Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. Juli 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob die Beklagte die bisherige Höchstwertfestsetzung von Arbeitsentgelten, die der Kläger während seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR (Sonderversorgungssystem Nr 1 der Anl 2 zum AAÜG) tatsächlich erzielt hat, im sog Überführungsbescheid nach § 8 AAÜG teilweise zurücknehmen und zusätzlich Verpflegungsgeld für die allein noch streitige Zeit vom 1.1. bis 30.9.1990 als weiteres Arbeitsentgelt feststellen muss.

2

Der 1942 geborene Kläger war vom 31.8.1961 bis 30.9.1990 Angehöriger der NVA, zuletzt im Dienstgrad eines Oberst. Vom 1.1. bis 30.6.1990 erhielt er Verpflegungsgeld iHv 810 Mark der DDR und vom 1.7. bis 30.9.1990 iHv 454,30 DM.

3

Die Beklagte stellte die Zeiten vom 1.4.1962 bis 30.9.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem Nr 1 der Anl 2 zum AAÜG sowie die dabei erzielten Jahresbruttoarbeitsentgelte fest, ohne das Verpflegungsgeld zu berücksichtigen (Überführungsbescheid vom 24.7.2000 idF des Änderungsbescheides vom 30.8.2000 und des Widerspruchsbescheides vom 4.10.2000). Im November 2008 beantragte der Kläger, die bisherigen Feststellungen zur Höhe des Arbeitsentgelts zu überprüfen. Die Beklagte lehnte es jedoch ab, die Feststellungen im Überführungsbescheid teilweise zurückzunehmen und Verpflegungsgeld als weiteres Arbeitsentgelt festzustellen (Bescheid vom 30.4.2009 und Widerspruchsbescheid vom 7.8.2009).

4

Das SG Leipzig hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.2.2012). Auf die Berufung des Klägers hat das Sächsische LSG das Urteil des SG sowie die angegriffenen Bescheide geändert und die Beklagte "verpflichtet, in Abänderung des Bescheides vom 24.7.2000 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.8.2000 dem Kläger gewährtes Verpflegungsgeld für die Zeiten vom 1.1.1990 bis 30.9.1990 in Höhe von 1.264,25 Mark/DM als weiteres Arbeitsentgelt festzustellen" (Urteil vom 1.7.2013): Die Beklagte sei nach § 44 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 SGB X verpflichtet, den Überführungsbescheid teilweise zurückzunehmen und Verpflegungsgeld als weiteres Arbeitsentgelt festzustellen. Der Begriff des "Arbeitsentgelts" iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG bestimme sich nach § 14 SGB IV, wie das BSG bereits mehrfach entschieden habe. Das Verpflegungsgeld sei dem Kläger aus dem Beschäftigungs-/Dienstverhältnis zur NVA zugeflossen, gehöre zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und sei nach der insoweit maßgebenden Rechtslage am 1.8.1991 steuerpflichtig gewesen. Denn wenn die unentgeltliche Verpflegung eines Soldaten im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung nach der Rechtsprechung des BFH keine steuerfreie, sondern regelmäßig mangels einer Steuerbefreiungsnorm eine steuerbare und steuerpflichtige Einnahme sei, könne dies für das Verpflegungsgeld, unabhängig davon, ob es als originäre Barleistung oder als Substitution für eine Sachleistung erbracht werde, nicht anders sein. Das Verpflegungsgeld sei auch nach keiner anderen Vorschrift des EStG steuerfrei. § 3 Nr 4 Buchst c) EStG erfasse nur die "im Einsatz" gezahlten Verpflegungszuschüsse. Vorliegend sei aber weder vorgetragen noch ergebe sich sonst ein Hinweis darauf, dass das gezahlte Verpflegungsgeld wegen der Teilnahme an außerhalb des Dienstortes geleisteten besonderen Einsätzen gewährt worden sei.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen (§§ 103, 62 SGG) und materiellen Rechts (§ 6 Abs 1 S 1 AAÜG). Das Berufungsgericht lege den Begriff des "Arbeitsentgelts" in § 6 Abs 1 S 1 AAÜG rechtsfehlerhaft aus. Zwar ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich, dass zur Begriffsdefinition das am 1.8.1991 geltende Bundesrecht und mithin § 14 SGB IV heranzuziehen sei. Das Verpflegungsgeld sei jedoch weder unmittelbar noch mittelbar "aus" dem Dienstverhältnis als Gegenleistung für die von den NVA-Soldaten erbrachten Dienste gezahlt worden. Vielmehr sei die Leistung nach der DDR-Doktrin ausschließlich sozialpolitisch motiviert gewesen und habe im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der NVA gestanden, um die Leistungsfähigkeit der Soldaten zu erhalten, ihre ständige Einsatzbereitschaft zu gewährleisten und die damit verbundenen allgemeinen physischen und psychischen Belastungen zu entschädigen. Insofern stelle sich das Verpflegungsgeld "als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung" dar und sei - auch nach bundesdeutschem Steuerrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BFH - steuerfrei. Gleiches ergebe sich aus § 3 Nr 4 Buchst c) EStG, der keinesfalls eindeutig auf "im Einsatz" gewährte Verpflegungszuschüsse beschränkt gewesen sei, wie das LSG meine. Lege man jedoch dessen Rechtsauffassung zugrunde, so hätte es jedenfalls weiter ermitteln müssen, ob der Kläger das Verpflegungsgeld im Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.1990 "wegen der Teilnahme an außerhalb des Dienstortes geleisteten besonderen Einsätzen" erhalten habe. Die Entscheidung des LSG sei in diesem Punkt verfahrensfehlerhaft ergangen, weil der Sachverhalt diesbezüglich nicht ausreichend aufgeklärt und den Beteiligten kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Der hierin liegende Verfahrensmangel rechtfertige jedenfalls eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung.

6

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. Juli 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Februar 2012 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Verpflegungsgeld sei Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IV. Denn es sei als laufende monatliche Einnahme aus der Beschäftigung bei der NVA gezahlt worden und an diese untrennbar geknüpft gewesen. Der erforderliche Zusammenhang zwischen der Beschäftigung und der Zahlung des Verpflegungsgeldes ergebe sich unmittelbar aus der Ordnung Nr 064/9/001 über die Verpflegung in der NVA und den Grenztruppen der DDR - Verpflegungsordnung - vom 29.10.1985. Hiernach sei Verpflegungsgeld nur für Zeiten gezahlt worden, für die Besoldung gewährt worden sei, nämlich ab dem Tag der Einstellung bis zur Entlassung, auch bei Urlaub und Krankheit. Da die Beschäftigung somit nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass das Verpflegungsgeld entfalle, stelle es sich als Gegenleistung für die Zuverfügungstellung von Arbeitskraft dar. Deshalb könne auch ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Verpflegungsgeld um eine Sozialleistung gehandelt habe, die - wie der Sperrzonenzuschlag - unabhängig vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt worden sei. Ob der Arbeitgeber mit dem Verpflegungsgeld zugleich ein ideelles oder soziales Ziel verfolgt habe, sei bedeutungslos; jedenfalls habe es sich dabei nicht um eine echte Sozialleistung gehandelt, wie zB das Krankengeld der DDR. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Verpflegungsgeld um eine steuerfreie Aufwandsentschädigung oder um Zehrgeld gehandelt haben könnte. Für die Einordnung als Arbeitsentgelt sei irrelevant, ob das Verpflegungsgeld "neben" oder "zusätzlich" zur Besoldung gezahlt worden sei. Schließlich sei Verpflegungsgeld auch nicht nach § 3 Nr 4 Buchst c) EStG (lohn-)steuerfrei gewesen, weil diese Vorschrift nur Zuschüsse "im Einsatz" erfasse. Für die Teilnehmer an Katastropheneinsätzen und Manövern habe nach der Verpflegungsordnung aber von vornherein kein Anspruch auf Selbstverpflegung bestanden. Dies belege, dass das Verpflegungsgeld mangels eigenbetrieblicher Zwecke keine "notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung" gewesen sei. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte das im ersten Halbjahr 1991 gezahlte Verpflegungsgeld selbst als Arbeitsentgelt anerkannt habe und das Bundesministerium für Finanzen das im üblichen Dienstbetrieb gezahlte Verpflegungsgeld dem Lohnsteuerabzug unterworfen habe.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

10

1. Allerdings hat die Beklage die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (§ 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (Senatsurteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 6 Nr 12 vorgesehen; BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 12 mwN).

11

a) Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und ggf zu welchen (Leitherer aaO RdNr 12a). Das erfordert neben der Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers ungenutzt gebliebenen Beweismittels die konkrete Darlegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, in deren Licht der Beweisgegenstand rechtliche Bedeutung erlangt hätte, und regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte. Die Beklagte legt indessen schon nicht dar, was die unterbliebene Beteiligtenanhörung zu etwaigen besonderen Einsätzen des Klägers außerhalb des Dienstortes im Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.1990 voraussichtlich ergeben hätte.

12

b) Soweit die Beklagte eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) rügt, weil das LSG sein Urteil auf Umstände stütze, zu denen sich die Beteiligten angeblich nicht äußern konnten (sog Überraschungsentscheidung iS von § 128 Abs 2 SGG; BVerfGE 98, 218; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8b mwN), hätte sie im Einzelnen dartun müssen, warum die Entscheidung des Berufungsgerichts nach dem bisherigen Verfahrensverlauf von keiner Seite als möglich vorausgesehen werden konnte, welches Vorbringen dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus setzt die Gehörsrüge voraus, dass der Revisionsführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Die Beklagte zeigt jedoch nicht ansatzweise auf, warum sie von der vorinstanzlichen Entscheidung überrascht worden sein könnte und welche entscheidungserheblichen Ausführungen sie im Falle des vermissten rechtlichen Hinweises gemacht hätte.

13

2. Der Kläger begehrt im Wege der Kombination (§ 56 SGG) einer Anfechtungs- und zweier Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Var 1 und 3 SGG), die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 30.4.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 7.8.2009 (§ 95 SGG) aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskräftigen (§ 77 SGG) Verwaltungsakte (§ 31 S 1 SGB X) zur Feststellung des Höchstbetrags seiner Arbeitsentgelte im sog Überführungsbescheid vom 24.7.2000 (idF des Änderungsbescheides vom 30.8.2000 und des Widerspruchsbescheides vom 4.10.2000) teilweise zurückzunehmen und im Zeitraum 1.1. bis 30.9.1990 anstelle der alten Entgelthöchstbetragsregelungen neue Höchstbetragsregelungen unter Einbeziehung des Verpflegungsgeldes festzusetzen. Dabei begehrt (§ 123 SGG) der Kläger nicht nur die "Abänderung", sondern die vollständige Aufhebung des Urteils des SG hinsichtlich des allein streitigen Verpflegungsgeldes.

14

Die erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 SGB X, der auch im Rahmen des AAÜG anwendbar ist(§ 8 Abs 3 S 2 AAÜG; vgl auch Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS 6/09 R - Juris RdNr 13 und ausführlich BSGE 77, 253, 257 = SozR 3-8570 § 13 Nr 1 S 5). Danach ist ein (iS von § 45 Abs 1 SGB X) nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von § 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht oder "Beiträge" zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im Übrigen "kann" (Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, also über die Fälle des Abs 1 S 1 aaO hinaus, für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 2 S 2 aaO).

15

Da sich § 44 Abs 1 SGB X nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die - anders als die feststellenden Verwaltungsakte im Überführungsbescheid vom 24.7.2000 - unmittelbar Ansprüche auf nachträglich erbringbare "Sozialleistungen" (§ 11 S 1 SGB I) iS der §§ 3 ff und 18 ff SGB I betreffen(BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3), kann sich der Rücknahmeanspruch des Klägers nur aus Abs 2 aaO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (S 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (S 2). Der bestandskräftige Überführungsbescheid vom 24.7.2000 (idF des Änderungsbescheids vom 30.8.2000 und des Widerspruchsbescheids vom 4.10.2000), der in Bezug auf die geltend gemachten Verpflegungsgeldzahlungen keinen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (nicht begünstigender Verwaltungsakt iS von § 45 Abs 1 SGB X) und noch nicht erledigt ist, wäre im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe (anfänglich) rechtswidrig gewesen, wenn (auch) das Verpflegungsgeld als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen gewesen wäre.

16

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen können/müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 2 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträgerin für das Sonderversorgungssystem der Anl 2 Nr 1(§ 8 Abs 4 Nr 2 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat ua "das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.

17

Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem (Sonder-)Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs 1 S 1 AAÜG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl § 5 aaO) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die weitere Einschränkung, dieses höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zu berücksichtigen, wird erst im Leistungsverfahren bedeutsam (dazu stellvertr BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 7 S 39 und BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 16). Das umstrittene Verpflegungsgeld wäre folglich nur dann zu berücksichtigen, wenn es - was vorliegend allein in Betracht kommt - "Arbeitsentgelt" iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG gewesen wäre.

18

Dieser Begriff bestimmt sich nach § 14 SGB IV, wie der 4. Senat des BSG (SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 24 ff) bereits entschieden hat, der früher für das Recht der Rentenüberleitung zuständig gewesen ist. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Kann danach im ersten Prüfungsschritt das Vorliegen von Arbeitsentgelt in diesem Sinne bejaht werden, ist im zweiten festzustellen, ob sich auf der Grundlage von § 17 SGB IV iVm § 1 ArEV idF der Verordnung zur Änderung der ArEV und der Sachbezugsverordnung 1989 vom 12.12.1989 (BGBl I 2177) ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt allein dann in Betracht, wenn ua "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen" zu Löhnen oder Gehältern "zusätzlich" gezahlt werden und lohnsteuerfrei sind. Nur wenn daher kumulativ beide Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ausnahmsweise Beitragsfreiheit, während umgekehrt das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes logisch und rechtlich nicht allein im Blick auf die Steuerfreiheit von Einnahmen bejaht werden kann. Soweit es insofern auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1.8.1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich (BSG aaO RdNr 35 ff). Hiervon geht zutreffend auch das Berufungsgericht aus.

19

Allerdings erfordert die Anwendung bundesrechtlicher Maßstabsnormen unter Berücksichtigung der genannten Prüfungsschritte die vollumfängliche Ermittlung und Feststellung des einschlägigen Sachverhalts durch die Tatsachengerichte. Hierzu gehört neben der Feststellung der Zahlungsmodalitäten im Einzelnen (vgl etwa BSG Urteil vom 7.5.2014 - B 12 R 18/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2400 § 17 Nr 1) auch die Feststellung und exakte zeitliche Zuordnung desjenigen DDR-Rechts, aus dem sich der Sinn der in Frage stehenden Verpflegungsgelder ergibt (BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 29). Dessen abstrakt-generelle Regelungen dienen insofern - nicht anders als bei der Bestimmung von Zeiten der Zugehörigkeit nach § 5 AAÜG(BSG SozR 4-8570 § 5 Nr 10 RdNr 18 ff) - als "generelle Anknüpfungstatsachen".

20

Die bisherigen Feststellungen des LSG zu den Zahlungsmodalitäten sind jedenfalls deshalb nicht hinreichend schlüssig und für das BSG verbindlich, weil es diese auch auf die im sozialgerichtlichen Verfahren unerhebliche "Unstreitigkeit" zwischen den Beteiligten stützt (BSG Urteile vom 29.10.1958 - 3 RJ 244/55 - SozR Nr 31 zu § 103 SGG; vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 43 RdNr 16 und vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26). Feststellungen zu Zahlungszwecken unter Heranziehung von DDR-Recht fehlen im angefochtenen Urteil vollständig. Dies wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben und die jeweils einschlägigen Regelungen des DDR-Rechts unter Angabe ihres räumlichen, zeitlichen, sachlichen und personalen Geltungsbereichs ermitteln müssen, um aus ihnen generelle Schlussfolgerungen zu ziehen. Denn vor allem steuerrechtlich kommt eine Bestätigung der abschließenden Qualifizierung von Zahlungen als Einkommen durch die Berufungsgerichte erst dann in Betracht, wenn abschließend feststeht, dass sich diese nicht als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen und auch kein Tatbestand der Steuerfreiheit im bundesdeutschen Recht erfüllt ist. Im Rahmen seiner erneuten bundesrechtlichen Würdigung wird das Berufungsgericht zudem in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht zu beachten haben, dass sich der Rücknahmeanspruch des Klägers aus § 44 Abs 2 SGB X ergibt, und die Entscheidung über Rücknahme der bestandskräftigen Feststellungen im Überführungsbescheid für die Vergangenheit demzufolge grundsätzlich im Ermessen der Beklagten steht.

21

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

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bei uns veröffentlicht am 23.08.2011

Tenor Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R

bei uns veröffentlicht am 15.06.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 2008 aufgehoben.
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 RS 2/13 R.

Bundessozialgericht Beschluss, 28. Feb. 2017 - B 5 RS 45/16 B

bei uns veröffentlicht am 28.02.2017

Tenor Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 28. Feb. 2017 - B 5 RS 42/16 B

bei uns veröffentlicht am 28.02.2017

Tenor Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Jan. 2017 - B 5 RS 44/16 B

bei uns veröffentlicht am 18.01.2017

Tenor Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 19. Nov. 2015 - L 1 RS 33/12

bei uns veröffentlicht am 19.11.2015

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. August 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Der Rech

Referenzen

(1) Der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehört auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet. Für Zeiten, die ohne Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem im Ausweis für Arbeit- und Sozialversicherung einzutragen gewesen wären, ist dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung getrennt für jedes Kalenderjahr für die Anwendung des § 252a Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch die Summe der Arbeitsausfalltage mitzuteilen; dabei zählen je sieben Kalendertage des Arbeitsausfalls als fünf Arbeitsausfalltage. Der Versorgungsträger ist berechtigt, die Daten nach Satz 1 auch von Dritten anzufordern. Diese haben dem Versorgungsträger

1.
über alle Tatsachen, die für die Durchführung der Überführung erforderlich sind, auf Verlangen unverzüglich Auskunft zu erteilen und
2.
auf Verlangen unverzüglich die Unterlagen vorzulegen, aus denen die Tatsachen hervorgehen.
Die Versorgungsträger nach Absatz 4 Nr. 2 und 3 nehmen die Ermittlung der Daten unter Berücksichtigung der bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorhandenen Daten vor. Satz 6 gilt auch für den Versorgungsträger nach Absatz 4 Nr. 1, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, zu dem in § 7 Abs. 2 genannten Personenkreis gehört.

(2) Der Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von §§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7 ergeben.

(3) Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Absatz 2 durch Bescheid bekanntzugeben. Die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(4) Versorgungsträger sind

1.
die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 27 und,
2.
die Funktionsnachfolger gemäß Artikel 13 des Einigungsvertrages für die Sonderversorgungssysteme der Anlage 2.
3.
(weggefallen)

(5) Der für die Feststellung der Leistungen zuständige Träger der Rentenversicherung ist für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung zuständig. Er ist an den Bescheid des Versorgungsträgers gebunden.

(6) Die Versorgungsträger sind berechtigt, untereinander Vereinbarungen über die Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz zu treffen, soweit hierdurch nicht eine andere Zuordnung der aufgrund der Überführung entstehenden Aufwendungen erfolgt. Für Personen mit in die Rentenversicherung überführten Anwartschaften gelten für die Durchführung der Versicherung und die Feststellung von Leistungen unbeschadet der Zuständigkeit nach Absatz 5 Satz 1 die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch. § 126 Abs. 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) ist bei Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1993 mit der Maßgabe anzuwenden, daß für die Feststellung der Leistungen die Deutsche Rentenversicherung Bund zuständig ist. Ist bei Personen mit in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung für die Feststellung von Leistungen zuständig, stellt sie für die Deutsche Rentenversicherung Bund auch die sich aus der Überführung der Ansprüche ergebenden Leistungen oder Leistungsteile fest; im übrigen ist die Deutsche Rentenversicherung Bund berechtigt, mit anderen Trägern der Rentenversicherung Vereinbarungen über die Durchführung der Versicherung und die Feststellung von Leistungen zu treffen. Leistungen oder Leistungsteile, die auf in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen oder Anwartschaften beruhen, sind auch dann Aufwendungen im Sinne des § 15, wenn sie aufgrund der Sätze 2 bis 4 von einem anderen Träger der Rentenversicherung für die Deutsche Rentenversicherung Bund festgestellt oder ausgezahlt werden.

(7) Stehen für die Durchführung der Neuberechnung nach § 307c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch Unterlagen nicht oder nicht vollständig zur Verfügung und erklärt der Berechtigte glaubhaft, daß auch er über Unterlagen nicht verfügt und diese auch nicht beschaffen kann, ist von dem Vorbringen des Berechtigten über Art und Dauer der ausgeübten Beschäftigung sowie über den Bereich, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden ist, auszugehen, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte vor, daß dieses nicht zutrifft. § 6 Abs. 5 und 6 ist nur anzuwenden, soweit ein Verdienst nicht auf andere Weise festgestellt werden kann.

(8) Liegen dem Versorgungsträger Anhaltspunkte dafür vor, daß der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, nicht nur Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem hat, teilt er dies und den entsprechenden Zeitraum dem Rentenversicherungsträger mit. Er übermittelt diesem auch die ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen, die zur Feststellung nicht in einem Versorgungssystem zurückgelegter rentenrechtlicher Zeiten erforderlich sind.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz ist für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 ist während der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem nach dem 30. Juni 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Betrag von 2 700 Deutsche Mark im Monat, vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 der Betrag von 3 000 Deutsche Mark im Monat und vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1991 der Betrag vom 3 400 Deutsche Mark im Monat maßgebend. Satz 1 und 2 gilt auch, wenn die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nach den §§ 67 und 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder durch andere Träger der Teilhabe am Arbeitsleben nach den für diese geltenden Vorschriften aus einem Einkommen vor dem 1. Juli 1990 ermittelt wird.

(2) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als

1.
Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
2.
Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
3.
Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
4.
Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
5.
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
6.
Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
7.
Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
8.
Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
9.
Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.

(3) (weggefallen)

(4) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit wird neben Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen weiteres im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit bezogenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt. Für Zeiten nach Satz 1 wird ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt, wenn für denselben Zeitraum Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind. Soweit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst zugrunde gelegt wird, gelten diese Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4.

(5) Für Zeiten, für die der Verdienst nicht mehr nachgewiesen werden kann, gelten § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sinngemäß. Der maßgebende Verdienst ist zu ermitteln, indem der jeweilige, im Falle des § 256c Abs. 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch der um ein Fünftel erhöhte Wert der Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch durch den Faktor der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch desselben Jahres geteilt wird. Der maßgebende Verdienst ist höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3, in den Fällen des Absatzes 2 oder 3 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag, der sich nach Anwendung von Absatz 2 ergibt, und in den Fällen des § 7 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zu berücksichtigen.

(6) Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

(7) Für die Feststellung des berücksichtigungsfähigen Verdienstes sind die Pflichtbeitragszeiten dem Versorgungssystem zuzuordnen, in dem sie zurückgelegt worden sind. Dies gilt auch, soweit während der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind oder Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem später in die freiwillige Zusatzrentenversicherung überführt worden sind.

(8) Für die Zuordnung der Zeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung sind die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden. Im übrigen werden die Zeiten der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet.

(9) Die Berechnungsgrundsätze des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz ist für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 ist während der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem nach dem 30. Juni 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Betrag von 2 700 Deutsche Mark im Monat, vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 der Betrag von 3 000 Deutsche Mark im Monat und vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1991 der Betrag vom 3 400 Deutsche Mark im Monat maßgebend. Satz 1 und 2 gilt auch, wenn die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nach den §§ 67 und 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder durch andere Träger der Teilhabe am Arbeitsleben nach den für diese geltenden Vorschriften aus einem Einkommen vor dem 1. Juli 1990 ermittelt wird.

(2) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als

1.
Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
2.
Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
3.
Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
4.
Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
5.
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
6.
Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
7.
Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
8.
Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
9.
Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.

(3) (weggefallen)

(4) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit wird neben Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen weiteres im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit bezogenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt. Für Zeiten nach Satz 1 wird ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt, wenn für denselben Zeitraum Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind. Soweit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst zugrunde gelegt wird, gelten diese Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4.

(5) Für Zeiten, für die der Verdienst nicht mehr nachgewiesen werden kann, gelten § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sinngemäß. Der maßgebende Verdienst ist zu ermitteln, indem der jeweilige, im Falle des § 256c Abs. 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch der um ein Fünftel erhöhte Wert der Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch durch den Faktor der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch desselben Jahres geteilt wird. Der maßgebende Verdienst ist höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3, in den Fällen des Absatzes 2 oder 3 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag, der sich nach Anwendung von Absatz 2 ergibt, und in den Fällen des § 7 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zu berücksichtigen.

(6) Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

(7) Für die Feststellung des berücksichtigungsfähigen Verdienstes sind die Pflichtbeitragszeiten dem Versorgungssystem zuzuordnen, in dem sie zurückgelegt worden sind. Dies gilt auch, soweit während der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind oder Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem später in die freiwillige Zusatzrentenversicherung überführt worden sind.

(8) Für die Zuordnung der Zeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung sind die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden. Im übrigen werden die Zeiten der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet.

(9) Die Berechnungsgrundsätze des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin ab dem 18.9.2009 für die Beschäftigung, die sie bei der Beigeladenen zu 1. ausübt, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Die 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin. Die Beigeladene zu 1. betreibt ein Beratungsunternehmen für betriebliche Altersversorgung und Vergütung; ihre Rechtsabteilung besteht ausschließlich aus Volljuristen. Die Beigeladene zu 2. leistet ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung (Bekanntmachung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.7.1985, JMBl NW 172) und des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW) vom 6.11.1984 (GVBI NW 684).

