrages in Höhe von 1032 Euro ist § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III.

13

a) § 48 SGB X iVm § 330 SGB III ist anwendbar. Denn nach § 1 Abs 1 Satz 1 SGB X gelten die Vorschriften des ersten Kapitels unter Einschluss des § 48 SGB X auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit, die als mittelbare Verwaltungsaufgabe nach dem SGB anerkannt wird(vgl BSG, Urteil vom 21.10.1999 - B 11 AL 25/99 R - BSGE 85, 92, 93 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 68; Roos in v Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 1 RdNr 4). Die Zuweisung der die Lohnkostenzuschüsse betreffenden Verwaltungsaufgaben an die BA genügen, um sie als öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der BA anzuerkennen.

14

Die Beklagte kann ihre Zuständigkeit auf § 370 Abs 2 SGB III idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997, BGBl I 594, stützen (ab 1.1.2004: § 368 Abs 2 SGB III). Danach kann die Bundesregierung der Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Aufgaben übertragen, die im Zusammenhang mit deren Aufgaben nach diesem Buch stehen (Satz 1). Die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme kann sie der Bundesanstalt durch Verwaltungsvereinbarung übertragen (Satz 2). Eine solche Vereinbarung ist zwischen der Bundesregierung und der BA am 9.12.1998 geschlossen worden, nämlich die Verwaltungsvereinbarung über die Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit - Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung Jugendlicher - mitfinanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (vgl VVBA-SPR, vgl BArbBl 1999, Nr 1, 34 f). Danach übernimmt die BA die Umsetzung des Sofortprogramms (Art 1 VVBA-SPR). Die Förderung erfolgt im Rahmen des Sofortprogramms nach Maßgabe dieser Vereinbarung und der Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) "in der jeweils geltenden Fassung" (Art 2 Abs 1 Satz 1 VVBA-SPR).

15

Die SPR vom 9.12.1998 (BAnz 1998, Nr 244 vom 29.12.1998, S 17745 bis 17747) in der im Bewilligungszeitraum geltenden Fassung der Fünften Änderung vom 29.5.2002 (BAnz Nr 104, S 12569) sehen in Art 1 Abs 2 Nr 7 und speziell in Art 8 Lohnkostenzuschüsse zugunsten arbeitsloser Jugendlicher vor, die das 25. Lebensjahr zu Beginn der Leistung noch nicht vollendet haben. In Art 15 SPR finden sich Verfahrensvorschriften, wonach die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Leistungsantrag der BA bzw dem Direktor des örtlich zuständigen Arbeitsamtes zugewiesen ist (Abs 1 und 2). Diese Zuständigkeitszuweisung ist auch für die Rückgewähr erbrachter Leistungen maßgebend, denn in Art 15 Abs 5 SPR ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften des Ersten, Dritten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch Anwendung finden, soweit in diesen Richtlinien nichts Abweichendes geregelt ist.

16

Die SPR sehen für den streitgegenständlichen Fall der Aufhebung und Rückforderung des LKZ "nichts Abweichendes" iS einer den § 48 SGB X iVm § 330 SGB III ausschließenden Spezialregelung vor. Allerdings sind in Art 8 § 6 SPR(in der zum Zeitpunkt der Aufhebung und Rückforderung der Leistung geltenden, unveränderten Fassung von 1999) Sonderregelungen für die Rückforderung von LKZ enthalten. Danach kann der LKZ teilweise zurückgefordert werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis während der Förderzeit oder der Weiterbeschäftigungszeit beendet wird (Abs 1 Satz 1). Das gilt ua dann nicht, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers hin erfolgt, ohne dass der Arbeitgeber den Grund hierfür zu vertreten hat (Abs 1 Satz 2 Nr 2). Bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während der Förderzeit ist die Rückzahlung auf die Hälfte des gewährten Förderbetrages begrenzt, bei einer Beendigung während der Weiterbeschäftigungszeit ergibt sich der Rückzahlungsbetrag aus der Multiplikation der Monate, die zur vollen Weiterbeschäftigungszeit fehlen, mit dem zuletzt gezahlten monatlichen LKZ (Abs 2). Aus dieser Vorschrift ergibt sich indessen nicht, was zu geschehen hat, wenn der LKZ über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus gezahlt wird. Seinem Sinn und Zweck nach regelt Art 8 § 6 SPR jedoch ausschließlich die Rückforderung von Förderbeträgen, die für die Zeit vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erbracht worden sind. Denn nur für diese Fälle ist es gerechtfertigt, je nach Ausmaß der Zweckverfehlung der erbrachten Förderleistung abweichend von den §§ 45 ff SGB X von einer Rückzahlung ganz oder anteilig abzusehen. In diesem Sinne haben die in Angelegenheiten der Arbeitsförderung zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) vergleichbaren Vorschriften über die Rückzahlung von Zuschüssen (zB § 223 Abs 2 SGB III idF des AFRG, später § 221 Abs 2 SGB III) Sondernormcharakter nur beigemessen, soweit die Rückforderung allein auf der Nichteinhaltung der Beschäftigungspflicht in der Förderungs- und Nachförderungszeit beruhte (vgl BSGE 89, 192 = SozR 3-4300 § 422 Nr 2; BSG, Urteil vom 21.3.2002 - B 7 AL 68/01 R; BSG, Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 132/01 R; BSG, Urteil vom 19.9.2002 - B 11 AL 73/01 R; BSG SozR 4-4300 § 268 Nr 1; BSG SozR 4-4300 § 223 Nr 1). Für Art 8 § 6 SPR kann dementsprechend nichts anderes gelten. Für Überzahlungsfälle der vorliegenden Art bleibt es deshalb bei der allgemeinen Vorschrift des § 48 SGB X.

17

b) Die danach einschlägige Vorschrift des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

18

Dem LSG ist darin zuzustimmen, dass es sich bei der Bewilligung des LKZ um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelte. Denn es wurde durch die Bewilligung des LKZ ein auf Dauer (vom 1.12.2002 bis 30.11.2004) angelegtes Rechtsverhältnis begründet (vgl dazu näher Schütze in v Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 45 RdNr 63; § 48 RdNr 3).

19

Das LSG hat auch zu Recht - unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG - den Standpunkt vertreten, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen hatten, dadurch eingetreten ist, dass das Arbeitsverhältnis des Beschäftigten R., für den der LKZ geleistet worden ist (vgl Art 8 § 3 Abs 1 SPR), am 31.12.2003 endete. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 21.10.1999 (B 11 AL 25/99 R - BSGE 85, 92, 95 = SozR 3-1300 § 48 Nr 68) ausgeführt hat, ist eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistungen rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse; wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich nach dem für die Leistung maßgeblichen materiellen Recht (BSG, aaO, mwN). Der Prüfmaßstab hängt deshalb hier davon ab, ob den SPR Rechtsnormqualität zugebilligt werden kann oder wegen der bloß internen Wirkung als Verwaltungsvorschriften maßgeblich allein die Verwaltungspraxis der BA als Beurteilungsgrundlage zur Verfügung steht.

20

c) Den vertraglichen Regelungen der VVBA-SPR und den hierzu ergangenen Richtlinien kommt Rechtsnormqualität zu. Sie stehen in ihrer generell-abstrakten Bedeutung Normen gleich. Die SPR sind keine isoliert zu wertenden Verwaltungsvorschriften, sondern - wie oben dargestellt - Bestandteil der VVBA-SPR, die ihrerseits einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu Gunsten Dritter iS des nach § 61 Satz 2 SGB X anwendbaren § 328 Bürgerliches Gesetzbuch darstellt.

21

Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 7. Senats in den Entscheidungen vom 24.11.1994 - 7 RAr 54/93 - und 5.9.2006 - B 7a AL 62/05 R - an. Hiernach sind die zur Durchführung des Sonderprogramms "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose" erlassenen Beschäftigungshilfe-Richtlinien bzw die "Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes" (ESF-Richtlinien) keine rechtlich isoliert zu wertenden Verwaltungsvorschriften (so aber Bartz in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 421c RdNr 6, 14), sondern Bestandteile eines öffentlich-rechtlichen Vertrages iS von § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X(offengelassen in BSG, Urteil vom 26.3.1998 - BSG SozR 3-4100 § 3 Nr 2 S 10). Dies gilt auch für die im vorliegenden Fall einschlägigen SPR. Der erkennende Senat hält in diesem Zusammenhang nicht an seiner im Urteil vom 26.3.1998 (aaO) zu den Beschäftigungshilfe-Richtlinien geäußerten Auffassung fest, dass die Rechtsnormqualität für den Fall der zeitlichen Verlängerung des Arbeitsmarktprogramms davon abhängt, dass eine erneute Verwaltungsvereinbarung getroffen wird. Wie hier veröffentlichte Richtlinien sind daher nicht nur im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung über Art 3 Abs 1 Grundgesetz anzuwenden und es ist auch nicht etwa mangels gesetzlicher bzw normativer Grundlagen bei der Anwendung des § 48 SGB X durchweg Ermessen auszuüben(zum Sonderfall der unveröffentlichten "Richtlinien für die Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer" vgl BSGE 85, 92, 96 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 68 S 163 mit ablehnender Anmerkung Hase, AuB 2000, 91).