3

Im Herbst 1999 bewarb sich die Klägerin erfolgreich bei der Beigeladenen zu 1. auf die Stelle einer "Jurist/in in dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung" und nahm am 1.2.2000 in der Rechtsabteilung eine Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" gegen Entgelt auf (Anstellungsvertrag vom 26.1.2000). Als solche ist sie weisungsgebunden, fachlich jedoch unabhängig. Sie betreut und berät versicherungsrechtliche Fragestellungen (Einrichtung, Durchführung und Änderung) der Versorgungs- und Vergütungssysteme rechtlich umfassend, beantwortet sämtliche steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen, verhandelt selbständig mit Geschäftspartnern, tritt als Referentin bei Vorträgen auf, bearbeitet anspruchsvolle Grundsatz- und Projektarbeit im Bereich "Betriebliche Altersversorgung und Vergütung" und nimmt an wesentlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen bei steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen teil (Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 und Stellungnahme der Beigeladenen zu 1. vom 17.3.2011). Ihrer rechtlichen Bewertung wird im Unternehmen der Beigeladenen zu 1. hohes Gewicht beigemessen. Allerdings trifft sie - wegen des im Unternehmen praktizierten Vier-Augen-Prinzips - Entscheidungen nicht allein, sondern nur im Einvernehmen mit den Vorgesetzten, insbesondere mit ihrem Abteilungsleiter, der zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist. Nach § 6 des Anstellungsvertrags vom 26.1.2000 benötigt sie für entgeltliche oder unentgeltliche Nebenbeschäftigungen sowie Veröffentlichungen und Vorträge die vorherige schriftliche Zustimmung der Beigeladenen zu 1. Die Klägerin betrieb ihre Zulassung zur Rechtsanwältin zunächst nicht, weil die Beigeladene zu 1. dies nicht wünschte.

4

Anfang 2009 übernahm die Klägerin den Kundenstamm und die Aufgaben einer Kollegin, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen war. In einer Freistellungserklärung vom 5.3.2009 erklärte sich die Beigeladene zu 1. unwiderruflich damit einverstanden, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin als Rechtsanwältin arbeiten und während der Dienststunden anwaltliche Termine wahrnehmen dürfe. Denn aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der Firmenpolitik sollten auf Wunsch der Beigeladenen zu 1. nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen (ohne Änderung des Anstellungsvertrags) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein.

5

Am 8.7.2009 beantragte die Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) D. ihre Zulassung als Rechtsanwältin, fügte die Freistellungserklärung vom 5.3.2009 sowie die Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 bei und gab an, sie werde ihre Kanzlei in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1. einrichten. Der Vorstand der RAK teilte ihr mit, er habe ihren Antrag "bezüglich der Syndikustätigkeit" bei der Beigeladenen zu 1. geprüft und keine Bedenken geltend gemacht (Schreiben vom 8.9.2009). Am 18.9.2009 wurde die Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, gleichzeitig Mitglied der RAK D. und damit nach § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. deren Pflichtmitglied. Ab diesem Zeitpunkt schloss sie bei der A. Versicherung AG eine Berufshaftpflichtversicherung für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin zu einem Sonderjahresbeitrag von 97 EUR ab, der ihr wegen einer nur nebenberuflich ausgeübten freien Anwaltstätigkeit gewährt wurde. Die Klägerin teilt ihre Büroräume bei der Beigeladenen zu 1. mit einem weiteren Mitarbeiter ("Doppelbüro"), hat dort kein Kanzleischild, das auf ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin hinweist, und führt auch keine eigenen, der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Rechtsanwaltsakten. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit hat sie nicht erzielt.

6

Am 25.11.2009 beantragte die Klägerin, sie wegen ihrer berufsspezifischen anwaltlichen Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Die Beigeladene zu 1. erklärte dazu, die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", fertige Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung und für andere Abteilungen und sei im Abstimmungsprozess für die zu treffenden Entscheidungen beteiligt. Nebenberufliche Beschäftigungen bedürften keiner "vorherigen Genehmigung". Die Klägerin dürfe unwiderruflich neben ihrer Tätigkeit als Angestellte eine Anwaltspraxis ausüben und sich zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine ohne Erlaubnis im Einzelfall jederzeit von ihrem Dienstplatz entfernen (Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 11.6.2010). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht rechtsentscheidend tätig sei und deshalb keine anwaltliche Tätigkeit ausübe (Bescheid vom 20.7.2010 und Widerspruchsbescheid vom 24.11.2010).

7

Das SG Duisburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 7.5.2013): Sie habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Klägerin sei nicht "wegen" ihrer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" bei der Beigeladenen zu 1. Mitglied der RAK D. und diese Beschäftigung verpflichte sie auch nicht kraft Gesetzes, Mitglied der RAK D. zu sein oder zu werden. Da sie aufgrund der restriktiven Zulassungspraxis und der Rechtsprechung des BGH damit gerechnet habe, dass ihr die RAK die Rechtsanwaltszulassung gerade wegen der abhängigen Beschäftigung bei einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin versagen würde, habe sie im Zulassungsverfahren lediglich angegeben, den Rechtsanwaltsberuf neben ihrer abhängigen Beschäftigung auszuüben. Damit sei die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im vorgesehenen Rechtsweg umgangen und de facto versucht worden, die Zulassungsentscheidung auf die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu verlagern. Dies verletze das Prinzip von Treu und Glauben und verstoße gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Im Befreiungsverfahren habe sie dagegen behauptet, in ihrer abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwältin tätig zu sein, obwohl sie dort keine Kanzlei oder Zweigstelle eingerichtet habe (§ 27 BRAO), keine Anwaltsakten führe (§ 50 BRAO), keine Maßnahmen zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ergriffen (§ 43a BRAO) und die hauptberufliche Tätigkeit nicht haftpflichtversichert habe (§ 51 Abs 1 BRAO). Damit erfülle sie weder die Berufspflichten noch die Rahmenbedingungen, die der Deutsche Anwaltsverein (DAV) im Merkblatt für sog "Syndikusanwälte" aufgestellt habe. Berücksichtige man schließlich, dass die Klägerin mit der Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin offenbar keine Einnahmen erziele, so liege die Annahme nahe, dass der Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht rechtsmissbräuchlich auf eine Pro-Forma-Zulassung gestützt werde. Dieses Vorgehen werde in der juristischen Literatur als "Mogelpackung" bezeichnet, wobei "Phantasieerklärungen" wie die der Beigeladenen zu 1., die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", zum "Top" der "Zulassungsmogelei" gehörten.

8

Zudem sei die Klägerin nicht "wegen der" abhängigen Beschäftigung "kraft gesetzlicher Verpflichtung" Mitglied einer berufsständischen Kammer. Diese setze eine Tätigkeit voraus, deren rechtmäßige Ausübung gesetzlich zwingend die Zulassung zur Anwaltschaft und damit zugleich zwingend die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer nach sich ziehe. Als "juristische Mitarbeiterin" benötige die Klägerin keine besondere Zulassung iS von § 3 RDG, weil sie keine "fremden Angelegenheiten" iS von § 2 Abs 1 RDG besorge; in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin dürfe sie nicht für die Beigeladene zu 1. tätig werden (§ 46 Abs 1 BRAO).

9

Der enge Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI könne nicht mit Hilfe der sog "Vier-Kriterien-Theorie" erweiternd ausgelegt werden, wonach die zu befreiende Tätigkeit kumulativ rechtsberatende, -entscheidende, -vermittelnde und -gestaltende Elemente enthalten müsse. Denn diese vagen und praxisuntauglichen Kriterien, die erhebliche Abgrenzungs- und Definitionsprobleme schüfen und zu unvorhersehbaren Entscheidungen führten, erfüllten auch viele Steuerberater, Rentenberater, Mitarbeiter von Inkassodiensten etc, während sie angestellte Rechtsanwälte bei anwaltlichen Arbeitgebern häufig verfehlten. Das SGB VI koordiniere mit der Befreiungsmöglichkeit die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung und vermeide eine doppelte Beitragspflicht zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen, auch wenn dies weder primäres Ziel des Gesetzes noch des historischen Gesetzgebers sei, wie bereits aus § 6 Abs 1 S 3 SGB VI folge. Jedenfalls müsse zwischen der berufsspezifischen Tätigkeit, für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung beansprucht werde, und dem Schutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung ein innerer Zusammenhang bestehen. Aus der Notwendigkeit einer "berufsspezifischen Tätigkeit" folge aber nicht im Umkehrschluss, dass jede "berufsspezifische" Tätigkeit allein bereits für die Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI genüge. Dessen ungeachtet sei die Klägerin aber auch nicht "rechtsentscheidend" tätig, weil sie für Entscheidungen das Einvernehmen ihrer Vorgesetzten benötige.

10

Die Befreiung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die abhängige Beschäftigung der Klägerin für die Beigeladene zu 1. gemeinsam mit der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit eine einheitliche anwaltliche Berufsausübung darstelle. Da die selbständige Rechtsanwaltstätigkeit von vornherein rentenversicherungsfrei sei, strahle sie weder auf die abhängige Hauptbeschäftigung aus noch könnten beide zu einem einheitlichen Anwaltsberuf verschmelzen, der insgesamt zu einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führe. Vielmehr handele es sich bei der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit und der Beschäftigung als angestellte juristische Mitarbeiterin um zwei zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die voneinander unabhängig durch das Berufsausübungsrecht (BRAO einerseits und arbeitsrechtliche Vorschriften andererseits) mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet seien, steuerrechtlich unterschiedlich behandelt würden (Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung einerseits und aus selbständiger Erwerbstätigkeit andererseits) und deshalb eine getrennte Betrachtung erforderten (sog Doppelberufstheorie). Gerade deshalb strebe der DAV eine Änderung des § 46 BRAO an. Dass die Beigeladene zu 1. nunmehr (unverständlicherweise) wünsche, dass alle in ihrer Rechtsabteilung tätigen Volljuristen als Rechtsanwälte zugelassen seien, könne daran nichts ändern, weil die Frage, ob ein angestellter Jurist die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfülle, nicht der Disposition des Arbeitgebers unterliegen könne. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als sich der Charakter der abhängigen Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. nach und durch die Zulassung zur Anwaltschaft nicht verändert habe. Die Klägerin sei seit ihrer Zulassung als Rechtsanwältin keine sog "Syndikusanwältin" iS des § 46 BRAO und als solche auch nicht per se von der Versicherungspflicht zu befreien. Denn es stehe weder fest noch sei festzustellen, was unter dem (operationalen) Begriff "Syndikusanwalt" überhaupt zu verstehen sei. Jedenfalls werde die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht als Rechtsanwältin tätig, wie dies § 46 BRAO erfordere, weil sie diese Tätigkeit bis heute nicht entsprechend den zwingenden Formvorschriften der BRAO ausübe. Folgerichtig habe die Beigeladene zu 1. die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch nicht zur Einstellungsvoraussetzung gemacht. Aber selbst wenn man die Klägerin als "Syndikusanwältin" ansähe, könnte sie für ihre Tätigkeit als "juristische Mitarbeiterin" nicht befreit werden. Dieses Ergebnis stehe mit der Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG und des BGH in Einklang.

11

Schließlich könne die Klägerin einen Befreiungsanspruch auch nicht aus den Verwaltungsrichtlinien der Beklagten iVm Art 3 Abs 1 GG herleiten. Selbst wenn zahlreiche andere Versicherte bei vergleichbarer Sach- und Rechtslage von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - rechtswidrig - befreit worden seien, ergebe sich daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Soweit sie beantragt habe, den Präsidenten der RAK D. dazu als Zeugen zu vernehmen, dass sie wegen ihrer Tätigkeit in Diensten der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin zugelassen worden sei, sei dies nicht entscheidungserheblich und stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

12

Dagegen hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 3 SGB VI) und formellen (§§ 103, 202 SGG, § 548 ZPO)Rechts: Zu Unrecht interpretiere die angefochtene Entscheidung - die in der bisherigen Rechtsprechung eine absolute Alleinstellung aufweise - das Tatbestandsmerkmal "wegen" wortlautgetreu in einem konditionalen Sinn. Ein solches Verständnis sei jedoch nicht zwingend. Bei historischer und teleologischer Interpretation solle die Präposition vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog Vier-Kriterien-Theorie, die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte habe die Vierkriterienformel in ihr Merkblatt für nichtanwaltliche Arbeitgeber übernommen; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer, letztlich undefinierbarer Berufsstand. Wende man die Vier-Kriterien-Theorie an, so könne das Kriterium "rechtsentscheidend" vorliegend nicht verneint werden. Denn Unternehmensentscheidungen treffe immer nur der Unternehmer und nicht sein Anwalt. Dieser könne nur durch den richtigen Rat dazu beitragen, dass der Mandant die richtige Entscheidung treffe. Insofern sei jeder Anwalt - wie auch die Klägerin - lediglich in den unternehmerischen Entscheidungsprozess eingebunden. Kein Mandant sei gezwungen, dem anwaltlichen Rechtsrat zu folgen. Dass er beratungsresistent sei, weil andere Gründe (Opportunität, Subjektivität, außerrechtliche Gründe, Starrsinn, Dummheit etc) mehr Gewicht hätten, gehöre zum anwaltlichen Alltag. Auch selbständige Anwälte hätten auf Weisung des Mandanten in einer Weise zu agieren, die ihrem eigenen Vorschlag widerspreche, wenn nur der Mandant hinreichend belehrt und das Tätigwerden nicht gegen Berufsregeln oder Berufsethik verstoße. Denselben Kautelen unterliege der Syndikusanwalt.

13

Aus systematischer Sicht sei § 6 SGB VI keine Ausnahmevorschrift, sondern Kollisionsnorm, die einer extensiven Auslegung zugänglich sei. Andernfalls wären die Anwaltschaft und alle verkammerten freien Berufe von jeglicher Fortbildung ihrer Berufsbilder abgeschnitten, was den Regelungsbereich des Art 12 GG berühre. Verfassungsrechtlich sei eine Gleichstellung der Syndikusanwälte geboten. Soweit sich das LSG auf die sog Doppelberufstheorie des BGH berufe, betreffe sie nur das anwaltliche Berufsrecht, nicht jedoch das Sozialversicherungsrecht. Dasselbe gelte für die Reformüberlegungen des DAV. Etwaige berufsrechtliche Defizite seien sozialrechtlich bedeutungslos. Denn sozialversicherungsrechtlich sei allein die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend, sodass weite Strecken der Bezugnahme auf Berufsrecht (Haftpflicht, Verschwiegenheit, Kanzleischild) im angefochtenen Urteil an der Sache vorbeigingen. Vor diesem Hintergrund seien die Vorhaltungen und Unterstellungen des LSG mit Nachdruck zurückzuweisen, die Klägerin habe im Wege einer Mogelpackung in kollusivem Zusammenwirken mit der Arbeitgeberin den Weg in die Anwaltschaft und das Befreiungsrecht erschlichen und sei nur eine Art Scheinanwältin. Das LSG übersehe, dass die Beigeladene zu 1. von der erstrebten Befreiung beitragsrechtlich nicht profitiere und angestellte Anwälte für sie nicht "bequemer" als bloße Volljuristen seien. Vielmehr wolle die Beigeladene zu 1. ihre Juristen durch die Anwaltszulassung "auf gleiche Augenhöhe" mit externen Anwälten, aber auch mit Behörden stellen und von der "Reputation" profitieren, die ein Anwalt als Organ der Rechtspflege habe. Vor allem aber habe der unabhängige Rechtsrat unabhängiger Anwälte (§ 3 BRAO) mit vollständiger fachlicher Autonomie für den Arbeitgeber besonderen Wert. Vor diesem Hintergrund sei es unschädlich, dass die Klägerin schon früher für die Beigeladene zu 1. als juristische Mitarbeiterin ohne Anwaltszulassung gearbeitet habe. Denn zwischenzeitlich habe sich die Firmenpolitik der Beigeladenen zu 1. insoweit grundlegend geändert, dass nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen zur Anwaltschaft zugelassen werden sollten, nebenberufliche Beschäftigungen nicht mehr genehmigungspflichtig seien und die Klägerin (auch inhaltlich) nicht mehr "am engen Direktionszügel geführt" werde. Zu Unrecht habe das LSG schließlich den Beweisantrag übergangen, weil der Präsident der RAK D. bestätigt hätte, dass die Klägerin (auch) "wegen" ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin in dem vom LSG für richtig gehaltenen Sinne zugelassen worden sei. Ferner sei die Fünf-Monats-Frist zur Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle überschritten und das Urteil deshalb nicht mit Gründen versehen.

14

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. Februar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 24. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie ab dem 18. September 2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

15

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

16

Sie meint, das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sei keine Kollisionsregelung, sondern räume dem Mitglied des berufsständischen Versorgungswerks im Falle einer Doppelversicherung das Gestaltungsrecht ein, sich durch einen Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen, um sich die doppelte Beitragspflicht zu ersparen. Für den befreiungsnotwendigen Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit einerseits und den Pflichtmitgliedschaften in der Berufskammer und im berufsständischen Versorgungswerk anderseits komme es entscheidend auf die inhaltliche Ausgestaltung der konkret ausgeübten Tätigkeit an. Diese müsse einem Volljuristen vorbehalten sein und kumulativ rechtsberatende, -gestaltende, -entscheidende und -vermittelnde Merkmale aufweisen. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsentscheidend tätig. Soweit sie dies bestreite, fehle eine substantielle Begründung. Stattdessen rüge sie lediglich, dass das LSG auf eine Anhörung von Repräsentanten der Anwaltschaft verzichtet und sich daher keinen hinreichenden Einblick in die vielfältige betriebliche Praxis von mehr als 20 000 Unternehmensanwälten verschafft habe. Welche Erkenntnisse aus der vielfältigen Praxis für die Beurteilung der konkreten Beschäftigung der Klägerin zu gewinnen gewesen wären, bleibe aber offen. Für die Ausübung der konkreten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. sei die Zulassung zur Anwaltschaft keine notwendige Voraussetzung gewesen, denn vor und nach der Zulassung seien dieselben Arbeiten ausgeführt worden. Dabei sei unbeachtlich, dass die Beigeladene zu 1. erst keine und später dann doch zugelassene Rechtsanwälte beschäftigen wollte. Denn die Qualifizierung einer Tätigkeit könne nicht von der Disposition des Arbeitgebers abhängen. Das von der Klägerin betriebene Zulassungsverfahren dürfte daher einzig und allein dem Zweck gedient haben, die Altersvorsorge für die von ihr ausgeübte abhängige Beschäftigung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gestalten zu können. Fehle aber eine berufsrechtlich überwachte und qualitätsgesicherte Berufstätigkeit im Kammerberuf, dann sei der von der Klägerin zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "wegen" in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für ausreichend gehaltene sachliche Zusammenhang zwischen der ausgeübten Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und der kammerberuflichen Tätigkeit nicht herzustellen.

17

Die Beigeladene zu 2., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das angefochtene Urteil sei bereits im Ansatz verfehlt, weil die BRAO keine Beschäftigung definiere, "wegen der" Kammerzugehörigkeit in einer RAK bestehen müsse. Vielmehr stelle jeder Rechtsanwalt seinen Zulassungsantrag ausschließlich für sich selbst. Soweit das LSG rüge, die Klägerin habe ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht wegen ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. betrieben, sei einzuwenden, dass das anwaltliche Berufsrecht eine derartige "Spezialzulassung" überhaupt nicht kenne. Die Klägerin sei richtigerweise zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden; ob ihre Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber als anwaltliche Tätigkeit einzustufen sei, prüfe die RAK nicht. Die Freistellungserklärung stelle lediglich ihre Unabhängigkeit in der Mandatswahrnehmung außerhalb ihres Dienstverhältnisses sicher. Der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen der konkreten Tätigkeit und den Pflichtmitgliedschaften in Kammer und berufsständischer Versorgung sei mit Hilfe der Vier-Kriterien-Theorie zu beurteilen, die die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis anwende, in der Literatur zustimmend aufgenommen worden sei und auch in der sozialgerichtlichen Instanzrechtsprechung Gefolgschaft gefunden habe. BRAK und DAV hätten ebenfalls zustimmende Beschlüsse gefasst. Lehne man die Vier-Kriterien-Theorie ab, müsse die Negativabgrenzung über das Merkmal "berufsfremd" erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BSG liege eine berufsfremde Tätigkeit vor, wenn die konkrete Beschäftigung nicht durch schwerpunktmäßig in Ausbildung und Beruf typischerweise gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen geprägt sei. Im Übrigen sei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI keine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- oder Koordinationsnorm. Sie solle verhindern, dass die betroffenen Berufsgruppen mit einer doppelten Beitragszahlungspflicht belastet werden, und damit zugleich verfassungsrechtlich (Art 12 Abs 1 GG) gewährleisten, dass Volljuristen nicht von der Wahl des Rechtsanwaltsberufes abgehalten werden. Art 12 GG erlaube jedem Rechtsanwalt, Rechtsrat auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages zu erteilen. Wenn dieser "Zweitberuf" die vier Kriterien (Rechtsberatung, -gestaltung, -vermittlung und -entscheidung) erfülle, sei der Rechtsanwalt auch insoweit Rechtsanwalt und nicht in sonstiger Weise tätig. Dagegen sei die Doppelberufstheorie mit einer tätigkeitsbezogenen Betrachtung im Einzelfall, wie sie § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gebiete, unvereinbar, zumal der Syndikusanwalt einen einheitlichen Beruf ausübe, nämlich den des Rechtsanwalts an zwei Arbeitsstellen. Folglich handele es sich nicht um eine "eigene Berufsgruppe", sondern um einen integralen Teil der Anwaltschaft. Damit sei auch die Behauptung des LSG widerlegt, bei den Syndikusanwälten handele es sich um eine die Sperrwirkung des § 6 Abs 1 S 3 SGB VI auslösende neu entstandene Berufsgruppe. Denn Syndikus-"Anwälte" gebe es schon seit über 125 Jahren. Dass sie ebenso "unabhängig" seien wie "freie" Rechtsanwälte, könne nicht ernsthaft bestritten werden. Denn beide unterlägen dem anwaltlichen Berufsrecht, das als öffentliches Recht zwingend und damit der Disposition durch die Parteien des Mandats- und Anstellungsvertrags entzogen sei. Mit der unbedingten rechtlichen Verpflichtung auf die Vertretung der wohlverstandenen Interessen ihrer Mandanten, der Verpflichtung zur Verschwiegenheit, der Vermeidung der Verfolgung widerstreitender Interessen und der unbedingten Verpflichtung auf das Recht unterlägen Syndikusanwälte außerökonomischen Normen, sodass sie ihrer Funktion als "rechtliches Gewissen" des Unternehmens gerecht werden könnten.

18

Die Beigeladene zu 1. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts bestätigt und die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum ab dem 18.9.2009 gegen die Beklagte kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.

20

1. Allerdings hat die Klägerin die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN).

21

a) Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und ggf zu welchen (Leitherer aaO RdNr 12a). Das erfordert neben der Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers ungenutzt gebliebenen Beweismittels die konkrete Darlegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, in deren Licht der Beweisgegenstand rechtliche Bedeutung erlangt hätte und regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte. Eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Passagen des angegriffenen Urteils fehlt. Die Revisionsbegründung legt auch nicht dar, warum gerade aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts eine Kenntnis der allgemeinen betrieblichen Praxis bzw der Vorstellungen hiermit vertrauter Amtswalter hiervon unabdingbar der Entscheidungsfindung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Ebenso wird ein voraussichtliches Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gerade nicht behauptet; vielmehr trägt der Prozessvertreter der Klägerin ausdrücklich vor, er wisse nicht, was der Zeuge "wirklich" gesagt hätte.

22

b) Mit ihrer sinngemäß erhobenen Behauptung, das angefochtene Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor bzw erst nach Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden und mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt sei, rügt die Klägerin sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Ihr Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun. Wird mit der Revision geltend gemacht, ein Urteil sei nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist verspätet abgesetzt und daher nicht mit Gründen versehen, so ist dieser Verfahrensmangel nur dann ausreichend bezeichnet, wenn in der Begründung der Zeitpunkt der Niederlegung des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle angegeben ist (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 5 S 7 und SozR 1750 § 551 Nr 8). Ist dieser Zeitpunkt dem Revisionsführer unbekannt, muss zumindest dargelegt werden, dass und mit welchem Ergebnis versucht worden ist, den Inhalt des amtlichen Vermerks über den Zeitpunkt der Urteilsübergabe zu erfahren (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 6 S 12 und SozR 1750 § 551 Nr 9). Daran fehlt es. Folglich kann die Klägerin ihre Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen. Ebenso wenig zeigt die Revisionsbegründung auf, dass ausnahmsweise trotz Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, weil sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Hierfür enthält das Revisionsvorbringen keine konkreten fallbezogenen Anhaltspunkte, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwändigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

23

2. Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824), der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

24

3. Die Klägerin ist abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbringt die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. als juristische Mitarbeiterin nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Ob sie aufgrund ihrer entgeltlichen Beschäftigung auch (renten-)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI), kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, weil insbesondere Feststellungen des Berufungsgerichts zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) fehlen.

25

Dessen ungeachtet war eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) nicht geboten. Für das Ergebnis des Verfahrens ist unerheblich, ob die begehrte Befreiung bereits deshalb zu versagen ist, weil die Klägerin möglicherweise nicht versicherungspflichtig ist und es damit schon am notwendigen Interesse für die Stellung eines zulässigen Befreiungsantrags fehlt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen jedenfalls zur abschließenden Entscheidung über das Fehlen sonstiger notwendiger Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsrechts.

26

4. Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 18.9.2009 durch die RAK D. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde die Klägerin damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK D. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt, sodass der Zulassungsverwaltungsakt ungeachtet einer möglichen Rechtswidrigkeit weiterhin wirksam ist. Seine rechtsgestaltenden Wirkungen sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Unter anderem ist deshalb unerheblich, ob die Klägerin im Zulassungsverfahren Falschangaben gemacht hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung im Einzelnen vorgelegen haben und welche (Fehl-)Vorstellungen Amtswalter der RAK ggf bei Erlass des Zulassungsverwaltungsaktes hatten. Schon aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes kann es zudem nicht zu einer vom LSG - und Teilen der Anwaltschaft - befürchteten treuwidrigen (§ 242 BGB) und widersprüchlichen (venire contra factum proprium) "Umgehung des Rechtswegs" zu den ordentlichen Gerichten und ggf zum BVerfG und/oder EuGH kommen. Die Sozialgerichtsbarkeit entscheidet rechtlich grundsätzlich - mit Ausnahme der Fälle der Nichtigkeit - nicht, wer seinem Status nach Rechtsanwalt ist.

27

5. Das LSG hat zudem festgestellt, dass die Klägerin zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 2. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde die Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK D.

28

6. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert jedoch zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

29

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

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Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

31

7. Die Klägerin erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Ihre Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Ihre anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es - worauf bereits das LSG zutreffend hingewiesen hat - mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für ihre Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende Status begründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

32

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

33

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es entgegen der Revision nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

34

Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revision der anwaltlich vertretenen und ihrerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägerin mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

35

Entgegen der Revision ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

36

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: 'Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben'."

37

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

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In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

39

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

40

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

41

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

42

8. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.

43

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

44

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

45

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

46

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann erst recht nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

47

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschlüsse vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

48

e) Der von der Revision mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch führt die Revision nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts auf.

49

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Die Klägerin gehört als abhängig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem die Klägerin zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

50

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

51

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und entgegen der Behauptung der Klägerin allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich damit entgegen dem Einwand der Beigeladenen zu 2. nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

52

g) Ebenfalls entgegen der Revision ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013 , 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

53

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

54

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

55

h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - von der Klägerin im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in ihr Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

56

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

57

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

58

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der von der Klägerin repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehört auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet. Für Zeiten, die ohne Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem im Ausweis für Arbeit- und Sozialversicherung einzutragen gewesen wären, ist dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung getrennt für jedes Kalenderjahr für die Anwendung des § 252a Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch die Summe der Arbeitsausfalltage mitzuteilen; dabei zählen je sieben Kalendertage des Arbeitsausfalls als fünf Arbeitsausfalltage. Der Versorgungsträger ist berechtigt, die Daten nach Satz 1 auch von Dritten anzufordern. Diese haben dem Versorgungsträger

1.
über alle Tatsachen, die für die Durchführung der Überführung erforderlich sind, auf Verlangen unverzüglich Auskunft zu erteilen und
2.
auf Verlangen unverzüglich die Unterlagen vorzulegen, aus denen die Tatsachen hervorgehen.
Die Versorgungsträger nach Absatz 4 Nr. 2 und 3 nehmen die Ermittlung der Daten unter Berücksichtigung der bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorhandenen Daten vor. Satz 6 gilt auch für den Versorgungsträger nach Absatz 4 Nr. 1, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, zu dem in § 7 Abs. 2 genannten Personenkreis gehört.

(2) Der Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von §§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7 ergeben.

(3) Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Absatz 2 durch Bescheid bekanntzugeben. Die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(4) Versorgungsträger sind

1.
die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 27 und,
2.
die Funktionsnachfolger gemäß Artikel 13 des Einigungsvertrages für die Sonderversorgungssysteme der Anlage 2.
3.
(weggefallen)

(5) Der für die Feststellung der Leistungen zuständige Träger der Rentenversicherung ist für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung zuständig. Er ist an den Bescheid des Versorgungsträgers gebunden.

(6) Die Versorgungsträger sind berechtigt, untereinander Vereinbarungen über die Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz zu treffen, soweit hierdurch nicht eine andere Zuordnung der aufgrund der Überführung entstehenden Aufwendungen erfolgt. Für Personen mit in die Rentenversicherung überführten Anwartschaften gelten für die Durchführung der Versicherung und die Feststellung von Leistungen unbeschadet der Zuständigkeit nach Absatz 5 Satz 1 die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch. § 126 Abs. 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) ist bei Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1993 mit der Maßgabe anzuwenden, daß für die Feststellung der Leistungen die Deutsche Rentenversicherung Bund zuständig ist. Ist bei Personen mit in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung für die Feststellung von Leistungen zuständig, stellt sie für die Deutsche Rentenversicherung Bund auch die sich aus der Überführung der Ansprüche ergebenden Leistungen oder Leistungsteile fest; im übrigen ist die Deutsche Rentenversicherung Bund berechtigt, mit anderen Trägern der Rentenversicherung Vereinbarungen über die Durchführung der Versicherung und die Feststellung von Leistungen zu treffen. Leistungen oder Leistungsteile, die auf in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen oder Anwartschaften beruhen, sind auch dann Aufwendungen im Sinne des § 15, wenn sie aufgrund der Sätze 2 bis 4 von einem anderen Träger der Rentenversicherung für die Deutsche Rentenversicherung Bund festgestellt oder ausgezahlt werden.

(7) Stehen für die Durchführung der Neuberechnung nach § 307c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch Unterlagen nicht oder nicht vollständig zur Verfügung und erklärt der Berechtigte glaubhaft, daß auch er über Unterlagen nicht verfügt und diese auch nicht beschaffen kann, ist von dem Vorbringen des Berechtigten über Art und Dauer der ausgeübten Beschäftigung sowie über den Bereich, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden ist, auszugehen, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte vor, daß dieses nicht zutrifft. § 6 Abs. 5 und 6 ist nur anzuwenden, soweit ein Verdienst nicht auf andere Weise festgestellt werden kann.

(8) Liegen dem Versorgungsträger Anhaltspunkte dafür vor, daß der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, nicht nur Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem hat, teilt er dies und den entsprechenden Zeitraum dem Rentenversicherungsträger mit. Er übermittelt diesem auch die ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen, die zur Feststellung nicht in einem Versorgungssystem zurückgelegter rentenrechtlicher Zeiten erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 9.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die dabei erzielten Entgelte festzustellen.

2

Der im 1955 geborene Kläger absolvierte erfolgreich ein Studium an der Technischen Universität (TU) Dresden, Fachrichtung Gerätetechnik, und ist seit dem 9.10.1979 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplomingenieur" zu führen. Ab dem 1.9.1979 arbeitete er beim Volkseigenen Betrieb (VEB) I. zunächst als Konstrukteur, von Mai 1985 bis Oktober 1987 als Leitkonstrukteur Elektrotechnik/Elektronik und zuletzt als Leittechnologe für BMSR-Technik und Elektronik im Bereich der Produktion. Eine Versorgungszusage der AVItech erhielt er nicht.

3

Am 23.6.1990 erklärten der VEB I. und die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt), den VEB in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) umzuwandeln. Gleichzeitig übertrugen sie das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des VEB zum 1.6.1990 auf die neugegründete I. GmbH, die am 8.11.1990 ins Handelsregister eingetragen wurde.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften zu überführen, wies die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.9.2003 zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.6.2004). Seine Klage erklärte der Kläger für erledigt, nachdem sich die Beklagte verpflichtet hatte, ihre Rechtsansicht zu überprüfen.

5

Mit Überprüfungsbescheid vom 6.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2007 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 10.9.2003 zurückzunehmen und die Beschäftigungszeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 im Zusatzversorgungssystem der AVItech anzuerkennen, weil der VEB I. weder zu den volkseigenen noch zu den gleichgestellten Produktionsbetrieben gezählt habe.

6

Das Sozialgericht (SG) Dresden hat die Beklagte verpflichtet, die Zeit vom 9.10.1979 bis 30.6.1990 nebst der erzielten Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVItech festzustellen (Gerichtsbescheid vom 19.12.2007). Auf die Berufung der Beklagten hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage vollumfänglich abgewiesen (Urteil vom 21.10.2008): Der Kläger sei am 30.6.1990 in keinem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und auch in keinem gleichgestellten Betrieb, sondern in der seit dem 1.6.1990 bestehenden I. GmbH in Gründung (i.G.) beschäftigt gewesen. Denn zum 1.6.1990 sei das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des VEB auf die GmbH i.G. übergegangen. Seitdem habe der VEB als Wirtschaftseinheit de facto nicht mehr existiert und deshalb auch am Markt keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr entfalten können. Bis zur Eintragung der GmbH ins Handelsregister habe der VEB nur noch als "leere Hülle" weiterbestanden. Am 30.6.1990 habe die Vor-GmbH die wirtschaftliche Tätigkeit bereits aufgenommen und den VEB vollständig abgelöst gehabt. Damit sei der Kläger am Stichtag nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb, sondern in einer GmbH i.G. tätig gewesen, die der betriebliche Geltungsbereich der AVItech nicht erfasse. In der Gründungsphase bis zur Eintragung der GmbH in das Handelsregister habe zwischen Vor-GmbH und VEB keine Identität bestanden. Zwar sei die Umwandlung erst mit der Eintragung der GmbH ins Handelsregister am 8.11.1990 wirksam geworden. Gleichwohl seien dem VEB am 1.6.1990 sämtliche Betriebsmittel entzogen und auf die GmbH i.G. übertragen worden. Deshalb habe der VEB am 30.6.1990 nicht mehr als produzierender Betrieb am Wirtschaftsleben teilnehmen können. Versorgungsrechtlich bedeutungslos sei schließlich, dass die Umwandlungserklärung vom 23.6.1990 durch das "Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)" vom 17.6.1990 (GBl DDR I 300) am 1.7.1990 "überholt" worden sei. Dadurch seien Vermögensübertragungen und Vorgesellschaftsgründungen vor dem 1.7.1990 keinesfalls rückwirkend ungültig geworden. Denn das Treuhandgesetz habe die Umwandlungen beschleunigen und erleichtern, eingeleitete Umwandlungsvorgänge aber keinesfalls unterbrechen oder verzögern wollen.

7

Mit der Revision, die das Bundessozialgericht (BSG) zugelassen hat, rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG annehme, der VEB habe sein Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft rückwirkend zum 1.6.1990 auf eine Vor-GmbH übertragen, sei bereits zweifelhaft, ob das Wirtschaftsrecht der DDR eine Vor-GmbH als Rechtsfigur überhaupt gekannt habe. Zudem sei eine Vermögensübertragung im Hinblick auf § 19 Abs 1 Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB-DDR) vom 19.6.1975 (GBl DDR I 465) auch insoweit schwierig, als die ehemals volkseigenen Wirtschaftseinheiten nicht Eigentümer des Betriebsvermögens gewesen seien, sondern nur die Stellung eines besitz- und nutzungsberechtigten Fondsinhabers inne gehabt hätten. Auf jeden Fall seien die tatsächlichen Produktionsmittel bis zur Eintragung der GmbH ins Handelsregister im Besitz des VEB geblieben. Darüber hinaus habe das BSG nie verlangt, dass am 30.6.1990 tatsächlich noch produziert worden sei, sondern vielmehr allein auf die Zweck- bzw Ausrichtung des volkseigenen Produktionsbetriebs abgestellt. Außerdem sei zu bedenken, dass die Fondsinhaberschaft bereits ab dem 1.3.1990 auf die Treuhandanstalt übergegangen sei und die volkseigenen Betriebe verpflichtet gewesen seien, die Umwandlung einzuleiten. Habe sich der Beschäftigungsbetrieb rechtmäßig verhalten und die Umwandlung eingeleitet, könnten seine Arbeitnehmer die Voraussetzungen einer fiktiven Einbeziehung praktisch nicht erfüllen. Dies gefährde die Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung.

8

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Dezember 2007 zurückzuweisen.

9

           

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

11

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 19.12.2007 wiederherzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 6.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2007 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, ihren (Ursprungs-)Bescheid vom 10.9.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.6.2004 zurückzunehmen sowie die Beschäftigungszeit vom 9.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

12

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein(iS von § 45 Abs 1 SGB X) nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 Satz 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von § 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht oder "Beiträge" zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 Satz 2 aaO). Im Übrigen "kann" (Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, also über die Fälle des Abs 1 Satz 1 aaO hinaus, für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 2 Satz 2 aaO).

13

Die Bestimmung des § 44 SGB X, die im 1. Kapitel des SGB X steht, ist auch im Rahmen des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) anwendbar. Denn nach Anl I Kap VIII Sachgebiet D Abschn III Nr 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - im Folgenden: EinigVtr) gilt das Erste Kapitel des SGB X seit dem 1.1.1991 ua für den Sachbereich der Rentenversicherung. Hierzu zählen nach ständiger Rechtsprechung des BSG (seit BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) alle - aus der Sicht des Bundesrechts - öffentlich-rechtlichen Regelungen, die thematisch dem Rentenversicherungsrecht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) entsprechen oder vom EinigVtr in einen inneren, sachlichen Zusammenhang mit diesem gestellt worden sind. Dies gilt insbesondere für Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die im EinigVtr Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 geregelt worden sind (vgl dazu ausführlich BSGE 77, 253, 257 = SozR 3-8570 § 13 Nr 1 S 5).

14

Nach § 44 Abs 2 SGB X, der hier allein in Betracht kommt, ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Der bestandskräftige Ablehnungsbescheid vom 10.9.2003, der keinen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (nicht begünstigender Verwaltungsakt iS von § 45 Abs 1 SGB X)und noch nicht erledigt ist, wäre im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe (anfänglich) rechtswidrig gewesen, wenn die Zeit vom 9.10.1979 bis 30.6.1990 sowie die damals erzielten Entgelte als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVItech festzustellen gewesen wären.

15

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

16

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft trat (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

17

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

18

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

19

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f, SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

20

           

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Die Norm selbst gibt nicht abschließend zu erkennen, nach welchen rechtlichen Kriterien sich der "Anwartschaftserwerb" im allein maßgeblichen Sinne des Bundesrechts vollzogen haben muss. Die nähere Bestimmung dieser Kriterien ist indessen

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auf der Grundlage der im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1.8.1991 geltenden originären bundesrechtlichen Regelungen im EinigVtr sowie

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nachrangig und lückenfüllend auf der Grundlage der Regelungen der Versorgungssysteme der DDR möglich, wenn und soweit sie seit dem 3.10.1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden waren (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 55).

21

1. Der EinigVtr (Art 9 Abs 2 iVm Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a; aaO Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 ) hat ab dem 3.10.1990 Neueinbeziehungen in einem noch nicht geschlossenen System ausdrücklich untersagt (EinigVtr Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbs 2) und durch EinigVtr Nr 8 iVm § 22 Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) vom 28.6.1990 (GBl DDR I 495), in Kraft getreten am 1.7.1990 (§ 36 RAnglG) bekräftigt, dass Neueinbeziehungen bereits seit dem Beginn der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1.7.1990 nicht wirksam werden können. Die originäre bundesrechtliche Prüfung der Zugehörigkeit zum 1.8.1991 nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG übernimmt damit den 30.6.1990 als Endzeitpunkt der Einbeziehung, obwohl § 22 RAnglG erst ab 3.10.1990 als sekundäres und partielles Bundesrecht (EinigVtr Nr 8) galt. Zwar konnte die Norm damit nicht etwa rückwirkend Rechtsfolgen nach Bundesrecht bewirken, doch konnte sich die erstmalige Begründung von Anwartschaften im Sinne des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts tatbestandlich darauf beschränken, rückschauend grundsätzlich nur solche in der DDR erworbenen Positionen zu berücksichtigen, die bereits vor dem 1.7.1990 bestanden hatten. Das AAÜG knüpft damit im Anschluss an den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18.5.1990 (BGBl II 537; im Folgenden: Staatsvertrag ) und den EinigVtr sowie im Interesse einer schnellen Herbeiführung der Rechtseinheit verfassungsrechtlich unbedenklich (Bundesverfassungsgericht SozR 4-8560 § 22 Nr 1)an das noch von der DDR ausgesprochene und in die gesamtdeutsche Rechtsordnung übernommene Verbot der Neueinbeziehung an. Dies schließt es zunächst für den Zeitraum vom 1.7. bis 2.10.1990 aus, bundesrechtlich auch auf hierin noch erfolgte Einbeziehungen abzustellen, weil andernfalls das Neueinbeziehungsverbot des § 22 Abs 1 Satz 2 RAnglG unterlaufen würde(BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 6 RdNr 23; SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 13 und S 16 sowie BSG Urteile vom 8.6.2004 - B 4 RA 56/03 R - Juris RdNr 21 und vom 10.2.2005 - B 4 RA 48/04 R - Juris RdNr 30). Auch darüber hinaus kann jedoch nicht in Betracht kommen, auf die gesamte Zeitachse der DDR-Geschichte vom 7.10.1949 (Gründung der DDR) bis zum 30.6.1990 (Schließung der Versorgungssysteme) abzustellen. Wie ua gerade der sonst überflüssige § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG zeigt, kommt dem genannten Zeitpunkt eine Funktion nicht nur als Endzeitpunkt der bundesrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Anwartschaften, sondern gerade als maßgeblicher Stichtag zu. Nur so kann im Sinne seiner inneren Folgerichtigkeit gewährleistet werden, dass das Bundesrecht grundsätzlich allein und gerade auf die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt abstellt, zu dem die demokratisierte DDR vor dem Hintergrund des StV und des RAnglG grundsätzlich letztmals die Möglichkeit der Einbeziehung eröffnet hatte. Auf bloße Chancen oder Aussichten im Rahmen zu beliebigen Zeitpunkten vorher bestehender Verhältnisse kommt es dagegen nicht an. Dieses Vorgehen ist auch vor dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) gerechtfertigt. Die Festlegung eines Stichtags ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und - ungeachtet der mit ihr verbundenen erheblichen Härten - vorliegend auch sachgerecht. Soweit damit die Überführung teilweise von Umständen abhängt, auf die die Betroffenen keinen Einfluss hatten, handelt es sich nicht um Rechtsakte oder Vorgänge, die der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen sind. Hieraus erwachsende Nachteile sind daher von ihr auch nicht auszugleichen (BVerfG SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 42). Maßgeblich als Grundregel für den gesamten Anwendungsbereich von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG - und damit auch für die Fiktion nach § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG - ist folglich die Sachlage am 30.6.1990.

22

2.a) Der bundesrechtliche Begriff der "Zugehörigkeit" in § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG umfasst damit zunächst die konkret in ein Versorgungssystem der DDR Einbezogenen. Deren Rentenrecht kannte - neben der Sozialpflichtversicherung in ihrer Funktion als gesetzliche Rentenversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) - zahlreiche Sonder- und Zusatzversorgungssysteme. Diese standen nur bestimmten Personengruppen offen. Wer in ein solches Versorgungssystem einbezogen war, erhielt im Leistungsfall zusätzliche Rentenleistungen. Die Aufnahme in das Versorgungssystem hing von vielfältigen Voraussetzungen ab und erfolgte grundsätzlich durch einen individuellen Einzelakt in Form konkreter Einzelzusagen (Versorgungszusagen), sonstiger Einzelentscheidungen oder Einzelverträgen (vgl zum Ganzen: BVerfGE 100, 1, 5 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 33 f; BVerfG SozR 4-8570 § 5 Nr 4 RdNr 3 und SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 2). Für die Einbeziehung in die AVItech galten in der DDR die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487). Danach wurden Versorgungsberechtigte aus dem Kreis der technischen Intelligenz entweder auf Grund eines Einzelvertrags (§ 1 Abs 3 der 2. DB) oder durch eine Versorgungszusage (§ 3 Abs 5 der 2. DB) in die AVItech einbezogen.

23

Nach der Wende in der DDR änderte sich die Rechtslage. Der StV sah eine schrittweise Angleichung des Sozialversicherungsrechts der DDR an das bundesdeutsche Recht vor. Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme sollten grundsätzlich zum 1.7.1990 geschlossen und die Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung überführt werden. Leistungen auf Grund von Sonderregelungen sollten mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen (Art 20 Abs 2 Satz 2 und 3 StV).

24

Diese Festlegungen des Staatsvertrages setzte die DDR im Wesentlichen mit dem RAnglG um. § 22 Abs 1 RAnglG schloss die bestehenden Zusatzversorgungssysteme mit Wirkung zum 30.6.1990 (Satz 1) und verbot Neueinbeziehungen (Satz 2). Außerdem sah das RAnglG vor, ein Rentenversicherungsrecht der DDR zu schaffen, das den Strukturvorgaben des SGB VI entsprechen sollte. Hierzu kam es wegen der Dynamik des Einigungsprozesses aber nicht mehr. Stattdessen regelt der EinigVtr, das materielle Rentenrecht zum 1.1.1992 auf der Grundlage des bereits 1989 verkündeten SGB VI zu harmonisieren, dessen bundesweites Inkrafttreten für diesen Zeitpunkt vorgesehen war. Folgerichtig blieb das RAnglG über den 2.10.1990 hinaus in Kraft, soweit es mit dem GG unter Berücksichtigung des EinigVtr sowie mit dem unmittelbar geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaften vereinbar war (EinigVtr Nr 8). Die im RAnglG enthaltene Frist für die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften auf Versorgungsleistungen verlängerte der EinigVtr bis zum 31.12.1991 (EinigVtr Nr 9 Buchst b Satz 1).

25

Auf Grund des Neueinbeziehungsverbots in § 22 Abs 1 Satz 2 RAnglG erfasst der EinigVtr im Kern nur Personen, die die zuständigen Stellen der DDR vor dem 1.7.1990 in ein Versorgungssystem einbezogen hatten. Nach Art 19 Satz 1 EinigVtr bleiben diese Entscheidungen, soweit sie nicht nach Satz 2 aufgehoben werden, als Verwaltungsakte im bundesrechtlichen Sinn wirksam. Dies gilt selbst dann, wenn die abstrakt-generellen Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems im Einzelfall nicht erfüllt waren (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 57 f).

26

b) Bereits der EinigVtr, der noch den hergebrachten Begriff der Einbeziehung zu Grunde legt, enthielt allerdings der Sache nach eine Modifikation des Neueinbeziehungsverbotes in § 22 Abs 1 Satz 2 RAnglG(BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 65). Art 17 Satz 1 dieses Vertrages sah nämlich die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage vor, damit alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind. Eine derartige Rehabilitation kann neben einer Entschädigung in Geld (Art 17 Satz 2 EinigVtr) insbesondere darin bestehen, dass Personen, die wegen einer Verfolgungsmaßnahme ua aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem ausgeschieden sind, bundesrechtlich im Ergebnis so behandelt werden, als wären sie weiter einbezogen gewesen (vgl § 13 Abs 3 des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet vom 1.7.1997, BGBl I 1625 - Berufliches Rehabilitierungsgesetz). Art 19 Satz 2 EinigVtr ermöglicht es, Aufhebungsakte der DDR zu beseitigen, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder den Regelungen des EinigVtr unvereinbar sind, sodass einmal erteilte, aber untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können. Auch dies wäre für die Betroffenen letztlich fruchtlos, würden sie nicht im Blick auf die bundesrechtliche Aufhebung bundesrechtlich im Ergebnis so behandelt, als habe der Aufhebungsakt der DDR bereits zum Stichtag keinen Bestand mehr gehabt. In beiden Fällen waren die Betroffenen daher zwar historisch betrachtet am 30.6.1990 nicht durch einen konkreten Akt der DDR "einbezogen". Dennoch umfasst der entsprechende Begriff des EinigVtr neben der Anknüpfung an den zum Stichtag vorgefundenen Bestand an konkreten Einbeziehungen notwendig auch diejenigen Fallgestaltungen, die auf Grund seiner eigenen Vorgaben im Ergebnis gleich zu behandeln sind. Insofern wird auf der Grundlage nachträglicher bundesrechtlicher Entscheidungen und hierzu ergangener bundesrechtlicher Anordnungen im Sinne der Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse zum Stichtag jeweils tatbestandlich partiell an fiktive Verhältnisse angeknüpft. Unter anderem dieser bereits im EinigVtr angelegten bundesrechtlichen Modifikation des Verbots der Neueinbeziehung bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung dieses Verbots trägt § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG auch sprachlich Rechnung, indem er den umfassenden Begriff der "Zugehörigkeit" an Stelle des engeren Begriffs der "Einbeziehung" verwendet.