22

Die in diesem Zusammenhang herangezogene, frühere Vorschrift des § 3 Abs 5 Arbeitsförderungsgesetz, wonach die Bundesregierung der Bundesanstalt durch Rechtsverordnung weitere Aufgaben übertragen kann, die im Zusammenhang mit ihren Aufgaben nach diesem Gesetz stehen (1. Halbs) und ferner (2. Halbs) die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme der Bundesanstalt auch durch Verwaltungsvereinbarung übertragen kann, entspricht zwar weitgehend dem hier einschlägigen § 370 Abs 2 SGB III idF des AFRG. Doch der Zweck der gesetzlichen Regelung und der Verwaltungsvereinbarung erschöpft sich entgegen der bisher vom Senat vertretenen Rechtsauffassung nicht allein in der Begründung einer Verwaltungskompetenz. Die Verwaltungsvereinbarung selbst räumt vielmehr in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages einem über die Richtlinien bestimmbaren Dritten einen Anspruch auf Entscheidung (durch Verwaltungsakt) nach Maßgabe der Richtlinien ein, welche ihrerseits - wie sich aus Art 2 Abs 1 Satz 1 VVBA-SPR ergibt - Bestandteil der Verwaltungsvereinbarung sind und damit die in der gesetzlichen Ermächtigung des § 370 Abs 2 Satz 2 SGB III angesprochene Verantwortung der Bundesregierung auch insoweit begründen(vgl Becker in Eicher/Schlegel, SGB III, § 368 RdNr 40, Stand August 2004; aA Ebsen in Gagel, SGB III, § 370 RdNr 12 f, Stand Juli 1999, der eine direkte Anwendbarkeit der §§ 53 ff SGB X verneint). Die in der Literatur (ua Becker in Eicher/Schlegel, SGB III, § 368 RdNr 46, Stand Oktober 2006) angesprochene Frage, ob eine wiederholte Fortsetzung von Arbeitsmarktprogrammen ermächtigungskonform und von § 370 Abs 2 Satz 2 SGB III idF des ARFG(jetzt § 368 Abs 2 Satz 2 SGB III) gedeckt ist oder nicht, kann auf sich beruhen. Denn selbst bei Rechtswidrigkeit wäre dies zwar für die Leistungsbewilligung von Bedeutung, für eine Leistungsaufhebung nach § 48 SGB X aber irrelevant(zur mangelnden Relevanz der Rechtswidrigkeit einer Bewilligungsentscheidung im Rahmen des § 48 SGB X vgl auch BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 mwN).

23

Die Regelungen in den Richtlinien, insbesondere die hier einschlägigen Bestimmungen des Art 8 § 3 SPR (Leistungen), gelten also nicht nur verwaltungsintern, sondern unmittelbar im Außenverhältnis zur Klägerin. Der Wegfall des dort vorausgesetzten Arbeitsverhältnisses führt somit ohne weiteres zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse.

24

d) Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verletzung der Mitteilungspflicht durch die Klägerin nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X liegen vor. Denn die Klägerin hat es grob fahrlässig versäumt, ihrer durch Rechtsvorschrift, nämlich § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB I, vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen nachzukommen. Diese Verfahrensvorschrift ist auf Grund der Verweisungsvorschrift in Art 15 Abs 5 SPR im Verhältnis zur Klägerin ebenfalls unmittelbar anwendbar. Eine korrespondierende Mitteilungspflicht ist außerdem in Art 8 § 5 Satz 3 SPR vorgeschrieben und findet sich darüber hinaus unter Nr 1.2 in den Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid.

25

Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat die Klägerin die Beklagte erst am 10.2.2004, also nicht rechtzeitig über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch R. zum 31.12.2003 informiert. Soweit die Klägerin in der Revisionsbegründung die Feststellungen des LSG angreift, liegt hierin keine zulässige Verfahrensrüge. Eine solche kann sich wegen der Bindung des BSG an die tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht lediglich im Vortrag anderer Tatsachen als den vom LSG festgestellten erschöpfen (vgl etwa BSGE 89, 250, 252 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24 mwN). Die Revision trägt substantiiert weder vor, dass die Feststellungen des LSG die Grenze der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschreiten noch, dass sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen.

26

Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das LSG die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X bejaht hat. Das BSG hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nur in engen Grenzen revisionsrechtlich nachprüfbar ist (vgl ua BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 14). Die Entscheidung des LSG hat den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht verkannt; sie ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit hat das LSG einen subjektiven Maßstab angelegt (vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 45; BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 14 sowie BSG SozR 4-4300 § 118 Nr 3 RdNr 23). Insbesondere begegnet es entgegen dem Revisionsvorbringen der Klägerin keinen Bedenken, dass das LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 128 SGG) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X als durch die Beklagte nachgewiesen erachtet und sich deshalb die Frage der Beweislastverteilung nicht gestellt hat.

27

e) Die Beklagte hatte bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung und Rückforderung der Leistung auch kein Ermessen auszuüben (ebenso im Ergebnis LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.8.2003 - L 12 AL 188/02). Das ergibt sich aus dem gleichfalls nach Art 15 Abs 5 SPR anwendbaren § 330 Abs 3 SGB III, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, hier rückwirkend ab Januar 2004, aufzuheben "ist". Auf die in der Revision angesprochenen Gesichtspunkte des Vertrauens- und Bestandsschutzes sowie getätigter Dispositionen kommt es danach nicht an. Die Ermessensvorschrift des Art 8 § 6 Abs 1 Satz 1 SPR und die damit im Wortlaut übereinstimmende Nr 3 der Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid erfassen - wie dargestellt - allein zweckverfehlte Zuschüsse vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht schlichte Überzahlungsfälle der vorliegenden Art.

28

f) Liegen danach bereits die Voraussetzungen einer Rücknahmeentscheidung nach § 48 SGB X vor, kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 11.10.2002 beigefügten Nebenbestimmungen unmittelbar den gesetzlichen Leistungstatbestand betrafen und damit - wie vom LSG bereits ausgeführt - letztlich Inhaltsbestimmungen der Hauptregelung waren. Der Konstruktion eines auf die Verletzung einer Nebenbestimmung gestützten Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 oder Nr 2 SGB X bedarf es insoweit nicht(vgl Schütze in v Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 47 RdNr 2; Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB X, § 47 RdNr 2, 3, Stand November 2004).

29

g) Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der überzahlten Leistung in Höhe von 1032 Euro folgt aus § 50 Abs 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass der Rückforderungsanspruch der Beklagten der Höhe nach falsch berechnet sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Betrag von 1032 Euro entspricht dem LKZ für Januar 2004 in der im Bewilligungsbescheid vom 11.10.2002 festgesetzten Höhe von 1032 Euro.

30

           

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Arbeitgeber ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Streitigkeiten über Zuschüsse Leistungsempfänger iS des § 183 SGG(vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 2).

        

(1) Wer

1.
Arzneimittel,
2.
(weggefallen)
3.
Wirkstoffe, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind oder die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, oder
4.
andere zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe menschlicher Herkunft
gewerbs- oder berufsmäßig herstellt, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. Das Gleiche gilt für juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die Arzneimittel zum Zwecke der Abgabe an ihre Mitglieder herstellen. Satz 1 findet auf eine Prüfung, auf deren Grundlage die Freigabe des Arzneimittels für das Inverkehrbringen erklärt wird, entsprechende Anwendung. § 14 Absatz 4 bleibt unberührt.

(1a) Absatz 1 findet keine Anwendung auf

1.
Gewebe im Sinne von § 1a Nummer 4 des Transplantationsgesetzes, für die es einer Erlaubnis nach § 20b oder § 20c bedarf,
2.
die Gewinnung und die Laboruntersuchung von autologem Blut zur Herstellung von biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukten, für die es einer Erlaubnis nach § 20b bedarf,
3.
Gewebezubereitungen, für die es einer Erlaubnis nach § 20c bedarf,
4.
die Rekonstitution, soweit es sich nicht um Arzneimittel handelt, die zur klinischen Prüfung außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bestimmt sind.

(2) Einer Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf nicht

1.
der Inhaber einer Apotheke für die Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs, oder für die Rekonstitution oder das Abpacken einschließlich der Kennzeichnung von Arzneimitteln, die zur klinischen Prüfung außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bestimmt sind, sofern dies dem Prüfplan entspricht,
2.
der Träger eines Krankenhauses, soweit er nach dem Gesetz über das Apothekenwesen Arzneimittel abgeben darf, oder für die Rekonstitution oder das Abpacken einschließlich der Kennzeichnung von Arzneimitteln, die zur klinischen Prüfung außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bestimmt sind, sofern dies dem Prüfplan entspricht,
2a.
die Apotheke für die in Artikel 61 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genannten Tätigkeiten,
3.
(weggefallen)
4.
der Großhändler für
a)
das Umfüllen von flüssigem Sauerstoff in mobile Kleinbehältnisse für einzelne Patienten in Krankenhäusern oder bei Ärzten einschließlich der erforderlichen Kennzeichnung,
b)
das Umfüllen, Abpacken oder Kennzeichnen von sonstigen Arzneimitteln in unveränderter Form, soweit es sich nicht um Packungen handelt, die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sind,
5.
der Einzelhändler, der die Sachkenntnis nach § 50 besitzt, für das Umfüllen, Abpacken oder Kennzeichnen von Arzneimitteln zur Abgabe in unveränderter Form unmittelbar an den Verbraucher,
6.
der Hersteller von Wirkstoffen, die für die Herstellung von Arzneimitteln bestimmt sind, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt werden.

(2a) Die Ausnahmen nach Absatz 2 Nummer 1, 2 und 4 bis 6 gelten nicht für die Herstellung von Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Sera, Impfstoffen, Allergenen, Arzneimitteln für neuartige Therapien, xenogenen und radioaktiven Arzneimitteln. Satz 1 findet keine Anwendung auf die in Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 genannten Einrichtungen, soweit es sich um

1.
das patientenindividuelle Umfüllen in unveränderter Form, das Abpacken oder Kennzeichnen von im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Sera nicht menschlichen oder tierischen Ursprungs oder
2.
die Rekonstitution oder das Umfüllen, das Abpacken oder Kennzeichnen von Arzneimitteln, die zur klinischen Prüfung außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bestimmt sind, sofern dies dem Prüfplan entspricht, oder
3.
die Herstellung von Testallergenen
handelt. Tätigkeiten nach Satz 2 Nummer 1 und 3 sind der zuständigen Behörde anzuzeigen.

(2b) Einer Erlaubnis nach Absatz 1 bedarf ferner nicht eine Person, die Arzt oder Zahnarzt ist oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist, soweit die Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren fachlichen Verantwortung zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden. Satz 1 findet keine Anwendung auf

1.
Arzneimittel für neuartige Therapien und xenogene Arzneimittel,
2.
Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind, soweit es sich nicht nur um eine Rekonstitution handelt, sowie
3.
Arzneimittel, die der Verschreibungspflicht nach § 48 unterliegen, sofern die Herstellung nach Satz 1 durch eine Person erfolgt, die nicht Arzt oder Zahnarzt ist.

(2c) (weggefallen)

(3) Eine nach Absatz 1 für das Umfüllen von verflüssigten medizinischen Gasen in das Lieferbehältnis eines Tankfahrzeuges erteilte Erlaubnis umfasst auch das Umfüllen der verflüssigten medizinischen Gase in unveränderter Form aus dem Lieferbehältnis eines Tankfahrzeuges in Behältnisse, die bei einem Krankenhaus oder anderen Verbrauchern aufgestellt sind.

(4) Die Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem die Betriebsstätte liegt oder liegen soll. Bei Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Sera, Impfstoffen, Allergenen, Arzneimitteln für neuartige Therapien, xenogenen Arzneimitteln, gentechnisch hergestellten Arzneimitteln sowie Wirkstoffen und anderen zur Arzneimittelherstellung bestimmten Stoffen, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind oder die auf gentechnischem Wege hergestellt werden, ergeht die Entscheidung über die Erlaubnis im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde.

(5) Die Erlaubnis zur Herstellung von Prüf- oder Hilfspräparaten im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 5 und 8 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 wird von der zuständigen Behörde nach Maßgabe des Artikels 61 Absatz 1 bis 3 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 erteilt. Für die Erteilung der Erlaubnis finden die §§ 16, 17 und 64 Absatz 3a Satz 2 entsprechende Anwendung.

(6) Der Inhaber der Erlaubnis nach Absatz 5 ist verpflichtet, der sachkundigen Person nach § 14 Absatz 1 Nummer 1 und § 15 die Erfüllung ihrer Aufgabe zu ermöglichen und ihr insbesondere alle erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.

(1) Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dürfen Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an

1.
andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler,
2.
Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um
a)
aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen mit Ausnahme von Gerinnungsfaktorenzubereitungen,
b)
Gewebezubereitungen oder tierisches Gewebe,
c)
Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml, die zum Ersatz oder zur Korrektur von Körperflüssigkeit bestimmt sind, sowie Lösungen zur Hämodialyse und Peritonealdialyse, die, soweit es sich um Lösungen zur Peritonealdialyse handelt, auf Verschreibung des nephrologisch qualifizierten Arztes im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung seiner Dialysepatienten an diese abgegeben werden dürfen,
d)
Zubereitungen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
e)
medizinische Gase, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist,
f)
radioaktive Arzneimittel,
g)
Arzneimittel, die mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" versehen sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
h)
Blutegel und Fliegenlarven, bei denen auch die Abgabe an Heilpraktiker zulässig ist, oder
i)
Arzneimittel, die im Falle des § 21 Absatz 2 Nummer 3 zur Verfügung gestellt werden,
3.
Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte, soweit es sich um Impfstoffe handelt, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden oder soweit eine Abgabe von Impfstoffen zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich ist,
3a.
spezielle Gelbfieber-Impfstellen gemäß § 7 des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), soweit es sich um Gelbfieberimpfstoff handelt,
3b.
Krankenhäuser und Gesundheitsämter, soweit es sich um Arzneimittel mit antibakterieller oder antiviraler Wirkung handelt, die dazu bestimmt sind, auf Grund des § 20 Abs. 5, 6 oder 7 des Infektionsschutzgesetzes zur spezifischen Prophylaxe gegen übertragbare Krankheiten angewendet zu werden,
3c.
Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen im Einzelfall benannte Stellen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für den Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, bevorratet werden,
4.
Veterinärbehörden, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen bestimmt sind,
5.
auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete oder im Benehmen mit dem Bundesministerium von der zuständigen Behörde anerkannte zentrale Beschaffungsstellen für Arzneimittel,
5a.
durch Landesrecht bestimmte Betreiber der Luftrettung, soweit es sich um aus menschlichem Blut gewonnene Erythrozytenkonzentrate handelt,
6.
Tierärzte im Rahmen des Betriebes einer tierärztlichen Hausapotheke, soweit es sich um Fertigarzneimittel handelt, zur Anwendung an den von ihnen behandelten Tieren und zur Abgabe an deren Halter,
7.
zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Personen, soweit es sich um Fertigarzneimittel, die ausschließlich in der Zahnheilkunde verwendet und bei der Behandlung am Patienten angewendet werden, oder um medizinische Gase handelt,
8.
Einrichtungen von Forschung und Wissenschaft, denen eine Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes erteilt worden ist, die zum Erwerb des betreffenden Arzneimittels berechtigt,
9.
Hochschulen, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung der Studierenden der Pharmazie und der Veterinärmedizin benötigt werden,
10.
staatlich anerkannte Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die für die Ausbildung benötigt werden.

(2) Die in Absatz 1 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Empfänger dürfen die Arzneimittel nur für den eigenen Bedarf im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben beziehen. Die in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten zentralen Beschaffungsstellen dürfen nur anerkannt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sie unter fachlicher Leitung eines Apothekers stehen und geeignete Räume und Einrichtungen zur Prüfung, Kontrolle und Lagerung der Arzneimittel vorhanden sind.

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

1.
Ärzte oder Zahnärzte,
2.
andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde beim Menschen berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,
3.
Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe.
Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die humanmedizinischen Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen
1.
im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder
2.
die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,
enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Polyglobin in den Quartalen I und III/2000.

2

Die Klägerin zu 1. ist eine zwischen dem 1.7.2000 und dem 31.12.2004 bestehende Gemeinschaftspraxis, der der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. angehörten. Der Kläger zu 2. nimmt seit Jahren als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zum 1.7.2000 schloss er sich mit der Klägerin zu 3., einer Internistin, zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Der Kläger zu 2. (Quartal I/2000) und die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis (Quartal III/2000) verordneten zugunsten des M., der bei der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse versichert war, in 12 Fällen das Arzneimittel Polyglobin 5 % bzw 10 %. Der Versicherte litt an einem "embryonalem Hodenkarzinom mit Lungenmetastasierung".

3

Wegen dieser Verordnungen beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. bei den Prüfgremien die Feststellung eines sonstigen Schadens. Der Prüfungsausschuss setzte nach Anhörung der Kläger wegen der Verordnung von Polyglobin einen Regress gegen die Kläger zu 2. und 3. in Höhe von 17 821 Euro fest. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Kläger zu 2. und 3. mit der Begründung zurück, Polyglobin sei nicht im Rahmen seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet worden.

4

Das SG hat die von den Klägern zu 2. und 3. gegen diese Entscheidung des Beklagten erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, Polyglobin sei zur Behandlung eines Karzinomleidens außerhalb der Zulassung eingesetzt worden, und die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Die Wirksamkeit von Polyglobin zur Behandlung auch eines metastasierenden Karzinomleidens sei nicht belegt.

5

Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger zu 2. geltend gemacht, der Einsatz von Polyglobin zur Behandlung des Versicherten M. sei medizinisch gerechtfertigt. Die Klägerin zu 3. hat vorgetragen, im Quartal I/2000 sei sie noch nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis gewesen, weshalb sie für Verordnungen aus diesem Quartal nicht in Regress genommen werden dürfe.

6

Das LSG hat zunächst durch eine Änderung des Rubrums klargestellt, dass die Klageerhebung durch die nunmehr als Klägerin zu 1. rubrizierende Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Es hat die Berufungen (nur) der Klägerin zu 2. und zu 3. gegen das sozialgerichtliche Urteil für zulässig gehalten, weil jeder Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft berechtigt sei, Forderungen der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Das LSG hat sodann das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit dieser die Regressfestsetzung für Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betrifft. Die Regressfestsetzung sei nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung des Beklagten gegen "die" Gemeinschaftspraxis gerichtet, die im Quartal I/2000 aber noch nicht bestanden habe. Allein aus diesem Grunde sei der Bescheid insoweit rechtswidrig. Hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal III/2000 hat es die Berufungen der Kläger zu 2. und zu 3. zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen (Urteil vom 18.3.2009).

7

Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 2., der vom Berufungsgericht herangezogene § 14 Abs 1 der Prüfvereinbarung (PV) ergebe schon generell keine tragfähige Grundlage für einen Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel. Die PV regele lediglich Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Regresse wegen schuldhafter Verursachung eines "sonstigen Schadens". Der in der Rechtsprechung des BSG zugelassene Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Mittel hätte in der PV zwar geregelt werden können, sei dort tatsächlich aber nicht geregelt worden. Zudem habe ein fristgerechter Antrag nach § 14 Abs 1 PV für das Quartal III/2000 nicht vorgelegen. Das LSG habe zu Unrecht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG angenommen, soweit in der maßgeblichen Berliner PV ein Antragserfordernis normiert sei, stehe das mit höherrangigem Recht nicht in Einklang. Auch dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgegangen sei, die Frist zur Stellung des Prüfantrags beginne erst zu laufen, wenn den Krankenkassen die arztbezogen sortierten Rezepte abschließend vorgelegen hätten. Die Notwendigkeit eines fristgerechten Antrags der betroffenen Krankenkasse diene auch dem Schutz der von den Regressfestsetzung potenziell betroffenen Ärzte.

8

Die Verordnung von Polyglobin sei zur Behandlung des Hodenkarzinoms bei dem Versicherten M. notwendig gewesen. Zwar sei der Einsatz von Polyglobin nicht unmittelbar zur Heilung der Tumorerkrankung bzw zur Linderung der damit verbundenen Beschwerden erfolgt, doch habe der Versicherte als Folge der Chemotherapie unter einer Antikörperstörung gelitten, die dringend habe behandelt werden müssen. Der Einsatz von Polyglobin habe die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Chemotherapie schaffen sollen, und seine Rechtmäßigkeit müsse deshalb aus medizinischen Gründen nach denselben Maßstäben beurteilt werden wie die Verordnung von Arzneimitteln zur kausalen Krebstherapie. Jedenfalls habe er - der Kläger - darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG auch der die Indikationsgrenzen überschreitende Einsatz generell zugelassener Arzneimittel (Off-Label-Use) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zulässig gewesen sei. Das habe der 1. Senat des BSG im Juli 1995 zum Einsatz des Codeinpräparates Remedacen zur Drogensubstitution entschieden, und der 8. Senat des BSG, der mit dieser Rechtsprechung nicht einverstanden gewesen sei, habe im Jahr 1999 für die Zeit bis zur Verkündung seiner Entscheidung den Versicherten Vertrauensschutz zugebilligt. Auf diesen Vertrauensschutz könne er - der Kläger - sich hier auch berufen. Soweit der 6. Senat des BSG am 31.5.2006 entschieden habe, Vertrauensschutzaspekte spielten insoweit keine Rolle, weil Vertragsärzte, die Arzneimittel außerhalb der Zulassungsindikationen einsetzen wollten, gehalten seien, ein Privatrezept auszustellen und die Versicherten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Krankenkasse zu unterstützen, sei das auf die hier maßgebliche Rechtslage des Jahres 1999 nicht übertragbar. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) die Genehmigung von Verordnungen durch eine Krankenkasse unzulässig gewesen. In Verbindung mit dem Remedacen-Urteil des 1. Senats des BSG habe sich daraus die Berechtigung von Vertragsärzten ergeben, den Off-Label-Use im regulären Verfahren durch Ausstellen vertragsärztlicher Verordnungen zu praktizieren.