27

c) Erst recht im Blick auf die nunmehr angepasste Terminologie des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts kann daher von einer "Zugehörigkeit" zu den Versorgungssystemen nicht nur dann gesprochen werden, wenn grundsätzlich durch einen entsprechenden Einzelakt der DDR, in der Regel also einen "Verwaltungsakt", eine konkrete Einbeziehung in ein Versorgungssystem erfolgt ist. Indessen geht hier die erstmalige bundesrechtliche Begründung in das SGB VI überführbarer Ansprüche und Anwartschaften iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG auf der Grundlage eines weiten ("ausdehnenden"/"erweiternden") Verständnisses noch mehr über den Grundsatz der Anknüpfung an die konkrete Einbeziehung durch Entscheidung des Versorgungsträgers der DDR hinaus. Ansprüche und Anwartschaften können hier nach der vom BVerfG als willkürfrei gebilligten (SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 36, 41) Rechtsprechung des früheren 4. Senats, der sich der erkennende Senat im Ergebnis ebenfalls anschließt, auch dann als durch "Zugehörigkeit" erworben angesehen werden, wenn nach der am 1.8.1991 (Inkrafttreten des AAÜG) gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage ein "Anspruch auf Versorgungszusage" bestanden hätte (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f, Nr 3 S 20, Nr 4 S 26 f, Nr 5 S 32, Nr 6 S 39, Nr 7 S 58 f sowie Nr 8 S 73; Ganske-Gerhardt, DAngVers 2005, 361, 365). Dieser fiktive "Anspruch" besteht nach Bundesrecht unabhängig von einer gesicherten Rechtsposition in der DDR, wenn nach den leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems - mit Ausnahme des Versorgungsfalls - alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzversorgungsrente gegeben waren. Entscheidend ist, ob zum Stichtag der Tatbestand der Versorgungsordnungen, die insofern bis zum 31.12.1991 nachrangig und lückenfüllend ("soweit") als Bundesrecht anzuwenden sind (EinigVtr Nr 9 Buchst b Satz 2; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 57), erfüllt war. Die Versorgungsordnungen sind dabei im Sinne verbindlicher Handlungsanweisungen für die Verwaltung als Tatbestände einer ohne Entscheidungsspielraum zwingend zu gewährenden Vergünstigung zu verstehen und sind auch nur insoweit Bundesrecht geworden (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59). Maßgeblich sind, soweit originäre bundesrechtliche Regelungen nicht eingreifen, die in der DDR grundsätzlich am 30.6.1990 geltenden "letzten Fassungen" des Teils der Versorgungsregelungen, der am 3.10.1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 56). Unerheblich ist insofern, ob die abstrakt-generellen Regelungen der Versorgungsordnungen ursprünglich willkürlich waren. Jedem Versuch, entgegen der Grundentscheidung des Gesetzgebers insofern eine Korrektur vorzunehmen, steht die Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs 3 GG) entgegen. Als Teilmenge der Zugehörigen iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG fallen auch die Inhaber eines fiktiven Anspruchs auf Einbeziehung in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

28

Dagegen bleibt es wegen der den gesamten Anwendungsbereich der Norm umfassenden Stichtagsregelung auch im Rahmen des weiten ("erweiternden"/"ausdehnenden") Verständnisses dabei, dass die genannten Voraussetzungen eines "Anspruchs" auf Einbeziehung gerade am 30.6.1990 erfüllt sein müssen. Namentlich sind daher Personen, die ohne rechtlich wirksame Einbeziehung irgendwann einmal vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme die damals geltenden Regeln für die Einbeziehung in Zusatzversorgungssysteme erfüllt hatten, bundesrechtlich ohne Gleichheitsverstoß nicht als Zugehörige anzusehen. Gesetzgebung und Rechtsprechung durften ohne Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anknüpfen und waren nicht etwa gehalten, sich hieraus ergebende Ungleichheiten zu Lasten der heutigen Steuer- und Beitragszahler zu kompensieren (BSG Urteil vom 8.6.2004 - B 4 RA 56/03 R - Juris RdNr 21).

29

d) Gegen dieses Verständnis erhobenen Bedenken folgt der Senat nicht.

30

aa) Zwar ist bei isolierter Betrachtung des Wortlauts auch von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ein Verständnis der Norm denkbar, das grundsätzlich an die Einbeziehung durch Einzelentscheidung der DDR anknüpft, nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen eine Modifikation toleriert und darüber hinausgehenden Erweiterungen entgegensteht. Dies ist indessen nicht das einzig mögliche Verständnis des Begriffs der "Zugehörigkeit". Weder der spezifische Sprachgebrauch des AAÜG oder das SGB noch die juristische Fachsprache versehen das Wort "Zugehörigkeit" mit einem bestimmten Bedeutungsgehalt. Maßgebend ist daher zunächst der allgemeine Sprachgebrauch (vgl dazu nur Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 2. Aufl 2001, § 5 I 1, S 50). In der Zusammensetzung zugehören bezeichnet das Wort vor allem die Beziehung zu einer Gemeinschaft. In diesem Kontext betont der Partikel "zu" die persönliche und/oder innerliche Verbindung zu der jeweiligen (Personen-)Gruppe. Denn nach den grammatischen Grundsätzen der deutschen Sprache bestimmt der erste Teil einer Zusammensetzung in der Regel den zweiten Teil näher (Duden, Die Grammatik, 8. Aufl 2009, RdNr 1002).

31

In deutschen Wörterbüchern, die auf den aktuellen, allgemeinen Sprachgebrauch schließen lassen (vgl zu dieser Methode: Europäischer Gerichtshof , EuZW 1997, 625, 628; Bundesgerichtshof , BGHSt 12, 366; BGH NJW 1982, 1278 und BGH MDR 1996, 188; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl 1986, § 17 RdNr 11; Gast, Juristische Rhetorik, 4. Aufl 2006, RdNr 668; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl 2007, § 28 RdNr 34), wird das Wort "Zugehörigkeit" wie folgt umschrieben: Das Dazugehören zu etwas oder jemandem (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl 1999; Mackensen, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl 1979; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl 2000) als Glied oder Bestandteil; die "Mitgliedschaft" zu einer bestimmten Gruppe, Organisation, Konfession, Körperschaft, Partei oder einem Verein (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl 1999; TheFreeDictionary.com, Deutsches Wörterbuch 2009); die (innere) "Verbundenheit" (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl 1999; TheFreeDictionary.com, Deutsches Wörterbuch 2009); einer bestimmten Gruppe als Mitglied verbunden sein (Duden, Die richtige Wortwahl, 1977, S 31); "aufgrund besonderer Beschaffenheit oder Verhältnisse (ordnungsgemäß) einer bestimmten Gruppe zugerechnet werden" (Duden, Die richtige Wortwahl, 1977, S 31). Der allgemeine Sprachgebrauch beschränkt den Begriff der "Zugehörigkeit" also nicht nur auf die formale (rechtliche) Mitgliedschaft in einer Körperschaft oder die verbindliche Aufnahme in eine Organisation, sondern lässt bereits die mehr oder weniger starke "Verbundenheit" zu einer bestimmten Gruppe genügen.

32

Der offene Wortlaut lässt damit ein weites ("ausdehnendes"/"erweiterndes") Verständnis von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG zu, das sich nicht allein auf Personen beschränkt, die am 30.6.1990 von der DDR konkret einbezogen waren bzw auf Grund einer nachträglichen Entscheidung auf Grund von Bundesrecht wieder als solche zu behandeln sind. Denn über eine hinreichend enge Verbundenheit zu einem Versorgungssystem verfügen auch solche Personen, die nach den leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Systems - mit Ausnahme des Versorgungsfalls - am 30.6.1990 alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzversorgungsrente erfüllten.

33

bb) Das damit unter Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch zumindest auch mögliche weite Verständnis des Begriffs der Zugehörigkeit erfährt rechtlich im Kontext des bundesrechtlich grundsätzlich fortgeführten und durch den EinigVtr sowie das AAÜG nur modifizierten Verbots der Neueinbeziehung zwingend eine Begrenzung. Ein weites ("erweiterndes"/"ausdehnen-des") Verständnis kommt daher rechtlich nur insoweit in Betracht, als es gleichermaßen beiden Umständen Rechnung trägt. Soweit allerdings originäres Bundesrecht das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat, ist dem auch in § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG in vollem Umfang Rechnung zu tragen.

34

Nicht anders als § 22 RAnglG gelten auch inhaltlich die Versorgungsordnungen erst ab dem 3.10.1990 als sekundäres und partielles Bundesrecht. Auch sie können daher nicht etwa rückwirkend Rechtsfolgen nach Bundesrecht bewirken, wohl aber bestimmen sie auf Grund ihrer begrenzten Fortgeltung auch noch am 1.8.1991 - und bis zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets zum 31.12.1991 - mittelbar diejenigen Sachverhalte, auf die das dann geltende Bundesrecht zum 30.6.1990 abstellt und an die es Rechtsfolgen knüpft. Einschlägig sind insofern bereits auf Grund des originären Bundesrechts in EinigVtr Nr 9 allein diejenigen Teile der Versorgungsordnungen, die mit dem EinigVtr, dem GG und dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Nicht Teil des Bundesrechts geworden sind die Versorgungsordnungen demgemäß hinsichtlich der Regelungen über die Einbeziehung durch Entscheidung von Stellen der DDR, die nachträglich schlechthin nicht ersetzt werden kann. Entscheidend ist unter diesen Umständen allein, ob ausgehend von einer am Gleichheitsgebot (Art 3 Abs 1 GG) orientierten Umsetzung des zu Bundesrecht gewordenen Teils der Versorgungsordnungen eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung im Rahmen gebundener Verwaltung hätte zuerkannt werden müssen, dh zum 1.7.1990, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, im (jetzt) rechtsstaatlichen Umfeld ("kraft Gesetzes") Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beansprucht werden können (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 20). Unter diesen Umständen hatte - bundesrechtlich - die noch ausstehende Versorgungszusage keine rechtsbegründende, sondern nur noch feststellende Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 7 S 34).

35

Ein derartiges - neben den "Verwaltungsakten" der DDR auch die primäre materiell-rechtliche Ebene einbeziehendes - Verständnis des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG gewährleistet an Art 3 Abs 1 GG orientiert die Gleichwertigkeit der Rechtsquellen und vermeidet eine bundesrechtlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der Inhaber von Einzelentscheidungen gegenüber unmittelbar Normbegünstigten. Es gewährleistet zudem, dass das Verbot der Neueinbeziehung unverändert nur insoweit modifiziert wird, als dies rechtsstaatlich geboten ist und das Bundesrecht umgekehrt nicht durch eine Beschränkung auf die bloße Hinnahme vorgefundener Einbeziehungsentscheidungen der DDR hinter dem Ziel der Anknüpfung an rechtsstaatlich geordnete Verhältnisse zurückbleibt, sondern diesen - unabhängig von "Rechtmäßigkeit" und Willkür zu beachtenden Einzelakten - das fiktive Ergebnis der Umsetzung des fortgeltenden Teils der Versorgungsordnungen gleichstellt.

36

           

C. Ob nach dem am 1.8.1991 geltenden Bundesrecht auf Grund der am Stichtag 30.6.1990 gegebenen tatsächlichen Umstände ein fiktiver bundesrechtlicher "Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage" - eine fingierte Versorgungsanwartschaft - besteht, hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

37

Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten am 30.6.1990 (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8) Arbeitgeber im rechtlichen Sinn war (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 2 RdNr 31 und Nr 4 RdNr 15) und welchen Zweck dessen Betrieb tatsächlich verfolgte (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 2). Was bundesrechtlich unter einem VEB zu verstehen ist, ergibt sich auf Grund des EinigVtr Nr 9 ("Regelungen") neben dem strikt zu beachtenden Wortlaut der Versorgungsordnungen aus dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR bei Schließung der Versorgungssysteme, an den der Bundesgesetzgeber am 3.10.1990 angeschlossen hat (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59). Der staatliche Sprachgebrauch ergibt sich - unabhängig von einer Überführung in Bundesrecht - insbesondere aus dem Kontext des einschlägigen Binnenrechts der DDR, dessen Auslegung damit nach einem bundesrechtlich objektivierten Verständnis - unabhängig also von der tatsächlichen Handhabung durch die DDR und ihrer Verwaltungspraxis - insofern ebenfalls Aufgabe des Revisionsgerichts ist. Bundesrecht sind zudem allgemeine Auslegungsgrundsätze, soweit sie Bundesrecht ergänzen (vgl BSGE 55, 115, 116 = SozR 1500 § 162 Nr 17; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 133).

38

In Fällen der vorliegenden Art kann nicht davon ausgegangen werden, dass VEB vor dem 1.7.1990 ihre Fähigkeit verloren haben, sich weiterhin als Wirtschaftssubjekt zu betätigen und ihre Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, es sich also nur noch um eine "leere Hülle" gehandelt habe. Der abweichenden Auffassung der Vorinstanz sowie anderer Landessozialgerichte wird nicht gefolgt. VEB hatten ihre Rechtsfähigkeit in der DDR zuletzt auf der Grundlage der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe (KombinatsVO) vom 8.11.1979 (GBl DDR I 355) durch (Gründungs-)Anweisung zu dem dort genannten Zeitpunkt erlangt (§ 37 Abs 1 Satz 1, Abs 4 KombinatsVO). Sie waren berechtigt, Fonds des einheitlichen staatlichen Volkseigentums im Rahmen der Rechtsvorschriften und des Planes zu bilden, zu besitzen und zu nutzen sowie über sie zu verfügen (§ 31 Abs 4 Sätze 1 und 2 KombinatsVO).

39

Der VEB I. war am 30.6.1990 nicht vermögenslos und existierte an diesem Stichtag keinesfalls nur noch als "leere Hülle". Denn er hatte seine materiellen und finanziellen (Betriebs-)Mittel, die ihm der Staat in Form sog "Fonds" aus dem "volkseigenen" Vermögen zur zweckgebundenen Bewirtschaftung zugeführt und überlassen hatte, bis zu diesem Zeitpunkt nicht verloren. Vielmehr war er als "Fondsinhaber" am 30.6.1990 weiterhin befugt, die Bestandteile der finanziellen und materiellen Fonds nach § 19 Abs 1 Satz 1 ZGB-DDR "zu besitzen und zu nutzen" sowie ggf auf andere Rechtssubjekte (insbesondere Wirtschaftseinheiten und staatliche Stellen) zu übertragen(vgl dazu Busche, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR - RVI -, Band III, Stand: August 1997, TreuhG, vor § 1 RdNr 8; Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 1991, S 159). Zu den "finanziellen Fonds" zählten insbesondere Geldmittel (sog Geldfonds); zu den "materiellen Fonds" gehörten vor allem Produktionsfaktoren wie Werkzeuge, Maschinen, Anlagen uä (Produktionsfonds). Der Begriff des "Fonds" erfasste alle betriebsdienlichen "Mittel", ersetzte das Wort "Kapital", das im Sprachgebrauch der volkseigenen Wirtschaft aus ideologischen Gründen verpönt war (vgl dazu Oettle, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, 1983, 351, 363), und verdeutlichte gleichzeitig, dass dem Betrieb die Fondsbestandteile nicht gehörten. Eigentümer der Fondsbestandteile blieb in aller Regel der Staat, der die Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsrechte, die sich aus seiner Eigentümerstellung ableiteten, in Fonds aufteilte und sie den staatlichen Einrichtungen (zB Schulen, Krankenhäusern, Bibliotheken) sowie volkseigenen Betrieben zur "operativen Verwaltung" überließ. Als "Fondsinhaber" waren die Betriebe also lediglich Besitzer, Nutzungsberechtigte und eingeschränkt Verfügungsberechtigte der finanziellen und materiellen Mittel, was ihnen eine "treuhandähnliche" (so Horn, aaO) bzw "eigentümerähnliche" (so Busche, aaO, § 1 RdNr 20) Stellung verschaffte. Dasselbe galt prinzipiell für die sog "Rechtsträgerschaft" an volkseigenen Grundstücken und Gebäuden, die den Betrieben regelmäßig in Form sog "Bodenfonds" zur plangebundenen Bewirtschaftung zugewiesen waren.

40

Der VEB I. hat seine Fondsinhaber- und Rechtsträgerschaft keinesfalls vor dem 1.7.1990 an eine Nachfolge-Gesellschaft verloren, weil bis zu diesem Stichtag nach der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwVO) vom 1.3.1990 (GBl DDR I 107) die (eingeleitete) Umwandlung des VEB in eine GmbH noch nicht vollzogen war. Denn nach § 7 Satz 1 UmwVO wurde die notariell beurkundete Umwandlungserklärung vom 23.6.1990 erst mit der Eintragung der GmbH in das beim Staatlichen Vertragsgericht geführte Register wirksam. Zur Registereintragung kam es aber erst am 8.11.1990. Bis dahin stand die Umwandlung nach der UmwVO unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung; sie hatte konstitutive Bedeutung (ebenso BGH, Urteile vom 2.10.1997 - II ZR 169/96 - WM 1997, 2356, 2357 f und vom 17.11.2000 - V ZR 318/99 - VIZ 2001, 162, 163; Busche, aaO, Vor § 1 TreuhG RdNr 5; Gutbrod, GmbHR 1993, 622, 625; Lindner, RV 2009, 101, 104 f; aA Jürgens, DB 1992, 1226 und Ulmer, SGb 2008, 643, 646 jeweils unter Hinweis auf den missverständlichen Wortlaut von § 6 Abs 1 UmwVO: Anmeldung der "entstandenen" Gesellschaft).

41

Konnte die Umwandlung nach der UmwVO - wie hier - bis zum 30.6.1990 nicht erreicht werden, so ging das Vermögen aus der Fondsinhaberschaft bzw Rechtsträgerschaft des VEB am 1.7.1990 an dessen (Nachfolge-)GmbH im Aufbau (i.A.) über. Denn nach § 11 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz - TreuhG) vom 17.6.1990 (GBl DDR I 300) waren grundsätzlich (Ausnahmen: § 11 Abs 3 TreuhG) alle Wirtschaftseinheiten (§ 1 Abs 4 TreuhG), die bis zum 1.7.1990 noch nicht in Kapitalgesellschaften umgewandelt waren, vom 1.7.1990 an kraft Gesetzes Aktiengesellschaften (AG) oder "vorzugsweise" (§ 11 Abs 1 Satz 2 TreuhG) GmbH (Busche, aaO, § 11 RdNr 12; Horn, aaO, S 332). Diese Umwandlung bewirkte gleichzeitig den Übergang des Vermögens aus der Fondsinhaberschaft des bisherigen VEB sowie des in Rechtsträgerschaft befindlichen Grund und Bodens in das Eigentum der Kapitalgesellschaft (§ 11 Abs 2 Satz 2 TreuhG). Die spätere Registereintragung der aus der Umwandlung entstandenen Kapitalgesellschaft i.A. hatte keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung (vgl §§ 13, 15 TreuhG; Busche, aaO, § 11 RdNr 6 und § 15 RdNr 1; Gutbrod, GmbHR 1993, 622, 625).

42

Neben VEB und GmbH kommt vor dem 1.7.1990 auch nicht die Existenz eines weiteren Rechtssubjekts in Betracht. Vielmehr bestätigt § 7 UmwVO die Nichtexistenz einer Vorgesellschaft im hier maßgeblichen Zusammenhang. Nach dieser Vorschrift wird mit der Eintragung der GmbH in das Register die Umwandlung wirksam (Satz 1), die GmbH Rechtsnachfolgerin des umgewandelten Betriebes (Satz 2), der damit erlischt (Satz 3). Die volkseigenen Betriebe bestanden also auch nach Abgabe der Umwandlungserklärung fort, bis sie mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft erloschen. Bis dahin waren sie berechtigte Nutzer der zugewiesenen Mittel (Fonds), die sie ausdrücklich allein auf die Kapitalgesellschaft übertragen konnten (§ 7 Sätze 1 und 2 UmwVO), die ihrerseits erst mit der Eintragung als Rechtsnachfolgerin des umgewandelten VEB entstand. Als Bestandteil bereits der Umwandlungserklärung konnte die Übertragung der Fondsinhaberschaft damit nur künftig und unter der aufschiebenden Bedingung des Entstehens der Kapitalgesellschaft, nicht aber sofort oder mit einem in der Erklärung bestimmten Zeitpunkt bereits vor der Eintragung auf eine "Vorgesellschaft" erfolgen. Dies bestätigt das Statut der Treuhandanstalt, das ausdrücklich davon spricht, dass sich das volkseigene Vermögen bis zur Umwandlung in Fondsinhaberschaft volkseigener Kombinate, Betriebe und Einrichtungen befindet (§ 2 Abs 1 Satz 1 des Statuts der Treuhandanstalt) bzw die Treuhandanstalt Rechtsträger an dem Grund und Boden wird, der sich bis zur Umwandlung in der Rechtsträgerschaft ua "der umgewandelten Betriebe" befand (§ 5 Abs 2 Satz 1 des Statuts der Treuhandanstalt). Insofern sind Umwandlungen selbstverständlich nur nach Maßgabe von § 7 UmwVO wirksame Umwandlungen. Das Vermögen ging damit erst mit der Eintragung auf die Kapitalgesellschaft über. Bei dieser nahtlosen Rechtsnachfolge zwischen umgewandeltem Betrieb und GmbH besteht für die Figur der Vorgesellschaft kein Raum.

43

Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vom 20.4.1892 (RGBl 477), das in der DDR in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.5.1898 weiter galt (RGBl 846, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 10.8.1937, RGBl I 897) und das § 18 Nr 7 iVm § 34 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der DDR vom 21.6.1990 (GBl DDR I 357) mit Wirkung zum 1.7.1990 außer Kraft setzte. Erst zu diesem Zeitpunkt trat die in der Bundesrepublik Deutschland gültige Fassung des GmbHG in Kraft (vgl § 1 Abs 1 iVm § 18 des Gesetzes vom 21.6.1990). Bis zum 30.6.1990 war in der DDR folglich das GmbHG in seiner reichsrechtlichen Fassung nachrangig (§ 4 Abs 3 UmwVO) anzuwenden. Dieser Text des GmbH-Gesetzes kennt das Rechtsinstitut der Vorgesellschaft nicht. Zudem leugnete der historische Reichsgesetzgeber eine Vorgesellschaft als Rechtsträgerin vor der Eintragung und lehnte die Kontinuität zwischen der in Gründung befindlichen und der eingetragenen GmbH ab (Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbHG, 9. Aufl 2000, § 11 RdNr 4). Daran knüpfte das Reichsgericht (RG) an: Mit Urteil vom 20.4.1904 (RGZ 58, 55) entschied es, dass vor der Handelsregistereintragung zwar noch keine GmbH, wohl aber die Vereinigung derjenigen Personen bestehe, die den Gesellschaftsvertrag abgeschlossen haben, also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch Eintragung in das Handelsregister eine GmbH werden solle. Aus dieser Entscheidung wurde dann eine ständige Rechtsprechung, zunächst für die GmbH (RGZ 82, 288, 290; 83, 370, 373; 87, 246, 249; 105, 228, 229 f), später für die AG (RGZ 131, 27, 30 f) und sodann für beide Gesellschaften (RGZ 134, 121, 122; 143, 368, 372 f; 151, 86, 91 für die GmbH und RGZ 144, 348, 356; 154, 276, 286 für die AG; s hierzu Rittner, Die werdende Juristische Person, 1973, 130 ff). Gleichwohl durchlief das Recht der Vorgesellschaft einen Institutionalisierungsprozess, der von der Literatur ausging und den die Rechtsprechung zunächst nur zögernd aufnahm (Schmidt aaO, § 11 RdNr 5). Im Hinblick auf die GmbH bekundet der BGH erstmals mit Urteil vom 12.7.1956 (BGHZ 21, 242): "Die im Werden begriffene GmbH ist keine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft, sondern eine Organisation, die einem Sonderrecht untersteht, das aus den im GmbHG oder im Gesellschaftsvertrag gegebenen Gründungsvorschriften und dem Recht der rechtsfähigen GmbH, soweit es nicht die Eintragung voraussetzt, besteht". Den entscheidenden Schritt zur Anerkennung der Vorgesellschaft als Rechtsträgerin vollzog der BGH mit Urteil vom 9.3.1981 (BGHZ 80, 129; vgl Schmidt, aaO, § 11 RdNr 5 und 27). Die Vorgesellschaft als Trägerin von Rechten und Pflichten hat sich mithin erst in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt. Vor diesem entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass die DDR, die schon die Texte des GmbHG nicht geändert hatte und von diesem Prozess abgeschnitten war, das Rechtsinstitut der Vorgesellschaft kannte oder die Rechtsprechung des BGH mit in Bezug nehmen wollte. In der früheren DDR galt somit das GmbHG in seiner reichsrechtlichen Form, das keine Vorgesellschaft kannte.

44

Damit konnten Fondsanteile vor dem 1.7.1990 auf eine GmbH nur dann übergehen, wenn diese Kapitalgesellschaft im Handelsregister eingetragen war. Soweit der 4. Senat des BSG entgegen der Auffassung anderer oberster Bundesgerichte (Bundesfinanzhof , Urteil vom 21.8.1996 - I R 85/95 - BFHE 181, 437; BGH, Urteil vom 2.10.1997 - II ZR 169/96 - WM 1997, 2356, 2357 f) entschieden hat, es habe bis zur Eintragung der Kapitalgesellschaft bzw ihrer Entstehung kraft Gesetzes am 1.7.1990 ein "Nebeneinander von VEB und Kapital-Vorgesellschaft" gegeben (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 18), wird hieran nicht festgehalten. Schließlich ergibt sich auch aus dem TreuhG kein Anhaltspunkt für die Existenz einer "Kapital-Vorgesellschaft" im Recht der DDR. Das TreuhG beschränkt sich - wie bereits oben aufgezeigt - darauf, grundsätzlich (Ausnahmen: § 11 Abs 3 TreuhG) alle Wirtschaftseinheiten (§ 1 Abs 4 TreuhG), die bis zum 1.7.1990 noch nicht in Kapitalgesellschaften umgewandelt waren, vom 1.7.1990 an kraft Gesetzes in AG (i.A.) oder "vorzugsweise" 11 Abs 1 Satz 2 TreuhG) in GmbH i.A. umzuwandeln. Wäre zuvor eine Kapitalvorgesellschaft in Gründung (i.G.) entstanden, hätte das TreuhG den Untergang dieser Kapitalgesellschaft i.G. regeln müssen, weil andernfalls zwei Vorgesellschaften, eine in Gründung und eine im Aufbau, existiert hätten (vgl zu den sich daraus ergebenden Problemen: Gutbrod, GmbHR 1993, 622, 626). Weder ist daher die Eigenschaft von volkseigenen Betrieben als Produktionsbetriebe bereits mit einem in der Umwandlungserklärung genannten Zeitpunkt vor dem 1.7.1990 entfallen noch konnte es vor der Eintragung zu einem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf eine neue Kapitalgesellschaft als Rechtsnachfolgerin kommen.