9

Schließlich hätte das LSG dem in der mündlichen Verhandlung vom 18.3.2009 unter Bezugnahme auf den Schriftsatz zur Berufungsbegründung ausdrücklich aufrecht erhaltenen Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen und zur Anwendung von Polyglobin ein entsprechendes Gutachten einholen müssen. Das habe es unter Verletzung des § 103 Satz 1 SGG fehlerhafterweise unterlassen.

10

Der Kläger zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009 abzuändern und die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen sowie die Revision des Klägers zu 2. zurückzuweisen.

12

Sie rügt vor allem die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig, soweit er Verordnungen aus dem Quartal I/2000 betreffe. Der Beklagte habe nicht hinreichend beachtet, dass in diesem Quartal die Gemeinschaftspraxis noch nicht bestanden habe. Deshalb könne sich der Bescheid nur gegen den Kläger zu 2. richten, der die betroffenen Verordnungen ausgestellt habe. Nicht die Gemeinschaftspraxis, sondern die Kläger zu 2. und 3. seien im sozialgerichtlichen Verfahren als (einzige) Kläger aufgetreten. Damit sei immer klar gewesen, dass auch die Verordnungen des Klägers zu 2. betroffen gewesen seien.

13

Die Klägerin zu 3. schließt sich der Revision der Beigeladenen zu 2. an und beantragt,

1. die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen,

2. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben,

3. hilfsweise das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14.6.2006 und den Bescheid des Beklagten vom 25.3.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch vom 21.11.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden,

4. weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2009, soweit die Klage dort abgewiesen wurde, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

14

Sie verweist auf den Umstand, dass sie im Quartal I/2000 der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis nicht angehörte, und nimmt in der Sache auf die Ausführungen des Klägers zu 2. Bezug.

15

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

16

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat Erfolg. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil sowie den angefochtenen Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses hinsichtlich der Verordnungen aus dem Quartal I/2000 zu Unrecht aufgehoben (1.). Dagegen haben die Revisionen des zu 2. klagenden Arztes und der zu 3. klagenden Ärztin in der Sache keinen Erfolg (2.). Auch die Verfahrensrüge des Klägers zu 2. ist nicht begründet (3.).

18

1. Das LSG hat angenommen, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei hinsichtlich der aus dem Quartal I/2000 stammenden Verordnungen schon deshalb rechtswidrig, weil dieser Bescheid sich gegen eine Gemeinschaftspraxis - bestehend aus den Klägern zu 2. und 3. - richte, die im Quartal I/2000 nicht bestanden habe. Regressbescheide, die sich gegen eine Gemeinschaftspraxis richten, die zu dem Zeitpunkt, in dem die beanstandeten Verordnungen vorgenommen wurden, nicht bestand, sind rechtswidrig. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vertragsarztrechtlich gebotenen Unterscheidung von Gemeinschaftspraxis und Einzelpraxis stehen mit Bundesrecht im Einklang. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht jedoch insoweit, als es - zumindest inzident - ausgeschlossen hat, dass sich der Bescheid des Beklagten für das Quartal I/2000 (auch) gegen den Kläger zu 2. richtete.

19

a. Der Antrag der BKK Berlin (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2.) vom 22.5.2001 nennt als Betreff "Gemeinschaftspraxis Dres. med. Kindler und Dietzmann" und verweist zunächst auf die Arztnummer 7290241, die dem Kläger zu 2. zugeordnet war, und - später - auf die Arztnummer 7280821, die der Gemeinschaftspraxis, bestehend aus den Klägern zu 2. und 3., zugeordnet war. Die Fassung des Antrags rührt daher, dass der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. im Mai 2001 nicht bewusst war, dass ein Teil der Verordnungen auf einen Zeitraum entfiel, in dem sich hinter der Abrechnungsnummer 7290241 nur die Einzelpraxis des Klägers zu 2. und noch nicht die zu 1. klagende Gemeinschaftspraxis verbarg.

20

Dieser Umstand fiel, offenbar weil hier kein quartalsweise festzusetzender Regress wegen unwirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens, sondern ein Regress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen zu Gunsten eines einzelnen Patienten über mehrere Quartale hinweg betroffen war (zu den damit verbundenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen näher Senatsurteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R -; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), auch weder der antragstellenden Krankenkasse noch dem Prüfungsausschuss bzw dem beklagten Beschwerdeausschuss auf. In dessen Entscheidung vom 25.3.2003 wird im Rubrum die "Gemeinschaftspraxis" als Widerspruchsführer geführt.

21

Im Klageverfahren sind dagegen - ohne Beanstandung durch das Sozialgericht - lediglich die Kläger zu 2. und 3. als Kläger aufgetreten und durch die jetzigen Bevollmächtigten des Klägers zu 2. vertreten worden. Die Vollmacht vom 27.11.2001 ist von den Klägern zu 2. und 3. unterschrieben und in Sachen dieser beiden Kläger ausgestellt worden. Bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens haben die Bevollmächtigten nicht auf den Umstand hingewiesen, dass die Gemeinschaftspraxis im Quartal I/2000 noch nicht bestand. Noch im Termin der mündlichen Verhandlung am 14.6.2006, also fast 1 1/2 Jahre nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis, ist Rechtsanwalt Dr. S. für beide Kläger aufgetreten, ohne darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 2. im Quartal I/2000 noch in Einzelpraxis tätig war.

22

Erst im Berufungsverfahren sind die Kläger zu 2. und 3. getrennt aufgetreten; der Kläger zu 2. ist durch die bisherigen Bevollmächtigten beider Kläger und die Klägerin zu 3. durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertreten worden. Die Klägerin zu 3. hat erstmals mit ihrer Berufung vom 30.8.2006 erläutert, dass sie ihre Tätigkeit in der Praxis des Klägers zu 2. erst zum Quartal III/2000 aufgenommen habe (vgl das ursprünglich unter dem Aktenzeichen L 7 KA 109/06 geführte Berufungsverfahren, das das LSG zum Verfahren L 7 KA 108/06 des Klägers zu 2. verbunden hat).

23

b. In dieser besonderen Konstellation stellt sich die Rubrizierung der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis im Rubrum des angefochtenen Bescheides des Beklagten als partielle, aber unschädliche Falschbezeichnung heraus (zur revisionsgerichtlichen Befugnis, Verwaltungsakte auszulegen, s BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 16 mwN). Der Bescheid des Beklagten sollte ersichtlich die unter der Arztnummer 7290241 (Kläger zu 2.) ausgestellten Verordnungen auch des Quartals I/2000 erfassen, und das ist weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren als fehlerhaft gerügt worden. Die Beigeladene zu 2. hat zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, sie wolle aus dem Bescheid des Beklagten gegenüber der Klägerin zu 3. Rechte im Hinblick auf Verordnungen aus dem Quartal I/2000 herleiten. Bei verständiger Auslegung der angefochtenen Entscheidung des Beklagten und bei Würdigung des Verhaltens der zu 2. und 3. klagenden Ärzte sowie ihrer Bevollmächtigten im Widerspruchs- und Klageverfahren betrifft der Bescheid des Beklagten, soweit er sich auf das Quartal I/2000 bezieht, Verordnungen nur des Klägers zu 2. und setzt nur diesem gegenüber einen Regress fest. Diese selbstverständliche Rechtsfolge hat der Senat ausdrücklich zur Klarstellung in den Tenor seines Urteils aufgenommen.

24

2. Die Regressfestsetzungen des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2. hinsichtlich der Quartale I und III/2000 und gegenüber der Klägerin zu 3. hinsichtlich des Quartals III/2000 sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.

25

a. Das Berufungsgericht hat zunächst angenommen, § 14 Abs 1 iVm Abs 3 der seit dem Jahre 1994 geltenden PV, die für die Verordnungen der Kläger im Jahre 2000 noch galt, gestatte die Festsetzung von Arzneikostenregressen, soweit der Vertragsarzt Arzneimittel verordnete, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnungsfähig sind. Die Kenntnis des Vertragsarztes von der fehlenden Verordnungsfähigkeit oder generell ein Verschulden des Arztes seien insoweit nicht Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses. Soweit der Kläger zu 2. § 14 PV anders versteht und annimmt, diese Norm erfasse nur Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Festsetzung eines verschuldensabhängigen "sonstigen Schadens" und nicht die Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, ist dem im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen. Die PV stellt Landesrecht iS des § 162 SGG dar, das das Revisionsgericht in der Auslegung des Berufungsgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.

26

Von diesem Grundsatz sind in der Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen anerkannt. Danach können landesrechtliche Normen vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt und angewandt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es ist weder geltend gemacht noch gerichtsbekannt, dass die Berliner PV aus dem Jahr 1994 inhaltsgleich in anderen KÄV-Bezirken gilt bzw gegolten hat.

27

Landesrechtliche Normen sind weiterhin einer eigenständigen Auslegung und Anwendung des BSG zugänglich, wenn das LSG entscheidungserhebliche Vorschriften unberücksichtigt gelassen hat (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 15). Hier hat jedoch das LSG die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ersichtlich einschlägige Vorschrift des § 14 PV zutreffend herangezogen und unter Anwendung der allgemein anerkannten juristischen Auslegungskriterien ausgelegt. Der Kläger zu 2. rügt auch keinen Verstoß gegen diese Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze, sondern setzt der Auslegung des Berufungsgerichts seine abweichende Auslegung entgegen. Das führt nicht dazu, dass entgegen der Vorgabe des § 162 SGG das Revisionsgericht zu einer eigenständigen Auslegung berufen wäre.