45

Die Sache war schon deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil bisher Feststellungen dazu fehlen, ob es sich bei dem VEB I. um einen Produktionsbetrieb gehandelt hat.

46

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Gegenstand der sozialen Rechte sind die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Die persönliche und erzieherische Hilfe gehört zu den Dienstleistungen.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehört auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet. Für Zeiten, die ohne Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem im Ausweis für Arbeit- und Sozialversicherung einzutragen gewesen wären, ist dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung getrennt für jedes Kalenderjahr für die Anwendung des § 252a Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch die Summe der Arbeitsausfalltage mitzuteilen; dabei zählen je sieben Kalendertage des Arbeitsausfalls als fünf Arbeitsausfalltage. Der Versorgungsträger ist berechtigt, die Daten nach Satz 1 auch von Dritten anzufordern. Diese haben dem Versorgungsträger

1.
über alle Tatsachen, die für die Durchführung der Überführung erforderlich sind, auf Verlangen unverzüglich Auskunft zu erteilen und
2.
auf Verlangen unverzüglich die Unterlagen vorzulegen, aus denen die Tatsachen hervorgehen.
Die Versorgungsträger nach Absatz 4 Nr. 2 und 3 nehmen die Ermittlung der Daten unter Berücksichtigung der bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vorhandenen Daten vor. Satz 6 gilt auch für den Versorgungsträger nach Absatz 4 Nr. 1, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, zu dem in § 7 Abs. 2 genannten Personenkreis gehört.

(2) Der Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von §§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7 ergeben.

(3) Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Absatz 2 durch Bescheid bekanntzugeben. Die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(4) Versorgungsträger sind

1.
die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 27 und,
2.
die Funktionsnachfolger gemäß Artikel 13 des Einigungsvertrages für die Sonderversorgungssysteme der Anlage 2.
3.
(weggefallen)

(5) Der für die Feststellung der Leistungen zuständige Träger der Rentenversicherung ist für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung zuständig. Er ist an den Bescheid des Versorgungsträgers gebunden.

(6) Die Versorgungsträger sind berechtigt, untereinander Vereinbarungen über die Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz zu treffen, soweit hierdurch nicht eine andere Zuordnung der aufgrund der Überführung entstehenden Aufwendungen erfolgt. Für Personen mit in die Rentenversicherung überführten Anwartschaften gelten für die Durchführung der Versicherung und die Feststellung von Leistungen unbeschadet der Zuständigkeit nach Absatz 5 Satz 1 die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch. § 126 Abs. 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) ist bei Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1993 mit der Maßgabe anzuwenden, daß für die Feststellung der Leistungen die Deutsche Rentenversicherung Bund zuständig ist. Ist bei Personen mit in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung für die Feststellung von Leistungen zuständig, stellt sie für die Deutsche Rentenversicherung Bund auch die sich aus der Überführung der Ansprüche ergebenden Leistungen oder Leistungsteile fest; im übrigen ist die Deutsche Rentenversicherung Bund berechtigt, mit anderen Trägern der Rentenversicherung Vereinbarungen über die Durchführung der Versicherung und die Feststellung von Leistungen zu treffen. Leistungen oder Leistungsteile, die auf in die Rentenversicherung überführten Ansprüchen oder Anwartschaften beruhen, sind auch dann Aufwendungen im Sinne des § 15, wenn sie aufgrund der Sätze 2 bis 4 von einem anderen Träger der Rentenversicherung für die Deutsche Rentenversicherung Bund festgestellt oder ausgezahlt werden.

(7) Stehen für die Durchführung der Neuberechnung nach § 307c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch Unterlagen nicht oder nicht vollständig zur Verfügung und erklärt der Berechtigte glaubhaft, daß auch er über Unterlagen nicht verfügt und diese auch nicht beschaffen kann, ist von dem Vorbringen des Berechtigten über Art und Dauer der ausgeübten Beschäftigung sowie über den Bereich, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden ist, auszugehen, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte vor, daß dieses nicht zutrifft. § 6 Abs. 5 und 6 ist nur anzuwenden, soweit ein Verdienst nicht auf andere Weise festgestellt werden kann.

(8) Liegen dem Versorgungsträger Anhaltspunkte dafür vor, daß der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, nicht nur Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem hat, teilt er dies und den entsprechenden Zeitraum dem Rentenversicherungsträger mit. Er übermittelt diesem auch die ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen, die zur Feststellung nicht in einem Versorgungssystem zurückgelegter rentenrechtlicher Zeiten erforderlich sind.

(1) Den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz ist für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 ist während der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem nach dem 30. Juni 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Betrag von 2 700 Deutsche Mark im Monat, vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 der Betrag von 3 000 Deutsche Mark im Monat und vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1991 der Betrag vom 3 400 Deutsche Mark im Monat maßgebend. Satz 1 und 2 gilt auch, wenn die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nach den §§ 67 und 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder durch andere Träger der Teilhabe am Arbeitsleben nach den für diese geltenden Vorschriften aus einem Einkommen vor dem 1. Juli 1990 ermittelt wird.

(2) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als

1.
Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
2.
Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
3.
Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
4.
Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
5.
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
6.
Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
7.
Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
8.
Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
9.
Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.

(3) (weggefallen)

(4) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit wird neben Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen weiteres im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit bezogenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt. Für Zeiten nach Satz 1 wird ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt, wenn für denselben Zeitraum Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind. Soweit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst zugrunde gelegt wird, gelten diese Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4.

(5) Für Zeiten, für die der Verdienst nicht mehr nachgewiesen werden kann, gelten § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sinngemäß. Der maßgebende Verdienst ist zu ermitteln, indem der jeweilige, im Falle des § 256c Abs. 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch der um ein Fünftel erhöhte Wert der Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch durch den Faktor der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch desselben Jahres geteilt wird. Der maßgebende Verdienst ist höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3, in den Fällen des Absatzes 2 oder 3 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag, der sich nach Anwendung von Absatz 2 ergibt, und in den Fällen des § 7 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zu berücksichtigen.

(6) Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

(7) Für die Feststellung des berücksichtigungsfähigen Verdienstes sind die Pflichtbeitragszeiten dem Versorgungssystem zuzuordnen, in dem sie zurückgelegt worden sind. Dies gilt auch, soweit während der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind oder Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem später in die freiwillige Zusatzrentenversicherung überführt worden sind.

(8) Für die Zuordnung der Zeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung sind die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden. Im übrigen werden die Zeiten der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet.

(9) Die Berechnungsgrundsätze des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(1) Für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 und vor dem 1. Januar 2025 werden Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Bei Rentenbeginn im Jahr 2019 ist der Verdienst des Jahres 2018 mit dem Wert der Anlage 10 zu vervielfältigen, der für dieses Kalenderjahr vorläufig bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden für Beitragszeiten auf Grund des Bezugs von Arbeitslosengeld II.

(1a) Arbeitsentgelt aus nach § 23b Abs. 2 Satz 1 bis 4 des Vierten Buches aufgelösten Wertguthaben, das durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt wurde, wird mit dem Wert der Anlage 10 für das Kalenderjahr vervielfältigt, dem das Arbeitsentgelt zugeordnet ist. Bei Zuordnung des Arbeitsentgelts für Zeiten bis zum 31. Dezember 2018 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die vorläufigen Werte der Anlage 10 für das jeweilige Kalenderjahr zu verwenden sind.

(2) Als Verdienst zählen der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 oder danach bis zum 31. März 1999 zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 279b) gezahlt worden sind. Für Zeiten der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post vor dem 1. Januar 1974 gelten für den oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenzen nachgewiesenen Arbeitsverdienst Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung als gezahlt. Für Zeiten der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 gelten für den oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden Beitragsbemessungsgrenzen nachgewiesenen Arbeitsverdienst, höchstens bis zu 650 Mark monatlich, Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung als gezahlt, wenn ein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post am 1. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat. Für freiwillige Beiträge nach der Verordnung über die freiwillige und zusätzliche Versicherung in der Sozialversicherung vom 28. Januar 1947 gelten die in Anlage 11 genannten Beträge, für freiwillige Beiträge nach der Verordnung über die freiwillige Versicherung auf Zusatzrente bei der Sozialversicherung vom 15. März 1968 (GBl. II Nr. 29 S. 154) gilt das Zehnfache der gezahlten Beiträge als Verdienst. Als Verdienst zählt bei einer Beschäftigung im Übergangsbereich (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) ab dem 1. Juli 2019 im Beitrittsgebiet das Arbeitsentgelt.

(3) Als Verdienst zählen auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 1. Juli 1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbener Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung nicht gezahlt werden konnten. Für Versicherte, die berechtigt waren, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten, gilt dies für Beträge oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung nur, wenn die zulässigen Höchstbeiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind. Werden beitragspflichtige Arbeitsverdienste oder Einkünfte, für die nach den im Beitrittsgebiet jeweils geltenden Vorschriften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung nicht gezahlt werden konnten, glaubhaft gemacht, werden diese Arbeitsverdienste oder Einkünfte zu fünf Sechsteln berücksichtigt. Als Mittel der Glaubhaftmachung können auch Versicherungen an Eides statt zugelassen werden. Der Träger der Rentenversicherung ist für die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig.

(3a) Als Verdienst zählen für Zeiten vor dem 1. Juli 1990, in denen Versicherte ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten und Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung des Beitrittsgebiets gezahlt worden sind, die Werte der Anlagen 1 bis 16 zum Fremdrentengesetz. Für jeden Teilzeitraum wird der entsprechende Anteil zugrunde gelegt. Dabei zählen Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten wegen Krankheit oder für Ausfalltage belegt sind, als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen. Für eine Teilzeitbeschäftigung nach dem 31. Dezember 1949 werden zur Ermittlung der Entgeltpunkte die Beiträge berücksichtigt, die dem Verhältnis der Teilzeitbeschäftigung zu einer Vollzeitbeschäftigung entsprechen. Für Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung werden für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Für glaubhaft gemachte Beitragszeiten werden fünf Sechstel der Entgeltpunkte zugrunde gelegt.

(4) Für Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Personen aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst im Beitrittsgebiet geleistet haben, werden für jedes volle Kalenderjahr 0,75 Entgeltpunkte, für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zugrunde gelegt.

(5) Für Pflichtbeitragszeiten bei Erwerbsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1992 werden für jedes volle Kalenderjahr mindestens 0,75 Entgeltpunkte, für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zugrunde gelegt.

(1) Den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz ist für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 ist während der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem nach dem 30. Juni 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Betrag von 2 700 Deutsche Mark im Monat, vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 der Betrag von 3 000 Deutsche Mark im Monat und vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1991 der Betrag vom 3 400 Deutsche Mark im Monat maßgebend. Satz 1 und 2 gilt auch, wenn die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nach den §§ 67 und 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder durch andere Träger der Teilhabe am Arbeitsleben nach den für diese geltenden Vorschriften aus einem Einkommen vor dem 1. Juli 1990 ermittelt wird.

(2) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als

1.
Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
2.
Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
3.
Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
4.
Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
5.
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
6.
Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
7.
Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
8.
Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
9.
Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.

(3) (weggefallen)

(4) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit wird neben Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen weiteres im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit bezogenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt. Für Zeiten nach Satz 1 wird ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt, wenn für denselben Zeitraum Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind. Soweit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst zugrunde gelegt wird, gelten diese Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4.

(5) Für Zeiten, für die der Verdienst nicht mehr nachgewiesen werden kann, gelten § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sinngemäß. Der maßgebende Verdienst ist zu ermitteln, indem der jeweilige, im Falle des § 256c Abs. 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch der um ein Fünftel erhöhte Wert der Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch durch den Faktor der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch desselben Jahres geteilt wird. Der maßgebende Verdienst ist höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3, in den Fällen des Absatzes 2 oder 3 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag, der sich nach Anwendung von Absatz 2 ergibt, und in den Fällen des § 7 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zu berücksichtigen.

(6) Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

(7) Für die Feststellung des berücksichtigungsfähigen Verdienstes sind die Pflichtbeitragszeiten dem Versorgungssystem zuzuordnen, in dem sie zurückgelegt worden sind. Dies gilt auch, soweit während der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind oder Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem später in die freiwillige Zusatzrentenversicherung überführt worden sind.

(8) Für die Zuordnung der Zeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung sind die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden. Im übrigen werden die Zeiten der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet.

(9) Die Berechnungsgrundsätze des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung oder zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen,

1.
dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten,
2.
dass Beiträge an Direktversicherungen und Zuwendungen an Pensionskassen oder Pensionsfonds ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten,
3.
wie das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen und das Gesamteinkommen zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen sind,
4.
den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus für jedes Kalenderjahr.
Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Voraus für jedes Kalenderjahr durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Bezugsgröße (§ 18). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auch sonstige aus der Bezugsgröße abzuleitende Beträge zu bestimmen.

(1) Die Vorschriften dieses Buches gelten für die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie die soziale Pflegeversicherung (Versicherungszweige). Die Vorschriften dieses Buches gelten mit Ausnahme des Ersten und Zweiten Titels des Vierten Abschnitts und des Fünften Abschnitts auch für die Arbeitsförderung. Die Bundesagentur für Arbeit gilt im Sinne dieses Buches als Versicherungsträger.

(2) Die §§ 18f, 18g und 19a gelten auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende.

(3) Regelungen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches, die in den Absätzen 1 und 2 genannt sind, bleiben unberührt, soweit sie von den Vorschriften dieses Buches abweichen.

(4) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Juli 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2681,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die beitragsrechtliche Behandlung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen (im Folgenden SFN-Zuschläge).

2

Der Kläger betreibt eine Gaststätte, in der er vom 1.4.2003 bis 30.11.2004 ua den Beigeladenen zu 1. als Koch beschäftigte. Nach § 4 des Arbeitsvertrags vom 1.4.2003 beträgt der "Brutto-Basisgrundlohn € 7,00 für jede arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsstunde". Darüber hinaus heißt es dort bezogen auf den Beigeladenen zu 1. ua weiter:

        

"Zusätzlich erhält er … die aus seiner … Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EStG 3b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Der vereinbarte durchschnittliche Effektivlohn (Auszahlung) beträgt € 7,47 pro tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Sollte sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleistete Arbeitsstunde als hier vereinbart ergeben, so ist der Basisgrundlohn für diesen Abrechnungszeitraum (monatlich) so zu erhöhen (Grundlohnergänzung), dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde ergibt. …"

3

Der Kläger erstellte monatliche Nachweise mit tagbezogener Auflistung der geleisteten Arbeitsstunden nach Uhrzeit sowie Zuschlagszeiten, fertigte monatliche Entgeltabrechnungen, führte Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit ab und zahlte dem Beigeladenen zu 1. das jeweilige Nettoentgelt aus.

4

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung forderte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund vom Kläger im Dezember 2004 für den Prüfzeitraum vom 1.1.2000 bis 30.11.2004 insgesamt 36 598,09 Euro Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit nach, davon 2681,12 Euro für den Beigeladenen zu 1.: Die SFN-Zuschläge seien zu Unrecht als beitragsfrei behandelt worden, weil der Beigeladene zu 1. diese Zuschläge faktisch nicht als "zusätzliche" Leistungen erhalten habe. Nach dem Arbeitsvertrag werde der Effektivlohn unabhängig davon geschuldet, ob und in welcher Höhe die Voraussetzungen für SFN-Zuschläge erfüllt gewesen seien, sodass sich im Berechnungswege der Lohn für geleistete Arbeit um den Betrag verringert habe, der eigentlich als Zuschlag hätte gelten sollen. Damit habe der Beigeladene zu 1. nicht von den SFN-Zuschlägen profitieren können. Die Berechnungsmethode von Grundlohn, Ergänzungslohn und Effektivlohn führe dazu, dass für SFN-Zeiten keine Zusatzleistung erbracht werde, sondern eine mit anderen Lohnarten verrechnete Arbeitgeberleistung. Dadurch werde der gesetzliche Zweck unterlaufen, Beschäftigten für besonders erschwerte Arbeitszeiten ein höheres Nettoarbeitsentgelt zukommen zu lassen (Bescheid vom 28.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 9.10.2006).

5

Im dagegen anhängig gemachten Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, die besondere Vergütungsabrede solle eine möglichst gleichmäßige Entlohnung sicherstellen, um ein "Wettrennen" der Arbeitnehmer um die steuerbegünstigten SFN-Zeiten zu vermeiden; die Zuschläge führten bei der gewählten Berechnungsweise zu rechtlich beanstandungsfreien höheren Nettozahlungen (Hinweis auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Offerhaus vom 12.1.2007). Die Entgeltabrechnungen belegten, dass für den gleichen Lohn weniger Arbeitsstunden erbracht werden müssten, je mehr mit SFN-Zuschlägen privilegierte Arbeitszeiten absolviert worden seien.

6

Das SG hat der Klage durch Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben: Die Vereinbarung habe nicht dazu geführt, dass steuer- und beitragspflichtige Lohnbestandteile rechtswidrig in beitragsfreie Leistungen umgewandelt worden seien; vielmehr würden die Beschäftigten dadurch weitgehend von Schwankungen entlastet, welche sich aus den Zufälligkeiten einer Dienstplangestaltung ergäben, wenn man SFN-Arbeit allein mittels Grundlohn und Zuschlägen vergüte (Urteil vom 21.2.2008).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG zunächst 40 Beschäftigte zum Rechtsstreit beigeladen, den Streit über die den Beigeladenen zu 1. betreffende Beitragsforderung abgetrennt und diesen als Musterverfahren fortgeführt; die Forderungen betreffend die übrigen Beschäftigten sollen entsprechend dem Ausgang dieses Verfahrens behandelt werden. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen: Die Beitragsfreiheit von SFN-Zuschlägen habe ihre Grundlage in § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV), § 3b EStG und dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Im Falle des Klägers seien die erbrachten SFN-Leistungen jedoch - wie es die Beklagte getan habe - vollständig der Beitragspflicht zu unterwerfen. Das angewandte Abrechnungsmodell der SFN-Zuschläge bewirke nämlich, dass - mangels hinreichender Bestimmbarkeit der beitragsfreien Entgeltbestandteile - bei "Beschäftigungsbeginn" die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit der jeweiligen Tätigkeit noch nicht ausreichend sicher festgestellt werden könne, wie es - spiegelbildlich zum Entstehen der Beitragspflichten nach § 22 SGB IV - der Schutz sozialversicherungspflichtig Beschäftigter erfordere(Hinweis ua auf BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 16 mwN). Dieser Entgeltbestimmbarkeit genüge das Abrechnungsmodell des Klägers nicht, weil das "in gegenseitiger Variabilität stehende System von Basisgrundlohn, Effektivlohn und Grundlohnergänzung" bewirke, dass beitragspflichtige Bruttoentgelte und beitragsfreie Zuschlagsleistungen nicht klar genug vorausberechenbar seien. Zudem ermögliche es das Abrechnungsmodell, dass ggf ein beitragsrechtlich nicht anzuerkennender (sittenwidriger) Niedriglohn entstehe. Dass es auf diese Weise zu einer Abweichung des Sozialversicherungsrechts vom Einkommensteuerrecht komme, für das der BFH (Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09) die steuerrechtliche Unbedenklichkeit der streitigen Methode anerkannt habe, sei sachlich gerechtfertigt: Zum einen unterschieden sich schon die dafür einschlägigen Normen im Wortlaut (§ 3b EStG: "neben" dem Arbeitsentgelt erbrachte Leistungen; § 1 ArEV: "zusätzlich" zum Arbeitsentgelt), zum anderen gelte im Sozialversicherungsrecht das Entstehungsprinzip, im Steuerrecht das Zuflussprinzip. Trotz korrekter Entgeltaufzeichnungen stehe die Handhabung des Klägers nicht mit dem sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip in Einklang. Die SFN-Leistungen unterlägen darüber hinaus auch deshalb der Beitragspflicht, weil - wie näher erläutert wird - die tatsächliche Berechnung der Zuschläge gemessen an den Vorgaben der angewandten Methode fehlerhaft gewesen sei. Die zu Unrecht als beitragsfrei behandelten SFN-Leistungen seien vollumfänglich zu verbeitragen. Wegen der "gegenseitigen Variabilität von Entgelt und SFN-Leistungen" lasse sich nämlich nicht zweifelsfrei ermitteln, in welcher Höhe der Kläger und der Beigeladene zu 1. bei Vertragsschluss das beitragspflichtige Entgelt für den Fall der Fehlerhaftigkeit der Entgeltvereinbarung bestimmt hätten. Ebenso fehle ein ausreichender Anhalt für eine willkürfreie Schätzung des mutmaßlich zu verbeitragenden Entgelts; das einschlägige Tarifwerk sehe eine mögliche gegenseitige Variabilität von Brutto-Stunden-Vergütung und Zuschlag nicht vor (Urteil vom 26.7.2011).

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die "Verletzung von § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 ArEV und § 3b EStG". Das LSG gehe schon von falschen tatsächlichen Grundlagen aus, indem es unterstelle, die SFN-Zuschläge hätten sich in "gegenseitiger Variabilität" berechnet; richtig sei, dass die Zuschläge prozentual vom Grundlohn abhingen, nicht aber sei eine Abhängigkeit auch im Verhältnis Grundlohn : SFN-Zuschläge gegeben. Die monatliche Lohnabrechnung erfolge nach Übergabe der ermittelten Lohndaten an ein externes Buchhaltungsunternehmen. Die Lohnermittlung werde nach dem - im Betrieb des Klägers gewählten und bundesweit praktizierten sowie vom BFH als rechtlich beanstandungsfrei bestätigten - System dann in vier Schritten durchgeführt, nämlich wie folgt:

1.    

Multiplikation der geleisteten Arbeitsstunden mit dem Bruttostundenlohn (= Basisgrundlohn)

2.    

Berechnung der Zuschläge aus den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten neben dem Grundlohn

3.    

Ermittlung des "Nettobetrags" aus dem sich bis hierher ergebenden Grundlohn plus Zuschlägen in einem Zwischenschritt; Division des "Nettoauszahlbetrags" (= Effektivlohn) durch die Anzahl der Arbeitsstunden (Ergebnis: durchschnittlicher Auszahlungsbetrag pro Stunde)

4.    

Korrektur für den Fall, dass der ermittelte Auszahlungsbetrag pro Stunde unter dem vereinbarten Effektivlohn liegt, durch einen Ergänzungslohn (= abgabenpflichtiger Bruttolohn) sowie Erhöhung der SFN-Zuschläge für die jeweils begünstigten Zeiten (= abgabenfreier Bruttolohn).