28

Soweit § 14 PV in der Auslegung des LSG eine hinreichende Grundlage für die Festsetzung von Arzneikostenregressen wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel darstellt, steht die Vorschrift mit Bundesrecht in Einklang. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auf der Grundlage des § 106 Abs 2 SGB V in den PV Rechtsgrundlagen für Arzneikostenregresse festgeschrieben werden dürfen, soweit Vertragsärzte Arznei- und Heilmittel verordnet haben, die nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sind(zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52; vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 17 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das stellt der Kläger zu 2. selbst nicht in Abrede.

29

b. Soweit der Kläger zu 2. geltend macht, der Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse sei verspätet gestellt worden, muss dem ebenfalls nicht weiter nachgegangen werden. Es kann vielmehr offen bleiben, ob die Frist von "sechs Monaten nach Bekanntwerden des Sachverhalts" iS des § 14 Abs 2 PV hier eingehalten ist, wie das SG angenommen hat, oder ob die Normierung dieser Frist in der PV wegen Unvereinbarkeit mit § 106 SGB V unwirksam ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Selbst wenn eine Antragsfrist normiert werden durfte und diese von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. nicht eingehalten worden sein sollte, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Regressfestsetzung folgen. Aus einer evtl Versäumung der Antragsfrist durch die Krankenkasse kann nämlich nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden. Das hat der Senat mit Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 37/08 R; - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden.

30

Der Senat hatte bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung und einer effektiven Verfahrensdurchführung dienen (s insbesondere BSG USK 9596, S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelung und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise zuwider (vgl BSG USK aaO und SozR aaO S 159).

31

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regessverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff, vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Sechs-Monats-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

32

c. Die Kläger durften über "Polyglobin 5 %" in den streitbefangenen Quartalen keine vertragsärztliche Verordnung ausstellen. Sie haben dieses Arzneimittel außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung verordnet.

33

Die Zulassung von Polyglobin war nach den Feststellungen des LSG - bei Vorliegen eines Immunmangelsyndroms - auf die Behandlung eines primären, ursächlichen Mangelsyndroms oder - bei sekundärem Immunmangelsyndrom - auf die Behandlung von Grunderkrankungen wie eine chronisch-lymphatische Leukämie oder ein multiples Myelom begrenzt. An solchen Erkrankungen hat der Versicherte M. nicht gelitten. Ein Arzneimittel darf grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für einen Einsatz außerhalb der arzneimittelrechtlich zugelassenen Indikation verordnet werden. Das hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden und daran bis heute festgehalten (zB BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Der 6. Senat des BSG ist dem für die Festsetzung von Arzneikostenregressen gefolgt (zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

34

Die Kläger können sich zur Rechtfertigung ihrer Verordnung von Polyglobin weder auf Vertrauensschutz noch auf einen der Annahmefälle stützen, in denen Arzneimittel vertragsärztlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden dürfen. Der Kläger zu 2. ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten in der Zeit zwischen dem Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution mit dem Codein-Präparat Remedacen (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) und dem Bekanntwerden des Urteils des 8. Senats vom 30.9.1999 zur SKAT-Therapie (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11) generell darauf vertrauen dürfen, Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Zulassungsindikationen nach dem Arzneimittelrecht verordnen zu dürfen. Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nicht.

35

Es ist bereits fraglich, ob ein Vertragsarzt im Hinblick auf das zu der sehr speziellen Situation der Drogensubstitution ergangene Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995 generell darauf vertrauen durfte, Arzneimittel auch außerhalb ihrer Zulassungsindikation verordnen zu dürfen. Allenfalls kommt ein Vertrauen darauf in Betracht, dass die Bindung der vertragsärztlichen Verordnung an die Zulassung des jeweiligen Fertigarzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) in dem Sinne gelockert ist, dass in bestimmten Konstellationen eine die arzneimittelrechtliche Zulassung überschreitende Verordnung, die medizinisch sinnvoll oder sogar geboten ist, auch krankenversicherungsrechtlich zulässig sein kann. In diesem Sinne ist das Urteil des 8. Senats vom 30.9.1999 richtigerweise zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen aus diesem Urteil im Sinne eines uneingeschränkt erlaubten indikationsfremden Einsatzes von Fertigarzneimitteln liegen eher fern, zumal ein beliebiger, allein nach Gutdünken jedes einzelnen Arztes erfolgender, Einsatz eines Medikaments außerhalb der Zulassung nicht ernsthaft für sachgerecht gehalten werden kann .

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d. Im Übrigen sind schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils des 1. Senats vom 5.7.1995 zur Drogensubstitution in der Rechtsprechung des BSG Zweifel an der allgemeinen Aussagekraft dieses Urteils über den entschiedenen Fall hinaus artikuliert worden. Schon drei Monate nach dem Urteil des 1. Senats hat der allein für das Vertragsarztrecht zuständige erkennende Senat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einsatzes von Remedacen zur Drogensubstitution geäußert und auf die Problematik der Beachtung der Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Zusammenhang mit sog Außenseitermethoden hingewiesen (Urteil vom 18.10.1995, SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 5). In der Sache sind sodann die Grundsätze des Urteils vom 5.7.1995 durch die neuere Rechtsprechung des 6. und des 1. Senats zur Rechtsqualität der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, zur Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V und zum Zusammenhang zwischen dieser Anerkennung und den Prinzipien der Arzneimitteltherapie deutlich modifiziert worden(Urteil des 6. Senats vom 20.3.1996, BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 "Methadon"; Urteile des 1. Senats vom 16.9.1997, BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4, BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7). Spätestens nach Bekanntwerden dieser Urteile war deutlich, dass die ältere Rechtsprechung des BSG zu den (untergesetzlichen) Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr uneingeschränkt fortgeführt werden würde. Kein Vertragsarzt musste die aufgezeigten Wendungen der Rechtsprechung kennen oder nachvollziehen. Wer aber - wie der Kläger zu 2 - geltend macht, Verordnungen aus dem Jahre 2000 im Vertrauen auf eine zu einer Sonderkonstellation ergangene und vereinzelt gebliebene Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 getätigt zu haben, muss sich entgegenhalten lassen, dass sich die Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Jedenfalls im Jahr 2000 hat es für einen Vertragsarzt erkennbar keine hinreichende Sicherheit mehr gegeben, nach eigener Einschätzung Off-Label-Use-Verordnungen ausstellen zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, insoweit in Regress genommen zu werden.

37

e. Zudem sind sowohl das Urteil des 1. Senats vom 5.7.1995, auf das sich der Kläger zu 2. beruft, wie auch die folgenden Entscheidungen des 1. und des 8. Senats des BSG zu den Rechtsansprüchen von Versicherten gegen ihre Krankenkasse ergangen. Aus diesen Urteilen ergibt sich nicht unmittelbar, wie sich ein Vertragsarzt zu Arzneimittelverordnungen verhalten sollte, die erkennbar außerhalb der Zulassungsindikation des jeweiligen Arzneimittels erfolgten, von denen er aber annahm, sie könnten vom Patienten beansprucht werden. Dazu ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.1995 (6 RKa 3/93) zur Drogensubstitution zu entnehmen, dass in solchen Fällen jedenfalls eine exakte Dokumentation und eine engmaschige Verlaufskontrolle der Behandlung geboten waren (SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8; vgl auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Damit ist es zB nicht vereinbar, auf laborchemische Untersuchungen zum Nachweis eines - vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden - "Antikörpermangelsyndroms" zu verzichten, wenn die umstrittene Off-Label-Verordnung von Immunglobulinen gerade auf diese Diagnose reagiert.

38

Ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, kann weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen hat nämlich gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels stattgefunden, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im AMG nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der Zulassung nach dem AMG ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19; s auch BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 - RdNr 27 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, wie es der Senat in einem Beschluss vom 31.5.2006 dargestellt hat (B 6 KA 53/05 B, MedR 2007, 557, 560), muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird.

39

Der Beklagte hält den Klägern - anders als diese nahe legen wollen - keine schuldhafte Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor, die nunmehr sanktioniert wird. Der Beklagte hat lediglich die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung des M. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat. Weil die Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben haben, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei dem Versicherten M. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, muss es der Krankenkasse möglich sein, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die PV im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Soweit der Kläger zu 1. geltend macht, nach dem im Jahr 2000 geltenden Recht habe er zu Gunsten des M. kein Privatrezept ausstellen dürfen, weil das gegen § 29 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä verstoßen hätte, folgt der Senat dem nicht. Der Beschluss des Senats vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557), der diesen Weg aufgezeigt hat, ist zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahr 1997 ergangen. Auch in den Jahren 1997 und 2000 galt das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen. Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Kläger zu Beginn des Jahres 2000 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätten, kann offen bleiben. Die Kläger machen selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

40

f. Der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Versicherten M. bei Ausstellung der umstrittenen Verordnungen nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) gegen die Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin 5 % zugestanden hätte. Nach den Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen, auf §§ 27 und 31 SGB V iVm Art 2 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip bzw Art 2 Abs 2 Satz 1 GG und der hieraus abzuleitenden Schutzpflicht gegründeten Anspruchs nicht vor. Diese Feststellungen des LSG sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, weil die dazu vom Kläger zu 2. angebrachte Rüge nicht durchgreift (unten 3.).

41

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision: Wenn feststünde, dass M. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 2000 einen Anspruch auf Versorgung mit Polyglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte, dürfte wegen der für diese Versorgung angefallenen Kosten kein Regress gegen die Kläger festgesetzt werden. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrektem Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zur der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben. Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten der Kläger.

42

g. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass der Versicherte M. an einer schwerwiegenden Erkrankung (Hodenkarzinom) gelitten hat. Ob zu dessen kausaler Behandlung bei Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Arzneimittel auch außerhalb seiner Zulassungsindikation hätte eingesetzt werden dürfen, wenn nach der vorhandenen Studienlage auf diese Weise die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf positive Behandlungserfolge bestanden hätte (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33), kann offen bleiben. Das nehmen die Kläger nämlich selbst für die Verordnung von Polyglobin nicht an. Sie gehen vielmehr davon aus, dass der Versicherte M. an einem Antikörpermangel litt, der unbehandelt eine Fortführung der notwendigen Chemotherapie erschwert hätte oder hat. Wenn die Rechtsprechung des BVerfG auf diese Konstellation Anwendung finden sollte, was der Senat entgegen der Auffassung des LSG nicht von vornherein für ausgeschlossen hält, müssen jedenfalls die Anforderungen an einen zulässigen Off-Label-Use entsprechend erfüllt sein. Es muss deshalb feststehen, dass der Patient neben der besonders schwerwiegenden Erkrankung (Karzinom) an einer weiteren Gesundheitsstörung gelitten hat, die die Anwendung aller zur Behandlung des Hauptleidens in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausschließt. Weiterhin muss der Off-Label-Einsatz des anzuwendenden Arzneimittels mit gewisser Wahrscheinlichkeit die zweite Erkrankung so beeinflussen, dass eine Erfolg versprechende Behandlung des Hauptleidens wieder oder erstmals möglich wird. Schließlich darf es für die zweite Erkrankung keine anerkannten Behandlungsmöglichkeiten - zB mit entsprechend zugelassenen Arzneimitteln - geben. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht - wie es notwendig wäre, um der Klage zum Erfolg zu verhelfen - kumulativ erfüllt.

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h. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob das von den Klägern so bezeichnete "sekundäre Antikörpermangelsyndrom" eine eigenständige und hinreichende spezifische Erkrankung ist, die abgegrenzt vom Karzinomleiden behandelt werden kann und muss. Die Kläger haben dazu in den Tatsacheninstanzen nicht Präzises vorgetragen. Zudem steht nicht fest, dass M. an einem Antikörpermangelsyndrom litt, das schulmedizinisch nicht behandelbar war. Die zur Abstützung dieser Diagnose und des Ausmaßes der Erkrankung möglichen laborchemischen Untersuchungen haben die Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht durchgeführt oder veranlasst. Dazu mögen sie - wie die Revision geltend macht - berufsrechtlich nicht verpflichtet gewesen sein. Sie haben damit aber im Hinblick auf den Off-Label-Use zur Unaufklärbarkeit des genauen Gesundheitszustandes des Versicherten M. im Jahr 2000 beigetragen. Das geht zu ihren Lasten.

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i. Außerdem fehlt es an ausreichenden Feststellungen bzw Belegen für das von den Klägern geltend gemachte Dilemma, die schwerwiegende Ersterkrankung nur durch die Behandlung der Zweiterkrankung mit Polyglobin 5 % therapieren zu können. Der Kläger zu 2. setzt schon die Anforderungen an den Nachweis einer eigenständigen Zweiterkrankung zu niedrig an. Der Versicherte M. litt nach den Ausführungen des Klägers zu 2. an einer "Verminderung der Immunitätslage" als Folge vor allem der aggressiven Chemotherapien. Einzelne Infektionen des Patienten hätten sie - die Kläger - als "Zeichen eines sekundären Antikörpermangels" gedeutet. Für diese Infektionen haben die Kläger im Verwaltungsverfahren oder in den Vorinstanzen jedoch nicht konkret und eingehend belegt, dass ihnen durch anerkannte Behandlungsmaßnahmen nicht hätte effektiv entgegengewirkt werden können. Spezifische Darlegungen dazu, die dann dem LSG ggf Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten geben können, waren vor allem deshalb unerlässlich, weil der Kläger zu 2. selbst einen Zusammenhang zwischen dem Krebsleiden und der Chemotherapie mit der geschwächten Immunitätslage des M. herstellt. Da nicht alle Patienten, deren Abwehrsystem durch Krebs und Chemotherapie geschwächt ist, mit Immunglobulin behandelt werden bzw nach dem gebotenen Behandlungsstandard behandelt werden müssen oder im Jahr 2000 so behandelt wurden oder behandelt werden mussten, hätten die Kläger fallbezogen und detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die gesundheitliche Lage des M. von derjenigen anderer chemotherapeutisch behandelter Krebspatienten unterschied, und auf der Basis welcher exakten Befunde sie die Anwendung von Polyglobin 5 % für unerlässlich hielten. Das ist nicht geschehen und spricht dafür, dass sich die Kläger von der Gabe eines Immunglobulins ganz generell eine Stärkung der Abwehrlage des M. und damit mutmaßlich eine bessere Resistenz gegen Infektionen versprachen. Das reicht für einen Off-Label-Use, dessen Zulässigkeit jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art von dem Gesundheitszustand des konkreten Patienten abhängt, nicht aus.

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j. Schließlich ist die positive Wirkung, die die Kläger dem Einsatz von Immunglobulin bei fortgeschrittener Krebserkrankung zuschreiben, nach den Feststellungen des LSG nicht hinreichend belegt.

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Das LSG hat im Einzelnen dargestellt, dass die bis 1999 zum Einsatz von Immunglobulinen vorhandenen Studien und publizierten Forschungsergebnisse nicht darauf hindeuten, dass die Gesundheitsstörungen des Versicherten M. durch den Einsatz von Polyglobin erfolgreich behandelt werden konnten. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG entwickelten Grundsätzen zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit (in Deutschland oder der EU) nicht zugelassenen Arzneimitteln (dazu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder mit Arzneimitteln außerhalb zugelassene Indikationen (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) ausgegangen. Es hat näher ausgeführt, dass keine wissenschaftliche Arbeit vorliege oder von den Klägern benannt sei, in der der zulassungsüberschreitende Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung einer auf der Intoleranz von Chemotherapeutika beruhenden Erkrankung als medizinisch geboten bewertet wird. Einen Konsens der einschlägigen Fachkreise, dass Polyglobin ein sekundäres Antikörpersyndrom positiv beeinflussen könne, hat das LSG gerade nicht feststellen können. Soweit die Revision die vorhandenen medizinischen Unterlagen lediglich anders würdigt, vermag sie damit die Feststellungen iS des § 163 SGG nicht zu entkräften.

47

Soweit der Kläger zu 2. die Sachaufklärung des LSG zu den Erfolgsaussichten der Behandlung mit Immunglobulinen für unzureichend hält, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich der 1. Senat des BSG bereits mehrfach mit dem Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Immunglobulinen befasst hat. In den Urteilen vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) und vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16), die sämtlich die Versorgung mit Immunglobulinpräparaten - jeweils bezogen auf die Indikation Multiple Sklerose - zum Gegenstand hatten, wird der Stand der medizinischen Forschung zu dieser Wirkstoffgruppe für die streitbefangenen Jahre 1997 bis 2003 eingehend aufgearbeitet. Zwar können die Forschungsergebnisse zur Möglichkeit, durch die Gabe von Immunglobulinen die Multiple Sklerose günstig zu beeinflussen, nicht ohne Weiteres auf die hier zu beurteilende Situation der unterstützenden Behandlung bei Krebserkrankungen übertragen werden, doch sind die Wirkungen und die in Frage kommenden Indikationen für Immunglobulin bezogen auf den hier relevanten Zeitraum gut erforscht und die Forschungsergebnisse - soweit krankenversicherungsrechtlich von Bedeutung - in der Rechtsprechung des BSG umfassend rezipiert worden. Zudem sind die Urteile des 1. Senats des BSG vom 27.3.2007 und vom 28.2.2008 Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung gewesen. Mit Kammerbeschlüssen vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07 zum BSG-Urteil B 1 KR 17/06 R) und vom 8.7.2009 (1 BvR 1531/09 zum BSG-Urteil B 1 KR 15/07 R) sind die Verfassungsbeschwerden der unterlegenen Kläger jeweils nicht zur Entscheidung angenommen worden. Beide Kammerbeschlüsse sind auf der Basis der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 ergangen und billigen insbesondere, dass die Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen an den Nachweis stellt, dass mit dem zulassungsüberschreitenden Einsatz des jeweils betroffenen Arzneimittels hinzureichende Erfolgsaussichten verbunden sein müssen (BVerfG vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - NJW 2008, 3556 f RdNr 9 bis 11). Es reicht danach als Grundlage für einen Off-Label-Use von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, dass positive Folgen einer solchen Behandlung nach dem Wirkungsmechanismus von Immunglobulinen nicht schlechthin ausgeschlossen werden können, dass Patienten in Einzelfällen nach Verabreichung der umstrittenen Medikamente eine Verbesserung ihres Befindens beschreiben und dass einzelne Ärzte oder Wissenschaftler mit plausiblen Gründen einen von der verbreiteten Auffassung abweichenden Standpunkt zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung vertreten. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Hinblick auf die schon vorliegende Rechtsprechung des 1. Senats des BSG ist die Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts ausreichend.

48

3. Ohne Erfolg macht der Kläger zu 2. schließlich geltend, das LSG hätte einem Beweisantrag vom 12.3.2009, den er in der mündlichen Verhandlung explizit aufrechterhalten hat, nachkommen und ein Gutachten zur Wirkung von Polyglobin 5 % einholen müssen. Das LSG ist diesem Antrag mit hinreichender Begründung nicht gefolgt.

49

Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens oder eines weiteren Gutachtens nachkommt. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Sachverständigengutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichend eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorliegen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerfG NVwZ 2009, 320, RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Das LSG hat in seiner Entscheidung dargelegt, warum es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat. Dabei spielt eine Rolle, dass zur Wirksamkeit von Immunglobulinen im (auch) hier betroffenen Zeitraum zahlreiche Entscheidungen des BSG ergangen sind, wie oben (unter 2. j.) näher dargelegt worden ist.

50

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 iVm § 155 Abs 1 VwGO und berücksichtigt die unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit der Kläger zu 2. und 3. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Arzneikostenregress wegen der Verordnung des Arzneimittels Alphaglobin in den Quartalen I, II und IV/1999.

2

Der als Arzt für Nervenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger behandelte ua im Jahr 1999 die im Jahr 1971 geborene Patientin O., die an Multipler Sklerose (MS) litt. Die Patientin hatte 1996 ein erstes Kind geboren und bei ihr bestand der Wunsch nach einem zweiten Kind. Für die Zeit vor und nach der Empfängnis verordnete der Kläger in den drei streitbefangenen Quartalen insgesamt fünfmal das intravenös zu verabreichende Arzneimittel Alphaglobin, das später den Handelsnamen "Flebogamma 5 %" trug. Der Kläger hielt die Verordnung eines Immunglobulinpräparates für geboten, weil andere Arzneimittel zur Behandlung einer schubförmig verlaufenden MS im zeitlichen Zusammenhang mit Empfängnis und Geburt kontraindiziert seien.