9

Diese Vergütungssystematik entspreche exakt den Lohnsteuerrichtlinien (R 3b), weil bei Steigerung des Grundlohns auch der daneben liegende Zuschlag steige. Auf diese Weise werde im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum durch den Ergänzungslohn der Gesamtlohn soweit erhöht, bis die in der Vergütungsvereinbarung festgelegte Bemessungsgrenze erreicht sei. Konkret gelte, "je höher der Grundlohnfaktor, umso höher der Zuschlag in der jeweils begünstigten Stunde". - Das LSG habe die Beitragsfreiheit der SFN-Leistungen zu Unrecht verneint, weil sich schon nicht erschließe, welchen Einfluss das ArbZG als arbeitsrechtliches Schutzgesetz auf die Beitragsfreiheit der Zuschläge haben könne. - Die Vergütungsvereinbarung sei sehr wohl geeignet, bei Beschäftigungsbeginn die Versicherungspflicht oder -freiheit der ausgeübten Tätigkeit ausreichend sicher zu bestimmen. Der Fall, dass die Höhe des beitragspflichtigen und -freien Arbeitsentgelts bei Beschäftigungsbeginn nicht konkret vorausberechenbar sei, trete zB auch bei erfolgsabhängigen Vergütungsformen mit einer Arbeitszeit auf, die sich nach der jeweiligen Auftragslage beim Arbeitgeber richte. Das vom BSG aufgestellte Erfordernis der Bestimmbarkeit des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts solle nur bewirken, dass eine nachträgliche, aufgrund ungewisser Ereignisse/Vorbedingungen erfolgende Veränderung der schon in Beitragsnachweisen erklärten Beitragsabrechnungen auf der Grundlage ausgezahlter Arbeitsentgelte unzulässig sei (BSG Urteil vom 7.2.2002 - B 12 KR 13/01 R - SozR 3-2400 § 14 Nr 24). Da die Abrechnung grundsätzlich erst zum Ende des Abrechnungszeitraums durchgeführt werde, lägen dann erst sämtliche Kriterien für die exakte Ermittlung der Beiträge vor. - Dass Anzahl und Höhe der SFN-Zuschläge nicht schon zu Beginn des jeweiligen Lohnabrechnungszeitraums bestimmbar seien, liege in der Natur der Sache. Es sei nicht nachvollziehbar, was das LSG mit dem Hinweis bezwecke, dass in anderen Fällen möglicherweise zu niedrige Basisgrundlöhne vorgelegen haben könnten; entsprechende Beanstandungen der Beklagten habe es nämlich nicht gegeben. - Unzutreffend sei weiter, dass die Höhe der Zuschläge nicht hinreichend sicher vorausberechenbar gewesen sei. Derartiges sei lohnsteuerrechtlich und beitragsrechtlich nicht geboten und folge auch nicht aus dem unterschiedlichen Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, weil ihm derselbe Wortsinn zugrunde liege und die ArEV einen Gleichlauf von Steuer- und Beitragsrecht bezwecke; Gleiches folge aus einem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 22.6.2006, wonach lohnsteuerfreier Arbeitslohn nicht zum Grundlohn gehöre. - Es sei auch nicht zu beanstanden, dass eine Entgeltbestimmbarkeit erst mit Vorliegen einer exakten Lohnabrechnung zum Monatsende, dh "mit Beendigung des Lohnlaufes" und bei Fälligkeit der Beiträge möglich gewesen sei, zumal hier - vom LSG so festgestellt - korrekte Aufzeichnungen erfolgt seien. Die Vergütungsvereinbarung sei außergewöhnlich, weil sie bei Arbeitnehmern mit vielen von Monat zu Monat unterschiedlichen SFN-Zeiten erreichen wolle, dass diese Arbeitnehmer möglichst gleich hohe monatliche Nettobezüge erhalten; das sei nur durch eine Grundlohnergänzung möglich, die der Steuerfreiheit der Zuschläge nicht im Wege stehe. Dass den Arbeitnehmern im Lohnzahlungszeitraum jeweils ein gleich hoher Nettobetrag zufließe, beruhe nicht auf einer unzulänglichen, fehlerhaften oder missbräuchlichen Anwendung von § 3b EStG, sondern auf dem bewusst unterschiedlich hohen Grundlohnbetrag, mit dem den Arbeitnehmern ein Fixum garantiert werden solle. - Das LSG habe ihm (dem Kläger) darüber hinaus - wie näher ausgeführt wird - zu Unrecht eine fehlerhafte Berechnung der SFN-Zuschläge anhand der angeführten Beispiele angelastet.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Juli 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2008 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

12

Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass die Beitragsfreiheit von lohnsteuerfreien Zuschlägen voraussetze, dass diese "zusätzlich" zu Löhnen und Gehältern gezahlt würden. Diese Zusätzlichkeit sei eigenständiges Tatbestandsmerkmal des Sozialversicherungsrechts und nicht bereits erfüllt, wenn überhaupt neben dem Grundlohn Zuschläge iS von § 3b EStG gezahlt würden. Die vorliegende Fallgestaltung zeichne sich dadurch aus und ziele nämlich gerade darauf ab, dass der Bruttobasislohn letztlich niedriger sei als der ausgezahlte Effektivlohn. Wenn die steuerfreien Zulagen abrechnungstechnisch gemeinsam mit dem Bruttobasislohn den vereinbarten Effektivlohn bildeten, müsse bei geringen oder fehlenden SFN-Zuschlägen ein entsprechend höherer Ergänzungslohn gezahlt werden, um den zugesicherten Effektivlohn zu erreichen. Ergebe sich dagegen umgekehrt wegen einer überdurchschnittlich hohen Zahl von Arbeitsstunden ein hoher SFN-Zuschlag und werde dadurch der vereinbarte Effektivlohn überschritten, so werde (nach dem Arbeitsvertrag) der Differenzbetrag einbehalten und den späteren Abrechnungszeiträumen zum Ausgleich eventuell geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbeträge verwendet. Indessen habe die Existenz eines solchen Guthabenkontos im Betrieb des Klägers weder belegt werden können noch wäre dies mit dem Entstehungsprinzip vereinbar. Insgesamt habe hier die Steuerfreiheit der SFN-Zuschläge nur zu abrechnungstechnischen Zwecken ausgenutzt werden sollen. Nach wie vor gelte aber, dass einkommensteuerrechtlich als steuerfrei bewertete Vergütungsteile nicht zwingend auch beitragsfrei in der Sozialversicherung seien. Auch wenn der BFH die Steuerfreiheit von SFN-Zuschlägen unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt habe, seien die gemäß § 1 ArEV an eine Beitragsfreiheit geknüpften Anforderungen vorliegend jedenfalls nicht gegeben; denn würden - wie hier - die Zuschläge auf den Ergänzungslohn angerechnet, fehle es daran, dass sie "zusätzlich" zum Arbeitsentgelt gezahlt wurden. Eine Ausgestaltung, bei der auf diese Weise eine Arbeitsleistung zu SFN-Zeiten im Endeffekt das für die der Beitragsbemessung entscheidende geschuldete Bruttoarbeitsentgelt sogar verringere und auf diese Weise die soziale Absicherung von Beschäftigten infolge von zu SFN-Zeiten erbrachte Zuschläge verschlechtere, widerspreche den Prinzipien des Sozialversicherungsrechts und sei daher rechtswidrig.

13

Der Kläger erwidert und legt dazu - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Seewald vom 5.6.2013 "Zu Fragen der Lohnabrechnung im Gastronomiebereich nach dem 'twodoxx-Vergütungssystem'" vor: Gewünschtes Ergebnis der vorliegenden Entgeltvereinbarung sei die Kompensation schwankender Auszahlungslöhne, weil Arbeitnehmer sich trotz schwankender Einsatzplanung auf eine bestimmte durchschnittliche Auszahlung verlassen können sollten. Der Arbeitgeber kompensiere die eventuell entstehende Differenz durch privatautonome Vereinbarung im Interesse des Betriebsfriedens mit Ergänzungslöhnen und erhöhten Zuschlägen. Die insoweit zu erreichende Berechnungsgröße sei der durchschnittliche Effektivlohn/Auszahlungsbetrag. Das Arbeitsentgelt werde durch den Ergänzungslohn solange erhöht, bis dieser Betrag erreicht sei. Die Vereinbarung des Effektivlohns bedinge ausschließlich eine Erhöhung der Vergütung über den Basisgrundlohn hinaus. Die Beklagte verkenne durchgehend, dass die Zusicherung einer bestimmten durchschnittlichen Auszahlung auch zusätzliche Vergütungsansprüche der Mitarbeiter in Form eines beitragspflichtigen Ergänzungslohns und eine Erhöhung der SFN-Zuschläge bewirke. Unzutreffend sehe die Beklagte die vereinbarte Guthabenklausel in der Vergütungsvereinbarung als mit dem Entstehungsprinzip unvereinbar an. So sei etwa auch die pauschale Abschlagszahlung von SFN-Zuschlägen, bei der das Guthabenkonto aufgelöst und mit den tatsächlichen Zuschlägen verrechnet werde, steuerrechtlich anerkannt. Die von ihm (dem Kläger) gewählte Entlohnungssystematik sei demgegenüber viel exakter. Es sei im LSG-Verfahren zwischen den Beteiligten "unstreitig gewesen, dass die Guthabenklausel tatsächlich im Betrieb des Klägers nie zur Anwendung gekommen" sei; daher komme es auch grundsätzlich darauf nicht an. - Die Beklagte stelle den Sachverhalt weiterhin unrichtig dar, wenn sie behaupte, die SFN-Zuschläge würden auf den Ergänzungszuschlag angerechnet, ohne konkret offenzulegen, inwieweit dies der Fall sei. Tatsächlich habe der Ergänzungslohn als rechnerische Zielgröße nur den Sinn, Arbeitnehmer von Zufallsschwankungen in der Entlohnung zu entlasten. - Im Zusammenhang mit dem Zusätzlichkeitserfordernis verkenne die Beklagte ebenfalls den Sachverhalt. Sie erläutere nicht, zu welchem "Bezugslohn" die Zuschläge zusätzlich sein müssten - dies könne nur der geschuldete Grundlohn sein, welcher sich aber wiederum erst aus der Vergütungsvereinbarung unter Einbeziehung des Bemessungsziels eines durchschnittlichen Auszahlungsbetrags ergebe. Ohne die vorliegende Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns wäre der geschuldete Bruttolohn monatlich jeweils niedriger.

14

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich nicht.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist (nur) im Sinne der Aufhebung des angefochtenen LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet.

16

Das Urteil des LSG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand und ist aufzuheben. Der Senat selbst kann allerdings wegen Fehlens der dafür erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend in der Sache entscheiden, ob das LSG zu Recht das der Klage stattgebende SG-Urteil aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen hat.

17

1. Die Revision des Klägers ist - jedenfalls teilweise - zulässig.

18

Der Kläger rügt iS von § 164 Abs 2 S 3 iVm § 162 SGG die Verletzung materiellen Bundesrechts durch das LSG, nämlich ausdrücklich die "Verletzung von § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV iVm § 1 ArEV und § 3b EStG". Verfahrensrügen erhebt er weder ausdrücklich noch entsprechen sinngemäß als Verfahrensrügen deutbare Ausführungen den hierfür geltenden gesetzlichen Anforderungen, weshalb Ausgangspunkt der nach § 162 SGG vorzunehmenden revisionsrechtlichen Beurteilung die von LSG in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen sind(§ 163 SGG).

19

Zwar macht der Kläger als einen der zentralen Punkte seiner Argumentation geltend, das LSG sei schon von "falschen tatsächlichen Grundlagen" ausgegangen, indem es unterstellt habe, die SFN-Zuschläge hätten sich in "gegenseitiger Variabilität" berechnet. Für die Rüge einer verfahrensfehlerhaften Beweiswürdigung reicht es jedoch nicht aus, wenn der Revisionsführer - mag dies auch wie vorliegend mit umfangreichem und detailliertem Vorbringen erfolgen - seine von der Einschätzung des Berufungsgerichts abweichende eigene Würdigung des Sachverhalts lediglich an die Stelle derjenigen des LSG setzt (vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c mwN, etwa BSGE 94, 133 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2, RdNr 18; BSGE 99, 1 = SozR 4-3200 § 81 Nr 3, RdNr 26; BSG SozR 4-2700 § 63 Nr 3 RdNr 24).

20

Insbesondere ist der Senat angesichts fehlender Revisionsrügen daran gehindert, den genauen tatsächlichen Inhalt der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit- und Entgeltgestaltung abweichend vom LSG festzustellen. Obwohl sich die Abgrenzung von revisionsrechtlich bedeutsamen Rechtsfragen und im Revisionsverfahren irrelevanten Tatfragen im Einzelnen als schwierig erweisen kann, obliegt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur den Tatsachengerichten und nicht dem Revisionsgericht, den Willen von Vertragsparteien festzustellen. Anderes würde nur gelten, wenn das Tatsachengericht die von ihm selbst bereits festgestellten tatsächlichen Umstände nicht vollständig verwertet hätte. Auf entsprechende Rügen hin vom Revisionsgericht vollinhaltlich zu überprüfen ist als Teil der Rechtsanwendung der Tatsachengerichte nur die Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregeln, anerkannter Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften (vgl zum Ganzen zB Leitherer, aaO, § 162 RdNr 3b mwN; BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 47 mwN aus der Rspr des BFH und des BVerwG).

21

2. Die Revision des Klägers ist (nur) gemäß § 170 Abs 2 S 2 SGG iS der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet.

22

Ausgehend von dem im vorliegenden Revisionsverfahren maßgebenden Streitgegenstand (dazu a) leidet das LSG-Urteil an materiellrechtlichen Mängeln (dazu b), selbst wenn man dabei den revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt zum Ausgangspunkt nimmt. Zudem kann der Senat auf dieser Grundlage nicht abschließend entscheiden, ob die angegriffene Beitragsforderung der Beklagten wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in voller Höhe gerechtfertigt ist (dazu c). Deshalb ist das Urteil des LSG insgesamt aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen.

23

a) Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 28.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2006, allerdings beschränkt auf das Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1., welcher im Prüfzeitraum vom 1.4.2003 bis 30.11.2004 bei dem Kläger versicherungspflichtig beschäftigt war. Hierauf bezogen fordert die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund vom Kläger weitere Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit in Höhe von insgesamt 2681,12 Euro.

24

b) Das angefochtene LSG-Urteil erweist sich als rechtsfehlerhaft und unterliegt daher der Aufhebung.

25

Im Kern ist dafür entscheidend, dass nach den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils schon nicht hinreichend ersichtlich ist, ausgehend von welchem dem Beigeladenen zu 1. geschuldeten - zwischen den Beteiligten der Höhe nach umstrittenen - Bruttoarbeitsentgelt sich die von der Beklagten geltend gemachte und vom LSG in voller Höhe von 2681,12 Euro bestätigte Beitragsnachforderung im Einzelnen errechnet. Das LSG hat insoweit lediglich Beispielsrechnungen für drei Monate vorgenommen, darauf aufbauend den Nachforderungsbescheid der Beklagten in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. insgesamt für rechtmäßig erachtet und - darüber hinaus wesentlich gestützt auf den Umstand, dass sich der Kläger bei der tatsächlichen Entgeltabrechnung nicht an den von ihm verwendeten schriftlichen Arbeitsvertrag gehalten habe - die Klage abgewiesen; dies ist allerdings geschehen, ohne dass dabei ausgehend von den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen (dazu im Folgenden aa) die Verbindung von dem vom Kläger dem Beigeladenen zu 1. geschuldeten Bruttoarbeitsentgelt einerseits und der Beitragsforderung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung andererseits nachvollziehbar wird und ohne dass die insoweit notwendigen einzelnen Prüfungsschritte hin zur sich ergebenden Beitragsforderung beachtet werden (dazu im Einzelnen bb). Zudem tragen zentrale eigene Erwägungen des LSG die Aufhebung des der Klage stattgebenden SG-Urteils und die Klageabweisung nicht (dazu cc).

26

aa) Nach § 28p Abs 1 S 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung - hier die Beklagte - bei den Arbeitgebern, ua, ob diese ihren Pflichten nach dem SGB, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere prüfen sie die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Gemäß § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erlassen die genannten Träger im Rahmen der Prüfung ua Verwaltungsakte zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

27

In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zugrunde(§ 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III, jeweils in den für die streitige Zeit vom 1.4.2003 bis 30.11.2004 geltenden Fassungen). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs 1 SGB IV, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IV). Die auf § 17 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IV beruhende ArEV(in der hier anzuwendenden Fassung des Art 1 Nr 1 vom 12.12.1989 - BGBl I 2177; Geltung 1.1.1990 bis 30.6.2006) bestimmte in der hier streitigen Zeit in ihrem § 1 Folgendes:

"Einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, sind nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 nichts Abweichendes ergibt."

28

Da der in der Regelung genannte § 3 ArEV nur die gesetzliche Unfallversicherung betrifft, ist § 1 ArEV vorliegend uneingeschränkt anzuwenden. Welche der darin erwähnten "Zuschläge … lohnsteuerfrei" sind, ist in § 3b EStG geregelt. Dies sind Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die "neben dem Grundlohn" gezahlt werden (§ 3b Abs 1 Nr 1 EStG). "Grundlohn" wiederum ist im Sinne des Einkommensteuerrechts "der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht" (§ 3b Abs 2 S 1 EStG). § 3b Abs 2 S 2 und 3 EStG definieren, was steuerrechtlich unter Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zu verstehen ist.

29

bb) An den vorgenannten Regelungen ist die Rechtmäßigkeit der in den angefochtenen Bescheiden in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. festgesetzten Beitragsnachforderung der Beklagten in Höhe von 2681,12 Euro zu überprüfen. Hierfür zwingen die sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das Entstehungsprinzip (dazu im Folgenden <1>), zur Einhaltung eines bestimmten, vom LSG nicht herangezogenen Prüfungsprogramms (dazu im Einzelnen <2> bis <4>).

30

(1) Das für die Sozialversicherung zentrale Entstehungsprinzip hat zum Inhalt, dass Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen sind - was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt - und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (grundlegend BSGE 54, 136 = SozR 2200 § 393 Nr 9; BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5; fortführend zB BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2; zur Verfassungskonformität des Prinzips: BVerfG Beschluss vom 11.9.2008 - 1 BvR 2007/05 - SozR 4-2400 § 22 Nr 3; aus dem Schrifttum vgl zB Sieben in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Beitragsrecht, 9. Aufl 1998 ff, 6.4.6 mwN ; Axer in von Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 5. Aufl 2012, § 14 RdNr 32 mwN; Ruland in ebenda, § 17 RdNr 180, jeweils mwN; Immich, Rechtsprobleme der Einkommensvorschriften und -begrifflichkeiten im Sozialversicherungsrecht, Diss Hamburg, 2013, S 24 ff mwN). Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist für das Beitragsrecht der Sozialversicherung demgegenüber nur entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als ihm unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen zusteht, dh dann, wenn ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewandt werden (vgl BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 24 S 62 f).

31

Um diesen Grundsätzen zu genügen, bedarf es im Streit über eine Beitragsforderung zunächst der Feststellung des objektiv "geschuldeten Arbeitsentgelts" bzw des entstandenen Entgeltanspruchs im streitigen Zeitraum, für den Sozialversicherungsbeiträge beansprucht werden. Im Einzelnen ist hierfür zunächst festzustellen, welchen vergütungsrelevanten Inhalt die zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Vereinbarungen haben, insbesondere welches Arbeitsentgelt unter welchen Arbeitsbedingungen für welche Arbeitszeit geschuldet sein soll (dazu im Folgenden <2>). In einem zweiten Schritt ist sodann zu prüfen, ob diese arbeitsvertraglichen Abreden mit zwingendem Recht vereinbar sind oder ob sich aus solchem zwingenden Recht nicht etwa ein höherer geschuldeter Arbeitsentgeltanspruch ergibt; dies ist im vorliegenden Fall unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts denkbar, möglicherweise auch unter Würdigung einschlägiger tarifvertraglicher Mindestregelungen und Mindestansprüche (dazu <3>). Erst wenn danach feststeht, was arbeitsvertraglich bzw arbeitsrechtlich in einem bestimmten Abrechnungszeitraum genau an Arbeitsentgelt geschuldet bzw in welcher Höhe der Arbeitsentgeltanspruch "entstanden" ist, stellen sich speziell für das Beitragsrecht der Sozialversicherung weitere Fragen, insbesondere danach, welche Entgeltbestandteile der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (dazu <4>).

32

Diese Systematik hat das LSG bei seiner berufungsrechtlichen Prüfung nicht hinreichend beachtet.

33

(2) Im Urteil des LSG fehlen - obwohl es an verschiedenen Stellen der Entscheidungsgründe auch Rechtsbereiche außerhalb des reinen Sozialversicherungsrechts (Arbeitszeitrecht; Einkommensteuerrecht; tarifliche Regelungen) angesprochen hat - bereits klare Feststellungen zu den entstandenen Entgeltansprüchen des Beigeladenen zu 1., dh zu den arbeitsvertraglichen, tariflichen und gesetzlichen Regelungen über die Bildung des Arbeitsentgelts in den jeweiligen Entgeltabrechnungszeiträumen.

34

(a) Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche zwischen den Arbeitsvertragsparteien wöchentlich oder in einem Entgeltabrechnungszeitraum (hier Kalendermonat) vereinbarte Arbeitszeit galt sowie in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. verpflichtet war, Arbeitsstunden innerhalb und außerhalb von SFN-Zeiten zu erbringen. Dazu enthält - was das LSG bei einer erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits zu beachten haben wird - auch der vom LSG zur Ergänzung des Tatbestandes mit in Bezug genommene Arbeitsvertrag keinerlei evidente konkrete Regelungen: Nach § 2 Arbeitsvertrag und Anlage 1 "Regelung der Arbeitszeit" Punkt 1.1. richtet sich die (regelmäßige) Arbeitszeit nur "nach den betriebsüblichen Zeiten". Nach Punkt 1.2. und 1.3. der Anlage können in Bezug auf die Wochenarbeitszeit in den einzelnen Wochen "unterschiedliche Arbeitszeiten festgelegt" und "auf alle Wochentage verteilt" werden. Insoweit bedarf es zusätzlicher Feststellungen zum tatsächlichen Inhalt des Arbeitsvertrags, der auch aus der gelebten Praxis der Beteiligten erschlossen werden kann, soweit jene auf eine arbeitsrechtlich zulässige Konkretisierung oder Änderung der schriftlichen Vereinbarungen schließen lässt.

35

(b) Bezüglich der Bestimmung der betragsmäßigen Entgelthöhe unter dem Blickwinkel der dem Beigeladenen zu 1. für eine geleistete Arbeitsstunde zustehenden Betrages geht das LSG (in zentralen Punkten abweichend von dem Verständnis des Klägers) von der Maßgeblichkeit eines bestimmten Bruttogrundlohnes und dazu zu zahlender SFN-Zuschlagsleistungen aus, und zwar auf der Grundlage von § 4 des Arbeitsvertrages vom 1.4.2003, der die im Tatbestand im Einzelnen beschriebenen, sich in Gänze nicht ohne Weiteres inhaltlich erschließenden Regelungen ua zum "Brutto-Basisgrundlohn" des Beigeladenen zu 1. von "7,00 Euro für jede arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsstunde", zu zusätzlichen SFN-Zuschlägen "als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden", zum "durchschnittliche(n) Effektivlohn (Auszahlung)" in Höhe von 7,47 Euro sowie zur "Grundlohnergänzung" für den Fall eines geringeren durchschnittlichen Auszahlungsbetrags "pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde als … vereinbart" enthält.

36

Wie die Berechnungsbeispiele des LSG ergeben (nachfolgende Zahlen bezogen auf den Abrechnungsmonat Februar 2004), hat es aus diesen Regelungen hergeleitet, dass sich die vom Kläger gewährten - vermeintlich nach § 1 ArEV beitragsfreien - Zusatzleistungen für die SFN- Arbeit zusätzlich zu dem Brutto-Basisgrundlohn von 7,00 Euro errechnen sollen; faktisch sei aber durch die zugesagten Zuschläge schon dieser zugesagte Basisgrundlohn nicht eingehalten worden, weil er rechnerisch nur 6,50 Euro betragen und den vereinbarten (und für die Beitragsbemessung als Untergrenze maßgebenden) Stundenlohn von 7,00 Euro nur dann erreicht habe, wenn man in den Stundenlohn Essens- und Werkzeuggeld hineinrechnete. Allerdings ergeben sich insoweit aufgrund der in den Akten befindlichen Unterlagen Zweifel an dieser Würdigung, denen im Rahmen der erneuten Eröffnung der tatrichterlichen Prüfung aufgrund der insoweit zu beachtenden Bindung an die Vorgaben des Revisionsgerichts (§ 170 Abs 5 SGG) bei einer erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das LSG nochmals nachzugehen sein wird.

37

Was hinsichtlich der entstandenen Entgeltansprüche des Beigeladenen zu 1. insoweit genau galt und welchen Inhalt in diesem Zusammenhang bestimmte Begrifflichkeiten der Vergütungsklausel in § 4 Arbeitsvertrag haben sollten, erschließt sich im Übrigen auch nach dem vielfältigen, uneinheitlichen und teilweise ersichtlich in sich widersprüchlichen Vorbringen der Klägerseite nicht: So ist schon nicht erkennbar, dass den vom Kläger in den verschiedenen von ihm im Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren in Bezug genommenen - revisionsrechtlich vom erkennenden Senat ohnehin nur eingeschränkt zu würdigenden - Rechtsgutachten(Gutachten Dr. Schaub; Gutachten Prof. Dr. Felix/Brockmann; Gutachten Prof. Dr. Offerhaus; Gutachten Prof. Dr. Seewald) genau gleich gelagerte Sachverhalte zugrunde liegen, wie sie im Betrieb des Klägers bestanden haben sollen, insbesondere, ob auch im Falle des Beigeladenen zu 1. auf der tatsächlichen Ebene eine gleich gelagerte Praxis bestand. Schwerlich nachzuvollziehen sind auch Berechnungen des Klägers, wenn er in seinen Beispielen teilweise von gänzlich anderen Beträgen ausgeht als sie bei dem Beigeladenen zu 1. im hier geltenden Arbeitsvertrag vom 1.4.2003 einschlägig waren (Revisionsbegründung Seite 2 ff sowie Gutachten Prof. Dr. Offerhaus: "Basisgrundlohn 8 Euro … Effektivlohn 10 Euro", Revisionsbegründung Seite 15 "Basisfaktor 9,05 Euro", Grundlohnfaktor 9,87 Euro).

38

Darüber hinaus fällt etwa auf, dass schon der in § 4 Arbeitsvertrag verwendete Begriff des - im Falle des Beigeladenen zu 1. mit 7,47 Euro pro Stunde angesetzten - "Effektivlohns" bzw "Auszahlungsbetrags" eigentlich nur so verstanden werden kann, dass es sich dabei um einen - ggf mittels Grundlohnerhöhung auf eben diesen Betrag zu ergänzenden - "Nettolohn" handelt (so auch Revisionsbegründung Seite 3 f, die allerdings in "Schritt 4" dann noch von einem auf einen Bruttolohn hochzurechnenden "Grundlohnzusatz" und einer "Zuschlagserhöhung" ausgeht); Prof. Dr. Seewald nimmt dagegen auf Seite 12 unter b) seines Gutachtens an, dass es sich beim "Effektivlohn" bzw "Auszahlungsbetrag" "nicht um einen Nettobetrag, der dem Arbeitnehmer in dieser Höhe und ohne Abzüge … verbleiben soll" handele; vielmehr seien von dem Auszahlungsbetrag nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Regelungen Abgaben zu entrichten. Auch insoweit besteht tatrichterlicher Bedarf nach Klarstellung bzw Klärung.

39

(c) Hinsichtlich der Entgelthöhe wird das LSG schließlich auch festzustellen haben, von welchen Zeitpunkten an sich - von dem Kläger im Revisionsverfahren auch behauptete - Lohnerhöhungen ergaben, die sich unmittelbar auf den Entgeltanspruch und mittelbar auf die Beitragsberechnung auswirkten.

40

(3) Ferner hat das LSG nicht geprüft, ob sich über die reinen vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. hinaus aus höherrangigem Recht nicht sogar noch höhere Vergütungsansprüche des Beigeladenen zu 1. ergeben, als sie unmittelbar aus dem Vertrag folgen. Hierzu hätte neben möglichen auch im Arbeitsverhältnis des Beigeladenen zu 1. verbindlichen tarifvertraglichen Regelungen insbesondere die Einhaltung zwingenden Arbeitszeitrechts geprüft werden müssen. Daraus könnte sich nämlich die Konsequenz ergeben, dass die von der Beklagten festgesetzte Beitragsforderung möglicherweise zwar niedriger ist, als es nach der Sach- und Rechtslage in Betracht kommt, dass aber jedenfalls die konkret gegenüber dem Kläger festgesetzte Höhe im anhängigen Rechtsstreit nicht mit Erfolg als überhöht und damit die Rechte des Klägers verletzend beanstandet werden könnte.

41

Zwar hat ein Arbeitgeber für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen von Gesetzes wegen keine zusätzlichen finanziellen Leistungen zu gewähren (so BAG Urteil vom 11.1.2006 - 5 AZR 97/05 - AP Nr 2 zu § 11 ArbZG; Poeche in Küttner, Personalhandbuch, 21. Aufl 2014, Stichwort "Sonn- und Feiertagsarbeit" RdNr 15), jedoch wurde vorliegend arbeitsvertraglich von der Möglichkeit einer zusätzlichen Leistungsgewährung Gebrauch gemacht. Für die Nachtarbeit bestimmt § 6 Abs 5 ArbZG demgegenüber zwingend, dass der Arbeitgeber - soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen - dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessen Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren hat. Dieser arbeitsrechtliche Zuschlag für Nachtarbeit beträgt in der Praxis - bei einer in Deutschland anzutreffenden Spanne zwischen 10 % und 40 % - durchschnittlich 25 % (vgl BAG Urteil vom 27.5.2003 - 9 AZR 180/02 - AP Nr 5 zu § 6 ArbZG, Juris RdNr 25; vgl zB Anzinger/Koberski, ArbZG, 4. Aufl 2014, § 6 RdNr 80). Darüber hinaus kommt in Betracht, dass auch tarifrechtliche Regelungen - auf deren Existenz es in den Akten der Beklagten Hinweise gibt, die das LSG aber nur in anderem Zusammenhang und pauschal anspricht (Seite 11 der Entscheidungsgründe unter 4.) - möglicherweise (bei gegebener Allgemeinverbindlichkeit oder Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien) dazu führen könnten, dass sich mit Blick auf geleistete Nachtarbeit des Beigeladenen zu 1. noch höhere Entgeltansprüche ergeben als dies im zugesagten "Effektivlohn" von 7,47 Euro zum Ausdruck kommt.

42

Vor diesem Hintergrund hätte das LSG insbesondere der Frage nachgehen müssen, ob hier angesichts der vom Kläger gewählten durchschnittsorientierten Vergütungssystematik mit einheitlichen Auszahlungsbeträgen von 7,47 Euro je Arbeitsstunde und der tatsächlichen betrieblichen Praxis überhaupt davon gesprochen werden kann, dass der Kläger als Arbeitgeber entsprechend § 6 Abs 5 ArbZG - soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen - Nachtarbeitnehmern einen angemessenen "Zuschlag" auf das ihnen für die Nachtarbeit arbeitszeitrechtlich zustehende Bruttoarbeitsentgelt zahlte. Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der Zuschläge für geleistete Nachtarbeit mit umfasst und durch die Höhe des Lohnes abgegolten sein sollen, wird in der arbeitsrechtlichen Literatur - jedenfalls teilweise - als gegen die gesetzlichen Anforderungen des § 6 Abs 5 ArbZG verstoßend eingestuft(so Rauschenberg in Hk-ArbZG, 2. Aufl 2004, § 6 RdNr 111). Zwar kommt auch eine in einem angehobenen Grundentgelt enthaltene pauschale Abgeltung der gesetzlich gebotenen Zuschläge in Betracht, dieses jedoch nur ausnahmsweise dann, wenn die Tätigkeiten des Arbeitnehmers ausschließlich und dauerhaft Nachtarbeit erfordern (BAGE 114, 272 = AP Nr 118 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Buschmann/Ulber, ArbZG, 7. Aufl 2011, § 6 RdNr 30). In einem derartigen Fall kann dann aber wiederum zweifelhaft sein, ob überhaupt ein abgabenbegünstigter Zuschlag vorliegt (iS des Einkommensteuerrechts verneinend von Beckerath in P. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Bd 4, § 3b RdNr B 2, Stand Einzelkommentierung April 2000; dazu näher unten <4> ).

43

Vor diesem Hintergrund ist zumindest nicht ohne Weiteres und nicht ohne Kenntnis der nähe-ren Umstände der im Falle des Beigeladenen zu 1. und bei anderen Beschäftigten im Betrieb des Klägers geübten Praxis in jeder Hinsicht zweifelsfrei, ob es mit zwingendem Arbeitszeitrecht vereinbar ist, wenn im vorliegenden Fall ohnehin für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde ein "durchschnittlicher Effektivlohn (Auszahlung)" von 7,47 Euro geschuldet sein soll; möglicherweise käme insoweit sogar in Betracht, dass jedenfalls die gesetzlichen Nachtzuschläge bezogen auf diesen Betrag aufgestockt werden müssten.

44

(4) Nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend geprüft hat das LSG des Weiteren, ob der sich nach den vorstehend unter <3> dargestellten Grundsätzen arbeitsrechtlich ergebende Entgeltanspruch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts (und ergänzend des Einkommensteuerrechts) iS von § 1 ArEV iVm § 3b Abs 1 EStG beitragsrechtskonform umgesetzt wurde.

45

(a) Selbst wenn man annähme, dass es für die Privilegierung der im Betrieb des Klägers vorgenommenen Entgeltgestaltung bezüglich der SFN-Leistungen als beitragsfrei allein auf die "Zusätzlichkeit" der Zuschläge iS von § 1 ArEV iVm § 3b Abs 1 EStG (= "neben dem Grundlohn gezahlt") ankäme, müssten dafür jedenfalls die Voraussetzungen erfüllt sein, die der BFH mit Blick auf dieses Merkmal an eine Steuerfreiheit solcher Leistungen des Arbeitgebers stellt. Dass dies im vorliegenden Fall gewährleistet war, kann ausgehend von den bisherigen Feststellungen des LSG allerdings nicht zweifelsfrei bejaht oder verneint werden.

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Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Steuerfreiheit von Zuschlägen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf den konkreten Umfang der in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum tatsächlich erbrachten SFN-Arbeit an den Arbeitnehmer (pauschal) leistet, nämlich jedenfalls voraus, dass diese Zuschläge nach dem übereinstimmenden Willen der Arbeitsvertragsparteien als Abschlagszahlungen oder Vorschlüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werden; dazu muss der Arbeitgeber die geleisteten Arbeitsstunden auflisten und spätestens beim Abschluss des Lohnkontos abrechnen (vgl BFH Urteil vom 24.9.2013 - VI R 48/12 - BFH/NV 2014, 341 RdNr 15; BFH Urteil vom 8.12.2011 - VI R 18/11 - BFHE 236, 97 mwN; zu den weiteren Voraussetzungen zB BFH vom 16.12.2010 - VI R 27/10 - BFHE 232, 174 mwN; ebenso von Beckerath in P. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Bd 4, § 3b RdNr B 36, Stand Einzelkommentierung April 2000; ders in P. Kirchhof, EStG, 12. Aufl 2013, § 3b RdNr 2 mwN aus der Rspr des BFH in Fn 7; Heinicke in L. Schmidt, EStG, 32. Aufl 2013, § 3b RdNr 7 mwN; vgl zur Rspr des BFH im Einzelnen auch Sieben in Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Beitragsrecht, aaO, Gliederungspunkt 6.9.11.2.3 - Pauschale SFN-Zuschläge).

47

Dass ein solcher, zu einer Privilegierung im Lohnsteuerrecht (und darauf aufbauend im Beitragsrecht der Sozialversicherung) führender Sachverhalt hier vorlag, hat das LSG nicht festgestellt, obwohl Anlass dazu bestand. Ermittlungen zum Merkmal "zusätzlich" bzw "neben dem Grundlohn gezahlt" iS von § 1 ArEV iVm § 3b Abs 1 EStG sind angesichts der Umstände des Falles nicht von vornherein entbehrlich. Zwar hat die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung vorgetragen, die Existenz eines wie auch immer gearteten "Guthabenkontos" für Fälle einer überdurchschnittlich hohen Zahl von SFN-Arbeitsstunden habe bei der Betriebsprüfung nicht belegt werden können; der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht gegen diese Äußerung gewandt, sondern hat es nur - ohne dass dem Einzelheiten in gebotener Klarheit entnommen werden könnten - als "im Berufungsverfahren unstreitig gewesen" dargestellt, dass eine Guthabenklausel tatsächlich im Betrieb "nicht zur Anwendung" gekommen sei (Seite 3 des Schriftsatzes vom 4.5.2012). Mit Letzterem ist indessen nicht vereinbar, dass § 4 Arbeitsvertrag einen solchen Ausgleichsmechanismus gerade explizit vorsieht. Dort heißt es nämlich:

"Sollte durch eine entsprechende Arbeitszeitplanung aufgrund hoher SFN-Zuschläge ein höherer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag zustande kommen, so gilt als vereinbart, dass der Differenzbetrag auf dem Lohnkonto als Guthaben zum Ausgleich bei geringeren durchschnittlichen Auszahlungsbeträgen pro geleisteter Arbeitsstunde verrechnet wird."

48

Um insoweit rechtliche Folgerungen ziehen zu können, sind zunächst weitere Ermittlungen des LSG zur Existenz und Praktizierung eines Ausgleichsmechanismus im Betrieb bzw zu dessen Unterbleiben nötig, etwa durch Anhörung des Klägers und des Beigeladenen zu 1. Sollte sich ergeben, dass im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu § 3b EStG Zuschläge für tatsächlich geleistete SFN-Arbeit nicht "neben dem Grundlohn", dh neben dem laufenden "Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht", gezahlt wurden, schiede auch eine beitragsrechtliche Privilegierung von SFN-Zuschlägen aus. Derartiges wäre der Fall, wenn dem Beigeladenen zu 1. arbeits(zeit)rechtlich zustehende Nachzahlungen für in größerem als dem geschuldeten bzw vorgesehenen Umfang abgeleistete SFN-Zeiten vorenthalten wurden oder wenn nachträgliche Korrekturen für den Fall unterblieben, dass tatsächlich weniger SFN-Stunden erbracht wurden als im vorgenannten Sinne in einem Entgeltabrechnungszeitraum vergütet.

49

Den sich bereits aus dem Einkommensteuerrecht, insbesondere der zitierten, bis in das Jahr 2013 hineinreichenden ständigen Rechtsprechung des BFH ergebenden Erfordernissen steht das Urteil des BFH vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - (BFHE 230, 150 = BStBl II 2011, 43; dazu Anm Bergkemper jurisPR-SteuerR 49/2010 Anm 2), auf das sich der Kläger für seine dem entgegenstehende Rechtsauffassung bezieht, nicht entgegen. Der 6. Senat des BFH hat in diesem Urteil zwar entschieden, dass die Vereinbarung eines durchschnittlichen Auszahlungsbetrags pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde der Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht entgegensteht und dass der "laufende Arbeitslohn" der Höhe nach schwanken darf, ohne dass dies der Anwendung von § 3b Abs 2 S 1 EStG entgegensteht; allerdings dürfen auch danach die - neben dem Grundlohn (dh dem laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der "für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit" für den jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum zusteht) zu leistenden - Zuschläge nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung sein und müssen für tatsächlich geleistete SFN-Arbeit gezahlt werden. Dass auch im Arbeitsverhältnis zwischen Kläger und Beigeladenem zu 1. eine eben solche Konstellation wie im genannten Urteil des BFH galt, kann auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht unterstellt werden. Im Falle des Beigeladenen zu 1. steht nämlich nicht einmal die für ihn "maßgebende regelmäßige Arbeitszeit" fest; darüber hinaus bestehen angesichts der wechselnden und unklaren Terminologie Unklarheiten darüber, welche konkreten Beträge die Arbeitsvertragsparteien überhaupt jeweils als "Grundlohn" bzw "laufenden Arbeitslohn" einerseits und als "Zuschläge" andererseits verstanden wissen wollten (zu beiden Punkten bereits unter 2 b bb <2>).

50

(b) Unbeschadet der unter (a) erörterten einkommensteuerrechtlichen Würdigung ist weiter zu prüfen, ob die im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. getroffenen Abreden mit zwingenden Vorgaben und Prinzipien des Sozialversicherungsrechts vereinbar sind, die den Regelungen über die Beitragsfreiheit von SFN-Zuschlägen vorgelagert bzw übergeordnet sind.

51

Insoweit kann dahinstehen, ob von einem jedenfalls inhaltlichen Gleichklang von § 1 ArEV und § 3b EStG auszugehen ist (was das LSG verneint hat). Dass aber im Beitragsrecht der Sozialversicherung trotz seiner Bindungen an einkommensteuerrechtliche Sachverhalte (vgl §§ 15, 16 SGB IV) jedenfalls durchaus auch vom Steuerrecht abweichende Grundsätze gelten können, wurde bereits oben 2 b bb <1> in Bezug auf die Geltung von Entstehungs- und Zuflussprinzip dargelegt (vgl ferner zur Aufrechterhaltung sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten gegenüber dem Einkommensteuerrecht zB Entwurf der Bundesregierung eines Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4122 S 32 zu § 15 und S 33 zu § 17 des Entwurfs; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1 RdNr 31): Während es nämlich für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt grundsätzlich nur auf die dem Arbeitnehmer/Beschäftigten insoweit tatsächlich zugeflossenen Beträge (hier: für Arbeitsentgelt und SFN-Zuschläge) - ohne Rücksicht auf die arbeitsvertraglich bzw arbeitsrechtlich konkret bestehenden Entgeltansprüche - ankommt, sind Sozialversicherungsbeiträge von demjenigen (beitragspflichtigen Brutto-)Arbeitsentgelt zu erheben, das der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber (rechtlich) beanspruchen kann, dh von den Beträgen, in deren Höhe der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist. Das kann - auch im vorliegenden Fall - zu beitragsrechtlichen Abweichungen von der lohn- und einkommensteuerrechtlichen Behandlung führen.

52

Darüber hinaus ist bezogen auf das Sozialversicherungsrecht zu beachten, dass privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil eines Sozialleistungsberechtigten von den Vorschriften des SGB abweichen, nichtig sind (§ 32 SGB I), was auch Abreden zwischen den Arbeitsvertragsparteien über eine dem Beschäftigten gegenüber den Regelungen des SGB IV nachteilige Verbeitragung von Entgeltansprüchen betrifft (vgl zur Geltung des § 32 SGB I auch in Bezug auf derartige Sachverhalte insoweit bereits Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil, BT-Drucks 7/868 S 27 zu § 32 des Entwurfs). Da das Sozialversicherungsrecht - anders als das Einkommensteuerrecht - zudem nicht auf einer auf das jeweilige Kalenderjahr bezogenen Betrachtung der zu zahlenden Abgaben beruht, sondern Arbeitsentgelte beitragsrechtlich grundsätzlich den jeweiligen Entgeltabrechnungszeiträumen zuzuordnen sind, bedürfte es einer Rechtfertigung dafür, dass Abweichungen gegenüber dem gesetzlichen Grundprinzip gelten sollen. Solche Abweichungen hat der Gesetzgeber zB - Bedürfnissen des modernen Arbeitslebens folgend - speziell geregelt in Bezug auf die Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgelts (§ 23a Abs 2 SGB IV) sowie hinsichtlich der Wertguthaben bei flexiblen Arbeitszeitregelungen, bei denen für die Zeit der Freistellung von der Arbeitsleistung eine Umverteilung des Arbeitsentgelts und der beitragspflichtigen Einnahmen aus dem Arbeitsentgelt vorgenommen wird (§ 7 Abs 1a, §§ 7b bis 7d, § 23b SGB IV, vgl dazu näher BSGE 113, 144 = SozR 4-2400 § 7 Nr 18). Der Gesetzgeber hat sich indessen dem vom Kläger geltend gemachten Anliegen, im Interesse des Arbeitsfriedens im Betrieb SFN-Zuschläge im Wege eines möglichst gleichmäßigen Entgeltzuflusses zu gewähren, im Beitragsrecht nicht speziell angenommen. Inwieweit die allgemeinen Regelungen zur Anwendung kommen bzw zumindest bestehende Sonderregelungen entsprechend herangezogen werden können, muss der Senat vorliegend allerdings nicht entscheiden, solange nicht die genauen Konturen des vom LSG und dem Kläger unterschiedlich dargestellten und gewürdigten Abrechnungsmodells und ihrer konkreten Umsetzung im Betrieb feststehen. Das angewandte Modell bleibt nämlich - wie dargestellt - in seinen Details selbst auf der Grundlage des revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt berücksichtigungsfähigen Vorbringens der Klägerseite unklar.

53

cc) Die vom LSG demgegenüber in den Vordergrund gerückten rechtlichen Gesichtspunkte tragen sein zum Nachteil des Klägers ergangenes Urteil nicht.

54

Das LSG hat die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Würdigung darauf gestützt, dass bereits vom ersten Moment der Arbeitsaufnahme an aus Gründen des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes der Beschäftigten eine Entgeltbestimmbarkeit gegeben sein müsse, der das Abrechnungsmodell des Klägers nicht genüge, weil beitragspflichtige Bruttoentgelte und beitragsfreie Zuschlagsleistungen nicht klar genug vorausberechenbar seien. Ob dem - bis auf die Ausführungen des LSG zum Entstehungsprinzip - allgemein zu folgen ist und sich ein solches allgemeines Prinzip den Entscheidungen zur im Voraus erforderlichen Klarheit über Versicherungspflicht und fehlende Versicherungspflicht (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32 mwN) oder zu erforderlichen Prognosen über das arbeitszeit- oder arbeitsentgeltabhängige Bestehen von Versicherungsfreiheit (vgl zB BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6) ableiten lässt, muss vorliegend nicht entschieden werden. In den Blick zu nehmen ist in diesem Zusammenhang jedenfalls, dass auch bei vielen Formen erfolgsabhängiger Vergütung mit flexibler Arbeitszeit - etwa abhängig von der jeweiligen konkreten Auftragslage im Betrieb des Arbeitgebers - Unwägbarkeiten über die Höhe der Beiträge bestehen; gleichwohl wäre in solchen Fällen kaum eine starre beitragsrechtliche Behandlung gerechtfertigt, wenn zumindest nachträglich nachvollziehbare Entgeltabrechnungen erfolgten (vgl auch zB § 23 Abs 1 S 2 Halbs 2 SGB IV idF der Bekanntmachung vom 21.2.2006, BGBl I 466).

55

Ohne Belang für die zu treffende Entscheidung ist in diesem Zusammenhang auch, welche Anforderungen die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in ihren Besprechungsergebnissen - auf die sich der Kläger teilweise beruft - an die Beitragsfreiheit von SFN-Zuschlägen stellen. Unbeschadet der Frage, ob sich der vorliegend revisionsrechtlich maßgebende zu überprüfende Sachverhalt mit demjenigen deckt, der den Besprechungsergebnissen zugrunde liegt, ist derartiges verwaltungsinternes Regelwerk nicht geeignet, die Gesetzeslage sowie die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere diejenige des BFH und des BSG, allgemein außer Kraft zu setzen.

56

c) Nach alledem ist zwar das LSG-Urteil aufzuheben, jedoch kann der Senat nicht abschlie-ßend in der Sache entscheiden, weil es nicht zu den Aufgaben eines Revisionsgerichts gehört, die zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehenden Vereinbarungen und deren betriebliche Umsetzung im Einzelnen zu ermitteln, um darauf fußend Berechnungen der vom Kläger zu zahlenden Beiträge vornehmen zu können. Dies führt zu einer Zurückverweisung nach § 170 Abs 2 S 2 SGG.

57

Das LSG hat bei seiner neuen Verhandlung und Entscheidung die oben aufgezeigten Prüfungsschritte zu beachten und muss sodann erneut würdigen, ob die Beiträge in den angefochtenen Bescheiden zutreffend berechnet wurden und ob die von der Beklagten beanspruchte Beitragshöhe - im Falle ihrer Rechtswidrigkeit - Rechte des Klägers verletzt.

58

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

59

3. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG entsprechend in Höhe der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

(1) Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Auf diese Zeiten sind vom 1. Januar 1992 an die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist. Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 17 sind Zeiten der Ausübung eines Tänzerberufes, für die nach dem Ausscheiden aus dem Tänzerberuf eine berufsbezogene Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen geleistet werden konnte.

(2) Als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gelten auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung oder in der freiwilligen Zusatzrentenversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.

(2a) Als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gelten auch Anwartschaftszeiten für eine Wiedereinbeziehung in das Versorgungssystem.

(3) Bei Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, für die eine Beitragserstattung erfolgt ist, wird der in der Sozialpflichtversicherung versicherte Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) zugrunde gelegt; §§ 6 und 7 sind anzuwenden.

(4) Eine Beitragserstattung liegt nicht vor, wenn sie vom Berechtigten nicht beantragt wurde und die Beiträge unter treuhänderische Verwaltung gestellt worden sind. Ist über die Auszahlung des treuhänderisch verwalteten Vermögens noch nicht entschieden, ist der Betrag, der der Summe der verwalteten und im Verhältnis zwei zu eins auf Deutsche Mark umgestellten Beträge entspricht, dem Bundesamt für Soziale Sicherung zur Verfügung zu stellen. Das Bundesamt für Soziale Sicherung berücksichtigt diesen Betrag bei der Abrechnung nach § 15 Abs. 4.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007.

2

Der 1977 geborene Kläger zu 1 und die 1980 geborene Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen, am 2003 und am 2007 geborenen Kindern, den Klägern zu 3 und 4, in einer ca 72 qm großen 3-Zimmer-Wohnung in Duisburg, für die im Juli 2007 insgesamt 432,69 Euro zu zahlen waren.

3

Seit dem 7.4.2007 bezog der Kläger zu 1 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Höhe von 823,80 Euro monatlich (27,46 Euro täglich), zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 21.3.2007. Für die Kinder wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 154 Euro gezahlt. Die Kläger bezogen daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Unter anderem bewilligte der beklagte Träger der Grundsicherung mit Bescheid vom 1.6.2007 für den Bewilligungszeitraum vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und dabei für den Monat Juli 2007 (unter Berücksichtigung des Kindergeldes und des Alg) Leistungen in Höhe von insgesamt 340,89 Euro (Regelleistung an die Kläger zu 1 und 2 sowie Kosten der Unterkunft und Heizung an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft).

4

Am 27.6.2007 nahm der Kläger zu 1 eine Vollzeittätigkeit als Produktionshelfer auf und informierte die BA hierüber am 3.7.2007 und den Beklagten am 2.8.2007. Der Arbeitgeber zahlte Mitte Juli 2007 für die vier im Juni 2007 geleisteten Arbeitstage 261,26 Euro brutto (219,21 Euro netto). Am 31.7.2007 zahlte die BA an den Kläger zu 1 Alg in Höhe von 823,80 Euro.

5

Mit Bescheid vom 2.8.2007 hob die BA ihre Bewilligung von Alg ab dem 27.6.2007 auf und forderte mit Erstattungsbescheid vom 9.8.2007 Leistungen in Höhe von 933,64 Euro zurück. Diese Bescheide sind bestandskräftig. Der Kläger zu 1 zahlte den Rückforderungsbetrag seit dem 14.12.2007 in monatlichen Raten von zuletzt 30 Euro zurück.

6

Mit Änderungsbescheid vom 14.8.2007 bewilligte der Beklagte den Klägern Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 30.9.2007. Für den Monat Juli 2007 gewährte er Leistungen in Höhe von 423,27 Euro unter Berücksichtigung von Alg in Höhe von 741,42 Euro. Den Wegfall des Alg berücksichtigte er erst ab August 2007.

7

Wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen im Juli 2007 forderte der Beklagte von den Klägern mit Bescheiden vom 27.8.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.7.2007 bis 31.7.2007 in Höhe von insgesamt 55,59 Euro gegenüber den Klägern zu 2 bis 4, sowie in Höhe von 31,37 Euro gegenüber dem Kläger zu 1 zurück.

8

Gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 14.8.2007 und die Bescheide vom 27.8.2007 legten die Kläger am 3.9.2007 (mit zwei Schriftsätzen) Widerspruch ein. Gegen die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens wandten sie sich in der Folge nicht mehr (Schriftsatz vom 11.10.2007) und beglichen die sich aus den Bescheiden vom 27.8.2007 ergebende Rückforderung. Soweit sie geltend machten, das mittlerweile zurückgeforderte Alg sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen, blieb der Widerspruch ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008).

9

Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg hat das SG mit Urteil vom 9.9.2010 abgewiesen. Der Streitgegenstand sei vorliegend durch einen in einem Erörterungstermin geschlossenen Vergleich wirksam auf die Frage der Berücksichtigung des Alg auf den Bedarf der Kläger für den Monat Juli 2007 beschränkt worden. Gegenstand der zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage sei allein der Bescheid vom 14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2008. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27.8.2007 seien dagegen nach Auffassung der Kammer nicht Gegenstand des Widerspruchverfahrens und damit auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Zwar beträfen sowohl der angegriffene Bescheid vom 14.8.2007 als auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27.8.2007 die Grundsicherungsleistungen für Juli 2007, sie beinhalten aber unterschiedliche, nämlich gegenläufige Verfügungen (Bewilligung und Aufhebung) im Hinblick auf unterschiedliche Einnahmen (Alg und Erwerbseinkommen). In der Sache ergebe sich ein Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen im Juli 2007 nicht. Zutreffend sei der Beklagte von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1472,69 Euro ausgegangen (Regelleistungen und tatsächliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 432,69 Euro). Von dem Gesamtbedarf seien zunächst 308 Euro Kindergeld abzusetzen und sodann das zugeflossene Alg. Das Alg sei seiner Natur nach - anders als ein gewährtes Darlehen - zum endgültigen Verbrauch bestimmt gewesen und habe den Klägern bei wirtschaftlicher Betrachtung im streitigen Zeitraum auch zur Verfügung gestanden. Daran ändere nichts, dass die Zahlung nicht rechtmäßig erfolgt sei.