3

Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 2. beigeladenen Krankenkasse der Versicherten O. vom 14.11.2000 setzte der Prüfungsausschuss im Juli 2001 eine Schadensersatzverpflichtung des Klägers für die Kosten von Alphaglobin in Höhe von insgesamt ca 19 100 DM fest. Der Prüfungsausschuss begründete seine Entscheidung damit, Alphaglobin sei zur Behandlung der MS nicht zugelassen. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, auch die Voraussetzungen für einen indikationsüberschreitenden Einsatz seien nicht erfüllt. Es bestehe kein Konsens in der medizinischen Wissenschaft und bei den einschlägigen Fachgesellschaften hinsichtlich einer Empfehlung für eine prophylaktische Therapie mit Immunglobulinen für Patientinnen in der Zeit unmittelbar vor oder nach der Geburt eines Kindes.

4

Das SG hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Es hat diese Entscheidung damit begründet, die für die Behandlung der schubförmig verlaufenden MS zugelassenen Arzneimittel seien während der Schwangerschaft und der Stillzeit einer Mutter nicht risikolos einsetzbar gewesen. Zur Anwendung eines Immunglobulins habe es daher keine therapeutisch gleichwertige und nebenwirkungsarme Behandlungsmöglichkeit gegeben.

5

Auf die Berufungen des beklagten Beschwerdeausschusses und der zu 2. beigeladenen Krankenkasse hat das LSG das sozialgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Es hat unter Hinweis auf Entscheidungen des BSG zum Anspruch von an MS erkrankten Versicherten auf die Versorgung mit Immunglobulinen ausgeführt, der Nachweis einer hinreichenden Wirksamkeit von Alphaglobin zur Behandlung der MS sei nicht geführt. Das gehe nach den anzuwendenden Grundsätzen zur Verteilung der Beweislast bei Arzneikostenregressen wegen unzulässiger Verordnungen zu Lasten des Vertragsarztes. Auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 zum Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden folge kein anderes Ergebnis (Urteil vom 22.4.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger in erster Linie, das LSG habe den Sachverhalt entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 103 Satz 1 SGG nicht hinreichend aufgeklärt. Entscheidungserheblich sei, ob die schubförmige MS durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werde und ob das ggf bereits im Jahre 1999 bekannt gewesen sei. Rechne die MS zu diesen Erkrankungen, so sei der Einsatz von Alphaglobin im Jahr 1999 von der arzneimittelrechtlichen Zulassung dieses Präparates gedeckt gewesen; die Voraussetzung eines Off-Label-Use hätten deshalb gar nicht erörtert werden müssen. Das LSG hätte sich nicht mit der Einholung einer Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts zufrieden geben dürfen, sondern hätte ein Sachverständigengutachten zur Zuordnung der MS zu den Erkrankungen, die durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werden, einholen müssen. Die Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit den von den Verfahrensbeteiligten eingereichten medizinischen Stellungnahmen sei unzureichend. Deshalb habe er - der Kläger - von Herrn Prof. B., Institut für Neuropathologie der Georg-August-Universität G. ein Gutachten eingeholt, das seine Auffassung bestätige. Nach diesem Gutachten könne davon ausgegangen werden, dass die schubförmig verlaufende MS eine sog Autoimmunerkrankung sei, die durch einen immunologischen Pathomechanismus hervorgerufen werde, und dass das auch schon 1999 so zu beurteilen gewesen sei. Das LSG hätte zumindest die Beteiligten darauf hinweisen müssen, dass es seine eigene Sachkunde für ausreichend halte, den Ursachenzusammenhang hinsichtlich der MS zu beurteilen.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22.4.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückzuverweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

10

Nach ihrer Ansicht hat das LSG weder seine Amtsermittlungspflicht missachtet noch den Beteiligten unzureichend rechtliches Gehör gewährt. Die Feststellung des LSG, dass die Entstehungsbedingungen für MS in der medizinischen Wissenschaft noch ungeklärt seien, könne durch die Aussagen einzelner Sachverständiger nicht widerlegt werden. Deshalb habe das LSG von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen und den Rechtsstreit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast entscheiden dürfen. Dass die Beweislast in diesem Fall den Kläger treffe, habe das LSG zutreffend dargelegt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Klage gegen den angefochtenen Regressbescheid des beklagten Beschwerdeausschusses zu Recht abgewiesen.

12

Auf der Grundlage des § 14 der im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltenden Prüfvereinbarung iVm § 106 Abs 2 SGB V war der Beklagte berechtigt, wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die in der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnet werden dürfen, einen Kostenregress gegen den verordnenden Arzt festzusetzen. Die Festsetzung eines derartigen Kostenregresses hat allein die Unzulässigkeit der umstrittenen Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung zur Voraussetzung und setzt kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Das hat das LSG eingehend dargelegt und wird von den Beteiligten in diesem Verfahren nicht in Frage gestellt. Im Übrigen stimmt der Senat den Ausführungen des LSG zu, wie sich aus den Urteilen vom 5.5.2010 in den Verfahren B 6 KA 6/09 R (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und B 6 KA 20/09 R ergibt.

13

1. Zu Recht gehen sowohl das LSG wie der Kläger davon aus, dass der vom Beklagten aufrecht erhaltene Regress rechtswidrig wäre, wenn feststünde, dass O. nach den tatsächlichen Verhältnissen des Jahres 1999 einen Anspruch auf Versorgung mit Alphaglobin als Sachleistung der Krankenkasse gehabt hätte. Diese Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2008 zu Wobe Mugos (SozR 4-2500 § 106 Nr 21; ebenso BSG MedR 2010, 276) inzident angesprochen und hält daran fest. Der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen beruht im Kern darauf, dass die Krankenkasse einen Ausgleich für die Bezahlung von Medikamenten erhält, die sie bei korrekten Verhalten des Arztes nicht hätte finanzieren müssen. Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Versicherte, zu dessen Gunsten der Vertragsarzt die umstrittenen Verordnungen ausgestellt hat, auf die Versorgung mit dem verordneten Arzneimittel einen Anspruch gegen seine Krankenkasse hatte, ist dieser durch die Bezahlung dieses Arzneimittels dem Grunde nach jedenfalls kein Schaden entstanden, den der Vertragsarzt nunmehr ersetzen müsste. Lässt sich allerdings nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise gerechtfertigten Off-Label-Use vorgelegen haben, geht das zu Lasten des Arztes. Er rückt, obwohl er sich nach der Ausrichtung des Verfahrens gegen einen Regress wendet, hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in die Stellung ein, die der Versicherte gehabt hätte, wenn er seinen Standpunkt zu der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels gegen die Krankenkasse nach § 13 Abs 3 SGB V im Wege der Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs durchsetzen müsste. Wer geltend machen will, der Versorgungsanspruch umfasse in einer bestimmten Konstellation auch die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der Zulassungsindikationen, dringt damit nicht durch, wenn sich unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die dafür insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und inzwischen auch vom GBA (§ 30 der Arzneimittel-Richtlinie iVm Anlage VI) formulierten Voraussetzungen vorgelegen haben.

14

Das ist auch hier der Fall und geht zu Lasten des Klägers. Die Versicherte O. konnte die Versorgung mit Alphaglobin zur Behandlung ihrer MS nicht beanspruchen. Das Medikament war für die Behandlung der MS nicht zugelassen, und die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use haben - auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 - nicht vorgelegen.

15

a. Das LSG hat zunächst dargelegt, dass der Kläger das verordnete Immunglobulin außerhalb der Zulassung nach § 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) verordnet hat. Für das Krankheitsbild der MS ist nach der Auslegung der für die Zulassung maßgeblichen Unterlagen sowie der Fachinformation für "Alphaglobin" dieses Medikament nicht zugelassen. Dass eine ausdrückliche Zulassung von Alphaglobin zur Behandlung der MS erfolgt sei, macht auch der Kläger nicht geltend. Er ist aber der Auffassung, die MS gehöre zu den im zweiten einleitenden Absatz der Fachinformationen für Alphaglobin erwähnten Krankheitsbildern, die durch einen immunologischen Pathomechanismus induziert sind. Darauf kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auf der Grundlage der Feststellungen des LSG jedoch nicht entscheidend an.

16

Das LSG hat unter Auswertung der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 6.4.2009 dargestellt, dass die Fachinformationen zu Alphaglobin einerseits konkrete Indikationen im Sinne von klar umschriebenen Krankheiten aufführen (zB Leukämie, AIDS bei Kindern) und andererseits eine offene Formulierung enthalten. Danach "wird Immunglobulin von Menschen auch bei verschiedenen Krankheitsbildern angewandt, die durch einen immunologischen Pathomechanismus (zB Alloantikörper und/oder Metoantikörper) induziert werden, wie zB bei autoimmunen Thrombozytopenie (ITP)". Soweit mit dieser sehr weiten Wendung eine arzneimittelrechtliche Zulassung auch für Indikationen eröffnet wird, die nicht als Beispielsfälle konkret genannt werden oder solchen ähnlich sind, setzt ein zulassungskonformer Einsatz des Mittels voraus, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass die zu behandelnde Erkrankung durch einen immunologischen Pathomechanismus als zentral wirkende Ursache induziert wird. Wenn insoweit die Meinung des einzelnen Arztes oder einzelner Wissenschaftler ausschlaggebend wären, könnte die arzneimittelrechtliche Zulassung ihre Funktion nicht erfüllen, nämlich Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels indikationsbezogen zu garantieren (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 20). Daher erfolgt eine Verordnung von Alphaglobin immer dann außerhalb der zugelassenen Indikation, wenn eine Krankheit behandelt werden soll, von der gerade nicht im Sinne eines Konsenses der Fachwelt feststeht, dass sie primär durch einen "immunologischen Pathomechanismus" ausgelöst wird. Dasselbe gilt, wenn auf einer konkreteren Stufe für eine bestimmte Erkrankung durch Studien keine positiven Wirkungen des Einsatzes des betroffenen Arzneimittels belegt ist. Wenn Studien keinen Beleg dafür liefern, dass eine schubförmig verlaufene MS durch die Gabe von Immunglobulinen positiv beeinflussbar ist, kann die sehr viel abstraktere Frage, ob Immunsystemstörungen ursächlich für MS sind oder sein können, offen bleiben. Kein Vertragsarzt ist unter Hinweis auf einen (möglichen oder sogar wahrscheinlichen) Zusammenhang zwischen Störungen des Immunsystems und MS berechtigt, Immunglobuline zur Behandlung der MS zu verordnen, wenn Studien belegen, dass insoweit keine Wirkungen auf den Verlauf der MS erzielt werden können. Die ohnehin problematische Einbindung der in der medizinischen Wissenschaft nach wie vor ungeklärten Frage der Verursachung von MS in die Indikation eines Arzneimittels durch die Formulierung der Fachinformationen zu Alphaglobin hat keine praktische Bedeutung mehr, wenn die Wirkungen gerade dieses Arzneimittels erforscht sind und keine positiven Wirkungen für die Behandlung der MS belegt sind. Das ist hier der Fall.

17

b. Die Studienlage zur positiven Beeinflussbarkeit der schubförmig verlaufenden MS durch die Verabreichung von Immunglobulinen hat das LSG zutreffend ausgewertet. Soweit der Kläger geltend macht, die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen habe das Berufungsgericht unter Verletzung der ihm obliegenden Sachaufklärungsverpflichtung (§ 103 SGG)getroffen, kann dem nicht gefolgt werden.

18

Das beruht im Wesentlichen darauf, dass nach der Rechtsprechung des für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen 1. Senats des BSG Versicherte, die an MS erkrankt waren, in den Jahren 1999 bis 2002 keinen Anspruch auf Versorgung mit Immunglobulin hatten. Das hat dieser Senat in seinem grundlegenden Urteil zum Off-label-Use vom 19.3.2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8), das ebenfalls zu Immunglobulinen ergangen ist, näher dargelegt und mit einem Urteil vom 27.3.2007 (B 1 KR 17/06 R) zur Versorgung mit einem intravenös zu verabreichenden Immunglobulin zur Behandlung einer MS in einer sekundär-chronischen Form mit Schüben bekräftigt. Mit Urteil vom 28.2.2008 (SozR 4-2500 § 13 Nr 16) hat der 1. Senat in einem Fall, der dem hier zu beurteilenden sehr ähnlich ist, entschieden, dass auch versicherte Mütter, die an einer schweren, jedoch nicht tödlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leiden, auch unter Berücksichtigung der Wertung des Art 6 Abs 4 GG während der Stillphase ihres Kindes keinen Anspruch auf Versorgung mit einem nicht zugelassenem Arzneimittel haben, wenn die bekannten Forschungsergebnisse eine arzneimittelrechtliche Erweiterung des Indikationsgebietes für das konkrete Arzneimittel nicht erwarten lassen. Diese Entscheidung ist zur Verordnung eines intravenös zu verabreichenden Immunglobulins bei einer Schwangeren mit MS in den Jahren 2002/2003 ergangen und hat sich mit den zu diesem Zeitpunkt sowie den in der Zeit bis zum Erlass des Urteils im Jahre 2008 publizierten Forschungsergebnissen eingehend befasst. Der 1. Senat des BSG ist abschließend zu dem Ergebnis gelangt, für die Anwendung von Immunglobulinen während der Schwangerschaft und danach zur Prophylaxe postportaler Schübe einer MS gebe es keinen Konsens in der medizinischen Wissenschaft. Diese Aussage beruht nach Auffassung des 1. Senats auch darauf, dass in der Vergangenheit gefährliche Nebenwirkungen der Therapie mit intravenös verabreichten Immunglobulinen auftraten und es keine hinreichenden Studien zu den Nebenwirkungen dieser Therapie, ua in der Stillzeit, gibt.

19

Eine weitere Sachaufklärung hat das LSG nicht vornehmen müssen. Die Anforderungen an die Sachaufklärung nach § 103 SGG bei Fragen der generellen Eignung und Wirksamkeit eines bestimmten Arzneimittels bzw des Zusammenhangs zwischen einer bestimmten Gesundheitsstörung und der Beeinflussbarkeit durch ein insoweit arzneimittelrechtlich nicht zugelassenes Arzneimittel einer bestimmten Wirkstoffgruppe können nicht abstrakt bestimmt werden, sondern hängen davon ab, welche Feststellungen dazu bzw zu vergleichbaren Konstellationen in der Vergangenheit getroffen worden sind. Da sich das BSG in drei Entscheidungen, davon in zwei Entscheidungen aus jüngerer bzw jüngster Zeit, eingehend mit der krankenversicherungsrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei MS und speziell auch des Anspruchs von an MS erkrankten Müttern oder Frauen mit Kinderwunsch auf Versorgung mit Immunglobulinen in der Phase kurz vor oder kurz nach der Geburt befasst hatte, hat sich das LSG auch auf die Ergebnisse dieser Entscheidungen und die darin ausgewerteten Informationen beziehen dürfen. Da das LSG im Sommer 2009 seinerseits eine aktuelle Stellungnahme des PEI eingeholt und ausgewertet hat, war gewährleistet, dass die Frage der generellen Eignung von Immunglobulinen zur Behandlung der MS in den Jahren 1999 bis 2001 umfassend geklärt war. Dass der Kläger nunmehr Stellungnahmen von Ärzten eingeholt und dem Senat zugänglich gemacht hat, die sich mit der Einordnung der MS als einer Autoimmunerkrankung befassen und diese Zuordnung sowohl gegenwärtig wie auch schon bezogen auf die Jahre 1999 und 2000 für richtig halten, ändert nichts daran, dass das LSG der konkret entscheidungserheblichen tatsächlichen Frage einer wissenschaftlich belegten Eignung von Immunglobulinen zur Behandlung der MS hinreichend und mit einem schlüssigen Ergebnis nachgegangen ist.

20

Deshalb hat das Berufungsgericht ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens ablehnen dürfen. Ob ein Gericht ein Gutachten oder ein weiteres Gutachten einholt, liegt in seinem Ermessen. Der für andere Beweismittel wie insbesondere den Zeugenbeweis geltende Grundsatz, dass eine Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden darf, gilt nicht für die Frage der Einholung von Sachverständigengutachten. Hier darf das Gericht unter Hinweis darauf, dass von einem Gutachten keine (weiteren) Erkenntnisse zu erwarten seien, weil das Gericht ausreichende eigene Sachkunde habe oder weil ihm bereits ausreichende sachverständige Erkenntnisse vorlägen, dessen Einholung ablehnen. Das Gericht übt sein Ermessen nur dann fehlerhaft aus, wenn sich ihm die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen (s zB BVerwG NVwZ 1993, 268; BVerwG NVwZ 2009, 320 RdNr 4; BVerwG NJW 2009, 2614 RdNr 7; BSG SozVers 2002, 218 f; ebenso BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 29). Ein solcher Ausnahmefall hat angesichts der geschilderten Situation, insbesondere auch der im Sommer 2009 eingeholten Stellungnahme des PEI, nicht vorgelegen.

21

Im Hinblick auf den nicht belegten positiven Einfluss der Verabreichung eines Immunglobulin-Präparates auf den Verlauf der MS war die Verordnung von Polyglobin für die Versicherte O. auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Off-Label-Use gerechtfertigt. Das hat das LSG näher dargelegt und ist vom Kläger, wie ausgeführt, weder im Berufungs- noch im Revisionsverfahren durchgreifend in Frage gestellt worden. Im Übrigen hat sich der Senat zur Verordnung von Immunglobulinen im Jahr 1999 zur unterstützenden Behandlung von Krebsleiden unter dem Aspekt des Off-Label-Use und auch im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 15) in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - eingehend geäußert.

22

c. Ob der Kläger im Hinblick auf die auch in der Stellungnahme des PEI näher dargestellten abweichenden Stellungnahmen fachkundiger Ärzte im Jahr 1999 subjektiv davon überzeugt sein durfte, der Versicherten O. im zeitlichen Zusammenhang mit der Empfängnis und Geburt ihres zweiten Kindes durch die Verordnung von Alphaglobin zu helfen, ist nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hält dem Kläger nicht wie in einem Disziplinarverfahren die Verletzung vertragsärztlicher Pflichten, sondern die Verordnung eines Arzneimittels vor, das nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört hat. Das ist nach objektiv-rechtlichen Maßstäben zu klären, wie das LSG zutreffend erkannt hat.

23

3. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend die Position der zu 2. beigeladenen Krankenkasse bestätigt, dass sie objektiv zu Unrecht erhebliche Kosten für die Versorgung ihrer Versicherten O. mit einem Immunglobulin aufgewandt hat.

24

Weil der Kläger der Beigeladenen zu 2. keine Gelegenheit gegeben hatte, ihre Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Immunglobulinen bei der Versicherten O. vor Einlösung der Verordnungen darzulegen, war die Krankenkasse darauf verwiesen, ihren Standpunkt nachträglich durchzusetzen, soweit er rechtlicher Prüfung standhält. Dazu sieht die Prüfvereinbarung im Einklang mit Bundesrecht das Verfahren der Regressfestsetzung vor. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 31.5.2006 (MedR 2007, 557, 560) zu Off-Label-Use-Verordnungen aus dem Jahre 1997 darauf hingewiesen, dass der Vertragsarzt bei von ihm als gerechtfertigt angesehenen Verordnungen außerhalb der Zulassungsindikation ein Privatrezept ausstellen darf. Das verstieß auch 1999 nicht gegen den Bundesmantelvertrag-Ärzte. Dessen § 29 Abs 1 Satz 2 enthält zwar das Verbot, sich als Vertragsarzt vertragsärztliche Verordnungen einzeln genehmigen zu lassen; dieses Verbot hat sich - wie der Senat dargelegt hat - immer nur auf Verordnungen im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen bezogen.

25

Wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Kläger zu Beginn des Jahres 1999 vergeblich bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2. angefragt und explizit um eine Entscheidung über das aus Sicht dieser Krankenkasse richtige Vorgehen gebeten hätte, kann offen bleiben. Der Kläger macht selbst nicht geltend, diesen Weg beschritten zu haben.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der zu 1. beigeladenen KÄV sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese keine Anträge gestellt hat(vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.