10

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Sprungrevisionen. Die zu Unrecht ausgezahlte Sozialleistung dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Beim Alg handele es sich um eine zweckbestimmte Leistung. Die Leistung habe im Juli 2007 nicht dem Zweck dienen können, den Lebensunterhalt bei Arbeitslosigkeit zu decken, weswegen sie nicht habe zweckbestimmt eingesetzt werden können. Rechtswidrig gezahlte Leistungen seien von vornherein nicht geeignet, den Bedarf zu decken, denn sie seien von vornherein damit belastet, dass sie zurückgezahlt werden müssten. Jedenfalls wenn einem Hilfebedürftigen eine Einnahme zufließe, die mit einer sofortigen Rückzahlungspflicht verbunden sei, und unstreitig sei, dass die Rückzahlungspflicht bestehe, könne ein solcher Zufluss nicht als Einkommen oder als Vermögen berücksichtigt werden.

11

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 14. August 2007 und vom 27. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2008 zu ändern und den Klägern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

13

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007 besteht nicht. Dabei ist entgegen der Auffassung des SG der Streitgegenstand nicht dahin beschränkt, dass der geltend gemachte Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung des Alg als Einkommen zu prüfen wäre (dazu unter 1). Ein Anspruch der Kläger auf Änderung der angefochtenen Bescheide zu ihren Gunsten besteht nicht, wie das SG zutreffend entschieden hat. Für Juli 2007 war neben dem Erwerbseinkommen das zugeflossene Alg zu berücksichtigen (dazu unter 2). Weder die Kenntnis des Klägers zu 1 von der fehlenden Leistungsberechtigung nach dem SGB III noch die Aufhebung der der Zahlung zugrunde liegenden Bewilligung durch die BA im August 2007 führen dazu, dass das Alg im Zeitpunkt seines Zuflusses nicht als Einkommen zu berücksichtigen war (dazu unter 3).

15

1. Streitgegenstand sind vorliegend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Juli 2007. Die Kläger machen mit ihrem Vorbringen, es sei für Juli 2007 das zugeflossene Alg nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sowohl höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung an die minderjährigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft als auch (höhere) Regelleistungen an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf Regelleistungen einerseits und Kosten der Unterkunft und Heizung andererseits haben sie damit nicht vorgenommen, wovon auch das SG ausgegangen ist. Lediglich in zeitlicher Hinsicht haben sie den Streitgegenstand zulässigerweise beschränkt.

16

Demgegenüber war es nicht zulässig, den Streitgegenstand "durch Vergleich" weitergehend auf die Frage der Berücksichtigung des Alg als Einkommen zu beschränken. Bei den von den Beteiligten vorliegend im Erörterungstermin abgegebenen Erklärungen hat es sich schon nicht um ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines (Teil-)Vergleichs gehandelt (§ 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz), denn der Beklagte hat weder materiell noch prozessual nachgegeben. Auch davon unabhängig ist eine Beschränkung des Streitstoffs auf die Prüfung bestimmter Tatsachen durch eine einvernehmliche Regelung der Beteiligten nicht möglich (vgl zum Teilanerkenntnis BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12). Voraussetzung hierfür wäre, dass insoweit eine Regelung über einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes erfolgen würde. Hinsichtlich bestimmter Berechnungselemente der Leistung scheidet ein Vergleich also aus, soweit diese Leistung - wie hier - nach dem Willen der Kläger in allen Teilen, also hinsichtlich Regelleistungen und Kosten für Unterkunft und Heizung, zur Überprüfung gestellt werden soll. Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs ergibt sich aus diesem Grund auch nicht aus dem Vorbringen der Kläger, wonach sie die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen im streitigen Monat der Sache nach nicht beanstanden. Eine wirksame Beschränkung durch eine nur teilweise Anfechtung der Bescheide liegt darin nicht, schon weil sie ihren Klageantrag nicht beziffert haben.

17

Damit sind sowohl der Bescheid vom 14.8.2007 als auch die Bescheide vom 27.8.2007 Gegenstand eines einheitlichen Widerspruchsverfahrens iS des § 86 SGG. Alle diese Bescheide treffen aufeinander aufbauend eine Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Leistungen und ändern damit die ursprüngliche Bewilligung ab. Die Erklärungen der Kläger sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren sind zwar dahin zu verstehen, dass sie die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens in der Sache nicht beanstanden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bescheide vom 27.8.2007 bestandskräftig werden sollten, denn ihre Bestandskraft stünde einem Anspruch auf höhere Leistungen entgegen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008 hat der Beklagte schließlich über die geltend gemachten höheren Leistungen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten - und damit auch unter Berücksichtigung der Bescheide vom 27.8.2007 - entschieden. Das Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 SGG) ist damit durchgeführt.

18

2. Als Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Bewilligung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt nur § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Betracht. Die Vorschrift setzt ua voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dabei sind für die Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der Ausgangsbescheid vom 1.6.2007 zugunsten der Kläger zu ändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Dabei ist auf die Rechtslage im damaligen Bewilligungszeitraum abzustellen.

19

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1 und 2 als erwerbsfähige Hilfebedürftige (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) und die Kläger zu 3 und 4, die als gemeinsame, nicht erwerbsfähige Kinder mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben (vgl § 7 Abs 2, 3 SGB II), dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl §§ 19, 28 SGB II) haben. Wegen der Höhe ihrer Ansprüche ist zunächst der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus dem Bedarf jeder einzelnen Person zu ermitteln und sodann das zu berücksichtigende Einkommen (vgl § 11 SGB II) im Verhältnis der Einzelbedarfe zum Gesamtbedarf zu verteilen (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II). Entgegen der Auffassung des SG beträgt der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft vorliegend allerdings lediglich 1164,69 Euro, zusammengesetzt aus einem Bedarf der Eltern in Höhe von jeweils 312 Euro und der Kinder in Höhe von jeweils 54 Euro sowie tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 432,69 Euro. Das zugeflossene Kindergeld ist nämlich nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II vorliegend ausschließlich zur Bedarfsdeckung der Kinder heranzuziehen und also vorab von ihren Bedarfen abzusetzen(vgl BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 24).

20

Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind - wie bereits in den Monaten zuvor - das am 31.7.2007 zugeflossene Alg (dazu im Einzelnen unter 3) sowie (zusätzlich) das Erwerbseinkommen in Höhe von 86,96 Euro (Nettoeinkommen in Höhe von 219,21 Euro abzüglich der Freibeträge aus § 11 Abs 2 Satz 2<100 Euro>, § 30 SGB II<32,25 Euro>) zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des SG und dem ausdrücklichen Vorbringen der Kläger ergibt sich kein Hinweis, dass bezüglich des Gesamteinkommens im Monat Juli 2007 über den beim Erwerbseinkommen abgesetzten Betrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II hinaus weitere Absetzungen vorzunehmen wären. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte das Alg im Juli 2007 versehentlich nur in Höhe von 741,42 Euro statt der tatsächlich gezahlten 823,80 Euro zugrunde gelegt hat. Es wirkt sich wegen dieses Fehlers auf die Ansprüche der Kläger auch nicht aus, dass bei Verteilung des Gesamteinkommens unter Zugrundelegung der soeben dargestellten Einzelbedarfe im Verhältnis zum Gesamtbedarf sich richtigerweise geringfügig andere Individualansprüche ergeben hätten. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist damit im Juli 2007 (wegen des Zuflusses von Erwerbseinkommen) lediglich zu ihren Lasten, nicht aber zugunsten der Kläger eingetreten.

21

3. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(vgl nur BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18). Damit handelt es sich bei der Zahlung von Alg nach §§ 117 ff SGB III auf Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 21.3.2007 im Grundsatz um laufendes Einkommen (vgl insoweit § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.

22

a) Ohne Bedeutung für die Berücksichtigung als Einkommen ist dabei, dass es sich um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung nach vorangegangener versicherungspflichtiger Beschäftigung handelt. Der Zweck des Alg als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit führt nicht dazu, im Alg eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II zu sehen(vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 19 für Krankengeld nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 13 für das Insolvenzgeld). Mit der Gewährung der Leistung wird den Leistungsempfängern ein bestimmter "Verwendungszweck" nicht auferlegt. Daraus folgt zugleich, dass mit der materiell rechtswidrigen Zahlung von Alg nach Wegfall der Arbeitslosigkeit - anders als die Kläger meinen - ein nach dem SGB II beachtlicher Zweck dieser Leistung nicht verfehlt wird.

23

b) Der Berücksichtigung des Alg steht die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, wonach nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt(BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 16). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl § 2 Abs 2 Alg II-V in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen.

24

Damit ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass das im Juli ausgezahlte Alg auch für diesen Monat zu berücksichtigen ist. Zwar ist die Arbeitslosigkeit des Klägers zu 1 als Leistungsvoraussetzung nach § 118 SGB III und damit das Stammrecht auf Alg vom Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme (am 27.6.2007) an entfallen. Dies allein führt jedoch nicht dazu, dass die Zahlung des Alg rechtswidrig geworden und bereits bei Auszahlung mit einem Rückzahlungsanspruch belastet war (zur Unterscheidung von Stammrecht und Leistungsanspruch etwa BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr 5 mwN). So wie die BA an die Zuerkennung des Leistungsanspruchs gebunden ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat, steht auch dem Kläger zu 1 in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Ein auf einer bindenden Bewilligung begründeter Leistungsbezug von Alg ist rechtmäßig, solange der Bewilligungsbescheid besteht (vgl nur BSGE 61, 286, 287 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht kann dem Kläger zu 1 gegenüber also nicht vor der Aufhebung des Bescheides geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte. Spiegelbildlich dazu können er und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung nach den Regelungen der §§ 45, 48 SGB X aufgehoben worden ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben Ausgeführten dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht) den für § 11 Abs 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt. Die so getroffene Abgrenzung ist schließlich sachgerecht auch deshalb, weil der Träger der Grundsicherung damit von einer Prüfung, ob bei materieller Rechtswidrigkeit die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit vorliegen, entbunden ist und es allein auf die Aufhebung der Bewilligung durch die BA ankommt.

25

c) Zwar ist die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit - und also auch für den hier streitigen Zuflussmonat - aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein. Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im August 2007 hat deshalb im Verhältnis zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass die Hilfebedürftigen (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der BA) belastet sind. Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 28; Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 13; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18). Soweit das SG die Möglichkeit der Gewährung eines Sonderbedarfs (vgl § 23 Abs 1 SGB II) zur Deckung der Schulden erwogen hat, widerspräche eine solche Bewilligung dieser Rechtsprechung. Freiwillige Zahlungen an die BA, wie sie der Kläger zu 1 offensichtlich geleistet hat, sind - auch wenn sie einem Versicherungsträger zugute kommen - unbeachtlich (ausdrücklich BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25 am Ende).

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Soweit die Kläger - sinngemäß - eine Härte darin erkennen, dass (ihr Vorbringen als zutreffend unterstellt) die Überzahlung vorliegend allein durch eine fehlerhafte Arbeitsweise der BA eingetreten ist und dieses fehlerhafte Verwaltungshandeln zu dem Zufluss von Einkommen im Juli 2007 geführt hat, weist der Senat darauf hin, dass solche Sachverhalte im Verhältnis zum Leistungsempfänger ausschließlich bei einer Entscheidung über den Erlass der aus dem Bescheid der BA vom 9.8.2007 begründeten Erstattungsforderung (vgl § 76 Abs 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch) Berücksichtigung finden (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 13 S 94). Ob Erstattungsansprüche der Träger untereinander bestanden hätten, kann vorliegend deshalb offen bleiben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung des Klägers in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010.

2

Der 1970 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung in H. Ab dem 1.8.2009 betrug die monatliche Grundmiete 270 Euro. Die Betriebskostenvorauszahlung belief sich auf 100 Euro monatlich sowie die Heizkostenvorauszahlung auf 53 Euro monatlich. Die Warmwasseraufbereitung erfolgte zentral über die Heizungsanlage.

3

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: Beklagter) gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1.8.2009 bis 31.1.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 416,21 Euro (370 Euro Bruttokaltmiete + 53 Euro Heizkostenvorauszahlung abzüglich eines Warmwasserabschlages in Höhe von 6,79 Euro). Mit Schreiben vom 22.7.2009 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die monatliche Kaltmiete in Höhe von 270 Euro sowie die monatlichen kalten Nebenkosten in Höhe von 100 Euro den von ihm für angemessen erachteten Umfang überstiegen und forderte zur Kostensenkung auf. Der angemessene Höchstbetrag für die Kaltmiete belaufe sich auf 213,75 Euro (45 qm x 4,75 Euro/qm) sowie für die kalten Nebenkosten auf 90 Euro (45 qm x 2 Euro/qm). Er beabsichtige, ab dem 1.2.2010 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zu berücksichtigen.

4

Mit Bescheid vom 13.1.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wovon mtl 349,96 Euro auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (Nettokaltmiete 213,75 Euro + 90 Euro kalte BK + Heizkosten 46,21 Euro) entfielen. Auf den gegen die Höhe der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung erhobenen Widerspruch des Klägers änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13.1.2010 teilweise ab und gewährte - unter Berücksichtigung monatlicher Heizkosten von 46,53 Euro (Heizkosten 53 Euro abzüglich Warmwasser in Höhe von 6,47 Euro) - nunmehr Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 1.3.2010).

5

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010 verurteilt, dem Kläger von Februar bis Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 237,50 Euro und angemessenen Betriebskosten in Höhe von 100 Euro zuzüglich angemessener Heizkosten zu bewilligen (Urteil vom 17.11.2010). Das LSG hat die von dem Beklagten erhobene Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 33,75 Euro monatlich für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 zu bewilligen (Urteil vom 16.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe zutreffend eine Grundmiete von 237,50 Euro monatlich als angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II angesehen. Es sei dabei richtigerweise von einer angemessenen Wohnungsgröße von 50 qm für einen Alleinstehenden ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats sei die angemessene Wohnfläche im Rahmen der Produkttheorie anhand der im streitigen Bewilligungszeitraum aktuell gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum zu bestimmen. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohngeldberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen sei. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum seien ab dem 1.1.2010 in Nordrhein-Westfalen die in Nr 8.2 der Wohnungsnutzungsbestimmungen (WNB) angesetzten Werte maßgeblich, mithin für einen Ein-Personen-Haushalt 50 qm. Andere Erkenntnisquellen zur Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße im unteren Segment des Wohnungsmarktes seien nicht ersichtlich. Auch das BSG gehe von einer möglichen Dynamisierung der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften aus. Es habe dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung beigemessen und eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnflächen nur dann für vertretbar angesehen, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existierten, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Hierbei habe das BSG an die Rechtsprechung des BVerwG angeknüpft. Durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm im Land Nordrhein-Westfalen sei lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt. Weiter habe das SG den Vergleichsraum mit dem Stadtgebiet der kreisangehörigen Stadt H. zutreffend festgestellt. Unter Zugrundelegung dessen könne vorliegend als den Wohnungsstandard widerspiegelnder, abstrakt angemessener Quadratmeterpreis ein Betrag von 4,75 Euro/qm angesetzt werden, dessen Angemessenheit zwischen den Beteiligten unstreitig gestellt sei. Die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro monatlich habe der Beklagte in voller Höhe zu übernehmen.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II. Das LSG habe sich zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche zu Unrecht auf Nr 8.2 der WNB gestützt. Vielmehr sei auch nach Inkrafttreten der WNB weiterhin auf die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz und mithin auf eine angemessene Wohnfläche für Alleinstehende von 45 qm abzustellen. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Diesem habe bei Einführung des SGB II zum 1.1.2005 die damalige Situation vor Augen gestanden. Anhaltspunkte für eine sich am Wohnungsbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung seien nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die für Hilfebedürftige angemessene Wohnfläche sich mit der Zeit ändern solle, zumal § 22 Abs 1 SGB II und das Wohnraumförderungsrecht unterschiedliche Zwecke verfolgten. Auch Gründe der Rechtssicherheit und Praktikabilität sprächen nicht für die Anwendung der aktuellen WNB. Im Übrigen fehle es für die Anpassung der abstrakt angemessenen Wohnfläche an der Notwendigkeit. Im Gegensatz zu der Höhe der Regelleistung dürfte sich an der Fläche, die ein Mensch für ein menschenwürdiges Dasein benötige, nichts mehr ändern. Soweit in bestimmten Situationen ein erhöhter Wohnflächenbedarf bestehe, habe dies bereits nach altem Recht berücksichtigt werden können.

7

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Aachen vom 17. November 2010 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG)begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe dem Kläger in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen.

11

1.a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.2010, mit dem der Beklagte dem Kläger im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350,28 Euro (213,75 Euro Nettokaltmiete, 90 Euro kalte Betriebskosten, 53 Euro Heizkosten abzüglich 6,47 Euro Warmwasserabschlag) bewilligt hat und gegen den der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) vorgeht. Da sich vorliegend nur der Beklagte mit der Berufung gegen das beide Beteiligte beschwerende Urteil des SG gewandt hat, war ein über die Verurteilung hinausgehender Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

12

b) Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - RdNr 11 - SozR 4-4200 § 22 Nr 46; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 11 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

13

2. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen hat das BSG jedoch den Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Insoweit mangelt es jedoch an hinreichenden Feststellungen des LSG. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass durch das "Unstreitigstellen" bestimmter Teilaspekte des Anspruchs auf Leistungen der Unterkunft und Heizung - hier der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete und den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten - es einer weiteren Darlegung dieser Aspekte nicht bedurfte.

14

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 20; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15, 17; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

15

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese - falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden - solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde; vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 30).

16

Der Senat folgt dem LSG bei der Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße und des Vergleichsraums. Diese Feststellungen allein genügen allerdings nicht zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete.

17

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 qm zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist - entsprechend der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Landesrechts - in Nordrhein-Westfalen ab dem 1.1.2010 auf die in Nr 8.2 der WNB (MBl NRW 2010, 1) festgesetzten Werte zurückzugreifen. Diese sehen für einen Ein-Personen-Haushalt anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor.

18

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 17 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 14 f; BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtete sich damit grundsätzlich nach den Werten, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I 2379) (bzw zu der vorherigen Vorschrift des § 5 Abs 2 Wohnungsbindungsgesetz) festgelegt hatten. Maßgeblich für Nordrhein-Westfalen war damit Ziff 5.7.1 der Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) vom 8.3.2002 in der geänderten Fassung vom 21.9.2006 (Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2002, 396, 400; vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 - RdNr 16; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr 17). Zum 1.1.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW) (Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 8.12.2009) das WoFG in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Gleichzeitig sind mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, MBl NRW 2010, 1) zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des WFNG NRW erlassen worden und in Kraft getreten. Diese ersetzen die bisherigen VV-WoBindG. Nach Nr 19 S 2 der WNB treten die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nr 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG - vgl LT-Drucks 14/9394, S 96) sind ab dem 1.1.2010 daher die in Nr 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich.

19

Dass - wie der Beklagte einwendet - der mit der Angemessenheitsprüfung verbundene Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des sozialen Wohnungsbaus nicht übereinstimme, wird durch den Rückgriff auf die von den Ländern erlassenen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau ohnehin bewusst in Kauf genommen(vgl bereits BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 15). Insoweit kommt dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung zu. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnfläche nur dann vertretbar, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existieren(vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R). Dies ist auf die Situation in NRW im streitigen Zeitraum zu übertragen. Das WFNG-NRW ist zum 1.1.2010 an die Stelle des WoFG und somit auch des § 10 WoFG getreten. Mit § 18 WFNG-NRW existiert für den Wohnungsberechtigungsschein eine Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG(vgl LT-Drucks 14/9394, 96), der in Abs 4 auf die Bestimmungen der Länder zur maßgeblichen Wohnungsgröße verwies. Welche Wohnungsgröße iS des § 18 Abs 2 WFNG-NRW in der Regel angemessen ist, bestimmt nunmehr Ziffer 8.2 der WNB. Mithin existiert eine aktuelle Bestimmung zur Wohnungsfläche im sozialen Wohnungsbau, die anzuwenden ist.

20

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II zumindest Teil der Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind. Hierauf hat bereits der ebenfalls für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 14. Senat des BSG hingewiesen (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 19). Demnach folgt aus § 1 Abs 2 WoFG, dass Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung Haushalte sind, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind; insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen. Hierzu gehören auch Haushalte, deren Mitglieder Leistungen nach dem SGB II beziehen. Nichts anderes ergibt sich aus der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 2 WFNG-NRW.

21

Auch liegt der Schluss nahe, dass - soweit in Nordrhein-Westfalen die Vorschriften über die Wohnflächen gegenüber der bisherigen Regelung erhöht werden - eine entsprechende Anzahl kleinerer Wohnungen für Mieterhaushalte im sozialen Wohnungsbau tatsächlich nicht vorhanden ist. Hieraus folgt, dass solche Wohnungen dann aber auch nicht für Leistungsberechtigte nach dem SGB II zur Verfügung stehen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 18).

22

Demgegenüber ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 22 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht, dass die Ermittlung der angemessenen Wohnfläche keinen Veränderungen unterworfen werden sollte. Es heißt dort lediglich, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigt werden, wobei sie den am Maßstab der Sozialhilfepraxis ausgerichteten - angemessenen - Umfang nur dann und solange übersteigen dürfen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Wie der Beklagte selbst ausführt, entsprach es der sozialhilferechtlichen Praxis, die durch das BVerwG bestätigt wurde (vgl BVerwG Urteil vom 21.1.1993 - 5 C 3/91 - BVerwGE 92, 1, 3; BVerwG Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 112 f), dass die Frage nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften unter Rückgriff auf die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs 2 WoBindG zu beantworten war. Diese Vorschriften wurden sodann zum 1.1.2002 durch das WoFG mit entsprechenden Durchführungsbestimmungen abgelöst, auf die in der Folgezeit grundsätzlich abzustellen war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, aaO). Nicht anders verhält es sich, wenn durch den Übergang der Gesetzeskompetenz vom Bund auf die Länder landesrechtliche Vorschriften das WoFG abgelöst haben und entsprechende neue Durchführungsvorschriften erlassen worden sind.

23

Auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 26.10.2010 (BT-Drucks 17/3404, S 101) geht grundsätzlich von der Maßgeblichkeit der aktuellen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau aus. Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) ist zum 1.4.2011 die Möglichkeit des Verordnungsgebers auf Grundlage des § 27 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) eine bundeseinheitliche Bestimmung angemessener Wohnungsgrößen durch Verordnung zu erlassen (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 18; Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 16 und - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 14) -, weggefallen. Stattdessen können die Länder, die Kreise und kreisfreien Städte nun durch Gesetz ermächtigt oder verpflichtet werden, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind (vgl § 22a SGB II). In der Satzung ist auch zu bestimmen, welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt wird (vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung soll sich die Festlegung angemessener Wohnflächen an den Wohnflächen orientieren, die auf dem örtlichen Markt für Haushalte im Niedrigeinkommensbereich ohne Transferleistungen üblich sind. In Ballungsräumen könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass die von Personen im Niedrigeinkommensbereich bewohnten Wohnungen durchschnittlich kleiner seien als die Werte der aktuellen Wohnungsbauförderung. Seien belastbare Daten hierzu nicht verfügbar, könnten der Festsetzung hilfsweise die landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zugrunde gelegt werden (vgl dazu BSGE 97, 254 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

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4. Nach den Feststellungen des LSG ist die Heranziehung des Stadtgebiets der Stadt H. als maßgeblicher Vergleichsraum nicht zu beanstanden. Es handelt sich danach um einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich (zu den Anforderungen an den maßgeblichen Vergleichsraum siehe nur BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR § 22 Nr 19, RdNr 21).

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5. Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG jedoch nicht abschließend beurteilen, ob der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro und mithin eine monatliche Nettokaltmiete von 237,50 Euro abstrakt angemessen sind.

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Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das "Unstreitigstellen" bestimmter unselbstständiger Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs auf die abstrakte Rechtsfrage, welche Wohnungsgröße im Rahmen der Anwendung der Produkttheorie zugrunde zu legen ist, ist nicht möglich. Das "Unstreitigstellen" solcher Teilaspekte hat nicht zur Folge, dass das Gericht hieran gebunden ist (vgl BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - RdNr 16 - SozR 4-4200 § 11 Nr 43). Derartige Erklärungen entbinden das Gericht nicht davon darzulegen, welchen Streitstoff es nach eigener Überzeugungsbildung für maßgebend hält. Durch entsprechende Erklärungen geben die Beteiligten lediglich zum Ausdruck, dass sie von einem bestimmten Sachverhalt ausgehen und die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits insoweit aus ihrer Sicht geklärt sind. Dies steuert die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 13; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 10). Nur wenn die Annahme naheliegt, dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind, muss das Gericht in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen. Von der Pflicht zur nachvollziehbaren Darlegung einzelner Anspruchselemente entbinden solche Erklärungen jedoch hingegen nicht.

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Hieran fehlt es vorliegend, denn das LSG hat es unterlassen nachvollziehbar darzulegen, warum der vom Beklagten angesetzte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro abstrakt angemessen ist und insofern den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 26; vgl auch BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 7 und BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42) entspricht. Diese Feststellung ist jedoch - gemeinsam mit Feststellungen zur angemessenen Wohnungsgröße und zum Vergleichsraum - zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 SGB II unerlässlich. Dies wird das LSG im wiederöffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

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Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.